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Numerische Analyse von Prozessinhomogenit¨ aten bei der Hochdruckbe- handlung von Lebensmitteln Panit Kitsubun 1 , Christoph Hartmann 1 und Antonio Delgado 1 1 Lehrstuhl f ¨ ur Fluidmechanik und Prozessautomation, TU M ¨ unchen, Weihenstephaner Steig 23, 85350 Freising Die durch Temperaturunterschiede induzierten Prozessheterogenit¨ aten bei der Hochdruckbehandlung von Lebensmitteln werden sowohl experimentell als auch numerisch untersucht. Hierbei werden Prozesse bei bis zu 500 MPa w¨ ahrend einer 20-min¨ utigen Hochdruckbehandlung in einem 3-Liter-Hochdruckautoklaven betrachtet. Als Maß f¨ ur die Heterogenit¨ aten der Prozesse dient u. a. die Temperaturverteilung aber auch die Verteilung der Aktivit¨ at des Enzyms Bacillus Subtilis α- Amylase (BSA) im Autoklaven. Eine f¨ ur den Hochdruckbereich geeignete Zustandsgleichung und die druck- und tempera- turabh¨ angigen Materialeigenschaften f¨ ur das Druckmedium sind in die Berechnungsverfahren implementiert, die mittels der Finite-Volume-Methode durchgef¨ uhrt werden. 1 Einleitung In der Lebensmittelindustrie gewinnt die Hochdruckbehandlung von Lebensmitteln immer mehr an Bedeutung. Sie stellt eine interessante Alternative zur konventionellen Hitzebehandlung dar, weil sie als schonendes Verfahren gilt. Hierbei werden weniger nat¨ urliche Inhaltstoffe zerst¨ ort, und die Textur der Lebensmitteln wird positiv beeinflusst. Außerdem besteht das Po- tenzial durch Hochdruckbehandlung neuartige, hochwertige Produkte zu schaffen, deren Herstellung mit der konventionellen Hitzebehandlung nicht m¨ oglich ist. Bedingt durch die Umwandlung von Volumen¨ anderungsarbeit in innere Energie w¨ ahrend der Kompression und gleichzeitig ablaufenden W¨ armetransportvorg¨ angen entstehen inhomogene Temperaturfelder, die in Wechselwirkung mit der gew¨ unschten biotechnologischen Umsetzung stehen k¨ onnen. Letzteres ist durch die gleichzeitige Druck- und Temperaturabh¨ angigkeit biotechnolgischer Reaktionen bedingt. Dies wird beispielsweise in [1] mittels nume- rischer Simulation des Str¨ omungsvorgangs innerhalb eines Hochdruckautoklaven nachgewiesen. Diese Heterogenit¨ at beim Hochdruckprozess f¨ uhrt zu einer ungleichm¨ aßigen Behandlung der Produkte und hat meistens eine verminderte Produktqua- lit¨ at zur Folge. In der vorliegenden Arbeit wird beispielhaft die Entstehung von Heterogenit¨ aten w¨ ahrend einer 20-min¨ utigen Hochdruck-Inaktivierung einer w¨ assrigen L¨ osung von Bacillus Subtilis α-Amylase betrachtet. Als Maß f¨ ur die Heteroge- nit¨ aten der Prozesse dient die Verteilung der Restaktivit¨ at des Enzyms im Autoklaven. 2 Experimentelle und numerische Methoden Im Rahmen einer Zusammenarbeit mit der Ingenieurhochschule ENITIAA, Nantes, k¨ onnen die Temperaturverl¨ aufe an 6 verschiedenen Meßpositionen in einem 3,3 Liter-Hochdruckautoklaven mit Thermoelementen (Typ K) protokolliert werden. Die f¨ ur die Temperaturmessung verwendeten Thermoelemente werden mit Hilfe von vier St¨ utzs¨ aulen im Innenraum des Hoch- druckautoklaven untergebracht. Die so gemessenen Temperaturzeitreihen werden zum Vergleich der numerischen Ergebnisse benutzt. F¨ ur die numerischen Simulationen werden die kommerziellen Codes CFX-4.4 und CFX-5.6 der Firma ANSYS, Inc. verwendet. Diese wurden mit eigen entwickelten User-Routines erg¨ anzt, um den Zustand des Druckmediums Wasser unter Hochdruck korrekt darstellen zu k¨ onnen. Hierf¨ ur findet die Zustandsgleichung von Wasser unter Hochdruck f¨ ur bis zu 600 MPa und 473 K aus [2] Verwendung. Außerdem wird eine skalare Transportgleichung versehen mit einem Senkenterm f¨ ur die Inaktivierung des Enzyms Bacillus Subtilis α-Amylase ([3]) in das Modell implementiert. 3 Ergebnisse Der Enddruck von 500 MPa wird mittels einstr¨ omender Fl¨ ussigkeit innerhalb von 180 Sekunden aufgebaut und anschlie- ßend f¨ ur weitere 820 Sekunden gehalten. Ein Vergleich der Simulation bei einer Anfangstemperatur des Systems von 295 K mit den Meßergebnissen aus Nantes ist in Abbildung 1 dargestellt. Abbildung 1 zeigt die Temperaturverl¨ aufe der Thermoele- mente T13 und T23 , die sich im oberen bzw. im mittleren Bereich des Hochdruckautoklaven befinden. Es kann eine sehr gute ¨ Ubereinstimmung zwischen den Meßergebnissen und der numerischen Simulation festgestellt werden. Hierbei ist zun¨ achst der Temperaturanstieg bedingt durch Kompression bis zu einer Temperatur von 307 K im oberen Bereich des Autoklaven (Thermoelement T13) zu beobachten. In der Druckhaltephase kommt es, bedingt durch W¨ armetransport, zu einem Absin- ken der Temperatur. Generell steigt die Temperatur w¨ ahrend des Druckaufbaus im oberen Bereich st¨ arker an als im unteren Corresponding author: e-mail: [email protected], Phone: +49 8161 71 3587, Fax: +49 8161 71 4510 PAMM · Proc. Appl. Math. Mech. 4, 486487 (2004) / DOI 10.1002/pamm.200410224 © 2004 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim © 2004 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

Numerische Analyse von Prozessinhomogenitäten bei der Hochdruckbehandlung von Lebensmitteln

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Numerische Analyse von Prozessinhomogenitaten bei der Hochdruckbe-handlung von Lebensmitteln

Panit Kitsubun∗1, Christoph Hartmann1 und Antonio Delgado1

1 Lehrstuhl fur Fluidmechanik und Prozessautomation, TU Munchen, Weihenstephaner Steig 23, 85350 Freising

Die durch Temperaturunterschiede induzierten Prozessheterogenitaten bei der Hochdruckbehandlung von Lebensmittelnwerden sowohl experimentell als auch numerisch untersucht. Hierbei werden Prozesse bei bis zu 500 MPa wahrend einer20-minutigen Hochdruckbehandlung in einem 3-Liter-Hochdruckautoklaven betrachtet. Als Maß fur die Heterogenitatender Prozesse dient u. a. die Temperaturverteilung aber auch die Verteilung der Aktivitat des Enzyms Bacillus Subtilis α-Amylase (BSA) im Autoklaven. Eine fur den Hochdruckbereich geeignete Zustandsgleichung und die druck- und tempera-turabhangigen Materialeigenschaften fur das Druckmedium sind in die Berechnungsverfahren implementiert, die mittels derFinite-Volume-Methode durchgefuhrt werden.

1 Einleitung

In der Lebensmittelindustrie gewinnt die Hochdruckbehandlung von Lebensmitteln immer mehr an Bedeutung. Sie stellteine interessante Alternative zur konventionellen Hitzebehandlung dar, weil sie als schonendes Verfahren gilt. Hierbei werdenweniger naturliche Inhaltstoffe zerstort, und die Textur der Lebensmitteln wird positiv beeinflusst. Außerdem besteht das Po-tenzial durch Hochdruckbehandlung neuartige, hochwertige Produkte zu schaffen, deren Herstellung mit der konventionellenHitzebehandlung nicht moglich ist. Bedingt durch die Umwandlung von Volumenanderungsarbeit in innere Energie wahrendder Kompression und gleichzeitig ablaufenden Warmetransportvorgangen entstehen inhomogene Temperaturfelder, die inWechselwirkung mit der gewunschten biotechnologischen Umsetzung stehen konnen. Letzteres ist durch die gleichzeitigeDruck- und Temperaturabhangigkeit biotechnolgischer Reaktionen bedingt. Dies wird beispielsweise in [1] mittels nume-rischer Simulation des Stromungsvorgangs innerhalb eines Hochdruckautoklaven nachgewiesen. Diese Heterogenitat beimHochdruckprozess fuhrt zu einer ungleichmaßigen Behandlung der Produkte und hat meistens eine verminderte Produktqua-litat zur Folge. In der vorliegenden Arbeit wird beispielhaft die Entstehung von Heterogenitaten wahrend einer 20-minutigenHochdruck-Inaktivierung einer wassrigen Losung von Bacillus Subtilis α-Amylase betrachtet. Als Maß fur die Heteroge-nitaten der Prozesse dient die Verteilung der Restaktivitat des Enzyms im Autoklaven.

2 Experimentelle und numerische Methoden

Im Rahmen einer Zusammenarbeit mit der Ingenieurhochschule ENITIAA, Nantes, konnen die Temperaturverlaufe an 6verschiedenen Meßpositionen in einem 3,3 Liter-Hochdruckautoklaven mit Thermoelementen (Typ K) protokolliert werden.Die fur die Temperaturmessung verwendeten Thermoelemente werden mit Hilfe von vier Stutzsaulen im Innenraum des Hoch-druckautoklaven untergebracht. Die so gemessenen Temperaturzeitreihen werden zum Vergleich der numerischen Ergebnissebenutzt. Fur die numerischen Simulationen werden die kommerziellen Codes CFX-4.4 und CFX-5.6 der Firma ANSYS, Inc.verwendet. Diese wurden mit eigen entwickelten User-Routines erganzt, um den Zustand des Druckmediums Wasser unterHochdruck korrekt darstellen zu konnen. Hierfur findet die Zustandsgleichung von Wasser unter Hochdruck fur bis zu 600MPa und 473 K aus [2] Verwendung. Außerdem wird eine skalare Transportgleichung versehen mit einem Senkenterm fur dieInaktivierung des Enzyms Bacillus Subtilis α-Amylase ([3]) in das Modell implementiert.

3 Ergebnisse

Der Enddruck von 500 MPa wird mittels einstromender Flussigkeit innerhalb von 180 Sekunden aufgebaut und anschlie-ßend fur weitere 820 Sekunden gehalten. Ein Vergleich der Simulation bei einer Anfangstemperatur des Systems von 295 Kmit den Meßergebnissen aus Nantes ist in Abbildung 1 dargestellt. Abbildung 1 zeigt die Temperaturverlaufe der Thermoele-mente T13 und T23 , die sich im oberen bzw. im mittleren Bereich des Hochdruckautoklaven befinden. Es kann eine sehr guteUbereinstimmung zwischen den Meßergebnissen und der numerischen Simulation festgestellt werden. Hierbei ist zunachstder Temperaturanstieg bedingt durch Kompression bis zu einer Temperatur von 307 K im oberen Bereich des Autoklaven(Thermoelement T13) zu beobachten. In der Druckhaltephase kommt es, bedingt durch Warmetransport, zu einem Absin-ken der Temperatur. Generell steigt die Temperatur wahrend des Druckaufbaus im oberen Bereich starker an als im unteren

∗ Corresponding author: e-mail: [email protected], Phone: +49 8161 71 3587, Fax: +49 8161 71 4510

PAMM · Proc. Appl. Math. Mech. 4, 486–487 (2004) / DOI 10.1002/pamm.200410224

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Bereich des Autoklaven. Die Unterschiede zwischen den Meßergebnissen und Simulation in dieser Phase lassen sich durchdie Nachregelung des Druckniveaus mittels erneuter, kurzer Kompressionsphasen erklaren. Diese Nachregelung ist aufgrundkleinerer Leckagen bedingt und wird bei der Simulation nicht berucksichtigt.

Abb. 1 Temperaturverlaufe an den Messposition T13 und T23

Abb. 2 Aktivitat von BSA nach 1000 Sekunden bei 500 MPa

Eine weitere Rechnung wird fur die Inaktivie-rung des Enzyms Bacillus Subtilis α-Amylase(BSA) bei 313 K durchgefuhrt. Anhand dernumerischen Simulation konnen sowohl beimTemperaturfeld (nicht dargestellt) als auch beider Verteilung der Aktivitat von BSA (Abbil-dung 2) Heterogenitaten wahrend der gesam-ten Hochdruckbehandlung beobachtet werden.Der Temperaturausgleich innerhalb des Hoch-druckautoklaven lauft zwar wahrend der gesam-ten Hochdruckbehandlung ab, jedoch ist dasTemperaturfeld nach 820 Sekunden bei weitemnicht homogen. Das heterogenene Temperatur-feld hat eine raum-zeitlich inhomogene Inak-tivierung des BSA zur Folge. Im linken Bild-teil von Abbildung 2 ist fur die Standardkon-figuration des Autoklaven eine Inhomogenitatin einer Bandbreite zwischen 37% und 55%der Ausgangsaktivitat zu beobachten. Als Ab-hilfe schlagen De Heij et al. ([4]) die Mon-tage einer Isolierschicht aus Kunststoff an derInnenwand des Autoklaven vor. Eine dement-sprechende Simulationsrechnung (rechter Bild-teil in Abbildung 2) zeigt, dass hierdurch ei-ne erhohte Inaktivierungsrate des BSA, erkenn-bar an der wesentlich geringeren Restaktivitatzwischen 17% und 23%, sowie eine nahezu ho-mogene Verteilung der Enzymaktivitat bewirktwerden konnen.

4 Zusammenfassung

Vorliegende Arbeit zeigt durch kombinierten Einsatz numerischer und experimenteller Methoden, dass thermische He-terogenitaten und demzufolge auch Produktinhomogenitaten durch geeignete Warmedammmung deutlich reduziert werdenkonnen. Daruber hinaus lassen sich auch Druckbehandlungszyklen so verkurzen, dass sie in die Großenordnung einer wirt-schaftlichen Prozessgestaltung gelangen.

Literatur

[1] Hartmann, Chr. (2002). Numerical simulation of thermodynamic and fluid-dynamic processes during the high-pressure treatment offluid food systems, Innovative Food Science and Emerging Technologies 3: 11-18

[2] Saul, A., Wagner, W. (1989). A fundamental equation for water covering the range from the melting line to 1273 K at pressures up to25000 Mpa. Journal of Physical Chemistry Reference Data 18: 1537-1564

[3] Ludikhuyze, L. R., Van den Broeck, I., Weemaes, C. A., Hendrickx, M. E. (1997). Kinetic Parameters for Pressure-TemperatureInactivation of Bacillus subtilis α-Amylase under Dynamic Conditions, Biotechnol. Prog. 13: 617-623

[4] De Heij, W. B. C., Van Schepdael, Ludo J. M. M., Moezelaar, R., Hoogland, H., Matser, A. M., Van den Berg, R. W. (2003). Hich-pressure sterilization: maximizing the benefits of adiabatic heating, Food Technology 57: 37-41

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Section 13 487