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1 RUNDBRIEF Nr.16 2008

Nr.16 2008 RUNDBRIEF - Hospiz UlmRUNDBRIEF Nr.16 2008 2 INHALTSVERZEICHNIS SEITE Editorial 2 Und jedem Anfang wohnt ein Zauber ... 3 Kairos 4 Vom Sterben und Bestatten 6 Das Leben

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RUNDBRIEFNr.16 2008

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INHALTSVERZEICHNIS SEITE

Editorial 2

Und jedem Anfang wohnt ein Zauber... 3

Kairos 4

Vom Sterben und Bestatten 6

Das Leben vertiefen 10

Impressum 12

Eine Erfolgsgeschichte 13

Gespräche über den Tod 16

Zahlenrückblick 16

Hören, fragen, vermitteln, begleiten 18

Aus der Arbeit des Vorstandes 20

Was macht Kurs 15 heute 21

Angebote von Hospiz Ulm 22

Titelbild:Volkmar Könneke (Südwest Presse Ulm)

EDITORIAL

Wieder liegt ein fertiger Rundbrief vor Ihnen – eingutes halbes Jahr Arbeit des Redaktionsteams auf24 Seiten!

Es ist uns wichtig, den Lesern und Leserinnenmöglichst viel, möglichst prägnant und möglichstlebendig darüber zu berichten, was Hospiz Ulm be-wegt und in Bewegung bringt: was auf uns zukommt,was wir selber anstreben und auch, was unserenAlltag erfüllt.

„Rund“ soll der Rundbrief sein, und dass das auchso wird, damit beschäftigen wir uns bei unseren Re-daktionstreffen, die immer sehr viel Freude machen!

Zu Beginn einer neuen Arbeitsphase (meist im Ok-tober) sammeln wir die Themen, die aktuell sind undunserer Meinung nach in den Rundbrief gehören. Oftsind auch noch Ideen übrig, die im letzten Heft kei-nen Platz mehr gefunden haben. Der Vorstand be-kommt unseren Erstentwurf zur Ansicht und schlägtvielleicht noch weitere Themen vor: es war nochnie ein Problem, die Zeitung zu füllen! Unsere Auf-gabe ist es nun, dafür zu sorgen, dass die Artikel beiuns eintreffen. Sie werden von uns gelesen und sorg-fältig bearbeitet. Auch über die Reihenfolge, in derdie einzelnen Themen abgedruckt werden, machenwir uns ausführlich Gedanken. Schön ist jedes Mal,dass wir zügig voran kommen und uns nicht in aus-ufernde Diskussionen verlieren, auch wenn es un-terschiedliche Ansichten gibt.

Die enge Verbindung zum Vorstand ist uns wichtig,da wir ja mit dem Rundbrief unseren Verein der in-teressierten Öffentlichkeit vorstellen. So freuen wiruns, dass Gräfin Reuttner sich ab und zu die Zeitnimmt, bei unseren Treffen mitzuwirken.

Wir sind eine stabile Gruppe von 5 Menschen: Clau-dia Schumann als Geschäftsleiterin, Gisela Stems-horn, Ruth Schultheiß, Wolfgang Müller und ich –wir haben alle Spaß am Schreiben und Gestaltenund sind jedes Mal aufs Neue hoch zufrieden mitunserem Werk. Das feiern wir dann auch bei einemguten Essen…

Wir hoffen, dass unsere Begeisterung auch in die-sem Rundbrief zu spüren ist und freuen uns über IhrInteresse an unserer Arbeit.

Für das RedaktionsteamDorothea Kleinknecht

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„Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne …“

Immer wieder anzufangen, ist Teil des Lebens. Die Zei-le aus dem wunderschönen Gedicht „Stufen“ von Her-mann Hesse passt gut zum Hospiz Ulm. Abschied neh-men gehört zu den Aufgaben, die wir im Rahmen unse-res gemeinsamen Engagements in der Begleitung Ster-bender und ihrer Angehörigen immer wieder lernen,Neues zu begrüßen ebenso. Altes zurückzulassen: Hin-derndes, Hemmendes, Blockierendes und Belastendestut gut: Neues hereinzulassen ebenso. Egal, wann dasNeue kommt, immer wohnt ihm ein Zauber inne.

Auch wir Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hospizerfahren, wie Vieles sich bewährt, Gewohntes sich be-stätigt, wie das Hospiz wächst, wie sich Dinge verän-dern, wie Neues einzieht … Altes loszulassen ist nichtimmer leicht, Neues noch fremd … und doch spürenwir, dass sich Dinge wandeln und wachsen. Und das istgut so.

Zu Neuem kommt Überraschendes: die chirurgische undorthopädische Privatklinik Dr. Bertele am Michelsbergwird das neue Hospiz-Haus! Familie Großpeter-Ber-tele hat sich entschlossen, Haus und Grund der UlmerHospizstiftung zu schenken. Das heißt, wir werden künf-tig alle unsere Aktivitäten unter einem Dach konzentrie-ren können. An dieser Stelle sprechen wir Familie Groß-peter-Bertele unseren großen Dank im Namen allerMitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus. Für viele Ster-bende und ihre Angehörige aus der Region bedeutetdieses große Geschenk ein Stück Sicherheit für die letzteund wichtige Wegstrecke im Leben.

Und doch bleibt im Wandel vieles konstant: Freude undDankbarkeit erfüllt mich, wenn ich auf „unser Hospiz“schaue. Und damit meine ich alle Dienste, die unter un-serem Namen vereint sind. Diese Dienste könnten nichtin dieser wunderbaren Weise existieren, wenn es nichtdie vielen kompetenten und einfühlsamen Menschengäbe, die sich in den Dienst der Menschen und derSache stellen: das sind die WegbereiterInnen des Hos-piz Ulm, die vielen Ehrenamtlichen, die ihre Fähigkeitenund Qualifikationen dort einsetzen, wo sie gebrauchtwerden, die hauptamtlichen, hoch qualifizierten Mitar-beiterinnen, unsere Geschäftsleitung. CharismatischePersönlichkeiten, allesamt. Alle gemeinsam erfüllen seitvielen Jahren wichtige Aufgaben in der Gesellschaft. Allewurden und werden im Rahmen ihrer Tätigkeit für Men-schen wichtige Bezugspersonen und wertvolle Beglei-terinnen und Begleiter. Für diese Großherzigkeit drü-

cke ich an dieser Stelle im Namen von Vorstand undGeschäftsleitung unseren tief empfundenen Dank aus.

Engagement, Zuversicht, konstruktive Kritik, Motiva-tion, Empathie und der unerschütterliche Einsatz allerMitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die gute Sachewaren in den zurückliegenden Monaten ungemein wert-voll. Das Projekt „Haus für das Hospiz Ulm“ erforder-te und erfordert unser aller Kräfte.

Manch sorgenvolle Gedanken gibt es nach wie vor, wennwir in die Zukunft schauen: Umbau, Ausbau, Ausge-staltung, Außengestaltung, die Organisation und Finan-zierung „unseres Hospiz“ werden viel Kraft und Gelderfordern.

Umso mehr hoffen wir weiterhin auf den Einsatz unddie Unterstützung unseres großen Hospiz-Teams undauf wohlwollende Förderer und Sponsoren, die denBetrieb eines solchen Hauses möglich machen. Wir freu-en uns über jede Spende, groß oder klein. Und wirdanken allen Wohltätern, die dazu beigetragen haben,dass das Hospiz seine Arbeit verrichten kann.

Wir freuen uns, dass sich die Planungen nun intensivie-ren und Umbauarbeiten starten können. Viele Menschenhaben unserer gemeinsamen Arbeit vor allem in den letz-ten Monaten Wertschätzung und Respekt entgegenge-bracht. Durch Worte, durch Briefe, durch große undkleine Spenden. Allen Wegbereitern, allen Unterstütz-ern, allen Gönnern, allen, die sich für die Arbeit desHospiz Ulm und das neue Hospiz-Haus auf ihre per-sönliche Weise einsetzen, danken wir von Herzen.

Das Hospiz-Haus am Michelsberg: Einen schönerenPlatz für die letzten Lebenstage unserer Gäste hättenwir kaum finden können. Unsere Mitarbeiterinnen undMitarbeiter werden dort in liebevoller Atmosphäre undmit qualifizierter Pflege für Sterbende während der letz-ten Tage ihres Lebens da sein.

Irgendwann – und auch hierauf freuen wir uns – wirdwieder eine stillere Zeit kom-men. Alles, Neues und Altes,verbindet uns mit der Quelledes Lebens.

Ein herzliches Vergelt’s Gottan alle!

Ihre

Katharina Gräfin Reuttner

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KAIROSODER DERUNWIEDERBRINGLICHEAUGENBLICK

Erfahrungen in den letztenLebenstagen meiner Mutter

Weihnachten 2007„Mach dir keine Sorgen“, sagt Muttermorgens am Telefon. Fast jeden Tag ruftsie mich an, seit 15 Jahren, seit Vater totist. Er starb plötzlich und unerwartet, wieman oft in Todesanzeigen lesen kann.Sein Tod hat Mutter sehr erschüttert, beiuns Kindern war der Abschied vom Va-ter schnell überlagert von einer geschäf-tigen Fürsorge für die Zurückgebliebe-ne, die ganz neu ihr Leben gestaltenmusste.

Das ist ihr auch gut gelungen; trotz ge-sundheitlicher Einschränkungen in denletzten Jahren konnte sie alleine und weit-gehend selbstständig in ihrer Wohnungsein, bis in ihr 92. Lebensjahr!

Der morgendliche Anruf war für sie undfür mich ein festes Ritual zum Tagesbeginn: für mich einLebenszeichen von ihr, für sie ein Kontakt zu mir, wennauch kurz…

Mitte Dezember klagte sie über Ödeme in den Beinen.Der Arzt wurde benachrichtigt und verschrieb ein Me-dikament, das aber keine Wirkung zeigte, auch nichtals Injektion. Das machte mir Angst! Ich wusste, wasgeschieht, wenn die Urin-Ausscheidung nicht mehr an-zuregen ist – und so kam es auch: am Morgen des 24.Dezember merkte ich, dass ihr das Atmen schwer war,dass sie sehr lange brauchte, um ans Telefon zu kom-men. „Meine linke Hand ist ganz dick, und ich muss soschnaufen“, sagte sie, „aber mach dir keine Sorgen!“Ach Mutter!

Natürlich gerate ich in Panik, jetzt ist es bedrohlich. Ichweiß: Mutters Herz kann nicht mehr. Wenn wir jetztnichts unternehmen, gerät sie in Atemnot, wird der Zu-stand lebensgefährlich! Der Arzt muss kommen!

Ich erreiche ihn nicht. Heiligabend… zum Glück ist meineSchwester schon im Bus unterwegs zu Mutter, und ichgebe meine Aufregung an sie weiter. Nun geht alles sehrschnell: Bereitschaftsarzt, Einweisung ins Krankenhaus,Krankentransport.

In der Notaufnahme am Heiligen Abend herrscht Cha-os. Über 100 alte Menschen, die Angst vor den Feier-tagen haben und deren Gesundheitszustand aus denFugen gerät! Die paar Ärzte im Dienst wissen nicht, woihnen der Kopf steht: wo anfangen?

Mutter sitzt von Mittag bis Abend in der Aufnahme, ohnedass irgendetwas geschieht, und die Tochter weiß nicht,was sie tun kann. Wir andern Geschwister sind in Auf-ruhr: ach Mutter! Natürlich wissen wir, dass du einesTages nicht mehr da sein wirst, und du hast eigentlichauch genug von deinem langen Leben – das hast du oftgenug gesagt. Wir wissen auch, dass du genau aufge-schrieben hast, was du nicht möchtest: keine Wieder-

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belebung, keine lebensverlängernden Maßnahmen…aber ist das jetzt dieser Augenblick? Was sollen wirtun? Was sollten wir lassen, dir zuliebe?

Die Maschine „Krankenhaus“ ist in Gang gesetzt. Mut-ter wird an diesem Heiligen Abend irgendwann auf diekardiologische Station gebracht, Untersuchungen wer-den vorgenommen, Papiere ausgefüllt, Verordnungengetroffen. Das Pflegepersonal tut seine Pflicht. UnsereSchwester benachrichtigt uns und fährt erschöpft insHotel zurück… der Heiligabendgottesdienst zieht an mirvorüber, ohne mich zu berühren.

Am nächsten Morgen: nichts anderes ist mir im Sinn,als zu ihr ins Krankenhaus zu fahren, sie zu sehen, zuspüren, was ist! „Kairos“ denke ich immer wieder. Diealten Griechen hatten verschiedene Begriffe für Zeit. Kai-ros ist der gegenwärtige Augenblick, im Gegensatz zuChronos, der für die verrinnende Zeit steht, das Stun-denglas in der Hand… wie oft habe ich den Kairos garnicht wahrgenommen! Wie achtlos bin ich mit der Ge-genwart umgegangen – nun aber spüre ich, jeder Mo-ment ist heilig, wichtig, unwiederbringlich!

Mutter empfängt uns alle in diesen Tagen freudig, involler Klarheit, aber sehr matt. Ihr Körper tut seinenDienst nicht mehr, das sehe ich. Uns ist klar: MuttersLeben geht zu Ende, und nun gibt es nichts Wichtige-res, als bei ihr zu sein, ihre letzten Tage so zu gestalten,dass sie nicht leidet.

Wie froh bin ich, dass ich als Altenpflegerin weiß, wasauf uns zukommen kann; wie dankbar bin ich für meineErfahrung aus den vielen Jahren als Mitarbeiterin beiHospiz Ulm! Wie gut, dass Mutter so offen mit mir ge-sprochen hat, was sie möchte! Die Patientenverfügungwill niemand sehen, aber die Ärzte sind froh, dass wirGeschwister uns einig sind: keine Therapiebemühungenmehr! Mutter darf sterben, und sie soll es gut habendabei. Dessen waren wir uns ganz sicher.

Aber das ist nicht so einfach! Die Maschine läuft. Immerwieder muss ich mich in Mutters Namen dagegen weh-ren, dass Ärzte und Pflegerinnen ihren Standards nach-kommen. So wird mobilisiert, gedreht, werden ihre dickgeschwollenen Beine in Thrombosestrümpfe gezwängt,werden Injektionen verabreicht, die das Gewebe dochgar nicht mehr aufnehmen kann. Es wird gewogen, ob-wohl ohne Mühe zu erkennen ist, dass keine Ausschei-dung mehr stattfindet. Mutter lässt alles über sich erge-hen: „die Ärzte wissen schon, was richtig ist“. Aber wozu

Untersuchungen, wenn keine Therapie mehr stattfindensoll?

Ich kämpfe für sie, kämpfe um die Ruhe, die sie braucht.Wie gut, dass ich einfach da bleiben kann, Zeit habe!Noch nie in meinem Leben war mir so klar: jetzt kommtes auf dich an, Dorothea, jetzt musst du die Lage er-kennen, du darfst nicht nachlassen in deiner Wachheitund Klarheit! Mutter soll ihren Frieden haben, und keinMensch dieser Welt darf etwas tun, was diesen Frie-den stören könnte.

Wie gut, dass ich das Einverständnis meiner Geschwis-ter im Hintergrund spürte. Das gab mir den Mut unddie Kraft, zu Ärzten und Pflegerinnen zu sagen: „Nein!Das wird jetzt nicht gemacht! Bitte gehen Sie hinaus,ich werde Sie rufen, wenn es nötig erscheint!“

So wurde Mutter schwächer und schwächer, ihr Atemimmer kleiner, bis er zuletzt verlöschte, ohne jedenKampf, ohne dass sie Unwohlsein geäußert hätte…

Mutter ist tot. Stille tritt ein.

Kairos! Was ist jetzt zu tun?

Gar nichts! Ich saß und schaute sie an. Ich dankte ihr,ließ meine Empfindungen kommen und gehen, eine lan-ge Stunde saß ich und tat gar nichts, außer wahr zunehmen, was ist: Mutter ist tot! Die Uhr ist abgelaufen.

Chronos zeigt das leere Stundenglas.

Das Zimmer ist dunkel, die Geschäftigkeit des Tagesrückt in weite Ferne. Meine geliebten Taize-Lieder er-füllen den Raum, ich zünde eine Kerze an und benach-richtige die Geschwister, danach aber wollte ich so lan-ge in Ruhe bei Mutter sitzen, wie es mir richtig erschien!Ich war von einer großen Gewissheit erfüllt: ich spüre,was jetzt richtig ist, und ich lasse mir diesen Kairos nichtaus der Hand nehmen.

Mutter ist tot und doch noch da, ihr Gesicht noch wieim Schlaf – war da nicht doch noch ein Atemzug? Nein,alles ist vollkommen still.

Irgendwann hatte ich das Gefühl, ich sollte mich einwenig entfernen, Mutter nicht zu nahe sein, wenn siesich jetzt auf den Weg machen will.

So ging ich hinaus, um die Pflegerin zu benachrichtigen,und wieder war ich mutiger als sonst: ich weiß, es istüblich, umgehend den Arzt zu benachrichtigen, wennder Tod eingetreten ist.

Aber wozu?

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VOM STERBENUND BESTATTENUND WIE WIR DAMIT UMGEHEN

Früher fand das Sterben im Wohnzimmer statt, d.h. inder eigenen Wohnung wurde in der Regel gestorbenund die Toten wurden dort aufgebahrt. Es gab Ritualewie Totenwache, Gebete und Gesänge beim Toten, dieRaum gaben für Abschiednehmen und Trauer. Von Kind-heit an lernte man, sich mit dem Sterben auseinander zusetzen. Noch meine Großmutter zeigte uns gelegentlichstolz ihr Totenhemd im Weißzeugschrank. Für uns Kin-der war das nicht belastend, denn sie war damals nochgesund und munter und offensichtlich stolz darauf, dasssie vorgesorgt hatte.

Heute reagieren Kinder und Enkel oft entsetzt, wennein alter Mensch über seinen Tod sprechen möchte. „Wirwollen nichts davon hören, denn wir sind froh, dass wirdich noch haben!“ Der Tod ist zum Tabuthema gewor-den, doch damit lässt er sich nicht bannen. Laut Umfra-gen wünschen 80% der Menschen zu Hause zu ster-ben, doch die meisten sterben im Krankenhaus oder imPflegeheim, oft allein, und die Angehörigen erleben erstim vorgerückten Alter die Begegnung mit einem Toten.

Meist unter großem psychischem Druck und schlechtvorbereitet machen wir Fehler, die nicht wieder gut zumachen sind und die noch lange belasten.

Den meisten Menschen graust es vor einer Leiche: Einefühlende und handelnde Person wird plötzlich in leblo-se Materie verwandelt, und zwar unwiderruflich. Die-ses Grauen gipfelt in der unsinnigen Vorstellung vom„Leichengift“. (Dabei hantieren wir problemlos bei derZubereitung einer Mahlzeit mit Fleisch und vergessen,dass es von einer Tierleiche stammt). Der tote Menschwird gewaschen und schön gekleidet. Wenn Angehöri-ge dabei zuschauen, mithelfen oder die Waschung selbstvornehmen, so empfinden sie das als letzten Liebes-dienst. Danach kann der Tote in der Wohnung aufge-bahrt werden und man kann sich bis zu drei Tagen Zeitlassen zum Abschiednehmen.

Meine Mutter beispielsweise wurde zu Hause aufge-bahrt. Noch nach 15 Jahren tut es mir leid, dass wir sieschon nach einigen Stunden – viel zu früh – abholenließen. Noch immer schockierend ist die Erinnerungdaran, wie sie in einen Leichensack gesteckt wurde.Die Vision drängte sich auf: ab in die Mülldeponie.

Die zeitlose Ruhe, die ich mir genommen hatte, warwichtig. Der Arzt konnte ohnehin erst nach 2 Stundenkommen: er hatte sehr viel zu tun in der Nacht!

Es tat mir gut, wie achtsam er mit dem Körper unsererMutter war, trotz seines Zeitdrucks. Diese Achtsam-keit hätte ich mir von den Pflegerinnen auch gewünscht.Sie waren so gefangen in ihren Pflichten und Vorschrif-ten, so unbeholfen mit der sterbenden alten Frau…

„Warum haben Sie eigentlich Ihre Mutter ins Kranken-haus gebracht, wenn wir gar nichts tun sollen“, fragtemich eine der Pflegerinnen. Eine gute Frage, gebe ichzur Antwort…

Ja, warum? Weil uns nichts Besseres einfiel! Wie sehrhaben wir uns im Nachhinein gewünscht, es hätte eineandere Möglichkeit gegeben, obwohl das Krankenhaus-zimmer schön war, ruhig und klar. Der Hintergrund desKrankenhauses beruhigte uns: es hätte ja sein können,dass wir die Ärzte gebraucht hätten! In Mutters Woh-nung wäre uns nicht wohl gewesen, und sie selbst woll-te auch nicht mehr nach Hause. Es war richtig so, wiewir entschieden hatten. Trotzdem: so etwas wie einHospiz-Zimmer hätten wir uns gewünscht, eine persön-lichere, zurückhaltendere Pflege, einen behutsamerenUmgang mit der Sterbenden, vielleicht auch mehr Un-terstützung und Beratung für uns Angehörige.

Vielleicht entsteht ja so ein Angebot in Ulm?

Dorothea Kleinknecht

Glaube und Liebe und Hoffnung

sollen nie aus meinem Herzen weichen.

Dann gehe ich, wohin es soll,

und werde gewiss am Ende sagen:

ich habe gelebt!

Friedrich Hölderlin

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In Krankenhäusern und Pflegeheimen bleibt viel zuwenig Zeit für ein Abschiednehmen. Es ist aber mög-lich, den Toten durch das Bestattungsinstitut in der ei-genen Wohnung aufbahren zu lassen. Außerdem gibt esauf dem Ulmer Friedhof kleine Zellen, in denen manden Toten auf Wunsch aufbahren lassen kann. Zur Zeitwird dort ein größerer Abschiedsraum für trauerndeFamilien geplant.

Wünsche für die eigene Bestattung sollten nach Mög-lichkeit in der Familie besprochen werden, wenn manden Tod noch in weiter Ferne wähnt. Sehr schwierigwird es, wenn man solche Gespräche bisher gemiedenhat und nun mit einem Sterbenden über die Modalitä-ten der Beerdigung sprechen muss.

Deshalb ist es wichtig, über BestattungsmöglichkeitenBescheid zu wissen.

Man unterscheidet: Reihengräber mit einer Ruhedauervon 18 Jahren. Danach wird das Grab geräumt. EineVerlängerung ist nicht möglich.Wahlgräber mit einem Nutzungsrechtvon 30 Jahren. Hier ist eine Verlän-gerung möglich. Solche Gräber eig-nen sich besonders für Familiengrä-ber. In unserer mobilen Gesellschaftwerden sie seltener gewünscht, daKinder und Enkel an verschiedenenOrten leben.

Gemeinschaftsgräber für anonymeBestattung. Diese werden gewähltvon Menschen, die keine Angehöri-ge am Wohnort haben, oder aus Kos-tengründen.

Naturverbundene Menschen könnenihre Urne anonym unter einem Baumvergraben lassen, im Ulmer Friedhofentlang des kleinen Baches, der zumSee führt.

Gelegentlich wird auch auf eine Bestat-tung verzichtet, die Asche soll in der Na-tur verstreut werden. Das ist in Deutsch-land verboten, z.B. in Holland erlaubt.Man will den eigenen Körper wiederdem Kreislauf der Natur übergeben. Esbesteht beispielsweise die Möglichkeit,die Asche über dem Meer ausstreuenzu lassen – ein faszinierender Gedan-

ke, in der Schönheit der Schöpfung aufzugehen.Die Sache hat nur einen Haken: Die Hinterbliebenenblicken ins Leere.

Welche Bedeutung haben Gräber für die Angehörigen?

Der Tod eines Nahestehenden ist mit Trauer verbun-den. Trauer bedeutet das schmerzliche Lösen der aber-tausend Fäden, mit denen man verbunden war. Außer-dem wird eine Neuorientierung nötig. Einsamkeit,Schuldgefühle, häufig finanzielle Probleme und vieles an-dere mehr muss durch eigene Anstrengung überwun-den werden. Bei diesen belastenden Herausforderun-gen ist es gut, wenn man ein Grab aufsuchen kann, woman mit dem Toten sprechen kann – ein Ort der Ruheund Besinnung, auch der Besinnung auf die eigene Sterb-lichkeit.

Jede Form der anonymen Bestattung muss eingehendmit den Angehörigen besprochen werden. Sterben istnicht nur Privatangelegenheit, auch die Möglichkeit zurTrauer der Hinterbliebenen muss bedacht werden.

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In unserer Gesellschaft gibt es zwei gegenläufige Strö-mungen. Auf der einen Seite herrscht Entsorgungsmen-talität, eine Gegenströmung möchte Sterben und Todwieder zu einem Thema in der Gesellschaft machen,damit sich die Menschen auf das eigene Sterben unddas ihrer Lieben vorbereiten können. Dazu gehört dieHospizbewegung.

ANDERE KULTURENODER STERBEN MUSLIME ANDERS

Sterben Muslime anders als Christen? Bei Christen,d.h. Menschen, die eine mehr oder weniger intensiveBeziehung zu ihrer angestammten Religion haben, er-lebt man ganz unterschiedliche Sterbeprozesse. DieBandbreite reicht von still ergebenem Annehmen desUnabänderlichen bis zu panischer Angst. Der Sterbe-prozess ist ein Loslösen von allem, was einem lieb undteuer war und dem, was gequält und belastet hat.Charakter, Lebensweg und Todesbedingungen (z.B.lange Krankheit oder plötzlicher Tod) sind verschie-den und entsprechend verschieden ist das Sterben. Inreligiöser Verantwortung gelebtes Leben wirkt sich aufden Sterbeprozess aus, bei Muslimen wie bei Chris-ten. Auch deshalb, weil in diesen Religionen Jugend-lichkeitswahn und Machbarkeitswahn nicht vertretenwerden und das Thema Sterben eine wichtige Bedeu-tung hat. „Bedenke Mensch, dass du sterben musst,auf dass du klug werdest“. Christentum und Islam ha-ben ihre Wurzeln in der jüdischen Religion. Gemein-sam allen drei Religionen ist die Forderung nach ei-nem verantwortlichen Umgang mit dem eigenen Le-ben und dem Leben des Nächsten, getragen von derBeziehung zu Gott, Allah, Jahwe. Gemeinsam habensie auch die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod.

Der Tod ist eine der universalen Erfahrungen dermenschlichen Existenz, und in unseren Grundempfin-dungen sind wir Menschen gleich. Doch in Bezug aufRiten und Sitten unterscheiden sich Christen undMuslime im Umgang mit Sterben und Tod.

Beim Umgang mit sterbenden Muslimen muss man ei-niges beachten:

ErnährungVerboten sind vor allem Schweinefleisch, Esswarenaus Tierblut (z.B. Blutwurst) und Alkohol. Brot darfbei keiner Mahlzeit fehlen. Je nach Kulturkreis, ausdem die Familie stammt, werden Muslime von Ange-

hörigen im Krankenhaus mit Essen versorgt oderauch nicht.

KörperpflegeIm Islam hat Reinlichkeit große Bedeutung. Hierfürgibt es viele Vorschriften. Das bringt für Muslime, diebettlägerig sind, im Krankenhaus Probleme . Mankann z B im Bett nicht mit fließendem Wasser wa-schen. Doch einige Bedürfnisse kann man, wenn mög-lich, beachten. Wichtig dabei ist, dass Frauen vonFrauen gewaschen werden müssen und Männer vonMännern. Der Körper soll dabei nie ganz entblößtwerden, der Intimbereich bleibt immer bedeckt. Män-ner dürfen nach islamischem Gesetz keine Frauen pfle-gen. Muslimische Frauen haben durch Erziehung eingesteigertes Schamgefühl und lassen sich deshalb vonfremden Menschen äußerst ungern auskleiden undwaschen. Hier können Familienangehörige einsprin-gen. Das ist immer günstig, denn ein „Ungläubiger“kann einen „Gläubigen“ nicht „rein“ waschen.

Behandlung durch den ArztAuch ein „ungläubiger“ Arzt kann keinen „Gläubigen“behandeln. Für dieses Problem gibt es keine Lösung.Doch wenn ein Arzt aus medizinischen Gründen dasFasten im Ramadan oder das Beten außerhalb desBettes untersagen muss, so sollte er dies nicht direkttun, sondern einem Muslimen auftragen, den Patien-ten darüber zu informieren. Das ist wichtig, weil essich hierbei um einen direkten Eingriff in religiöse Ri-tuale handelt.

Der Tod wird in Gegenwart des Patienten nicht er-wähnt. Allah bestimmt den Zeitpunkt des Todes, undwenn Allah es so will, dann wird der Patient weiterle-ben. Der Arzt kann sagen, dass keine Hoffnung mehrbesteht. Diese Information ist wichtig, denn der Ster-bende und seine Familie müssen sich auf den nahen-den Tod vorbereiten.

SchmerzenSie werden intensiv und emotionaler erlebt als in un-serer Kultur und werden demonstrativ und unter Kla-gen gezeigt.

BesuchDer Koran sieht es als Strafe an, wenn ein Krankerallein gelassen wird, Einsamkeit und Traurigkeit sol-len nicht seine Begleiter sein. Je zahlreicher der Be-such, desto geehrter der Patient. Kranke Bettnach-

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In den letzten Jahren wurde im Ulmer Friedhof eine Abteilung für Muslime eingerich-tet, die Gräber sind nach Süd-Osten in Richtung Mekka ausgerichtet.

barn fühlen sich dabei oftdurch Lärm und Unruhe ge-stört, was zu starken Irrita-tionen im Nachbarbett füh-ren kann. Wichtig im Kon-takt mit Sterbenden ist dieVergebung von Schuld. Weran ihm schuldig gewordenist (Eifersucht, Verleum-dung, Betrug, Kränkung)muss jetzt um Vergebungbitten. Und wo der Ster-bende selbst schuldig ge-worden ist muss auch er umVergebung bitten. Für seineLebensführung auf Erdenwird er nach dem Tod be-lohnt, d. h. er kommt ins Pa-radies oder er wird bestraftund kommt in die Hölle.

SterbenDer Moment des Sterbens soll so bewusst wie mög-lich erlebt werden. So wird der Sterbende im Bettaufgesetzt, um zum letzten Mal das Glaubensbekennt-nis zu sprechen. Ist dies nicht mehr möglich, so wer-den ihm seine Angehörigen das Gebet ins Ohr flüs-tern.

Aktive Sterbehilfe lehnt der Islam ab, lässt aber zu,dass bei unheilbarer Krankheit auf künstliche Me-thoden der Lebensverlängerung verzichtet wird.

Nach Eintritt des TodesNahe Verwandte sollen dem Toten die Augen schlie-ßen, Fremde dürfen das nicht. Auch sonst ist die Ver-sorgung des Toten Aufgabe der Verwandten. Im Ul-mer Friedhof steht Muslimen ein Raum für rituelleWaschungen zur Verfügung. Frauen werden von Frau-en, Männer von Männern mit wohlriechendem Was-ser und Seife gewaschen. Der After wird mit Baum-wollgewebe verschlossen. Dabei geht man mit demToten sehr behutsam und mit Ehrerbietung um. Mannimmt an, dass an ihm noch ein Rest Leben „klebt“,so dass er noch hören und fühlen kann. Anschlie-ßend wird der tote Muslim in weiße Tücher gehülltund innerhalb von 24 Stunden ohne Sarg begraben,wobei das Gesicht gen Mekka gerichtet ist. Die Grä-ber dürfen niemals aufgelassen werden.

Die meisten hier lebenden Muslime lassen ihre Totenmit dem Flugzeug in ihre Heimat überführen. In denletzten Jahren wurde im Ulmer Friedhof eine Abteilungfür Muslime eingerichtet, da sich Muslime der 2. und3. Generation hier zu Hause fühlen. So können die Fa-milien jederzeit die Gräber besuchen und an Toten-Ge-denktagen am Familiengrab gemeinsam essen und trin-ken. Die Gräber sind nach Süd-Osten in Richtung Mek-ka ausgerichtet. Grabpflege ist nicht üblich – verständ-lich, da in den heißen muslimischen Ländern Blumensofort verwelken würden.

Wichtig ist ein achtsamer Umgang mit den Riten frem-der Religionen, so weit das möglich ist. Voraussetzungdafür ist ein achtungsvolles Verhältnis der Religionenuntereinander. Das sollten auch die hier lebenden Mus-lime bedenken, wenn sie Christen als „Ungläubige“ undals „unrein“ bezeichnen.

Gisela Stemshorn

Dank an Herrn Jüstl, von der Abteilung Friedhofs- und Be-

stattungswesen der Stadt Ulm, für die Informationen über

Bestattungen.

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verbannt. Und dieser Umstand macht es allen Beteilig-ten schwer, auf eine gute Weise mit dem Sterbeprozessumzugehen. Oft erfährt der Sterbende gar nicht, dasses mit seinem Leben zu Ende geht. Und oft wird er sobetrogen um die Möglichkeit, sich in angemessenerWeise auf seinen Tod vorzubereiten und vielleicht soauch noch zu einer letzten Reifungsphase in seinem Le-ben zu kommen. Und darauf hat jeder Mensch An-spruch, das gehört zu seiner Würde und zu seinen exis-tenziellen menschlichen Rechten.

Ohne ein offenes Verhältnis zu Tod und Sterben ist esaber auch für die Begleitenden schwer, bei dem Ster-benden in einer tiefen und echten Weise zu sein undihm wirklich nah zu sein. Und selbstverständlich spürtauch der Sterbende, wenn ein Sprechen über seinenwahren Zustand nicht wirklich geschieht. Er spürt, dasses mit ihm zu Ende geht und er spürt zugleich, dassniemand darüber sprechen will. Und so bleibt er insolchen Fällen allein mit seinen Gedanken und Zwei-feln, mit seinen Ängsten, Fragen und Sorgen. Wiekönnen wir das ändern?

Die Hospiz-Idee besagt im Kern: Wir wollen nieman-den alleine lassen, der auf den Weg geschickt ist, baldzu sterben. Kein Mensch möchte alleine gelassen wer-den, vor allem nicht in Zeiten der Not, des Leidens undder Bedrängnis. Aber das Sterben ist nun eine äußersteGrenzsituation, weil es hierbei um das Leben als Gan-zes geht.

Und gerade in dieser Situation braucht der Mensch lie-bevolle Unterstützung und vielleicht auch einen Seelen-führer (ein Verwandter, ein Freund oder ein Hospizhel-fer), der ihn begleitet und der dabei helfen kann, dassein letzter Wachstumsschritt ermöglicht wird. Eine sol-che letzte Phase des Reifens kann dann dazu führen,dass der Sterbende im Einklang und im Frieden mit sichist und vorbereitet und auch bereit ist, das Leben zuverlassen, um – vielleicht – in eine andere Welt hin-überzugehen. So könnte es im Idealfall aussehen.

Dem aber steht etwas machtvoll entgegen: Tod und Ster-ben nämlich sind immer noch große Tabuthema unsererGesellschaft. Wir haben den Tod aus unserem Leben

DAS LEBEN VERTIEFENDAS STERBEN LEICHTER MACHENDIE HOSPIZ-IDEE UND DAS TABUTHEMA „TOD“

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Niemand soll wegen seines Schweigens verurteilt wer-den, vielmehr geht es darum zu erkunden, warum es soschwer ist, über Tod und Sterben zu sprechen. Und esgibt natürlich auch Situationen, in denen Schweigen an-gemessen ist. Andererseits geschieht Schweigen aberoft aus Hilflosigkeit und weil natürliche Ängste im Wegstehen. Wenn wir das ändern wollen, ist also zu fragen:

1. Warum schrecken wir so sehr vor dem Tod und demSterben zurück?

Und dann 2. Wie können wir in ein freieres und offene-res Verhältnis zum Sterben gelangen?

Warum weichen wir vor dem Tod zurück?

Wenn wir uns unsere Endlichkeit bewusst vor Augenführen oder wenn sie uns durch äußere Umstände be-wusst wird, dann können uns verschiedene Gefühle undStimmungen überkommen, die als sehr belastend oderbedrohlich erlebt werden. Ich möchte ganz kurz vierdavon umreißen.

TrauerAngesichts unserer Endlichkeit geraten wir in einen Zu-stand tiefer Trauer. Durch den Tod müssen wir die unsvertraute Wohnstätte hier auf Erden verlassen. Und wirverlassen damit das Leben als Ganzes. Wir verlassenalles, was uns lieb und teuer ist und alle damit verbun-denen Hoffnungen. Allerdings – und das ist ein tröstli-cher Aspekt – hat auch das Leiden da sein Ende.

Sorge (darum, dass das Leben gelingt)Angesichts seiner Endlichkeit sorgt sich der Menschdarum, ob sein Leben gelingen wird. Ich habe eben nureine begrenzte Zeit zur Verfügung, um das, was meinLeben ausmachen soll, zu erreichen. Und so sorge ichmich darum, dass mein Leben glückt. Und weil es dabeium das unwiederholbare Leben als Ganzes geht, stehtdabei offenbar eine Menge auf dem Spiel.

Hilflosigkeit, OhnmachtDurch den Tod erfahren wir die Grenze unsere Mach-barkeit, die Grenze der technisch-wissenschaftlichenWelteinstellung. Diese besagt: Alles ist machbar. Wirkönnen alles herstellen, reparieren, erneuern, verändern.Alles ist verfügbar für unseren Gebrauch. Das ist unse-re alltägliche Sichtweise. Aber der Tod bricht radikalmit dieser Welteinstellung. An der Grenze des Mach-baren aber sind wir hilflos, fühlen uns ohnmächtig. Wirhaben verlernt, die Anfälligkeit des Lebens anzuerken-nen. Wir übersehen zumeist, dass wir über das Leben

und den Tod nicht verfügen. Hier stoßen wir auf eineradikale Grenze der Machbarkeit. Mit dem Tod kön-nen wir nichts anfangen, wir können ihn nur zulassen.

AngstEs ist die Angst vor dem gänzlich Ungewissen, vor dem,was im Augenblick des Todes und danach sein wird,die Angst vor dem, was kommt, vor dem Nichts, odervor einer überirdischen Ordnung, die wir nicht kennen.Als Christen glauben und hoffen wir auf eine Erlösung,aber wissen können wir das nicht, und wir können unsdiese Welt nicht vorstellen. – Die Folge dieser Angst istoft eine Verdrängung des Todes durch Flucht in die Zer-streuung, in Ablenkung, Sucht, Oberfläche, Amüsement.

Wie kann die Begegnung mit dem Tod leichterwerden?

Man kann ganz verkürzt sagen: Was dem Lebendendient, das hilft auch dem Sterbenden. Oder etwas an-spruchsvoller: das Leben zu vertiefen bedeutet, das Ster-ben leichter zu machen. Das ist die Leitlinie meiner fol-genden, abschließenden Überlegungen.

Erfülltes LebenWas angesichts der Bedrohung durch Tod und Sterbenhilft, ist ein erfülltes Leben. Menschen, die ein erfülltesLeben hatten, sterben leichter. Sie haben nicht das Ge-fühl, etwas verpasst oder versäumt zu haben, etwasunerledigt zu lassen. – Dazu kann man ein kurzes Ge-dankenexperiment machen. Stellen Sie sich einmal vor,für ein paar Augenblick nur, dass Ihr Leben zu Endegeht. Und Sie schauen nun noch einmal zurück auf IhrLeben als Ganzes, das in gewisser Weise abgeschlos-sen ist. Und nun stellen Sie sich einmal die Frage: Wofürhabe ich in meinem Leben zu viel Zeit aufgebracht? Wasin meinem Leben hat zu viel Zeit in Anspruch genom-men? Und dann stellen Sie sich noch eine zweite Frage:Wofür hätte ich gerne mehr Zeit gehabt? Was ist das inmeinem Leben, wofür ich gerne mehr Zeit gehabt hät-te? Aus diesen Fragen ergibt sich oft ein Anhaltspunktdafür, was ich in meinem Leben noch ändern will, wiemein Leben noch erfüllter werden kann.

Endlichkeit bedenkenSich mit der eigenen Endlichkeit zu beschäftigen führtdazu, dass wir mit diesem Thema vertraut werden. Wennich den Tod hin und wieder bedenke und in mein Lebeneinbeziehe, verliert der Gedanke an das eigene Sterbenetwas von seinem Schrecken. Günstig sind dafür vorallem Gespräche mit Menschen, die mir nahe sind. Das

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IMPRESSUM

REDAKTIONDorothea Kleinknecht, Wolfgang Müller,Ruth Schultheiß, Claudia Schumann, Gisela Stemshorn

FOTOSWolfgang Müller (4), zzb (4),Archiv (17), SWP Ulm (2), privat (2)

HERAUSGEBERHospiz Ulm e. V.Zeitblomstraße 27,89073 UlmTelefon 0731 66622Telefon Geschäftsleitung 0731 6026273Fax 0731 [email protected]

Stationäres Hospiz Agathe StreicherZeitblomstraße 4389073 Ulm(im St.-Anna-Stift)Telefon 0731 1517702

SPENDENKONTOSparkasse UlmKonto Nr. 286783BLZ 630 500 00

BÜROZEITENMontag bis Freitag von 8:00 bis 12:00 UhrAuch an Feiertagen und Wochenenden wird derAnrufbeantworter abgefragt.

GESTALTUNGWolfgang Müller

DRUCKdigitaldruck.leibi.de

Erscheinungsweise: jährlich

ständige Begrübeln meiner Todesängste in der Einsam-keit dagegen macht die Sache meist nur schlimmer.

Ein lebenslanger ProzessDie Beschäftigung mit der eigenen Sterblichkeit solltebehutsam und schrittweise geschehen. Das kann - undsollte auch - ein lebenslanger Prozess sein. Wir wach-sen dann langsam darin, den Tod anzunehmen und denTod als etwas Natürliches zu verstehen. Vielleicht kanndann – schrittweise und im Laufe der Zeit - etwas ent-stehen, das alle Menschen als etwas Erstrebenswertesbetrachten: im Einklang mit sich zu sein, Frieden mitsich zu finden, sich mit der eigenen Sterblichkeit auszu-söhnen.

AchtsamkeitBewusster und mit mehr Achtsamkeit zu leben ist einweiterer Schritt auf diesem Weg. Über manche Ereig-nisse oder Wahrnehmungen gehe ich einfach hinweg,ohne zu merken, dass es glückliche Momente sind. Je-des Erleben vertieft sich, wenn ich es bewusst und mitAchtsamkeit wahrnehme.

GegenwartGlück findet immer in der Gegenwart statt. Viele Men-schen arbeiten ein Leben lang für ihr Glück, das immerin einer unbestimmten Zukunft liegt und kommen dochnie an ihr Ziel. Aber alles, was ich für das Glück brau-che, das ist schon da. Ich habe es schon in mir. Ichmuss es nur aufspüren und entfalten.

BeziehungenWas der Mensch in seinem Leben als ganz besondersbedeutsam erfährt, das sind tiefe, echte Beziehungen zuanderen Menschen. Wenn es uns möglich ist, mit einemanderen Menschen Nähe teilen zu können, dann ist dafürimmer jetzt die richtige Zeit. Warum sollten wir auchdas, was uns und anderen gut tut, aufschieben?

Eine Spur hinterlassenJeder Mensch vermag es, eine Spur durch sein Lebenzu hinterlassen. Dabei kommt es nicht auf die großenWerke an, sondern mehr auf die Ausstrahlung, die ichauf andere Menschen habe. Kann ich ein wenig Lichtsein für andere oder kann ich dadurch, dass ich da bin,ein wenig Wärme geben? Kann ich die Welt ein ganzklein wenig menschlicher, bewohnbarer machen? Be-gegne ich dem anderen mit Mitgefühl, verhelfe ich zueiner Klärung, gebe ich Orientierung oder trage ich zueiner friedlichen Atmosphäre bei? All das ist für die Sinnevielleicht nicht sichtbar, aber es bringt etwas in die Welt,

das nicht mehr vergeht, das vielleicht sogar Früchte trägtwie ein Samenkorn.

Sterben kann man nicht lernen wie man einen Beruf lernt.Aber das Leben selbst kann auf das Sterben vorberei-ten, wenn wir dem Tod einen Platz im Leben einräu-men, und wenn wir erfüllt, aus uns selbst, authentischund achtsam leben, und wennwir unsere Beziehungen friedlichund mit so viel Nähe wie mög-lich zu gestalten vermögen.

Dr. Martin FrankenPhilosophund Psychotherapeut

Obiger Artikel erschien im: BUNDES-HOSPIZ-ANZEIGER 27 2008/01 (c) www.hospiz-verlag.de

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EINE ERFOLGSGESCHICHTEARBEITSKREIS FINANZIERUNGUND MITTELBESCHAFFUNG

Mal ehrlich - wer von uns hätte so kühn zu träumengewagt, damals im November 2006 in Senden wäh-rend einer Klausurtagung, auf der das Projekt „Einneues Haus für das Ulmer Hospiz“ endgültig ange-schoben wurde? Zu träumen, dass unsere Wünscheund Hoffnungen auch in Gelddingen und Finanzierungs-fragen nicht völlig abgehoben, sondern tatsächlich re-alistisch waren und sich in überschaubarer Zeit ver-wirklichen lassen würden? Die Aufgabe war ja docheine ganz schöne Herausforderung. Umso größer istnun der Stolz auf das, was in der Zwischenzeit er-reicht wurde.

Während der Sendener Klausurtagung Ende 2006waren die Aufgaben für das Hausprojekt auf zwei Ar-beitskreise verteilt worden. Ein Arbeitskreis sollte sichum die inhaltlichen und bauplanerischen Fragen küm-mern - wie muss ein künftiges Ulmer Hospizhaus aus-sehen, was muss in jedem Fall vorhanden sein, wor-auf kann notfalls verzichtet werden, wie sollten die Räu-me gestaltet werden, welche Bereiche der Hospizar-beit können wie einander zugeordnet werden?

Der zweite Arbeitskreis wurde mit der scheinbar we-niger dankbaren Aufgabe betraut: die Finanzierung desProjektes zu ermöglichen. Ein neues Haus würde sichHospiz Ulm nicht aus eigener Kraft leisten können,sondern es war klar, dass wir auf Spenden, Stiftun-gen, Hilfe und Unterstützung in einem sehr großen Maßangewiesen sein würden.

Bald danach haben wir mit zwölf Mitgliedern im Ar-beitskreis Finanzierung die Arbeit aufgenommen undzunächst einige grundsätzliche Fragen überlegt: Umwelchen Geldbetrag geht es eigentlich und welcher Teildavon ist realistischerweise über Spenden oder Stif-tungen in einer begrenzten Zeit aufzutreiben? Und: Wiekönnen wir dieses große Vorhaben auch dazu nutzen,um für die Hospizarbeit in Ulm in all ihren Facetten zuwerben und die Hospizidee weiter zu verbreiten?

Es wurde rasch klar, dass wir eine umfangreiche undmutige Fundraising-Kampagne in einem festgelegtenZeitraum von zwei Jahren durchführen wollten. Ein ers-tes Konzept wurde erstellt. Ziele, Methoden, Regeln

und Verantwortlichkeiten wurden beschrieben und mitdem Vorstand besprochen.

In dieser Zeit wurde deutlich, dass Hospiz Ulm eineÜberarbeitung seines Erscheinungsbildes benötigt, umseine Botschaft klar und eindeutig vermitteln zu kön-nen. Eine Verkürzung des Vereinsnamens, ein neuesLogo, ein attraktiver und aktueller Internetauftritt, an-sprechende und interessante Materialien würden be-nötigt werden. Die Kampagne sollte einen gut erkenn-baren Anfang durch eine große Auftaktveranstaltungbekommen.

Vor diesem Hintergrund fiel die Entscheidung des Vor-standes, die Agentur zbb (Zambrino Buck Baumgärtel)in Ulm mit der Entwicklung eines neuen Erscheinungs-bildes für Hospiz Ulm zu beauftragen. Um einenmöglichst breiten Konsens zu erhalten wurden EndeApril 2007 alle Haupt- und Ehrenamtlichen zu einemeintägigen Workshop mit den Mitarbeitern von zbb ein-geladen. Im Abschlussbericht der Agentur zbb findetsich eine kleine Liebeserklärung an die Ulmer Hospiz-gruppe, die den Lesern des Rundbriefes nicht vorent-halten werden darf: „Die Begeisterung der Mitarbeiter-innen und Mitarbeiter springt regelrecht auf uns über.Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind mit Herz, Elanund Überzeugung für das Hospiz tätig, das darf und sollauch in der Kommunikation ausgedrückt werden. Esist eine wichtige, aber auch schöne und sehr befriedi-gende Arbeit, die hier von Allen geleistet wird.“

Im Frühsommer 2007 ging es nun zügig voran: In derMitgliederversammlung wurde die vorgeschlagene Na-mensänderung in Hospiz Ulm e.V. einstimmig angenom-men. Relativ schnell und einhellig wurde auch das neueHospiz-Logo mit dem auffliegenden Vogel ausgewählt.

Die Planung für die vorgesehene Auftaktveranstaltungam 14.September lief in der Zwischenzeit auf vollen Tou-ren. Birgit Slave hatte die großartige Idee, eine riesigeSteinspirale auf dem Münsterplatz als Symbol für dieHospizarbeit zu legen. In der Zwischenzeit konnten wirden Konzertveranstalter Michael Köstner mit seiner Fir-ma livekonzepte gewinnen. Er leistet uns erstklassigeund professionelle Unterstützung bei der Organisationund Durchführung dieser und weiterer Großveranstal-tungen.

Gleichzeitig waren wir gemeinsam mit der Ulmer Wohn-und Siedlungsgesellschaft (UWS) mit unseren konkre-

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ten Planungen für einen Hospiz Neubau am Eselsbergbeschäftigt. Unsere Hoffnung auf einen baldigen Bau-beginn wurde allerdings deutlich gedämpft, als der Auf-sichtsrat der UWS in seiner Sitzung am 13.7.07 be-schloss, dass mit dem Hospiz Neubau erst begonnenwerden kann, wenn der Verein mit 1,7 Mio. Euro Ei-genkapital in Vorleistung geht.

Jetzt waren unser Optimismus und unsere Tapferkeiterst recht gefragt!

Wir waren daher in den darauf folgenden Wochen sehrdankbar dafür, dass die Ulmer Lokalpresse das Anlie-gen der Hospizarbeit in umfangreicher Weise aufgegrif-fen und in ihren vielfältigen Aspekten dargestellt hat.

Und dann kam der Tag der Auftaktveranstaltung amFreitagnachmittag, 14. September 2007 auf dem Ul-mer Münsterplatz: Alles lief ganz so, wie Hospiz Ulmdas einfach kann – fröhlich, freundlich, stimmungsvollund oben drüber ein strahlend blauer frühherbstlicherHimmel voller Sonnenschein. Viele helfende Hände ausdem Kreis der ehren- und hauptamtlichen Mitarbeiterhatten alles vorbereitet. Als dann Jo Kraus vom Turmdes Münsters die Veranstaltung mit seiner Trompete er-öffnete, senkte sich für kurze Zeit eine konzentrierte Stilleauf den zuvor noch geschäftigen Platz. Nach den An-sprachen des Oberbürgermeisters Gönner, der Vorsit-zenden Gräfin Reuttner sowie Herrn Dr. Hartung vomFörderverein entstand rasch eine große Spirale aus ge-

spendeten Steinen. Viele Passanten blieben stehen, in-teressierten sich für den Anlass der Veranstaltung, spen-deten Steine, aßen, tranken und hörten der Musik zu.Die zunehmend tiefer stehende Sonne schickte ihreschrägen Strahlen über den Münsterplatz, auf dem Kin-der mittlerweile die Spirale als Laufsteg für ihr Spielentdeckt hatten.

Ein wunderschöner und gelungener Auftakt.

Ende September die große Überraschung: Wir warenauf völlig unerwartete, aber ziemlich überwältigendeWeise mit unseren Bemühungen erfolgreich gewesen.Unsere öffentliche Kampagne für ein eigenes Hospiz-haus hatte sich mit den Überlegungen von Frau Dr.Großpeter-Bertele und Herrn Dr. Großpeter über-kreuzt, was aus dem Gebäude ihrer bisherigen chirur-gisch-orthopädischen Klinik am Michelsberg werdensollte, nachdem sie sich für deren Schließung zum Jah-resende 2007 entschieden hatten. Ihr weiterer Ent-schluss war gefallen:

Der Ulmer Hospizstiftung soll das ganze Klinikgebäu-de für Hospizzwecke gestiftet werden.

Nach einem kurzen Moment einer ersten freudigen Ver-blüffung wurde allerdings klar, dass die Aufgabe desArbeitskreises Finanzierung damit keineswegs abge-schlossen war. Für den erforderlichen Umbau sowiedie Wärme-Isolierungsarbeiten am Gebäude am Mi-chelsberg sind erhebliche weitere Finanzmittel notwen-

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dig. Der gute Schwung, den der Arbeitskreis jetzt auf-genommen hatte, konnte und sollte erhalten bleiben.

Im November 2007 ging es daher weiter mit der Pla-nung für einen Kinderhospiztag am 10. Februar sowiefür ein Benefizkonzert von Annett Louisan am 11. Feb-ruar 2008 im CCU, die beide in der Zwischenzeit mit tollem Erfolg durchgeführt wurden. Am Sonntagnach-mittag wuselte es im Haus der Begegnung von enga-gierten Kindern und Jugendlichen mit vielen schönenmusischen und akrobatischen Beiträgen zum Kinder-hospiztag. Am folgenden Abend war das Congreßcen-trum randvoll mit 1 400 Besuchern des von MichaelKöstner organisierten Konzertes zugunsten des Hospi-zes.

So macht das Spaß, so kann es jetzt grad weiterge-hen...

Und es wird weitergehen: Am 23. April 2008 wird imWiley Club in Neu-Ulm ein Candle Light Dinner zu-gunsten des Hospizes stattfinden.

Am 30. Mai folgt ein Kammerkonzert im Stadthaus undam 10. Dezember gibt Dieter Hildebrandt einen Kaba-rettabend zugunsten von Hospiz Ulm. Unsere Ideen-kiste ist noch voll mit weiteren Projekten, lassen Siesich überraschen ...

Und wer steckt nun hinter diesem Arbeitskreis? Clau-dia Schumann, Birgit Fredl und Andrea Müller-Götz

als hauptamtliche Mitarbeiterinnen, Wolfgang Müller,Johann Pleichinger, Uschi Fuchs, Josefine Hartmann,Gisela Stemshorn und Renate Lauer-Mahrla als Ehren-amtliche haben unermütlich dieses Projekt vorangetrie-ben, Birgit Slave hat mit ihren tollen Ideen und demKinderhospiztag ganz Entscheidendes beigetragen.

Für den Vorstand, insbesondere Gräfin Reuttner undFrau Markmiller sowie mich,war es daher eine besondereFreude, in diesem Arbeitskreismitwirken zu dürfen.

Gerhard Hege-ScheuingStellvertretender Vorsitzender

Menschen sind Engel

mit nur einem Flügel,

um fliegen zu können,

müssen sie sich umarmen.

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ZAHLENRÜCKBLICK AUF 2007

EHRENAMT

Im Jahr 2007 waren insgesamt 112 ehrenamtliche Mit-arbeiterInnen für die Hospizarbeit im Einsatz.

Im Laufe des Jahres wurden 117 Menschen in ihrerhäuslichen Umgebung begleitet. Darüber wurden1971 Stunden dokumentiert. Durch diese Begleitungkann dem Wunsch vieler Menschen entsprochen wer-den, ihre letzte Lebensphase zu Hause in ihrer gewohn-ten Umgebung zu verbringen. In diesen Zahlen sind auchdie Begleitungen enthalten, die über den ambulantenKinderhospizdienst liefen. Es wurden 4 Familien be-gleitet, in denen Sterben und Tod ein zentrales Themawar. Es wurden darüber 343,5 Stunden festgehalten.

GESPRÄCHE ÜBER DEN TODRELIGIONSUNTERRICHT UNDPROJEKTTAGE IM GYMNASIUM

Oft finden vor den großen Ferien Projekttage statt: dassind drei zusammenhängende Tage, an denen Zeit ist,um ein Thema weit auszubreiten und sich intensiv damitzu befassen. Eine Lehrerin ging eigene Wege, mit derUnterstützung durch Hospiz Ulm. Sie bot ihren Schü-lern an, sich mit einem Thema zu befassen, das nichtüblich ist in den Tagen vor den Sommerferien:„Gespräche über den Tod“.

16 junge Leute (zwischen 13 und 18 Jahre alt) interes-sierten sich dafür. Sie waren dem Tod noch nicht be-gegnet, höchstens vielleicht beim Sterben eines liebge-wordenen Haustieres….was mag sie wohl dazu bewo-gen haben, dieses Projekt auszuwählen?

Auf unterschiedliche Weise näherten sich die Schülerdem Thema. Der erste Tag führte auf den Ulmer Fried-hof, der mit seiner Weite, seiner vielfältigen Landschaftund den unterschiedlichst gestalteten Gräbern Anregunggab zu Gedanken über Nähe und Ferne, Tod, Sterbenund Trauer. Bei diesem Spaziergang kamen die Schülerleicht und frei miteinander ins Gespräch, und viele Fra-gen tauchten auf:

Was bewegt wohl die Menschen beim Verlust von nahestehenden Verwandten und Freunden?

Am zweiten Projekttag war eine Mitarbeiterin von Hos-piz Ulm zu Gast. Hier war Gelegenheit, mit einer erfah-renen Frau über all das zu reden, was der Tag zuvoraufgewühlt und in Bewegung gebracht hatte: wie ist das,wenn ein Mensch stirbt? Tut das weh? Was kann mandenn tun, damit es nicht so schwer ist? Warum gibt esden Hospizverein? Was sind das für Leute, die da mit-arbeiten? Warum tun sie das? Wie kann man denn da-mit umgehen, wenn jemand gestorben ist und alle sotraurig sind? Warum spricht man mit Kindern und Ju-gendlichen so wenig über den Tod?

Es entstand eine sehr aufmerksame, nachdenkliche At-mosphäre im Klassenraum.

Ein Ausflug ins Kunstmuseum Heidenheim schloss dasProjekt ab. In der Eingangshalle zeigt ein großer far-benstarker Glasfries die „Toteninsel“ – eine erstaunli-che, gleichwohl uralte mythische Verbindung von Tod

und Sterben mit dem Element Wasser!

Dies waren drei ganz verschiedene und bewegendeZugänge zu dem gewählten Projekt-Thema. Die Schü-ler und Schülerinnen empfanden Bereicherung nach die-sen drei Tagen und gingen sicherlich nachdenklich inihre Sommerferien…

Es ist etwas Besonderes daran, mit jungen Leuten überdas Ende des Lebens zu sprechen. Es erscheint ihnenso fern, und doch ist deutlich zu spüren, wie sehr es siebewegt! Wenn im Religionsunterricht das Thema „Ster-ben und Tod“ im Lehrplan steht, rufen Religionslehrergerne im Hospizbüro an, um Unterstützung für die Ge-staltung ihrer Stunden zu bekommen. Gerne sind wirdazu bereit! Und immer entstehen dabei erstaunliche,intensive, wichtige Gespräche zwischen der Referentinund den Schülern – die aufmerksame, konzentrierte Stilleverwundert manchmal; traut man sie den Schülern heu-te kaum noch zu! Ganz deutlich wird auf jeden Fall,dass Kinder und Jugendliche sich von den Erwachse-nen allein gelassen fühlen, wenn das Gespräch über denTod ausgeklammert wird.

Vielleicht ermutigen die beglückenden Erfahrungen ausdem Schulunterricht dazu, dass Alt und Jung miteinanderüber das Leben und den Tod sprechen und ihre Gefüh-le teilen!

Margret Kopp und Dorothea Kleinknecht

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Es war ein anstrengendes, turbulentes und intensives Jahr.

Die durchschnittliche Belegung der 6 Betten war mit88,4 % sehr hoch.Trotzdem waren es mehr als 35 Per-sonen, die die Aufnahme zwar dringend wünschten, abersich nicht vorstellen konnten, in einem Doppelzimmerihre letzte Lebensphase zu verbringen.So war es für unseine wunderbare Neuigkeit, als wir erfuhren, wir bekom-men ein Gebäude gestiftet.Jetzt ist uns eine Vergröße-rung schneller möglich, um mehr Plätze und nur Einzel-zimmer anbieten zu können. Denn trotz der hohen Auf-nahmezahlen musste ich auch immer wieder hören: „ Esist wie ein 6 er im Lotto, im Hospiz einen Platz zu be-kommen.“

Wir freuen uns, dass es absehbar ist, für den steigendenBedarf ein vergrößertes und verbessertes Angebot zuhaben.

Martina SengPflegedienstleiterin

242

81

62

68

147

STATIONÄRES HOSPIZ

Das Angebot einer Begleitung besteht auch über denTod hinaus für die Zurückgebliebenen. Die Trauerar-beit wird von den ehrenamtlich Mitarbeitenden in ver-schiedenen Möglichkeiten angeboten, z.B. Einzelbe-gleitungen, eine offene Begegnung im Gesprächscafefür Trauernde jeden 1. und 3. Freitag im Monat, festeTrauergruppen oder einzelne Aktivitäten wie Wandern,Malen und gemeinsames Kochen. Es wurden in die-sem Bereich 292 Stunden festgehalten.

Nächtliche Sitzwachen bieten wir in verschiedenenPflegeheimen an. Dies bedeutet, dass wir nach Ab-sprache mit dem Bewohner, dem Pflegepersonal, denAngehörigen und sonstigen Ansprechpartnern nachtsden Sterbenden besuchen und ihr/ihm unsere Beglei-tung in der letzten Lebensphase anbieten. Es wurdenim vergangenen Jahr 56 Menschen besucht. Dies wa-ren 179 Einsätze mit insgesamt 1097 Stunden. Mitfolgenden Heimen arbeiten wir zusammen: ASB Seni-oren-Residenz Ulm, AWO Seniorenzentrum “AlfredSchneider Haus“ (Neu-Ulm), BRK Ludwigsfeld, Al-tenzentrum Clarissenhof, Dreifaltigkeitshof, Elisabe-thenhaus, Pro Seniore Residenz Friedrichsau, St. Anna-Stift, Seniorenstift St. Michael (Neu-Ulm) und Alten-und Pflegeheim Wiblingen.Im stationären Hospiz Agathe Str eicher unterstüt-zen die Ehrenamtlichen die Hauptamtlichen (Kranken-schwestern und eine Sozialpädagogin) im Alltag so-wohl im hauswirtschaftlichen Bereich als auch in derpsychosozialen Begleitung. Bei Bedarf kann auch Un-terstützung in der eigentlichen Pflege der Gäste erfol-gen. Über diese umfangreiche Hilfe wurden 2008,5Stunden dokumentiert.

Die ehrenamtlichen MitarbeiterInnen ihrerseits werdenin ihrer Arbeit durch regelmäßige Supervisionen undHospiztreffs begleitet und unterstützt. Die Teilnahmean diesen Angeboten wurde mit 1162 Stunden ange-geben.

Im Bereich der Fortbildungen und der Öffentlich-keitsarbeit kamen 978,5 Stunden zusammen.

Folgende öffentlichen Veranstaltungen fanden statt:

Vorträge an der Uni und an den Unikliniken:11 x

Vorträge an Pflegeschulen: 7 x

Vorträge in Vereinen, Schulen, sonstiges: 26 x

Seminare: 5 x

Vorträge Patientenverfügungen im Büro: 6 x

Vorträge Patientenverfügungen außerhalb: 15 x

Feste/ Benefizveranstaltungen: 3 x

Den größten Anteil der ehrenamtlichen Arbeit macht die„Hintergrundarbeit“ aus: in Besprechungen, Sitzun-gen, im Büro, in der Vorstandarbeit sind 3155,5 Stun-den dokumentiert worden.

Insgesamt sind im vergangenen Jahr in großer Einsatz-bereitschaft 10664,5 Stunden zusammengekommen, diefür den Hospizgedanken geleistet wurden.

Imogen Saß(Dipl. Sozialarbeiterin)Koordinatorin

216

63

48

54

120

Anmeldungen insgesamt

Tatsächliche Aufnahmen

Vorläufig nach Hause

Vor Aufnahme verstorben

Erstbesuche

2002

152

46

39

33

87

2003

174

56

43

43

102

2004

212

69

57

46

117

2005 2006 2007

205

69

37

64

130

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EIN GESPRÄCH MIT DEN FRAUEN DEREINSATZLEITUNG

Das sind die Hospiz- MitarbeiterInnen, die dafür sor-gen, dass Begleitungen Sterbender und ihrer Angehöri-gen überhaupt zustande kommen!

Wie alle anderen Bereiche unseres Vereins, so hat sichauch die Einsatzleitung in all den Jahren verändert undweiter entwickelt. Früher, in den Anfangszeiten, als dasBüro nur teilweise besetzt war, teilten sich zwei Frauendiese so wichtige Aufgabe: mit den Menschen, die eineBegleitung brauchen, den ersten Kontakt herzustellenund danach den Einsatz zu vermitteln und zu beobach-ten.

Die Einsätze für ambulante Begleitungen und für Sitz-wachen in den Pflegeheimen wurden in den Anfangs-zeiten ganz separat organisiert, heute geschieht das ge-meinsam.

Es gehören 7 Frauen zum Team der Einsatzleitungenund sie verkörpern viele Jahre Hospiz-Erfahrung.

Im Gespräch mit einigen aus diesem Team ist mir erstso richtig klargeworden, was für eine anspruchsvolleund vielschichtige Arbeit sich hinter dem Begriff „Ein-satzleitung“ verbirgt. Es ist ja bei weitem nicht nur dasAnnehmen von Anrufen (und dafür viel Zeit freizuhal-ten), sondern vor allem das Fragen und Hören, sodasssich im Laufe des Gesprächs ein möglichst klares Bildergibt:

Wer ist das, der/die angerufen hat?

In welcher Situation befindet sich dieser Mensch undsein Umfeld?

Auf welche Krankheit muss man sich einstellen?

Was wird gewünscht? Brauchen die Kranken dieBegleitung oder deren Angehörige?

HÖRENFRAGEN

VERMITTELNBEGLEITEN

Wie viel Zeit muß wohl eingebracht werden – tags,nachts?

Wenn sich am Telefon das Bild und der Bedarf nochnicht ausreichend geklärt hat, dann wird der Erstbe-such vereinbart; dazu gehen jeweils zwei Personen ausdem Team zu den Menschen, die eine Begleitung wün-schen. Dieses Gespräch erfordert viel Einfühlungsver-mögen und Rücksicht, und die Kunst, geschickt zu fra-gen und zu beobachten – es ist ja immer eine besonde-re, heikle Situation, in die man da hineinkommt. DieEinsatzleitungen müssen auch klar benennen, was eineHospizbegleitung ist und was nicht (wir leisten keinePflege); dass wir auch nach dem Tod noch für die An-gehörigen da sind, wenn sie das wünschen.

Danach müssen die Ehrenamtlichen gefunden werden,die am besten in diese Familie, zu der Person passen:das ist oft eine langwierige Suche!

Wer passt zu den Menschen, die angerufen haben?

Wer wohnt in der Nähe (sodass nicht zu viel Zeit fürdie Fahrten aufgewendet werden muss).

Wer hat gerade Zeit?

Welche besonderen Einschränkungen und Vorliebenhaben die Ehrenamtlichen? (Können sie Hunde er-tragen, sofern im Haus vorhanden…?)

Die Einsatzleitung vereinbart einen ersten Besuch ge-meinsam mit dem/der Ehrenamtlichen und bleibt für diegesamte Zeit des Einsatzes die Ansprechperson. BeiProblemen können sich die Ehrenamtlichen also immeran „ihre“ Einsatzleitung wenden. In besonders an-spruchsvollen Situationen bieten wir auch eine „Tan-dembegleitung“ an – das heißt, zwei Ehrenamtliche tei-len sich die Begleitung und stehen natürlich in engemAustausch dabei.

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Jeder Mensch ist ein Haus

mit vier Räumen – ein körperlicher,

ein geistiger, ein emotionaler und

ein spiritueller Raum.

Die meisten von uns leben die ganze

Zeit in einem Raum, aber wenn wir

nicht jeden Tag in jeden Raum gehen,

und sei es nur, um zu lüften, bleiben

wir unvollständige Menschen.

Indisches Sprichwort

Bei Anfragen nach einer Sitzwache im Pflegeheim istdie Suche etwas einfacher, aber nicht weniger zeitrau-bend, da ja meist noch am selben Abend eine Beglei-tung gebraucht wird. Hier stehen die Ehrenamtlichen inregelmäßigem Austausch mit der Einsatzleitung: Wirdfür die nächste Nacht noch jemand gebraucht? Solltewährend der ganzen Nacht jemand am Bett sitzen oderreicht es, wenn man nur in der ersten Hälfte der Nachtda ist?

Man kann sich ziemlich leicht vorstellen, welche Vor-aussetzungen die Arbeit in der Einsatzleitung erfordert:

Viel Zeit,

gutes Organisationsvermögen,

ausgeprägte Kommunikationsfähigkeit,

Einfühlungsvermögen, Diskretion,

Verbindlichkeit.

Organisatorisch ist die Einsatzleitung folgendermaßengeregelt:

Jeweils von Freitag bis Freitag hat eine Person aus demTeam Dienst und nimmt die Anrufe entgegen. Bisherwurden diese auf das private Telefon umgeleitet, abermittlerweile gibt es ein eigenes Handy für die Einsatz-leitung, sodass die Privatsphäre entlastet werden kann!

Diese Woche teilen sich die Team- Mitglieder selberein und halten sie von allen anderen Verpflichtungen frei,so gut es geht. Dennoch können sie natürlich auch inden „freien“ Wochen angerufen werden, um Problemezu klären.

Das Team trifft sich alle 4 Wochen, an der Supervisionnehmen sie alle 8 Wochen teil.

Welche Wünsche haben die Einsatzleitungen an dieEhrenamtlichen?

Sie mögen doch bitte rechtzeitig melden, ob und wannsie in Urlaub sind oder sonst wie verhindert oder nichteinsatzfähig– das erspart viele unnötige Anrufe…

Mir bleibt nur noch, meinen großen Respekt auszudrü-cken vor allen, die früher die Leitung der Begleitungs-Einsätze organisiert haben und/oder das heute tun!

„Es macht Freude“ war die einhellige Äußerung – sonstwürde das auch nicht so gut funktionieren. Möge dieseFreude noch lange lebendig bleiben!

Dorothea Kleinknecht

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Übergabe der großzügigen Spende in Höhe von 50.000,-Euro der Ulmer Bürger Stiftung an Hospiz Ulm.

AUS DER ARBEIT DES VORSTANDES

Wie schon mehrfach berichtet hat die in Ulm bekannteFamilie Dr. Großpeter-Bertele ihre Klinik am Michels-berg geschlossen und die Immobilie in die Ulmer Hos-pizstiftung eingebracht als Heimstatt für den VereinHospiz Ulm e.V. beziehungsweise das stationäre Hos-piz Agathe Streicher. Es liefen viele Gespräche undBeratungen zwischen der Stifterfamilie und der UlmerHospizstiftung, um einen für beide Seiten passendenStiftungsvertrag zu erarbeiten.An dieser Stelle sage ich Herrn Dr. Hartung, dem Vor-sitzenden unseres Fördervereins, herzlichen Dank fürseine sehr wirkungsvolle Vermittlung, Beratung undBegleitung.Der Zustiftungsvertrag konnte am 31.12.2007 unter-schrieben werden und ist nun auch vom Regierungs-präsidium Tübingen genehmigt.Eine weitere Besonderheit im Geschäftsjahr 2007 warauch die große Spendenbereitschaft der Bürger von Ulm/Neu-Ulm. Es machte sich in beeindruckender Weisebemerkbar, wie deutlich die Arbeit der Ulmer Hospiz-einrichtung in der Bevölkerung wahrgenommen und ge-schätzt wird. Allein aus drei Vermächtnissen erhieltenwir im vergangenen Jahr EUR 106.500,.— für dieHospizarbeit, dazu kamen viele, viele Einzelspenden,oft aus Anlass eines Geburtstages, eines Jubiläums odereines Todesfalls.Die Mitteilung in der Presse, dass wir einen Baukos-tenzuschuss 1,7 Millionen Euro für das damals geplan-te neue Hospizhaus würden aufbringen müssen, veran-lasste einen Ulmer Geschäftsmann, uns spontan EUR50.000,— hierfür zu spenden als Zeichen der Solidari-tät mit unserer Arbeit.Aber der absolute Höhepunkt war für uns dann dieSpende von Herrn Helmut Kastner in Höhe von EUR400.000.— für die, wie er sich ausdrückte, sicher not-wendigen Umbau- und Sanierungsarbeiten in der Kli-nik Bertele. Diese Geste war für uns überwältigend –mir kamen vor Überraschung und Freude die Tränen.Ich weiß, den Kolleginnen und Kollegen im Vorstanddes Vereins erging es nicht anders.Nach dem ersten Gefühl der Überraschung und Erleich-terung , als wir von der Stiftung durch Familie Großpe-ter-Bertele erfahren hatten, beschlich uns bald die Sor-ge, wie wir den Umbau finanziell bewältigen sollten. Unswar allen bald klar, dass es noch ein weiter Weg seinwürde, bis unser Hospiz am Michelsberg ein neuesZuhause haben wird.Aber schnell kam auch wieder Zuversicht auf im Wis-sen um so viel Spendenbereitschaft der Bürger von Ulm/Neu-Ulm, wie wir es aktuell erlebten.

Natürlich galt es bei aller Fokussierung auf die Baufra-ge, die Leitungsgeschäfte im Verein und im stationärenHospiz nicht zu vernachlässigen. Aber jetzt wurde deut-lich, wie gut und zuverlässig alle haupt- ehrenamtlichenMitarbeitenden ihre jeweiligen Aufgaben wahrnehmen,gerade auch in einer Zeit, in der das Leitungsgremiumsich nicht so sehr um das Alltagsgeschäft kümmern kann.Darüber sind alle Mitglieder des Vorstandes sehr frohund danken allen für ihre ArbeitDer Verein Hospiz Ulm e.V. ist auch im vergangenenJahr kräftig gewachsen, Ende des Jahres zählte er 495Mitglieder, im Jahr 2003 waren es noch 280.Um die Vereinsmitglieder offiziell über die neueste Ent-wicklung in Bezug auf die Immobilie und den Stand derVerhandlungen mit der Familie Großpeter-Bertele zuunterrichten, wurde am 29.11.2007 eine außerordent-liche Mitgliederversammlung abgehalten. Die überauszahlreich anwesenden Mitglieder gaben ein eindeutigesVotum dafür ab, dass der vom Vorstand aufgezeigteWeg so weiter beschritten werden soll. Herr H.U. Stai-ger, Mitglied des Vorstandes, stellte anhand einer Gra-fik dar, wie die Rechtsverhältnisse aussehen würden –Zustiftung der Immobilie zur Ulmer Hospiz-Stiftung zurausschließlichen Verwendung für Hospiz Ulm e.V. DieVerantwortung für die Immobilie bleibt bei der UlmerHospiz-Stiftung, der Verein Hospiz Ulm ist weiterhinfür das sogenannte Tagesgeschäft verantwortlich, denHospizgedanken in Ulm und die Hospizarbeit.Seien Sie versichert, der Vorstand war sich bei allerFreude über die Entwicklung im Jahr 2007 immerdarüber im Klaren, dass keine unkalkulierbaren Risi-ken eingegangen werden dürfen. Die Sicherung der bis-herigen Arbeit von Hospiz Ulm und das Vertrauen, dasallenthalben in unsere Arbeit gesetzt wird, bleibt unserHauptanliegen.

Sigrid Markmiller

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WAS MACHT KURS 15 HEUTEDie Erinnerung an den 10. Januar 2007, als sich 17 Frau-en (jung und schön) zum ersten Mal in der AOK trafen,ist noch präsent. Alle waren wir gespannt, alle hattenwir ein Ziel: Ehrenamtlich beim Hospiz mitwirken zu kön-nen. Alles war neu. Wir betraten mehr oder wenigerfremdes Territorium. Heute, ein Jahr später, sind alle 17Frauen noch dabei. In unterschiedlichen Funkionen. Einstarker Kurs, auch zahlenmäßig. Zwei mehr als sonst.Warum? Die Koordinatorinnen Andrea und Imogen hat-ten sich verzählt.Vier Monate lang trafen wir uns wöchentlich, setztenuns mit den Erlebnisphasen sterbender Menschen, mitGesprächen mit Sterbenden, mit Sitzwachen und Hos-pizdienst auseinander. Wurden über Schmerztherapieund über Sterben und Tod aus medizinischer Sicht infor-miert. Der Besuch auf dem Ulmer Friedhof machte unsmit den unterschiedlichen Abschiedsformen und Bestat-tungsarten bekannt. Ergänzt wurden die wöchentlichenAbende durch zwei Wochenenden – in Roggenburg undUntermarchtal und zwei ganztägige Seminare. Eine Viel-falt an Eindrücken stürmte auf die Teilnehmerinnen ein.Dazu gesellte sich immer mehr die Erkenntnis: Wir ge-hören zusammen, wir tragen uns gemeinsam. Undmanchmal schlich sich dann doch die bange Frage ein:Kann ich das durchhalten – habe ich die Kraft dazu?Wir hatten sie. Dafür sorgten einfühlsam und eindrucks-voll Seminarleiterinnen Andrea Müller-Götz und ImogenSaß, untersützt von Anette Schwämmle und Margare-tha Zipplies. Mit meditativen Tänzen, Gedichten und spi-rituellen Geschichten fanden wir ein ums andere Mal„unsere Mitte“.Beim Begrüßungsfest wurde es dann amtlich. Das Zer-tifikat in Händen waren wir zwar ordentliche Hospiz-frauen, standen aber noch immer am Anfang.

Liselotte Hattler

Ruth Schultheiß

Brigitte DrittenthalerHeidi Baron

Marlene Kürten

Heike HoffmannEvelyn Gruhn

Kornelia Knapp

Heike Banzhaf

Antje Schmutz

Gabriele Sommer Sylvia Vorwieger

Jutta Laun Heidi Roschmann Cornelia Scherb-Wolf

Martina Hein

Gabriele Schwenck

Jetzt ein Jahr später ein kleiner Rückblick. Vier von unshaben dem Einführungskurs noch gleich die Fortbildung„Kinderhospiz“, sechs die zur Trauerarbeit angehängt.Eine ist in der Einsatzleitung und rund ein Drittel istinzwischen im stationären Hospiz behilflich. Sitzwachen-dienst und die Begleitung Sterbender stehen weiterhinauf dem Programm. Ein Resümee: Alle sind noch immermit Herz und Seele beim Hospiz. Für die einen ist einProzess in Gang gekommen, angesichts der Konfronta-tion mit dem Tod in all seiner Vielfalt das Leben mehrzu schätzen und auch zu genießen. Andere wiederumheben das Netzwerk im Hospiz hervor. Alle gemein-sam fühlen sich die ehemaligen Neulinge durch die Ge-meinschaft getragen und im Hospizgedanken geborgen.Die sechs Teilnehmer von Kurs 15, die sich dem statio-nären Hospiz verschrieben haben, möchten an dieserStelle den Hauptamtlichen ein Dankeschön für ihre Ge-duld mit den „Neuen“ aussprechen. Die ersten Schrittewaren nicht wirklich leicht und die Neulinge auch si-cher am Anfang keine große Hilfe.Inzwischen ist Kurs 16 mit der Ausbildung fertig. Wirwünschen den elf Frauen und fünf Männern ebenso vielFreude und Durchhaltevermögen für die anspruchsvolleTätigkeit beim Hospiz Ulm. Wir von Kurs 15 helfengerne beim Start.

Ruth Schultheiß, Kurs 15

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„Das Hospiz Ulm kommt nicht automatisch. Es mussgerufen werden. In der Regel rufen Betroffene selbstbei uns an und erläutern ihre Situation. Wir vereinbarenein Gespräch zum gegenseitigen Kennenlernen und kön-nen bei diesem Erstgespräch bereits viele Fragen be-antworten und Unsicherheiten aus der Welt schaffen.Sterbende und Angehörige sagen uns, worauf sie in die-sen letzten Tagen Wert legen. Manche wünschen sicheine Frau, manche einen Mann, das Alter spielt eineRolle, Vorlieben, Religionszugehörigkeit usw. Wir wäh-len daraufhin eine passende Begleitung aus unserem Mit-arbeiterteam aus.“

„Unser stationäres Hospiz ist im Haus des St. Anna-Stifts in Ulm untergebracht. In ruhiger Atmosphäre bie-tet es unseren Gästen eine friedvolle Atmosphäre. ImMoment stehen 6 Pflegeplätze zur Verfügung. Wir neh-men Menschen auf, die vom ambulanten Hospizteamnicht ausreichend betreut werden können und die dieAufnahmekriterien der Krankenkassen erfüllen.“

Palliativ-Care-PflegeUnsere hervorragend ausgebildeten hauptamtlichen Pfle-gemitarbeiterinnen arbeiten nach palliativ-medizinischenMaßstäben. Das bedeutet: Unsere Gäste erhalten einebestmögliche Linderung der Beschwerden durch einepatientenorientierte Pflege und durch eine konsequentdurchgeführte Schmerztherapie.

Medizinische VersorgungDer Hausarzt/die Hausärztin übernimmt in der Regelnach wie vor die medizinische Betreuung unserer Gästeund kommt regelmäßig zur Visite. Ansonsten stehen be-währte Mediziner/-innen des Hospiz Ulm zur Verfügung.

BetreuungWir betreuen und begleiten die Angehörigen und Freundeüber den Tod des Gastes hinaus, falls das gewünscht wird.

KostenDer Tagespflegesatz im Stationären Hospiz wird über-nommen von

- Krankenkassen sowie Beihilfe

- Pflegekasse

- Hospizverein

- Eigenanteil des Gastes

- Ggf. durch den Sozialhilfeträger (bei nachgewiesenerBedürftigkeit)

Je nach Pflegestufe und Dauer des Aufenthaltes ergibtsich ein unterschiedlich festzulegender Eigenanteil.Grundsätzlich wird jeder aufgenommen, der die medi-zinischen Kriterien der Krankenkassen erfüllt, unabhän-gig von seiner finanziellen Situation.

„Ein großes Anliegen des Hospiz Ulm ist es, niemandenalleine sterben zu lassen. Dennoch: Viele Menschen sindallein und haben niemanden, der sie in ihren letzten Ta-gen und Stunden begleitet. Oder: Nächste Angehörigebrauchen in langen Zeiten der Pflege und Sorge Rege-nerationsmöglichkeiten. Hier helfen Hospiz-Mitarbei-ter/-innen und lösen Angehörige in der Begleitung ab.Das geschieht in so genannten „Sitzwachen“. Tag undNacht. Ehrenamtliche, geschulte Mitarbeiter/-innen sit-zen am Bett und sind da, wenn Sterbende Beistand brau-chen. Jede Sitzwache bedeutet ein neues Sich-Einstel-len auf den Menschen. Manchmal ist es das einfache„Da-Sein“. Manchmal ist es ein Blick, ein Händedruck,eine Berührung, Vorlesen, Zuhören oder die Erfüllungeines letzten Wunsches. Unsere Mitarbeiterinnen undMitarbeiter helfen begleitenden Familienangehörigenoder Freunden, die mit dem Thema „Sterben und Tod“schmerzlich konfrontiert sind und in den Hospiz-Mitar-beiterinnen und –Mitarbeitern offene und kompetenteAnsprechpartner/-innen finden.“

„Sei nicht traurig, Mama“ sagte ein sterbendes Kind.Dieser tröstende Satz berührt zutiefst, weil ein sterben-des Kind nicht in unsere Vorstellungswelt passt. Es ist

ANGEBOTE VON

HOSPIZ ULM

AMBULANTEBEGLEITUNGAndrea Müller-Götz(Koordinatorin)

STATIONÄRESHOSPIZMartina Seng(Pflegedienstleiterin)

SITZWACHEImogen Saß(Koordinatorin)

AMBULANTESKINDERHOSPIZImogen Saß(Koordinatorin)

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eines der schwersten Schicksale überhaupt, wenn Kin-der aus ihren Familien gerissen werden. Das HospizUlm unterstützt auf Wunsch betroffene Familien. In derRegel liegt das Haupt-Augenmerk der ausgebildetenKinderhospiz-Mitarbeiter/-innen nicht auf dem sterben-den Kind, denn es wird meist von den Eltern selbstbetreut. Die Aufgabe des Hospiz Ulm ist hiervornehmlich, dem betroffenen Umfeld Hilfe und Zuwen-dung zu geben. Eltern, Geschwisterkinder, Großeltern,der Freund oder die Freundin des Kindes müssen mitdieser vernichtenden Situation umgehen und trotzdem(weiter-)leben. Hospiz-Mitarbeiter/-innen sind Stützeund Ratgeber, Ankerpunkt und Ansprechpartner/-innen.Der Ambulante Kinderhospizdienst setzt auch dann ein,wenn eine enge Bezugsperson stirbt und ein Kind bei-spiellose Trauer bewältigen muss.“

„Der Tod eines engen Angehörigen verändert den All-tag tief greifend. Oft ist die Lücke riesengroß. Zurück-gebliebene werden nicht selten aus der Bahn geworfen.Die eigenen Freunde sind häufig überfordert, könnenkaum Trost spenden oder sind selbst emotional betrof-fen. Eine zeitlich begrenzte Trauerbegleitung ist deshalbeine hilfreiche Möglichkeit, sich zu entlasten, den Ver-lust eines Menschen anzunehmen und neue Perspekti-ven für das eigene Leben zu entwickeln. Menschen sindunterschiedlich und die Art zu Trauern auch. Manchekönnen sich erst viele Jahre nach dem Tod eines ver-trauten Menschen ihren Gefühlen und Erinnerungen zu-wenden. Auch das, was ein Mensch in seiner Trauer alshilfreich empfindet, unterscheidet sich. Das Hospiz Ulmbietet deshalb unterschiedliche Angebote für Trauern-de an, um dieser Individualität zu entsprechen. Es gibtGruppenangebote und die Möglichkeit der Einzelbe-gleitung.“

„Palliative“ bedeutet „Mantel“. Palliative Pflege ist eine„umhüllende“ Behandlungsweise, eine Pflege, die lin-dernd wirkt - im Gegensatz zur kurativen Therapie, beider die Ursachen der Krankheit behandelt werden. Psy-

chosoziale Aspekte und spirituelle Bedürfnisse werdenin der Palliativpflege genauso berücksichtigt und einbe-zogen wie die Erleichterung körperlicher Schmerzen,Störungen der Körperfunktionen oder mögliche Kom-plikationen im Krankheitsverlauf oder der Therapie. Pal-liativberatung ist uns sehr wichtig. Unsere Erfahrung trägtdazu bei, durch frühzeitiges Erkennen, gewissenhafteEinschätzung und Behandlung des Sterbenden Schmer-zen zu lindern, um zu seiner/ihrer Lebensqualität – biszuletzt – beizutragen.“

Mit einer Patientenverfügung bestimmen Sie rechtzei-tig, welche Maßnahmen eingeleitet, beziehungsweiseunterlassen werden, sollten Sie lebensbedrohlich erkran-ken und sich nicht mehr äußern können. Sie können imSinne eines menschenwürdigen Sterbens verfügen, dass- beispielsweise bei einem schweren Krebsleiden - keinelebensverlängernden Maßnahmen vorgenommen wer-den. In einer Vorsorgevollmacht benennen Sie einenMenschen Ihres Vertrauens, der Ihrem Willen entspre-chend handelt, sollten Sie nicht mehr entscheidungsfähigsein.

Ob eine Patientenverfügung verfasst werden soll undwie sie lautet, muss wohlüberlegt sein.

Deshalb informieren wir umfassend und führen in regel-mäßigen Abständen Informationsveranstaltungen durch.

INFORMATION UND ANMELDUNG

Hospiz Ulm e.V. Zeitblomstraße 27, 89073 UlmTelefon: 0731 666 22, Geschäftsleitung: 0731 602 6273Fax: 0731 602 5152

Stationäres HospizHospiz Ulm e.V. Zeitblomstraße 43, 89073 UlmTelefon: 0731 151 7702

[email protected]

www.hospiz-ulm.de

TRAUERBEGLEITUNGAndrea Müller-Götz(Koordinatorin)

PALLIATIVBERATUNGMartina Seng(Pflegedienstleiterin)

PATIENTENVERFÜGUNGClaudia Schumann(Geschäftsführerin)

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Ehrenamtliche und Hauptamtliche, deren Angehörige und Freunde von Hospiz Ulm