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Unabhängiges Magazin Perspektiven der Perspektiven der Globalisierung Globalisierung http://afa.at/globalview Nr. II/2004 / 3.- Euro Corporate Social Responsibility Enttäuschende EU? OMV-Global Österreich Ö S T E R R E I C H I S C H E LIGA F ¢ R D I E VEREINTEN NATIONEN AKADEMISCHES F O R U M F¢R A U S S E N P O L I T I K

Nr. II/2004 / 3.- Euro Perspektiven der …afa.at/globalview/2004-II.pdf · 2010-09-11 · en Eingriff in ihre wirtschaftliche Handlungsfreiheit und machten bei der Reagan-Regierung

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Unabhängiges Magazin

Perspektiven der Perspektiven der GlobalisierungGlobalisierung

http://afa.at/globalviewNr. II/2004 / 3.- Euro

CorporateSocialResponsibility

EnttäuschendeEU?

OMV-GlobalÖsterreich

Ö S T E R R E I C H I S C H E L I G A F ¢ R D I E V E R E I N T E N N A T I O N E NA K A D E M I S C H E S F O R U M F ¢ R A U S S E N P O L I T I K

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II/20042

Der Terminus "Globalisierung" tauchte 1961 zum ersten Mal in einem englischsprachigenLexikon auf. Seit den 80er Jahren wurde Globalisierung allerdings zu einem Kernbegriffeder wissenschaftlichen und politischen Diskussion, der einschneidende Veränderungen inder Welt wiedergeben soll. Globalisierung beschreibt keinen Endzustand, sondern einenProzess, in dessen Verlauf der Umfang und die Intensität nationale Grenzen überschrei-tender Verkehrs-, Kommunikations- und Austauschbeziehungen rasch zunimmt.

Die trennende Bedeutung nationalstaatlicher Grenzen wird unterspült: die Wirkungengrenzüberschreitender ökonomischer, sozialer und politischer Aktivitäten für nationaleGesellschaften verstärken sich, viele Probleme laufen quer zu den territorialen Grenzen,immer mehr Ereignisse werden weltweit gleichzeitig wahrgenommen und wirken sich mitzunehmend kürzeren Verzögerungen an unterschiedlichsten Orten der Welt aus. Damit

verändern sich auch die Anforderungen an und das Verständnis von Politik*.

Das Anliegen dieser Ausgabe ist es daher, einen kleinen Einblick in die Dimensionen von Globalisierungzu geben und mögliche Handlungsweisen vorzustellen, die dabei behilflich sein könnten, Globalisierungzu gestalten. Vordergründig wird zu diesem Zweck die Initiative Kofi Annans, genannt "Global Compact",vorgestellt, welche eine Einbindung von Unternehmen in die globale Politik aufgrund neun einzuhaltenderPrinzipien unterstützt. Eng verwandt mit diesem Begriff ist auch jener der "Corporate Social Responsibili-ty". Abseits der Globalisierungsthematik werden auch brisante Themen der internationalen Politik behan-delt wie z.B. die neue Außenpolitik Spaniens oder die Rolle der Hamas für die Palästinenser.

Interessante Einblicke wünscht Ihnen

*) (vgl. Stiftung Entwicklung und Frieden (Hg):Globale Trends 2000. Fakten- Analysen -Prognosen. Fischer Taschenbuch. Frankfurt1999. S. 50)

Angelika Reichspfarrer

Chefredakteurin

Liebe Leserinnen und Leser!

EDITORIALEDITORIAL

(Angelika Reichspfarrer)

Herausgeber: Österreichische Liga für die Vereinten Nationen und Akademisches Forum für AußenpolitikEigentümer und Verleger (100%): Akademisches Forum für Außenpolitik – Österreich, Hochschulliga für dieVereinten Nationen (AFA)

Sitz/Redaktion: A-1010 Wien, Johannesgasse 2/2/32, Tel./Fax: +43/1/512 85 21, E-Mail: [email protected],Webpage: http://afa.at/globalview; Bankverbindung: Erste Bank, BLZ 20111, Kto.-Nr.: 31002405788

Unternehmer : unabhängiger, eingetragener Verein / Vorstand vertreten durch Michael F. Pfeifer (Präsident)

Chefredakteurin: Angelika Reichspfarrer

Redaktionsteam: Mag. Dr. Philip Bittner, Mag. Wolfgang Braumandl, Mag. Claudia Fabrizy, Franz JosefGangelmayer, Klaus H. Iro, Dr. Ulrike Haider, Roswitha Kremser, Mag. Ilaria Palieri, Mag. Astrid Pircher, SipanA. S. Sedeek, Martin A. Stradal, Stephan J. Wabl, Mag. Michael W. Waibel, Mag. Christian Wlaschütz

Layout: Franz Josef Gangelmayer

Nicht gekennzeichnete Bilder: Redaktion

Offenlegung der Blattlinie gem. § 25 Abs. 4 Mediengesetz:Das GLOBAL VIEW ist das unabhängige und überparteiliche Magazin der Österreichischen Liga für dieVereinten Nationen und des Akademischen Forums für Außenpolitik (AFA) und versteht sich als Informations-und Diskussionsplattform zu außen- und weltpolitischen Themen. Der Inhalt stellt die Meinung der jeweiligenAutoren dar und deckt sich nicht notwendigerweise mit der Meinung der Liga oder des AFA. Die Redaktionbehält sich etwaige Kürzungen von eingesandten Manuskripten vor.

I M P R E S S U M - O F F E N L E G U N G

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Themenschwerpunkt:? Klaus H. Iro Der Weg zu einer neuen Partnerschaft -

Vorgeschichte des Global Compact..........................................

? Mag. Martin Naegele Global Governance: Global Compact as Touchstone for Reforming the System of International Governance.................

? Walter Saurer CSR - Corporate Social Responsibility.....................................

?? Mag. Knut Rakus Globalisierung und Krise...........................................................

? Mag. Christian Wlaschütz Brutto-National-Glück - Entwicklungskonzept Bhutans.............

? Bettina T. Kölbl Frauen und Globalisierung........................................................

Vereinte Nationen - Wissenswertes:? Herwig Striessnig Die neun Prinzipien des Global Compact.................................

Internationales:

? Mag. Arthur Stadler Wohin geht Spaniens Außenpolitik...........................................

? Angelika Reichspfarrer „Hamas: Fundamentalisten, radikale Nationalisten oder demokratische Oppositionelle“ - Analyse von Prof. Dr. Helga Baumgarten.................................

Europäische Union:? Dr. Philipp J. Marboe Is it the Thankless Fate of the EU to Disappoint........................

Austria:? Angelika Reichspfarrer Interview mit Mag. Simone Alaya:

Die OMV als Global Compact Partner......................................

Studium:? Christine Rödlach About Erasmus, Leonardo and Other Guys -

The EU’s Education Policy at a Glance.....................................

Kultur, Portrait:? Mag. Barbara M. Schildknecht Stolz und Leidenschaft im Herzen Arabiens.............................

Rezension:? Klaus H. Iro „Suche nach dem Unauffindbaren“ -

Hans Blix und die Waffeninspektion im Irak.............................

Veranstaltungen............................................................................................................................

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Inhaltsverzeichnis

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Waren die Vereinten Nationenals Organisation für Friedenund Sicherheit gegründet wor-den, so erkannte man bald nachUnterzeichnung der Charta,dass die Stabilität der interna-tionalen Nachkriegsordnungnicht allein durch politischeMittel garantiert werden konnte.

Der "ökonomische Faktor" trat im Zuge der Entkolo-nialisierung in den 50er Jahren, der damit einherge-henden exponierten Lage der ehemaligen Kolonienin der Weltwirtschaft und angesichts der raschanwachsenden Zahl von UNO-Mitgliedern aus der"Dritten Welt" zunehmend in den Vordergrund derArbeit der Weltorganisation. Die bescheidenen Er-folge der ersten UN-Entwicklungsdekade in den60er Jahren machten deutlich, dass diewirtschaftliche Entwicklung nicht allein durch dasEngagement der Staaten erzielt werden konnte. Inden 70er Jahren brachten die sogenannten "En-twicklungsländer" die Diskussion über eine "NeueWeltwirtschaftsordnung" in die Debatten der Gener-alversammlung ein, womit sich das weltweit größte,politische Forum zu einer Bühne für eine neue glob-ale Wirtschaftsordnungspolitik entwickelte. Mit derGründung der Commission on Transnational Corpo-rations (CTC) wurde auch der wachsenden Bedeu-tung privater Wirtschaftsakteure - vor allem dermultinationalen Unternehmen - und deren Investi-tionsentscheidungen in der EntwicklungsdiskussionRechnung getragen. Die CTC wurde als Arbeits-gruppe des Wirtschafts- und Sozialrates (ECOSOC)mit dem Auftrag eingerichtet, Regeln für das Verhal-ten von Konzernen in ihrem wirtschaftlichen Han-deln auszuarbeiten. In der Mitte der 80er Jahre legtedie CTC den UN Code of Conduct on TransnationalCorporations vor, der die soziale Verantwortung un-ternehmerischer Tätigkeit durch feste Prinzipien zunormieren versuchte. Elemente dieses später auchUN Guidelines for Transnational Investment genan-nten Programms waren die Unantastbarkeit derSouveränität der Gastländer, die Einhaltung der in-ternationalen Menschenrechte, Arbeitnehmer-schutz- und Umweltschutzabkommen sowie dieGarantie eines offenen und fairen Wettbewerbszwischen den einzelnen Unternehmen.

Insbesondere die US-amerikanischen Konzerne be-fürchteten mit dem Code of Conduct einen massiv-en Eingriff in ihre wirtschaftliche Handlungsfreiheitund machten bei der Reagan-Regierung gegen denEntwurf mobil.

Nachdem 1992 Boutros-Ghali zum neuen Gener-alsekretär gewählt wurde, stellte dieser die Arbeitder CTC ein und löste die Kommission auf. Kritikersahen darin ein Zugeständnis des Generalsekretärsan die USA aufgrund der prekären Finanzsituationder Organisation.

Die Konzernleitungen beschlossen nunmehr selbstaktiv zu werden und versuchten im Rahmen derWeltkonferenzen der 90er Jahre für ihre InteressenEinfluss zu gewinnen, was ihnen teilweise auchgelang. 1998, ein Jahr nach seiner Wahl zum Gen-eralsekretär, rief Kofi Annan beim Weltwirtschaftsfo-rum in Davos zu einer neuen Zusammenarbeit zwis-chen UNO und Privatwirtschaft auf, um die globaleEntwicklungsarbeit neu zu gestalten, diesmal aberim Gegensatz zur CTC unter Miteinbeziehung derUnternehmen: Das unter dem Namen Global Com-pact eingerichtete Netzwerk zwischen Firmen undden Vereinten Nationen war geboren und sollte - wieAnnan es formulierte - der "Globalisierung ein men-schliches Antlitz verleihen". Von Seiten global-isierungskritischer Gruppen kam massive Kritik amGlobal Compact als eine Möglichkeit für transna-tionale Konzerne, sich durch die UNO reinwaschenzu können. Ob dies der Fall ist, bleibt abzuwarten,aber ein Versuch, ökonomische Entwicklung neuund vielleicht besser zu gestalten, ist der GlobalCompact allemal.

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THEMENSCHWERPUNKTTHEMENSCHWERPUNKT

Der Weg zu einer neuen Partnerschaft - Zur Vorgeschichte des Global Compact

Weiterführende Literatur

Homepage des Global Compact Netzwerks:http://www.unglobalcompact.org

Homepage des Global Policy Forum, einer privaten Einrichtung, die die Arbeit der UNO verfolgt, und in-teressante Berichte und Artikel zur Verfügung stellt.http://www.globalpolicy.org

James A. Paul: Der Weg zum Global Compact - ZurAnnäherung von UNO und multinationalen Un-ternehmen; in: Brühl et al.: Die Privatisierung derWeltpolitik; Stiftung Entwicklung und Frieden, Bonn2001

AI/DGB: Global Compact = Globales Wirtschaften +Globale Verantwortung; Juli 2003: Ein gemeinsamerBand von amnesty international und dem DeutschenGewerkschaftsbund über den Global Compact

Global Governance: wissenschaftliche Zeitschriftspeziell für Fragen über Governance-Strukturen undOrdnungspolitik

Klaus H. Iro

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The process of globalization has unleashed thepowers of market economy and technology in anunprecedented and at least partially irreversiblemanner requiring us to think beyond searchingto merely adjust traditional institutions to a newinternational environment.

In order to sustainable promote democracy andprosperity on a worldwide scale it is indispensable todevelop a framework of global governance capableof preventing market failures and fostering participa-tory decision- making. Global Compact (GC) has been designed to act asharbinger of global governance. Being the foremostinternational body specifically created to meet thechallenges of globalization, the initiative presents arevolutionary approach to reform the internationalpolitical and economic system. Transcending tradi-tional international policy- making, the project rede-fines governance as decision- making by means ofa multi- layered network of political, economic andsocial actors.

However, Global Compact can only be considered afirst step on the way to transform the intergovern-mental United Nations into a multi- stakeholder plat-form, bringing together regional, national and supra-national governments, international labor, financialand trade organizations as well as businesses andcivil society organizations (CSOs). Ultimately, suc-cessful implementation of the new system of globalgovernance (Governance meaning the way in whichcommon affairs are organized. Global in the senseof transnational, with regional, national as well as in-ternational implications.) will be depending on rein-

vigorating transparency, accounta-bility and democracy throughoutinternational decision- making pro-cedures.

The case for Global Compact

The impetus behind the arguablymost innovative reinvention of theUnited Nations has clearly beenthe fact that global social progressand human rights have not developed as success-fully as has economic and financial globalization. In-deed, the deepening gap between the economic andthe human side of globalization is threatening thesystem of international governance as a whole.While an ever looser regulatory framework has al-lowed markets to grow internationally, the same isnot true for the social component. Yet, a sustainablesystem requires a balanced development of both thesocial and the business pillar. The UN felt that its po-sition as beacon of the international system calledfor a concerted effort to meet the challenges of the21st century. As a result, the GC has been designedin order to promote the integration of the social, po-litical and economic aspects of globalization andthus to consolidate the United Nation's leadership inglobal governance.

Redefining sovereignty

As domestic and international politics are no longerseparable, the traditional notions of national interestand state sovereignty have to be redefined. Be it en-vironmental, social or economic legislation, increas-ingly national policy choices directly or indirectly af-fect neighboring countries as well as the most re-mote corners of the globe. Consequently, the collec-tive interest of humankind turns out to be the total ofnational interests and vice versa. Since its inceptionthe UN has been acting as an intergovernmental or-ganization (IGO), authorized by the consensus ofsovereign governments. Therefore, the United Na-tions like most governmental bodies legislates andregulates within the scope of its mandate. However,the GC is seriously calling into question the tradi-tional conception of international relations based onstate sovereignty.

Multi- stakeholder network

Indeed, the Global Compact will neither be a regula-tor nor a legislator. Even though it eventually mightincorporate legislative and regulative functions, theproject aims far beyond a traditional comprehensionof government. In essence, the GC is a partnershipor network rather than an IGO, albeit its being inter-twined with the intergovernmental structure of theUN. By integrating manifold public, business andcivil society stakeholders the initiative presents theGlobal Compact Logo

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Global Governance: Global Compact as Touchstonefor Reforming the System of International Governance

TOPICTOPIC

Mag. Martin Naegele

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first example of a truly global public- private partner-ship. As a result, governance of the Global Compactwill be shared by a diversity of participating govern-ments, UN agencies, labor organizations, businessand CSOs. Pivotal in this respect is the fact that be-ing a voluntary initiative the project does not rely onUN funding.

Promoter of global governance

At the heart of Kofi An-nans legacy the GlobalCompact has calledfor establishing a mul-ti- stakeholder platformwith governments,businesses, labor andcivil society actors inorder to identify corpo-rate social responsibil-ity as means to resolv-ing the social dilemmathat has arisen withglobalization. In a firststep the GC applies alearning approach to

identify best corporate practices when human rights,labor and environmental issues from the local to theinternational level are at stake. Secondly, the initia-tive fosters dialogues between its stakeholders totackle central policy dilemmas, for instance laborstandards within international corporations. Thirdly,Global Compact is intended to support developmentby means of partnership projects.Yet, the general focus of the GC is broader. The un-derlying objective is not to add yet another agency tothe already high number of UN bodies. Rather, Glob-al Compact has to be seen as an experiment to es-tablish a "trisectoral network" (The Trilateral Com-mission: "Democracy Deficit" in the Global Econo-my; Task Force Report # 57, 2003) by integratingpublic, civil society and corporate governance. Pro-

vided Annans legacy endures, the initiative will onlybe the first step in doing away with traditional inter-governmental governance. It would then be the ad-vent of the first integrated instrument of global gov-ernance.

The future of global governance

In the long run, however, the impact of the GC andthus the future of the UN will decisively depend onlegitimacy. Hitherto, the United Nations has drawntheir legitimization from its Member States, specifi-cally from democracies. As the legitimizing functionof the nation state is decreasing the future challengefor the UN will be to develop pragmatic strategies inorder to increase its democratic accountability. Yet,democratic rules and procedures that fit into theframe of nation- states can not simply be applied in-ternationally. Indeed, an international system ofdemocratic governance needs flexible and decen-tralized legal and institutional structures to pave theway for accountable democratic global governance.Obviously, the United Nations, and more specificallythe GC, have yet way to go.

The Global Compact by virtue of its nature as a mul-ti- stakeholder platform enjoys an important sourceof democratic legitimization by means of inclusion ofCSOs and is hence predestined to serve as rolemodel for the reform of international organizations.In terms of transparency and direct accountabilitythe GC -as well as pretty much every other interna-tional body- still presents significant potential for im-provement.

TOPICTOPIC

Mag. Martin Naegelechumpeter fellow at Harvard Kennedy School of Gov-ernment; currently working on national governance re-form with UNDP in Bishkek, Kyrgyz Republic

[email protected]

Eine Initiative der Industriellenvereinigung, Wirtschaftskammer Österreich und Bundesministeriumfür Wirtschaft und Arbeit

Nähere Informationen und über 160 praktische CSR-Beispiele unter: http://www.csr-austria.at

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CSR: Was ist das?

Der Begriff CSR, ins Deutsche meistens über-setzt mit "Gesellschaftliche Verantwortung vonUnternehmen", hat seit dem Start der Initiative"CSR-Austria" von Industriellenvereinigung,Wirtschaftskammer und Wirtschaftsministeriumim Jahr 2002 einen starken Aufschwung in deröffentlichen Diskussion erlebt.

CSR versteht sich als strategisch und langfristig ori-entiertes Managementkonzept mit dem Ziel, durchneue, innovative Lösungsansätze auf Un-ternehmensebene zur Bewältigung aktuellergesellschaftlicher Probleme beizutragen. Erreichtwerden soll dies durch Aktivitäten, die sowohl derGesellschaft als auch deneinzelnen teilnehmendenUnternehmen einen Nutzenbringen. Die Teilnahmebasiert auf Freiwilligkeit undkann daher als komplemen-tär zu gesetzlichenRegelungen gesehen wer-den. Die Initiative "CSR-Austria" ist von der Zielset-zung her dem "Global Com-pact" der Vereinten Natio-nen ähnlich, wobei ersterespeziell für Österreich en-twickelt wurde und de-mentsprechend wesentlichstärker verbreitet ist.

Ein kurzer wissenschaft-licher Überblick

Sowohl in der Praxis als auch in der wis-senschaftlichen Literatur gibt es keine einheitlicheDefinition und Abgrenzung des CSR-Ansatzes, je-doch überschneiden sich die meisten Definitionengroßteils. Einen guten Überblick bietet MartinaWegner: Sie verwendet CSR als übergeordnetenBegriff für Unternehmerische Verantwortung/Aktiv-itäten die sie in zwei Bereiche einteilt:Erstens: CSR-Aktivitäten, die die Beziehung einzel-ner Unternehmen und der Gesellschaft betreffen(Corporate Citizenship = das Unternehmen alsguter Bürger); Hierbei können verschiedene Aus-prägungen unterschieden werden, von einzelnenkaritativen Spenden, über Sponsoring, CorporateVolunteering (kostenlose Zurverfügungstellung vonbetrieblichem Know-how etwa in der Entsendungvon Mitarbeitern) bis hin zu PPPs (Private PublicPartnerships: Kooperationen gleichberechtigterPartner aus Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Politikzur Erfüllung eines gemeinsamen Zieles).Zweitens: CSR-Aktivitäten, die die un-ternehmensinterne Perspektive betreffen, wie Wis-sensmanagement, Qualitätsmanagement, Verhal-tenskodex (Code of Conduct) etc... Über die

Darstellung von Martina Wegnerhinausgehend werden hier häufignoch eine Vielzahl von Maßnah-men zugeordnet, die für die Qual-ität der betrieblichen Leistungser-stellung bedeutend sind (u.a.:Sicherung eines qualifizierten undmotivierten Personals durch dasAnbieten von Fortbildungspro-grammen, Lösungsmodellen fürdie Vereinbarkeit von Berufs- undPrivatleben usw...).Die Summe dieser CSR-Aktivitäten mündet in dasKonzept der Nachhaltigen Entwicklung, in dem eineIntegration und Stärkung der drei Säulen Ökonomie,Umwelt und Soziales angestrebt wird.

CSR: Warum eigentlich?

Welchen Sinn macht es für die Wirtschaft, sich mitgesellschaftlichen Problemen zu beschäftigen? Sollsie das überhaupt? Während der bekannte ÖkonomMilton Friedman im Jahre 1970 noch folgender-maßen zitiert wurde: "The social responsibility ofbusiness is to increase profits" (Friedman, New YorkTimes, 1970) hat sich im Laufe der Zeit nicht nur dieWelt sondern auch die Ansichten der Akteure derWirtschaftswelt weiterentwickelt. So beispielsweisedie Antwort darauf von Mintzberg: "Decisions oflarge organizations inevitably involve social as wellas economic consequences, (...) that is what ren-ders the arguments of Friedman, and his echoesfrom the left, so utterly false. The neat distinction be-tween private economic goals and public socialgoals - the one to be pursued by businessmen, theother by elected leaders - which sounds so good intheory, simply does not hold up in reality…In otherwords, there is no such thing as purely economicstrategic decision in big business. Every one is alsosocial." (Mintzberg H., "The case for corporate so-cial responsibility", Journal of Business Strategy,1999) George Soros, einer der weltweit bekan-

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CSR - Corporate Social Responsibility

THEMENSCHWERPUNKTTHEMENSCHWERPUNKT

Walter Saurer

Das CSR-Modell im wissenschaftlichen Überblick

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ntesten Börsenanleger und entschiedener Befür-worter der Globalisierung warnt jedoch davor, dassdiese, sollte sie nicht sozial verträglich gestaltet wer-den, die Weltwirtschaft über kurz oder lang zum Kol-labieren bringen könne. So gibt er für die immergrößer werdende Kluft zwischen armen und reichenLändern (1% der Weltbevölkerung hat so vielEinkommen wie die ärmsten 57% zusammen) nichtder Globalisierung die Schuld, jedoch kritisiert er,dass diese auch nichts zur Verbesserung beigetra-gen habe. (Soros George, "Der Globalisierungs-Re-port. Weltwirtschaft auf dem Prüfstand", A. Fest Ver-lag, Berlin 2002) Der renommierte Zukunftsforsch-er Matthias Horx argumentiert, dass spätestens mitden Terroranschlägen vom 11. September derWeltöffentlichkeit vor Augen geführt wurde, dass et-wa 30 Länder von der Entwicklung des globalenWohlstandes abgekoppelt sind. Diese Bedrohungzu meistern gelingt seiner Meinung nach nur, indemes zu einer Globalisierungsallianz zwischen Staat,Wirtschaft und Gesellschaft kommt. Nachhaltigkeitsieht er in diesem Sinne losgelöst von auss-chließlich ethischem Engagement als Konfliktbe-friedungsstrategie. (Horx Matthias, "Die Neue Nach-haltigkeit", corporAID- Magazin für Wirtschaft undglobale Armutsbekämpfung, Wien, 12.03) Überdiesen mittelbaren Nutzen von CSR-Aktivitäten hin-ausgehend führt die Industriellenvereinigung nocheine Reihe weiterer, unmittelbarer Vorteile für Un-ternehmen an wie beispiel-sweise Vorteile im Wettbewerbum die besten Mitarbeiter,langfristige Bindung und Moti-vation der Mitarbeiter, höheresVertrauen und besseres Imagebei den Konsumenten sowieeine Erhöhung der Wert-steigerung und Sicherheit fürInvestoren, Eigentümer undAktionäre. ("Diegesellschaftliche Verantwor-tung von Unternehmen -Nutzen & Maßnahmen", Folderder Initiative "CSR Austria")

CSR in der Praxis

Die eingangs bereits erwähnte Initiative "CSR Aus-tria" wurde im Jahr 2002 von Industriellenvereini-gung, Wirtschaftsministerium und Wirtschaftskam-mer mit dem Ziel ins Leben gerufen, mittels Dialogzwischen Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft Un-ternehmen zu motivieren verstärkt gesellschaftlicheVerantwortung zu übernehmen und die in diesemGebiet bereits erbrachten Leistungen auch stärkerzu kommunizieren. Dahinter steht die Grundan-nahme, dass Unternehmen nicht in einemgesellschaftspolitischen Vakuum agieren, sonderndass eine gut funktionierende Wirtschaft unmittelbarauf eine intakte Gesellschaft angewiesen ist.In diesem Sinne wurde heuer erstmals der Trigos-Preis verliehen, eine Initiative von Caritas,Wirtschaftskammer, Rotem Kreuz, Industriellenvere-inigung, SOS Kinderdorf, WWF und Humans World.Ausgezeichnet wurden Betriebe die Projekte

starteten die dem CSR Gedanken Rechnung tragen.(http://www.trigos.at)

Im Rahmen des CSR-Kongresses an der WU-Wienwurden unter dem Titel "Wenn alle gewinnen" erfol-greiche Partnerschaften zwischen Unternehmenund Nonprofit Organisationen vorgestellt: Vöslauer /Privatstiftung für Brustgesundheit (Bewusstseinsbildund Social Sponsoring), Billa / Global 2000 (Produk-tentwicklung), Bau Max / Lebenshilfe Graz (Integra-tion und Organisationsentwicklung), IBM / Österre-ichische Schule (Mentoring-Personalentwicklung);(http://www.weiterbildungszentrum.com/pics/Folder-Druckformat.pdf)

Ab Herbst ist der Start des bundesweiten Projektes"Brückenschlag" geplant, bei dem Mitarbeitern undFührungskräften aus Unternehmen und NonprofitOrganisationen die Möglichkeit geboten wird füreinen bestimmten Zeitraum den Arbeitsplatz zuwechseln, um so neue Perspektiven kennen zu ler-nen. Ziel ist es, von der anderen Seite zu lernen, umneue Erkenntnisse für den eigenen Job zu gewin-nen und das gegenseitige Vertrauen zu stärken.DesWeiteren wurde vor kurzem die "Austrian BusinessAcadamy for Sustainable Development" ins Lebengerufen, die interessierten Unternehmen und Or-ganisationen praxisorientiertes Know-How im CSR-Bereich anbietet. (http://www.asd.at)

THEMENSCHWERPUNKTTHEMENSCHWERPUNKT

Die Sieger der Trigos-Preisverleihung: Philips Austria,Omicron Electronics, Brainbows Informationsmanage-ment, Eybl International, Dynea Austria, Trachten-Damenmode Prachatz, VA Tech hydro, Gugler Print &Media, Verpackungszentrum Graz

LINKShttp://www.csr-austria.atInitiative von IV, Wirtschaftsministerium, WKÖ

http://www.abcsd.atAustrian Business Council for Sustainable Devel-opment

http://europa.eu.int/comm/employment_so-cial/soc-dial/csr/csr_index.htmEuropäische Union

http://www.icep.atInstitut zur Kooperation bei Entwicklungsprojekten

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Globalisierung und Krise, zwei Begriffe die mit-tlerweile scheinbar untrennbar miteinanderverbunden sind. Definitionen der beidenPhänomene gibt es viele und auch über den"Beginn" oder die "Wurzeln" der Global-isierung wurde bisher viel geschrieben. Dochseit wann sind diese beiden Begriffe engmiteinander verbunden? Und ist die Weltheutzutage sicher vor wiederkehrendenKrisen?

In diesem Artikel wird der Beginn der Überproduk-tionskrise 1825 als Startpunkt für die Betrachtungdes Verhältnisses Globalisierung-Krise genom-men. Wir blicken also zurück auf fast 180 Jahrewirtschaftlicher Krisengeschichte.Von Englandausgehend schwappte die Überproduktionskriseauf alle damals weltwirtschaftlich bedeutsamenLänder über und bescherte der wirtschaftlichenEntwicklung das ganze 19. Jahrhundert über inregelmäßigen Abständen (1825, 1857, 1866,1889) Rückschläge.

Der Übergang vom Kapitalismus der freienKonkurrenz zum Imperialismus am Beginn des 20.Jahrhunderts bescherte immer kürzere Abständezwischen Krisen (1900, 1907) und kulminierteschließlich in der Weltwirtschaftkrise von 1929/32-33. Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs wurde,mit dem Blick auf die Krise 1930er Jahre, mit derErrichtung einer Weltwirtschaftsordnung begonnendie eine neuerliche Wiederholung verhindernsollte.Zwei Namen seien hier genannt: Harry DexterWhite, USA, und bedeutsamer noch, John Mey-nard Keynes aus Großbritaninnien. Keynes Sys-tem für eine Weltwirtschaftsordnung sollte auf 4Säulen ruhen und sah die Gründung mehrerer In-stitutionen vor:

Als erste Säule sah Keynes die Gründung einerWeltzentralbank vor, die globales makroökonomis-ches Geld und Finanz Management betreiben, fürVollbeschäftigung sorgen und die Verteilung dervon Keynes erdachten Weltwährung "Bancor"übernehmen sollte. Keynes Idee für die zweite Säule war die einesEuropäischen Wiederaufbaufonds - für die Fi-nanzierung des Wiederaufbaus von Europa nachdem Krieg. Die dritte Säule war die International Trade Or-ganisation (ITO). Keynes Idee der Einführung ein-er Weltwährung die auf einem Warenkorb von 30Rohstoffpreisen, inklusive Gold und Öl, basierteund sein "buffer stocks" Ansatz zur Stabilisierungder Rohstoffpreise fallen hier herein. Der dahinterliegende Gedanke war es, einen Kollaps derRohstoffpreise zu verhindern, der, laut Keynes,eine große Rolle in der Depression der 1930erJahre gespielt hatte.

Die vierte Säule war als "softaid" Programm gedacht, dasmehr mit den UN verbunden seinsollte als die anderen Säulen,wurde doch zu dieser Zeit nochvon einer engeren Bindung derneuen Institutionen derWeltwirtschaftsordnung an dieUNO ausgegangen.Was blieb nach der Konferenzvon Bretton Woods 1944 vonKeynes Vision? Wenig bis garnichts. Aus der erdachten Weltzentralbank wurdeunter Negierung von wesentlichen AnsätzenKeynes´ und auf Druck der US-amerikanischenSeite, der Internationale Währungsfond. Der Eu-ropäischen Wiederaufbaufonds wurde zur heuti-gen Internationalen Bank für Wiederaufbau undEntwicklung (IBRD, vulgo Weltbank) umgebaut.Die größte Lücke im Vergleich zu dem von Keynesanvisierten System ist zweifellos das Fehlen derITO.

Die Stabilisierung der Rohstoffpreise, Kernpunktdes Systems zur Krisenprävention, ist bis heuteeine Vision, die auch von der aus dem GeneralAgreement on Trade and Tarifs (GATT) hervorge-gangenen Welthandelsorganisation (WTO) nichtverfolgt wird.Zurück zum Ausgangspunkt - Hat nundieses System verhindern können dass unsereWelt von Krisen heimgesucht wird? Wohl kaum, eskann jedoch, nach einem kurzen Blick auf dieSchauplätze der jüngsten Wirtschaftskrisen, be-hauptet werden, dass es "dank" des neuen Sys-tems, und korrespondierender Anwendung derIdeologie des "Washington Consensus" gelungenist, Wirtschaftskrisen, zumindest zeitweise, vomweltwirtschaftlichen Zentrum (Europa, Nordameri-ka...) in die Peripherie zu verlagern.

Als Beispiele kön-nen Mexiko(1982, 1994-95),A r g e n t i n i e n(1998-2002), Brasilien (1980-83, 1990-94,1998-99) und Sü-dostasien (1997-98) dienen.

Es darf jedochgemutmaßt wer-den, dass dieseListe in naherZukunft fortgeset-zt wird und zwarauch imwel tw i r tschaf t -lichen Zentrum...

Globalisierung und Krise

THEMENSCHWERPUNKTTHEMENSCHWERPUNKT

Mag. Knut Rakus

John Maynard Keynes

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Im Rahmen des zweijährigenLehrgangs "Weltreligionen", dervon der Kontaktstelle für Weltre-ligionen (Bischofskonferenz) ve-ranstaltet wurde, hatten wir, eineGruppe von rund 25 Personen,die Gelegenheit, nach Nordindi-en und Bhutan zu reisen. DieseReise brachte uns viele ver-schiedene Orte und Themen na-he - darunter auch das

Staatskonzept des Königreichs Bhutan, dasGross National Happiness (GNP).

Um dieses Konzept zu verstehen, ist es nötig, einenStreifzug durch die Geschichte dieses kleinen Lan-des zwischen Indien und der Volksrepublik China zumachen. Den bhutanesischen Staat gibt es erst seitder Einführung der erblichen Monarchie im Jahr1907. Diese beruht auf dem Konsens von Punakha,wo Ugyen Wangchuck, der damalige Gouverneur vonTrongsa, durch einen Machtausgleich zwischen deneinzelnen Klöstern zum ersten König Bhutans auf-stieg. Davor war das Land aufgeteilt zwischenmehreren Machtzentren, wobei es kaum eine Tren-nung zwischen Religion und Politik gab. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, auf eine derzentralen Figuren der bhutanesischen Geschichte zuverweisen, auf Shabdrung Ngawang Namgyel (1594-1651), den religiösen Anführer der Drukpa-Kagyupa-Schule, der Westbhutan einigte. Auf ihn lässt sich dieoffizielle Trennung von politischen und religiösenÄmtern zurückführen. In der Realität entfaltete diesesSystem jedoch nie Wirkung, was am besten in derErrichtung von sogenannten Dzongs zu erkennen ist.Ein Dzong ist ein Kloster, das gleichzeitig auch daspolitische Zentrum der jeweiligen Region darstellt.Meistens ist es so gelegen, dass es wichtige Verkehr-swege kontrolliert. Religion und Politik sind bis heute eng verknüpft.Bhutan ist schließlich das einzige Land, in dem derBuddhismus Staatsreligion ist. Damit spielt die Reli-gion in der Einigung des Landes seit 1907 einewesentliche Rolle. Die einzelnen Machtzentrenzusammenzuführen und dem Königshaus Wangchukpolitische Autorität über das gesamte Territorium zuverleihen, war eine der Hauptaufgaben der bisheri-gen vier Könige. Eine andere war die Wahrung dernationalen Souveränität gegenüber den benach-barten und europäischen Großmächten. Es ist be-merkenswert, dass Bhutan trotz seiner geringenGröße nie unter fremder Herrschaft stand. Dieswurde durch diplomatisches Geschick und Lavierenzwischen den Mächten erreicht. Der Vertrag vonPunakha vom Jänner 1910 etwa regelte das Verhält-nis mit Britisch Indien so, dass trotz der Übermachtdes Nachbarn die innere Souveränität gewahrt blieb,

obwohl Konsultationen mit dem Raj über außenpoli-tische Fragen vorgeschrieben wurden.Die Dimensionen Religion, nationale Eigen-ständigkeit und Zentralisierung der Macht sind esauch, die das Konzept GNP bestimmen. Bhutan ori-entiert sich bei seiner Entwicklung auf vorhandeneRessourcen und lässt moderne Errungenschaftenwie Internet oder Fernsehen nur schrittweise zu. Sowird noch heute viel diskutiert, ob die Einführung desInternets vor einigen Jahren nicht allzu abrupt undohne genügend Vorbereitung der Bevölkerunggeschehen ist. Hinzu kommt, dass das Land Auslän-der nur in eingeschränkter Zahl ins Land lässt, um dieökologischen Grundlagen des Landes zu schonen.Dabei spielt das Negativbeispiel Nepal eine großeRolle, wo Massen von Touristen und Bergwandererdas Ökosystem nachhaltig zerstört und auch vor kul-turellen Schätzen nicht Halt gemacht haben.Letztendlich steht das GNP in einer Tradition von En-twicklungskonzepten, die nicht ausschließlichökonomische Aspekte einbeziehen, sondern auch aufsoziale und ökologische Faktoren Wert legen. Eslässt sich ein Bogen spannen von derGrundbedürfnisstrategie der 70-er Jahre bis hin zumUNDP-Konzept der "Menschlichen Entwicklung". Let-zteres ist durch jährlich erscheinende Berichte zuverschiedenen relevanten Themen eine mittlerweileanerkannte und geschätzte Ergänzung zum Welt-bank-Entwicklungsbericht.

Das GNP erfüllt mehrere Funktionen: Auf der einenSeite steht wohl der Versuch, das Land und seineBevölkerung behutsam an die Moderne her-anzuführen, kulturelle und religiöse Traditionen zuschützen und ökologische Ressourcen zu schonen.Andererseits dient dieses nationale Konzept auchdem "nation-building", also der Errichtung eines Na-tionalgefühls, das auch die Akzeptanz nationaler In-stitutionen einschließt. In diesem Zusammenhang istzu erwähnen, dass nationale Symbole wie die Trachtund die Nationalsprache Dzonga ebenfalls sehrgefördert werden.

THEMENSCHWERPUNKTTHEMENSCHWERPUNKT

Mag. Christian Wlaschütz

Brutto - National - Glück - Ein Kommentar zum Entwicklungskonzept Bhutans

Lage Bhutans

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II/2004 11

Frauen undGlobalisierung

THEMENSCHWERPUNKTTHEMENSCHWERPUNKT

Die Durchsetzung einer gelenkten Entwicklung setzteine straffe, ja autoritäre Staatsführung voraus. Sosind politische Entscheidungen und Ämter in Bhutandirekt oder indirekt vom König abhängig. Dieser Um-stand steht im Widerspruch zu Begriffen wieDemokratie und Partizipation. Er zeigt auch dieGefahr auf, dass bei mangelhaftem Kontakt zwischenEntscheidungsträgern und Bevölkerung Maßnahmengesetzt werden, die jenseits der realen Bedürfnisseliegen. Das Königshaus ist also gut beraten,entsprechende Kommunikationskanäle aufrecht zuerhalten und Entscheidungen nicht abgehoben zu tre-ffen, da sonst statt politischer Einigung Entfremdungentsteht.Zuletzt sei die interessante Frage der Verall-gemeinerbarkeit des attraktiv klingenden Konzept"Bruttonationalglück" angesprochen. Inwieweit kannein solches Konzept auch außerhalb Bhutansangewendet werden? In der Geschichte verschieden-ster Entwicklungsstrategien hat sich gezeigt, dassdas Kopieren bestimmter Wege nie zum erhofften Zielgeführt hat. Das lässt sich etwa anhand des Versuchszeigen, das europäische Modell 1:1 auf Afrika oderLateinamerika umzulegen. Daher ist auch beim GNPauf die angesprochenen kulturellen Besonderheitendes Landes zu achten. Das spezifische Verhältnis vonBuddhismus und Königshaus spielt ebenso einegroße Rolle wie die geographische Abgeschlossen-heit des Landes. Auch die geopolitische Bedeu-tungslosigkeit fördert die Umsetzung eines eigen-ständigen Weges. Anders formuliert, Bhutan könntesich einen solchen Weg vermutlich nicht leisten,würde man reiche Bodenschätze finden. Allerdings lassen sich allgemeine Prinzipien aus demGNP ableiten, deren Beachtung grundsätzlich überallwünschenswert ist. Die Orientierung an eigenenRessourcen in der Planung und der Verzicht auf ihrehemmungslose Ausbeutung etwa scheint eine guteGrundlage für Nachhaltigkeit. Ebenso ist die be-wusste Auseinandersetzung mit der eigenen Traditionund den Folgen neuer Errungenschaften wichtig, umselbstbestimmt Überholtes fallenzulassen und Neuesanzunehmen. Jedenfalls ist es Bhutan gelungen, sich auch interna-tional als ein Land zu präsentieren, das sich kreativund eigenständig auf Herausforderungen der Global-isierung einstellt. Die Auseinandersetzung mit demGNP öffnet auch für andere Länder neue Horizontezwischen unreflektierter Übernahme und radikalerAblehnung neuer Entwicklungen.

Globalisierung scheint in denletzten Jahren eine Art "Mode-wort" geworden zu sein, allerd-ings keinesfalls im positivenSinne. Die Globalisierung hatsich für alles zu verantworten,an Armut und Unglück derMenschen und Völker, amElend hierzulande undauswärts. Die Welt sei in eine"Globalisierungsfalle" geraten, ohne Ausweg,und eine brutale anonyme Weltelite beherrschedie Erde auf Kosten der Armen.

Doch wenn wir von Globalisierung sprechen, brin-gen wir diese nicht mit Frauen - oder allgemeiner mitGeschlechterverhältnissen in Verbindung. DieserUmstand lässt schon eine gewisse Verwunderungzu, denn angesichts der Weite des Begriffs, gibt esdoch sicherlich kein Thema, das sich nicht in einengewissen Kontext setzen ließe.

Wollen wir nun doch die Gelegenheit nutzen und dieRolle der Frau in der Globalisierung - oder vielleichtauch durch sie, näher beobachten.

Birgit Rommelspacher beginnt ihre Betrachtungendes "Geschlechterverhältnisses im Zeitalter derGlobalisierung" mit der lapidaren Bemerkung, dass"Globalisierung im Sinne weltweiter Vernetzungenvon Produktionsprozessen, Waren- und Fi-nanzmärkten - … zu Verschiebungen imGeschlechterverhältnis (führt). Die bestehendenBeziehungen können nicht einfach festgeschriebenwerden, bekommen sie doch neue Funktionen inden Umstrukturierungen von ökonomischenKlassen, Regionen und Kulturen". Als ein Beispielfür solche Umstrukturierungen werden Verschiebun-gen in der Erwerbsstruktur im nationalen Maßstabund im Rahmen der internationalen Arbeitsteilungsowie deren Folgen für Migration und die Situationvon Migrantinnen im Aufnahmeland skizziert. Nunist nicht jeder globale Trend bereits Globalisierung,noch hängt er mit dieser zusammen.

Frauen und Migration

Weltweit gibt es immer mehr Frauen, die sich zurMigration gezwungen sehen. Es gibt immer mehrLänder und ganze Regionen, wo Frauen mehr alsdie Hälfte der Migrierenden ausmachen. Frauen er-füllen auf dem Weltmarkt im Gegensatz zumännlichen Migranten mehrere Funktionen, die vorallem eng mit ihrem Geschlecht verbunden sind.Geschlechtsspezifische Formen der Migration sind

Bettina T. Kölbl

Weiterführende Literaturhttp://www.bhutanstudies.org.at

ZusatzinformationBevölkerung: 828.000 EinwohnerFläche: 46.500 km²Hauptstadt: Thimpu (~50.000 EW)Wirtschaft: 94% in der Landwirtschaft tätig

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Heiratsmigrantinnen, Hausangestellte, Kranken-schwestern, Nachtclub-Tänzerinnen und Prostitu-ierte. Diese spezifischen Formen von Arbeit werdenmehrheitlich unsichtbar gemacht. Traditionelle For-men der von der Gesellschaft als weiblichdefinierten Arbeit, welche Frauen in den Indus-trieländern teilweise verweigern oder nicht mehr inausreichendem Maße übernehmen, werden wederabgeschafft noch zwischen Frauen und Männerngeteilt, sondern Frauen anderer Länderzugewiesen. Dies hat sowohl für die Fließband- undPutzarbeit als auch für die Prostitution, die Repro-duktion der Arbeitskraft sowie auch für dasAufziehen von Kindern seine Gültigkeit.

Frauen auf der Verliererseite

70% der Armen weltweit sind Frauen, Frauenbeziehen 10% aller Einkommen weltweit und be-sitzen 1% des globalen Vermögens und verrichtenüber 70% der unbezahlten Arbeit. Zwar stiegweltweit die Frauenerwerbsquote in den letzten 20Jahren von 36% auf 40%, aber vier Tatsachen dür-fen dabei nicht außer Acht gelassen werden:

*) Der Anstieg der Frauenerwerbsquote hat nicht mit dem Anstieg des Bildungsniveaus von Frauen Schritt gehalten.

*) der Anstieg geht einher mit einer weltweitenInformalisierung (Teilzeit, Heimarbeit, geringfügige...).

*) weder die Lohnungleichheit noch die Konzentra-tion auf wenige Tätigkeitsbereiche am unteren Ende der Arbeitshierarchie (Pflege, Erziehung, Gebäudereinigung) wurde abgebaut.

*) es findet eine zunehmende Polarisierung von Frauen am untersten und oberen Ende der Hier-archie des Arbeitsmarktes statt.

Dabei verknüpfen sich diese Prozesse in dem Maße, wie die Dienstleistungsgesellschaften erneut zu Dienstmädchengesellschaften werden,mit der zunehmenden Migration von Frauen (vonOst- nach Westeuropa ebenso wie innerhalb despazifischen Raums).

Die bisherigen Punkte zeigen viele Missstände auf.Doch stellt sich für mich die Frage, ob diese nichterst durch globale neue Institutionen aufgezeigt undan die Oberfläche getreten sind, um somit dieGesellschaft zu sensibilisieren. Steuerungsmecha-nismen werden sukzessive auf- und ausgebaut, esliegt am politischen Willen aller Beteiligten, wiediese Steuerungsmechanismen aussehen werden.Denn für Missstände ist nie ein abstrakter Begriffoder eine abstrakte Entwicklung verantwortlich zumachen. Die Zustände dieser Welt sind immer dasResultat des Denkens und Handelns ihrer einzelnenIndividuen…

II/200412

THEMENSCHWERPUNKTTHEMENSCHWERPUNKT

Weiterführende Literatur

Benhabib, Seyla: Kulturelle Vielfalt unddemokratische Gleichheit. Politische Partizipa-tion im Zeitalter der Globalisierung. Frankfurt/M.,Fischer Taschenbuch, 1999

Global, lokal, postsozial. Köln, 1998 - 216 S.Sozialwissenschaftliche Forschung und Praxisfür Frauen, Köln (HgIn). (Beiträge zur feministis-chen Theorie und Praxis; 47-48)

Globalisierung aus Frauensicht. Bilanzen und Vi-sionen. Klingebiel, Ruth; Randeria, Shalini (HgIn-nen). Bonn, Dietz, 1998 (EINE Welt - Texte derStiftung Entwicklung und Frieden; Bd.6)

Globalisierung und Gender. Vereinigung zur Kri-tik der polititischen Ökonomie (Hg.). Münster .Westfälisches Dampfboot, 1998 (Prokla; 111)

Ich bin chic, und Du mußt schuften. Frauenarbeitfür den globalen Weltmarkt. Musiolek, Bettina(HgIn) in Zusammenarbeit mit der Kampagne fürsaubere Kleidung. Frankfurt/Main, Brandes &Apsel, 1997

Lizenz zum Plündern. Das Multilaterale Abkom-men über Investitionen "MAI". Globalisierung derKonzernwirtschaft - und was wir dagegen tunkönnen. Mies, Maria; Werlhof, Claudia von(HgInnen). Hamburg, Rotbuch, 1998

Wichterich, Christa: Die globalisierte Frau.Berichte aus der Zukunft der Ungleichheit. Rein-bek bei Hamburg, rororo, 1998

Bettelnde Frau

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II/2004 13

Der Global Compact basiert auf 9 Prinzipien ausden drei Sachbereichen Umweltschutz, Men-schen- und Arbeitnehmerrechte. Die Einhaltungdieser Grundwerte soll dazu führen, dass derWeltmarkt stabiler, gerechter und für jeden freizugänglich gemacht wird.

Menschenrechte

Die Wirtschaft soll...

1. den Schutz der international verkündeten Men-schenrechte unterstützen und achten. Die Umset-zung von humanitären Rechten geschieht nicht nurim Interesse der Arbeitnehmer, sondern auch der Ar-beitgeber. So unterstützen etwa die Menschen-rechte die politische Stabilität eines Staates, die alsGrundvoraussetzung für eine sichere Kapitalinvesti-tion in einem Land vorhanden sein muss. Des Weit-eren sind Personen, die gerecht behandelt werden,eher dazu gewillt effizient zu arbeiten.

2. sicherstellen, dass sie sich nicht an Menschen-rechtsverletzungen beteiligt. Die Wirtschaft kannsich auf verschiedenen Wegen der Mittäterschaft beiMenschenrechtsverletzungen schuldig machen. EinUnternehmen darf weder eine Menschenrechtsver-letzung unterstützen, noch von einer Menschen-rechtsverletzung profitieren. Ein Betrieb macht sichauch schuldig, wenn er die Diskriminierung vonAngestellten toleriert.

Arbeitnehmerrechte

Die Wirtschaft soll...

3. die Vereinigungsfreiheit und die wirksame An-erkennung des Rechts auf Tarifverhandlungenwahren. Um Kompromisse zwischen Interessen derArbeitnehmer und der Arbeitgeber finden zu können,müssen die Arbeiter das Recht haben Gew-erkschaften zu gründen. Studien haben ergeben,dass die Vereinigungsfreiheit in einem Betrieb zueiner Produktivitätssteigerung des jeweiligen Un-ternehmens führt.

4. alle Formen der Zwangs- oderPflichtarbeit beseitigen,

5. die Kinderarbeit tatsächlich ab-schaffen. Zwangsarbeit tritt inzahlreichen Variationen wie etwaSklaverei, Schuldknechtschaftoder Kinderarbeit auf. DiePflichtarbeit und insbesondereKinderarbeit raubt einem unteren-twickelten Staat die Chance, seineJugend für die Zukunft auszu-bilden. Dadurch verliert das jeweilige Land anwirtschaftlicher Leistung und kann keinWirtschaftswachstum erzielen. Die Abschaffung derZwangsarbeit geschieht daher auch im Interesseder Unternehmen.

6. auftretende Diskriminierung in Beschäftigung undBeruf beseitigen. Die Ursachen für Diskriminierungvon Mitarbeitern sind weit gestreut und lassen sichleider weltweit wieder finden. Man unterscheidetzwischen direkter und indirekter Diskriminierung. Di-rekt bedeutet in diesem Zusammenhang, dass dieBenachteiligung eines Angestellten durch die Un-ternehmensleitung offen toleriert wird. Die indirekteDiskriminierung, wie sie in Industriestaaten zumeiststattfindet, geschieht im informellen Rahmen.

Umwelt

Die Wirtschaft soll...

7. umsichtig mit ökologischen Herausforderungenumgehen, Objektiv betrachtet, müsste die Industriein umweltfreundliche Arbeitsmethoden investieren,da es schließlich billiger ist, eine Vorsorge zu treffen,als im Nachhinein zu versuchen, Schäden an derUmwelt zu beheben. Außerdem würde eine umwelt-freundlichere Fabrik, die auf regenerierbarenRessourcen, wie etwa Wasser-, Wind- oderSonnenenergie passiert, länger nutzbar sein alseine, die mit fossilen Brennstoffen arbeitet.

8. Initiativen zur Förderung eines verantwortlicherenUmgangs mit der Umwelt durchführen und

9. sich für die Entwicklung und Verbreitung umwelt-freundlicher Technologien einsetzen. Um der Indus-trie die Durchführung von Umweltprojektenschmackhafter zu machen, müsste man ökofre-undliche Betriebe mit Steuerbegünstigungen oderSubventionen belohnen. Auch Banken und Ver-sicherungen sollten verstärkt jenen Firmen unter dieArme greifen, die sich für den Umweltschutz en-gagieren.

Die neun Prinzipien des Global Compact

VEREINTE NATIONENVEREINTE NATIONEN

Herwig Striessnig

LINKS

http://www.unglobalcompact.org/content/AboutTheGC/TheNinePrinciples/thenine.htm

Das Logo des Global Compact

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II/200414

Spanien kommt aus denSchlagzeilen der interna-tionalen Presse nicht heraus:zuerst die Irak-Beteiligung derkonservativen Regierung unterAznar (PP-Partido Popular),dann die blutigsten Anschlägein der Geschichte Spaniens unddes Nachkriegs-Europa am11.März 2004 in Madrid, derSieg der PSOE (Sozialistische

Spanische Arbeiterpartei) bei den Parla-mentswahlen und letztendlich mögliche - nun-mehr definitive - Abzug der Truppen aus demIrak. Wohin geht die spanische Außenpolitiknach 11-M?

Kritiker behaupten, dass nun die fanatischen Terror-isten des Massenmordes in Madrid am 11. Märzdieses Jahres die Wahl in einer Demokratie beein-flussen konnten. Der Wahlsieg der Sozialisten kamtatsächlich einigermaßen überraschend, hattendoch sämtliche Umfragen vor den Wahlen auf eineMehrheit der regierenden spanischen Volkspartei(PP) hingedeutet. Aus meiner persönlichen Sichthätte aber von spanischen Politikern prompt nachden Attentaten reagiert werden müssen und derWahltag auf einen späteren Termin verschoben wer-den sollen. Weil aber die spanische Regierung unterAznar (PP) nach dem Massenmord von Madrid of-fenbar schamlos die eigene Bevölkerung hintersLicht geführt und Journalisten und sogar Gesandtebefreundeter Geheimdienste mit Falschinformatio-nen versorgt hatte, um die Anschläge bis zur Wahlder baskischen ETA, Spaniens Staatsfeind NummerEins, in die Schuhe schieben zu können, haben sichdie spanischen Konservativen ihre Abwahl redlichverdient. Das Wahlergebnis ist eindeutig mit derManipulation und Instrumentalisierung der Attentatedurch die Aznar-Regierung zu erklären, die derspanischen Bevölkerung sauer aufgestoßen seindürfte.

Der neu gewählte Sozialist José Luis Rodriguez Za-patero hat sich bereits am Beginn der Legislaturpe-riode zur entschlossenen und kompromisslosenBekämpfung des Terrorismus bekannt. "Die Opferund alle Bürger müssen wissen, dass meineRegierung den Kampf gegen jede Art des Terroris-mus als prioritäres Ziel betrachtet", sagte der 43-jährige zu Beginn einer zweitägigen Debatte imspanischen Abgeordnetenhaus, an deren Ende erzum Premier gewählt wurde. "Mehr Toleranz" und"das Miteinander aller" sind die Schlagworte der"Macht mit dem freundlichen Gesicht", die Zapatero

schon gegen die bissige Spaltungsrhetorik seineskonservativen Vorgängers José María Aznar insFeld führte.

"Spanien wird seine Verantwortung für Sicherheitund Frieden stets wahrnehmen", sagte Zapatero inBezug auf Irak. "Aber unter einer Voraussetzung:Dass die Vereinten Nationen oder eine andere inter-nationale Organisation dafür ein Mandat erteilen".Zapatero ist mit dem Versprechen, die 1300 Mannaus dem Irak abzuziehen, angetreten und setztdiese Politik nun auch um. Der Abzug war an-gesichts der großen Mehrheit, die in Spanien gegenden alliierten Feldzug war, konsequent. Er erhöhtaußerdem auch den Druck, mittels einer neuenUNO-Resolution die Verhältnisse nach dem 30. Juni2004 im Irak längerfristig zu klären. Mit der Aufs-tockung des Militärkontingents in Afghanistan will dieneue Regierung unter Zapatero nun dem Eindruckentgegenwirken, dass Spanien sich dem Terroris-mus beuge. Die Aufstockung soll die InternationaleSchutztruppe für Afghanistan (ISAF) verstärken.

Zapatero betontezwar die enge Fre-undschaft mit denUSA, hebt in seinerneuen Außenpolitikaber den "Vorrangder europäischenEinigung" hervor.Der neue spanis-che Premier suchtnun gemäß seinerA n k ü n d i g u n g e nund Wahlver-sprechen eine en-gere Bindung andie EU-Mitgliedsstaaten. Es war sogar von derSchaffung einer Neuen Achse Berlin-Paris-Madriddie Rede, die "neue Dynamik in den Integra-tionsprozess im Vereinigten Neuen Europa" bringensolle.

Spanien gab auch den vehementen Widerstandgegen die EU-Verfassung auf, die noch im Dezem-ber 2003 am spanischen und polnischen Widerstandgescheitert ist. Es will so den verstärkten Bezug aufeine Europäische Einigung beweisen.

Das spanische Entgegenkommen bei der EU-Ver-fassung dürfte letztlich auch eine kleine Anerken-nung finden: Möglicherweise wird die Unterzeich-nung der EU-Verfassung in Madrid - im Gedenkenan die Terroropfer vom 11. März - stattfinden.

Wohin geht Spaniens neue Außenpolitik?

INTERNATIONALINTERNATIONAL

Mag. Arthur Stadler

Josè L. R. Zapatero

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II/2004 15

Am 27.05.2004 analysierte die NahostexpertinProf. Dr. Helga BAUMGARTEN von der Univer-sität Bir Zeit im Rahmen der zweiteiligen Vor-tragsreihe "Gewalt im Nahen Osten. ZwischenTerror und legitimen Widerstand" in der Diplo-matischen Akademie Wien eine die Rolle und Or-ganisation der Hamas und gab einen Einblick ineine Kultur, die alle Lebensbereiche durchdringt.Folgender Beitrag soll ihre Erfahrungen undBeobachtungen wiedergeben und zur Vervoll-ständigung des Bildes der Hamas dienen.

Wo beginnt Terror?

Zu Beginn ihres Vortrages weist die Referentin aufdie Kontroversität der Thematik hin, welche in derWahl der Überschrift bereits widergespiegelt werdensoll. - Denn wo beginnt Terror, wo endet er? EineAufstellung von Opferzahlen auf Palästinenser-, wieauch auf Israeli-Seite veranschaulicht Leid auf bei-den Seiten, welches auch vor Zivilisten nicht Haltmacht (ca. 2500 ermordete Palästinenser/ 900 Is-raelis). Kritisch betrachtet Helga BAUMGARTEN dieTendenz in westlichen Medien, palästinensische Ak-tionen als reine Terrorakte zu klassifizieren,während israelische Vorgehensweisen als legitimeSelbstverteidigung dargeboten werden. Solch eineeinfache Betrachtungsweise übersieht allerdingsden Kontext einer über 60-jährigen Besetzung, dietäglich Gewalt für die Besetzten bedeutet. Ein Per-spektivenwechsel lässt aber Terror nicht nur aufSeiten von Individuen, sondern auch auf Seiten desStaates lokalisieren. Vor Pauschalisierungen,welche die palästinensischen Vorgehensweisenunter Besetzung mit jenen der Anschläge durch AlKaida gleichsetzen ist daher zu warnen.

Hamas als Gegenstand der Analyse

Zu oft wird die Hamas als Pendant zur Al Kaidadargestellt. Es scheint so, als müsse man nur wis-sen, dass es sich dabei um Nationalisten und Anti-Semiten handle, welche die Vernichtung von Juden,die Zerstörung Israels und die Errichtung eines is-lamischen Staates viel mehr als den Frieden im Sinnhaben.

Dem ist allerdings keineswegs so. Parallelen bzw.Verbindungen zur Al Kaida sind klarauszuschließen. Dies ist auch dem Interview mitdem Chef des Hamas- Politbüros in der ZürcherZeitung vom 08. Mai 2004 zu entnehmen. Er be-teuert darin, nichts mit Al Kaida zu tun zu haben,sondern nur den Kampf um den palästinensischenBoden im Sinn zu haben. Die Hamas hat keineweltweiten Islamisierungsambitionen, sondern nurdie eigene Befreiung als Ziel vor Augen.

3 Gründe für die Beschäftigung mit der Hamas:

*) Neben der dominierenden Fatah stellt die Hamas einewichtige politische Kraft dar.

*) Obwohl Korruption in den meisten Organisationen systemimmanent erscheint, konnte durch Studien in keinemSektor der Struktur der Hamas,Korruption festgestellt werden.

*) Im Inneren der Hamas herrschen demokratische Prozesse vor, welche zu Entscheidungsfindun-gen beitragen. Es gibt also Wahlen, welche nichtunbedingt typisch für arabische Organisationen und Parteien sind.

Entwicklung des palästinensischen Nationalismus

Die Hamas sollte keineswegs als fundamentalistis-che Organisation angenommen werden durchwegsaber als radikal nationalistische. Der palästinensis-che Nationalismus hat sich in Phasen abgezeich-net. Die erste Phase kann als Reaktion arabischerNationalisten auf die Gründung Israels 1948 betra-chtet werden. Das politische Ziel war, klarzustellen,dass es für Israel keinen Platz gebe. Als Folge desKrieges von 1967 entstand eine neue palästinensis-che Nationalbewegung, angeleitet von palästinen-sischen Guerillaorganisationen, unter denen Fatahdie zahlenmäßig größte und politisch maßgeblichstewar. 1968/1969 konnte sie die PLO, welche 1964von Nasser ins Leben gerufen worden war, unterihre Kontrolle bringen. 1969 wurde Jassir Arafat,Gründer und Chef Fatahs, Präsident des Exeku-tivkomitees der PLO. Der palästinensische National-rat verabschiedete 1974 im Exil ein Zwei-Staaten-Programm. 1982 marschierte Israel militärisch inden Libanon ein, um die PLO, die dort ihr Rück-zugsgebiet hatte, zu eliminieren und somit auch diepalästinensische Nationalbewegung massiv zuschwächen. Der Krieg endete allerdings mit der mil-itärischen Niederlage der PLO. 1987, fünf Jahrespäter, entwickelte sich in den besetzten Gebietendie erste palästinensische Intifada. Im Dezember2000 brach die zweite Intifada aus, in welcher dieKinder der 1982 aktiven Eltern agierten.Was durch diesen kurzen Abriss der Geschichte despalästinensischen Nationalismus zum Ausdruckkommen soll, ist, dass die Hamas ihren Ursprung inder Besetzung von 1967 gefunden hat und daherBefreiung zum Ziel hat.

Politik versus Religion

Anders als bei der Hisbollah handelt es sich bei denFührern der Hamas um keine großen religiösen Fig-uren. Handelte es sich bei Scheich Ahmed Jassin

HAMAS: Fundamentalisten, radikale Nationalistenoder demokratische Opposition?

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Angelika Reichspfarrer

Chefredakteurin

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zwar um einen Geistlichen, konnte seinen Aus-führungen allerdings entnommen werden, dass ervordergründig als Politiker agierte. In Diskussionen ging es um Politik, nicht um is-lamische Wertvorstellungen.

Einbindung in die palästinensische Gesellschaft

Die Hamas sieht sich von der Meinung derGesellschaft abhängig. Nachdem 70 Prozent der is-raelischen wie auch palästinensischen Gesellschaftfür eine 2-Staaten-Lösung eintreten, wird dieseauch als erstrebenswertes Ziel erachtet. Folgerndaus dem bereits erwähnten Zürcher Zeitung- Inter-view kommt der Wunsch nach demokratischenStrukturen ähnlich jenen in Europa zum Ausdruck.

Fehlen von Korruption

Warum die Hamas im Vergleich zu anderen Organ-isationen nicht korrupt ist, liegt unter anderem inihrer Form der Finanzierung. Nach den Oslo-Verträ-gen von 1994 operieren und funktionieren die poli-tischen Organisationen des palästinensischen poli-tischen Systems durch Zahlungen von außen(Renten).

Diese hängen zumeist von der Form dereingeschlagenen Politik ab, die ein Aufzwingen poli-tischer Themensetzung in sich bergen. Diese ma-terielle Grundlage trifft auch für denNichtregierungssektor zu und impliziert einen sys-tematischen Ansporn zur Korruption. Woher nimmtnun die Hamas das Geld zur Finanzierung der Ak-tivitäten im Bereich der Sozial-, Erziehungs-, undGesundheitsarbeit? Jeder gläubige Moslem bezahlteine Art Steuer, welche sich Zakat nennt. Diese istnicht formal geregelt, daher kann jeder selbst bes-timmen, wie viel er an eine Organisation seines Ver-trauens zahlen möchte.

Durch die Intifada wurde viel Geld benötigt, welchesin sozialen Bereichen eingespart wurde. Dies ver-anlasste die Hamas dazu, besonders die sozialenBereiche in den besetzten Gebieten abzudecken.Effektive Arbeit brachte wachsendes Vertrauen derBevölkerung und somit auch immer mehr Gelder,welche wiederum die Arbeit verbessern ließen.Ende der 1990er wurden bereits 40 Prozent dersozialen Einrichtungen von der Hamas geführt.Während es unter den meisten Vertretern vonNichtregierungsorganisationen oder Parteien ver-breitet ist einen recht aufwendigen Lebensstil zuführen, leben Hamas-Führer unter denselben Um-ständen wie die Menschen ihre gesellschaftlicheUmwelt. Dies stärkt natürlich das Vertrauen breiterBevölkerungsschichten, da diese erkennen, dassdie Hamas-Vertreter, die Besatzung genau so ertra-gen müssen, wie sie selbst.

Die Frage der Korruption betreffend, erklärenVertreter der Hamas, dass diese nicht möglich sei,da sie immerwährend von Gott kontrolliert werden.Aus politologischer Perspektive lässt sich beobacht-en, dass in der Organisation der Hamas sehr vieleKontrollinstanzen eingerichtet sind, welche helfenKorruption zu vermeiden, also könnte man meinen,dass "diese Gott bei der Kontrolle helfen".

Erfahrungen mit der Hamas seit Oslo

Die Hamas ließ sich bei Wahlen von Studentenrätenund Berufsverbänden aufstellen und akzeptierte dieErgebnisse der Wahlen. Weiters ist festzustellen,dass sich die Hamas durchgehend an Abkommenmit der Regierung gehalten hat und auch verein-barte Waffenstillstände eingehalten hat. Zum"Zusammenbruch" führte allerdings das Selbstmor-dattentat einer Person, die auf eigene Faust han-delte. Trotzdem kann man die Hamas heute als par-adox bezeichnen, da sie einerseits radikal national-istisch ist, andererseits aber eine potentielledemokratische Opposition zur Fatah darstellen odervielleicht sogar, das Potential zur Regierungsparteiin sich bergen könnte.

Die Referentin fordert daher dazu auf, die Hamasnicht länger zu radikalisieren und unterstreicht, dasses nun für Europa an der Zeit ist, diese Organisationvon ihrer "Terrorliste" zu nehmen.

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HAMAS-Kämpfer

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II/2004 17

Recently, there has been good news for Europe- or, to be more precise, for its organised epi-centre, the EU. First, after years of negotiations,the enlargement to the complementary easternpart of the continent (and two southern islands)marked a historic homecoming. Secondly, theembarrassing accident of the non-adoption ofthe European Constitution belongs to the past, abreakthrough in this issue seems within reach.

Continuous failure to reach its people

Nevertheless, the great enthusiasm provoked in1989 when the iron curtain crumbled did not existanymore, neither among the "new" Europeans northe "old" ones. Instead, polls across the continent re-veal lukewarm identification both with the EU itselfand the enlargement, sometimes the "pros" barelyassuring a narrow majority.(1) Moreover, the firstelections to the European Parliament in the "unifiedEurope" in June will bring a further decline in theturnout. In fact, not more than a third of voters saythey "definitely" intend to make use of their demo-cratic right and cast their vote.(2) Asking for the rea-son, you will often hear a very human sentiment: dis-illusion. And disillusion often causes disinterest andmistrust. The EU, though, has been claiming, foryears now, to want to be nearer to its people, evenwishing to be a "Union of citizens". Since any signsof estrangement between the EU and its peoplemust be qualified as worrying, it is worth taking acloser look. What it shows is that the main source ofdisillusion are unfulfilled expectations. In this pointEurope, the EU, is right in the hearts and minds ofthe people: they all want something "from Europe"and wish to be heard. What they want are classicalfunctions of a state: to "help" them, to protect theirinterests.

No success in key issues

So, is this the case? If polls are to be believed, thetwo main concerns of Europeans are (un)employ-ment and security.(3) On both accounts Europeansare not satisfied. How, possibly, could it be other-wise? In 2004, growth in the EU will, for the fourthconsecutive year, be too weak to create jobs.(4) Un-employment is approaching record highs. Regardingsecurity - domestic security more than ever linkedwith international security -, Europeans seem tohave resigned to the often observed inefficiency ofthe EU. At this point, ineluctably, the US comes intoplay. Not in the sense of posing the simple question"for or against", but rather as the power that sets thepace.

It is the US that has declared andis now fighting the war on terror-ism with all the consequences wewitness today. It is the US wheregrowth and creation of jobs hap-pen. By comparison, the Old con-tinent indeed looks poor. The Iraqwar brought Europe a shamefuldivision. In 2000, the EU proudlyannounced the Lisbon-goals ofbecoming the most dynamic eco-nomic region by 2010. Meanwhile, there is discretesilence since this seems far out of reach.

Too diverse to be a global player

What makes these frustrations - understandable asthey are - interesting is that they highlight the limitsof the EU. Limits that many Europeans may findhard to accept. In fact, there are unshakeable factsthat seem to determine what the EU will possiblynever be: a real global player. The EU consists ofstates that have their specific political and social ori-entations which have become, over decades andcenturies, nothing less than part of their identity andculture. To enumerate some of them: Atlantists, Eu-ro-centrists and neutral states; federal or centralisedstates; states with strong protectionism and inter-ventionism (still; despite "Brussels"); with a strongwelfare system (financed by high taxes); with mightyor weak trade unions (and respective workers'rights). These differences are deeply rooted andtherefore trying to overcome them will be hard and amatter of long-time processes. For example, eventhe European constitution, proposed by the Conventafter more than fifteen long months of preparations,offers no solution to such an essential point as howfar the European integration should go.

This question - a federal state or a confederation ofnations -, though, has accompanied Europe from thevery beginning. The remarkable endurance in thisd i s c u s s i o nproves the long-ing of many Eu-ropeans for hav-ing a strong Eu-rope, a Europethat can achievesomething. Cer-tainly, Europehas accom-plished a lot, justthink of the com-mon market andthe euro.

EUROPEAN UNIONEUROPEAN UNION

Dr. Philipp J. Marboe

Is it the Thankless Fate of the EU to Disappoint?

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II/200418

But Europe lacks economical leadership. Contraryto the US, the EU has no common strategy, neitherin economy (the strong euro alone is not enough, asshown by the different "interpretations" of the Stabil-ity and Growth Pact and the unequal status of re-forms in the individual member states) nor in foreignpolicy. Consequently, only the US can act quicklyand effectively. When it comes to creating jobs bydeficit spending, sustained by a flexible interest ratepolicy of the Federal Reserve, or, furthermore, at-tracting the best brains worldwide which guaranteesinnovation and therefore growth and jobs. Europe isnot able to do so. It has not even found a formula,yet, to concentrate its efforts in research and devel-opment. In foreign and security policy it lacks theconstitutional unity to act fast and coherently. Eu-rope can, consequently, only be what it is nowadays:a "soft power" that favours dialogue and long-termmeasures.

The member states are in control whereas Eu -rope has no common identity

The possibilities of the EU to distinguish itself are in-deed limited. Being a specific construction erectedby and partly "above" the member states, it is defi-nitely the latter that are in control. For the EU, thismakes it practically impossible to create something"warm, non bureaucratic", and, particularly, identity-building. The difficulty to create a real and living Eu-ropean consciousness, though, seems to be one ofthe main reasons why many Europeans consider"Brussels" so far away. To a certain extent, the mem-ber states contribute to this. There are few politicalleaders who can resist the temptation to deplore intheir home countries Europe's failures while blockingany strengthening of Europe in favour of purely na-tional or electoral interests.

Additionally, handicapped by "my country first"-stylecoverage in certain mass media, Europe, therefore,is made responsible for "all the bad things" and sel-dom praised for the good ones.

All this is widely known and often said. But what canbe done about it? Maybe, aware of European histo-ry, to lower one's short-time expectations while notforgetting what has been accomplished so far. More-over, it should be recognized what Europe stands fortoday. Things that form, though many people stillmight not realize it, already a kind of European iden-tity: respect of civil and human rights (including therefusal of the death penalty) and the rule of (interna-tional) law; preference of multilateralism and peace-ful resolution of conflicts; commitment to social soli-darity; variety of cultures and languages.

All this is "our" Europe, something that makes Eu-rope different from others and should incite Europenot to look always at others but to have confidencein itself. Of course, things could be better. But disil-lusion and resignation are the wrong allies to facereality and the challenges of the future. After all, weEuropeans all together "are" Europe. Participating,therefore, in what could be a better Europe, is some-thing everybody can and should do, and this beginswith voting. Generally, we Europeans should abstainfrom our traditional scepticism, identify with the spe-cial way of the Old Continent and contribute with op-timism and joy to its future.

EUROPEAN UNIONEUROPEAN UNION

European Union Parliament, Brussels, Belgium

Footnotes

(1) In Austria, recently, only 24% of the population declare to have profited personally from EU-membership; 46% affirm to have suffered disadvantages. See STANDARD-Umfrage: Nur jeder Vierte sieht Vorteil in der EU, http://derstandard.at.

(2) See http://www.eupolitix.com/EN/News/200405/83619d15-87ee-40d7-97ce-b10522ee78e7.htm. These figures have to be seen in context with the fact that the level of voting participation fell from almost two-thirds (63%) of the electorate in the first direct elections in 1979 to just under half (49,2%) in1999, its historical nadir.

(3) See http://europa.eu.int/comm/public_opinion/archives/eb/eb60/eb60_rapport_standard_en.pdf.

(4) The level growth must therefore reach is 2%. After2,8% in 2000, growth in the EU reached 1,6% in 2001, 1% in 2002 and 0,5% in 2003. For 2004, 1,7% is forecasted. See http://europa.eu.int/comm/eurostat/Public/data= shop/printcatalogue/EN?catalogue=Eurostat&service=free_downloads;http://europa.eu.int/comm/lisbon_ strategy/pdf/statistical_annex_en.pdf.

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Angelika Reichspfarrer im Interview mit Mag. Si-mone Alaya - Corporate Responsibility Beauf-tragte der OMV Aktiengesellschaft.

Worin lag für die Vor-standsmitglieder derOMV die Motivation,dem Global Compactbeizutreten?

Simone Alaya: Mitdem Beitritt zum UNGlobal Compact woll-ten wir deutlichmachen, dass OMVdie Zielsetzungen desUNGC unterstützt undfür diese Werte steht.Besonders durch dieBemühungen von UNGeneralsekretär KofiAnnan ist der UNGCzum weltweiten Sym-bol für diese Werte-haltung geworden.

In welcher Form wurden Vorgehens-, bzw. Ar-beitsweisen des Unternehmens OMV durch denGlobal Compact geprägt oder sogar verändert?

Simone Alaya: Der Beitritt zum UN Global Compactist ein unsere gesellschaftliche Verantwortungbestärkendes Element, wir waren uns jedoch als in -ternational tätiger Konzern auch schon im Vorfeldunserer Verantwortung bewusst. Mit der Teilnahmeam UNGC wurden unternehmensintern Diskussion-sprozesse zum Thema Corporate Responsibilityausgelöst; die Befassung erfolgt systematischer.

Haben sich durch den Global Compact neueMöglichkeiten der Partizipation am internationalenParkett ergeben und wenn ja, welche?

Simone Alaya: Die Zugehörigkeit zum UNGC ver-stehen wir einerseits als öffentliches Commitment zuden Werten des Kodex und andererseits alsChance, uns mit weltweit tätigen, größeren Un-ternehmen zu messen und zu lernen. Zur kontinuierlichen Weiterentwicklung des UNGCist die regelmäßige Kontaktpflege und der Mein -ungsaustausch mit gleichgesinnten, internationalenUnternehmern sehr interessant und in gewisserWeise aufgrund der Struktur des UN Global Com-pact essentiell. In diesem Sinne sehen wir demGlobal Summit, bei dem UNGC Mitglieder aus allerWelt in New York zusammentreffen werden, mitSpannung entgegen.

Wie lassen sich die Ziele eines österreichischenErdöl-, und Erdgaskonzerns mit Zielen des GlobalCompact vereinen?

Gibt es hier diverse Widersprüche bzw. wie geht dieOMV mit Vorwürfen wie jenen des "Green-washing"um?

Simone Alaya: Wir sehen darin keinen Wider-spruch, sondern eine sinnvolle Ergänzung, ja Selb-stverständlichkeit. Erdöl- und Erdgaskonzerne wiedie OMV arbeiten mit endlichen Ressourcen. Pro-dukte wie Benzin, Heizöl und Kunststoffe sind per senicht nachhaltig. Gerade deshalb ist es für denKonzern selbstverständlich, sich im Rahmen seinerVersorgungsaufgabe für Nachhaltigkeit einzusetzen.Verantwortung gegenüber der Gesellschaft zuübernehmen heißt für einen Erdöl- und Erdgaskonz-ern, der in fünf Kontinenten tätig ist, seine hohenStandards auch in Länder zu tragen, wo nationaleRegulative noch nicht in vollem Umfang vorhandenoder überhaupt erst in Entstehung begriffen sind. Für OMV ist CSR nicht einfach ein Modewort, son-dern es wurde in die Unternehmensstrategieaufgenommen und als Managementtool integriert-wir bekennen uns zu unseren Werten und habendies auch in unserem Code of Conductniedergeschrieben. Wie deren systematische Um-setzung in der Praxis aussieht, haben wir in un-serem Corporate Responsibility Report offengelegt.

Würde die OMV auch anderen österreichischenKonzernen empfehlen, dem Global Compactbeizutreten? - Wie könnte man solchen eine Mit-gliedschaft schmackhaft machen?

Simone Alaya: Der UN Global Compact als weltweitanerkannter Methodenansatz findet trotz aller Kritikbreite Akzeptanz. Der Umstand ist wohl verschiede-nen Aspekten zuzuschreiben: Das Modell wurdeunter Einbezug der Wirtschaft, der Politik und Ver-waltung, der internationalen Arbeitnehmervertretun-gen und der aktiven Zivilgesellschaft - der thema-tisch relevanten NGOs - entwickelt. Zurzeit gibt es inÖsterreich noch wenige Unternehmen, die dem UNGlobal Compact beigetreten sind, jedoch mehrere,die sich zu Corporate Social Responsibility beken-nen. Mit einigen von ihnen stehen wir zwecks Er-fahrungsaustausches in diesem Bereich in Kontakt. Sehr erfreulich am Prinzip des UNGC finden wir dieaktive Einbeziehung der Unternehmen in die Weiter-entwicklung des UN Global Compact und steheneiner regen Zusammenarbeit mit den United Nationsund deren Partnerorganisationen sehr positivgegenüber. Es könnte auch für andere österreichis-che Unternehmen einen Anreiz darstellen, in inter-nationale, die ethische Wertehaltung von Un-ternehmen und Interessensgruppen betreffendeEntscheidungsprozesse mit eingebunden zu wer-den.

Wir würden uns freuen, wenn der Kreis der gleichgesinnten österreichischen Unternehmen größerwürde, um den Netzwerkgedanken auf nationalerEbene zu erweitern.

Die Umsetzung des "Global Compact" in Österreich - Die OMV als "Global Compact-Partner"

ÖSTERREICHÖSTERREICH

Angelika Reichspfarrer

Chefredakteurin

OMV - Logo

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II/200420

Alongside the media, institu-tions of education are thestate's main instruments for thesocialisation of citizens. Educa-tional reforms are therefore oneof the most effective methods atthe State's disposal for chang-ing perspectives and opinions.This was the thinking behindthe European Commission'sWhite Book on education and

training in 1995, the main purpose of which wasto rally all Europeans behind the aim of lifelonglearning and creating the knowledge society.

The existing EU programmes in education arebased on articles 149 and 150 of the EU Treatywhich define the role of education systems. AlthoughMember States are still responsible themselveswhat they are doing in education and vocationaltraining, the EU has a Treaty based mandate aims tointensify their cooperation through common actions.

The Implementation is voluntary

The joint programmes in education began in the 70sand were amplified in the 80s and 90s by Erasmus,Comett, Youth for Europe, Lingua, Petra, Force andEurotecnet. It was in 1995 that all these pro-grammes were restructured under the namesSocrates for education, Leonardo da Vinci for voca-tional training and Youth for EUorpe for all youth pro-grammes. Accordingly, in 1995 the new pro-grammes Comenius, which deals with schools,

Erasmus (which deals with higher education), Lin-gua, the language programme, and actions to sup-port Minerva, the cooperation in open and distancelearning and new methodologies an Grundtvig, theadult education programme; were brought togetherunder the same heading roof - called Socrates.

The Vocational training's offensive

Initially, the Leonardo da Vinci - Programme startedparallel with the restructured Socrates programmes.The idea behind it was synergising the effect of theprogrammes Comett, Petra, Force, Lingua and Eu-rotecnet programmes - Leonardo should becomeone of the main instruments to realise the strategiesof lifelong learning and combine education and vo-cational training with employment policy. Actions likeYouth for Europe, the European Voluntary Serviceand other Youth initiatives favour intercultural dia-logues and exchanges all over the continents. More-over, also the CIS-states, the Balkans and Mediter-ranean countries are included in the Youth pro-gramme. Through these exchange possibilities, vol-unteer work and the respective initiatives youngpeople have the chance to learn a lot from each oth-er. New contacts, friends, cultures and countries of-fer a lot to learn. These experiences help to preventstereotypes and prejudices, encourage to social in-tegration and active participation as well as to re-alise the 'ideal of Europe'.

Towards a knowledge society

Besides of that, also several actions, agreements,the recognition of diplomas and other important ex-change possibilities have also been implemented.An exception is the Tempus programme, which wasfor the former eastern European countries and wasthen replaced by Erasmus. It still exists, however, insome eastern and Mediterranean countries and hassome fruitful cooperation and technology transferbetween countries. In October 2002 there were onemillion Erasmus students. In the same time around15 000 schools took part in multilateral cooperationand around 1 200 translational cooperations werefounded between institutions and organisations.Since 1989 the European Credit Transfer System(ECTS) is spread all over the countries and enablesmobility in education. The year of lifelong learning in1996 played another important role and made thecitizen more sensible for that theme. To summarise,the experiences gained through the cooperation andprogrammes were essential for the development ofeLearning, the Bologna process on vocational train-ing or the Lisbon goal; to become the most compet-itive and knowledge based society by 2010.

About Erasmus, Leonardo & Other Guys The EU' s Education Policy at a Glance

STUDYINGSTUDYING

Christine Roedlach

Logo of Socrates and Leonardo

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II/2004 21

"Der Orient sucht den Superstar" hießen dieSchlagzeilen auf der ganzen Welt.

Dass es einen großen Bedarf an Superstars auf derWelt gibt, hatte bereits im Jahr 2001 der britischeSender ITV Premiere entdeckt. Damals hieß dieShow noch "Pop Idol". 2004 hat das englische Un-ternehmen Fremantle Media sein TV- Konzept bere-its an zehn Länder verkauft und ist seither mit weit-eren 40 in Verhandlungen.

Ein Abnehmer dieses Konzeptes, wie man Popstarsam besten kürt, ist der arabische TV Sender "FutureTV". Im Februar 2004 war es dann soweit, dass er-ste Mal in der Geschichte wurde solch eine Show fürdie gesamte arabische Welt produziert. Schon dieerste Folge lockte 28 Millionen Menschen vor denFernseher.

Rund 8000 junge Menschen aus elf Staaten habensich für die Show beworben und stellten sich inÄgypten, Bahrain, Dubai, Kuwait, Syrien und demLibanon in den Castings der Jury.

Eine Sprecherin der Produktionsfirma FremantleMedia lobt: "Es ist wunderbar, wenn Menschen aus

L ä n d e r n ,die verfein -det sind,wie derIrak undK u w a i t ,g e m e i n -sam sin-gen." DieR e a l i t ä ts i e h tal lerdingsein biss-chen an-ders aus.

Das westliche Showkonzept trifftin den islamisch geprägten Län-dern nicht nur auf eine andere Re-ligion, sondern auch auf einekomplett andere Gesellschaft. Esgibt Stimmen, die die Show alsTeufelswerk bezeichnen, anderewiederum finden es herrlichendlich an Grenzen zu stoßen.Ein großes Tabuthema wurde ge-

b r o c h e n ,als ein junges Mädchen vorFreude die Vorrundegeschafft zu haben, sich ihrenSchleier vom Kopf riss. Eben-so dürfen saudische, kuwait-ische und libanesischeFrauen öffentlich nicht kri-tisiert werden - noch einBruch der Traditionen.

Von der Jugend allerdingswurde die Suche nach demSuperstar sehr positivangenommen: die Vermis-chung unterschiedlicher Kul-turen und Musikrichtungen,das gemeinsame Auftretenvon Männern und Frauen aufder Bühne und natürlich auchdie große Chance berühmt zu

werden, machten den "Superstar al arab" zu einemgroßen Spektakel.

Manche kamen verschleiert, manche bauchfrei.Eine Vermischung unterschiedlichster Kulturen, undin Wirklichkeit doch nur einer: der islamischen.

Stolz und Leidenschaft, Träume und Traditionmachen die arabische Welt zwar zu einer zerrisse-nen Kultur, aber dennoch zu einer der interessan-testen der Welt.

Stolz und Leidenschaft im Herzen Arabiens

KULTURKULTUR

http://www.heise.de/tp/deutsch/special/auf/15470/1.html

http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/5/0,1872,23629,00.html

http://www.zentralrat.de/?site=articles&archive=newsin-ternational&article_number=2057

http://www.faz.net/s/RubDDBDABB9457A437BAA85A49C26FB23A0/Doc~E9E8F219CFAC649F69529891135FADB80~ATpl~Ecommon~Scontent.html

http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2003/0201/medien/0032/

http://www.clanotopia.de/news_archiv.php?action=show&news_id=501

http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,265531,00.html

L I N K S

Barbara M. Schildknecht

2 Kandiaten beim Casting für die Show

8000 Teilnehmer aus 11 Nationen

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II/200422

Eigentlich wäre alles so nettgeworden: nach 20 Jahren min-isterieller Arbeit und 16 Jahreninternationalem Dienst winktedie beschauliche Pension in ein-er geräumigen Wohnung imheimatlichen Stockholm -Bootsfahrten in die Schärenweltvor der schwedischen Küste,Stockholmer Kulturleben undnebenbei Nachdenken undSchreiben über juristische Fra-

gen der internationalen Politik.

So hat die Zukunft von Hans Blix, ehemaliger Gen-eraldirektor der IAEA im Jahr 1997 ausgesehen.Doch es sollte anders kommen: Bei einer Studien-reise mit seiner Frau nach Patagonien erreicht ihndie Nachricht, UNO-Generalsekretär Kofi Annan("whom I had met many times before") habe ihn demSicherheitsrat als Chef von UNMOVIC empfohlen,der neu gegründeten United Nations Monitoring,Verification and Inspection Commission for Iraq.Den Grund für diese Empfehlung sieht Blixnüchtern: "I was perhaps the person everybodycould agree on." Annan drängt ihn zu einer raschen

Entscheidung und Blix nimmtnach einiger Überlegung an.Warum? Auch hier bleibt ergelassen: Es ist halt schwernein zu sagen, wenn derGeneralsekretär der UNOpersönlich anfragt, undaußerdem fühle er sichgesund und unternehme gernetwas. So beginnt das neue Buch("Disarming Iraq") von HansBlix über seine Tätigkeit alsChef der Waffeninspektoren

im Irak vor Ausbruch des Krieges im März 2003. DasBuch ist keine wissenschaftliche Analyse der Kriegs-gründe, sondern ein persönlicher Bericht nach Arteines versierten UN-Beamten - bescheiden undzurückhaltend, aber stets eingedenk der eigenenRolle im politischen Spiel, das in diesem Fall keinDiplomat so richtig zu spielen wusste. Auf was ersich damit eingelassen hatte, musste Blix bald ameigenen Leib spüren. Die Iraker bedachten ihn mitschmückenden Beiworten ("spy", "detail of a non-entity"), die USA konterkarierten die Arbeit der In-spektoren mit dem Schwingen der Kriegskeule. Bei-des wenig hilfreich bei der Arbeit und dazu noch dieleidige Verwaltungstätigkeit. Doch trotz aller widri-gen Umstände verschafft Blix seiner Behörde Re-spekt auf beiden Seiten. Im Herbst 2002 erklärt ihmAußenminister Powell in einem Gespräch denStandpunkt der USA: "He said that the US was seri-ous about wanting a solution without armed forceand impressed on me how important it now was tobeef up our inspection plans and machinery."

Dass die Entwicklung danach allerdings anders ver-lief, ist bekannt, und dass die Gründe für eine Inva-sion der USA im Irak angesichts seiner eigenen(Blix') Berichte an den Sicherheitsrat dubioser wur-den, stört Blix anscheinend nicht, denn eines ist fürihn sicher: "The invasion of Iraq was about weaponsof mass destruction". Also Schluss mit dem Geredevon Erdöl oder Demokratisierung des Islam, wie esandere Denkschulen vorexerziert haben! Als er imFebruar 2003 erstmals berichtet, dass die Iraker Ko-operationsbereitschaft zeigen, sind die Amerikaneralarmiert. Nach dem Desaster der mittlerweile berühmtenPowell-Präsentation "wichtigen Materials" hin-sichtlich der Massenvernichtungswaffen im Sicher-heitsrat (die sich alsbald als glatte Fälschungen er-wiesen), kritisiert ihn der Außenminister, Blix würdedie Gefahr runterspielen. ("He complained that Icould have "made more" of the drone" - Anmerkungdes Autors: Die "Spionage-Drohnen", die die USAals Beweis für das Programm der Iraker zur Herstel-lung von Massenvernichtungswaffen anführten, hat-ten in Wahrheit nichts damit zu tun.) Dennoch ist BlixRealist: bei den Inspektionen gab es immer nurdann Fortschritte bei den Irakern, wenn die Kriegs-drohung seitens der USA und Großbritannien in derLuft schwebte, während Deutschland oder Frankre-ich durch ihre beschwichtigende Politik, die Arbeitmit den Behörden im Irak eher behinderten. War der Krieg eine logische Konsequenz aus derZeit davor? Blix antwortet diplomatisch: "The armedaction that was taken was expected but not irrevo-cably predetermined." Aber für Blix waren die Irakerzu einem großen Teil selbst schuld daran, daß es sogekommen ist. Ihr ausweichendes Verhalten hat denVerdacht genährt, daß sie weiterhin Massenvernich-tungswaffen besitzen. Das "cat-and-mouse play" mitden Inspektoren nach dem ersten Irak-Krieg Anfangder 90er Jahre hat die irakische Führung auchdieses Mal gespielt. Eine realistische Chance aufeine friedliche Lösung war somit auch durch denIrak vertan worden. Das klingt zwar schadenfroh, istaber Ausdruck des tiefsten Bedauerns über diekriegerischen Folgen, die durch keine völker-rechtliche Norm gerechtfertigt werden können, auchnicht wenn man nach dem Krieg tatsächlichMassenvernichtungswaffen gefunden hätte.

Alles in allem ein interessantes, persönliches Buch,das sich leicht liest und einen guten Einblick in dieAbläufe vor dem Krieg aus der Sicht eines Akteursbietet. Leider äußert sich Blix nicht über die US-amerikanischen Versuche nach dem Krieg, die"smoking gun" doch noch zu finden. Aber vielleichthat er trotz seiner ihm eigenen Gelassenheit aucheinfach genug davon.

Suche nach dem Unauffindbaren: Hans Blix und die Waffeninspektionen im Irak

REZENSIONREZENSION

Hans Blix, Disarming Iraq; Pantheon Books, New York, 2004

Literaturhinweis

Klaus H. Iro

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II/2004 23

Sprachcafés in Englisch, Spanisch, Französisch,Italienisch …

... finden vierzehntägig zu verschiedenen Themen(siehe unten im Programm) statt. Ziel ist es, dieFremdsprache zwanglos anzuwenden. Es musssich niemand auf das Sprachcafé vorbereiten undnicht wie in einem Debattierclub vorher Argumentesammeln. Es geht einfach nur ums Diskutieren undum eine Motivation, die gelernte Sprache zu prak-tizieren.

Damit es sich aber nicht immer um dasselbe dreht,gibt es eine gewisse (nicht verpflichtende) Themen-vorgabe. Die Gruppe im Sprachcafé muss selbstentscheiden ob und wie lange sie darüber disku-tieren will. Zur Erleichterung werden zu jedem The-ma nützliche Links auf der Homepage veröffentlicht,die sich jeder vorher durchlesen kann.

Das Sprachcafé findet immer ab einer Personenan-zahl von 3 Teilnehmern/innen statt. Um die Diskus-sion aller aufrecht zu erhalten, können max. 6 Teil-nehmer/innen zugelassen werden. Du wirst per Mailverständigt, ob das Sprachcafé stattfindet.

Ziel des Cafés ist, die ganze Zeit durchgehend inder jeweiligen Sprache zu sprechen - es ist nicht er-laubt in einer anderen Sprache mit den Teil-nehmer/innen zu diskutieren. Bei Voka-belschwierigkeiten wird ein Wörterbuch zur Verfü-gung gestellt bzw. habt ihr selbst eines mit. Oder ihrfragt einfach in der jeweiligen Sprache die Gruppe,bestimmt wird jemandem das Wort einfallen. DieProfis müssen ihre Sätze so lang formulieren, bis sieauch alle verstanden haben, die Anfänger müssenso lange auf eine bessere Erläuterung bestehen, bissie dem Sprecher folgen können.

Am besten ist, ihr stellt euch vor,euer Gegenüber kann nur En-glisch/Spanisch/Französisch/Ital-ienisch kein Wort in einer anderenSprache!

Für Kritik, Themenwünsche undGetränkebestellungen ;-) bitte anuns unter [email protected].

Wir freuen uns über alle Tipps und Ratschläge zurVerbesserung!Falls jemand Interesse an weiteren Sprachcafés hatz.B. Russisch, Chinesisch,… bitte bei uns melden!

Viel Spaß beim Diskutieren!

Sprachcafés in Englisch, Spanisch, Französisch, Italienisch, ...

VERANSTALTUNGENVERANSTALTUNGEN

Christina M. Kabas

Projektleiterin

Coffee Break: Englisch - jeden 2. Dienstag

Café de Español: Spanisch - jeden 2. Mittwoch

Café Francais: Französisch - jeden 2. Donnerstag

Caffè Italiano: Italienisch - jeden 2. Mittwoch

Termine

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GLOBAL VIEWGLOBAL VIEW

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Ausgabe Nr.: II/2004

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