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34 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 79 (2010), Heft 1 Mit einem hochfrequenten Hämmerverfahren kann die Ermü- dungsfestigkeit der Schweißnähte grundsätzlich nur gesteigert werden, wenn die Nahtübergänge dafür maßgebend sind. Zum Beispiel ergibt sich bei einseitig geschweißten Stumpfstößen kei- ne signifikante Steigerung der Lebensdauer, weil sich die ermü- dungskritische Stelle an die unbehandelte Nahtwurzel verlagert. Im vorliegenden Beitrag wird über Ergebnisse von experimentel- len und numerischen Untersuchungen an un- und nachbehandel- ten Schweißverbindungen berichtet. Die Experimente erfolgten an stumpf geschweißten Stahlblechen, die anschließend an den Nahtübergängen mit einem hochfrequenten Hämmerverfahren nachbehandelt wurden. Die Schweißversuche dienten ferner als Verifikation für numerische Schweißsimulationen, die mit einem Hämmerprozess gekoppelt wurden. Ziel der Untersuchungen war es, die Effekte des Hämmerns zu erfassen, um hinsichtlich der Lebensdauer den Unterschied zwischen un- und nachbehan- delten Schweißverbindungen numerisch aufzuzeigen. Dafür wurden das Kerbdehnungs- und Rissfortschrittskonzept in die Schweißsimulation implementiert, womit lokale Ermüdungsbe- rechnungen im FE-Modell möglich waren. Letztendlich liegen als Ergebnis nicht nur Spannungsplots, sondern auch Ermüdungs- plots für die gesamte Schweißkonstruktion unter Berücksichti- gung der Effekte des Schweißens und Hämmerns vor. Numerical welding simulation coupled with a hammer peening procedure and local fatigue assessments. Due to the post weld treatment the fatigue strength of welded joints can be enhanced in principal, if the weld toes are the most critical hot spots. But the fatigue life can not be increased significantly when the crack initiation starts at the untreated weld root. This paper provides detailed information about experimental and numerical investiga- tions of an arc welding process followed by a process of hammer peening. The experiments were carried out on steel plates with single side butt welds. After welding the weld toes were treated by highfrequency hammer peening. However, the welding and fa- tigue tests were used as verifications for numerical welding sim- ulations coupled with a hammer peening procedure and local fa- tigue calculations. The objective was to analyze the difference in fatigue strength between as welded and treated conditions. Therefore the change of residual stresses and notch geometry are the most important effects on the fatigue life for welded joints with and without post weld treatment. Within a fatigue tool the residual stresses and geometry of the notch can be considered in numerical simulations with local fatigue approaches. The total fa- tigue life was assessed by adding crack initiation life calculated with notch strain approach and crack propagation life calculated with crack propagation approach. Finally the coupled simulation provides not only stress plots but also fatigue plots for the whole welded joint under consideration of as welded and treated con- ditions after hammer peening. 1 Einleitung Bei geschweißten Stahlkonstruktionen mit hohen dyna- mischen Beanspruchungen sind oftmals die Schweißnäh- te die ermüdungskritischen Kerbdetails, die die Lebens- dauer des Bauteils maßgeblich bestimmen. Deshalb wird immer eine hohe Ermüdungsfestigkeit der Schweißverbin- dungen angestrebt. Eine Möglichkeit zur Steigerung der Lebensdauer stellen dabei hochfrequente Hämmerverfah- ren dar. Durch diese Schweißnahtnachbehandlungsme- thoden können am Nahtübergang nicht nur Zugeigen- spannungen vom Schweißprozess, sondern auch Kerbwir- kungen reduziert werden. Hierbei werden mittels eines gehärteten Bolzenstiftes Druckeigenspannungen im ober- flächennahen Bereich induziert sowie der Kerbradius am Nahtübergang ausgerundet (s. Bild 1). Beide Effekte tra- gen zur Steigerung der Ermüdungsfestigkeit bei. 2 Berechnungsumgebung HANWELD Um die Effekte beziehungsweise die Wirkungsweise eines hochfrequenten Hämmerprozesses numerisch aufzeigen zu können, wurde die Berechnungsumgebung HAN- WELD in [22] entwickelt. Sie umfasst die Schweißsimula- tion, die anschließende Kontaktsimulation für das Häm- Numerische Schweißsimulation gekoppelt mit einem anschließenden Hämmerprozess und integrierten lokalen Ermüdungsberechnungen In dankbarer Erinnerung an meinen Lehrer, Herrn Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Karlheinz Roik Peter Schaumann Christian Keindorf DOI: 10.1002/stab.200901279 Bild 1. Nachbehandlung einer Schweißnaht mit einem hochfrequenten Hämmerverfahren Fig. 1. Post weld treatment of a butt weld with highfrequen- cy hammer peening

Numerische Schweißsimulation gekoppelt mit einem ...€¦ · Die Stumpfnaht wurde einseitig durch Lichtbogen-schweißen (MAG) hergestellt. Dabei bewegte sich die Schweißdüse an

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  • 34 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 79 (2010), Heft 1

    Mit einem hochfrequenten Hämmerverfahren kann die Ermü-dungsfestigkeit der Schweißnähte grundsätzlich nur gesteigertwerden, wenn die Nahtübergänge dafür maßgebend sind. ZumBeispiel ergibt sich bei einseitig geschweißten Stumpfstößen kei-ne signifikante Steigerung der Lebensdauer, weil sich die ermü-dungskritische Stelle an die unbehandelte Nahtwurzel verlagert.Im vorliegenden Beitrag wird über Ergebnisse von experimentel-len und numerischen Untersuchungen an un- und nachbehandel-ten Schweißverbindungen berichtet. Die Experimente erfolgtenan stumpf geschweißten Stahlblechen, die anschließend an denNahtübergängen mit einem hochfrequenten Hämmerverfahrennachbehandelt wurden. Die Schweißversuche dienten ferner alsVerifikation für numerische Schweißsimulationen, die mit einemHämmerprozess gekoppelt wurden. Ziel der Untersuchungen war es, die Effekte des Hämmerns zu erfassen, um hinsichtlichder Lebensdauer den Unterschied zwischen un- und nachbehan-delten Schweißverbindungen numerisch aufzuzeigen. Dafür wurden das Kerbdehnungs- und Rissfortschrittskonzept in dieSchweißsimulation implementiert, womit lokale Ermüdungsbe-rechnungen im FE-Modell möglich waren. Letztendlich liegen alsErgebnis nicht nur Spannungsplots, sondern auch Ermüdungs-plots für die gesamte Schweißkonstruktion unter Berücksichti-gung der Effekte des Schweißens und Hämmerns vor.

    Numerical welding simulation coupled with a hammer peeningprocedure and local fatigue assessments. Due to the post weldtreatment the fatigue strength of welded joints can be enhancedin principal, if the weld toes are the most critical hot spots. Butthe fatigue life can not be increased significantly when the crackinitiation starts at the untreated weld root. This paper providesdetailed information about experimental and numerical investiga-tions of an arc welding process followed by a process of hammerpeening. The experiments were carried out on steel plates withsingle side butt welds. After welding the weld toes were treatedby highfrequency hammer peening. However, the welding and fa-tigue tests were used as verifications for numerical welding sim-ulations coupled with a hammer peening procedure and local fa-tigue calculations. The objective was to analyze the difference infatigue strength between as welded and treated conditions.Therefore the change of residual stresses and notch geometryare the most important effects on the fatigue life for welded jointswith and without post weld treatment. Within a fatigue tool theresidual stresses and geometry of the notch can be considered innumerical simulations with local fatigue approaches. The total fa-tigue life was assessed by adding crack initiation life calculatedwith notch strain approach and crack propagation life calculatedwith crack propagation approach. Finally the coupled simulationprovides not only stress plots but also fatigue plots for the whole

    welded joint under consideration of as welded and treated con-ditions after hammer peening.

    1 Einleitung

    Bei geschweißten Stahlkonstruktionen mit hohen dyna-mischen Beanspruchungen sind oftmals die Schweißnäh-te die ermüdungskritischen Kerbdetails, die die Lebens-dauer des Bauteils maßgeblich bestimmen. Deshalb wirdimmer eine hohe Ermüdungsfestigkeit der Schweißverbin-dungen angestrebt. Eine Möglichkeit zur Steigerung derLebensdauer stellen dabei hochfrequente Hämmerverfah-ren dar. Durch diese Schweißnahtnachbehandlungsme-thoden können am Nahtübergang nicht nur Zugeigen-spannungen vom Schweißprozess, sondern auch Kerbwir-kungen reduziert werden. Hierbei werden mittels einesgehärteten Bolzenstiftes Druckeigenspannungen im ober-flächennahen Bereich induziert sowie der Kerbradius amNahtübergang ausgerundet (s. Bild 1). Beide Effekte tra-gen zur Steigerung der Ermüdungsfestigkeit bei.

    2 Berechnungsumgebung HANWELD

    Um die Effekte beziehungsweise die Wirkungsweise eineshochfrequenten Hämmerprozesses numerisch aufzeigenzu können, wurde die Berechnungsumgebung HAN-WELD in [22] entwickelt. Sie umfasst die Schweißsimula-tion, die anschließende Kontaktsimulation für das Häm-

    Numerische Schweißsimulation gekoppelt miteinem anschließenden Hämmerprozess undintegrierten lokalen ErmüdungsberechnungenIn dankbarer Erinnerung an meinen Lehrer, Herrn Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Karlheinz Roik

    Peter SchaumannChristian Keindorf

    DOI: 10.1002/stab.200901279

    Bild 1. Nachbehandlung einer Schweißnaht mit einemhochfrequenten HämmerverfahrenFig. 1. Post weld treatment of a butt weld with highfrequen-cy hammer peening

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    P. Schaumann/Ch. Keindorf · Numerische Schweißsimulation gekoppelt mit einem anschließenden Hämmerprozess und integrierten lokalen Ermüdungsberechnungen

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    mern und die lokale Ermüdungsberechnung (s. Bild 2).Alle drei Komponenten wurden in ANSYS als Moduleprogrammiert.

    Die Berechnung in HANWELD beginnt mit der Pro-zesssimulation, bei der das transiente Temperaturfeld in-folge des Schweißens ermittelt wird. Anschließend folgendie parallelen Berechnungen für die Struktur- und Werk-stoffmechanik, mit der die Eigenspannungen, Verzüge undGefügeumwandlungen in Abhängigkeit von Temperaturund Zeit bestimmt werden.

    Die Kopplungen zwischen den Einzelprozessen desersten Moduls „Schweißen“ wurden von Radaj [1] in ei-ner Dreiecksdarstellung zusammengefasst. Bei diesemklassischen Dreieck der Schweißsimulation muss beachtetwerden, dass sich die Einzelprozesse gegenseitig beein-flussen (s. Pfeile in Bild 2). Dabei treten Wechselwirkun-gen in beiden Richtungen auf. Wenn alle Einflüsse Be-rücksichtigung finden sollen, dann würde sich die Ge-samtsimulation sehr komplex gestalten. Deswegen wurdenVereinfachungen getroffen, die den Gesamtprozess einerBerechnung zugänglich machen. In HANWELD sind bis-lang die durchgezogenen Pfeillinien von Bild 2 implemen-tiert.

    Zum Beispiel beschränkt sich die Prozesssimulationauf ein thermomechanisches Feld. Die Einflüsse derSchmelzbadströmung, der Aufmischung von Zusatzwerk-stoff und Grundwerkstoff sowie der Prozessstabilität blei-ben unberücksichtigt. Insofern beinhaltet das erste Modul„Schweißen“ streng genommen keine Prozesssimulation,sondern lediglich eine transiente Temperaturfeldberech-nung. Nach vollständiger Abkühlung der geschweißtenBleche wird im zweiten Berechnungsmodul das Hämmerneines Pins am Nahtübergang simuliert. Damit sollen dieÄnderung der Schweißeigenspannungen und Plastizierun-gen am Nahtübergang erfasst werden. Eine separate Simu-

    lation des Moduls „Hämmern“ wäre unzureichend, weildamit nicht die Ausgangssituation, nämlich der ge-schweißte Zustand mit Schweißeigenspannungen, realis-tisch erfasst würde. Insofern ist die Kopplung desSchweiß- und Nachbehandlungsprozesses unabdingbar,wenn Unterschiede zwischen den Eigenspannungszustän-den und deren Einfluss auf die Lebensdauer aufgezeigtwerden sollen. Letztendlich kann im dritten Modul die lo-kale Ermüdungsberechnung sowohl für die behandelte(treated) als auch für die unbehandelte (as welded)Schweißnaht stattfinden (Fatigue Modul). Dabei wird mitHilfe des Kerbdehnungskonzeptes die Position mit derhöchsten Ermüdungsbeanspruchung bestimmt, die da-nach als maßgebende Stelle für den technischen Anrissanzusetzen ist. Im letzten Schritt wird für diesen Anrissorteine Rissfortschrittsberechnung durchgeführt. Als endgül-tiges Ergebnis von HANWELD liegt dann eine Lebens-dauervorhersage für das gesamte Blech inklusive der un-oder nachbehandelten Schweißverbindung vor, aufge-schlüsselt in Schwingspielzahlen bis zum Anriss und biszum Bruch.

    3 Berechnungsbeispiel

    Die experimentellen und numerischen Untersuchungenwurden exemplarisch an stumpf geschweißten Stahlble-chen durchgeführt. Die Bleche mit 150 mm × 150 mm ×4 mm bestehen aus einem S355 J2 und besitzen eine V-Nahtvorbereitung mit einem Öffnungswinkel von 45°.

    Das numerische Modell wird unter Ausnutzung vonSymmetriebedingungen als Halbmodell generiert, dasheißt, entlang der Schweißnahtmittellinie befindet sich dieSymmetrieebene (s. Bild 3). Das kartesische Koordinaten-system mit x-Richtung quer zur Naht und y-Richtung längszur Naht ist maßgebend für alle weiteren Erläuterungen.Zum Beispiel wird damit die Schweißrichtung festgelegt,wobei der Schweißprozess bei y = 0 mm beginnt und bei y = 150 mm endet.

    Die Stumpfnaht wurde einseitig durch Lichtbogen-schweißen (MAG) hergestellt. Dabei bewegte sich dieSchweißdüse an einem Traktorarm mit einem definiertenVorschub. Insofern liegt ein vollmechanischer Schweiß-prozess vor, mit dem eine sehr gleichmäßige Schweiß-nahtqualität und -form über die gesamte Nahtlänge erzielt

    Bild 2. Module der Berechnungsumgebung HANWELD [22]Fig. 2. Modules of the tool HANWELD [22]

    Bild 3. Geometrie und Randbedingungen der einseitig ge-schweißten BlecheFig. 3. Geometry and boundary conditions of the single sidewelded plates

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    werden konnte. Ein weiterer Vorteil des Traktorarmes wardie Feinjustierung der exakten Startposition der Schweiß-düse in allen drei Achsrichtungen. Der Prüfstand für dieSchweißversuche ist inklusive der Messtechnik in Bild 4dargestellt.

    Die nahtentfernten Ränder der Bleche wurden festeingespannt, um ein bewusst gewolltes hohes Eigenspan-nungsniveau zu erreichen. Dafür dienten aufgerauhte undgehärtete Klemmschienen zwischen denen die Bleche po-sitioniert waren. Die Klemmwirkung erfolgte durch dasAnziehen von jeweils vier Schrauben auf jeder Seite.Durch zusätzliche Justierblöcke konnten die Stahlblechesowohl in Längs- als auch in Querrichtung zueinander po-sitioniert werden.

    Während beim rechten Blech induktive Wegaufneh-mer (LVDT) und Dehnungsmessstreifen (DMS) zum Ein-satz kamen, wurde das linke Blech mit einem hochtempe-raturbeständigen Muster mittels einer Airbrush-Pistole la-ckiert. Der Schwarz-Weiß-Kontrast war für das verwende-te optische Messsystem ARAMIS erforderlich, um die3D-Verformungsanalyse durchführen zu können. Außer-dem musste die Schweißdüse umhüllt werden, um dasMessmuster vor Schweißspritzern und Schmauchspurenzu schützen. Zusätzlich kamen Thermoelemente auf derOberfläche des rechten Stahlblechs zum Einsatz, um eineVerifikation des zu berechnenden Temperaturfeldes zu er-möglichen. Als Messachse wurde der mittlere Querschnittder Bleche (s. Bild 3) gewählt. Insofern befinden sich alleThermoelemente bei y = 75 mm. Der Abstand quer zurNaht wird gemäß Bild 3 mit x1, x2 und x3 für die einzelnenMesspunkte bezeichnet. Der geringste Abstand von derNahtmittellinie betrug bei einigen Versuchen x1 = 5 mm(nicht im Bild 4 dargestellt), das heißt ca. 1 mm vomNahtübergang. Während des Schweißens wurde der Vor-schub des Traktorarmes mit einem Wendelpotentiometererfasst. Zusammen mit der Zeitmessung konnte dadurchdie Schweißgeschwindigkeit online bestimmt werden(vWeld = 260 mm/min). Insofern dauerte der eigentlicheSchweißprozess ca. 35 s. Um die Einflüsse derAbkühlpha-se vollständig zu berücksichtigen, wurden die Messungender Temperaturen, Bauteilverzüge und Eigendehnungenbis t = 2000 s fortgesetzt.

    Zur Festlegung der Streckenenergie im FE-Modell er-folgten zusätzliche Messungen für die Schweißspannungund -stromstärke, die mittlere Werte von U = 18,3 V und I = 120 A aufwiesen. Weitere Details zum Aufbau und zurDurchführung der Schweißversuche sind in Schaumannet al. [2] beschrieben.

    4 Modul Schweißen

    Zwischen Experiment und Simulation erfolgten zunächstVergleiche für Schmelzbadzonen, Temperaturzyklen, Bau-teilverzüge und Schweißeigendehnungen. Ferner wurdendie Umwandlungsdehnungen infolge der Gefügekinetikberücksichtigt. Die einzelnen Vergleiche bzw. Verifikatio-nen werden im Folgenden erläutert.

    4.1 Schmelzbadzonen

    Für einen ersten Abgleich mit den Experimenten wurdenMakroschliffe angefertigt, die Aufschluss über die beimSchweißprozess entstandene Nahtgeometrie geben. Dasnumerische Modell und davon insbesondere das Naht-volumen werden anhand dieser Schliffbilder angepasst (s. Bild 5).

    Weiterhin hängt der Wärmeeintrag in das Bauteil ent-scheidend von der gewählten Wärmestromverteilung ab.Konzentrierte Wärmequellen sind dafür nicht geeignet, dasie im Gegensatz zu verteilten Wärmequellen keine Kali-brierung des Modells an dem Schmelzzonenquerschnittund den Temperaturzyklen in der Wärmeeinflusszone(WEZ) erlauben [1]. Deshalb wird eine doppelellipsoideVolumenwärmequelle nach Goldak [3] zur Simulationdes Wärmeeintrages verwendet. An dieser Stelle erfolgtdie zweite Verifikation, indem die Halbachsen des Dop-pelellipsoids so gewählt werden, dass der Schmelzzonen-querschnitt im FE-Modell mit der Schmelzbadgeometrieim Versuch übereinstimmt. Dazu wird im Bild 5 dasSchliffbild eines Schweißversuchs mit der Temperaturver-teilung im FE-Modell verglichen.

    Das numerische Schmelzbad entspricht dem grauenBereich, der Temperaturen höher als 1500 °C (≈ Schmelz-temperatur vom Stahl) aufweist. Anhand des Verlaufes derIsothermen ist zu erkennen, dass die beiden Schmelzlini-en gut übereinstimmen.

    Bild 4. Prüfstand mit Messtechnik für die Schweißversuche[22]Fig. 4. Test setup with measurement equipment for welding[22]

    Bild 5. Vergleich der Schmelzlinien zwischen Schliffbildund Simulation [4]Fig. 5. Comparison of melting lines between experiment andsimulation [4]

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    4.2 Temperaturzyklen

    Mit den beschriebenen Parametern für die Nahtgeome-trie, Schweißleistung und Wärmestromdichteverteilungwurde anschließend die Berechnung des transienten Tem-peraturfeldes durchgeführt. Der Ansatz der adiabatischenRandbedingungen erfolgte dabei in Anlehnung an dieAusführungen von Wichers [5]. Als Ergebnis lagen danndie Temperaturzyklen für die Aufheiz- und Abkühlphasevor, die in Bild 6 mit gemessenen Temperaturverläufen anzwei verschiedenen Messpunkten verglichen wurden. Indiesem Fall befanden sich die beiden Messpunkte auf der

    Messachse mit einem Abstand quer zur Nahtmittellinievon x1 = 5 mm und x2 = 30 mm (vgl. Bild 3).

    Beim Vergleich der Temperaturzyklen ist eine guteÜbereinstimmung zwischen Experiment und Simulation(Bild 7) erkennbar. Die Entfernung der Position 1 von derNahtmittellinie ist mit x1 = 5 mm sehr gering (ca. 1 mmvom Nahtübergang entfernt), was zu Spitzentemperaturenvon ca. 900 °C führt. Diese maximalen Temperaturen amMesspunkt 1 treten bei ca. t = 18 s auf, kurz nachdem derLichtbogen die Blechmitte bzw. die Messachse bei y =75 mm passiert hat. Aufgrund der größeren Entfernungvon Position 2 (x2 = 30 mm) ist dessen maximale Tempe-ratur mit ca. 210 °C deutlich geringer. Nachdem derSchweißprozess nach ca. 35 s beendet war, schloss sichdie Abkühlphase an.

    4.3 Gefügekinetik

    Im nächsten Einzelprozess von Bild 2, nämlich der Werk-stoffsimulation, müssen die wesentlichen Aspekte der Ge-fügekinetik berücksichtigt werden, weil die Gefügeum-wandlungen während des Schweißens einen wesentlichenEinfluss auf die Eigenspannungen ausüben. Dafür hatMehmert [6] den Zusammenhang zwischen Temperatur-verlauf, Eisen-Kohlenstoff-Diagramm und Gefügeausbil-dung bei einer Stumpfnaht ausführlich dargelegt. In Ab-hängigkeit vom Abstand zur Naht bilden sich dabei ver-schiedene Gefügezonen mit fließenden Übergängen aus.Insbesondere die Volumenänderung beim Wechsel vonder α-Phase in die γ-Phase während der Aufheizphase undentgegengesetzt in der Abkühlphase führt zu zusätzlichenUmwandlungsdehnungen, die berücksichtigt werden müs-sen. Mit Hilfe von Dilatometerversuchen kann diesestemperaturbedingte Dehnungsverhalten von Stahl wäh-rend der Erwärmung und Abkühlung ermittelt werden.

    Nähere Details zur Implementierung von Umwand-lungsdehnungen in Schweißsimulationen wurden z. B.von Loose [7] beschrieben. Die Berücksichtigung der Um-wandlungsdehnungen in HANWELD erfolgte durch Klai-ber [4] für den vorliegenden Baustahl S355 J2. Anhandvon Dilatometerkurven für unterschiedliche Abkühlge-schwindigkeiten kann ein S-ZTU-Diagramm (Schweiß-Zeit-Temperatur-Umwandlung) für das Grundmaterialaufgestellt werden. Mit ergänzenden Schliffbildern wirddamit auf die Art und Menge der entstandenen Gefüge jeAbkühlkurve geschlossen. Von Seyffarth et al. wurden in[8] solche Diagramme für verschiedene Stähle abgeleitet.

    Welche Gefügeart (Ferrit, Perlit, Bainit und Marten-sit) mit welchem Anteil in der WEZ vorkommt, hängt vorallem von der chemischen Zusammensetzung des Stahlsund von der Abkühlgeschwindigkeit ab. Wird ein Stahlzum Beispiel sehr schnell abgekühlt, entsteht in einem dif-fusionslosen Vorgang hauptsächlich Martensit, welcheseine große Härte aufweist.

    Wenn der Werkstoff langsamer abkühlt, bilden sichvor allem Ferrit und Perlit, da der im Austenit gebundeneKohlenstoff Zeit hat, um aus dem Metallgitter zu diffun-dieren.

    Aus den jeweiligen Grenzlinien zwischen den Phasenim S-ZTU-Diagramm eines S355 J2 wurden anhand vonRegressionsanalysen Funktionen approximiert, die aufden Entwicklungsgesetzen von Börnsen [9] basieren. Die

    Bild 6. Vergleich der Temperaturzyklen zwischen Experi-ment und SimulationFig. 6. Comparison of temperatures between experiment andsimulation

    Bild 7. FE-Modell mit transientem Temperaturfeld und suk-zessivem Nahtaufbau [4]Fig. 7. FE-model with temperature field and successive acti-vating of weld elements [4]

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    Entwicklungsgesetze beschreiben, unter welchen Bedin-gungen und in welchem Ausmaß sich die verschiedenenGefügearten anteilig aus dem Austenit entwickeln. Dasich die Entwicklung von Martensit (diffusionsunabhän-gig) vom Wachstum der anderen Phasen (diffusionsab-hängig) unterscheidet, wurden zwei unterschiedliche Ent-wicklungsgesetze in HANWELD implementiert.

    Bei der Entwicklung martensitischer Gefüge wird derAnsatz nach Koistinen und Marburger [10] verwendet.Für Ferrit, Perlit sowie Bainit findet meistens die Glei-chung nach Johnson, Mehl [11] und Avrami [12] Anwen-dung. Mit dieser implementierten Gefügekinetik wurdendie Berechnungen der einzelnen Gefügeanteile über dieZeit und für beliebige Abkühlkurven ermöglicht. Die Veri-fizierung erfolgte anhand von ausgewählten Abkühlkur-ven. Im Bild 8 ist der Vergleich zwischen den numerischberechneten Gefügeanteilen und den Literaturangabendes S-ZTU-Diagramms von [8] dargestellt. Dabei konnteeine gute Übereinstimmung hinsichtlich der Gefügekine-tik erzielt werden. Für nähere Details dazu wird aufSchaumann et al. [2] verwiesen.

    4.4 Bauteilverzug

    Die Ergebnisse der Werkstoff- und Temperaturfeldsimula-tion dienen als Eingangsgrößen für die Strukturberech-nungen. Dafür werden die temperaturabhängigen Materi-aldaten des S355 auf Grundlage der Warmzugversuchevon Wichers [5] implementiert. Der Blechrand bei x = 150 mm ist fest eingespannt. Die sich daraus ergeben-den Randbedingungen bestimmen maßgeblich dieSchweißeigenspannungen mit. Zur quantitativen Beurtei-lung der Strukturfeldberechnung werden die Bauteilver-züge und Eigendehnungen mit den Messungen imSchweißversuch verglichen. Das Messergebnis hinsicht-lich des Längsverzuges ist in Bild 9 dargestellt.

    Eine Messung des Querverzugs erfolgte nicht, weilsich die nahtentfernten Ränder durch die feste Einspan-nung nicht verschieben konnten. Die induktiven Wegauf-nehmer (LVDT) wurden an den seitlichen Rändern der

    rechten Platte positioniert und wiesen einen Abstand vonxLVDT = 30 mm zur Nahtmittellinie auf. Die Messachsebeim optischen Messsystem ARAMIS auf dem linkenBlech wurde dementsprechend angepasst. Beim Vergleichder gemessenen Längsverzüge ist ebenfalls eine gute Über-einstimmung zwischen den beiden Messmethoden undder Simulation zu erkennen. Durch den Wärmeeintrag in-folge des Schweißens dehnen sich die Bleche zunächst inLängsrichtung der Naht aus. Ab dem Zeitpunkt t = 64 s,also 30 s nach Schweißende, reduziert sich die Längsaus-dehnung wieder exponentiell, bis sogar eine Längs-schrumpfung vorliegt. Lediglich der Spitzenwert bei 64 sist bei der optischen Verformungsanalyse etwas geringer,weil die Facetten des optischen Messmusters die Ränderder Bleche nicht vollständig erfassen konnten. Allerdingsbesitzt die optische Methode den Vorteil, dass damit nichtnur punktuelle (1D), sondern auch vollflächige (2D) so-wie berührungslose Messungen möglich sind. Ein Beispielfür einen zweidimensionalen Vergleich zwischen opti-scher Messung und Simulation hinsichtlich des Längsver-zugs ist in Schaumann et al. [13] enthalten.

    4.5 Eigenspannungen und -dehnungen

    Der Eigenspannungszustand vor und nach dem Hämmernbesitzt einen wesentlichen Einfluss auf die Lebensdauerder Schweißverbindung. Oftmals werden die Eigenspan-nungen quer und längs zur Naht nur im Endzustand he-rangezogen. Für die Verifikation der Schweißsimulationist jedoch nicht nur der Endwert, sondern auch die tran-siente Entwicklung der Eigenspannungen während desSchweißens von Interesse. Allerdings gestaltet sich ein di-rekter Vergleich zu den Messwerten schwierig, weil sichdie Streckgrenze und der E-Modul in Abhängigkeit vonder Temperatur ändern. Deshalb findet kein Vergleich aufder Ebene der Spannungen, sondern direkt auf der Ebeneder Dehnungen statt, die in den Schweißversuchen mittelsDehnungsmessstreifen (s. Bild 4) erfasst wurden. Beispiel-

    Bild 8. Vergleich der Gefügeanteile für verschiedene Ab-kühlkurven [2]Fig. 8. Comparison of phase transformation for differentcooling curves [2]

    Bild 9. Vergleich des Längsverzuges zwischen Messungenund SimulationFig. 9. Comparison of longitudinal distortion between mea-surements and simulation

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    haft ist in Bild 10 der zeitliche Verlauf der Dehnungenlängs zur Naht im Abstand x2 = 30 mm dargestellt.

    Die Längseigendehnungen steigen zunächst an, weilsich der Werkstoff infolge der Erwärmung ausdehnt. Nacheiner gewissen Zeit, je nach Abstand von der Schweiß-naht, sinken die gemessenen Werte wieder und gehen inden negativen Bereich über. Dies ist auf die Abkühlungder Schweißnaht sowie der Wärmeeinflusszone zurückzu-führen. Anhand der DMS-Messungen ist zu erkennen,dass die Längseigendehnungen für die gleiche Messpositi-on einer gewissen Streuung unterliegen (vgl. Versuch 26mit Versuch 28). Die numerisch ermittelten Eigendehnun-gen längs zur Naht befinden sich in der Bandbreite dieserMessdaten.

    Beim DMS quer zur Naht werden positive Eigendeh-nungen registriert (s. Bild 11), das heißt, es liegenSchweißeigenspannungen im Zugbereich vor. Dieser Ef-fekt ist auf das Schrumpfen der Naht beim Abkühlen zu-rückzuführen. Da eine feste Einspannung in x-Richtungam nahtentfernten Rand vorhanden ist, wird das freieSchrumpfen behindert, und es kommt zum Aufbau vonZugeigenspannungen.

    Die rechnerisch ermittelten Eigendehnungen querzur Naht liegen deutlich höher. Da alle übrigen Messer-gebnisse (Schmelzlinien, Temperaturzyklen, Längsverzugund Längseigendehnungen) keine größeren Abweichun-gen zeigen, wird vermutet, dass dieser Unterschied durchdie im FE-Modell vorhandene unendlich starre Einspan-nung auftritt. In der Realität treten jedoch an den Klemm-schienen, in die die Bleche eingespannt wurden, Nachgie-bigkeiten auf. Deshalb wurde in Bild 11 das Ergebnis einerFE-Rechnung ohne Einspannung am nahtentfernten

    Rand ergänzt. Beim Vergleich mit den anderen Kurven-verläufen ist zu erkennen, dass sich die endgültigen Eigen-dehnungen der Experimente zwischen den numerischenEigendehnungen für den eingespannten und frei gelager-ten Fall befinden. Anhand dieser Grenzwertbetrachtungwird der Einfluss der gewählten Lagerungsbedingungenam Blechrand auf die Entwicklung der Eigendehnungenquer zur Naht deutlich. Um die tatsächlichen Lagerungs-bedingungen vom Prüfstand in Bild 4 realitätsnah abbil-den zu können, müssten zusätzlich die Federsteifigkeitender Klemmschienen am Blechrand implementiert werden,die jedoch nicht bekannt sind. Insofern werden für dienoch folgenden Prozessmodule in HANWELD die beideneinhüllenden Grenzfälle mit eingespanntem und freiemRand weiterverfolgt.

    5 Modul Hämmern

    Nach vollständigerAbkühlung der Stahlbleche schließt imnächsten Berechnungsmodul die Kontaktsimulation fürdas Hämmern an (s. Bild 2). Dafür wird ein Kontaktalgo-rithmus in HANWELD implementiert, wobei der Pin bzw.Bolzenstift als RIGID BODY modelliert wird (s. Bild 12).

    Im Gegensatz zu einem Volumenkörper (SOLID)sind dazu nur Kontaktelemente erforderlich, wodurch derRechenaufwand deutlich reduziert wird. Die Vereinfa-chung besteht in der Annahme eines unendlich steifenPins, für den keine Verformungen berechnet werden müs-sen. Da der halbkugelförmige Pin aus gehärtetem Stahl be-steht, ist diese Annahme in erster Näherung gerechtfertigt.

    Zu Beginn der Kontaktsimulation besitzt der Pin ei-nen geringfügigen Abstand zum Nahtübergang. Der an-

    Bild 10. Vergleich der Längseigendehnungen zwischen Messungen und SimulationFig. 10. Comparison of longitudinal residual strains bet-ween measurements and simulation

    Bild 11. Vergleich der Quereigendehnungen zwischen Mes-sungen und SimulationFig. 11. Comparison of transverse residual strains betweenmeasurements and simulation

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    schließende Aufprall des Pins auf den Nahtübergang wur-de in Schaumann et al. [14] zunächst statisch realisiert,wobei der plastisch verformte Endzustand in einem Last-schritt, also mit einem einzigen Eindruck des Pins, er-reicht wurde. Die Erweiterung auf den dynamischen Fallerfolgte in Schaumann et al. [15], indem der Pin entlangdes Nahtübergangs bewegt wurde. Dadurch entstandenviele kleine Eindrücke, die zeitlich und räumlich versetztwaren. Der Pin mit d = 3 mm war dabei in einem Winkelvon 45° zur Lotrechten positioniert. Das Hämmern erfolg-te nicht über die gesamte Länge der Naht, sondern nur inBlechmitte über eine Breite von 40 mm (y = 55 mm bis95 mm). Die Eindringtiefe wurde so gewählt, dass sich amEnde des Hämmerns eine bleibende Verformung von0,17 mm in Dickenrichtung ergab. Dieser Wert wurde amMakroschliff in Bild 13 messtechnisch ermittelt (vgl.Bild 1).

    In Bild 14 sind die numerisch ermittelten Quereigen-spannungen (sx) vor und nach dem Hämmern gegenüber-gestellt. Im unbehandelten Zustand befinden sich entlang

    des Nahtübergangs die maximalen Zugeigenspannungen,die teilweise die Streckgrenze des Grundwerkstoffs (inANSYS: sx = +355E+09 = +355 MPa) erreichen. GrößereSpannungen in x-Richtung resultieren aus dem dreidi-mensionalen Spannungszustand (Mises-Fließkriterium).Dieses hohe Spannungsniveau wird speziell im vorliegen-den Fall durch den eingespannten Rand verursacht, derkeine Schrumpfungen in x-Richtung – also quer zur Naht– zulässt.

    Im Gegensatz dazu liegen im nachbehandelten Be-reich des Nahtübergangs Druckeigenspannungen vor. Be-dingt durch die plastische Verformung haben die oberflä-chennahen Spannungen ebenfalls die Streckgrenze über-schritten. In der Detailansicht von Bild 14 unten ist zu er-kennen, dass die höchsten Druckeigenspannungen in derbehandelten Zone (Mittelstreifen von 40 mm Länge) so-gar die Festigkeitsgrenze von –560 MPa (in ANSYS: sx = –560E+09) erreichen.

    Ein ähnlicher Zustand stellt sich bei den Längseigen-spannungen (sy) nach dem Hämmern ein. Dafür sind inBild 15 die Spannungszustände exemplarisch im ge-schweißten und nachbehandelten Zustand gegenüberge-stellt. Die größten Druckeigenspannungen befinden sichebenfalls im behandelten Mittelstreifen des Nahtüber-

    Bild 12. Modellierung des PinsFig. 12. Modelling of the pin

    Bild 13. Makroschliff einer Stumpfnaht mit Nachbehand-lung am rechten NahtübergangFig. 13. Macro specimen of a butt weld treated at the rightweld toe

    Bild 14. Vergleich der Eigenspannungen quer zur Naht vor(oben) und nach dem Hämmern (unten)Fig. 14. Comparison of transverse residual stresses before(above) and after hammer peening (below)

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    gangs. Allerdings weisen sie im Druckbereich Werte unter-halb der Streckgrenze auf. An den Prüfkörpern sind nochröntgenographische Eigenspannungsmessungen geplant,um zusätzlich zu den Eigendehnungen auch auf der Span-nungsebene einen Vergleich zwischen Experiment und Si-mulation zu erhalten.

    6 Lokale Ermüdungsberechnungen mit dem Fatigue Modul

    Zur Beurteilung der Ermüdungsfestigkeit von un- und nach-behandelten Schweißverbindungen wurde das Kerbdeh-nungskonzept gefolgt von dem Rissfortschrittskonzept inHANWELD implementiert. Dieses abschließende Modulwird im Folgenden als Fatigue Modul bezeichnet, weil damitdie lokalen Ermüdungsberechnungen stattfinden (s. Bild 2).

    6.1 Kerbdehnungskonzept

    Mit dem Kerbdehnungskonzept kann die Anrisslebens-dauer zyklisch beanspruchter Bauteile berechnet werden.Dabei gibt die Anrisslebensdauer Ni die Anzahl derSchwingspiele vom rissfreien Zustand bis zum techni-schen Anriss an. Es werden örtliche Beanspruchungsab-läufe berücksichtigt, die eine realistische Beurteilung desBauteilzustandes zulassen. Im Gegensatz zum Struktur-und Kerbspannungskonzept können dabei auch plasti-sche Dehnungszustände erfasst werden, die z. B. nachdem Hämmern am Nahtübergang auftreten.

    Ausgehend von den elastisch-plastischen Dehnungs-amplituden im Kerbgrund erfolgt die Bestimmung von Niüber einen Vergleich mit der entsprechenden Dehnungs-Wöhler-Linie des Werkstoffs in einer ungekerbten Ver-gleichsprobe (s. Bild 16). Diese Vorgehensweise basiertauf der Übertragung der Verhältnisse im Kerbgrund hin-sichtlich lokaler Deformationen, Schädigungen und Riss-einleitung auf eine kleine, gedanklich an dieser Stelle po-sitionierte Zugprobe. Für die folgenden Ermüdungsbe-rechnungen wird die Version nach Seeger verwendet,wobei die Formulierungen zum zyklischen Spannungs-Dehnungs-Verhalten ausführlich in [17] beschrieben sind.

    Die Berücksichtigung der Eigenspannungen erfolgtauf Basis der Verformungszustände nach dem Schweißen(as welded) sowie nach dem Hämmern (treated). Dafürgibt es verschiedene Modifikationen der Makrostützwir-kungsformel nach Neuber, welche in Radaj et al. [17] zu-sammengefasst sind. Beim Ansatz nach Seeger werdennicht die Eigenspannungen, sondern die Eigendehnungenals anfängliche Dehnungen mit einbezogen und mit denenaus zyklischer Belastung überlagert.

    (1)

    In Gleichung (1) ist σk die maximale örtliche Spannung(Kerbspannung), εk die Kerbdehnung, Kt die Kerbform-zahl, σ die Nennspannung und E der Elastizitätsmodul.Die anfänglich vorhandenen Eigendehnungen in der Ker-be (hier Nahtübergang) werden als εres (engl. residualstrains) bezeichnet. Diese sind in HANWELD nach demSchweißen sowie nach dem Hämmern bekannt. Um denUnterschied exemplarisch in einem Diagramm erläuternzu können, werden sowohl die Zugeigendehnungen nachdem Schweißen als auch die Druckeigendehnungen nachdem Hämmern auf Höhe der Fließ- bzw. Streckgrenze an-genommen (s. Bild 17).

    σ ε ε σk k res tEK−( ) = ⋅( )1 2

    Bild 15. Numerisch berechnete Eigenspannungen für unbe-handelten (links) und behandelten Nahtübergang (rechts)Fig. 15. Numerical residual stresses for as welded (left) andtreated (right) conditions

    Bild 16. Kerbgeometrie am NahtübergangFig. 16. Notch geometry at the weld toe

    Bild 17. Bauteilfließkurven für verschiedenen Eigendeh-nungszustände nach SeegerFig. 17. Structural load-local strain curve for different resi-dual strain states according to Seeger

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    Für den unbehandelten Zustand ergeben sich unterBerücksichtigung von Zugeigendehnungen wesentlichgrößere Dehnungen im Vergleich zu den Verläufen ohneEigenspannungseinfluss. Nach der Behandlung mit einemHämmerverfahren verschiebt sich die Bauteilfließkurve inden Bereich negativer Dehnungen aufgrund der einge-prägten Druckeigendehnungen des Pins. Insofern befindetsich der Nahtübergang bei Nennspannungen kleiner als σ = 200 MPa noch im überdrückten Zustand. Nach Über-schreiten der Fließgrenze nähern sich die Kurven immerweiter an, und die Eigendehnungen haben kaum noch Re-levanz im plastischen Beanspruchungszustand.

    Die Berechnungsschritte des Kerbdehnungskonzep-tes wurden im Fatigue Modul implementiert. Damit er-folgt die lokale Ermüdungsberechnung direkt in ANSYS,nachdem die Spannungen und Dehnungen für den (un-)behandelten Zustand vorliegen. Über eine Auswerte-schleife wird für jeden Knoten die jeweilige Anriss-schwingspielzahl ermittelt. Dabei wird genau der Eigen-dehnungszustand berücksichtigt, der am Knoten vorliegt.

    In Schaumann et al. [18] wurde das Fatigue Modulvorgestellt, welches nachfolgend bei einer Beispielrech-nung mit einer Nennspannungsamplitude σa = 150 MPaund einer Mittelspannung σm = 100 MPa zum Einsatzkam. Die numerisch ermittelten AnrissschwingspielzahlenNi sind im Bild 18 visualisiert.

    Das Bild 18 oben zeigt das Ergebnis der lokalen Ermü-dungsberechnung nach dem Schweißprozess, wobei dieniedrigsten Anrissschwingspielzahlen am Nahtübergangvorliegen. Hier sind sowohl die Eigenspannungen resultie-rend aus dem Schweißprozess als auch die Spannungskon-zentrationen resultierend aus der Kerbgeometrie am größ-ten (Kt,toe = 1,78). Die Kerbformzahl Kt und der Kerbradiusr müssen für die Ermüdungsberechnungen nicht angenom-men werden, weil sie automatisch im FE-Modell erfasstsind. So wird zum Beispiel auch die Ausrundung des Naht-übergangs nach dem Hämmern erfasst, wobei die Kerbwir-kung auf Kt,toe,treated = 1,57 reduziert wurde. Die Naht selbstweist im Bild 18 oben eine höhere Schwingfestigkeit als amSchweißnahtfußpunkt auf, weil sie einen größeren Span-nungsquerschnitt infolge der Nahtüberhöhung besitzt. ImGegensatz zum geschweißten Zustand besitzt der Naht-übergang in der behandelten Zone eine deutlich höhereAnrissschwingspielzahl (s. Bild 18 unten). Dabei werdenWerte bis zur Schwingspielzahl Ni = 5 · 106 LW berechnet,die in HANWELD die gewählte Obergrenze für die iterati-ven Ermüdungsberechnungen darstellt.

    Trotz allem erfolgte der Anriss bei den behandeltenSchweißproben ausschließlich an der Nahtwurzel. Des-halb wurde im Bild 18 unten ein Ausschnitt vom Ermü-dungsplot an der Nahtwurzel ergänzt. Beim Vergleich istzu erkennen, dass die Nahtwurzel weitestgehend unbeein-flusst durch das Hämmern der Nahtübergänge bleibt. Be-dingt durch die weiterhin vorhandenen Zugeigenspan-nungen und einer gewissen Kerbwirkung (Kt,root = 1,45)ergeben sich ähnliche Anrissschwingspielzahlen wie imgeschweißten Zustand. Insofern wurde durch die Nachbe-handlung die ermüdungskritische Stelle lediglich von denNahtübergängen zur Nahtwurzel verlagert, ohne eine sig-nifikante Steigerung der Lebensdauer zu erhalten. MitHilfe des Fatigue Moduls kann auch der Knoten mit derkleinsten Anrissschwingspielzahl lokalisiert werden. Zum

    Beispiel beträgt das Minimum am unbehandelten Naht-übergang Ni = 36500 LW bei der gewählten Nennspan-nungsamplitude von σa = 150 MPa (s. Bild 18 oben). Die-se kritische Ermüdungsstelle wird als Anrissort deklariert,für den im Folgenden die iterative Rissfortschrittsberech-nung stattfindet (s. Schnittstelle zwischen Kerbdehnungs-konzept und Rissfortschrittskonzept in Bild 2).

    6.2 Rissfortschrittskonzept

    Beim Rissfortschrittskonzept wird oft die Rissfortschritts-gleichung nach Paris und Erdogan [17] verwendet, mit derdie Rissfortschrittsrate unter ebenem Dehnungszustandan der Rissspitze wie folgt angenähert werden kann:

    (2)

    Die Gleichung 2 gibt an, um welchen Betrag da die vor-handene Risslänge a über eine gewisse Anzahl anSchwingspielen dN zunimmt. Dabei ist die Risslänge bzw.der Rissfortschritt von dem zyklischen Spannungsinten-sitätsfaktor ΔK an der Rissspitze abhängig. Für die Werk-

    dadN

    C Km

    = ⋅ ( )Δ

    Bild 18. Anrissschwingspielzahlen Ni in HANWELD vor(oben) und nach dem Hämmern (unten)Fig. 18. Cycles until crack initiation in HANWELD for aswelded (above) and treated conditions (below)

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    stoffkennwerte m und C werden vom International Insti-tut of Welding (IIW) [19] folgende Werte angegeben:

    Baustahl: m = 3 und C = 5,21 · 10–13 N · mm–3/2

    Der wichtigste Parameter zur Beschreibung des Ermü-dungsverhaltens an der Rissspitze ist der zyklische Span-nungsintensitätsfaktor ΔK. In Anlehnung an die Ausfüh-rungen von Hobbacher [20] wird für die Stumpfnaht fol-gende Gleichung zur Spannungsintensität angesetzt:

    (3)

    Dabei wird die zyklische Grundspannung Δσ senkrechtzum Riss mit zwei Korrekturfaktoren multipliziert, diebeide abhängig von der aktuellen Risslänge sind. Mit demVergrößerungsfaktor Mk(a) wird der Einfluss der Kerbwir-kung berücksichtigt. Die Rissform sowie die rissnaheGeometrie werden mit dem Geometriefaktor Y(a) erfasst.Da beide Parameter für fortschreitende Risse nicht kon-stant bleiben, ist eine iterative Rissfortschrittsberechnungerforderlich. Nähere Details zu den bruchmechanischenKennwerten sowie zur Vorgehensweise beim Aufstellender Rissfortschrittsgleichung sind z. B. im Schrifttum vonRadaj [17] und Hobbacher [20] enthalten.

    Die vorhandenen Eigenspannungen können dasRisswachstum an der Rissspitze wesentlich beeinflussen.Während Zugeigenspannungen den Riss weiter öffnenbzw. offen halten, kann es bei Druckeigenspannungenzum temporären Schließen des Risses im Anfangsstadiumkommen. Die durch das Hämmern eingeprägten Druck-eigenspannungen reduzieren die effektive Spannungs-schwingbreite. Deshalb wurden in Schaumann et al. [18]die Eigenspannungen direkt in der Gleichung für denSpannungsintensitätsfaktor berücksichtigt, da in HAN-WELD die Größe der Eigenspannungen bekannt ist:

    (4)

    Darin ist σres die Eigenspannung, die am Anrissort vor-liegt. Vereinfachend wird diese konstant über die gesamteRisslänge von x = 0 bis a angenommen. Zusammen mitdem modifizierten Ansatz für die Rissfortschrittsgleichungnach Forman können die Schwingspiele vom Anriss biszum Durchriss iterativ ermittelt werden:

    (5)

    Diese Vorgehensweise kam für das vorliegende Berech-nungsbeispiel in HANWELD zur Anwendung. Als Aus-gangszustand für die iterativen Rechnungen wurde ein halb-elliptischer Anriss ai = 0,1 mm sowie Kc = 4000 Nmm–3/2angesetzt. Letztendlich ergab sich die gesamte Bruchlast-spielzahl Nges aus der Anrissschwingspiel Ni und derSchwingspiele während des Rissfortschritts Np zu:

    (6)

    Die Ergebnisse der lokalen Ermüdungsberechnungen wer-den abschließend mit Schwingversuchen verglichen, die

    N N Nges i p= +

    dadN

    C KR K K

    m

    c= ⋅

    − −Δ

    Δ( )1

    K Y a a

    a xdxres

    resa

    = ⋅ ⋅−∫( ) π

    σ2 2

    0

    Δ ΔK a Y a M ak= ⋅ ⋅ ⋅ ⋅σ π ( ) ( )

    sowohl an un- und nachbehandelten Schweißprobendurchgeführt wurden.

    6.3 Vergleich mit Schwingversuchen

    Im Bild 19 sind die durchgeführten Schwingversuche [22]an einseitig geschweißten Stumpfstößen mit und ohneNachbehandlung gegenübergestellt. Hinsichtlich der De-tails zum Versuchsaufbau für die Schwingversuche sowieder Geometrie der geschweißten Flachzugproben wird aufSchaumann et al. [21] verwiesen.

    Anhand derAuswertung von insgesamt 80 Versuchen(40 unbehandelt und 40 an den Nahtübergängen mithochfrequentem Hämmern behandelt) ist zu erkennen,dass die Nachbehandlung in diesem Fall weitgehend wir-kungslos bleibt, weil sich die Rissinitiierung vom Naht-übergang zur unbehandelten Nahtwurzel verlagerte.

    Für die unbehandelten Schweißproben ergibt sich ei-ne Ermüdungsfestigkeit von FAT 88, die als 95%-Wöhler-Linie deutlich über der normativen Kurve FAT 71 des EC 3liegt. Die Neigung beträgt m = 2,9 im Zeitfestigkeitsbe-reich (normativ m = 3). Im Vergleich dazu flacht die Nei-gung durch die Nachbehandlung geringfügig auf m = 3,5ab. Außerdem steigt die Schwingfestigkeit auf Δσc =99 MPa bezogen auf Nc = 2 · 106 an. Allerdings besitzenvereinzelte nachbehandelte Schweißproben sogar geringe-re Lebensdauern, so dass im Fall der einseitig geschweiß-ten Stumpfstöße eine Erhöhung der Ermüdungsfestigkeitdurch Hämmerverfahren nicht signifikant vorliegt.

    Trotz allem bewirkte das hochfrequente Hämmernausnahmslos eine Verlagerung der Ermüdungsrisse. Wäh-rend im geschweißten Zustand sowohl Ermüdungsrisse anden Nahtübergängen als auch an der Nahtwurzel beob-achtet wurden, wiesen die nachbehandelten Proben aus-schließlich an der Nahtwurzel Ermüdungsrisse auf. Inso-fern waren die nachbehandelten Nahtübergänge nichtmehr ermüdungskritisch. Damit werden grundsätzlich dieErmüdungssimulationen von HANWELD bestätigt, dieebenfalls die Nahtwurzel als maßgebenden Anrissort aus-weisen. Die Ergebnisse vom Fatigue Modul sind im Bild19 ergänzt.

    Beim Vergleich mit den Schwingversuchen ist zu er-kennen, dass die Nahtübergänge im unbehandelten Zu-stand die geringste Schwingfestigkeit besitzen. Die Einstu-fung in eine Kerbfallklasse würde FAT 120 ergeben, wasals nicht konservativ zu beurteilen ist. Für die Nahtwurzelergibt sich eine höhere Lebensdauer, weil sie im ge-schweißten Zustand eine geringere Kerbwirkung als dieNahtübergänge aufweist. Die numerische Ermüdungskur-ve für die nachbehandelten Nahtübergänge liegt nochdeutlich höher. Bei 2 Mio. Lastwechseln wird eineSchwingfestigkeit von Δσc = 232 MPa bei einer Neigungvon m = 7,03 numerisch ermittelt (s. Tabelle 1). Dieses Er-gebnis ist zwar theoretisch, aber nicht unrealistisch fürbeidseitig geschweißte Stumpfnähte, die durch hochfre-quentes Hämmern nachbehandelt wurden. Zum Beispielführten Ummenhofer et al. [16] Ermüdungsversuche an30 mm dicken Stumpfstößen aus S460 TM durch. Im be-handelten Zustand besaßen diese eine Ermüdungsfestig-keit von FAT 200 bei einer vergleichbaren Neigung von m = 7,5. Insofern werden die numerischen Ergebnisse qua-litativ bestätigt, wobei sich eine Steigerung der Lebens-

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    dauer bei nachbehandelten Stumpfstößen ergeben kann,wenn die Nahtwurzel gegengeschweißt und alle vierNahtübergänge durch hochfrequentes Hämmern nachbe-handelt werden.

    Die numerisch ermittelten Werte für die Schwingfes-tigkeit Δσc und die Neigungskoeffizienten m sind in Tabel-le 1 gegenübergestellt. Im Vergleich zu den Versuchser-gebnissen liegen sie im Bereich der 50 %-Wöhlerlinie. In-sofern ist eine Einstufung anhand der Ermüdungssimula-tionen in HANWELD grundsätzlich möglich. Allerdingswird die vorgestellte Prozesskette durch eine Vielzahl vonParametern beim Schweißen, Hämmern und nicht zuletztauch bei den lokalen Ermüdungskonzepten beeinflusst, sodass HANWELD wohl eher für wissenschaftliche ZweckeAnwendung finden wird.

    Trotz allem können damit Einflüsse vom Schweiß-sowie vom Nachbehandlungsprozess auf die Ermüdungs-festigkeit bei Schweißdetails aufgezeigt werden. Spezielldie Effekte infolge unterschiedlicher Eigenspannungszu-stände und Kerbwirkungen am Nahtübergang sowie ander Nahtwurzel können tendenziell aufgeschlüsselt wer-den. Für eine praktische Anwendung wäre zum Beispieldas Aufzeigen von ermüdungskritischen Zonen an ge-schweißten Bauteilen im Entwurfsstadium von Interesse.Unter Berücksichtigung der beschriebenen Mechanismenbeim Schweißen und Hämmern könnte dann anschlie-ßend eine Optimierung mit den Ermüdungssimulationenfür spätere Serienfertigungen erfolgen.

    7 Zusammenfassung und Ausblick

    Am Institut für Stahlbau der Leibniz Universität Hanno-ver wurden Schweißverbindungen hinsichtlich ihrer Er-müdungsfestigkeit sowohl experimentell als auch nume-risch untersucht. Die Versuchsserie umfasste 4 mm dünneStahlbleche, die jeweils eine einseitig geschweißte Stumpf-

    naht besaßen. Während für die Nachbehandlung derNahtübergänge ein hochfrequentes Hämmerverfahrenzum Einsatz kam, wurde die Nahtwurzel im geschweißtenZustand belassen. Im Ergebnis zeigte sich, dass dadurchdie ermüdungskritische Stelle von den Nahtübergängenzur Nahtwurzel verlagert wird. Insofern konnte nicht dergewünschte Steigerungseffekt bei der Lebensdauer infolgedes Hämmerns erzielt werden, weil die Nahtwurzel einevergleichbar hohe Kerbwirkung aufwies.

    Die Ergebnisse der Schweiß- und Ermüdungsversu-che dienten anschließend zur Verifikation einer numeri-schen Schweißsimulation, die zusätzlich mit einem Häm-merprozess und lokalen Ermüdungskonzepten gekoppeltwurde. Dabei konnten wesentliche Effekte des Schwei-ßens und Hämmerns auf die Ermüdungsfestigkeit berück-sichtigt werden. Zwischen Experiment und Simulation er-folgten mehrere Vergleiche in Bezug auf Schmelzlinien,Temperaturzyklen, Gefügeanteile, Bauteilverzüge und Ei-genspannungen. Insbesondere die im jeweiligen Zustandund am jeweiligen Betrachtungsort vorherrschenden Ei-genspannungen und Kerbradien besitzen einen wesentli-chen Einfluss auf die Lebensdauer unter zyklischer Bean-spruchung. Grundsätzlich liegen nach dem SchweißenZugeigenspannungen am Nahtübergang vor, die anschlie-ßend mit Druckeigenspannungen infolge des Hämmernsüberlagert werden. Für die überdrückten und ausgerunde-ten Zonen ergeben sich bei Anwendung des Kerbdeh-nungskonzepts deutliche Steigerungen bei den Anriss-schwingspielzahlen. Der Unterschied konnte nicht nur an-hand von Spannungsplots, sondern auch mit Hilfe vonErmüdungsplots visualisiert werden. Dabei zeigte sichauch die Verlagerung des Anrissortes zur Nahtwurzel hin,die vom Hämmern unbeeinflusst blieb. In Ergänzung mitdem Rissfortschrittskonzept wurden numerische Ermü-dungsfestigkeitskurven berechnet, die die Unterschiedezwischen un- und nachbehandelten Schweißdetails quali-

    Bild 19. Schwingversuche und Ermüdungssimulationen fürun- und nachbehandelte StumpfnähteFig. 19. Fatigue tests and fatigue simulations for as weldedand treated butt welds

    Tabelle 1. Auswertung der Schwingversuche und Ermü-dungssimulationenTable 1. Data of fatigue tests and fatigue simulations

    Ergebnisse Stumpfnaht einseitigSchwingversuche/Simulation as welded treated

    Blechdicke 4 mm 4 mm

    Zustand Nahtübergang as welded treated

    Zustand Nahtwurzel as welded as welded

    95%-Wöhler-Kurve mit Δσc = 88 Δσc = 99Δσc und m (Versuche) m = 2,9 m = 3,5

    50%-Wöhler-Kurve mit Δσc = 112 Δσc = 122Δσc und m (Versuche) m = 2,9 m = 3,5

    Anrissort Nahtübergang nurund -wurzel Nahtwurzel

    HANWELD Simulation Δσc = 120 Δσc = 232für Nahtübergang m = 3,67 m = 7,03

    HANWELD Simulation Δσc = 138 Δσc = 138für Nahtwurzel m = 4,05 m = 4,05

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    tativ aufzeigen. Im Vergleich zu den Schwingversuchenergab sich auf Basis der vorgestellten numerischen Pro-zesskette eine gute Übereinstimmung mit den 50-%-Wöh-lerlinien der jeweiligen Kerbfallklasse.

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    Autoren dieses Beitrages:Prof. Dr.-Ing. Peter Schaumann, Institut für Stahlbau, Leibniz Universität Hannover, Appelstr. 9A, 30167 Hannover, [email protected]

    Dipl.-Ing. Christian Keindorf, SKI Ingenieurgesellschaft mbH, Gerberstr. 4, 30169 Hannover, [email protected]