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Aus dem Inhalt: K. Schubert/I. Moebius: Das 1. Justizmodernisierungs- gesetz S. 433 I. Fritsche: Die Entwicklung der Rechtsprechung zum Schmerzensgeldanspruch nach § 338 Abs. 3 ZGB S. 438 H.-J. Mayer: Die wichtigsten Neuerungen bei den RVG-Gebührentatbeständen: Teil 2 VV S. 445 L. Schramm: Zur Rechtsnatur des Eigentums aus der Bodenreform S. 448 Aus dem Rechtsprechungsteil: BVerfG: Verfassungswidrigkeit des 5. HRGÄndG (Juniorprofessur) S. 457 OLG Brandenburg: Anspruchsberechtigung nach SachenRBerG bei Kauf eines volkseigenen Zweifami- lienhauses S. 469 OLG Dresden: Strafbarkeit wegen Sachbeschädigung durch Graffiti S. 474 OVG Frankfurt (Oder): Keine Zustandsverantwortlich- keit des Grundstückseigentümers für Gebäude bei getrenntem Eigentum nach DDR-Recht S. 476 BSG: Anforderungen an einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch (hier: Versorgungsrente wegen Hepatitis-C-Erkrankung in DDR) S. 479 10 04 58. Jahrgang E 10934 N J Seiten 433-480 Nomos Zeitschrift für Rechtsentwicklung und Rechtsprechung in den Neuen Ländern Neue Justiz

NJ 10 04 Cover - Nomos · 2010. 4. 27. · Karin Schubert Bürgermeisterin und Senatorin für Justiz des Landes Berlin Prof. Dr. Horst Sendler Präsident des Bundesverwaltungs-gerichts

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  • Aus dem Inhalt:

    K. Schubert/I. Moebius: Das 1. Justizmodernisierungs-gesetz S. 433

    I. Fritsche: Die Entwicklung der Rechtsprechung zumSchmerzensgeldanspruch nach § 338 Abs. 3 ZGBS. 438

    H.-J. Mayer: Die wichtigsten Neuerungen bei denRVG-Gebührentatbeständen: Teil 2 VV S. 445

    L. Schramm: Zur Rechtsnatur des Eigentums ausder Bodenreform S. 448

    Aus dem Rechtsprechungsteil:BVerfG: Verfassungswidrigkeit des 5. HRGÄndG(Juniorprofessur) S. 457OLG Brandenburg: Anspruchsberechtigung nach SachenRBerG bei Kauf eines volkseigenen Zweifami-lienhauses S. 469OLG Dresden: Strafbarkeit wegen Sachbeschädigungdurch Graffiti S. 474OVG Frankfurt (Oder): Keine Zustandsverantwortlich-keit des Grundstückseigentümers für Gebäude beigetrenntem Eigentum nach DDR-Recht S. 476BSG: Anforderungen an einen sozialrechtlichenHerstellungsanspruch (hier: Versorgungsrente wegenHepatitis-C-Erkrankung in DDR) S. 479

    10 0458. Jahrgang

    E 10934

    NJSeiten 433-480

    Nomos

    Zeitschrift für Rechtsentwicklung und Rechtsprechung in den Neuen Ländern

    Neue Justiz

  • RECHTSPRECHUNG

    � 01 Verfassungsrecht

    BVerfG:Verfassungswidrigkeit des 5. HRGÄndG/Juniorprofessur (bearb. v. Wrase) . . . . . . . . . . . . . . . . 457

    � 02 Bürgerliches Recht

    BGH:Beginn der Ausschlussfrist für Herausgabe-anspruch von Nutzungsentgelten (bearb. v. Kolb) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459

    BGH:Keine kommunalaufsichtliche Genehmigungs-pflicht bei Grundstückskauf mit Investitions-verpflichtung durch Gemeinde (bearb. v. Lühmann) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460

    BGH:Abgrenzung von echtem Mitdarlehensnehmer zu bloß Mithaftendem und Sittenwidrigkeit bei Mithaftungsübernahme(bearb. v. Heidrich) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462

    BGH:Kleingartencharakter einer teils mit Eigenheimen bebauten Anlage im Beitrittsgebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464

    BGH:Bauhandwerkersicherung auch nach Abnahme (bearb. v. Karsten) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466

    BGH:Verjährung von auf Leistungen nach dem VermG bezogenen pflichtteilsrechtlichen Ausgleichsansprüchen (Leits.). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468

    S. 457

    I

    Neue JustizZeitschrift für Rechtsentwicklung und Rechtsprechung in denNeuen Ländern

    58. Jahrgang, S. 433-480

    NJ 10/04

    Herausgeber:

    Prof. Dr. Marianne Andrae Universität Potsdam Prof. Dr. Ekkehard Becker-EberhardInstitut für Anwaltsrecht der Universität LeipzigDr. Michael BurmannPräsident der RechtsanwaltskammerThüringenDr. Bernhard Dombek Rechtsanwalt und Notar, BerlinPräsident derBundesrechtsanwaltskammerDr. Frank EngelmannPräsident der RechtsanwaltskammerBrandenburgDr. Margarete von GalenPräsidentin der RechtsanwaltskammerBerlin Lothar HaferkornPräsident der RechtsanwaltskammerSachsen-AnhaltGeorg Herbert Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gerhard Hückstädt Präsident des LandesverfassungsgerichtsMecklenburg-Vorpommern und Präsident des LG RostockDr. Günter KröberPräsident der RechtsanwaltskammerSachsenProf. Dr. Martin Posch Rechtsanwalt, Jena Dr. Erardo Cristoforo RautenbergGeneralstaatsanwalt des LandesBrandenburgDr. Axel Schöwe Präsident der RechtsanwaltskammerMecklenburg-VorpommernKarin Schubert Bürgermeisterin und Senatorin für Justizdes Landes BerlinProf. Dr. Horst Sendler Präsident des Bundesverwaltungs-gerichts a.D., BerlinManfred Walther Rechtsanwalt, Berlin Dr. Friedrich Wolff Rechtsanwalt, Berlin

    In d iesem Hef t …

    REZENSIONEN

    Hans-Jochem Mayer/Ludwig Kroiß (Hrsg.):Handkommentar zum RechtsanwaltsvergütungsgesetzVon Friedrich Wolff

    Armin Leicht/Brigitte Sell-Kanyi:RechtsanwaltsvergütungsgesetzVon Heinz-Peter Zierholz

    S. 456

    S. 451INFORMATIONEN

    Bundesgesetzgebung / Gesetzesinitiativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451

    Neue Bundesländer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452

    Universitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453

    Statistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454

    S. 433NEUE RECHTSVORSCHRIFTEN

    Das 1. JustizmodernisierungsgesetzKarin Schubert und Isabella Moebius

    KURZBEITRÄGE

    Die wichtigsten Neuerungen bei den RVG-Gebührentatbeständen:Teil 2 des VergütungsverzeichnissesHans-Jochem Mayer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445

    Zur Rechtsnatur des Eigentums aus der BodenreformLothar Schramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448

    S. 445

    S. 438AUFSÄTZE

    Die Entwicklung der Rechtsprechung zum Schmerzensgeldanspruchnach § 338 Abs. 3 ZGBIngo Fritsche

    S. 455RAK-REPORT

  • NJ-Abonnentenservice: Die Volltexte der kommentierten und im Leitsatz abgedruckten Entscheidungen können Sie inder Redaktion unter Angabe der Registrier-Nummer kostenlos bestellen. Fax (0 30) 22 32 84 33

    II

    Neue JustizZeitschrift für Rechtsentwicklung und Rechtsprechung in den Neuen Ländern

    58. Jahrgang, S. 433-480

    NJ 10/04

    Redaktion: Rechtsanwältin Adelhaid Brandt(Chefredakteurin)Barbara Andrä

    Redaktionsanschrift:Französische Str. 13, 10117 BerlinTel.: (030) 22 32 84-0Fax: (030) 22 32 84 33E-Mail: [email protected]://www.nomos.de

    Erscheinungsfolge: einmal monatlich

    Bezugspreise: Jahresabonnement 129,– €jeweils inkl. MwSt., zzgl. Porto undVersandkostenVorzugspreis: (gegen Nachweis) für Studenten jährlich 35,– €inkl. MwSt., zzgl. Porto undVersandkosten

    Einzelheft: 14,– € inkl. MwSt., zzgl. Porto und VersandkostenBestellungen beim örtlichen Buch-handel oder direkt bei der NOMOSVerlagsgesellschaft Baden-Baden. Abbestellungen bis jeweils 30. September zum Jahresende.

    Verlag, Druckerei: Nomos VerlagsgesellschaftWaldseestr. 3-5, 76530 Baden-Baden,Tel.: (0 72 21) 21 04-0Fax: (0 72 21) 21 04-27Anzeigenverwaltung und Anzeigenannahme: sales˘friendlyBettina RoosReichsstr. 45–47, 53125 BonnTel. (02 28) 926 88 35, Fax (02 28) 926 88 36Email [email protected]

    Urheber- und Verlagsrechte:Die in dieser Zeitschrift veröffentlich-ten Beiträge sind urheberrechtlichgeschützt. Das gilt auch für die veröf-fentlichten Gerichtsentscheidungenund ihre Leitsätze; diese sind geschützt, soweit sie vom Einsender oder vonder Redaktion erarbeitet und redigiert worden sind. Kein Teil dieser Zeit-schrift darf ohne vorherige schriftlicheZustimmung des Verlags verwendetwerden. Das gilt insbesondere fürVervielfältigungen, Bearbeitungen,Übersetzungen, Mikroverfilmungenund die Einspeicherung und Verarbei-tung in elektronischen Systemen.ISSN 0028-3231

    Redaktionsschluss: 13. September 2004

    In d iesem Hef t …

    BGH:Vergütung für Tätigkeiten von Vertretern des Rechtsanwalts (Leits.). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468

    BGH:Umlagefähigkeit sonstiger Betriebskosten (Leits.). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468

    BGH:»Abrisskündigung« durch Vermieter wegenWohnungsleerstands in Plattenbausiedlung (Leits.). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468

    BGH:Fortbestehen einer Dienstbarkeit nach § 9 Abs. 1 GBBerG trotz Anschlussvertrags mit Versorgungsunternehmen (Leits.) . . . . . . . . . . . . . . . 469

    BGH:Beurteilung einer Kleingartenanlage im Beitrittsgebiet (Leits.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469

    BGH:Keine Unterbrechung des selbständigen Beweisverfahrens durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Leits.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469

    OLG Brandenburg:Anspruchsberechtigung nach SachenRBerG bei Kauf eines volkseigenen Zweifamilien-hauses (bearb. v. Zank) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469

    Kammergericht:Haftung einer Gründungsgesellschafterin nach Rechtsscheingrundsätzen (bearb. v. Jakob) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471

    OLG Brandenburg:Unzulässigkeit von Restitutionsklagen aufgrund des Bodenreform-Urteils des EGMR (Leits.). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472

    OLG Jena:Amtshaftung wegen rechtswidrig erteilterBaugenehmigung (Leits.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472

    � 03 Strafrecht

    OLG Jena:Rehabilitierung wegen rechtsstaatswidriger U-Haft und Verurteilung zu einer Freiheits-strafe eines BRD-Bürgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473

    OLG Dresden:Strafbarkeit wegen Sachbeschädigung durch Graffiti . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474

    BGH:Bestimmung des Schuldumfangs bei Vermögensdelikten im Wege der Schätzung (Leits.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474

    � 04 Verwaltungsrecht

    BVerwG:Investive Veräußerung eines Betriebs-grundstücks und Wegfall des Restitutions-ausschlusses nach § 5 Abs. 1d VermG (bearb. v. Gruber) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475

    BVerwG:Planfeststellung eines Straßenbauvorhabens unter Berücksichtigung der Luftschadstoff-grenzwerte (Leits.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476

    BVerwG:Fiktion der Rechtsnachfolge der JCC bei einer Unternehmensrestitution (Leits.). . . . . . . . . . . 476

    BVerwG:Kausalitätsvermutung bei nicht kosten-deckenden Mieten und Überschuldung nach VermG (Leits.). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476

    OVG Bautzen:Frist für Urteilsabfassung (bearb. v. Ton) . . . . . . . . 477

    OVG Frankfurt (Oder):Keine Zustandsverantwortlichkeit des Grundstückseigentümers für Gebäude bei getrenntem Eigentum nach DDR-Recht . . . . . . 477

    � 06 Sozialrecht

    BSG:Anforderungen an einen sozialrechtlichenHerstellungsanspruch/hier: Versorgungsrente wegen Hepatitis-C-Erkrankung in DDR (m. Anm. Lauterbach) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479

    NJ aktuell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III

    Buchumschau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI

    Veranstaltungstermine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII

    Beilagenhinweis: Dieser Ausgabe liegt ein Prospekt desC.H. Beck Verlages bei. Wir bitten freundlichst umBeachtung.

  • IIINeue Justiz 10/2004

    NJ aktuell Heft 10/2004BVerfG: Zur Anerkennung von Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz in der DDR

    Das BVerfG hat mit Beschl. v. 4.8.2004 (1 BvR 1557/01) die Verfas-sungsbeschwerde einer Diplom-Chemikerin, die mit der nachträg-lichen Anerkennung der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungs-system der technischen Intelligenz (AVTI) eine höhere Altersrenteangestrebt hatte, nicht zur Entscheidung angenommen. Die Beschwerdef. hatte sich gegen das Urteil des BSG v. 12.6.2001 (NJ2001, 612) gewandt, mit dem ihre Revision gegen das klageabweisendeUrteil des SG Dessau als unbegründet zurückgewiesen worden war.Das BSG hatte darauf verwiesen, dass die jetzige Beschwerdef. in derDDR weder eine Versorgungszusage erhalten noch eine Tätigkeitausgeübt habe, für die ihrer Art nach eine zusätzliche Altersversorgungvorgesehen gewesen sei. Soweit das Urteil des erkennenden Senatsv. 30.6.1998 (SGb 1998, 526) noch davon ausgehe, dass Diplom-Chemiker des Beitrittsgebiets dem Zusatzversorgungssystem der AVTIunterfielen, werde hieran unter Beachtung der 2. DB v. 24.5.1951 (GBl.S. 487) ausdrücklich nicht mehr festgehalten. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügte die Beschwerdef. insbes. dieVerletzung ihrer Rechte aus dem allgemeinen Gleichheitssatz.In den Gründen der BVerfG-Entscheidung heißt es:Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt nach keiner Richtung vor.Es ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden, dasssich das BSG bei der Prüfung der Zugehörigkeit zu einer zusätzlichenAltersversorgung am Wortlaut der VersorgungsO orientiert und nichtan eine Praxis oder an diese Praxis möglicherweise steuernden unver-öffentlichten Richtlinien der DDR anknüpft. Damit wird zwar u.U.im Hinblick auf die Anerkennung der Zugehörigkeit anders verfahrenals in der DDR. Die Gerichte sind aber verfassungsrechtlich nichtgehalten, die in der DDR herrschende Praxis der Aufnahme in Syste-me der Zusatzversorgung, soweit sie dem Text der Zusatzversorgungs-systeme entgegenstand, im gesamtdeutschen Rechtsraum fortzusetzen. Das BSG hat diese Grundsätze im vorliegenden Fall im Hinblick auf Art.3 Abs. 1 GG beanstandungsfrei angewandt. Die Auslegung derRechtsvorschriften der DDR ist unter dem Gesichtspunkt derverfassungsgerichtlichen Kontrolle der Fachgerichte wie die Auslegungeinfachen Rechts zu behandeln (vgl. BVerfG, Beschl. v. 7.2.2000, NJ2000, 419). Das BVerfG kann die angegriffene Entscheidung folglichnur daraufhin überprüfen, ob die Auslegung der Texte derZusatzversorgungsordnungen willkürlich ist. Es ist nicht darin berufen,sie »richtiger« als die Fachgerichte auszulegen. Für das Vorliegen vonWillkür gibt es jedoch hier angesichts der Begründung derEntscheidung durch das BSG keinen Anhaltspunkt. Der Gleichheitssatzhält die Sozialgerichte nicht allgemein an, eine Ungleichbehandlungvon Bürgern, die durch Normsetzung oder Verwaltungspraxis der DDRentstanden ist, zu überprüfen und ggf. zu beseitigen.Das BSG hat auch nicht dadurch gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen,dass es in dem angegriffenen Urteil seine bish.Rspr. zur Zugehörigkeitvon Diplom-Chemikern des Beitrittsgebiets zur AVTI geändert hat.Denn eine Änderung der Rspr. ist willkürfrei, wenn sie hinreichendund auf den konkreten Fall bezogen begründet ist. Ein Gericht kannzudem auch ohne Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip von seinerfrüheren Rspr. abweichen, selbst wenn eine wesentliche Änderung derVerhältnisse oder der allgemeinen Anschauungen nicht eingetretenist. Danach ist die Änderung der Rspr. des BSG im vorliegenden Fallnicht zu beanstanden.

    (aus: Pressemitteilung des BVerfG Nr. 81/04 v. 20.8.2004)

    Bundesgerichte

    BVerfG: Chancengleichheit für Insolvenzverwalter

    Bei der Bewerbung um eine Tätigkeit im Rahmen von Insolvenzver-fahren muss jeder Bewerber eine faire Chance erhalten, entsprechendseiner gesetzlich vorausgesetzten Eignung in Erwägung gezogen zu wer-den. Die Chancengleichheit der Bewerber ist gerichtlich überprüfbar.Dies entschied das BVerfG mit Beschl. v. 3.8.2004 (1 BvR 135/00 u.1086/01) auf die Verfassungsbeschwerden zweier Rechtsanwälte, diesich erfolglos um Zugang zu dem Bewerberpool bemüht hatten, ausdem Insolvenzverwalter vom Richter ausgewählt werden. In beidenAusgangsverfahren wurde den Beschwerdef. durch den Insolvenz-richter mitgeteilt, dass derzeit kein Anlass bestehe, den Kreis der regel-mäßig eingesetzten Verwalter zu erweitern. Die OLG hielten dieMitteilungen der Insolvenzrichter für nicht justiziabel. Das BVerfGhob die OLG-Entscheidungen unter Zurückverweisung auf, weil sie dieBeschwerdef. in ihrem Grundrecht auf wirksamen gerichtlichenRechtsschutz verletzen. Zur Begründung führte es aus:Die Entscheidung im Vorauswahlverfahren ist kein Rechtsprechungs-akt. Sie befindet über den Kreis potentieller Insolvenzverwalter ohneVerbindung zu einem konkreten Insolvenzverfahren. Die Vorprüfungmit dem Ergebnis der grundsätzlichen Eignung eines bestimmtenBewerbers eröffnet diesem eine Chance, im Zuge künftiger Anträge aufEröffnung von Insolvenzverfahren zu Sachverständigen, Treuhändern,Sachwaltern oder Insolvenzverwaltern bestellt zu werden. Ein insoweitabgelehnter Bewerber wird in seinen Rechten aus Art. 12 Abs. 1 GGberührt. Bei der Bewerbung um eine nur hoheitlich zu vergebendeTätigkeit im Rahmen von Insolvenzverfahren muss für jeden Bewerberim Rahmen seiner Eignung Chancengleichheit bestehen. DieBetätigung als Insolvenzverwalter hat sich zu einem eigenständigenBeruf entwickelt. Insoweit hat sich ein neuer »Markt« für Rechts-anwälte, Steuerberater und Kaufleute gebildet. Ein Übergehen bei derBestellungsentscheidung berührt die Berufsfreiheit schon deshalb,weil der Beruf des Insolvenzverwalters nur auf Grund der Zuteilungdurch einen Träger öffentlicher Gewalt wahrgenommen werden kann.Die Vorauswahl geeigneter Bewerber bereitet diese Entscheidungmaßgeblich vor. Dem Richter steht zwar bei der Insolvenzverwalterbestellung einweites Auswahlermessen zu. Eine Chance auf eine Einbeziehung in einkonkret anstehendes Auswahlverfahren und damit auf Ausübung desBerufs hat ein potentieller Insolvenzverwalter aber nur bei willkür-freier Einbeziehung in das Vorauswahlverfahren. Insoweit unterliegtder Richter der Bindung des Art. 3 Abs. 1 GG. Allein die gerichtlicheÜberprüfbarkeit der Frage, ob bei der Vorentscheidung die Chancen-gleichheit der Bewerber gewahrt wurde, gewährleistet insoweit dieBeachtung subjektiver Rechte der Bewerber. Dieses ist so bedeutsam,weil der Richter wegen der Eilbedürftigkeit der Bestellungsentschei-dung eines Rahmens bedarf, wenn er die Auswahl für ein konkretesInsolvenzverfahren trifft. Die Belange der Gläubiger stehen einer verfahrensmäßigen Absiche-rung der Berufsinteressen geeigneter Insolvenzverwalter nicht ent-gegen; die Gläubiger sind gerade auf solche Personen angewiesen. Obdie Richter auf den verschiedenen Auswahlebenen den Kriterien derEignungsfeststellung gerecht werden, ist überprüfungsfähig und-bedürftig.

    (aus: Pressemitteilung des BVerfG Nr. 80/04 v. 18.8.2004)

  • Neue Justiz 10/2004IV

    das LG-Urteil gegen den jugendlichen Haupttäter bestätigt. Angesichtsbeträchtlicher psychischer Defekte dieses Angekl. und seines für dieWahrheitsfindung besonders förderlichen Geständnisses durfte das LGdie gesetzliche Höchststrafe von zehn Jahren Jugendstrafe, wiegeschehen, unterschreiten. Im Übrigen hat der BGH zwar die Beweiswürdigung des Gerichtsgebilligt, wonach die vollendete Tötung eine Exzesstat des Haupt-angekl. war. Da beide Mittäter jedoch im Rahmen der schweren Miss-handlungen des Opfers mit einem derartigen Exzess rechnen mussten,war der Schuldspruch bei ihnen dahin zu ergänzen, dass sie ferner derKörperverletzung mit Todesfolge schuldig sind. Dies führte bei dem erwachsenen Mittäter allerdings zu keiner Abän-derung der höchstmöglichen zeitigen (Gesamt-)Freiheitsstrafe, da dieVerhängung lebenslanger Freiheitsstrafe gegen den grenzdebilen undpersönlichkeitsgestörten Angekl. ausschied. Gegen ihn muss eineandere Jugendkammer des LG Neuruppin indes nochmals zu derbislang nicht hinreichend überprüften Frage verhandeln, ob seineUnterbringung in der Sicherungsverwahrung oder in einer Entzie-hungsanstalt anzuordnen ist. Gegen den jugendlichen Mittäter muss auf der Grundlage des erheb-lich verschärften Schuldspruchs über die Höhe der Jugendstrafe erneutverhandelt werden.

    (aus: Pressemitteilung des BGH Nr. 94/04 v. 19.8.2004)

    BVerwG: Ausweisung eines Iraners nach Drogendelikten

    Das BVerwG hat mit Urt. v. 31.8.2004 (1 C 25/03) eine Entscheidungdes BayVGH bestätigt, nach der die Voraussetzungen für eine zwin-gende Ausweisung vorliegen, wenn der Ausländer wegen mehrerervorsätzlicher Rauschgiftdelikte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe ohneBewährung verurteilt worden ist (§ 47 Abs. 1 Nr. 2 AuslG). Der Entscheidung lag der Fall eines iranischen Staatsangehörigenzugrunde, der 1986 nach Deutschland gekommen und als Asylbe-rechtigter anerkannt worden war. Nachdem er wegen Handeltreibensund Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einerGesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten ohneBewährung verurteilt worden war, wies die Ausländerbehörde ihn aus,sah allerdings von einer Abschiebung in den Iran wegen der Asyl-berechtigung ab. Anstelle seiner Aufenthaltserlaubnis erhielt er nurnoch eine räumlich beschränkte Duldung. Die Klage gegen die Ausweisung blieb in erster und zweiter Instanzerfolglos. Mit seiner Revision machte der Kl. u.a. geltend, die Vor-instanzen hätten zu Unrecht das Vorliegen der Voraussetzungen des§ 47 Abs. 1 Nr. 2 AuslG bejaht. Er sei nicht wegen einer, sondern wegenzweier Straftaten nach dem BtMG zu einer Gesamtfreiheitsstrafe ohneBewährung verurteilt worden; ob die Strafen für die einzelnen Tatenbei gesonderter Verurteilung für ihn als Ersttäter nicht jeweils zurBewährung ausgesetzt worden wären, lasse sich nicht feststellen. Überseine Ausweisung hätte deshalb nicht ohne eine behördliche Ermes-sensausübung entschieden werden dürfen. Dem ist das BVerwG nicht gefolgt. Nach Wortlaut und vor allem nachSinn und Zweck der durch das VerbrechensbekämpfungsG von 1994in das AuslG eingefügten Vorschrift genügt es, wenn wegen einesvorsätzlichen Rauschgiftdelikts rechtskräftig eine Freiheitsstrafeverhängt und deren Vollstreckung tatsächlich nicht zur Bewährungausgesetzt worden ist. Auf die Gründe für die Nichtaussetzung zurBewährung kommt es grundsätzlich ebenso wenig an wie auf diehypothetische Frage, ob bei einer Einzelverurteilung wegen eines derRauschgiftdelikte die Strafe jeweils zur Bewährung ausgesetzt wordenwäre. Dies gilt angesichts der vom Gesetzgeber bezweckten wirk-sameren Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität jedenfalls dann,wenn es sich – wie im Falle des Kl. – bei der weiteren mit der Gesamt-freiheitsstrafe abgeurteilten Tat ebenfalls um ein Rauschgiftdelikthandelt.

    (aus: Pressemitteilung des BVerwG Nr. 53/04 v. 31.8.2004)

    BGH: Strengere Anforderungen an Strafmilderung beialkoholisierten Tätern

    Der 5. Strafsenat des BGH hatte auf Revision der Staatsanwaltschaftüber ein Urteil des LG Potsdam zu befinden. Das LG hatte zweiTätern, die über mehrere Stunden ihr Opfer misshandelt und sichdabei erheblich betrunken hatten, aufgrund ihrer Alkoholisierungeine Strafmilderung gewährt. Die Staatsanwaltschaft beanstandetedies unter Hinweis auf Ausführungen des 3. Strafsenats des BGH(Urt. v. 27.3.2003, NJW 2003, 2394) beanstandet, wonach beivorwerfbarer Alkoholisierung generell keine Strafmilderung mehrgewährt werden soll. Auch der 5. Strafsenat hat mit Urt. v. 17.8.2004 (5 StR 93/04) die Straf-milderung im konkreten Fall als fehlerhaft angesehen. Über die Höheder Strafe muss deshalb bei beiden Tätern neu verhandelt werden. DerBGH entschied dabei, dass es für die Frage der Strafmilderung – wie bis-lang – zwar auf die Umstände des Einzelfalls ankommt. Die Anforde-rungen an eine Milderung der Strafe bei Trunkenheit wurden jedocherhöht. Insbes. bei Gewalt- und Sexualdelikten scheidet eine Strafmil-derung danach häufig aus, weil der Täter schon vorher unter Alkoholaggressiv auffällig geworden ist. Gleiches gilt, wenn in Situationen getrunken wird, in denen eineerhöhte Gefahr gewalttätiger Entgleisung besteht. Beispiele hierfürsind das Trinken in gewaltbereiten Gruppen oder im Rahmen einesschwerwiegenden Streits. Auch wer noch nüchtern beschließt,anderen Gewalt anzutun, kann bei späterer Trunkenheit nicht miteiner Strafmilderung rechnen. Dem Gericht bleibt bei alledem ein Spielraum für die Entscheidung,ob es die Strafe bei Trunkenheit mildert oder nicht. Wenn es um dieVerhängung lebenslanger oder besonders hoher zeitiger Freiheitsstrafean der Grenze zur Höchststrafe geht, sind an die Versagung einerMilderung höhere Anforderungen zu stellen. Bei alkoholabhängigenStraftätern gelten Sonderregeln; auch ihnen ist jedoch nicht stets eineStrafmilderung zu gewähren, wenn sie in betrunkenem ZustandStraftaten begehen. Was für Alkohol wegen seiner bekanntermaßenenthemmenden Wirkung gilt, kann nicht ohne weiteres auf andereRauschmittel übertragen werden.

    (aus: Pressemitteilung des BGH Nr. 92/04 v. 17.8.2004)

    BGH: Entscheidung im Fall des »Potzlow-Mordes«

    Im Sommer 2002 wurde ein 16-jähriger Junge in dem Dorf Potzlowin Brandenburg von den Angekl., drei rechtsradikalen jungenMännern, die ihr Opfer als »Punk« verachteten, nach einemgemeinsamen Trinkgelage massiv gedemütigt und gequält.Anschließend brachten ihn die Angekl. zu einem abgelegenenGehöft, misshandelten ihn dort weiter und nötigten ihn nach demVorbild einer brutalen Filmszene, in einen Steintrog zu beißen. Indieser Situation brachte der 17-jährige Haupttäter dem Opfer durcheinen Sprung auf den Kopf tödliche Verletzungen bei. Um die Tat zuverdecken, warfen er und sein 23-jähriger Bruder anschließend demnoch für lebendig gehaltenen Opfer, um es endgültig zu töten,wiederholt einen schweren Stein an den Kopf. Mit ihrem ebenfalls 17-jährigen Tatgenossen vergruben die Brüder den Leichnam des Opfersanschließend in einer Jauchegrube. Das LG Neuruppin verurteilte den jugendlichen Haupttäter u.a. wegenMordes zu einer Jugendstrafe von acht Jahren und sechs Monaten.Den Mitangekl. hat es den vollendeten Mord nicht zugerechnet. Es hatden erwachsenen, in seiner Schuldfähigkeit erheblich vermindertenBruder u.a. wegen versuchten Verdeckungsmordes zu einer Gesamt-freiheitsstrafe von 15 Jahren und den jugendlichen Tatgenossen, demauch die versuchte Tötung nicht zugerechnet wurde, u.a. wegengefährlicher Körperverletzung zu zwei Jahren Jugendstrafe (ohneBewährung) verurteilt.Der BGH hat mit Urt. v. 19.8.2004 (5 StR 218/04) auf die zumNachteil der Angekl. erhobenen Revisionen der Staatsanwaltschaft

  • BAG: Rücktransport durch den Unternehmer als haftungsausschließenderBetriebsweg

    Mit Urt. v. 19.8.2004 (8 AZR 349/03) entschied das BAG, dass nach§ 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unternehmer den in ihrem Unternehmentätigen gesetzlich Unfallversicherten zum Ersatz von Personenschädennach zivilrechtlichen Haftungsgrundsätzen nur verpflichtet sind,wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt haben.Direkte Haftungsansprüche des Versicherten gegen den Arbeitgeber,der allein die Beiträge zahlt, sind danach ausgeschlossen. Zu denversicherten Wegen gehören zwar auch die Wege von der Wohnungzur Arbeitsstelle und zurück. Der Achte Senat zählt hierzu jedoch nurdie privat organisierten Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstelle.Ein vom Arbeitgeber durchgeführter Transport der Arbeitnehmer zurund von der Arbeitsstelle mit einem betriebseigenen Fahrzeug istdagegen ein Betriebsweg, für den der Haftungsausschluss gilt. Einsolcher Betriebsweg liegt auch dann vor, wenn der Arbeitnehmer mitdem vom Arbeitgeber organisierten Rücktransport von einerauswärtigen Einsatzstelle zu Hause hätte abgesetzt werden sollen. DerArbeitgeber hat den Versicherungsfall auch nicht schon dannvorsätzlich herbeigeführt, wenn er den verkehrsuntüchtigen Zustanddes Fahrzeugs gekannt haben sollte. Der Kl. ist bei der Bekl. zu 1. als Messebauer beschäftigt. Die Bekl. zu 1.organisiert den Transport ihrer Arbeitnehmer zu den Messeorten undzurück mit eigenen Kraftfahrzeugen und vergütet die Fahrzeit alsArbeitszeit. Auf der Rückfahrt von einer Messe in einem bei der Bekl.zu 2. haftpflichtversicherten Transporter platzte ein Reifen desFahrzeugs, der Wagen stieß gegen eine Leitplanke und überschlug sichmehrmals. Der Kl., der auf der mit funktionsunfähigen Sicherheits-gurten ausgestatteten Sitzbank hinter dem Fahrer saß, wurde beidem Unfall schwer verletzt. Er begehrte mit der Klage die Zahlungvon Schmerzensgeld und die Feststellung der Schadensersatzpflichtder Bekl. Er meinte, die Haftung der Bekl. sei nicht nach § 104 Abs. 1SGB VII ausgeschlossen, da dem Geschäftsführer der Bekl. zu 1. derZustand des Fahrzeugs bekannt gewesen sei und dieser deswegen denVersicherungsfall billigend in Kauf genommen habe. Des Weiterenhandele es sich um einen Wegeunfall nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII,da er zu Hause habe abgesetzt werden sollen. Das BAG wies die Klage auch in letzter Instanz ab.

    (aus: Pressemitteilung des BAG Nr. 58/04 v. 19.8.2004)

    BAG: Rechtsanwaltsvergütung bei gleichzeitiger Vertretung von Betriebs-rat und Betriebsratsmitglied im Verfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG

    Das BAG hat mit Beschl. v. 25.8.2004 (7 ABR 60/03) entschieden, dassder Arbeitgeber unter den Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 BetrVGverpflichtet ist, die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehendenKosten zu tragen. Hierzu gehört auch die Vergütung des von diesembeauftragten Rechtsanwalts. Der Anspruch könnte nicht bestehen,wenn ein Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung des Mandats gegen dasVerbot der Vertretung widerstreitender Interessen gem. § 43a Abs. 4BRAO verstößt. Das ist regelmäßig dann nicht der Fall, wenn derRechtsanwalt im gerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrennach § 103 Abs. 2 BetrVG gleichzeitig den Betriebsrat und das zukündigende Betriebsratsmitglied vertritt. Das gilt jedenfalls solange,wie der Betriebsrat ebenso wie das betroffene Betriebsratsmitglied diegerichtliche Ersetzung der Zustimmung zur Kündigung des Betriebs-ratsmitglieds verhindern will. Deshalb hat das BAG einen Arbeitgeber verpflichtet, einem Rechts-anwalt die Vergütung zu zahlen, der in einem Beschlussverfahrennach § 103 Abs. 2 BetrVG den Betriebsrat und das zu kündigendeBetriebsratsmitglied vertreten hat. Das Beschlussverfahren wurde nochvor der streitigen Entscheidung durch Rücknahme des Ersetzungs-antrags beendet.

    (aus: Pressemitteilung des BAG Nr. 61/04 v. 26.8.2004)

    Neue Justiz 10/2004 V

    Landesgerichte

    VerfG Brandenburg: Gemeinde Groß Machnow bleibt im Rahmen der kommunalen Neugliederung bei Rangsdorf

    Das VerfG Brandenburg mit Urt. v. 26.8.2004 (230/03) im Fall derGemeinde Groß Machnow (früher Amt Rangsdorf) erstmals zur Pro-blematik der kommunalen Neugliederung einer im engeren Verflech-tungsraum (Berliner »Speckgürtel«) gelegenen Gemeinde entschieden.Die Einteilung des Landes in die verschiedenen Neugliederungsräumedes engeren Verflechtungs- und des äußeren Entwicklungsraumswurde als ein Kriterium der Gemeindegebietsreform für verfassungs-rechtlich grundsätzlich zulässig erachtet. Das VerfG hat die gesetzlichen Regelungen zur Eingliederung derBeschwerdef. in die Gemeinde Rangsdorf bestätigt. Insbes. steht ihrkein Anspruch auf Zuordnung einer weiteren – leistungsstarken –Gemeinde (hier Dahlewitz) zur Gemeinde Rangsdorf zu.

    (aus: Pressemitteilung des VerfG Bbg. v. 26.8.2004)

    OLG Jena: Anspruch auf Geheimhaltung von Telefondaten

    Das OLG Jena hat mit Urt. v. 18.8.2004 (2 U 1038/03) entschieden,dass Telefonkunden gegenüber ihrer Telefongesellschaft Anspruch aufGeheimhaltung ihrer Telefondaten haben. Eine Verletzung diesesRechts auf Geheimhaltung stellt einen unzulässigen Eingriff in dasallgemeine Persönlichkeitsrecht dar, der u.U. zu Schadensersatz-ansprüchen des Telefonkunden führen kann. Das OLG hatte über die Klage eines Polizeibeamten zu befinden, derseine Telefongesellschaft gebeten hatte, von der Veröffentlichungseiner Telefonnummer abzusehen. Gleichwohl fand er sich im »Ört-lichen Telefonbuch« und in der »Online-Ausgabe« des Telefonbuchswieder. Das Recht über die Bekanntgabe oder Nichtbekanntgabe derDaten für eine telefonische Kontaktaufnahme wie auch das Recht zur

    BSG: Entschädigung für an Krebs erkrankte Wismut-Kumpel

    Der im früheren Uran-Bergbau der DDR eingesetzte Kl. begehrte mitseiner Klage die Anerkennung und Entschädigung eines Kehlkopf-karzinoms als Berufskrankheit (BK). Das SG Chemnitz gab der Klagestatt. Rechtsmittel der Beigeladenen blieben vor dem LSG und demBSG ohne Erfolg. Das BSG entschied mit Urt. v. 18.8.2004 (B 8 KN 2/03 U R), dass dieVorinstanzen zu Recht das Kehlkopfkarzinom als BK nach Nr. 92BKVO/DDR anerkannt und ab 1.1.1992 entsprechend entschädigthaben. Ob ein bis zum 31.12.1991 eingetretenes Ereignis eine BKbegründet, richtet sich aufgrund des EinigungsV nach DDR-Recht(vgl. § 1150 Abs. 1 RVO). Mit der Aufnahme der Erkrankung »bösartigeNeubildungen oder ihre Vorstufen durch ionisierende Strahlung« indie BK-Liste hat der DDR-Verordnungsgeber die Ursächlichkeit einerberuflichen Schädigung generell anerkannt und damit alle Krebs-erkrankungen, auch die extrapulmonalen, als solche für entschädi-gungswürdig befunden. Dass – wie die Beigeladene geltend machte –extrapulmonale Krebserkrankungen von Wismut-Beschäftigten nichtals BK anerkannt wurden, ist insoweit irrelevant. Es stellt sich alleindie Frage, ob die DDR-Behörden auf der Grundlage der Nr. 92 BKVO/DDR die Kehlkopferkrankung nach dem jetzigen Erkenntnisstandhätten anerkennen müssen, wenn sie die konkreten organspezifischenExpositionsdaten des Kl. gekannt hätten.Mit weiterem Urteil vom selben Tage (B 8 KN 1/03 U R) hat der BSGseine Rechtsauffassung bekräftigt.

    (aus: Pressemitteilung des BSG Nr. 46/04 v. 18.8.2004)

  • Friedrich-Christian Schroeder (Hrsg.)Justizreform in OsteuropaPeter Lang Verlag, Frankfurt/M. 2004264 S., brosch., 45,50 €. ISBN 3-631-52398-XIm März 2003 wurde die IX. Münchner Ost-West-Rechtstagung zurJustizreform in Mittel- und Osteuropa veranstaltet. Die Publikation ver-eint eine Auswahl der wissenschaftlichen Beiträge und Ansprachenanlässlich dieser Konferenz. Sie gibt damit einen Einblick in die Pro-bleme der Justizneuordnung in den Transformationsstaaten und ver-mittelt zugleich Anstöße für Reformen in Deutschland und Westeuropa.

    Uwe SchmidtEuropäisches Zivilprozessrecht in der PraxisDas 11. Buch der ZPOVerlag C. H. Beck, München 2004149 S., kart., 24,– €. ISBN 3-406-52271-8Die Umsetzung der zahlreichen Rechtsakte der EU finden sich seit dem1.1.2004 in dem neuen 11. Buch der ZPO »Justizielle Zusammenarbeitin der Europäischen Union« wieder. Der Autor gibt einen zusammen-fassenden Überblick über den bislang erreichten Stand des europäi-schen Zivilprozessrechts und wendet sich damit in erster Linie andiejenigen, die nur gelegentlich mit dieser Thematik zu tun haben.

    Sabine Jungbauer/Peter MockRechtsanwaltsvergütungTipps und TaktikC. F. Müller Verlag, 3., völlig neu bearb. Aufl., Heidelberg 2004466 S., kart., 44,– €. ISBN 3-8114-1934-XDie Autoren stellen unter Berücksichtigung des neuen RVG dieGrundsätze der richtigen Wertermittlung und die wichtigsten, immerwieder vorkommenden Gebührenvorschriften dar. Darüber hinauswird u.a. die Gebührenabrechnung in Familien- und Lebenspart-nerschaftssachen, in Strafsachen, in der Zwangsvollstreckung, in Insol-venzverfahren und in Arbeitssachen behandelt.

    Stephan Rixen/Siegfried ReineckeCasebook PatientenverfügungenVorausverfügung, Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung mitFallbeispielen, Formulierungshilfen, ChecklistenSpringer-Verlag, Heidelberg 2004198 S., brosch., 24,95 €. ISBN 3-540-20435-0Die Autoren (Jurist und Mediziner) bereiten – ausgehend von Fallbei-spielen aus der Praxis – die rechtlichen Hintergründe für Patientenver-fügungen anschaulich auf und entwickeln eine interdisziplinäre Hand-reichung für Arzt und Patient: Für den Arzt wird eine Analysestrukturvorgestellt, die es erlaubt, Konfliktsituationen entscheidungsrelevantzu durchdenken; für Angehörige und Pflegende wird dieser Vorgangnachvollziehbar dargestellt.

    Klaus-Ludwig HausDas verkehrsrechtliche MandatBand 3: VerkehrsverwaltungsrechtDeutscher Anwaltverlag, Bonn 2004767 S., geb., 69,– €. ISBN 3-8240-0170-5Mit diesem Buch erhält der Anwalt erstmals eine kompakte und praxis-gerechte Zusammenfassung des Verkehrsverwaltungsrechts in einemBand. Von Themen wie Fahreignung, Fahrtenbuch, Punktsystem biszur ausländischen Fahrerlaubnis werden die Probleme unter ausführ-licher Darstellung der Rechtsprechung so vorgestellt, wie sie der Anwaltfür die Beratung seines Mandanten benötigt.

    Horst Janiszewski/Hans BuddendiekBußgeldkatalog mit PunktsystemKommentarVerlag C. H. Beck, 9., neu bearb., Aufl., München 2004197 S., kart., 15,– €. ISBN 3-406-52388-9Die Neuauflage gibt mit der Einarbeitung der ab dem 1.4.2004geltenden Veränderungen den aktuellen Text des Bußgeldkatalogswieder und stellt umfassend dessen Inhalt und Struktur dar. Denberuflich mit der Materie befassten, aber auch den sonst interessiertenVerkehrsteilnehmern werden damit zuverlässige und übersichtlicheInformationen zu allen praxisrelevanten Fragen geboten.

    VI Neue Justiz 10/2004

    BuchumschauBekanntgabe oder Nichtbekanntgabe der Adresse muss – so der Senat –den absoluten Schutz gegenüber jedermann genießen und ist mithinals Bestandteil des Persönlichkeitsrechts anzusehen. Der Senat istallerdings der Auffassung, dass nicht jede Verletzung des Persönlich-keitsrechts dazu führt, dem Betroffenen ein Schmerzensgeld zuzu-billigen, zumal in der Rspr. seit langem anerkannt ist, dass nur eineschwerwiegende Verletzung dieses Rechts zu einem solchen Anspruchführt. Dies wurde im vorliegenden Fall verneint und dabei insbes.berücksichtigt, dass bei 37 Mio. Telefonbucheinträgen und etwa 30%Änderungen im Jahr Fehler unvermeidlich sind.Im konkreten Fall wurde dem Kl. im Ergebnis dennoch ein Schmer-zensgeld i.H.v. 1.000 € zugesprochen. Dieser Anspruch gründet abernicht auf der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Kl.,sondern darauf, dass zur Überzeugung des Senats feststeht, dass dieGesundheit des Kl. in Form von psychischen Beeinträchtigungen undSchlafstörungen durch die Veröffentlichung seiner Telefondaten inerheblicher Weise beeinträchtigt worden ist.

    (aus: Pressemitteilung des OLG Jena v. 26.8.2004)

    OVG Weimar: Kein Baustopp für Luftrettungsstation in Jena

    Mit rechtskräftigem Beschl. v. 5.8.2004 (2 EO 1031/04) hat das OVGeinen vorläufigen Stopp der Arbeiten an dem Neubau der ADAC-Luftrettungsstation auf dem Flugplatz Jena-Schöngleina abgelehnt.Der Hubschrauberverkehr auf dem Flugplatz – so der Senat – ist durchältere, bislang von den Ast. (die Stadt Bürgel und 73 Bewohner einesca. 2 km vom Flugplatz entfernten Wohngebiets) nicht angefochteneGenehmigungen nach dem LuftVG geregelt. Der geplante Neubauändert an dieser Genehmigungslage nichts. Zudem ist auch keineSteigerung der Flugbewegungen zu erwarten. Eine Überschreitung derdurch verursachten Fluglärm zumutbaren Grenze konnte im vorläu-figen Rechtsschutzverfahren nicht festgestellt werden.

    (aus: Pressemitteilung des OVG Weimar v. 31.8.2004)

    Personalnachrichten

    BundesgerichtshofDer Bundespräsident hat den RiBGH Dr. Gero Fischer zum VorsitzendenRichter am BGH ernannt. Ihm wurde der Vorsitz in dem vor allem fürRechtsanwalts- und Steuerberaterhaftung sowie für das Insolvenz-und Zwangsvollstreckungsrecht zuständigen IX. Zivilsenat undzugleich der Vorsitz in dem vorübergehend eingerichteten IXa-Zivil-senat übertragen. Dr. Fischer folgt dem Ende Aug. 2004 in denRuhestand getretenen bisherigen VorsRiBGH Dr. Kreft.Die Richterin am OLG Naumburg Ilse Lohmann und der Richter amOLG Frankfurt/M. Dr. Jürgen Ellenberger wurden zu Richtern am BGHernannt. Frau Lohmann wurde dem IX. Zivilsenat und Dr. Ellenbergerdem vornehmlich für das Bank-, Kredit- und Bürgschaftsrecht zustän-digen XI. Zivilsenat zugewiesen.

    (aus: Pressemitteilung des BGH Nr. 100 u. 101/04 v. 3.9.2004)

    Bundesverwaltungsgericht

    Ministerialrat Ulf Domgörgen hat seine Tätigkeit als Richter am BVerwGaufgenommen. Er war ab 1987 als Richter beim VG Köln tätig, wurde1994 zum RiOVG ernannt und war ab 1999 an das Bundespräsidial-amt abgeordnet, wo er 2003 zum Ministerialrat ernannt wurde.Ulf Domgörgen wurde dem 9. und 10. Revisionssenat zugewiesen, diefür Teile des Fachplanungsrechts, das Abgaben- und das Flurbereini-gungsrecht zuständig sind.

    (aus: Pressemitteilungen des BVerwG Nr. 55/04 v. 3.9.2004)

  • VIINeue Justiz 10/2004

    Michael Worzalla (Hrsg.)Das erfolgreiche ArbeitsrechtsmandatDer Praxisleitfaden für den RechtsanwaltDeubner Verlag, Köln 2004Loseblattwerk, 1 Band, ca. 800 S. mit CD-ROM, 118,– €ISBN 3-88606-517-0Mit diesem Werk startet der Verlag eine neue praxisnahe Reihe, diedem Anwalt von der Mandatsübernahme bis zur gerichtlichen oderaußergerichtlichen Auseinandersetzung eine schnelle und umfassendeHilfestellung bei der Bearbeitung von arbeitsrechtlichen Mandatenbieten soll. Auf der beigefügten CD-ROM finden sich übersichtlichgeordnet praktische Arbeitshilfen (Muster, Checklisten und Formu-lierungshilfen) zu den einzelnen Mandatsphasen.

    Björn Diering/Hinnerk Timme/Dirk Waschull (Hrsg.)Sozialgesetzbuch XSozialverwaltungsverfahren und SozialdatenschutzLehr- und PraxiskommentarNomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2004735 S., geb., 79,– €. ISBN 3-7890-7208-7Die aus Verwaltung, Justiz, Anwaltschaft und Wissenschaft kommen-den Autoren erläutern profund das sozialrechtliche Verwaltungs-verfahren, den Sozialdatenschutz in Anlehnung an das BDSG sowie dieZusammenarbeit der Sozialleistungsträger untereinander und ihreBeziehungen zu Dritten. Der LPK SGB X konzentriert sich dabei auf diein der Praxis immer wiederkehrenden Hauptprobleme; ein Anhang»Gerichtsverfahren« erläutert praxisnah die Umsetzung der Verfah-rensprobleme im Sozialgerichtsprozess.

    Ulrich Sartorius/Thomas BubeckSozialrechtin der arbeitsrechtlichen und familienrechtlichen PraxisNomos Verlagsgesellschaft, 2., aktual. Aufl., Baden-Baden 2004301 S., brosch., 34,– €. ISBN 3-8329-0121-3Mit der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe werden dieKernbereiche des Sozialrechts massiv geändert. Gerade der nicht spezia-lisierte, mit den »Hartz«-Reformen aber notwendigerweise konfron-tierte Anwalt benötigt einen Leitfaden auch im Hinblick auf dieNeuregelungen. Die Autoren (Fachanwalt und Richter am SG) zeigenalle praxisrelevanten Schnittstellen des Sozial-, Arbeits- und Familien-rechts unter Berücksichtigung der Reformen auf.

    Klaus Schwill/Lore Seidel/Michael FelserThüringer PersonalvertretungsgesetzBasiskommentar mit Wahlordnung und ergänzenden VorschriftenBund Verlag, 3., überarb. u. aktual. Aufl., Frankfurt/M. 2004469 S., kart., 32,– €. ISBN 3-7663-3476-XDas ThürPersVG wurde im Jahr 2001 umfangreich novelliert undbeinhaltet u.a. eine starke Einschränkung der Rechte der Personalver-tretungen. Der Basiskommentar stellt die Neuregelungen kritisch undübersichtlich dar und zeigt den Beteiligten in den Thüringer Dienst-stellen praxisbezogene Handlungsspielräume auf.

    Weitere Neuerscheinungen:

    Harenberg Aktuell 2005Das Jahrbuch Nr. 1. Meyers Lexikonverlag, Mannheim u.a. 2004. 756 S.,kart., 14,90 €. ISBN 3-411-76116-6.

    Berliner Kommentar zum Grundgesetz (BKGG)Hrsg. von K. H. Friauf und W. Höfling. Loseblatt-Kommenar, 2 Ordner.Erich Schmidt Verlag, Berlin 2004. Einschl. 9. Lfg. 2.396 S., 98,– €.ISBN 3-503-05911-3.

    VersicherungsvertragsgesetzVon E. R. Prölss und A. Martin. C. H. Beck Verlag, 27., völlig neu bearb.Aufl., München 2004. 2.692 S., in Leinen, 128,– €. ISBN 3-406-49844-2.

    BetäubungsmittelstrafrechtVon H.-J. Wagner/U. Kallin/M. Kruse. Nomos Verlagsgesellschaft,2. Aufl., Baden-Baden 2004. 220 S., brosch., 39,– €. ISBN 3-8329-0172-8.

    (ausführliche Rezensionen bleiben vorbehalten)

    Die 7. Speyerer Demokratietagung der Deutschen Hochschule fürVerwaltungswissenschaften Speyer am 28./29. Oktober 2004 stehtunter dem Thema

    »Die deutsche Krankheit: Organisierte Unverantwortlichkeit?«.

    Zwischen den großen Herausforderungen, denen Deutschland gegen-übersteht, und der erforderlichen Reformfähigkeit klafft eine großeDiskrepanz. Die Systemmängel lähmen die Regierungen und die Bürger.Die Tagung will die zentralen Probleme aufzeigen und Wege zu ihrerÜberwindung diskutieren.Als Themen sind u.a. vorgesehen:• Ist der deutsche Föderalismus deformiert? Analyse und mögliche

    Abhilfe (Ref.: Prof. Dr. Wolfgang Renzsch, Universität Magdeburg)• Was sind die Länder noch wert: Entmachtung der Landesparlamente?

    (Ref.: Dr. Joachim Linck, Direktor des Thüringer Landtags)• Aufbau Ost – eine Sackgasse? (Ref.: Prof. Dr. Dr. h.c. Rüdiger Pohl,

    Präsident des Instituts für Wirtschaftsförderung Halle)• Ämterpatronage. Ein Krebsübel der Demokratie? (Ref.: Prof. Dr. Rainer

    Wahl, Universität Freiburg)• Korruption und Korruptionsbekämpfung in Deutschland (Ref.: Prof.

    Dr. Johann Graf Lambsdorff, Universität Passau)Anmeldung und weitere Informationen: Deutsche Hochschule für Verwal-tungswissenschaften Speyer, Freiherr-vom-Stein-Str. 2, 67346 Speyer,Lioba Diehl und Edith Göhring, Tel.: (06232) 654-226/-269,Fax: (06232) 654-488, E-Mail: [email protected];Internet: www.dhv-speyer.de

    *Die Evangelische Akademie Loccum veranstaltet vom 27. bis 29. Okto-ber 2004 die Tagung

    »Die Faszination der Gewalt«.Es sind u.a. folgende Referate vorgesehen:• Gewaltimagination und Jugendkriminalität (Ref.: Prof. Dr. Christian

    Pfeiffer, Justizminister a.D., Hannover)• Die unheimliche Faszination der Gewalt – Erfahrungen aus der Praxis

    anhand von Beispielen aus der rechtsextremen Szene (Ref.: ReinhardKoch, Leiter der Arbeitsstelle »Rechtsextremismus und Gewalt,Arbeit und Leben«, Braunschweig)

    • Sühne und Gewalt im Christentum (Ref.: Prof. Dr. Ralph Miggel-brink, Essen)

    Tagungsort: Ev. Akademie Loccum, 31545 Rehburg-LoccumTagungsgebühr: 120 € einschl. Übernachtung und VerpflegungWeitere Informationen und Anmeldung: Ev. Akademie Loccum, Postfach2158, 31545 Rehburg-Loccum. Tel.: (05766) 81-01, Fax: (05766) 81-900; E-Mail: [email protected]; Internet: www.loccum.de

    *Die Evangelische Akademie zu Berlin veranstaltet vom 29. bis 31.Oktober 2004 im Umweltforum Berlin die Tagung

    »Strafverfolgung von StaatskriminalitätVergeltung, Wahrheit und Versöhnung nach politischem Systemwechsel«.

    Am 2. November 2004, 18.00 Uhr, findet das

    Netzwerktreffen gegen Jugendkriminalität

    in der Französischen Friedrichstadtkirche statt.Weitere Informationen und Anmeldung: Ev. Akademie zu Berlin, Charlot-tenstr. 53/54, 10117 Berlin. Tel.: (030) 203 55-503, Fax: (030) 203 55-550; E-Mail: [email protected]; Internet: www.eaberlin.de

    *Das Kommunale Bildungswerk e.V. führt im Oktober 2004 in Berlinfolgende Spezialseminare durch:»Das Schuldrechtsanpassungsgesetz und die Nutzungsentgeltverordnung –

    Inhalt und Probleme ihrer Anwendung in der kommunalen Praxis«Termin: 11./12.10.2004

    »Schuldrechtsanpassung adé, jetzt gilt das BGB!Vertragsgestaltung von Pacht- und Garagenverträgen nach dem BGB«

    Termin: 28./29.10.2004Dozent: Rechtsanwalt Uwe AderholdSeminargebühr: jeweils 155 €Weitere Informationen: Kommunales Bildungswerk e.V., Gürtelstr. 29 a/30,10247 Berlin. Tel.: (030) 293350-0, Fax: (030) 293350-39; E-Mail:[email protected]; Internet: www.kbw.de

    Veranstaltungstermine

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    Chefredakteurin:Rechtsanwältin Adelhaid BrandtAnschrift der Redaktion:Französische Straße 13 • 10117 Berlin • Tel. (030) 2232840 • Fax (030) 22328433

    Neue JustizZeitschrift für Rechtsentwicklung und Rechtsprechung in den Neuen Ländern

    Neue Justiz 10/2004

    Am 1.9.2004 ist das Erste Gesetz zur Modernisierung der Justiz (1. Justiz-modernisierungsG) in Kraft getreten. Der folgende Beitrag erläutert diewichtigsten Änderungen für den Zivilprozess und das Strafverfahrenund skizziert die weiteren Neuregelungen dieses Artikelgesetzes.

    I. Vorbemerkung

    Die Justiz benötigt Reformen, die Justiz muss moderner werden.Die Fragen, wie diese Reformen gestaltet sein sollten und wasModernisierung in der Justiz bedeutet, wurden und werdennaturgemäß stets unterschiedlich beantwortet. Deshalb könnendie verschiedenen Bewertungen des am 1.9.2004 in Kraft getre-tenen 1. Justizmodernisierungsgesetzes1 v. 24.8.2004 nichtüberraschen. Aber zunächst ein kurzer Blick zurück auf dieEntstehungsgeschichte dieses Gesetzes:

    Am 28.4.2003 legte das BMJ einen Referentenentwurf mit demTitel »Justizmodernisierungsgesetz« vor, der einen Monat spätervom Kabinett verabschiedet und von der Bundesregierung einge-bracht wurde.2 Fast zeitgleich reichten die CDU/CSU-Fraktionund weitere Abgeordnete mit Datum v. 20.5.2003 im Bundestagden Entwurf eines 1. Justizbeschleunigungsgesetzes3 ein, den am6.6.2003 die Länder Bayern, Hessen, Niedersachsen, Saarland,Sachsen und Thüringen wortgleich in den Bundesrat einbrach-ten.4 Der Länderentwurf fand im Bundesrat am 11.7.2003 mitgeringfügigen Änderungen eine Mehrheit und wurde in denBundestag eingebracht.5

    Zu diesen drei umfangreichen Gesetzentwürfen – von denenallerdings zwei fast identisch waren – und zu einem weiteren

    Antrag der CDU/CSU-Fraktion6 fand im Nov. 2003 im Rechtsaus-schuss des Bundestages eine umfangreiche Sachverständigen-anhörung statt. Im Anschluss daran verständigte sich der Rechts-ausschuss auf eine Kompromisslösung, die vom Bundestageinstimmig vollzogen wurde: die Zusammenführung der Gesetz-entwürfe der Bundesregierung und der Fraktion der CDU/CSUzum 1. Justizmodernisierungsgesetz. Die beiden anderen Entwürfe– also auch der des Bundesrats – erhielten keine Mehrheit.

    Die zahlreichen nun in Kraft getretenen Regelungen sind, wieauch zuvor die drei Gesetzentwürfe, auf starke Kritik der Anwalt-schaft gestoßen. So lehnen der DAV und die BRAK in ihrenStellungnahmen mit deutlichen Worten fast alle Änderungen ab.Die Kritik richtet sich zum einen gegen die »übertriebene Eile«und »Hektik« des Gesetzgebungsverfahrens, zum anderen gegendie gesamte Zielrichtung, die darin bestehe, aufgrund vonSparzwängen Prozessverfahren zu verkürzen, Rechtsschutz zubegrenzen und rechtsstaatlichen Interessen der Bürger nicht mehrgerecht zu werden.

    Demgegenüber begrüßen der Deutsche Richterbund ebenso wiedie Justizministerinnen und Justizminister der Länder den ganzüberwiegenden Teil der Reformen. Diese positive Bewertungteilen wir uneingeschränkt. Denn die teilweise noch aus dem

    Das 1. Justizmodernisierungsgesetz Karin Schubert, Senatorin für Justiz des Landes Berlin, und RinVG Isabella Moebius, Berlin

    10 0458. Jahrgang • Seiten 433-480

    1 BGBl. I S. 2198. Die Begründung für einzelne Vorschriften findet sich inBT-Drucks. 15/1508 u. 15/3482 (Beschlussempfehlung und Bericht desRechtsausschusses).

    2 BT-Drucks. 15/1508.3 BT-Drucks. 15/999.4 BR-Drucks. 397/03.5 BT-Drucks. 15/1491.6 Fehler beim neuen Revisionsrecht korrigieren – Entscheidungsfähigkeit

    des Bundesgerichtshofs sicherstellen, BT-Drucks. 15/1098.

  • Neue Justiz 10/2004434

    19. Jahrhundert stammenden Prozessordnungen sind – trotz derin der Vergangenheit vorgenommenen Veränderungen – heuti-gen Belastungen nicht mehr gewachsen. Erforderlich sind deshalbnicht nur Änderungen der Binnenstruktur der Justiz, sondernauch flexiblere Verfahrensregelungen.

    Erfreulich ist, dass sich in dem neuen Gesetz einige Regelungenfinden, die Verfahren vereinfachen und beschleunigen, ohne rechts-staatliche Standards zu beeinträchtigen. Überwiegend handelt essich um kleine und behutsam vorgenommene Reformen, dienahezu alle Prozessordnungen betreffen und von denen die wich-tigsten im Folgenden dargestellt werden. Einige von ihnen warenlängst überfällig, so etwa die von den Bundesländern seit Jahrengeforderte Neuregelung der Unterbrechungsregelungen im Straf-prozess. Daneben schreitet das Gesetz mit der strukturellen Binnen-reform der Justiz voran, indem weitere Aufgaben vom Staatsan-walt bzw. Richter auf den Rechtspfleger verlagert werden.

    II. Zivilprozess

    1. Allgemeine Vorschriften und das Verfahren im ersten Rechtszug

    a) Verwertung von gerichtlichen Sachverständigengutachten

    Verabschiedet wurde eine für die Praxis bedeutsame Regelungüber die Verwertung von gerichtlichen Sachverständigengutach-ten. Der neu geschaffene § 411a ZPO lässt die Verwertung einesin einem anderen Verfahren gerichtlich eingeholten Sachver-ständigengutachtens zu. Neu ist hieran, dass kein weiteres Gut-achten eingeholt werden muss, wenn Tatsachen bereits in einemParallelverfahren durch ein Sachverständigengutachten geklärtworden sind und die Verwertung nicht der Zustimmung der Par-teien bedarf. Neu ist auch, dass die Verwertung des verfahrens-fremden Gutachtens als Sachverständigenbeweis erfolgt. Bislangkonnten verfahrensfremde Gutachten zwar verwertet werden,aber nur im Wege des Urkundsbeweises, dessen Beweiskraft undVerwertbarkeit in der Praxis unterschiedlich bewertet wurden.

    Die Neuregelung stellt es in das Ermessen des Gerichts, ob es einverfahrensfremdes Gutachten verwertet oder ein neues Gutachteneinholt. Die Verwertung ist auf Antrag einer Partei und von Amtswegen möglich (§ 144 Abs. 1 ZPO). Beantragt eine Partei die Ver-wertung, hat das Gericht sowohl im Fall der Verwertung als auchim Fall der Neubegutachtung die ermessensleitenden Umständeim Urteil darzulegen. Die Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte derParteien nach §§ 402 ff. ZPO bleiben durch die Verwertungsmög-lichkeit unberührt. Eine Partei kann insbesondere bei dem erken-nenden Gericht um mündliche Erläuterung des Sachverständi-gengutachtens nachsuchen. Keine Anwendung findet der neue§ 411a ZPO auf am 1.9.2004 bereits anhängige Verfahren.

    b) Beweisaufnahme

    Eine weitere Neuerung im Beweisrecht bringt der im Gesetzge-bungsverfahren umstrittene § 284 Satz 2 bis 4 ZPO, der den Zivil-prozess noch stärker als bisher der Parteiherrschaft unterwirft.Im Einverständnis mit den Parteien kann das Gericht von denStrengbeweisregeln absehen und die Beweise in der ihm geeigneterscheinenden Art aufnehmen. Das Einverständnis kann aufeinzelne Beweiserhebungen beschränkt werden. Es kann nur beieiner wesentlichen Änderung der Prozesslage vor Beginn derBeweiserhebung, auf die sie sich bezieht, widerrufen werden.Diese »erleichterte Beweisaufnahme« dürfte vor allem dannAnwendung finden, wenn ein Zeuge oder Sachverständiger inseiner Vernehmung zu einem Punkt nicht oder nicht eingehendgenug befragt worden ist, weil sich die Relevanz dieser Beweisfrageerst im Laufe der Beweisaufnahme oder bei der Erörterung über

    das Ergebnis der Beweisaufnahme herausstellt. Hier kann derZeuge oder Sachverständige am besten noch aus dem Gerichtssaalheraus per Telefon oder E-Mail befragt werden.

    c) Richterablehnung

    Die bisherige Regelung in § 47 ZPO, wonach ein Richter, derwegen Befangenheit abgelehnt wurde, nur unaufschiebbare Maß-nahmen treffen darf, wird durch den neu angefügten § 47 Abs. 2ZPO durchbrochen. Wird ein Richter während der Verhandlungabgelehnt und würde die Entscheidung über die Ablehnung eineVertagung der Verhandlung erfordern, so kann der Termin unterMitwirkung des abgelehnten Richters fortgesetzt werden. Wirddie Ablehnung für begründet erklärt, so ist der nach Anbringungdes Ablehnungsgesuchs liegende Teil der Verhandlung zu wieder-holen. Hierdurch soll missbräuchlichen Ablehnungsgesuchenvorgebeugt und eine Angleichung an die Regelungen im Straf-verfahren (vgl. § 29 Abs. 2 StPO) erreicht werden.

    Eine Neuregelung des Befangenheitsrechts war längst überfällig.Leider lässt die neue Vorschrift offen, wie zu verfahren ist, wenngegen den Gerichtsbeschluss mit dem der Befangenheitsantragabgelehnt wird, sofortige Beschwerde (§ 46 Abs. 2 ZPO) eingelegtwird. Sollte der abgelehnte Richter die Beschwerdeentscheidungabwarten müssen, dürfte die neue Regelung weitgehend leer laufen.

    d) Rückfestsetzung überzahlter Prozesskosten

    Im Kostenfestsetzungsverfahren wird endlich eine sichere Rechts-grundlage für die »Rückfestsetzung« überzahlter Prozesskostengeschaffen (§ 91 Abs. 4 ZPO neu). Zahlt der Schuldner die auf-grund eines vorläufigen Titels festgesetzten Kosten und wird dasvorläufig vollstreckbare Urteil im weiteren Verlauf des Rechts-streits aufgehoben oder geändert, kann er nunmehr seinen Kos-tenerstattungsanspruch im vereinfachten Kostenfestsetzungs-verfahren geltend machen. Die Neuregelung in § 91 Abs. 4 ZPOist auch auf Verfahren anzuwenden, die am 1.9.2004 anhängigoder rechtskräftig abgeschlossen worden sind (vgl. im Einzelnen§ 29 Nr. 2 EGZPO neu).

    e) Kostenentscheidung bei Erledigung der Hauptsache

    Beschlüsse nach § 91a ZPO werden künftig auch dann möglichsein, wenn der Beklagte auf eine Erledigungserklärung nichtreagiert. Nach dem neu eingefügten § 91a Abs. 1 Satz 2 ZPOentscheidet das Gericht über die Kosten durch Beschluss auchdann, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägersnicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustel-lung des Schriftsatzes widerspricht, sofern der Beklagte zuvor aufdiese Folge hingewiesen worden ist. Die bisher in diesen Fällenerforderliche mündliche Verhandlung entfällt. Zu beachten istaber, dass die neue Regelung nicht für am 1.9.2004 bereitsanhängige Verfahren, sondern nur für Neueingänge gilt (§ 29Nr. 1 EGZPO neu).

    f) Protokollaufnahme

    Das Gesetz geht jetzt davon aus, dass zur Protokollierung dermündlichen Verhandlung oder Beweisaufnahme der Urkunds-beamte der Geschäftsstelle nur noch ausnahmsweise hinzuziehenist, und verlangt, dass dessen Hinzuziehung aus einem wichtigenGrund erforderlich sein muss (§ 159 ZPO nF).

    g) Wiedereinsetzungsfrist bei Fristversäumung

    Bei der Versäumung von Fristen zur Begründung von Rechtsmit-teln müssen künftig innerhalb eines Monats der Antrag aufWiedereinsetzung gestellt und die versäumte Prozesshandlungnachgeholt werden. Dies gilt nach dem neuen Satz 2 in § 234

    Neue Rechtsvorschr i f ten Schubert/Moebius, Das 1. Justizmodernisierungsgesetz

  • 435Neue Justiz 10/2004

    Abs. 1 für die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, derNichtzulassungsbeschwerde, der Rechtsbeschwerde oder derBeschwerde nach §§ 621e, 629a Abs. 2 ZPO. Bislang galt für alleProzesshandlungen eine Frist von zwei Wochen.

    h) Kostenentscheidung bei Klagerücknahme

    Das alte Problem, wie der Kläger zu verfahren hat, wenn derBeklagte nach Klageeinreichung, aber vor Zustellung der Klage-schrift zahlt, wird mit der Neufassung des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPOnun endgültig geklärt. Ist der Anlass zur Einreichung der Klage vorRechtshängigkeit weggefallen und wird die Klage daraufhinzurückgenommen, entscheidet das Gericht über die Kosten nachbilligem Ermessen. Die Zustellung der Klage ist hierfür nichtVoraussetzung. Die Klage muss auch nicht mehr »unverzüglich«zurückgenommen werden.

    i) Gerichtlicher Vergleich im schriftlichen Verfahren

    Gerichtliche Vergleiche können künftig wesentlich einfacheraußerhalb der mündlichen Verhandlung geschlossen werden.Es genügt, dass die Parteien dem Gericht einen schriftlichenVergleichsvorschlag unterbreiten. Das Gericht stellt das Zustande-kommen und den Inhalt des Vergleichs durch Beschluss fest(§ 278 Abs. 6 ZPO nF). Wie bei der Protokollierung des Vergleichsin der mündlichen Verhandlung muss das Gericht prüfen, ob derunterbreitete Vergleich wirksam abgeschlossen worden ist.

    j) Anerkenntnis- und Versäumnisurteil

    Der Erlass eines Anerkenntnisurteils ist jetzt immer ohne münd-liche Verhandlung möglich (§ 307 nF); bislang galt dies nur imschriftlichen Vorverfahren oder bei Zustimmung der Parteien(§ 128 Abs. 2 ZPO).

    Ohne mündliche Verhandlung kann nun auch der nicht recht-zeitige Einspruch gegen ein Versäumnisurteil verworfen werden(§ 310 Abs. 3 Satz 2 ZPO neu). Auch über den Tatbestands-berichtigungsantrag kann künftig im schriftlichen Verfahren ent-schieden werden. Nur wenn eine Partei es beantragt, ist mündlichzu verhandeln (§ 320 Abs. 3 nF).

    Im schriftlichen Vorverfahren kann bei Säumnis des Beklagtenjetzt ein teilweise abweisendes Urteil (Teil- und Versäumnis-schlussurteil) ergehen, soweit eine Nebenforderung nicht dar-gelegt ist und sofern der Kläger zuvor auf diese Möglichkeithingewiesen wurde (§ 331 Abs. 3 nF).

    2. Berufung, Revision und Rechtsbeschwerde

    a) Zulassung der Berufung

    Im Berufungsrecht wird klargestellt, dass die Zulassung der Beru-fung nur in Betracht kommt, wenn die Partei durch das Urteilmit nicht mehr als 600 € beschwert ist (§ 511 Abs. 4 ZPO nF).Damit ist unmissverständlich festgelegt, dass sich Zulassungs-berufung und Wertberufung gegenseitig ausschließen und es aufden Wert der Beschwer und nicht auf den Wert des Beschwerde-gegenstands ankommt.

    b) Anschlussberufung

    Wichtige Neuerungen gibt es bei der Frist für die Einreichungund Begründung der Anschlussberufung. Die Anschlussberu-fung ist nunmehr bis zum Ablauf der dem Berufungsbeklagtenvom Gericht gesetzten Frist zur Berufungserwiderung zulässig(§ 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO nF) und nicht wie bisher nur bis zumAblauf eines Monats nach Zustellung der Berufungsbegrün-dungsschrift.

    Bei einer Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkeh-renden Leistungen nach § 323 ZPO ist die Anschließung sogar ankeine Frist gebunden (§ 524 Abs. 2 Satz 3 ZPO neu). PraktischeBedeutung hat dies vor allem in unterhaltsrechtlichen Streitig-keiten. Hatten sich die tatsächlichen Verhältnisse des unterhalts-pflichtigen Berufungsbeklagten zu seinen Gunsten verändert,konnte dies das Berufungsgericht in seiner Entscheidung nichtberücksichtigen, wenn sich der Berufungsbeklagte nicht inner-halb der Monatsfrist der Berufung angeschlossen hatte (vgl. § 528Abs. 1 Satz 2 ZPO). Der Berufungsbeklagte musste in einem neuenRechtsstreit auf Abänderung klagen. Jetzt kann er sich bis zumSchluss der letzten mündlichen Verhandlung der Berufunganschließen.

    Zu beachten ist aber, dass wegen der Präklusionsvorschrift des§ 531 Abs. 2 ZPO nur solche Änderungen berücksichtigt werden,die erst nach Schluss der erstinstanzlichen mündlichen Verhand-lung eingetreten sind und daher nach bisheriger Rechtslagezulässigerweise im Abänderungsverfahren nach § 323 ZPO hättengeltend gemacht werden können.

    Die neuen Vorschriften sind auf im Zeitpunkt des In-Kraft-Tre-tens des 1. JustizmodernisierungsG bereits anhängige Verfahrenanzuwenden.

    c) Vorläufige Vollstreckbarkeitserklärung ohne Sicherheitsleistung

    Nicht nur Berufungsurteile der OLG, sondern alle Berufungs-urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten sind künftig ohneSicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 708Nr. 10 nF). Damit entfällt die bisher unterschiedliche Regelungzwischen den land- und oberlandesgerichtlichen Berufungsurteilen.

    d) Revisionsbegründungsfrist

    Kann dem Revisionskläger innerhalb der Revisionsbegründungs-frist nicht für einen angemessenen Zeitraum Akteneinsichtgewährt werden, kann der Vorsitzende auf Antrag die Frist um biszu zwei Monate nach Übersendung der Prozessakten verlängern(§ 551 Abs. 2 Satz 6 ZPO nF). Zugleich wird das Berufungsgerichtgesetzlich verpflichtet, die Akten unverzüglich an das Revisions-gericht zu übersenden (§ 565 ZPO nF iVm § 541 Abs. 1 Satz 2ZPO neu).

    e) Revisionszurückweisung

    Das Revisionsgericht kann die Revision ohne mündliche Ver-handlung durch einstimmigen Beschluss zurückweisen, wenn esdavon überzeugt ist, dass die Voraussetzungen für die Zulassungder Revision nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht aufErfolg hat (§ 552a ZPO neu). Das Verfahren ist das gleiche wie beider Zurückweisung der Berufung (§ 522 Abs. 2 ZPO). Die Anschlie-ßung verliert ihre Wirkung (§ 554 Abs. 4 ZPO nF). Gegen dieVerwerfung der unzulässigen Berufung ist künftig nicht nur dieRechtsbeschwerde, sondern bei der Verwerfung durch Urteil auchdie Nichtzulassungsbeschwerde uneingeschränkt statthaft (§ 26Nr. 8 u. 9 EGZPO nF).

    f) Rechtsbeschwerde

    Ausdrücklich klargestellt wird, dass die Rechtsbeschwerde imVerfahren auf Erlass eines Arrests oder einer einstweiligenAnordnung nicht statthaft ist (§ 574 Abs. 1 Satz 2 ZPO neu iVm§ 542 Abs. 2 ZPO). Künftig kann in der Entscheidung über dieRechtsbeschwerde von einer Begründung abgesehen werden,wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragengrundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zurSicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 577Abs. 6 Satz 3 ZPO neu).

    Schubert/Moebius , Das 1 . Jus t izmodernis ie rungsgesetz

  • Neue Justiz 10/2004436

    III. Strafprozess und Ordnungswidrigkeitenverfahren

    a) Dauer der Unterbrechungsfrist einer Hauptverhandlung

    Die wohl wichtigste, von Justizpolitikern und Richterinnen undRichtern seit vielen Jahren mit äußerstem Nachdruck geforderte,7

    Neuerung für den Strafprozess betrifft die Unterbrechungsrege-lungen. Künftig ist es möglich, die Hauptverhandlung bis zu dreiWochen zu unterbrechen (§ 229 Abs. 1 StPO nF). Darüber hinausdarf nunmehr eine Hauptverhandlung auch bis zu einem Monatunterbrochen werden, wenn sie davor jeweils an mindestens zehnTagen stattgefunden hat (§ 229 Abs. 2 StPO nF). Erkranken Richteroder Schöffen, ist der Lauf der Unterbrechungsfristen gehemmt(§ 229 Abs. 3 StPO nF), was bislang nur für den Angeklagten galt.Künftig wird in deutlich weniger Fällen mit der Hauptverhand-lung wieder völlig neu begonnen werden müssen, und teure»Schiebetermine« sind entbehrlich. Neben einer deutlichenKostenersparnis werden zusätzliche Belastungen für alle Prozess-beteiligten vermieden.

    b) Verlesungsmöglichkeiten

    Für den Gerichtsalltag von erheblicher Bedeutung sind auch dieneuen Vorschriften über die Verlesung von Niederschriften überdie Vernehmung von Behörden und Ärzteerklärungen. Hierbeiist zunächst zu beachten, dass die Systematik der Vorschriftengeändert wurde: Anders als bisher umfasst § 251 Abs. 1 StPO nFnicht nur richterliche, sondern auch nichtrichterliche Verneh-mungen. Die Fälle, in denen darüber hinaus die Verlesungvon richterlichen Vernehmungsniederschriften in erweitertemUmfang möglich ist, werden jetzt in § 251 Abs. 2 StPO nF aufge-führt.

    Neu sind die erweiterten Möglichkeiten bei der Verlesung vonSchriftstücken, die Beweisaufnahmen beschleunigen und verein-fachen, Kosten senken und alle Verfahrensbeteiligten entlastenwerden. Anders als bisher dürfen künftig verlesen werden: – Vernehmungsniederschriften oder schriftliche Erklärungen, soweit

    sie das Vorliegen oder die Höhe eines Vermögensschadens betref-fen, wie z.B. eine Rechnung über die Reparatur bei einem Pkw-Ein-bruch oder bei einer Verkehrsstraftat (§ 251 Abs. 1 Nr. 3 StPO nF),

    – die ein Zeugnis oder ein Gutachten enthaltenden Erklärungeneines allgemein vereidigten Sachverständigen (§ 256 Abs. 1 Nr. 1Buchst. b StPO nF),

    – Protokolle sowie in einer Urkunde enthaltene Erklärungen derStrafverfolgungsbehörden über Ermittlungshandlungen, soweitdiese nicht eine Vernehmung zum Gegenstand haben, z.B. Proto-kolle über Routinevorgänge wie Beschlagnahme, Spurensicherung,Festnahme, Hausdurchsuchung (§ 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO nF).

    c) Wegfall der Regelvereidigung von Zeugen

    Die derzeit nur noch im Strafverfahren für Zeugen geltendeRegelvereidigung wird abgeschafft. Die Vereidigung des Zeugenist nunmehr die Ausnahme. In Anlehnung an die Formulie-rungen von § 48 OWiG aF bzw. § 62 StPO aF werden Zeugen nurnoch vereidigt, wenn es das Gericht wegen der ausschlag-gebenden Bedeutung der Aussage oder zur Herbeiführung einerwahren Aussage nach seinem Ermessen für notwendig hält (§ 59Abs. 1 StPO nF).

    Wichtig ist, dass der Tatrichter eine Entscheidung über dieVereidigung treffen und diese als wesentliche Förmlichkeit imProtokoll festhalten muss. Eine Begründung dieser Entscheidungwird im Regelfall hingegen nicht mehr gefordert. Dies gilt unab-hängig davon, ob die Vereidigung angeordnet wird oder nicht.Die neue Regelung gilt nunmehr auch im Jugendstrafverfahren;die Sonderreglung in § 49 JGG wurde aufgehoben.

    d) Verfahren bei Strafbefehlen

    Künftig kann der Angeklagte die Höhe der Tagessätze einer Geld-strafe im Strafbefehl auch ohne Hauptverhandlung zu seinenGunsten überprüfen lassen (§ 411 Abs. 1 Satz 3 StPO neu). DasVerfahren bietet sich an, wenn im Ermittlungsverfahren dasNettoeinkommen des Angeklagten geschätzt wurde und er seinefinanziellen Verhältnisse durch schriftliche Belege nachweisenkann. Gegenüber der Hauptverhandlung nach Einspruch hat esden entscheidenden Vorteil, dass das Gericht die Höhe derTagessätze nicht erhöhen darf.

    Das neue Beschlussverfahren setzt voraus, dass der Einspruchauf die Höhe der Tagessätze beschränkt ist und Angeklagter, Ver-teidiger und Staatsanwaltschaft einer Entscheidung des Gerichtsohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zugestimmt haben.Bereits mit der Einlegung des Einspruchs können Angeklagterund Verteidiger ihre Zustimmung erklären.

    Auch der Übergang in das Strafbefehlsverfahren in der Haupt-verhandlung wurde vereinfacht. Anders als bisher kann der Staats-anwalt künftig den Erlass des Strafbefehls mündlich beantragen.Der wesentliche Inhalt des Strafbefehls ist in das Sitzungs-protokoll aufzunehmen (§ 408a Abs. 1 Satz 2 StPO neu).

    e) Beschleunigtes Verfahren

    Für das beschleunigte Verfahren (§ 417 StPO) wird nunmehrausdrücklich geregelt, dass zwischen dem Eingang des Antrags beiGericht und dem Beginn der Hauptverhandlung nicht mehr alssechs Wochen liegen sollen (§ 418 Abs. 1 Satz 2 StPO neu).

    Darüber hinaus kann künftig auch im beschleunigten Verfah-ren in das Strafbefehlsverfahren übergegangen werden (§ 418Abs. 3 Satz 3 StPO neu).

    f) Entscheidungsmöglichkeiten des Revisionsgerichts

    Die Reaktionsmöglichkeiten des Revisionsgerichts bei Mängelnder Rechtsfolgenentscheidung wurden erweitert, um Zurück-verweisungen an die Vorinstanz wegen Fehlern zu vermeiden, dieohne neue Tatsachenfeststellungen unschwer in der Revisions-instanz hätten behoben werden können. Künftig kann dasRevisionsgericht bei einer fehlerhaften Entscheidung über dieRechtsfolgen bereits dann von einer Aufhebung des Urteils abse-hen, wenn die verhängte Rechtsfolge nach seiner Auffassungangemessen ist, oder es kann auf Antrag der Staatsanwaltschaftdie Rechtsfolgen angemessen herabsetzen (§ 354 Abs. 1a StPOneu). Damit kommt es anders als bisher auf die hypothetischeFrage, wie der Tatrichter bei zutreffender rechtlicher oder tatsäch-licher Bewertung entschieden hätte, nicht an. Das Revisions-gericht nimmt eine Ergebnis- und keine Kausalitätsüberprüfungvor.

    Für den Strafverteidiger stellt sich künftig – vor allem bei einemin Untersuchungshaft befindlichen Angeklagten – die Frage, ob erRevision einlegen soll, wenn die Strafzumessung rechtsfehlerhaft,die Strafe insgesamt aber angemessen ist. Auch bei fehlerhafterBildung der Gesamtstrafe kann eine neue zeit- und kosten-intensive Hauptverhandlung vermieden werden: Hebt das Revi-sionsgericht das Urteil nur wegen einer Gesetzesverletzung beiBildung einer Gesamtstrafe auf, kann dies mit der Maßgabegeschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidungüber die Gesamtstrafe im Beschlussweg nach §§ 460, 463 StPO zutreffen ist (§ 354 Abs. 1b StPO neu). Für den Angeklagten ist diesmit keinen Nachteilen verbunden, da er gegen den Beschluss überdie nachträgliche Gesamtstrafenbildung sofortige Beschwerde

    Neue Rechtsvorschr i f ten Schubert/Moebius, Das 1. Justizmodernisierungsgesetz

    7 Dazu Scharf/Kropp, NJ 2003, 459 f.

  • 437Neue Justiz 10/2004

    einlegen kann (§ 462 Abs. 3 StPO). Zu hoffen bleibt, dass dieRevisionsgerichte von den neuen Möglichkeiten zur Verfahrens-beschleunigung intensiv Gebrauch machen werden.

    g) Weitere Änderungen

    – Die Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft heißen künftig Ermitt-lungspersonen der Staatsanwaltschaft, um ihrer tatsächlichenBedeutung im Ermittlungsverfahren gerecht zu werden (§ 152GVG nF). Sie können auf Anordnung der Staatsanwaltschaft diebei einer Durchsuchung gefundenen Papiere einschließlich derDatenträger sichten, wobei die Anordnung fernmündlich odervorab erfolgen kann (§ 110 StPO nF).

    – Rechtslehrer an Fachhochschulen, die die Befähigung zum Richter-amt haben, können als Wahlverteidiger auftreten (§ 138 Abs. 1StPO nF).

    – Die Hinzuziehung eines Urkundsbeamten der Geschäftsstellein der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht ist nicht mehrzwingend. Der Strafrichter kann in der Hauptverhandlung vonder Hinzuziehung eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelleabsehen, wobei diese Entscheidung unanfechtbar ist (§ 226Abs. 2 StPO neu).

    – Zu beachten hat der Strafverteidiger künftig die Fristen für dieEinlegung von Berufung und Revision, wenn das Urteil in Abwe-senheit des Angeklagten verkündet worden ist. Ist ein mit beson-derer schriftlicher Vollmacht versehener Verteidiger bei derUrteilsverkündung anwesend, läuft die Rechtsmittelfrist bereitsab Verkündung (§§ 314 Abs. 2, 341 Abs. 2 StPO nF).

    Entsprechendes gilt im Ordnungswidrigkeitenverfahren: DieFrist für die Einlegung der Rechtsbeschwerde beginnt jetztbereits mit der Verkündung des Urteils, wenn der abwesendeBeschwerdeführer nach § 73 Abs. 3 OWiG bei der Verkündungdurch einen schriftlich bevollmächtigten Verteidiger vertretenwar (§ 79 Abs. 4 OWiG nF).

    – Bei der Besetzung der Bußgeldsenate der Oberlandesgerichte ist derEinzelrichter künftig die Regel, die Dreierbesetzung die Aus-nahme. In Verfahren über die Zulassung von Rechtsbeschwerdeist eine Übertragung auf die Kammer ausgeschlossen (§ 80aOWiG nF).

    h) Eintragungen in das Verkehrszentralregister

    Bislang begann bei Verkehrszuwiderhandlungen die Ablaufhem-mung bei strafgerichtlichen Entscheidungen mit dem Tag desersten Urteils und bei verwaltungsbehördlichen oder gericht-lichen Entscheidungen wegen Ordnungswidrigkeiten mit derBestandskraft des Bescheids bzw. der Rechtskraft der gericht-lichen Entscheidung zu laufen. Drei Monate nach Eintritt derTilgungsreife durfte eine Eintragung gelöscht werden (sog. Über-liegefrist). Hierdurch wurde sichergestellt, dass eine Eintragungnicht gelöscht wurde, obwohl vor Tilgungsreife bspw. ein straf-gerichtliches Urteil ergangen war. Damit konnte aber durch dieEinlegung eines Rechtsbehelfs der Beginn der Ablaufhemmungverzögert und die Löschung bisheriger Eintragungen bewirktwerden.

    Dem hat der Gesetzgeber mit der Änderung des § 29 StVG nuneinen Riegel vorgeschoben: Ab dem 1.2.2005 tritt die Ablauf-hemmung bereits dann ein, wenn eine neue Tat vor dem Ablaufder Tilgungsfrist für eine Eintragung begonnen wurde und biszum Ablauf der jetzt ein Jahr betragenden Überliegefrist zu einerweiteren Eintragung führt (§ 29 Abs. 6 Satz 2 und Abs. 7 StVG nF).Damit wird es bei Verkehrszuwiderhandlungen in Zukunft schwe-rer werden, durch die Einlegung von Rechtsbehelfen die Tilgungvon Eintragungen im Verkehrszentralregister zu erreichen.

    IV. Änderungen von VwGO, SGG und FGO

    Die geänderten Vorschriften der ZPO sind in den Verfahren vorden öffentlich-rechtlichen Fachgerichten zu beachten, soweit dieVerfahrensordnungen entsprechende Verweisungen enthalten(z.B. § 98 VwGO, § 118 SGG, § 82 FGO). Darüber hinaus enthältdas 1. JustizmodernisierungsG kleinere Änderungen in den jewei-ligen Prozessordnungen, die das Verfahren künftig vereinfachenund beschleunigen werden:

    – Die Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung in eine Rechtsmittel-begründungsfrist wurde wie im Zivilprozess von zwei Wochenauf einen Monat erhöht. Dies gilt für die Frist zur Begründungder Berufung, des Antrags auf Zulassung der Berufung, der Revi-sion, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Beschwerde imverwaltungsgerichtlichen Prozess (§ 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO nF)und für die Frist zur Begründung der Revision und der Nicht-zulassungsbeschwerde im finanzgerichtlichen Prozess (§ 56Abs. 2 Satz 1 FGO nF).

    – Im vorbereitenden Verfahren hat der Vorsitzende nunmehr auchüber noch offene PKH-Anträge eine Alleinentscheidungsbefugnis,wenn die Klage zurückgenommen, auf den Anspruch verzich-tet oder der Anspruch anerkannt wurde oder sich der Rechts-streit in der Hauptsache erledigt hat (zu den Einzelheiten siehe§ 87a Abs. 1 Nr. 2 u. 3 VwGO nF; § 79a Abs. 1 Nr. 2 u. 3 FGOnF; § 155 Abs. 2 Nr. 2 u. 3 SGG nF). Im verwaltungs- und imfinanzgerichtlichen Prozess erstreckt sich die Alleinentschei-dungsbefugnis jetzt auch auf die Beiladung (§ 87 a Abs. 1 Nr. 6VwGO nF; § 79a Abs. 1 Nr. 6 FGO nF).

    – Künftig gilt im verwaltungs- und finanzgerichtlichen Prozesseine Einwilligungsfiktion bei Klagerücknahme. Eine Klagerück-nahme setzt in bestimmten Fällen die Einwilligung des Beklag-ten voraus. Sie gilt nun als erteilt, wenn der Klagerücknahmenicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rück-nahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; dasGericht hat auf diese Folge hinzuweisen (§ 92 Abs. 1 Satz 3 VwGOneu; § 72 Abs. 1 Satz 3 FGO neu). Die Vorschriften werden damitan den Zivilprozess angeglichen (§ 269 Abs. 2 Satz 4 ZPO).

    – Ebenso wie im Zivilprozess wird auch im verwaltungs-und finanzgerichtlichen Verfahren die Erledigungserklärung desBeklagten fingiert, wenn der Beklagte der Erledigungserklärungdes Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellungdes die Erledigung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht under vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist (§ 161Abs. 2 Satz 2 VwGO neu; § 138 Abs. 3 FGO neu).

    Weitere Änderungen für den verwaltungsgerichtlichen Prozess:

    – Die Klage gilt künftig bereits dann als zurückgenommen, wennder Kläger trotz Aufforderung des Gerichts die Klage länger alszwei Monate (bisher: drei Monate) nicht betreibt (§ 92 Abs. 2Satz 1 VwGO nF).

    – Die Begründung für den Antrag auf Zulassung der Berufung istkünftig beim OVG und nicht wie bisher beim VG einzureichen(§ 124a Abs. 4 Satz 5 VwGO nF). Damit gilt endlich das gleichewie für die vom VG zugelassene Berufung, und eine in derPraxis häufige Fehlerquelle wird beseitigt.

    Weitere Änderungen für das sozialgerichtliche Verfahren:

    – Das SG kann den Verwaltungsakt und einen etwaigen Wider-spruchsbescheid aufheben, ohne in der Sache selbst zu ent-scheiden, wenn es eine weitere Sachaufklärung für erforderlichhält (§ 131 Abs. 5 SGG). Auf Antrag kann es bis zum Erlass desneuen Verwaltungsakts vorläufige Regelungen treffen. Voraus-setzung dafür ist aber, dass das Gericht eine Entscheidungbinnen sechs Monaten seit Eingang der Behördenakte trifft.

    Schubert/Moebius , Das 1 . Jus t izmodernis ie rungsgesetz

  • Neue Justiz 10/2004438

    V. Zusätzliche Aufgabenübertragung auf Rechtspfleger

    Das 1. JustizmodernisierungsG ordnet die Verteilung der Auf-gaben zwischen Richtern und Staatsanwälten auf der einen Seiteund Rechtspflegern auf der anderen Seite vollständig neu. Bereitsim Juni 2002 war den Ländern durch Gesetz die Möglichkeit ein-geräumt worden, Aufgaben des Rechtspflegers auf den Urkunds-beamten der Geschäftsstelle zu verlagern. Die hierbei im Rechts-pflegerbereich frei gewordenen personellen Kapazitäten könnenkünftig sinnvoll genutzt werden. Die jetzige Reform trägt derinzwischen erheblich verbesserten RechtspflegerausbildungRechnung und bezweckt, Personal effizienter einzusetzen, indemAufgaben in einer Hand gebündelt werden.

    Bei der Vollstreckung von Straf- und Bußgeldsachen obliegenkünftig mit einer Ausnahme alle Aufgaben dem Rechtspfleger.Insbesondere sind Rechtspfleger auch für Entscheidungen überden Aufschub oder die Unterbrechung einer Freiheitsstrafebei Krankheit des Verurteilten oder über die Anrechnung einesKrankenhausaufenthalts auf die Strafzeit zuständig. Zwar warenbislang auch schon die der Vollstreckungsbehörde in Straf- undBußgeldsachen obliegenden Geschäfte dem Rechtspfleger über-tragen (§ 31 Abs. 2 Satz 1 RPflG). Durch die sog. BegrenzungsVOwaren aber bestimmte Geschäfte von dieser Übertragung aus-genommen und dem Staatsanwalt vorbehalten (vgl. § 31 Abs. 2Satz 2 RPflG aF). Diese VO hebt das 1. JustizmodernisierungsGauf. Damit ist dem Staatsanwalt nur noch die Entscheidungnach § 114 JGG (Einweisung eines nach allgemeinem StrafrechtVerurteilten unter 24 Jahren in eine Jugendstrafanstalt) vorbe-halten.

    Die Länder werden durch eine Öffnungsklausel im RPflGermächtigt, durch Rechtsverordnung weitere, bisher den Richternvorbehaltene Aufgaben auf die Rechtspfleger zu übertragen. Siebetreffen insbesondere die Führung des Handelsregisters undNachlasssachen (§ 19 Abs. 1 RPflG neu) sowie die Geschäfte derAmtshilfe (§ 24b RPflG neu).

    VI. Fazit und Ausblick

    Das 1. JustizmodernisierungsG mag dem Vorwurf ausgesetzt sein,»kein schlüssiges Reformkonzept«8 erkennen zu lassen, »Flick-werk«9 und nicht mit der erforderlichen Ruhe entwickelt undverabschiedet worden zu sein. Möglicherweise wären längereStellungnahmefristen, eine breitere Diskussion im Vorfeld, evtl.auch die Einrichtung einer Expertenkommission ratsam gewesen.Letztlich ist aber der ganz überwiegende Teil der Regelungen nichtvöllig neu; viele waren Teil zurückliegender Entwürfe und sindschon vielfach diskutiert worden.

    Dieses Gesetz, das zahlreiche weitergehende Vorschläge – z.B.die grundsätzliche Bindung des Zivilgerichts an rechtskräftigeFeststellungen des Strafgerichts – nicht aufgreift, ist wegen deräußersten Belastung der Justiz bei äußerst angespannter Haus-haltslage wichtig und auch richtig. Der Gesetzgeber und dieJustizpolitik haben in dieser Situation, die sich in absehbarer Zeitnicht ändern wird, die Pflicht, die Ressourcen der Justiz effektivereinzusetzen. Dazu leistet dieses Gesetz einen hilfreichen Beitrag.

    Es werden aber weitere gesetzliche Änderungen folgen müssen.Auch bei den anstehenden Reformen, wie die gegenwärtig disku-tierten Veränderungen im Strafverfahrensrecht und die längstüberfällige Schaffung eines Jugendvollzugsgesetzes, müssen dieAuswirkungen auf die schon jetzt sehr knapp bemessenen Justiz-haushalte sorgsam bedacht werden. Selbstverständlich haben beiallen Gesetzesänderungen die Gewährung effektiven Rechtsschutzesund die Aufrechterhaltung der bewährten Rechtsstandards imVordergrund zu stehen. Reformen dürfen nicht auf Kosten derQualität des Rechtsschutzes durchgesetzt werden. Gleichwohl musses dem Gesetzgeber aber auch erlaubt sein, im Wege der Gesetzes-folgenabschätzung fiskalische Erwägungen anzustellen. Dasvorliegende Gesetzeswerk hält hier eine ausgewogene Balance.

    Aufsätze Schubert/Moebius , Das 1 . Jus t izmodernis ie rungsgesetz

    Die Entwicklung der Rechtsprechung zumSchmerzensgeldanspruch nach § 338 Abs. 3 ZGBProf. Dr. Ingo Fritsche, Fachhochschule für Rechtspflege Nordrhein-Westfalen

    Bei Gesundheitsschäden sah § 338 Abs. 3 ZGB/DDR einen Anspruchauf Zahlung eines angemessenen Ausgleichsbetrags für die Beeinträch-tigungen vor. Damit sollten die vom Geschädigten erlittenen immate-riellen Folgen ausgeglichen werden. Die Vorschrift wurde und wird nachdem Beitritt relativ oft angewendet, da eine Reihe von SchadensfällenLangzeitfolgen auslösen und die Verfahren durch Aufklärungsbedarf,Gutachtenerstellung und Instanzenweg einen längeren Zeitraum inAnspruch nehmen. Die Anwendung des § 338 Abs. 3 ZGB ist somiteinerseits durch ihre Funktionalität im Recht der DDR geprägt, anderer-seits ist eine Anpassung an die Fortentwicklung des Schadensersatz-rechts, einschließlich der Bemessungskriterien nach § 847 BGB bzw.§ 253 BGB festzustellen. Der Beitrag zeichnet diese Entwicklung nachund gibt Hinweise für die gegenwärtige Rechtsanwendung des § 338

    Abs. 3 ZGB. Eine Reihe von Fragestellungen betrifft auch die Geltend-machung von nach dem Beitritt entstandenen Schmerzensgeldan-sprüchen.

    I. Anwendungsbereich nach Übergangsrecht

    1. Grundsätze

    Für Schadensfälle, die bis zum 3.10.1990 im Gebiet der DDR ein-getreten sind, sind die Bestimmungen des DDR-Rechts anzuwen-den. Dies ergibt sich aus Art. 232 § 1 EGBGB1 und im Umkehr-

    1 Zu den Grenzen der Anwendung vgl. BGHZ 123, 65 (68) = NJ 1993, 556.

    8 Stellungnahme des DAV zum strafprozessualen Teil vom Okt. 2003.9 Vertreter der BRAK in der Anhörung des Rechtsausschusses des Bundestags

    am 12.11.2003.

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    schluss aus Art. 232 § 10 EGBGB, der die Anwendung der §§ 823bis 853 BGB auf unerlaubte Handlungen anordnet, die am Tag desWirksamwerdens des Beitritts oder danach begangen wurden.2

    Damit sind für die Voraussetzungen und Rechtsfolgen aus Scha-densfällen vor diesem Zeitpunkt die §§ 323 ff. ZGB maßgeblich.

    Die Frage, welche intertemporalen Abgrenzungskriterien demzugrunde zu legen sind, hat der BGH dahingehend beantwortet,dass die zur Erfüllung des Tatbestands notwendigen Handlungenmit dem Wirksamwerden des Beitritts vollendet sein mussten.Nicht erheblich ist es hingegen, wann der Schaden eingetretenist und wann der Geschädigte von den Handlungen und demSchaden Kenntnis erlangt hat.3 Schäden durch eine Folge vonHandlungen (z.B. unterlassene ärztliche Aufklärung und darauffolgende Behandlungsfehler) sind daher für die Rechtsanwen-dung nach dem Zeitpunkt zu beurteilen, an dem die einzelneHandlung abgeschlossen war, vorausgesetzt, es besteht einezurechenbare Kausalität zum entstandenen Schaden.4

    Im Hinblick auf die Frage, wie die Bestimmung nach demBeitritt durch die Gerichte anzuwenden und auszulegen ist, hatder BGH in mehreren Entscheidungen auf die Rechtspraxis derGerichte in der DDR verwiesen, gleichzeitig aber eine Anpassungder Betragshöhen nach den wirtschaftlichen Verhältnissen zumZeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im Beitrittsgebietfür erforderlich gehalten.5 Dies wirft zunächst die Frage nach derFunktionsbestimmung des § 338 Abs. 3 ZGB im Zivilrecht derDDR auf.

    2. Funktionen des § 338 Abs. 3 ZGB im DDR-Recht

    Als Grundlage für die Zuerkennung eines Ausgleichsbetrags fürimmaterielle Schäden wurde die Kompensationsfunktion gesehen.Es sollte erreicht werden, dass der Geschädigte sich für dieerlittenen Einbußen an Lebensqualität einen entsprechendenAusgleich – möglichst durch eigene Aktivität – schaffen kann.6

    Im Unterschied zu § 847 BGB wurde eine Genugtuungsfunktion desAusgleichs nicht für maßgeblich gehalten.7 Dies mag z.T. mitideologischen bzw. rechtspolitischen Vorbehalten gegen dieFunktionsbestimmung zu § 847 BGB im Zusammenhang gestan-den haben.8 Jedoch wurde die Genugtuungsfunktion aufgrundihrer kaum möglichen Objektivierbarkeit auch als hinderlich füreine anzustrebende Vereinheitlichung der Bemessungsgrundsätzebetrachtet.9

    Anspruchsgrundlage für § 338 Abs. 3 ZGB war die Entstehungeines Schadenersatzanspruchs. Im Unterschied zu § 847 Abs. 1BGB nach der Rechtslage bis zum 2. Ges. zur Änderung schadens-ersatzrechtlicher Vorschriften v. 19.7.2002 konnte somit einAusgleichsanspruch auch in den Fällen der erweiterten Verant-wortlichkeit nach §§ 343 bis 347 ZGB (Gefährdungshaftung),d.h. unabhängig von Pflichtverletzung und Verschulden desSchadensverursachers entstehen. Aufgrund der Vereinheitlichungder schadensersatzrechtlichen Grundlagen von vertraglicher undaußervertraglicher Verantwortlichkeit (§ 93 ZGB) kam derAusgleichsanspruch auch bei der Schadenszufügung durch dieVerletzung von Vertragspflichten zum Tragen.10

    Die Nichtberücksichtigung der Genugtuungsfunktion hat nachdem Beitritt zu Angriffen auf die Verfassungskonformität derRegelung geführt, die der BGH aber zurückwies. In seiner Entschei-dung v. 22.6.1993 stellte der VI. Zivilsenat u.a. fest, dass zwarbestimmte Bemessungskriterien gegenüber dem § 847 Abs. 1 BGBin § 338 Abs. 3 ZGB keine Berücksichtigung finden (insbes.Genugtuung, Verschulden, wirtschaftliche Verhältnisse von Schä-diger und Geschädigtem). In der Kernfunktion, der Gewährungeines angemessenen Ausgleichs für die erlittenen immateriellen

    Nachteile, bleibe aber der Umfang der zu berücksichtigendenFolgen der Schädigung »allenfalls in Randbereichen« hinter demUmfang des Nichtvermögensschadens nach § 847 Abs. 1 BGBzurück. Somit würden keine Defizite im Schutzzweck des § 338Abs. 3 ZGB auftreten, die verfassungsrechtliche Bedenken recht-fertigen könnten.11

    3. Rechtslage nach dem Beitritt bis zum 31.7.2002

    Die Weitergeltung des § 338 Abs. 3 ZGB führte im Bereich desSchmerzensgeldausgleichs zunächst zu einer partiell unter-schiedlichen Rechtslage zwischen den neuen und den altenBundesländern. Diese ergab sich einmal aus den o.g. unterschied-lichen Funktionsbestimmungen, die notwendigerweise – trotzvorgesehener Anpassung – zu einer differenzierten Bemessungs-höhe führen mussten. Bedeutsamer war, dass der Anwendungs-bereich des § 847 BGB sich nur auf unerlaubte HandlungeniSd § 823 BGB erstreckte. Unanwendbar war die Vorschriftdaher auf Haftpflichtschäden aus der Gefährdungshaftung(HaftpflichtG, StVG, LuftVG, Eisenbahn-VO, ProdHaftG) sowieauf die vertragliche Verantwortlichkeit.12 Eine analoge Anwendungwurde wegen des Ausnahmecharakters der Vorschrif