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Urologe 2007 · 46:257–263
DOI 10.1007/s00120-007-1300-2
Online publiziert: 10. Februar 2007
© Springer Medizin Verlag 2007
S. Bross1 · S.T. Kwon2 · S. Peter1 · P. Honeck2
1 Urologische Klinik, Klinikum Darmstadt, Darmstadt2 Urologische Universitätsklinik, Klinikum Mannheim, Mannheim
Neue Verfahren zur operativen Therapie der postoperativen Belastungs-inkontinenz beim Mann
Leitthema
Etablierte Verfahren zur Behandlung
der postoperativen Belastungsinkon-
tinenz beim Mann wie beispielswei-
se die Faszienzügelplastik oder die
Implantation eines alloplastischen
Sphinkters stellen aufwendige oder
auch kostenintensive Therapieop-
tionen dar. Trotz der hohen Erfolgs-
raten werden diese Therapieoptio-
nen von vielen Patienten nicht ge-
wünscht, da bei der Faszienzügelplas-
tik im Falle einer Überkorrektur die
Notwendigkeit des intermittierenden
Einmalkatheterismus notwendig wer-
den kann oder beim alloplastischen
Sphinkter mit wiederholten Eingrif-
fen bei mechanischem Defekt gerech-
net werden muss.
Der Trend aktueller Behandlungsmetho-
den geht in Richtung minimal-invasiver
Techniken, die ohne großen operativen
Aufwand mit einem entsprechend kurz-
zeitigen stationären Aufenthalt durchge-
führt werden können. Entscheidend für
die Patienten ist nicht die komplette Kon-
tinenzsituation in allen Lebenslagen, son-
dern die sog. „soziale Kontinenz“. Unter
diesem Begriff versteht man, dass die Pati-
enten ausreichend kontinent im Rahmen
der gewünschten sozialen Aktivitäten
sind, um ein individuelles Maximum an
Lebensqualität erreichen zu können. Die-
se minimal-invasiven Verfahren basieren
prinzipiell auf einer konstanten Erhöhung
des urethralen Widerstands, der in Ab-
hängigkeit vom durchgeführten Verfah-
ren auch nachjustiert werden kann.
Sicherlich muss kritisch überprüft wer-
den, ob die sog. minimal-invasiven Ver-
fahren im Hinblick auf die Therapieeffi-
zienz und das Komplikationsspek trum
wirkliche Vorteile im Vergleich zu den
etablierten Verfahren erbringen. Zu-
dem konzentriert sich die aktuelle Dis-
kussion darauf, ob nach erfolgloser An-
wendung der minimal-invasiven Verfah-
ren die Durchführbarkeit einer nachfol-
genden Faszienzügelplastik oder Sphink-
terimplantation erschwert wird oder die
Erfolgsraten der etablierten Verfahren re-
duziert sind.
Die wichtigsten Verfahren, auf die im
folgenden Beitrag eingegangen wird, sind
die submuköse Injektion von „bulking
agents“, die ProAct-Implantation oder die
Implantation von suburethralen Schlin-
gensystemen.
„Bulking agents“
Transurethrale submuköse Injektionsver-
fahren wurden bereits 1963 eingesetzt. Bei
diesem Verfahren wird eine Substanz im
Bereich des Harnröhrensphinkters unter
visueller Kontrolle eingespritzt.
Bei der Verwendung von Paraffin-
wachs, Kollagen, autologen Chondro-
zyten oder autologem Fett kommt es zu
einer raschen Migration der Substanzen,
sodass allenfalls eine kurzzeitige Wirkung
zu erwarten ist [8, 14, 16]. Zudem besteht
bei der Kollageninjektion das Risiko aller-
gischer Reaktionen bis hin zum anaphy-
laktischen Schock. Die Injektion von Po-
lytetrafluorethylen (Teflon) zeigte in ver-
schiedenen Untersuchungen Kontinenz-
raten zwischen 17 und 67% [2, 6, 12, 21, 27].
Nachdem die Migration von Polytetraflu-
orethylen in tierexperimentellen Untersu-
chungen in regionäre Lymphknoten, Milz,
Lunge und Gehirn nachgewiesen wurde
[18], verschwand diese Substanz weitge-
hend aus dem therapeutischen Armen-
tarium.
Neuere Substanzen, wie beispielswei-
se Polydimethylsiloxan (Macroplastique®)
oder ein Dextrantromer-Hyaluronsäure-
Kopolymer (Deflux®), können sich zuneh-
mend im klinischen Alltag etablieren. Die-
se Substanzen zeichnen sich aufgrund ih-
rer molekularen Struktur durch eine län-
gere lokale Persistenz ohne Gefährdung
anderer Organsysteme durch Migration
aus.
Die Behandlung der postoperativen
Belastungsharninkontinenz des Mannes
kann durch transurethrale Unterspritzung
des Sphinkters mit 2,5–7,5 ml Macroplas-
tique® pro Eingriff oder mittels 1–3 ml De-
flux® erfolgen. Bei diesen Verfahren sind
jedoch häufig Nachinjektionen erforder-
lich, um eine kontinente bzw. „sozialkon-
tinente“ Situation herzustellen. Der Er-
folg scheint vom präoperativen Ausmaß
der Harninkontinenz abhängig zu sein.
Die Nebenwirkungen beinhalten kurz-
zeitige Makrohämaturie, Dysurie, Polla-
kisurie, Harnweginfekte, Strahlabschwä-
chung mit Restharnbildung bis hin zum
kurzfristigen intermittierenden Einmal-
katheterismus und die Ausbildung ste-
riler Abszesse.
257Der Urologe 3 · 2007 |
Injektion von Macroplastique®
Untersuchungen von Kylmala et al. [15]
zeigten gute Kontinenzraten nach Injekti-
on von Macroplastique®. In Lokalanästhe-
sie wurden bei 50 Patienten transurethral
2,5–5,0 ml Macroplastique® bei 5 und/oder
7 Uhr im Sphinkterbereich appliziert. Das
Follow-up betrug 3 Monate nach jeder In-
jektion.
Nach Erstbehandlung waren 6 Patien-
ten (12%) kontinent und 28 Patienten
(56%) gebessert. Bei unzureichendem Er-
folg wurden bis zu 4 Injektionen durchge-
führt. Im Mittel wurden 7,1 ml bei einem
Range von 2,5–13,5 ml Macroplastique®
verwendet. Insgesamt waren 60% der Pa-
tienten kontinent, 24% zeigten eine ver-
besserte Kontinenz und bei nur 16% der
Patienten zeigte sich keine Verbesserung.
Bis auf vorübergehende dysurische Be-
schwerden wurden keine Komplikationen
oder Nebenwirkungen beobachtet.
In einer Studie von Imamoglu et al. [11]
mit 45 Patienten wurde die alloplastische
Sphinkterimplantation mit der Macro-
plastique®-Injektion verglichen. Sie teil-
ten die Patienten in eine Gruppe 1 mit
leichtgradiger Inkontinenz (n=21), ent-
sprechend einem maximalen Vorlagen-
verbrauch von 2 Vorlagen/Tag und einem
maximalen Urinverlust von 100 ml/Tag,
und in eine Gruppe 2 mit höhergradi-
ger Inkontinenz (n=24), entsprechend
einem Vorlagenverbrauch von >2 Vor-
lagen/Tag und einem maximalen Urin-
verlust >100 ml/Tag, ein. Ein alloplasti-
scher Sphinkter wurde bei jeweils 11 Pa-
tienten in beiden Gruppen implantiert.
Die Macroplasti que®-Injektion erfolgte
in Gruppe 1 bei 11 Patienten und in Grup-
pe 2 bei 14 Patienten. Bei einem mittleren
Follow-up von 48 Monaten waren in der
Gruppe mit geringer Inkontinenz 80%
nach Macroplastique®-Injektion und 91%
nach Sphinkterimplantation kontinent.
In der Gruppe mit höhergradiger Inkon-
tinenz waren 23% nach Macroplastique®-
Injektion und 73% nach Sphinkterimplan-
tation kontinent. Bei 5 Patienten war eine
Revision des Sphinkters bei Cuff-Erosi-
on, Infektion oder Fehlfunktion erforder-
lich. Nach Makroplastique®-Injektion tra-
ten ein Harnverhalt und zwei Harnweg-
infekte auf.
Zusammenfassung · Abstract
Urologe 2007 · 46:257–263 DOI 10.1007/s00120-007-1300-2
© Springer Medizin Verlag 2007
S. Bross · S.T. Kwon · S. Peter · P. Honeck
Neue Verfahren zur operativen Therapie der postoperativen Belastungsinkontinenz beim Mann
Zusammenfassung
In den letzten Jahren haben minimal-inva-
sive Verfahren zur Behandlung der postope-
rativen Belastungsinkontinenz des Mannes
zunehmend an Bedeutung gewonnen. Die-
se Verfahren führen zu einer konstanten Er-
höhung des urethralen Widerstands, welcher
in Abhängigkeit vom gewählten Verfahren
nachjustiert werden kann. Der Behandlungs-
erfolg ist bei allen Verfahren abhängig vom
präoperativen Ausmaß der Inkontinenz.
Mit den transurethral im Sphinkterbereich
applizierten „bulking agents“ können Kon-
tinenzraten zwischen 12 und 90% erreicht
werden. Behandlungsbedürftige Komplika-
tionen werden selten beobachtet. Die Aussa-
gekraft der Studien ist häufig durch die kurze
Nachbeobachtungszeit limitiert.
Bei der Implantation von flüssigkeitsge-
füllten Silikonballons im Bereich des Blasen-
halses können Verbesserungsraten um 90%
und Kontinenzraten um 70% erreicht wer-
den. Der Vorteil besteht darin, dass die Bal-
lonfüllung adjustiert werden kann, bis die
Kontinenzsituation optimiert ist. Komplika-
tionen wie beispielsweise Ballonmigration
oder Implantatdefekte können zu Wiederho-
lungseingriffen führen.
Suburethrale Schlingensysteme sind ent-
weder als knochenverankerte Systeme oder
als adjustierbare Implantate verfügbar. Die
Kontinenzraten betragen bis zu 90%. Kompli-
kationen wie Bandinfektion oder Banderosi-
onen sind selten.
Die minimal-invasiven Verfahren stellen
insbesondere bei leichter und mittelschwerer
Inkontinenz mögliche Alternativen zur Fas-
zienzügelplastik und zur alloplastischen
Sphinkterimplantation dar. Zur besseren Be-
urteilung und zur besseren Vergleichbarkeit
mit den konventionellen Operationsverfah-
ren sind weitere Untersuchungen mit länge-
rem Follow-up erforderlich.
Schlüsselwörter
Inkontinenz des Mannes · „Bulking agents“ ·
Paraurethrale Ballons · Suburethrale Schlin-
gen
New techniques for surgical treatment of postoperative male stress incontinence
Abstract
The impact of minimally invasive techniques
for the treatment of postoperative male in-
continence has significantly improved in re-
cent years. These techniques are based on
the continuous increase in urethral resis-
tance. This resistance can be readjusted with
balloons placed paraurethrally or with read-
justable suburethral slings. The success rates
depend on the preoperative degree of incon-
tinence.
With bulking agents that are transure-
thrally injected into the submucosa of the
sphincter, continence rates between 12 and
90% can be seen. Severe complications are
rare. The impact of the studies is often limited
due to a short follow-up.
After implantation of adjustable balloons
that are placed paraurethrally close to the
bladder neck, continence rates up to 70% can
be seen. The overall improvement of inconti-
nence is observed in up to 90% of the treat-
ed patients. Complications such as balloon
migration or mechanical disorders can cause
operative revision.
Suburethral sling systems are available
as bone-anchored slings or as readjustable
slings. Continence can be seen in up to 90%
of the patients postoperatively. Severe com-
plications such as sling erosion or sling infec-
tion are rare.
In cases of mild and moderate inconti-
nence, these minimally invasive techniques
are good alternatives to the fascial sling or al-
loplastic sphincter implantation. To improve
the evaluation and to compare these tech-
niques with the conventional methods, fur-
ther investigations with a longer follow-up
are necessary.
Keywords
Male incontinence · Bulking agents ·
Adjustable continence therapy · Suburethral
male slings
258 | Der Urologe 3 · 2007
Aus dieser Untersuchung lässt sich
schließen, dass bei geringgradiger Inkon-
tinenz die submuköse Injektion ver-
gleichbar mit der Sphinkterimplantation
ist, während hingegen bei höhergradiger
Inkontinenz die Implantation eines allo-
plastischen Sphinkters präferiert werden
sollte.
Injektion von Deflux®
Deflux® wird seit vielen Jahren erfolgreich
beim kindlichen vesikoureterorenalen
Reflux eingesetzt. Diese Substanz zeich-
net sich durch eine gute Verträglichkeit
aus [28]. Zudem ist in experimentellen
Untersuchungen gezeigt worden, dass es
zu keiner Migration in andere Organsys-
teme kommt und innerhalb von 12 Mo-
naten die Volumenreduktion bei ca. 23%
liegt [28, 29]. Die Injektion erfolgt eben-
falls transurethral unter visueller Kontrol-
le an 2–3 Stellen im Sphinkterbereich. Die
Injektionsvolumina liegen in der Regel bei
1 ml Deflux® pro Injektionsort.
Alloussi [1] konnte in einer Untersu-
chung an 72 Patienten zeigen, dass nach
Injektion von 1–4 ml Deflux® nach 4–
8 Wochen 42 der 72 Patienten (58%) kon-
tinent waren, bei 28 Patienten (39%) zeigte
sich eine Reduktion der Inkontinenz um
mindestens einen Kontinenzgrad und bei
2 Patienten (3%) zeigte sich keine Ver-
besserung. Die Untersuchungen erfolgen
mittels standardisiertem Pad-Test. Bei ei-
ner präoperativen Inkontinenz bis 15 g/
Tag (Grad 0, n=5) bestand bei allen Pati-
enten postoperativ eine kontinente Situa-
tion. Die Kontinenzraten betrugen bei ei-
ner präoperativen Inkontinenz von 16–
50 g/Tag (Grad 1, n=19) 72%, bei 51–250 g/
Tag (Grad 2, n=36) 63% und bei >250 g/
Tag (Grad 3, n=12) 80%. Die Nebenwir-
kungen beinhalteten eine Restharnbil-
dung, die für einen Tag die Blasenentlee-
rung über Katheter erforderlich machte,
es fand sich keine Harnweginfektion, kei-
ne Dysurie und keine sterilen Abszesse.
In eigenen Untersuchungen an 13 Pati-
enten, bei denen jeweils 3 ml Deflux® sub-
mukös im Spinkterbereich appliziert wur-
den, erfolgte die Evaluation 1 und 3 Mo-
nate nach Erstinjektion. Bei 6 Patienten
mit einer präoperativen Belastungs-
harninkontinenz Grad III zeigte sich bei
3 Patienten eine Verbesserung auf eine
Grad-I-Inkontinenz und bei 2 Patienten
eine Verbesserung auf eine Grad-II-In-
kontinenz. Bei einem Patienten erfolgte
eine Nachinjektion nach 6 Wochen. Ei-
ne passager auftretende Drangsympto-
matik sistierte nach initialer anticholiner-
ger Therapie spontan. Bei 7 Patienten mit
einer präoperativen Grad-II-Belastungs-
harninkontinenz ergab sich bei 3 Pati-
enten eine Verbesserung auf eine Grad-I-
Inkontinenz, 2 Patienten waren kontinent
und bei weiteren 2 Patienten wurde kein
Veränderung beobachtet. Bei 2 Patienten
erfolgte eine Nachinjektion nach 6 Wo-
chen. Insgesamt bestand somit bei 2 Pati-
enten eine kontinente Situation, bei 8 Pa-
tienten eine Verbesserung um mindestens
einen Kontinenzgrad und bei 3 Patienten
keine Verbesserung.
Die Nebenwirkungen beinhalteten ei-
nen sterilen perinealen Abszess, der in-
zidiert wurde, eine Restharnbildung bis
250 ml nach Reinjektion in den ersten bei-
den postoperativen Tagen mit konsekuti-
vem intermittierendem Einmalkatheteri-
sierung und bei 6 Patienten trat eine vorü-
bergehende Makrohämaturie auf, die kei-
ne weiteren Interventionen erforderte.
Unterspritzung und nachfolgende Implantation eines alloplastischen Sphinkters
In einer eigenen Untersuchung wurde
evaluiert, ob bei Patienten mit Inkonti-
nenz nach radikaler Prostatektomie ei-
ne vorangegangene Unterspritzung mit
einem „bulking agent“ das Ergebnis einer
alloplastischen Sphinkterimplantation
negativ beeinflusst. Insgesamt wurde bei
9 Patienten mit Belastungsharninkonti-
nenz nach radikaler Prostatektomie nach
vorheriger unzureichender Untersprit-
zung ein alloplastischer Sphinkter implan-
tiert. 7 Patienten wurden vor der Implan-
tation mit Deflux® unterspritzt [einmalig
Deflux® 3 ml (n=6) und 2-malig Deflux®
zu jeweils 3 ml (n=1)] und 2 Patienten mit
Macroplastique® (5,0–7,5 ml). Der präope-
rative Vorlagenverbrauch betrug durch-
schnittlich 6,3 Vorlagen/24 h.
Kontinenz wurde als komplette Konti-
nenz definiert. 2 Patienten erhielten einen
bulbären Doppelcuff, bei 7 Patienten wur-
de bulbär ein Cuff implantiert. Die Evalu-
ation der Kontinenzsituation erfolgte am-
bulant nach 3 Monaten (n=9) und nach
12 Monaten (n=3).
Die Implantation gestaltete sich bei
allen Patienten unproblematisch, insbe-
sondere ergaben sich keine Schwierig-
keiten bei der Präparation der bulbären
Harnröhre. Es traten keine schweren pe-
ri- oder postoperativen Komplikationen
auf. Alle Patienten waren postoperativ
komplett kontinent und benötigten kei-
ne Vorlagen.
Diese Untersuchung belegt, dass die
Unterspritzung mit „bulking agents“ bei
Patienten mit Belastungsharninkontinenz
nach radikaler Prostatektomie keinen ne-
gativen Einfluss auf die Durchführbarkeit
einer alloplastischen Sphinkterimplanta-
tion und auf die postoperativen Ergeb-
nisse hat.
Zusammenfassend scheinen die Sub-
stanzen Macroplastique® und Deflux®
deutliche Vorteile gegenüber anderen
„bulking agents“ zu haben. Die Erfolgs-
raten sind abhängig vom präoperativen
Ausmaß der Inkontinenz. Langzeitdaten
nach Defluxinjektion fehlen derzeit noch.
Eine Sphinkterimplantation bei unzurei-
chendem Erfolg scheint ohne Einschrän-
kung der Kontinenzraten möglich zu
sein.
ProAct®-Implantation
Das ProAct®-System besteht aus zwei
kontrastmittelgefüllten Silikonballons,
die über einen perinealen Zugang beid-
seits des Blasenhalses platziert werden.
Diese Ballons werden üblicherweise un-
ter röntgenologischer Kontrolle platziert.
Ein in die Harnröhre eingelegtes Zysto-
skop, über welches die Blase mit Kon-
trastmittel dargestellt wird, ermöglicht
die intraoperative Orientierung über die
Lage von Harnröhre und Blase. Zudem
kann eine Blasenperforation leicht durch
einen Kontrastmittelaustritt aus der Bla-
se erkannt werden. In diesem Fall ist die
Lagekorrektur des Ballons erforderlich.
Die Perforationsstelle verheilt in der Re-
gel spontan nach kurzzeitiger Dauerablei-
tung der Harnblase. Über subkutan plat-
zierte Ports im Skrotum kann das Füllvo-
lumen der Ballons und somit der urethra-
le Widerstand adjustiert werden. Mit Hil-
fe dieser Nachjustierung kann die Adjus-
tierung optimiert werden. Bei unzurei-
260 | Der Urologe 3 · 2007
Leitthema
chendem Erfolg werden die Ballons wei-
ter gefüllt und bei Restharnbildung wie-
der teilweise entleert. Die Nachjustierung
ist in der Regel problemlos ohne Lokalan-
ästhesie möglich.
Die größte Serie an 117 Patienten wur-
de von Hübner u. Schlarp publiziert [10].
Nach einem mittleren Follow-up von
13 Monaten waren 67% der Patienten als
trocken und bei 8% zeigte sich kein Erfolg,
sodass sich bei 92% ein Therapieerfolg
zeigte. Durchschnittlich mussten die Bal-
lons 3-mal (0- bis15-mal) nachjustiert wer-
den. Der durchschnittlichen Lebensqua-
litätswert (I-QoL) verbesserte sich nach
2 Jahren von 34,7 auf 66,3. Der durch-
schnittliche tägliche Vorlagenverbrauch
sank von 6 (0–6/Tag) auf 1 (0–6/Tag).
In dieser Serie war bei 32 Patienten auf-
grund der Komplikationen eine Neuim-
plantation erforderlich. Die Erfolgsrate lag
bei 75%. Der Autor belegt, dass mit zuneh-
mender Erfahrung und auch aufgrund
der Neuentwicklung von Instrumenten,
die die Ballonplatzierung optimieren, ein
deutlicher Rückgang der Komplikations-
raten bei simultanem Anstieg der Erfolgs-
raten besteht. Nach Radiatio wird dieses
Verfahren nicht empfohlen, da intraope-
rativ das Risiko für eine Harnröhren- oder
Blasenverletzung erhöht ist. Zudem zeigt
dieses Verfahren aufgrund der fibrotisch
veränderten Harnröhre nach Radiatio
schlechte funktionelle Ergebnisse.
Zu ähnlichen Ergebnissen kamen Tri-
go-Rocha et al. [30] in einer Untersu-
chungen an 25 Patienten mit schwerer In-
kontinenz bei einem mittleren Follow-
up von 22 Monaten. 65% waren konti-
nent und 13% gebessert. Bei 22% zeigte
sich keine Verbesserung. Bei 17% der Pa-
tienten war eine operative Revision erfor-
derlich.
Eine Rektumperforation als Spätkom-
plikation nach Prostatektomie und adju-
vanter Radiatio wird erstmalig von Kemp-
kensteffen et al. [13] beschrieben. Hierbei
muss betont werden, dass nach Radia-
tio die ProAct®-Implantation aufgrund
der schlechteren Ergebnisse und der hö-
heren Komplikationsraten nicht empfoh-
len wird.
Zur Vermeidung intraoperativer Kom-
plikationen und zur Optimierung der Bal-
lonplatzierung setzten Gregori et al. [9]
erfolgreich die ultraschallgesteuerte Bal-
lonplatzierung ein, sodass aufgrund der
besseren Darstellung der Nachbarorgane
Vorteile gegenüber der konventionellen
Implantation unter Durchleuchtung be-
stehen könnten.
Zusammenfassend stellt die ProAct®-
Implantation eine vielversprechende Al-
ternative bei postoperativer Belastungsin-
kontinenz des Mannes dar. Operative Re-
visionen stellen eine häufige Komplikati-
on dar, die bei entsprechender Erfahrung
des Operateurs deutlich regredient sind.
Nach Radiatio wird das ProAct®-System
nicht empfohlen.
Suburethrale Schlingen
Bei den suburethralen Schlingensyste-
men ist zwischen nicht adjustierbaren, am
R. descendens des Os pubis verankerten
Schlingen, und adjustierbaren Schlingen-
systemen, bei denen die Rektusfaszie als
Widerlager für ein justierbares Implantat
dient, zu unterscheiden.
Schlingen mit Knochenfixation
Bei der Invance®-Methode wird ein un-
ter der bulbären Harnröhre eingelegtes
silikonbeschichtetes Prolenemesh mit 6
Knochenschrauben am R. inferior ossis
pubis fixiert. Bei der Bandeinlage wird in
der Regel auf eine Erhöhung des urethra-
len Widerstands geachtet, die einem retro-
graden „leak point pressure“ von 60 cm-
H2O entspricht, um Korrektureingriffe
aufgrund einer unzureichenden Korrek-
tur oder einer Obstruktion vermeiden zu
können [31].
In einer Arbeit von Madjar et al. [17]
werden die Erfolgsraten der knochenver-
ankerten Schlinge erstmals in einem Pa-
tientenkollektiv von 16 Patienten unter-
sucht. Bei einem mittleren Follow-up
von 12,2 Monaten konnte bei 14 Patienten
(88%) eine kontinente Situation herge-
stellt werden, wobei 2 der Patienten auf-
grund einer bereits präoperativ bestehen-
den zusätzlichen Drangkomponente er-
wartungsgemäß nur unter anticholiner-
ger Therapie trocken waren. Bei 2 Pati-
enten zeigte sich eine Symptombesserung
um >50%. Therapieversager sind nicht be-
schrieben. Komplikationen wie beispiels-
weise Banderosion, Infektion oder knö-
cherne Komplikationen wurden nicht be-
obachtet.
Weitere Arbeiten zeigen, dass die Er-
folgsraten bei synthetischen Materialien
gegenüber der Verwendung von orga-
nischen Materialien höher sind und in
Abhängigkeit von der Definition des Be-
handlungserfolgs bei >70% liegen.
Eine Untersuchung von Onur et al. [19]
an 46 Patienten konnte zeigen, dass bei
einem mittleren Follow-up die Erfolgs-
raten bei Verwendung des silikonbedeck-
ten Polypropylenemeshs bei 97% und bei
Verwendung eines „composite grafts“ bei
75% lagen, wohingegen bei Verwendung
eines absorbierbaren Biomaterials die
Erfolgsrate bei 0% lag. Insgesamt zeigte
sich bei 19 Patienten (41%) eine kom-
plette Kontinenz, bei 16 (35%) eine Besse-
rung um >50% und kein Erfolg bei 11 Pa-
tienten (24%). Zudem konnten die Auto-
ren belegen, dass das Ausmaß der präope-
rativen Inkontinenz einen negativen Ein-
fluss auf den Therapieerfolg hatte, sodass
diese Therapieform bei leichter bis mit-
telschwerer Inkontinenz angewandt wer-
den sollte.
Zu vergleichbaren Ergebnissen kamen
auch Samli u. Singla [24], die bei absor-
bierbarem Material (Follow-up 19 Mo-
nate) nur bei 8% einen Erfolg sahen im
Vergleich zu 96% bei nicht absorbier-
barem Material (Follow-up 29 Monate).
Bei einem Follow-up von 18 Monaten
zeigten Castle et al. [4] in einer Untersu-
chung an 38 Patienten einen Therapie-
erfolg von 40% (15 der 38 Patienten). Bei
leichter Inkontinenz war die Erfolgsrate
mit 67% am höchsten, gefolgt von 50% bei
mittelschwerer Inkontinenz und ausblei-
bendem Erfolg bei schwerer Inkontinenz.
Insgesamt waren nur 16% komplett kon-
tinent. Postoperative perineale Schmer-
zen waren temporär, bei 3 Patienten trat
eine Bandinfektion und bei 1 Patienten ei-
ne Banderosion auf.
Bei Rajpurkar et al. [22] konnten eine
komplette Trockenheitsrate von 37% und
eine Besserung bei weiteren 37% gezeigt
werden. Größere Komplikationen wie bei-
spielsweise Banderosionen oder Infekti-
onen wurden bei einem mittleren Follow-
up von 24 Monaten nicht beschrieben.
In einer Untersuchung von Comi-
ter [5] mit einem mittleren Follow-up
von 48 Monaten zeigte sich nach Schlin-
261Der Urologe 3 · 2007 |
geneinlage (silikonbeschichtetes Prolene-
mesh) eine Kontinenzrate von 65%, bei
21% eine Besserung und keinen Erfolg
bei 15%. Comiter belegt zudem, dass nach
Schlingenimplantation die Implantati-
on eines alloplastischen Sphinkters ohne
Einschränkung möglich ist.
Eine weitere Untersuchung von On-
ur u. Singla [20] vergleicht die Implan-
tation einer knochenverankerten Schlin-
ge (n=37) mit der transurethralen Kolla-
geninjektion (n=34). Nach Kollageninjek-
tion waren 30% der Patienten kontinent
oder gebessert mit einer Reduktion des
Vorlagenverbrauchs von 4,5 auf 2,2 Vorla-
gen/Tag, während hingegen sich bei 70%
keine Verbesserung fand. Nach Implanta-
tion einer knochenverankerten Schlinge
waren 76% der Patienten gebessert oder
kontinent mit einer Reduktion des Vor-
lagenverbrauchs von 3,7 auf 1,6 Vorlagen/
Tag. Er zeigte zudem, dass die Implantati-
on bei leichter bis mittelschwerer Inkonti-
nenz die besten Erfolgsraten aufweist.
Adjustierbare Schlingensysteme
Das Reemex®-System verwendet eine Pro-
lenemeshschlinge, die durch nicht resor-
bierbare Fäden mit einem sog. Varitensor
verbunden ist, der über der Rektusfaszie
platziert wird. Mit Hilfe eines Schraub-
mechanismus besteht die Möglichkeit,
unmittelbar postoperativ oder auch bei
Erfolgsverlust die Schlingenspannung zu
adjustieren.
In einer kleineren Patientengruppe mit
6 Patienten konnten Sousa-Escandon et
al. [26] bei 83% eine komplette Kontinenz
herbeiführen und bei einem Patienten ei-
ne deutliche Besserung. Bei einem mittle-
ren Follow-up von 18 Monaten zeigte sich
kein Therapieversager, definiert als Patien-
ten, bei denen die Beschwerden um <50%
gebessert waren oder eine Restharnbil-
dung von >100 ml auftrat. Komplikatio-
nen wie Erosionen oder Infektionen sind
nicht beschrieben.
Zu ähnlichen Ergebnissen kamen auch
Campos-Fernandes et al. [3] in einer Un-
tersuchung an 18 Patienten bei einem
mittleren Follow-up von 26 Monaten.
Bei 56% wurde eine gute Kontinenzsitu-
ation beschrieben, bei 11% war die inter-
mittierende Einmalkatheterisierung not-
wendig und 33% waren Therapieversager.
Eine Nachjustierung war bei 44% der Pa-
tienten nach durchschnittlich 5 Monaten
erforderlich. Das Komplikationspektrum
umfasste zwei Blasenverletzungen (11%),
sechs Implantatinfektionen (33%) und bei
zwei dieser Patienten war eine Explantati-
on notwendig.
Das Argus®-System besteht aus einem
Silikonpolster, das über Silikonbänder
nach ventral gezogen und über der Rek-
tusfaszie mit Kunststoffplatten fixiert
wird. Eine Adjustierung kann in Lokalan-
ästhesie durchgeführt werden. Schlarp u.
Hübner [25] konnten an 7 Patienten eine
Kontinenzrate von 80% zeigen. Bei 3 Pati-
enten war eine Nachjustierung erforder-
lich, die in allen Fällen erfolgreich war.
Komplikationen oder Therapieversager
sind nicht beschrieben.
In einer Phase-III-Studie mit dem Ar-
gus®-System an 48 Patienten und einem
mittleren Follow-up von 7,5 Monaten be-
richteten Romano et al. [23] über Konti-
nenzraten von 73% und einer Verbesse-
rung bei weiteren 10% der Patienten. In-
traoperativ kam es bei 6% zu einer Harn-
röhrenperforation, die die Neuplatzierung
der Applikationsnadel erforderten. Bei 6%
fand sich postoperativ eine Banderosion
und bei 4% eine Bandinfektion, die zur
Explantation führte. Bei 15% entwickelte
sich ein akuter Harnverhalt, jedoch war
nur bei einem Patienten die Lösung der
Schlinge erforderlich.
Zusammenfassend bestehen nach Ein-
lage der knochenverankerten Schlingen
bei leichter bis mittelschwerer Inkonti-
nenz zufriedenstellende Erfolgsraten bei
vertretbarer Häufigkeit von Erosionen
oder Infektionen. Die Verwendung von
resorbierbaren Materialien hat sich nicht
bewährt [7, 19]. Die Vielzahl der Studien
mit einer mittleren Beobachtungszeit von
bis zu 48 Monaten ermöglicht einen aus-
sagekräftigen Überblick über diese Tech-
nik, auch wenn die Definitionen für Kon-
tinenz und Beschwerdebesserung in den
Studien differieren. Adjustierbare Schlin-
gensysteme vermindern das Risiko für
Therapieversager im Sinne einer Unter-
korrektur und für eine Überkorrektur mit
konsekutiver Restharnbildung.
Fazit für die Praxis
Betrachtet man alle vorgestellten The-
rapieformen, so wird klar, dass diese mi-
nimal-invasiven Verfahren insbesonde-
re bei leichter und mittelschwerer In-
kontinenz mögliche Alternativen zur
Faszienzügelplastik und zur alloplasti-
schen Sphinkterimplantation darstellen,
auch wenn die Daten meist nur für ei-
nen kurzen Beobachtungszeitraum zur
Verfügung stehen. Vor einem operativen
Eingriff sollten daher die verschiedenen
Therapieoptionen für jeden Patienten in-
dividuell evaluiert werden.
Korrespondierender AutorPD Dr. S. BrossUrologische Klinik, Klinikum Darmstadt64283 [email protected]
Interessenkonflikt. Es besteht kein Interessenkon-
flikt. Der korrespondierende Autor versichert, dass kei-
ne Verbindungen mit einer Firma, deren Produkt in
dem Artikel genannt ist, oder einer Firma, die ein Kon-
kurrenzprodukt vertreibt, bestehen. Die Präsentation
des Themas ist unabhängig und die Darstellung der In-
halte produktneutral.
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262 | Der Urologe 3 · 2007
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M. Letter, K. Letter
Die Praxis-ManagerEin Businessroman über Praxismanagement in turbulenten ZeitenStuttgart: Thieme 2006, 184 S., 2 Abb.,
(ISBN 3-13-142661-6), broschiert, 19.00 EUR
Im Rahmen des sogenannten problemorien-
tierten Lernens gibt es in der Praxis bislang
wenig fachlich aktuelle Bücher, die eine gu-
ten Überblick bieten.
Da im Gesundheitswesen viele neue
Wege eingeschlagen werden, - u.a. wird ein
praxisinternes Qualitätsmanagement gesetz-
lich eingeführt, - müssen in Praxis und Klinik
neue Konzepte entwickelt werden. Ein mo-
dernes Praxismanagement soll zur Erhöhung
der Patientenzufriedenheit, Verbesserung der
Terminverwaltung und der Prozessabläufe
sowie zur Sicherung der Qualität führen.
Für Ärzte in Klinik und Praxis waren bisher
Begriffe wie Managementstrategien, Patien-
tenkommunikation, Praxismanagement und
Prozessoptimierung eher Fremdwörter.
In dem vorliegenden „Business-Roman“
für ein besseres Praxismanagement kann
man über eine gut lesbare Lektüre in Di-
alogen und Diskussionen praxiserprobte
Rezepte zur allgemeinen Kommunikation,
zur Mitarbeiterkommunikation, Strategieent-
wicklung und zum Zeitmanagement lernen
bzw. sich selbst eine Meinung bilden.
In etwa 40 Checklisten mit Arbeitsblätter
werden Angaben gemacht zur Vermeidung
von Wartezeiten, um die Zeit in den Griff zu
bekommen, um patientenorientierte For-
mulierungen einzuüben, IGEL-Leistungen
anzubieten, Gesprächstechniken und Kon-
fliktmanagement zu lernen.
Die erzählten Geschichten entstammen
keineswegs nur einer regen Phantasie, son-
dern beruhen auf echten Beratungsfällen aus
einem Unternehmen des Medical-Manage-
ment.
Das Buch wendet sich an praktizie-
renden Ärzte, Leitungskräfte in Praxen und
Kliniken sowie ihre Mitarbeiter. Es ist als Infor-
mationsgrundlage für die urologische Praxis,
aber auch in der Klinik, gut geeignet und zu
empfehlen.
J. Sökeland (Dortmund)
Buchbesprechungen
263Der Urologe 3 · 2007 |