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A. Eisenschenk, R. Spitzmüller, C. Güthoff, A. Obladen, S. Kim, E. Henning, J.E. Dornberger, D. Stengel Neue Studie belegt: Einfachere OP-Methode bei komplizierten Mittelhandfrakturen liefert gleichwertig gute Resultate Innere Schienung bei Bruch des 5. Mittelhandköpfchens auch mit einem statt mit zwei Kirschner-Drähten adäquat durchführbar 1-2-KiWi Investigators. Single versus dual Kirschner wires for closed reduction and intramedulla- ry nailing of displaced fractures of the fiſth metacarpal neck (1-2 KiWi): a randomized controlled trial. Bone Joint J 2019 Oct;101-B(10):1263-1271. Problem Frakturen des 5. Mittelhandköpfchens ≈ jede 10. Handfraktur Risikopopulation: junge Männer 1-2-KiWi: Multizentrisches RCT 12 Kliniken in Deutschland DASH-Fragebogen EuroQol 5D Schmerz (VAS) Alter 33 (18–84) 1 Kirschner-Draht 146 Verletzte mITT-Population 83 Verletzte 2 Kirschner-Drähte 142 Verletzte mITT-Population 64 Verletzte Versuchsauau Ergebnis 1 K-Draht = 2 K-Drähte 1 K-Draht ist 2 K-Drähten funktionell nicht unterlegen DASH mult. Input EQ5D VAS EQ5D Index Schmerz VAS AU-Dauer Nachbeobachtung 6 Monate SMD (95% KI) 0,0 - 0,3 0,3 0,6 - 0,6 1 K-Draht besser 2 K-Drähte besser männlich 262 weiblich 26 Versuchsreihe 1 Versuchsreihe 2 Ergebnis 40 30 20 10 0 DASH (95% KI) Basiswert 6 Monate Drahtentfernung www.bg-kliniken.de Ankippung Drehfehler Faustschluss Was bisher bekannt ist Eine, wenn auch nur temporär, nicht mehr oder nur einge- schränkt funktionierende Hand bedeutet immer einen Ver- lust an Lebensqualität. Daher sind Frakturen der Hand für viele Patientinnen und Patienten eine besondere Stresssi- tuation. 30% bis 40% aller Handfrakturen betreffen einen der Mittelhandknochen. Von diesen Brüchen fallen wiede- rum ein Viertel auf das Köpfchen des fünſten Mittelhand- knochens – man spricht hier von einer Boxerfraktur. Um Einschränkungen der Beweglichkeit zu verhindern, müssen diese Brüche operativ versorgt werden. Das Standardverfahren für einen solchen Bruch ist die soge- nannte Bouquet-Osteosynthese nach Foucher. Hierbei wer- den zwei parallele Kirschner-Drähte in den Knochen ein- geführt, die sich unterhalb der Gelenkfläche aufspreizen. Dadurch wird der Bruch stabilisiert und kann verheilen. Das Einbringen der 0,8 bis 1,2 Millimeter dicken Drähte kann technisch anspruchsvoll sein. Die nachfolgend beschrie- bene Untersuchung ging daher der Frage nach, ob eine Schie- nung mit einem einzigen, mindestens 1,6 Millimeter dicken Kirscher-Draht eine Alternative für die Praxis darstellen kann. Dies wäre der Fall, wenn die Heilungsergebnisse mit einem oder mit zwei Drähten nach sechs Monaten auf dem DASH- Score (Disability of Arm, Shoulder and Hand) nicht mehr als 3 Punkte voneinander abwichen. Der DASH-Score hat insge- samt eine Skala von 100 Punkten, bei der 0 = keine Behin- derung und 100 = maximale Beeinträchtigung bedeuten. Studiendesign und Resultate Die Studie 1-2-KiWi (1-2 bedeutet ein oder zwei Kirschner- Drähte, KiWi steht für Kirschner-Wire) lief von Mai 2013 bis November 2016 an zwölf universitären und BG-Kliniken in Deutschland. Die potentiellen Patientinnen und Patienten mussten mindestens 18 Jahre alt sein, eine Fraktur des Köpf- chens des 5. Mittelhandknochens aufweisen und sich inner- halb von zehn Tagen einer Operation zur Stabilisierung des Bruchs unterziehen. Die Auswahl, welches Verfahren ange- wendet wurde, traf der Computer nach dem Zufallsprinzip. Alle weiteren Maßnahmen, etwa die postoperative Versor- gung, wurden in der gesamten Gruppe identisch durchgeführt. Von 467 möglichen Patientinnen und Patienten wurden letztlich 288 für die Studie ausgewählt, von denen 151 nach sechs Monaten nachuntersucht werden konnten. Der Ein- fluss fehlender Daten wurde mit Hilfe des statistischen Ver- fahrens der multiplen Imputation korrigiert. In der Auswer- tung ließen sowohl die Rohdaten als auch die statistisch korrigierten Daten die gleichen Schlüsse zu. Ergebnis Eine Stabilisierung der Fraktur mit nur einem Kirschner- Draht ist dem bisherigen Standardverfahren statistisch in keinem Fall unterlegen. Überraschenderweise war jedoch auch die Eingriffzeit nicht erheblich kürzer (23 Minuten bei einem, 25 Minuten bei zwei Drähten). Bedeutung für die klinische Versorgung und Forschung an den BG Kliniken Eine intramedulläre Schienung mit einem einzelnen, min- destens 1,6 mm dicken Kirschner-Draht für die Behandlung einer verschobenen Fraktur des Köpfchens des 5. Mittel- handknochens ist dem Standardverfahren nicht unterlegen. Dementsprechend kann diese technisch einfachere Schie- nung als alternativer Therapiestandard empfohlen werden. Weitere klinische Forschungsvorhaben sind nicht notwen- dig, um diese Empfehlung zu untermauern. 8 9

Neue Studie belegt: Einfachere OP-Methode Ergebnis bei

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A. Eisenschenk, R. Spitzmüller, C. Güthoff, A. Obladen, S. Kim, E. Henning, J.E. Dornberger, D. Stengel

Neue Studie belegt: Einfachere OP-Methode bei komplizierten Mittelhandfrakturen liefert gleichwertig gute Resultate

Innere Schienung bei Bruch des 5. Mittelhandköpfchens auch mit einem statt mit zwei Kirschner-Drähten adäquat durchführbar

1-2-KiWi Investigators. Single versus dual Kirschner wires for closed reduction and intramedulla-ry nailing of displaced fractures of the fifth metacarpal neck (1-2 KiWi): a randomized controlled trial. Bone Joint J 2019 Oct;101-B(10):1263-1271.

Schienung mit Kirschner-Draht bei Mittelhandfrakturen reicht ausA. Eisenschenk, R. Spitzmüller, C. Güthoff , A. Obladen, S. Kim, E. Henning, J.E. Dornberger, D. Stengel

Problem

• Frakturen des 5. Mittelhandköpfchens• ≈ jede 10. Handfraktur• Risikopopulation: junge Männer

• 1-2-KiWi: Multizentrisches RCT• 12 Kliniken in Deutschland• DASH-Fragebogen• EuroQol 5D• Schmerz (VAS)

Alter 33 (18–84)

1 Kirschner-Draht146 VerletztemITT-Population83 Verletzte

2 Kirschner-Drähte142 VerletztemITT-Population64 Verletzte

Versuchsaufb au Ergebnis

1 K-Draht = 2 K-Drähte

1 K-Draht ist 2 K-Drähten funktionell nicht unterlegen

DASH mult. InputEQ5D VASEQ5D IndexSchmerz VASAU-Dauer

Nachbeobachtung 6 Monate SMD (95% KI)

0,0- 0,3 0,3 0,6- 0,6

1 K-Draht besser 2 K-Drähte besser

männlich262

weiblich26

Versuchsreihe 1

Versuchsreihe 2

Ergebnis

40

30

20

10

0

DASH (95% KI)

Basiswert 6 MonateDrahtentfernung

www.bg-kliniken.de

Ankippung Drehfehler

Faustschluss

Was bisher bekannt ist

Eine, wenn auch nur temporär, nicht mehr oder nur einge-schränkt funktionierende Hand bedeutet immer einen Ver-lust an Lebensqualität. Daher sind Frakturen der Hand für viele Patientinnen und Patienten eine besondere Stresssi-tuation. 30% bis 40% aller Handfrakturen betreffen einen der Mittelhandknochen. Von diesen Brüchen fallen wiede-rum ein Viertel auf das Köpfchen des fünften Mittelhand-knochens – man spricht hier von einer Boxerfraktur. Um Einschränkungen der Beweglichkeit zu verhindern, müssen diese Brüche operativ versorgt werden.

Das Standardverfahren für einen solchen Bruch ist die soge-nannte Bouquet-Osteosynthese nach Foucher. Hierbei wer-den zwei parallele Kirschner-Drähte in den Knochen ein-geführt, die sich unterhalb der Gelenkfläche aufspreizen. Dadurch wird der Bruch stabilisiert und kann verheilen. Das Einbringen der 0,8 bis 1,2 Millimeter dicken Drähte kann technisch anspruchsvoll sein. Die nachfolgend beschrie-bene Untersuchung ging daher der Frage nach, ob eine Schie-nung mit einem einzigen, mindestens 1,6 Millimeter dicken Kirscher-Draht eine Alternative für die Praxis darstellen kann. Dies wäre der Fall, wenn die Heilungsergebnisse mit einem oder mit zwei Drähten nach sechs Monaten auf dem DASH-Score (Disability of Arm, Shoulder and Hand) nicht mehr als 3 Punkte voneinander abwichen. Der DASH-Score hat insge-samt eine Skala von 100 Punkten, bei der 0 = keine Behin-derung und 100 = maximale Beeinträchtigung bedeuten.

Studiendesign und Resultate

Die Studie 1-2-KiWi (1-2 bedeutet ein oder zwei Kirschner-Drähte, KiWi steht für Kirschner-Wire) lief von Mai 2013 bis November 2016 an zwölf universitären und BG-Kliniken in Deutschland. Die potentiellen Patientinnen und Patienten mussten mindestens 18 Jahre alt sein, eine Fraktur des Köpf-chens des 5. Mittelhandknochens aufweisen und sich inner-halb von zehn Tagen einer Operation zur Stabilisierung des Bruchs unterziehen. Die Auswahl, welches Verfahren ange-wendet wurde, traf der Computer nach dem Zufallsprinzip. Alle weiteren Maßnahmen, etwa die postoperative Versor-gung, wurden in der gesamten Gruppe identisch durchgeführt.

Von 467 möglichen Patientinnen und Patienten wurden letztlich 288 für die Studie ausgewählt, von denen 151 nach sechs Monaten nachuntersucht werden konnten. Der Ein-fluss fehlender Daten wurde mit Hilfe des statistischen Ver-fahrens der multiplen Imputation korrigiert. In der Auswer-tung ließen sowohl die Rohdaten als auch die statistisch korrigierten Daten die gleichen Schlüsse zu.

Ergebnis

Eine Stabilisierung der Fraktur mit nur einem Kirschner-Draht ist dem bisherigen Standardverfahren statistisch in keinem Fall unterlegen. Überraschenderweise war jedoch auch die Eingriffzeit nicht erheblich kürzer (23 Minuten bei einem, 25 Minuten bei zwei Drähten).

Bedeutung für die klinische Versorgung und Forschung an den BG Kliniken

Eine intramedulläre Schienung mit einem einzelnen, min-destens 1,6 mm dicken Kirschner-Draht für die Behandlung einer verschobenen Fraktur des Köpfchens des 5. Mittel-handknochens ist dem Standardverfahren nicht unterlegen. Dementsprechend kann diese technisch einfachere Schie-nung als alternativer Therapiestandard empfohlen werden. Weitere klinische Forschungsvorhaben sind nicht notwen-dig, um diese Empfehlung zu untermauern.

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