4
Internist 2009 · 50:104–107 DOI 10.1007/s00108-008-2280-z Online publiziert: 11. Januar 2009 © Springer Medizin Verlag 2008 P. Stiefelhagen Innere Abteilung, DRK-Krankenhaus Westerwald, Hachenburg Neue Studienergebnisse für den Internisten Bericht vom 3. DGIM-Internisten-Update- Seminar (21.–22.11.2008 in Wiesbaden) Medizin aktuell Das Konzept der Update-Seminare besteht darin, dass ausgewiesene Ex- perten die wichtigsten Ergebnisse kli- nischer Studien des jeweils letzten Jahrs in Teilseminaren selektieren, re- ferieren und kommentieren. Im fol- genden Kongressbericht werden die wichtigsten Themenbereiche des diesjährigen DGIM-Internisten-Up- date-Seminars referiert. Natriuretische Peptide bei koronarer Herzkrankheit Heute gilt als gesichert, dass bei Pati- enten mit einer Herzinsuffizienz die Be- stimmung des Brain Natriuretic Pepti- de (BNP-) bzw. des N-terminalen (NT-) proBNP-Spiegels eine prognostische Aus- sage zulässt. Jetzt wurde im Rahmen von klinischen Studien untersucht, ob diese Werte auch bei Patienten mit chronischer stabiler koronarer Herzkrankheit (KHK) eine prognostische Beurteilung zulassen – und zwar auch dann, wenn keine we- sentliche Einschränkung der linksvent- rikulären Pumpfunktion vorliegt. Dabei erwies sich sowohl BNP als auch NT-pro- BNP als prädiktiv für das Auftreten kardio- vaskulär bedingter Todesfälle, Schlagan- fall und Herzinsuffizienz, allerdings nicht für akute Myokardinfarkte [1, 9]. Andererseits fand sich ein Zusammen- hang zwischen der Einnahme eines ACE- Hemmers und der Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines kardiovaskulären Ereig- nisses in Abhängigkeit von den BNP- oder NT-proBNP-Ausgangswerten, d. h. Pati- enten mit hohen Ausgangswerten profi- tierten stärker von der ACE-Hemmerthe- rapie als Patienten mit niedrigen. Die pro- gnostische Bedeutung der erhöhten BNP- bzw. NT-proBNP-Werte dürfte sich dar- aus erklären, dass ischämiebedingt inter- mittierend oder chronisch eine Erhöhung der linksventrikulären Wandspannung auftritt, die nicht immer echokardiogra- phisch als systolische oder diastolische Kontraktilitätsstörung nachweisbar ist. Die Frage, ob die Bestimmung von BNP und/oder NT-proBNP bei Patienten mit Brustschmerz im Bereich der Notauf- nahme im Hinblick auf die Diagnosestel- lung eines akuten Koronarsyndroms sinn- voll ist, muss verneint werden, mit ande- ren Worten, durch die Bestimmung dieser Parameter wird die Treffsicherheit nicht verbessert. Eine einmalige Messung der natriuretischen Peptide kann jedoch sinn- voll sein, um eine bisher nicht bekannte oder neu aufgetretene Herzinsuffizienz möglichst frühzeitig zu diagnostizieren. Stabile KHK: optimale medikamentöse Therapie oder Intervention? Dass bei Patienten mit einem akuten Ko- ronarsyndrom durch die frühzeitige in- terventionelle Therapie die Prognose ver- bessert wird, gilt heute als gesichert. An- ders ist die Situation bei Patienten mit chronisch stabiler KHK. Für diese Pati- enten konnte bisher nicht gezeigt werden, dass eine perkutane Koronarintervention die Mortalität bzw. die Reinfarktinzidenz günstig beeinflusst. Im Rahmen der COURAGE-Studie [2] wurde erneut der Frage nachgegangen, ob bei stabiler KHK die perkutane koronare Intervention (PCI) zusätzlich zur optima- len medikamentösen Therapie die Pro- gnose verbessern kann. Eingeschlossen in die Studie wurden nach einem Screening von 35.539 Patienten mit stabiler KHK schließlich nur 2287 (6,4%) dieser Pati- enten. Der mittlere Nachbeobachtungs- zeitraum betrug 4,6 Jahre. Ausgeschlossen wurden Patienten mit Hauptstammsteno- se, schlechter linksventrikulärer Pump- funktion bzw. nicht ausreichend einstell- barer Beschwerdesymptomatik. Insge- samt handelte es sich somit um ein hoch selektioniertes Patientenkollektiv, wobei alle Patienten im Hinblick auf die Risiko- stratifizierung zunächst koronarangiogra- phisch untersucht wurden, bevor sie in ei- ne der beiden Behandlungsgruppen ran- domisiert wurden. In der PCI-Gruppe ereigneten sich 211 Todesfälle oder Myokardinfarkte, in der medikamentös behandelten Patien- tengruppe wurde dieser primäre kombi- nierte Endpunkt bei 202 Patienten doku- mentiert. Somit ergab sich kein signifi- kanter Unterschied zwischen beiden Pati- entenkollektiven. Auch wenn der Schlag- anfall zum primären Endpunkt hinzuge- nommen wurde, fand sich kein signifi- kanter Unterschied. Somit konnte erneut bestätigt werden, dass die PCI bei selek- tionierten Patienten mit stabiler KHK und niedrigem Risiko weder die Progno- 104 |  Der Internist 1 · 2009

Neue Studienergebnisse für den Internisten

Embed Size (px)

Citation preview

Internist 2009 · 50:104–107DOI 10.1007/s00108-008-2280-zOnline publiziert: 11. Januar 2009© Springer Medizin Verlag 2008

P. StiefelhagenInnere Abteilung, DRK-Krankenhaus Westerwald, Hachenburg

Neue Studienergebnisse für den InternistenBericht vom 3. DGIM-Internisten-Update-Seminar (21.–22.11.2008 in Wiesbaden)

Medizin aktuell

Das Konzept der Update-Seminare besteht darin, dass ausgewiesene Ex-perten die wichtigsten Ergebnisse kli-nischer Studien des jeweils letzten Jahrs in Teilseminaren selektieren, re-ferieren und kommentieren. Im fol-genden Kongressbericht werden die wichtigsten Themenbereiche des diesjährigen DGIM-Internisten-Up-date-Seminars referiert.

Natriuretische Peptide bei koronarer Herzkrankheit

Heute gilt als gesichert, dass bei Pati-enten mit einer Herzinsuffizienz die Be-stimmung des Brain Natriuretic Pepti-de (BNP-) bzw. des N-terminalen (NT-) proBNP-Spiegels eine prognostische Aus-sage zulässt. Jetzt wurde im Rahmen von klinischen Studien untersucht, ob diese Werte auch bei Patienten mit chronischer stabiler koronarer Herzkrankheit (KHK) eine prognostische Beurteilung zulassen – und zwar auch dann, wenn keine we-sentliche Einschränkung der linksvent-rikulären Pumpfunktion vorliegt. Dabei erwies sich sowohl BNP als auch NT-pro-BNP als prädiktiv für das Auftreten kardio-vaskulär bedingter Todesfälle, Schlagan-fall und Herzinsuffizienz, allerdings nicht für akute Myokardinfarkte [1, 9].

Andererseits fand sich ein Zusammen-hang zwischen der Einnahme eines ACE-Hemmers und der Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines kardiovaskulären Ereig-nisses in Abhängigkeit von den BNP- oder NT-proBNP-Ausgangswerten, d. h. Pati-

enten mit hohen Ausgangswerten profi-tierten stärker von der ACE-Hemmerthe-rapie als Patienten mit niedrigen. Die pro-gnostische Bedeutung der erhöhten BNP- bzw. NT-proBNP-Werte dürfte sich dar-aus erklären, dass ischämiebedingt inter-mittierend oder chronisch eine Erhöhung der linksventrikulären Wandspannung auftritt, die nicht immer echokardiogra-phisch als systolische oder diastolische Kontraktilitätsstörung nachweisbar ist.

Die Frage, ob die Bestimmung von BNP und/oder NT-proBNP bei Patienten mit Brustschmerz im Bereich der Notauf-nahme im Hinblick auf die Diagnosestel-lung eines akuten Koronarsyndroms sinn-voll ist, muss verneint werden, mit ande-ren Worten, durch die Bestimmung dieser Parameter wird die Treffsicherheit nicht verbessert. Eine einmalige Messung der natriuretischen Peptide kann jedoch sinn-voll sein, um eine bisher nicht bekannte oder neu aufgetretene Herzinsuffizienz möglichst frühzeitig zu diagnostizieren.

Stabile KHK: optimale medikamentöse Therapie oder Intervention?

Dass bei Patienten mit einem akuten Ko-ronarsyndrom durch die frühzeitige in-terventionelle Therapie die Prognose ver-bessert wird, gilt heute als gesichert. An-ders ist die Situation bei Patienten mit chronisch stabiler KHK. Für diese Pati-enten konnte bisher nicht gezeigt werden, dass eine perkutane Koronarintervention

die Mortalität bzw. die Reinfarktinzidenz günstig beeinflusst.

Im Rahmen der COURAGE-Studie [2] wurde erneut der Frage nachgegangen, ob bei stabiler KHK die perkutane koronare Intervention (PCI) zusätzlich zur optima-len medikamentösen Therapie die Pro-gnose verbessern kann. Eingeschlossen in die Studie wurden nach einem Screening von 35.539 Patienten mit stabiler KHK schließlich nur 2287 (6,4%) dieser Pati-enten. Der mittlere Nachbeobachtungs-zeitraum betrug 4,6 Jahre. Ausgeschlossen wurden Patienten mit Hauptstammsteno-se, schlechter linksventrikulärer Pump-funktion bzw. nicht ausreichend einstell-barer Beschwerdesymptomatik. Insge-samt handelte es sich somit um ein hoch selektioniertes Patientenkollektiv, wobei alle Patienten im Hinblick auf die Risiko-stratifizierung zunächst koronarangiogra-phisch untersucht wurden, bevor sie in ei-ne der beiden Behandlungsgruppen ran-domisiert wurden.

In der PCI-Gruppe ereigneten sich 211 Todesfälle oder Myokardinfarkte, in der medikamentös behandelten Patien-tengruppe wurde dieser primäre kombi-nierte Endpunkt bei 202 Patienten doku-mentiert. Somit ergab sich kein signifi-kanter Unterschied zwischen beiden Pati-entenkollektiven. Auch wenn der Schlag-anfall zum primären Endpunkt hinzuge-nommen wurde, fand sich kein signifi-kanter Unterschied. Somit konnte erneut bestätigt werden, dass die PCI bei selek-tionierten Patienten mit stabiler KHK und niedrigem Risiko weder die Progno-

104 |  Der Internist 1 · 2009

se quoad vitam verbessert, noch die Myo-kardinfarktrate reduziert.

Im Verlauf der Studie zeigte sich je-doch, dass sich Patienten im medika-mentösen Arm sehr viel häufiger einer späteren Revaskularisation unterziehen mussten als Patienten, bei denen primär eine PCI durchgeführt wurde. In den ers-ten 3 Jahren traten auch Angina-pectoris-Beschwerden in der PCI-Gruppe signifi-kant seltener auf als in der ausschließlich medikamentös behandelten. Somit wurde bestätigt, dass die PCI eine geeignete Me-thode ist, um eine bessere Symptomfrei-heit bei KHK-Patienten zu erreichen. Die Tatsache, dass nur insgesamt 6% der pri-mär gescreenten Patienten letztendlich in die Studie eingeschlossen wurden, ist ein Beleg dafür, dass es sich um ein hoch se-lektioniertes Patientenkollektiv mit nied-rigem Risiko handelt, und deshalb die Studienergebnisse nicht ohne Weiteres auf den Großteil der Patienten mit KHK übertragen werden können (Michael Hau-de, Neuss).

Neue Leitlinie für die Endokarditisprophylaxe

Die bisher gültigen Grundprinzipien der Endokarditisprophylaxe beruhen auf Be-obachtungen zu Beginn des 20. Jahrhun-derts. Dass eine prophylaktische Gabe von Antibiotika die Endokarditis effektiv und effizient verhindern kann, wurde jedoch bisher nie prospektiv und randomisiert gezeigt.

Nach der neuen Leitlinie zur Endo-karditisprophylaxe [7] wird die Antibio-tikagabe auf ein Hochrisikokollektiv be-schränkt, um einen größtmöglichen Nut-zen hinsichtlich einer solchen Endokardi-tisprophylaxe zu erreichen. Dabei werden 4 Gruppen definiert, die eine lebenslange Endokarditisprophylaxe benötigen:FPatienten mit Herzklappenersatz,FPatienten mit Zustand nach Endokar-

ditis,FPatienten mit kongenitalen zyano-

tischen Vitien und persistierendem pulmonal-systemischem Shunt,

Fherztransplantierte Patienten, die eine Klappenerkrankung entwickeln.

Zu den Eingriffen, bei denen eine Endo-karditisprophylaxe sinnvoll ist, gehören:

FManipulationen an der Gingiva oder der periapikalen Zahnregion,

FTonsillektomie und Adenektomie,FBiopsieentnahmen mit Verletzung der

Mukosa im Mund-, Hals-, Nasen-, Rachenraum und Tracheobronchial-system,

FDrainage von Abszessen oder Pleuraempyemen,

FInfektionen des Gastrointestinal-trakts,

FInfektionen des Urogenitaltrakts,FPatienten mit Harnwegsinfekten bzw.

Bakteriurie durch Enterokokken, bei denen eine Zystoskopie oder andere Manipulationen am Urogenitalsystem geplant sind.

Eine Endokarditisprophylaxe ist somit nicht mehr routinemäßig bei Kolosko-pien, Gastroskopien oder ERCP notwen-dig, und zwar unabhängig davon, ob ei-ne Biopsie durchgeführt wird oder nicht, sondern nur dann, wenn eine manifes-te bakterielle Infektion des Gastro- oder Urogenitaltrakts besteht.

In den überwiegenden Fällen, bei de-nen eine Endokarditisprophylaxe indi-ziert ist, kann diese mit 2 g Amoxicil-lin p.o. durchgeführt werden. Die Gabe sollte 30–60 min vor dem Eingriff erfol-gen und kann im Ausnahmefall bei feh-lender Gabe vor dem Eingriff bis zu 2 h danach nachgeholt werden. Bei Patienten mit einer Penizillinallergie empfiehlt sich als Alternative 600 mg Clindamycin p.o. oder i.v. oder bei Infektionen im Urogeni-tal- bzw. Gastrointestinaltrakt 2 g Vanco-mycin i.v. Bei Eingriffen im Respirations-trakt sollte bei nachgewiesener Infektion mit (methicillinresistenten) Staphylococ-cus aureus 1 g Flucloxacillin p.o. bzw. 2 g Vancomycin i.v. gegeben werden (Gunnar Klein, Hannover).

Nephrogene systemische Fibrose bei gadoliniumhaltigen Kontrastmitteln

Das Risiko für eine nephrogene syste-mische Fibrose bei Anwendung von ga-doliniumbasierten Kontrastmitteln ist sehr gering. Bisher sind nur 200 Fälle weltweit beschrieben. Auch tritt sie nur bei Patienten mit fortgeschrittener chro-nischer Niereninsuffizienz (glomeruläre

Filtrationsrate <30 ml/min) und wieder-holter Kontrastmittelgabe bzw. größe-rer Menge an gadoliniumhaltigen Kon-trastmitteln auf. Das Risiko für ein aku-tes Nierenversagen nach Gabe von kon-ventionellen jodhaltigen Kontrastmitteln ist deutlich höher.

Pathologisch anatomisch handelt es sich um eine systemische fibrosierende Reaktion, die neben der Niere auch an-dere Organe wie Haut, Muskeln, Sehnen, Zwerchfell, Hoden, Herzvorhöfe, Lungen und Hirnhäute befällt. Eine spezifische Therapie für diese Erkrankung steht bis-her nicht zur Verfügung. In Autopsiebe-richten fand sich ein Zusammenhang zwi-schen der nephrogenen systemischen Fi-brose und Metallablagerungen (Eisen und Aluminium) im Gewebe. Dies kor-reliert mit der Beobachtung, dass das Ri-siko für eine nephrogene systemische Fi-brose durch eine gleichzeitige intravenöse Eisentherapie ansteigt ([11]; Jan-Christoph Galle, Lüdenscheid).

Kolorektales Karzinom: Heilung durch Metastasenchirurgie

Bei rund der Hälfte der Patienten mit ko-lorektalem Karzinom finden sich bei der Erstdiagnose Lebermetastasen. Bei einem Drittel dieser Patienten ist die Metastasie-rung auf die Leber beschränkt, und bei je-dem 5. sind die Metastasen primär resek-tabel, d. h. es besteht die Möglichkeit einer RO-Resektion. Rund 20% der operierten Patienten können in der Tat geheilt wer-den, d. h. sie sind auch nach 10 Jahren noch rezidivfrei.

Angesichts des hohen Rezidivrisikos bei Lebermetastasen stellt sich die Fra-ge einer perioperativen Chemotherapie, um primär nicht erkennbare Mikrome-tastasen zu eliminieren. Diese Frage wur-de im Rahmen der EORTC [8] geprüft, in die 364 Patienten mit bis zu 4 resektablen Lebermetastasen aufgenommen wurden. Die Patienten erhielten 6 Zyklen FOL-FOX4 vor und weitere 5 Zyklen nach der Operation. Bei der Kontrollgruppe wur-de keine perioperative Chemotherapie durchgeführt. Durch die perioperative Chemotherapie konnte das progressions-freie Überleben der tatsächlich operierten Patienten nach 3 Jahren um 9,2% verbes-sert werden (p=0,025). Bei Auswertung

105Der Internist 1 · 2009  | 

aller Patienten (17% wurden nicht ope-riert) ergab sich kein signifikanter Unter-schied. Auch das Gesamtüberleben konn-te nicht statistisch signifikant beeinflusst werden. Insgesamt ist das Ergebnis dieser Studie eher enttäuschend.

Doch die Studie bestätigt die bishe-rigen Erfahrungen, dass 5 Jahre nach der Metastasenresektion ca. 20% der Pati-enten rezidivfrei sind und entsprechend der bisher vorliegenden Langzeitbeob-achtungen davon etwa zwei Drittel als ge-heilt gelten können. Eine solche Heilungs-rate ist durch die alleinige Chemothera-pie nicht zu erreichen (Norbert Frickho-fen, Wiesbaden).

Neue antivirale Medikamente bei chronischer Hepatitis B

Mit Telbivudin und Tenofovir stehen 2 neue antivirale Substanzen zur Therapie der chronischen Hepatitis B zur Verfü-gung.

Im Rahmen der GLOBE-Studie [5] wurde die Wirksamkeit von Telbivudin bei 1370 Patienten (HBe-Ag positiv und negativ) überprüft und mit der Wirkung von Lamivudin verglichen. Endpunkt der Studie war eine therapeutische Response, d. h. eine Reduktion der HBV-DNA auf Werte <100.000 Kopien/ml, die HBeAg-Verlustrate und eine Normalisierung der Transaminasen. Eine solche Response zeigten unter Telbivudin 75,3% der Pati-enten im Vergleich zu 67,0% in der La-mivudingruppe. Eine HBV-DNA-Negati-vierung wurde bei 60% in der Telbivudin-gruppe und 40% in der Lamivudingrup-pe dokumentiert. Bei den HBeAg-nega-tiven Patienten betrug die Rate der kom-pletten virologischen Response (HBV-DNA negativ) 80% in der Telbivudingrup-pe und 71% in der Lamivudingruppe. Zu-sammenfassend zeigte Telbivudin eine si-gnifikant höhere antivirale Effektivität als Lamivudin. Doch Patienten, die keine ra-sche virologische Response innerhalb von 24 Wochen auf Telbivudin zeigten, trugen ein hohes Risiko für die Entwicklung ei-ner Telbivudinresistenz. Somit stellt Tel-bivudin keine optimale Therapieform für Patienten mit sehr hoher Ausgangsvirus-last (>109 Kopien/ml) dar.

Tenofivir wurde im Rahmen einer kli-nischen Studie mit Adefovir bei insgesamt

268 Patienten mit einer chronischen He-patitis B verglichen [6]. Während 76% un-ter Tenofovir HBV-DNA-negativ wurden, waren es in der Adefovirgruppe nur 13%. Eine HBeAg-Serokonversion wurde un-ter Tenofovir bei 21% der Patienten, unter Adefovir bei 17,5% erreicht. Die Raten der kompletten virologischen Response unter Tenofovir sind die höchsten, die bisher in klinischen Studien erzielt wurden. Eine Resistenzentwicklung wurde bisher nicht beobachtet (Wolfgang Fleig, Leipzig).

Ambulant erworbene Pneumonien beim älteren Patienten

Pneumonien sind in Deutschland die häu-figste registrierte Infektion mit 350.000–500.000 Erkrankungen/Jahr. Im Rahmen einer Multicenterstudie des Deutschen Kompetenznetzwerks zur ambulant er-worbenen Pneumonie (CAPNETZ) wur-den die Einflussfaktoren auf die Mortalität älterer Patienten mit einer ambulant er-worbenen Pneumonie analysiert [4]. Im Vergleich zu jüngeren Patienten bestand eine deutlich höhere Komorbidität. Die entscheidenden prognostischen Parame-ter neben dem Alter sind der Aufenthalts-ort: Bei Bewohnern von Alters- oder Pfle-geheimen war die Mortalitätsrate im Ver-gleich zu Patienten aus Privathaushalten 4-fach erhöht (28,8% vs. 6,9%). Hinsicht-lich der Erreger ergab sich kein grund-sätzlicher Unterschied zu jüngeren Pa-tienten, doch bei Heimbewohnern fand sich eine erhöhte Rate gramnegativer Er-reger. Neben dem Alter erhöht auch die Komorbidität, eine begleitende uncha-rakteristische klinische Symptomatik wie Verwirrtheit und ein Versagen der initi-alen antibiotischen Therapie das Sterbe-risiko. Faktoren, die die Wahrscheinlich-keit einer gramnegativen Pneumonie er-höhen, sind:Fstationärer Aufenthalt innerhalb der

letzten 6 Monate,FAntibiotikatherapie innerhalb der

letzten 30 Tage vor der Pneumonie,Fpulmonale Komorbidität wie z. B.

COPD,FAspirationsverdacht.

Nach den Ergebnissen dieser Studie soll-ten jedoch nicht bei allen Heimbewoh-

nern Breitspektrumantibiotika einge-setzt werden, sondern nur bei schweren Erkrankungen, schlechtem Allgemein-zustand und vorausgegangener antibio-tischer Therapie (Martin Kohlhäufl, Ger-lingen).

Hypothyreose: neuer Normbereich für TSH?

Bisher gilt eine Normgrenze von 4,0 µlU/l zum Nachweis oder Ausschluss einer Hy-pothyreose. Seit einigen Jahren wird kon-trovers diskutiert, ob diese zu hoch sei.

Im Rahmen einer Populationsstudie wurden die TSH-Werte bei Personen oh-ne Anhalt für eine Schilddrüsenerkran-kung (fehlende Schilddrüsenantikörper, unauffällige Ultraschalldiagnostik) unter-sucht. Bei mehr als 10% fand sich ein TSH-Wert >3,0 µlU/l. Nach diesen Ergebnissen dürfte eine Absenkung des oberen Norm-bereichs nicht sinnvoll sein, da dieses zu einer massiven Ausweitung von Diagnos-tik und Therapie führen würde, ohne dass ein Nutzen klar erkennbar ist [3].

Doch bei einem bereits leicht er-höhten TSH >6 µlU/l besteht ein deut-lich erhöhtes Risiko für das Auftreten ei-ner manifesten Hypothyreose. Risikofak-toren dafür sind ein initialer TSH-Wert >5,7 µU/l, sehr hohe TPO-Antikörperti-ter (>10.000 kU/l) und 2 Verwandte mit Hashimoto-Thyreoiditis ([10]; Bruno Al-lolio, Würzburg).

Rheumatoide Arthritis: frühe Kombination aus Methotreaxt und TNF-Blocker

Die klassische Basistherapie bei der rheu-matoiden Arthritis ist Methotrexat. Wird diese Substanz bei Patienten mit einer frü-hen oder undifferenzierten Arthritis ein-gesetzt, so kann damit in über der Hälf-te der Fälle die Entwicklung einer defini-tiven rheumatoiden Arthritis verzögert werden.

Im Rahmen einer Studie wurde jetzt auch die frühe Kombinationstherapie Me-thotrexat plus Infliximab untersucht. Von 120 Patienten, die diese Kombinations-therapie erhielten, zeigten nach 2 Jahren 56% eine persistierend niedrige Krank-heitsaktivität, sodass Infliximab nach ei-ner durchschnittlichen Therapiedauer

106 |  Der Internist 1 · 2009

Medizin aktuell

von 10 Monaten abgesetzt werden konn-te. Die mediane Methotrexatdosis betrug nach 2 Jahren nur noch 10 mg. 10 Pati-enten hatten nach Absetzen des Inflixi-mab einen erneuten Schub und 13 Pati-enten erreichten keine dauerhafte nied-rige Krankheitsaktivität, sodass die Infli-ximabtherapie fortgesetzt werden musste. Bei 30 Patienten war die Therapie nicht erfolgreich [12]. Aus diesen Studiener-gebnissen ergibt sich als Empfehlung eine konsequente Anpassung der Therapie an die Krankheitsaktivität (Elisabeth Märker-Hermann, Wiesbaden).

KorrespondenzadresseDr. P. StiefelhagenInnere Abteilung, DRK-Krankenhaus Westerwald57627 [email protected]

Interessenkonflikt.  Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Literatur

  1.  Bibbins-Domingo K, Gupta R, Na B et al. (2007) N-terminal fragment of the prohormone brain-ty-pe natriuretic peptide (NT-proBNP) cardiovascular events, and mortality in patients with stable coro-nary heart disease. JAMA 297: 169–176

  2.  Boden WE, O’Rourke RA, Teo KK et al.; COURA-GE Trial Research Group (2007) Optimal medical therapy with or without PCI for stable coronary di-sease. N Engl J Med 356: 1503–1516

  3.  Hamilton TE, Davis S, Onstad L, Kopecky KJ (2008) Thyrotropin levels in a population with no clini-cal, autoantibody, or ultrasonographic evidence of thyroid disease: implications for the diagnosis of subclinical hypothyroidism. J Clin Endocrinol Me-tab 93: 1224–1230

  4.  Kothe H, Bauer T, Marre R et al.; Competence Net-work for Community-Acquired Pneumonia stu-dy group (2008) Outcome of community-acquired pneumonia: influence of age, residence status and antimicrobial treatment. Eur Respir J 32: 139–146

  5.  Lai CL, Gane E, Liaw YF, Hsu CW et al.; Globe Study Group (2007) Telbivudine versus lamivudine in pa-tients with chronic hepatitis B. N Engl J Med 357: 2576–2588

  6.  Marcellin P et al. (2007) A randomized, double-blind, comparison of Tenofovir DF (TDF) versus Adefovir Dipivoxil (ADV) for the treatment of HBe Ag-negative chronic Hepatitis B (CHB): study GS-US-174-0102. Hepatology 46 (Suppl 1): 290A

  7.  Naber CK, Al-Nawas B, Baumgartner H (2007) Pro-phylaxe der infektiösen Endokarditis. Kardiologe 1: 243–250

  8.  Nordlinger B, Sorbye H, Glimelius B et al.; EORTC Gastro-Intestinal Tract Cancer Group; Cancer Re-search UK; Arbeitsgruppe Lebermetastasen und-tumoren in der Chirurgischen Arbeitsgemein-schaft Onkologie (ALM-CAO); Australasian Gastro-Intestinal Trials Group (AGITG); Fédération Franco-phone de Cancérologie Digestive (FFCD) (2008) Perioperative chemotherapy with FOLFOX4 and surgery versus surgery alone for respectable liver metastases from colorectal cancer ( EORTC Inter-group trial 40983): a randomised controlled trial. Lancet 317: 1007–1016

  9.  Omland T, Sabatine MS, Jablonski KA et al.; PEACE Investigators (2007) Prognostic value of B-Type na-triuretic peptides in patients with stable coronary artery disease the PEACE Trial. J Am Coll Cardiol 50: 205–214

10.  Strieder TG, Tijssen JG, Wenzel BE et al. (2008) Pre-diction of progression to overt hypothyroidism or hyperthyroidism in female relatives of patients with autoimmune thyroid disease using the Thy-roid Events Amsterdam (THEA) score. Arch Intern Med 168: 1657–1663

11.  Swaminathan S, High WA, Ranville J et al. (2008) Cardiac and vascular metal deposition with high mortality in nephrogenic systemic fibrosis. Kidney Int 73: 1413–1418

12.  van der Bijl AE, Goekoop-Ruiterman YP, de Vries-Bouwstra JK et al. (2007) Infliximab and methotre-xate as induction therapy in patients with ear-ly rheumatoid arthritis. Arthritis Rheum 56: 2129–2134