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Eine Sonderveröffentlichung des Ausgabe 10 Oktober 2014

Oktober 2014 Eine Sonderveröffentlichung des · 2014. 10. 29. · GEA-Wirtschaftsmagazin 7 Sommer haben wir bei Bosch 100 jungen Menschen aus Spanien den Zugang zu einer Ausbildung

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  • Eine Sonderveröffentlichung des

    Ausgabe 10 • Oktober 2014

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  • Die dritte Luft »Die Zukunft ist ungewiss, heißt es lapidar. Aber – das ist

    kein Grund, sich einer fatalistischen Betrachtung hinzuge-ben. Auch das Morgen ist beeinflussbar. Zum Beispiel mit derAneignung von Wissen, Geschick und gemachter Erfahrung.Die implizite Aufforderung, etwas zu tun, geht viele an: Kinder, Jugendliche, Erwachsene. Der Satz, »wir haben ausge-lernt«, noch mit der Attitude des Selbstlobs verbunden, istein für allemal entsorgt. »Lebenslanges Lernen« hat sich indas Gedächtnis eingeprägt. Nicht nur in das der Menschen,Unternehmen, Schulen, Universitäten und andere Bildungs-einrichtungen – ja ganze Gesellschaften haben sich längstdarauf eingestellt.

    Qualifikationen, Kow-how, Innovationen sind Vorausset-zungen für das Überleben von Unternehmen. Ein Satz, der in den Gesprächen mit Betrieben immer wieder zu hören ist.Das Faktum in manchen Branchen, nicht ausreichend Fach-kräfte zu bekommen, ist hie und da bereits zu einer Wachs-tumsbremse geworden. Die demografische Entwicklung verstärkt dieses Problem. Humankapital macht als Produkti-onsfaktor im Vergleich zum Geld Boden gut. Mitarbeiter gewinnen an Wertschätzung. Wenn das Gehalt dabei steigt –auch gut.

    Wer Bildung jedoch nur als notwendige Voraussetzung imökonomischen Prozess betrachtet, der springt eindeutig zukurz. Immer geht es auch um die Entwicklung von Persön-lichkeit, um Bewusstsein, um Würde. Das Individuum schöpftbei diesem Unterwegssein Kraft und erringt neue Freiheits-grade. Es ist ein Atmen einer dritten Luft.

    Editorial

    Franz Pfluger

    3GEA-Wirtschaftsmagazin

  • ImpressumSonderveröffentlichung/Advertorial-Magazin von GEA Publishing für die Region Neckar-AlbAusgabe 10/Oktober 2014Leitung/Koordination: Franz PflugerAnzeigen: Stephan Körting (verantwortl.), Stephan SchweikertGraphische Konzeption/Layout/Satz/Gestaltung: Achim GollerHerausgeber: GEA Publishing und Media Services GmbH & Co. KGPersönlich haftende Gesellschafterin: GEA Publishing und Media Services Verwaltungs GmbH, Burgplatz 5, 72764 Reutlingen, Geschäftsführer: Michael Eyckeler, Stephan KörtingDruck: Bechtle Druck & Service/Esslingen

    Was ist Bildung?»Eine Pizza kann man sich nach Hause bestellen – nicht aber Bildung« ...................................................................................... 8

    UnternehmenBoschIngrid Peters:Vertrauen –Offenheit – Fairness ....................... 6

    Elring Klinger»Junge Menschen für unser Unternehmen begeistern« ................................................................... 10

    IAB-SudieBeachtliche Bildungsprämien ............................................................. 12

    ManzManz – immer eine Idee voraus! ...................................................... 14

    Hugo Boss»Young Talents« sind der Erfolg von Morgen ................................................................. 16

    WafiosReutlinger Modell als perfekte Lösung ........................................ 18

    RökonaEigene Ideen sind gefragt ........................................................................ 22

    Paul HornEin neuer Studiengang –Initialzündung für die Region ............................................................. 24

    RefugioQualifizierung als Schlüssel zum Job ............................................. 26

    Schwörer HausLeben in intelligenten Häusern ......................................................... 28

    CHTInnovationskultur ist Basis des Erfolgs ......................................... 30

    EasysoftErfolgsfaktor Bildung ................................................................................ 32

    BrodbeckBrodbeck bleibt am Ball:coole Sprüche – viel dahinter .............................................................. 34

    SolcomInvestition in die Zukunft ...................................................................... 36

    BernerMaschinenbau-Know-how par excellence ................................ 38

    RVMGanz sicher gute Chancen .................................................................... 40

    Barth»Der Mensch macht’s aus« ................................................................ 42

    DekraArbeitssicherheit geht jeden an .......................................................... 44

    Hochschulen und andere BildungseinrichtungenUni TübingenZwischen Spitzenforschungund Anwendungsorientierung............................................................ 46

    Hochschule ReutlingenDas Beste aus zwei Welten .................................................................... 48

    VHS ReutlingenWillkommen in der Welt der Weiterbildung ........................... 50

    IHK ReutlingenDer Kick für den Berufsalltag................................................................ 52So funktioniert lebenslanges Lernen ............................................. 54

    Arbeitsagentur ReutlingenKompetenz sichert den Job .................................................................. 56

    Landeszentrale für Politische BildungTagen in einem »Jahrhunderthaus« ............................................ 58

    Europa InstitutXing Wang vermittelt zwischen Welten ..................................... 60

    SüdwestmetallVom Einstieg zum Aufstieg .................................................................. 62Girlsday-Akademie – Sprungbrett für junge Frauen .............................................................. 64

    IG Metall Reutlingen»Kein junger Mensch darf zurückbleiben« ............................. 66

    SparkassenverbandKnow-how-Schmiede für Sparkässler ........................................... 68

    Titelbild:BildungGestaltung: Achim Goller/Foto: Fotolia

  • Vertrauen - Offenheit - FairnessGEA: Spricht man über das Unternehmen Bosch, wird inder Öffentlichkeit eine gewisse Unternehmenskulturdamit verbunden. Wie würden Sie denn die beschreiben?

    Peters: Den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, das hatte schonFirmengründer Robert Bosch praktiziert. Auch wenn sich die Rahmen-bedingungen geändert haben und der Wettbewerb härter geworden ist,dieses Bild stimmt auch heute noch. Bosch ist ein soziales Unternehmen,durch Werte geprägt. Vertrauen, Offenheit, Fairness – das ist nicht nurniedergeschrieben, das wird überall dort gelebt, wo Bosch vertreten ist.Auch wenn man Kultur gewiss nicht in Zahlen ausdrücken kann, möchteich eines hinzufügen: Unsere Mitarbeiterbefragung zeigt, dass 95 Pro-zent der Beschäftigten stolz sind, bei Bosch zu arbeiten. Ein sehr guterWert.

    Hat diese Identifikation etwas mit den Produkten zutun?

    Peters: Das Produktportfolio unterstützt diese. Wir haben ja den Slo-gan »Technik fürs Leben«. Es ist unser Anspruch, das Leben der Men-schen zu verbessern. Das betrifft Sicherheit, Komfort, Sauberkeit. Dasgeht vom ABS über das E-Bike bis hin zu Chips in den Handys. Hinzu-gekommen ist in den vergangenen Jahren Ressourcenschonung, alsonachhaltiges Wirtschaften. Stolz sind wir darauf, ein unabhängiges Unternehmen zu sein. Wir müssen nicht quartalsweise den Sharehol-ders berichten und können daher unser Handeln an längerfristigen Zie-len orientieren.

    Soziale Kultur und ökonomische Ziele – das kann sichdoch auch mal beißen?

    Peters:Natürlich gibt es auch bei uns Zielkonflikte. Sie zusammenzu-führen ist die Kunst. Menschen mit unterschiedlichen Charakteren füh-ren das Unternehmen. Unser Führungsgrundsatz heißt: »Das Ma-nagement übernimmt Aufgaben auf Zeit.« Die Führungskräfte in unse-rem Unternehmen werden geschult, die Bosch Werte zu verinnerlichenund zu leben

    Wie bereitet sich Bosch darauf vor, dass morgen undübermorgen die richtigen Leute an Bord sind?

    Peters: Wir betreiben Kompetenzmanagement. Abgeleitet aus derStrategie und dem Ziel, was wir erreichen wollen, müssen wir schauen,dass wir die passenden Mitarbeiter haben. Damit müssen wir uns ausei-nandersetzen. Einmal im Jahr sprechen wir mit den Führungskräften

    über die Mitarbeiter. In unseren Kompetenzclustern wird dann bestimmt,welche Qualifizierungsmaßnahmen und Investitionen notwendig sind.

    Wird Bosch die Beschäftigung am Standort Reutlingenhalten können?

    Peters: Die Automatisierung schreitet fort – am stärksten wohl imHalbleiterwerk. Da müssen wir überlegen, was wir mit den Menschenmachen, für die es Auswirkungen hat. Diese Aufgabe wird uns in dennächsten zwei bis drei Jahren sehr intensiv beschäftigen. Wir müssen un-sere Mitarbeiter auf eine ganz andere Welt vorbereiten. IT-Kenntnisse,die englische Sprache und ein anderes Arbeitsverhalten sind erforder-lich. Wir wollen wachsen und haben von daher nicht vor, unterm StrichArbeitsplätze abzubauen. Wir wollen am Standort Reutlingen mit derMannschaft – derzeit7 000 Beschäftigte – weitermachen.

    Wie beschäftigen Sie sich mit dem demografischenWandel?

    Peters: Wir spüren ihn im Ansatz. Wir haben am Bosch-StandortReutlingen wenig Fluktuation. Das durchschnittliche Alter der Beleg-schaft beträgt 44 Jahre. Mit dem Betriebsrat haben wir jüngst eine Ver-einbarung getroffen, in den nächsten drei Jahren unsere Auszubilden-den zu 100 Prozent zu übernehmen. Derzeit gib es 210 Auszubildendeam Standort. Wir beschäftigen uns mit dem lebenslangen Lernen, mitQualifizierung und versuchen, die Beschäftigten fit zu halten. Wir habenfür die physische und psychische Gesundheit ein Programm. Medizini-sche Betreuung gehört dazu. Leider ist es oft so, dass diejenigen, denenes gut tun würde, weniger daran teilnehmen als die Gesünderen. Aber,ich muss darauf hinweisen, es gibt hier auch eine eigene Verantwortungder Mitarbeiter.

    Technologische Entwicklungen verändern Inhalte. Wie wirkt sich das auf den Nachwuchs aus?

    Peters: Wir haben unsere Ausbildung überprüft und Berufsbilder demWandel angepasst. Im Halbleiterwerk haben wir schon vor Jahren dieMikrotechnologie-Ausbildung gestartet. Im Moment haben wir fünftechnisch-gewerbliche und zwei kaufmännische Berufsbilder. Es gibtnoch zwei Berufe (Industriemechaniker und Mechatroniker), in denengute Hauptschüler eine Chance haben. Ansonsten ist Mittlere Reife Mi-nimum. In die Duale Ausbildung - Reutlinger Modell - sind wir jüngsteingestiegen. Die jungen Menschen müssen sich auf höhere Anforde-rungen einstellen. Wir rekrutieren Personal auch aus dem Ausland. Im

    6 GEA-Wirtschaftsmagazin

    Interview mit Ingrid Peters, Leiterin der Bosch-Personalabteilung am Standort Reutlingen:

  • 7GEA-Wirtschaftsmagazin

    Sommer haben wir bei Bosch 100 jungen Menschen aus Spanien denZugang zu einer Ausbildung angeboten. Erfreulich ist, dass das Interessebei Mädchen für die technischen Berufe wächst. Aber in den Elektro-technikstudiengängen gibt es immer noch zu wenig Frauen.

    Technischer Wandel berührt ja alle Arbeitnehmer –auch die, die schon im Haus sind. Das wird auch einThema in den Tarifverhandlungen der Metallindustriein 2015 sein?

    Peters: Ich halte es für unabdingbar, sich mit dem Thema »Flexibili-tät« zu beschäftigen. Wir sind nicht nur Automobilzulieferer sondernauch in anderen Branchen unterwegs, die anderen Gesetzmäßigkeitenunterliegen. Flexibilität und Geschwindigkeit sind wichtig. Es gibt beiBosch eine Konzernvereinbarung mit dem Begriff »Mobiles Arbeiten«.Wer mit dem US-Markt viel zu tun hat, braucht vielleicht eine andereArbeitszeit als derjenige, der sich mit Kunden in Asien unterhält. DieseVereinbarung wollen wir auch am Standort Reutlingen umsetzen. DieLebensarbeitszeit wird sich verändern. Wir werden die verschiedenenLebensphasen der Mitarbeiter anders begleiten müssen. Wir werdenkünftig stärker in internationalen Teams arbeiten. Auch über andere Or-ganisationsstrukturen denken wir nach. Es wird in der nahen Zukunftschon mehr agile Teams geben. Mitarbeiter werden auf Zeit an Projek-ten arbeiten.

    »Diversity« ist bei Bosch ein starkes Thema. Was verstehen Sie genau darunter?

    Peters: Wir haben inzwischen den Begriff »Diversity« (Vielfalt) wei-ter gespannt. Begonnen haben wir mit dem Fokus Gender (Geschlecht).In 2020 sollen 20 Prozent der Führungspositionen mit Frauen besetztsein. Inzwischen gehört der demografische Wandel ebenso zu Diversitywie die Internationalisierung. Auch am Standort Reutlingen arbeitenMitarbeiter aus 60 Nationen. Zum Beispiel bereitet sich eine junge Chi-nesin am Standort Reutlingen auf ihre Aufgaben am Standort im Reichder Mitte vor. Unser Ziel ist es, 80 Prozent der Führungspositionen imAusland mit Mitarbeitern aus dem jeweiligen Land besetzt zu haben.

    Folgende Aussage habe ich gehört: »Wir, bei Bosch,

    akzeptieren nicht nur Andersartigkeit, wir streben siean.« Was verstehen Sie unter Andersartigkeit?

    Peters: Wir haben vor Kurzem im Rahmen unseres Jubiläums 50 JahreStandort Reutlingen einen Diversity-Tag veranstaltet. Dort wurde dieVielfalt der Belegschaft und sein Engagement sichtbar. Wir pflegen zehnNetzwerke in Reutlingen – darunter »Women @ Bosch«, »50 plus,«»Papas @ Bosch« und ein Schwulen- und Lesben-Netzwerk. Bei eini-gen bin ich Schirmherrin. Darüber hinaus nutzen wir das Wissen unddie Erfahrung von über 400 unserer pensionierten Mitarbeiter, in demsie uns bei verschiedenen Aufgaben unterstützen. Ich bin begeistert vonder gelebten Vielfalt bei Bosch.

    Das Gespräch führte Franz Pfluger

    Foto: B

    osch

    Wir akzeptieren nicht nur Andersartigkeit,

    wir streben sie an

    Unternehmensbereiche:Kraftfahrzeugtechnik, Industrietechnik, Gebrauchsgüter, Energie- und Gebäudetechnik

    Mitarbeiter: 281000Umsatz: 46,1 Milliarden Euro360 Tochter- und Regionalgesellschaften4,5 Milliarden Euro für F + E

    Bosch in Zahlen

    Ingrid Peters

  • 8 GEA-Wirtschaftsmagazin

    die Tiger-staaten ihre Er-

    folge nicht nur demFleiß und derNachahmung zu

    verdanken. Die be-eindruckende Zahl der Li-

    zenzen ist ein Ausdruck dafür, dass sieauch im Schöpferischen auf sehr gutem Wegesind.

    Das deutsche Bildungssystem zeichnet sichdurch eine signifikante Stabilität und Leis-tungsfähigkeit aus, sagt die OECD. Die Zahlder Personen, die die Hochschulen mit einemAbschluss verlassen, hat sich seit 2002 fast ver-doppelt. Junge Frauen erwerben häufigereinen Hochschulabschluss als junge Männer;unter den 30- bis unter 35-Jährigen sind es 24

    Von Franz Pfluger

    Was heißt denn sich bilden? Lernen.Geistiges Training. Streben. Dass sichdiese Übung nicht auf die Zeit der Schule oderUniversität beschränkt, hat sich herumge-sprochen. »Lebenslanges Lernen« ist dasStichwort dazu. Es gibt viele Gründe, zu ler-nen, sich zu qualifizieren, zu bilden. Die Ge-sellschaft mit ihren Unternehmen und Insti-tutionen hält ein Selektionssystem bereit, andem der Einzelne sich bewähren muss. Wereinen bestimmten Beruf ergreifen möchte,muss Voraussetzungen mitbringen, Bedin-gungen erfüllen. Status- und Lebenschan-cen hängen entscheidend von Wissen,Kompetenz und Bildung ab. Die Ge-sellschaft hält einen Rahmen für die-ses Training parat: öffentliche und pri-vate Schulen. Die Schleußen sind Examina,Promotionen. Die Belohnungen Zertifikateund Prämien. Bildung braucht Investment.Das ist beileibe nicht nur Geld. »Zu den We-gekosten zählen auch Leid und Erfahrung«,sagt der Philosoph Peter Sloterdijk. Nichtohne einen Seitenhieb auf die Neuen Medienloszuwerden: »Mit dem Downloaden gehtman nur den Weg der Entspannung und Ver-wöhnung. Man kann eine Pizza sich nachHause bestellen – nicht aber Bildung.«

    Was für Individuen gilt, diesesStreben nach Zielen und einemWerden, ist auch für ganze Ge-sellschaften elementar. Im Ranking der 60wettbewerbsfähigsten Länder der Welt liegtDeutschland auf Platz neun – hinter den USA,der Schweiz, Schweden, Hongkong und Sin-gapur. Grundsätzliche Fragen wie, muss derWesten auf längere Sicht seine Vorherrschaftan Asien abgeben, berühren elementar das

    »Eine Pizza kann man sich nachHause bestellen – nichtaber Bildung«

    Thema Bildung. Die Wirtschaft- und Fi-nanzkrise in Europa hat solche Problem-stellung nur noch verdeutlicht. Nochwird Deutschland, ob seiner Stel-lung bewundert und benei-det: Wirtschaftswachstum,Rückgang der Arbeitslo-sigkeit, Spitzenstellun-gen in

    vielen Branchenauf der Welt. Die asiatischen Staaten haben inden zurückliegenden Jahrzehnten Europa dasFürchten gelehrt und beeindrucken immerwieder mit ihren Ergebnissen. Längst haben

    Auch Nationen müssen sich anstrengen

    Foto: Fotolia

  • 9GEA-Wirtschaftsmagazin

    Prozent der Frauen und 22 Prozent der gleich-altrigen Männer. Der Bachelorabschluss ist in-zwischen zum häufigsten Ab-schluss geworden.

    A u c hdie Zahl der

    Absolventin-nen und Absol-venten mit

    einem Master-abschluss steigt. Alle

    Untersuchungen belegen eindrucks-voll: Die Chancen, einen Arbeitsplatz zu fin-

    den, steigen mit zunehmender Ausbildung.

    Das ist kein Grund, nicht mehr zu tun.Chancengleichheit und gesellschaftliche Teil-habe der Menschen in Deutschland sind un-zureichend erreicht. Die Europäische Unionhat sich das Ziel gesetzt, alle Bevölkerungs-gruppen an Bildungsprogrammen zu beteili-gen. Die Menschen sollen mindestens übereinen Abschluss des Sekundarbereichs II -(Gymnasium, berufsbildende Schule, Abend-schule) verfügen. Noch mehr Personen sol-len einen Hochschulabschluss erwerben. DieEU hat in ihrer auf zehn Jahre angelegtenWachstumsstrategie »Europa 2020 » für denBildungsbereich zwei Hauptziele gesetzt: Zumeinen soll die Quote frühzeitiger Schulabgän-ger auf unter 10 Prozent gesenkt werden. Die-ses Ziel hat Deutschland schon erreicht. Daszweite Ziel, den Anteil der 30 bis unter 35-Jäh-rigen mit abgeschlossener Hochschulbildung

    auf mindestens 40 Prozent zu steigern, ist nichterreicht. Hier lag Deutschland mit 32 Prozentim Jahr 2012 noch deutlich unter dem inter-nationalen Zielwert sowie unter dem EU-Durchschnitt (36 Prozent).

    Aber - man muss es einräumen: Es gibt Län-der mit besserer Performance. Das nordischeBildungsmodell schneidet im Vergleich mitdem deutschen seit Jahrzehnten besser ab. In

    den Ländern Finnland, Norwegen, Schwe-den, Island und Dänemark ist Erziehung so

    etwas wie ein allgemeines und unentgelt-liches Bürgerrecht. Das Schulsystemsteht weitgehend unter der Monopol-hoheit des Staates. Gesundheitsfürsorge,

    Bildung und Ausbildung und teilweiseauch Tagesbetreuung für Kinder sind Rechteund Leistungen, für die die Bürger nur wenigbezahlen müssen. Bei bestimmten Parameternwie öffentliche Ausgaben für Bildung in Rela-tion zu den öffentlichen Gesamtausgabenoder öffentlichen Ausgaben für Bildung in Relation zum Sozialprodukt liegen die nordi-schen Länder auf Spitzenplätzen undDeutschland im letzten Drittel von über 30Staaten.

    Der demografische Wandel birgt eine an-dere Herausforderung: Nach den Bildungs-vorausberechnungen der Experten wird sichdie Anzahl der Bildungsteilnehmerinnen undTeilnehmer insgesamt bis 2025 um 12 Pro-zent verringern. Von diesem Rückgang ist inerster Linie der Schulbereich betroffen. Im Be-reich der frühkindlichen Bildung und imHochschulbereich steigt demgegenüber derBedarf in den nächsten Jahren noch an. Folg-lich steigt die Anzahl der Einrichtungen fürunter 3-Jährige sowie der Hochschulen, wäh-rend die Anzahl der allgemeinbildenden Schu-len deutlich sinkt.

    Um den Bildungsstand der Bevölkerunginsgesamt zu verbessern, ist es wichtig, dasssich alle gesellschaftlichen Gruppen an Aus-und Weiterbildung beteiligen und die Bil-dungsprogramme erfolgreich abschließen. Ins-besondere gilt es, geschlechtsspezifische undsoziale Disparitäten zu vermindern. Ein be-sonderes Augenmerk sollte dabei auf jungeMänner und Personen mit Migrationshinter-grund gelegt werden. Trotz Verbesserungenin den letzten Jahren ist der Bildungsstand vonPersonen mit Migrationshintergrund noch

    deutlich niedriger als derjenigen ohne Migra-tionshintergrund. Diese Ziele gibt der Bil-dungsbericht des Ministeriums für Bildungvor.

    Bildung als Instrument für Job, Geld und so-zialen Status ist eine Selbstverständlichkeit.Doch nicht alles kann im unmittelbarenDienst der Karriere stehen. Ein gut ausgebil-deter Mensch ist das eine, ein gut Gebildeterdas andere. Technik im Kindergarten, Wirt-schaft in der Schule und dergleichen Aktionenkönnen aber nicht darüber hinwegtäuschen,dass es noch eine zweite Seite der Bildung gibt:Bildung als Identitätsstiftung und Persönlich-keitsentwicklung. Die zu vernachlässigen wäretöricht. Kulturelle Bildung sollte eine großeRolle in der Entwicklung von jungen Men-schen spielen. Sie sitzt zu viel auf der Ersatz-bank, ist viel zu oft Feigenblatt, meint bei-spielsweise der Rat für Kulturelle Bildung.Doch auch das, was sich nicht unmittelbarrechnet, muss eine Chance haben. Musizie-ren, Theaterspielen, Malen, alles was mit Krea-tivität zu tun hat, sind mehr als nur die Hobbysvon Kindern bürgerlichen Schichten.

    Zur Bildung gehören auch soziale Kompe-tenz. Die Fähigkeit, Dinge zu hinterfragen, eineDistanz zur eigenen Kultur herzustellen,Selbstreflexion und die Fähigkeit, Neues auf-zunehmen – all das gehört zur Bildung. Es fälltauf – Personalchefs in den Unternehmenwünschen sich häufiger Mitarbeiter, die hin-terfragen und auch widersprechen. Einspruch,Widerspruch ist ausdrücklich erwünscht. Of-fenbar sind bei der Karriereplanung viele zubrav geworden.

    Wissen, Kompetenz und Bildung sind aus-gezeichnete Waffen im Kampf gegen Unter-drückung in den unterschiedlichsten Ausprä-gungen. Sie können Menschen davor bewah-ren, Opfer zu werden. Die Freiheit im Den-ken, eine moralische Sensibilität, die Fähigkeitzur Abgrenzung und die Unbestechlichkeit imCharakter können Resultate von Bildung sein.Wem es bei dieser Bildungsdividende immernoch an Motivation fehlt, dem sagt Peter Slo-terdijk: »Bildung ist die Vorfreude auf sichselbst.«

    Nordische Länder sind Vorbild

    Die andere Seite:Identitätsstiftung

  • 10 GEA-Wirtschaftsmagazin

    DHBW-Studenten an, knapp 30 davon amStandort Dettingen/Erms. In drei Jahrenkommen so mehr als 150 gut ausgebildete Be-rufseinsteiger zusammen – junge Menschen,die »nahezu zu hundert Prozent bei uns blei-ben«, wie Wolf stolz sagt. »Das schaffen wir,weil wir sie für Elring Klinger begeistern – fürunsere Unternehmenskultur und weil wirihnen nachher eine gute Perspektive bieten«.

    Dr. Stefan Wolf

    »Junge Menschen fürunser Unternehmen begeistern«Der Automobilzulieferer Elring Klinger

    hat einen hohen Bindungsgrad der Aus-

    zubildenden und daher gegenwärtig kein

    Facharbeiterproblem, sagt Vorstands-

    vorsitzender Stefan Wolf.

    er in den Vorstand kam, waren es 475 Millionen Euro, derzeit liegt Elring Klin-ger bei knapp 1,2 Milliarden Euro.

    Die Mitarbeiter erhalten eine jährliche Be-teiligung als Sonderzahlung, die sich am Er-gebnis orientiert. Mit dem Betriebsrat hat derVorstandsvorsitzende vereinbart, dass sie indem Maß gehoben oder gesenkt wird, wie dasmit der Dividende passiert. »Die Aktionäresetzen ihr Geld ein, die Mitarbeiter ihr Hu-mankapital«, sagt Wolf, »also müssen sichbeide gleich entwickeln.« Elring Klinger: einebörsennotierte AG, die mitbestimmungs-pflichtig ist – selten genug. Das Verhältnis zumBetriebsrat beschreibt der Vorstandsvorsit-zende als »offen, klar und transparent – auchwenn wir nicht immer einer Meinung sind,aber das liegt in der Natur der Sache«. Den

    Von Andreas Fink

    Facharbeitermangel? »Wir haben keinProblem«, sagt Dr. Stefan Wolf, »ge-nauer: wir haben im Moment noch keines.«Der Vorstandsvorsitzende der Elring KlingerAG erklärt: »Das liegt daran, dass wir einenhohen Bindungsgrad unserer Auszubildendenhaben.« Starker Bindungsgrad bedeutet, dassso gut wie alle bei dem 1879 gegründeten Un-ternehmen bleiben, wenn sie ihre Ausbildungabgeschlossen haben. In Zahlen: Pro Jahr fan-gen deutschlandweit ungefähr 50 Azubis und

    Die viel beschwo-rene Unterneh-menskultur be-schreibt Wolf so:»Wir sind nach wievor sehr bodenständig,wir sind sehr klar struk-turiert, wir geben unse-ren Mitarbeitern einenhohen Grad an Eigenstän-digkeit und Verantwortungund wir treffen sehr schnelle Ent-scheidungen.« Als Beispiel nennt Wolf denEinstieg in die Fertigung von Getriebesteuer-platten: »Wir hatten das nie vor«, sagt der 53-Jährige, »dann kam der Leiter des Geschäfts-bereichs Spezialdichtungen zu mir und sagte,ich habe ein interessantes Geschäftsfeld iden-tifiziert. Wir haben uns innerhalb einer Stundeentschieden einiges zu investieren, um die ers-ten Produkte zu entwickeln.« Heute werdenallein im Werk in Runkel (Hessen) acht Mil-lionen Getriebesteuerplatten hergestellt.»Viele Unternehmen werden umso schwer-fälliger, je größer sie werden«, weiß Wolf, »beiuns ist das anders.«

    »Ich sehe es derzeit als eine meiner Haupt-aufgaben im Vorstand an, diese Strukturenaufrechtzuerhalten«, so Wolf, »das ist nichtnur eine Basis für die Mitarbeiterbindung, son-dern auch für unseren wirtschaftlichen Erfolgund für unsere Ziele.« Die sind hoch: »Fürdas Jahr 2020 streben wir einen Umsatz vonzwei Milliarden Euro an«, sagt Wolf. 2005, als

    Sonderzahlungen sind amErgebnis orientiert

  • 11GEA-Wirtschaftsmagazin

    Betriebsräten attestiert Wolf ein »stark un-ternehmensbezogenes Denken – sie wissen,wenn's dem Unternehmen gut geht, geht’sihnen auch gut«. In einer Betriebsvereinba-rung ist eine Beschäftigungssicherung für alleStammbeschäftigten (90 Prozent der Mitar-beiter) festgeschrieben, wenn die Pläne zur Ra-tionalisierung und Produktionssteigerung ein-gehalten werden.

    Klassische Unternehmens-Tugenden sindeine Sache, Dr. Stefan Wolf

    betont, dassdie »weichen Faktoren« nicht

    minder wichtig sind – mehr noch: immerwichtiger werden. »Für junge Mitarbeiter istnicht nur das Geld entscheidend, sie schauenauch, ob die Rahmenbedingungen stimmen.«Der CEO nennt als Beispiel 10 Betreuungs-plätze, die Elring Klinger in der Dettinger Kin-dertagesstätte zur Verfügung stehen. »Wennes das Aufgabengebiet zulässt, bieten wir auchdas Arbeiten aus dem Home-Office an, umdie Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu er-möglichen. Zu den weichen Faktoren zähltWolf auch das vor einigen Jahren eingeführtebetriebliche Gesundheitsmanagement. Ein biszwei Mal in der Woche kommt ein externerBetriebsarzt, das Unternehmen bietet Fit-nesskurse mit Schwerpunkt Herz-Kreislaufund Bewegungsapparat an. Im vergangenenJahr ging die firmeninterne Kampagne »ge-sund & fit« an den Start, die das Wohlbefin-den der Mitarbeiter in den Vordergrund stellt.Das Ganze läuft in Zusammenarbeit mit derneu gegründeten Kochwerk Catering GmbH(die Tochtergesellschaft steht für die neueKüche, die nicht nur das Betriebsrestaurant,sondern mittlerweile auch das Regierungs-präsidium in Tübingen und Lechler in Met-

    zingen versorgt). Bei Wettkämpfen oder an-deren Sportereignissen in der Umgebung fal-len immer wieder Athleten diverser Betriebs-sport-Gruppen von Elring Klinger auf.

    Wolf würde einem Teil seiner Mitarbeitergern noch mehr Flexibilität anbieten, betonter. »Ich habe Mitarbeiter, die würden gerneerst gegen Mittag anfangen und dafür bis um22 Uhr arbeiten«, sagt der 53-Jährige. Gehttheoretisch, praktisch wird dies aber nicht um-gesetzt, denn: »Wenn so jemand über 18 Uhrhinaus arbeitet, müssen ihm gemäß Tarifver-

    trag von Arbeitsbeginn

    ab die Nachtzuschläge bezahltwerden, die eigentlich erst ab 19 Uhr fälligwären«, so Wolf. »Da sind wir in den Tarif-verträgen in zu engen, starren Regelungendrin.« Der Vorsitzende des Arbeitgeberver-bandes Südwestmetall kritisiert die Gegen-seite: »In diesem Punkt sperrt sich der Sozi-alpartner IG Metall total, obwohl ihr Klienteleigentlich andere Bedürfnisse hat.«

    Unübersehbar die Recruiting-Kampagnevon Elring Klinger, beispielsweise auf Reut-

    linger Stadtbussen. Hierbei setzt das Unter-nehmen auf »echte« Mitarbeiter. Insgesamt16 Kollegen aus unterschiedlichen Ge-schäftsbereichen werden für die Kampagneeingesetzt. Sie präsentiert die ElringKlinger-Gruppe im Kampf um die besten Kandidatenals modernen und zukunftsorientierten Tech-nologie-Konzern. »Auch wenn wir aktuellnoch keine Probleme bei den Facharbeiternhaben: Wir suchen laufend, wir müssen per-manent suchen.« Nicht aus Mangel, sondernaus Weitsicht, wie Wolf betont. »Im Jahr 2000hatten wir 2 500 Mitarbeiter, momentan ar-beiten circa 7 000 Menschen für Elring Klin-

    ger, 2020 werden es nochmals deutlich mehrsein. Die suchen wir jetzt schon.«

    Elring Klinger AG

    Die Kochwerk Catering GmbH kümmert sich um das leibliche Wohl der Mitarbeiter

    Umsatz:1,175 Milliarden Euro

    Mitarbeiter:7000, davon 1 500 am Standort Dettingen/Erms, 42 Standorte weltweit

    Produkte: Zylinderkopfdichtungen, Spezialdichtun-gen, Abschirmtechnik, Kunststoffgehäu-semodule, Komponenten für E-Mobility

    Vorsitzender: Dr. Stefan Wolf

    Mehrheitsaktionär: Familie Lechler

    Foto

    s: E

    lring

    Klin

    ger

  • 12 GEA-Wirtschaftsmagazin

    Beachtliche Bildungsprämienlen, dass die Über-50-Jährigen der Jahre 2008bis 2010 zu einer anderen Zeit ins Erwerbsle-ben eintraten als später geborene Personen.Damit könnten die Älteren möglicherweiseein insgesamt nach unten verschobenes Pro-fil der Jahresentgelte aufweisen.

    Die durchschnittlichen Einstiegsentgeltevon Abiturienten, Fachhochschul- und Hoch-schulabsolventen liegen relativ nahe an dem

    Betrag, den Personen ohne Abiturim gleichen Alter verdienen. Bisetwa zum 40. Lebensjahr sind je-doch die Steigerungsraten in dendurchschnittlichen Jahresentgeltenfür besser gebildete Personen deut-lich höher als für Beschäftigte mitniedrigerer formaler Bildung. Diesist insbesondere für Individuen mitFachhochschulabschluss und innoch stärkerem Maße für solchemit Hochschulabschluss der Fall.Das hat zur Folge, dass Hoch-schulabsolventen im Alter von 40Jahren durchschnittlich fast das2,7-Fache dessen erzielen, was Per-sonen ohne Berufsausbildung undohne Abitur verdienen. Im weite-ren Erwerbsverlauf schließt sichdann die Schere zwischen den Bil-dungsgruppen wieder etwas. Aka-demiker verdienen aber auch inder zweiten Hälfte des Erwerbsle-

    bens im Durchschnitt deutlichmehr als Nicht-Akademiker.

    Wenn man etwa die Personen ohne Be-rufsausbildung und Abitur mit denjenigenmiteiner Ausbildung aber ebenfalls ohne Abiturvergleicht, ergeben sich für das 30. Lebensjahrjeweils kumulierte durchschnittliche Jahres-entgelte von 179 000 beziehungsweise231 000 Euro. Für das 40. Lebensjahr steigendie kumulierten Lebensentgelte auf durch-schnittlich 404 000 Euro beziehungsweise.512 000 Euro und für das 50. Lebensjahr auf661 000 Euro beziehungsweise 827 000 Euro.Zuletzt, im 65. Lebensjahr liegen die Werte bei1 083 000 Euro bzw. 1 325 000 Euro.

    Geld ist bestimmt nicht alles – schon garnicht, wenn über das Thema Bildunggeredet wird. Aber – dass sich Anstrengunglohnt, darf schon erwähnt werden. Mühe hatihren Lohn. Beispielsweise zeigen Berech-nungen des Instituts für Angewandte Berufs-forschung (IAB) in Nürnberg, dass Hoch-schulabsolventen durchschnittlich bis zum2,7-Fachen dessen verdienen, was Personenohne beruflichen Abschluss erhalten. Na bitte!Aber auch eine Berufsausbildung ist ihr Geldwert. Über das ganze Erwerbsleben hinweg ad-dieren sich die Bildungsprämien zu beachtli-chen Summen – für alle Berufsabschlüsse, fürMänner wie Frauen. Allerdings un-terscheiden sich die Bildungsprä-mien zwischen den betrachtetenGruppen durchaus erheblich.

    »Sicherer Job, guter Verdienst,viele individuelle Entwicklungs-möglichkeiten« – mit diesenSchlagworten wirbt die Website»Berufliche Bildung – Praktischunschlagbar« der Bundesministe-rien für Bildung und Forschungsowie Wirtschaft und Technolo-gie bei den Jugendlichen für dieVorteile des Dualen Ausbildungs-systems. Doch lassen sich dieseVorteile auch belegen? AchimSchmillen und Heiko Stüber un-tersuchten das, indem sie im Zeit-raum 2008 bis einschließlich 2010die durchschnittlichen Brutto-Le-bensentgelte von fünf Personen-gruppen miteinander vergleichen:Personen ohne Berufsausbildungund ohne Abitur,Personen mit Be-rufsausbildung und ohne Abitur, Abiturientenmit oder ohne Berufsausbildung, Fachhoch-schulabsolventen und Hochschulabsolven-ten.

    Dabei zeigt sich ganz klar: Bildung ist vielwert. So verdient ein Beschäftigter mit Be-rufsausbildung im Verlauf des ganzen Erwerbslebens rund 243 000 Euro mehr alsjemand ohne Berufsausbildung und ohne

    Abitur. Diese sogenannte Bildungsprämie be-trägt für ein Abitur als höchsten Abschluss478 000 Euro, für ein Fachhochschulstudium920 000 Euro und für ein Hochschulstudium1 237 000 Euro, jeweils gegenüber Personenohne Berufsausbildung.

    Personen ohne Berufsausbildung verdien-ten über ihre gesamte Erwerbskarriere hinwegim Durchschnitt etwa 1 083 000 Euro brutto,solche mit Berufsausbildung aber ohne Abitur 1325 000 Euro und Abiturienten 1561 000 Euro. Das durchschnittliche Le-bensentgelt von Fachhochschulabsolventenbeträgt circa 2 002 000 Euro und das von

    Hochschulabsolventen 2 320 000 Euro.Zu Beginn des Erwerbslebens sind die Jah-

    resentgelte relativ niedrig. Bis zum vierten Le-bensjahrzehnt steigen sie dann für alle Bil-dungsgruppen stark an. Je nach Gruppe wirdder Anstieg der Entgelte ungefähr ab dieserPhase des Erwerbsverlaufs zusehends kleiner,kommt zum Erliegen oder kehrt sich sogarum. Der Rückgang der Jahresentgelte ab dem50. Lebensjahr könnte einerseits tatsächlichdarauf beruhen, dass die Entgelt-Wachs-tumsraten über den Erwerbsverlauf hinwegabnehmen und sogar negativ werden können.Andererseits könnte aber auch eine Rolle spie-

    Vergleich über Berufsphase

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    Euro

    Durchschnittliche Lebensverdienste

    nach höchstem Bildungsabschluss

    in Euro

    Unterschiedliche Zuwächse

  • John F. Kennedy

  • 14 GEA-Wirtschaftsmagazin

    Foto: Trinkhaus

    Martin Maurer Thomas BetzitzaRalf Schallenberg

    Mit ihrer umfassenden technologischen Expertise ist die ManzAG ein wichtiger Innovationstreiber für den Durchbruch vonSchlüsseltechnologien unserer Zeit wie nachhaltige Energieer-zeugung, globale Kommunikationsbedürfnisse und E-Mobilität.

    Manz – immer eine Idee voraus!Gruppenleiter Martin

    Maurer, Prozessentwickler

    Thomas Betzitza und Ralf

    Schallenberg, der jüngst

    seine Ausbildung abge-

    schlossen hat, im Gespräch

    mit dem GEA-Wirtschafts-

    magazin

    Von Jasmin Siebert

    In der Kreativenbranche normal, für einenHightech-Maschinenbauer doch eher un-gewöhnlich: Seit Juli 2013 heißt es Vertrau-ensarbeitszeit statt Stempeln in der Firmen-zentrale der Manz AG in Reutlingen. Nacheinem Jahr Probezeit wurden die Stechuhrennun endgültig abgeschafft. »Vertrauen ist einWesensbestandteil unserer Kultur«, sagt AxelBartmann, Sprecher des seit 2006 börsenno-tierten Unternehmens, das in diesem Jahr wie-der den Sprung in den TecDAX (Index der30 größten börsennotierten Technologieun-ternehmen) geschafft hat.

    Als Anbieter integrierter Produktionslinienvereint der Maschinen- und AnlagenbauerKompetenz in sechs Technologiefeldern: Au-tomation, Laserprozesse, Vakuumbeschich-tung, Siebdrucken, Messtechnik und nass-chemische Prozesse. Mit der Strategie, dieTechnologien in drei verschiedenen Ge-schäftsbereichen, nämlich Lithium-Ionen Bat-terien, Fotovoltaik und Display, einzusetzenund weiterzuentwicklen, fährt das Unterneh-men auf Erfolgskurs. Über 40 offene Stellensind auf der Unternehmenshomepage ausge-schrieben. Gesucht werden Fach- und Füh-rungskräfte, zum Beispiel Naturwissenschaft-ler, Konstrukteure und Softwareentwickler.»Fehlendes hoch qualifiziertes Personal isteindeutig ein wachstumshemmender Fak-tor«, so Bartmann. Dabei biete Manz tolleJobs auf allen Ebenen.

    Als Martin Maurer im Jahr 2001 nach Ab-schluss der Technikerschule bei der Manz AGals Konstrukteur anfing, hatte er gerade ein-

    Manz – immer eine Idee voraus!

  • 15GEA-Wirtschaftsmagazin

    mal 70 Kollegen. Heute sind es 400 in Reut-lingen und annähernd 2 000 weltweit. Diestete Weiterentwicklung des Unternehmensbietet auch den Mitarbeitern Aufstiegschan-cen. Unterstützt werden sie dabei durch Wei-terbildungen, die die Manz Academy firmen-intern und extern anbietet. Darunter sind Pro-jekleiterkurse, Software-Schulungen, Eng-lischkurse oder Seminare mit Titeln wie »Ver-tragsrecht für Führungskräfte«.

    Maurer hat sich hochgearbeitet und ist seitzwei Jahren als Gruppenleiter für ein Teamvon acht Konstrukteuren verantwortlich. InSpitzenzeiten kommen externe Konstrukteurehinzu. »Es gibt viele Möglichkeiten, wennman entsprechende Leistung bringt«, sagt der40-Jährige und ergänzt: »Ich habe ja »nur«den Technikertitel im Maschinenbau, führeaber in meinem Team auch studierte Inge-nieure.«

    Auch nach 13 Jahren ist Maurer seine Ar-beit noch nie langweilig geworden, da erimmer wieder mit neuen Technologien inKontakt kommt und eigenständig Entschei-dungen treffen kann. Ihm gefällt es, in ver-schiedene Projekte von deren Start bis zuderen Abschluss involviert zu sein. Momen-tan tüftelt er mit seinem Team für einen Kun-den in Asien an einer Anlage, mit der Bauteilevon Notebooks automatisiert zusammenge-baut werden können. Ein- bis zweimal im Jahrist Maurer auf Auslandseinsatz; immer dann –wenn ganz neue Anlagen in Betrieb genom-men werden.

    »Wow, da geht was!«, dachte Thomas Bet-zitza, als er nach seinem Bewerbungsgesprächüber das weite Firmengelände der Manz AGgeführt wurde. In den Werkshallen standennicht nur modernste Prozessanlagen, sondernauch Handlingssysteme und Roboter. 2009begann der heute 24-Jährige sein Mechatro-nik-Studium und verbrachte in den folgendendrei Jahren im Wechsel je drei Monate an derDualen Hochschule in Horb und im Betrieb.Für seine Bachelorarbeit besuchte er zwei Wo-chen lang die damalige Manz-Tochter in Is-rael. Seinen Master absolvierte Betzitza an-schließend an der FH in Reutlingen und ar-beitete daneben als Werkstudent in der Ent-wicklung von Basistechnologien. Der Robo-ter zur Handhabung von Solarzellen, mit des-

    sen Weiterentwicklung er sich im Rahmenseiner Masterarbeit im Bereich Kinematik be-schäftigte, ist heute bei Manz im Einsatz.

    Nach Abschluss seines Masters stieg Bet-zitza als Prozessentwickler im Bereich New Business bei der Manz AG ein. NewBusiness beschäftigt sich mit Erschließungneuer Märkte und Technologien. Leitend sinddabei die Fragen: »Welche Märkte und Tech-nologien rechnen sich für uns? Bei welchemArbeitsschritt, der bisher noch manuell ge-macht wurde, können wir ansetzen?« Mo-mentan tüfteln Betzitza und seine Kollegen anKlebeprozessen von Materialien, die für Manzeher ungewöhnlich sind: Textilien. Doch auchbei der Herstellung im Bereich der Textilienkommen die Kernkompetenzen von Manzwie Laserprozesstechnik und Handling, zumEinsatz. »In unserer Hightech-Schmiede kön-nen die Mitarbeiter ihre Kreativität ausleben«,betont Bartmann.

    Betzitza genießt, dass trotz der Freiheiten,die er beim Arbeiten hat, immer ein Betreuerhinter ihm steht. Er entwickelt nicht nur neueProzesse, sondern hat auch Kundenkontakt,was er sehr spannend findet. »Es ist ein tollesArbeitsklima hier«, schwärmt er. Großraum-büros gibt es bei Manz nicht. Stattdessen stein-getäfelte Wände und Ausblick auf die Alb.

    Auch Ralf Schallenberg beeindruckte dieFührung durch die Firma. Jüngst hat er seineMechatroniker-Ausbildung abgeschlossen, dieer wegen guter Leistungen um ein halbes Jahrverkürzen konnte. Er wird in der Abteilung In-betriebnahme übernommen. Dort wird erunter anderem Software auf die Computerspielen, ohne die die Anlagen nur »leere Hül-len« wären. Eventuell will Schallenberg nachzwei Jahren noch den Techniker machen.Doch zunächst freut er sich auf seinen erstenAuslandseinsatz. Dass junge Mitarbeiter schonim ersten Jahr nach abgeschlossener Lehre insAusland geschickt werden, ist bei Manz nichtungewöhnlich. Auch während der Ausbildunggibt es bereits die Möglichkeit, zwei Wochenim Ausland zu verbringen. Schallenberg warim Manz-Werk in der Slowakei.

    »Wir sind laufend unterwegs«, sagt Pres-sesprecher Bartmann. In einem weltweit täti-gen Unternehmen, dass die Wachstums-märkte in Fernost bedient, Dependancen in

    Kreativität ausleben inder Hightech-Schmiede

    »Wir sind laufend unterwegs«

    China, Taiwan, Italien, Ungarn und der Slo-wakei hat sowie Service-Niederlassungen inSüdkorea, Indien und USA, stehen Auslands-einsätze auf der Tagesordnung. Einige Mitar-beiter wechseln auch für einen längeren Zeit-raum zu einem anderen Manz-Standort.

    Seit 2005 bildet die Manz AG mit dem Zielder Übernahme von allen Azubis selbst aus.Etwa zehn neue Auszubildende starten jedesJahr im September mit einer Einführungswo-che in ihre Ausbildung. Neben dem Mecha-troniker gibt es drei weitere technische Aus-bildungsberufe: Elektroniker/in für Betriebs-technik, Industriemechaniker/in und Fachin-formatiker/in für Systemintegration. Außer-dem werden jedes Jahr Industriekaufleute aus-gebildet. Dazu kommen sechs Studenten, jezwei in Mechatronik und (Wirtschafts-)In-formatik, die an der Dualen HochschuleBaden-Württemberg (DHBW) in Horb stu-dieren und zwei Studenten, die nach dem»Reutlinger Modell« in fünf Jahren zwei Ab-schlüsse erwerben, den Facharbeiterbrief In-dustriemechaniker sowie einen Bachelor ofEngineering.

    Die Einführungswoche mit einer Rallye, diedie Lehrlinge aus dem zweiten Lehrjahr für dieNeuen organisieren, soll den neuen Lehrlin-gen helfen, sich untereinander und den Betriebkennen zu lernen. Dabei werden sie spielerischmit ihren Rechten und Pflichten im Unter-nehmen vertraut gemacht und lernen auchpraktische Dinge wie Krawattenbinden. EinTag steht im Zeichen der Gesundheit, aneinem anderen wird gemeinsam Sport ge-macht, zum Beispiel im Klettergarten. Auchein Fahrsicherheitstraining wird angeboten.

    Bemerkenswert sind die Elternabende, beidenen interessierte Schüler sich mit ihren El-tern über die Karrieremöglichkeiten bei Manzinformieren. Der Firmengründer Dieter Manzlegt Wert darauf, dass die Eltern die meist min-derjährigen Lehrlinge in guten Händen wis-sen. Einmal im Jahr lädt er zu »Dieter Manzmeets Azubis« ein. Bei der Veranstaltung kön-nen Lehrlinge mit dem Firmengründer überdie Leitlinien des Unternehmens sprechen.»Bei uns wissen die Mitarbeiter wohin dieReise geht. Darin unterscheiden wir uns als in-habergeführtes Unternehmen deutlich vonanderen«, sagt Bartmann.

    Auch Krawattenbindenwill gelernt sein

  • 16 GEA-Wirtschaftsmagazin

    HUGO BOSS: »Young Talents« sind

    der Erfolg von morgenHugo Boss steht für Mode. Für den Erfolg

    sind jedoch nicht nur jene Mitarbeiter, die

    unmittelbar mit Textilien zu tun haben,

    verantwortlich. Kreative Köpfe werden auch

    in den IT-Abteilungen, im Einzelhandel, in

    der Logistik gebraucht. Auch gute Betriebs-

    wirte, Juristen und Architekten haben

    Chancen.

    Von Xaver Baumann

    Hugo Boss kleidetnicht nur, HugoBoss zieht auch an: Welt-weit beschäftigt das inter-national erfolgreiche Un-ternehmen 12 500 Mitar-beiter. Allein am Hauptsitzin Metzingen arbeitendabei rund 2 500 Beschäf-tigte aus circa 55 Nationenam Erfolg des Modekon-zerns. Mit vielen Weiterbil-dungsmöglichkeiten undeiner großen Spanne an un-terschiedlichen Benefits bietetdie Hugo Boss AG ein moder-nes und zukunftsorientiertesArbeitsumfeld mit schwäbischen Wurzeln.

    Dabei ist es wenig verwunderlich, dass andiesem Erfolg nicht nur »kreative Köpfe« undModedesigner mitwirken. Denn neben denMitarbeitern im kreativen Bereich, bedarf esvieler Abteilungen und Spezialisten, die mitihrem Fachwissen den Fashion-Betrieb täg-lich in Gang halten. So arbeiten bei Hugo Bossbeispielsweise über 200 Mitarbeiter im Be-reich »Global IT«. Daneben sind Architek-ten, Einzelhandelsexperten, Logistikspezialis-ten, Juristen, Betriebswirte und viele weitereBerufsgruppen für das Unternehmen im Ein-

    Der HUGO BOS

    S

    Run ist ein großes

    Ereignis für alle

    Mitarbeiter

  • 17GEA-Wirtschaftsmagazin

    Erfahrung im Ausland

    Auch an den zahlreichen Kaf

    feebars trifft

    man sich zum Gespräch mit K

    ollegen

    Alljährliches Fußball-

    turnier bei HUGO BOSS

    Young Talents bei HUGO BO

    SS satz. Sie alle finden ein attraktives Arbeitsum-feld vor, das viel Raum für Gestaltung und Ver-antwortungsübernahme bietet.

    Auch bildet Hugo Boss schon seit Langemselbst aus. Mittlerweile sind es14 verschiedeneAusbildungsberufe und duale Studiengänge,die über 100 sogenannte »Young Talents«beschäftigen und eine wichtige Säule zur Si-cherung eines qualifizierten Mitarbeiternach-wuchses darstellen. Neben der klassischen

    Ausbildung zum Einzelhandels- oder Indus-triekaufmann/frau bietet das zweigeteilteDuale Hochschulstudium fundierte Einblickein die Bereiche Wirtschaftsinformatik oder indas Handel- und Textilmanagement des Kon-zerns. Bereits während der Ausbildung oderwährend des Studiums bieten sich Möglich-keiten erste Praxiserfahrungen im Ausland zusammeln. Die »Young Talents« können anUnternehmensstandorten wie New York,Hongkong oder Melbourne früh ihre inter-kulturelle Kompetenzen aufbauen und schär-fen.

    Der Einstieg bei Hugo Boss ist auch überein internationales Traineeprogramm mög-lich. In diesem Nachwuchskräfteprogrammdurchläuft ein Trainee in einem Zeitraum von18 Monaten diverse Abteilungen und unter-stützt Projekte im In- und Ausland. Zusätzlichbegleiten Seminare den Trainee auf seinemWeg, um nach Abschluss des Programms inseiner Zielfunktion im Unternehmen durch-starten zu können.

    Generell wird bei Hugo Boss auf die konti-nuierliche Personalentwicklung jedes Mitar-beiters großen Wert gelegt, wobei durch dieInternationalität des Konzerns interessantePerspektiven im Ausland entstehen. Zusätz-lich bietet die sogenannte »Fachkarriere«,neben der klassischen Karriere als Führungs-kraft, vielen Spezialisten die Möglichkeit derpersönlichen und fachlichen Weiterentwick-lung.

    Um nach dem Feierabend oder auch überden Mittag einen guten Ausgleich zu den an-spruchsvollen beruflichen Tätigkeiten zu er-halten, gibt es ein firmeneigenes Fitnessstudioauf dem Campus. Dort reicht das Kursange-bot von Zumba über Tiefenentspannung bishin zur Verfügbarkeit von Personal Trainern,die den Mitarbeitern kostenfrei zur Verfügungstehen. Für die Ballsportler gibt es einen Fuß-ballplatz, ein Beachvolleyballfeld und ver-günstige Mitgliedsbeiträge in diversen Ten-nis- und Golfclubs. Besonders bei dem jährli-chen Hugo Boss Run, einem Halbmarathonfür Mitarbeiter und Gäste sowie auf internenFußballturnieren kommt dabei der Spaß, dasEngagement und der Teamgeist der Mitar-beiterinnen und Mitarbeiter zum Ausdruck.

    Personal Trainer zur Stelle

    Umsatz:2,43 Milliarden Euro

    Mitarbeiter:12500, davon 2 500 in Metzingen

    Konzerneigene BOSS Stores:1010

    Marken: Boss, Boss Green, Boss Orange,Hugo

    Vorstandsvorsitzender: Claus-Dietrich Lahrs

    Hugo Boss AG (2013)

    Fotos: Boss

  • ReutlingerModell alsperfekteLösungNicole Boley und Tobias

    Single erzählen über

    ihre Ausbildung bei der

    WAFIOS AG.

    18 GEA-Wirtschaftsmagazin

    Von Jasmin Siebert

    Wenn Nicole Boley von ihrem Werde-gang erzählt, strahlen ihre blauenAugen. Seit Februar 2014 arbeitet die 25-jäh-rige Maschinenbauerin im Patentwesen derMaschinenfabrik WAFIOS in Reutlingen.Nach dem Abitur wollte Nicole Boley nichtgleich studieren. Eine reguläre Ausbildungwäre die Alternative gewesen. Aber eine nor-male Ausbildung, fürchtete sie, hätte sie schnelllangweilig gefunden. Das sogenannte Reut-linger Modell, das eine verkürzte Ausbildungzur Industriemechanikerin mit einem Bache-lor in Maschinenbau verbindet, war die per-fekte Lösung für sie.

    Drehen, fräsen, bohren, schrauben undmontieren – all diese Tätigkeiten lernte sie inihrer Ausbildung, ehe sie nach zwei Jahren mitdem Gesellenbrief in der Tasche ihr Studium

    begann. »Viele Fächer fielen mir leicht, weilich den direkten Bezug sehen konnte undnicht in der Theorie gefangen war«, erinnertsie sich.

    Ein Studiensemester verbrachte NicoleBoley in Branford an der amerikanischen Ost-küste. Während ihre Kommilitonen nach dreiMonaten an der Uni heimflogen, durfte sie eindreimonatiges Praktikum bei einer Partner-firma von WAFIOS dranhängen. Dort lerntesie die englischen Bezeichnungen für Ma-schinenteile. Das hilft ihr sehr, wenn sie jetztzum Beispiel Patente auf Englisch lesen muss.

    Tobias Single, der gerade seine Bachelor-

    arbeit schreibt und anschließend auch direktbei WAFIOS einsteigen wird, nennt weiterePluspunkte des Reutlinger Modells. Viermalim Jahr tauschen sich Studenten und Ehema-lige bei einem Stammtisch aus. »Man lerntsich untereinander besser kennen und auchdie Vorgesetzten«, erzählt Single, der so auchan das Thema seiner Abschlussarbeit kam.Gut findet er auch, dass er mit einer abge-schlossenen Berufsausbildung ins Studiumstarten und in den Semesterferien Geld ver-dienen konnte. »Man steht nicht am Band,sondern bekommt eine verantwortungsvolleAufgabe und wird nach Tarif bezahlt.«

    Fotos: Pacher

    Nicole Boley und Tobias Single an ihrem Arbeitsplatz

  • 19GEA-Wirtschaftsmagazin

    Produktionsstätten: Reutlingen, Wuppertal, Berlin,São Paulo, Shanghai

    Umsatz:141 Millionen Euro

    Mitarbeiter:980

    WAFIOS AG

    Wer die Werkhallen von WAFIOS betritt,wähnt sich nicht in einer Maschinenfabrik. Esist nicht sonderlich laut, der helle Boden istsauber und die Wände frisch gestrichen. ErstAnfang des Jahres wurde die Renovierung ab-geschlossenen. Seitdem ist es in den Produk-tionshallen und Büros viel heller als zuvor.

    Der Wandel, der bei WAFIOS vor sichgeht, ist nicht nur ein äußerer. Auch die Un-ternehmensstruktur verändert sich. »WA-FIOS befindet sich in der Transformationvom Maschinenbauer zum Lösungsanbie-ter«, sagt Uwe-Peter Weigmann, der Vor-standssprecher. Während der Kunde frühernur eine Maschine bestellte, kaufe er nun einKomplettpaket, das heißt, eine fertige Anlage,die seinen speziellen Anforderungen ent-spricht und dazu ein Software-Paket zur War-tung. Früher brauchte WAFIOS gute Kon-strukteure und Maschinenbauer. »Heutebrauchen wir Experten für die fertigen Anla-gen«, sagt Weigmann.

    Damit verändern sich auch die Anforde-rungen in der Ausbildung. WAFIOS ist einerder größten Ausbilder in der Region. EinZehntel der Belegschaft sind Azubis. Nebendem Reutlinger Modell gibt es bei WAFIOSsechs gewerbliche Ausbildungen: Industrie-mechaniker/in, Elektroniker/in für Betriebs-technik, Mechatroniker/in, Technische/rProduktdesigner/in und Industriekauffrau/-mann. Daneben bietet WAFIOS Themen fürBachelor- und Masterarbeiten in Maschinen-bau, Elektrotechnik und Industriemanage-ment an.

    Auf die 81 Ausbildungsplätze bewarbensich in diesem Jahr rund 300 junge Menschen.»Es gab Zeiten, in denen waren es 900«, sagtWAFIOS-Vorstand Martin Holder. Obwohldie Anforderungen in den gewerblichen Aus-bildungen steigen, wollen immer mehr Schul-abgänger studieren. Dazu kommt der demo-grafische Wandel. Holder betont: »Es fangennicht nur 1,0er-Leute bei uns an. Wir brau-chen verlässliche Mitarbeiter, nicht nur Wis-senschaftler.«

    Azubis werden frühzeitig in Arbeitsprozesseeingebunden. Sie bauen zum Beispiel eigen-ständig die Haspeln. Haspel sind Spulen, dieden Draht abwickeln und als eigene, kleineMaschinen auf der Hauptmaschine aufsitzen.

    Der Name der Azubis steht auf einer Plaketteund sie sind für das Funktionieren verant-wortlich.

    Die WAFIOS-Chefs legen nicht nur auf diefachlichen, sondern auch auf die sozialenKompetenzen ihrer Mitarbeiter Wert. Seit vierJahren beteiligen sich die Azubis an sozialenProjekten der Bruderhaus-Diakonie. Bemer-kenswert ist auch das Formula-Student-Projekt in Kooperation mit der Uni Stuttgart.Hier tüfteln gewerbliche Azubis gemeinsammit Studenten überaus erfolgreich an Renn-autos mit Elektromotor.

    Nach der Ausbildung hört das Lernen beiWAFIOS nicht auf. Für die Weiterbildungvon Mitarbeitern steht ein jährliches Budgetvon 350 000 Euro zur Verfügung. Pro Mitar-beiter sind das theoretisch 400 Euro im Jahr.Damit sich die Mitarbeiter besser mit den aus-ländischen Geschäftspartnern verständigenkönnen, werden Sprachkurse angeboten.Auch um die Zeichnungen, die seit 2013 aus-schließlich auf Englisch beschriftet werden,besser zu verstehen. Daneben gibt es Vorträgeüber die chinesische (Geschäfts-)Kultur, Schu-lungen für Führungskräfte und Rückenschule.

    Dunkel, dreckig, laut und ölig – diese Attri-bute, die einem unweigerlich zu einer Ma-schinenfabrik einfallen, gehören in die Ver-gangenheit. »Wir haben tolle Software-Ar-beitsplätze«, schwärmt Holder. Informatikersind bei WAFIOS gefragt. Früher beherrschtedie Mechanik eine Maschine. »Heute lebteine Maschine von Bits und Bytes«, sagt

    Weigmann. Dennoch gibt er zu, dass WAFIOS in der Industrie 4.0 noch ganz amAnfang steht. »Die Vernetzung von Maschi-nen ist hochkomplex. Sie betrifft sowohl dieeigenen Maschinen als auch die, die für denKunden gebaut werden«, erklärt er und fügthinzu: »Es ist eine völlig neue Herausforde-rung, in diese Richtung auszubilden.«

    Noch immer ist Maschinenbau eine Män-nerdomäne. Auf die Frauen im Unternehmenangesprochen schmunzelt Weigmann undsagt: »Sie sollten nicht benachteiligt sein.«Acht Mitarbeiterinnen befinden sich derzeitim Erziehungsurlaub. Ihnen wird zugesichert,nach zwei Jahren wieder einsteigen zu können.Auch 15 Männer haben in diesem Jahr bereitszwei Monate als Vollzeitväter zu Hause ver-bracht.

    Bei WAFIOS ist Nicole Boley bisher dieeinzige weibliche Absolventin des ReutlingerModells. Damit sich das ändert, organisiert siejedes Jahr den Girls’ Day mit. »Die Mädchendürfen etwas zusammenbauen und merkendann gleich, ob ihnen das liegt«, erzählt sie.Viele Schülerinnen nutzen die Gelegenheit,um sich über technische Berufe zu informie-ren und Nicole Boley auszufragen.

    Mitten in derTransformation

    »Wir haben guteSoftware-Arbeitsplätze«

    Der Vorstand der WAFIOS AG (von links): Martin Holder, Dr. Uwe-Peter Weigmann (Vorsitz) und Dr. Christoph Müller-Mederer posieren vor einer Federenden-Schleifmaschine.

    Foto: Meyer

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  • Arthur Schopenhauer

  • 22 GEA-Wirtschaftsmagazin

    Manz mag Stoffe und näht in ihrer Freizeitgerne. Die Tübinger Firma kannte sie vom Fa-brikverkauf der Muttergesellschaft Rösch, dieNacht- und Tagwäsche, Freizeit- und Bade-mode der Marken Rösch und Louis Féraudherstellt und vertreibt. Je länger sie nun selbstin der Firma arbeitet, desto überzeugter ist sie:»Das ist genau der richtige Beruf für mich hierbei rökona.«

    Textillaboranten prüfen die fertigen Stoffe,bevor sie an den Kunden geschickt werden.Im physikalisch-chemischen Labor ist präzi-ses Arbeiten sehr wichtig. Simona Manz' Auf-gaben teilen sich in drei Arbeitsschritte: Vor-bereitung der Tests, die Prüfung und derenAuswertung. Was sich schematisch anhört, istin der Praxis anspruchsvoll und abwechs-lungsreich. Denn was unter welchen Kriteriengeprüft wird, unterscheidet sich von Auftragzu Auftrag. »Wir haben auch viele Sonder-prüfungen«, erzählt Simona Manz. Je nachKundenvorgaben werden Biegesteifigkeit, Ge-wicht, Dicke, Farbe, Reißverhalten mit derKraft- und Dehnungsprüfmaschine oderBrennverhalten in der eigens dafür eingerich-teten Brennkammer getestet.

    Während der dreieinhalbjährigen Ausbil-dung hat Simona Manz alle drei Monate

    Simona Manz wird Textillaborantin

    Eigene Ideen sind gefragtDas Tübinger Unternehmen rökona,

    Hersteller von technischen Textilien,

    stellt drei Ausbildungsberufe vor:

    Produktionsmechaniker, Produktveredler

    und Textillaborantin.

    Von Jasmin Siebert

    Bei einer Textilfirma näht man bestimmtden ganzen Tag Kleider. Mit diesemVorurteil sind die Mitarbeiter von rökona häu-fig konfrontiert. Ahnung von Nähmaschinenmuss man bei dem namhaften Hersteller vontechnischen Textilien, der die Automobilin-dustrie, die Medizintechnik und Herstellervon Freizeitbekleidung als Kunden hat, jedochnicht mitbringen, dafür aber Mathe- und Che-miekenntnisse. Das GEA-Wirtschaftsmaga-zin stellt drei anspruchsvolle Ausbildungsbe-rufe vor, die die Tochterfirma des TübingerTextilunternehmens Rösch anbietet.

    Vor einem Jahr hat Simona Manz ihre Aus-bildung zur Textillaborantin bei rökona be-gonnen. Die 22-Jährige aus Dußlingen wolltekeinen klassischen Ausbildungsberuf lernen,den jeder macht. Labortätigkeit hat sie schonimmer interessiert, aber sie wollte nicht aus-schließlich mit Chemie zu tun haben. Lieberwollte sie etwas in Händen halten. Simona

    Blockunterricht in der Berufsschule in Schopf-heim. Dort werden auch die Produktveredlerwährend ihrer dreijährigen Ausbildung un-terrichtet.

    Manuel Reisch hat seine Ausbildung zumProduktveredler schon 2006 abgeschlossen.Er spezialisierte sich auf das Färbereilabor, woer bis zum Frühjahr diesen Jahres arbeitete.Jetzt ist der 29-jährige Assistent des Abtei-lungsleiters in der Ausrüstung/Färberei, wo erauch organisatorische Aufgaben hat.

    Die Produktveredler verleihen dem Textilbestimmte Eigenschaften. Da fast 90 Prozentder Aufträge bei rökona aus der Automobil-industrie kommen, werden vor allem techni-sche Textilien für das Auto hergestellt. DieProduktveredler entwickeln unter anderemSäulen, Hutablagen und Innendecken, den so-genannten »Himmel«, in genau dem Grau-,Beige-, Anthrazit- oder Schwarzton, den derKunde wünscht. Die Farbvorgaben sind dabeisehr anspruchsvoll, selbst Abweichungen, diefür das menschliche Auge nicht sichtbar sind,

    Manuel Reisch ist Produktveredler

    ProduktionsmechanikerSinan Tokmak

    Foto

    s: T

    rinkh

    aus

  • 23GEA-Wirtschaftsmagazin

    werden nicht geduldet. Die Produktveredlerprüfen auch Dehnung, Gewicht und Eigen-schaften wie zum Beispiel schmutzabweisendeBeschichtungen. Neben den technischen Stof-fen für Autos stellt rökona zu einem geringenTeil auch Funktionstextilien her.

    Wer in der Abteilung Ausrüstung/Färbereiarbeiten will, muss körperlich belastbar sein.Da die Maschinen, die die Stoffe produzieren,Wärme abstrahlen, ist es in der Abteilung heiß.Dazu ist es laut und es herrscht eine hohe Luft-feuchtigkeit. Produktveredler müssen unteranderem die Maschinen mit den Textilien bestücken. Die großen Stangen sind oft soschwer, dass man zu zweit anpacken muss.Dennoch können Frauen den Beruf genau-sogut ausüben, betont die Personalchefin Melanie Müller.

    Sinan Tokmak saß bei Rewe an der Kasse,bevor er 2013 seine Ausbildung zum Produk-tionsmechaniker bei rökona begann. Er warauf der Suche nach einem familienfreundli-chen Unternehmen. Noch ist Sinan Tokmaktäglich von sieben Uhr morgens bis 15.30 Uhrim Betrieb. Nach der Ausbildung wird auch erim Drei-Schicht-Betrieb mit regelmäßigenNacht- und Wochenendschichten arbeiten.»Solange ich vorher planen kann, habe ichdamit aber kein Problem«, betont er. Auchmit seinem Bruttogehalt von 815 Euro im ers-ten Lehrjahr ist er sehr zufrieden.

    »Anfangs hatte ich meine Probleme mitden Textilien«, gibt er zu. Bevor er zu rökonakam, hatte er keine Ahnung von Textilien. Ge-duldig musste er lernen, wie er die Wirkma-schinen einstellt, die Garne richtig einspannt,

    sodass der Kamm Tausende Fäden zugleichrichtig einziehen kann, um sie zu einer textilenFläche zu wirken. »Kleine Fehler haben einegroße Wirkung«, sagt Sinan Tokmak. Inzwi-schen hat er sich an die Arbeit gewöhnt undaußer Geduld viele interessante Dinge überTextilien gelernt.

    Nach dem Vorstellungsgespräch wird allenBewerbern empfohlen, einen oder mehrereTage probezuarbeiten, um herauszufinden, obdie angestrebte Ausbildung wirklich die rich-tige ist. Doch die meisten fühlen sich in demUnternehmen mit seinen flachen Hierarchienschnell wohl. Die Lehrlinge bei rökona steigenschnell ins Tagesgeschäft ein, arbeiten nichtnur zu, sondern tragen aktiv zum Erfolg derFirma bei.

    Von den Auszubildenden wird erwartet,dass sie selbstständig arbeiten und flexibel aufveränderte Arbeitsweisen reagieren können.»Vor allem sollen sie selber denken und ei-gene Ideen einbringen«, betont Melanie Mül-ler. Und schiebt einen Satz hinterher: »DieAzubis sollen Verantwortung für ihr Lebenübernehmen.« Zunächst sollte man sich fra-gen, ob das Problem nicht bei einem selberliegt. Im offenen Arbeitsumfeld, wie es rökonabietet, sind jedoch auch Verbesserungsvor-schläge von Lehrlingen jederzeit willkommen.»Wir lernen hier voneinander«, sagt MelanieMüller.

    Neben der flachen Hierarchie sind es auchweiche Faktoren, die eine Ausbildung bei rö-kona attraktiv machen. »In der Kantine gibtes jeden Tag günstiges, aber gutes Essen«,schwärmt die angehende Textillaborantin Simona Manz. Bemerkenswert sind auch dieinternen Schulungen, die die Mitarbeiterselbst anbieten. Die Personalchefin hat zumBeispiel einmal an einem Unternehmens-planspiel teilgenommen, das Auszubildende

    organisiert hat-ten. Auch Ge-sundheit ist demUnternehmenwichtig: Am Ar-beitsplatz gibt esk o s t e n l o s e sObst und Was-serspender, inder Freizeit wer-den Fußball-und Beachvol-leyballturniereangeboten.

    Wer bei rö-kona eine Aus-

    bildung macht, lernt nicht nur Inhalte seinesspäteren Berufs, sondern darf in verschiedeneAbteilungen hineinschnuppern. Jeden Monatfinden sogenannte Lehrgespräche statt, beidenen Mitarbeiter von ihrer Arbeit erzählen.So lernen Auszubildende nach und nach dengesamten Betrieb kennen.

    Karrierechancen bietet rökona auch fürAkademiker: Viele Themen für Masterarbei-ten werden an Studenten der Fakultät Textilund Design an der Hochschule Reutlingenvergeben.

    Wer in Elternzeit geht, bekommt einenPaten an die Seite gestellt, der über Neuigkei-ten in der Firma informiert. Die Eltern habenweiterhin Zugriff aufs Intranet und können anFortbildungen teilnehmen. Da der Betriebs-kindergarten Kinder ab einem Jahr aufnimmt,kehren auch die meisten Mütter rasch wiederan ihren Arbeitsplatz zurück. Der Kindergar-ten wurde übrigens schon 1971 eröffnet – 22Jahre nach Gründung der Mutterfirma Röschund neun Jahre nach Gründung von rökona.Sogar Ex-Kanzler Gerhard Schröder hat ihnschon besucht und als vorbildlich gelobt.

    Sinan Tokmak wird Produktionsmechaniker

    TextillaborantinSimona Manz

    ProduktveredlerManuel Reisch

    Personalchefin Melanie Müller

  • 24 GEA-Wirtschaftsmagazin

    teilweise angestellt. »Egal ob Hauptschul-, Realschulabgänger oder Abiturient – Haupt-sache, sie sind zuverlässig und motiviert«, sagtThiele. Auch mehr Frauen gerade in den tech-nischen Bereichen hätte man gerne. »Wirwollen keine Quote erzwingen.«Alle bekä-men nach der Ausbildung einen Job angebo-ten, fast alle nähmen an. Manche gingen auchweiter auf die Schule, machten Meister- oderTechniker. Oder studierten und kämen dannfür Praktika, Bachelor- oder Masterarbeit wie-der zurück.

    »Nur sehr wenige Leute gehen weg«, sagtThiele. Kein Wunder, schließlich biete Horneinen Mehrwert, mit modernster Ausstattung,

    Präzisionswerkzeuge und Yoga – zwei

    Dinge, die auf den ersten Blick nichts

    miteinander zu tun haben. Die Paul Horn

    GmbH in Tübingen vereint beides ganz

    selbstverständlich unter ihrem Firmendach.

    Denn die Mitarbeiter sind das höchste Gut

    des Unternehmens.

    engem Kontakt zu den Vorgesetzten, einemgut ausgebauten Intranet, einem Betriebsres-taurant, Ausflügen in die Oper nach Stuttgartoder nach München. Und nicht nur das: Füralle 850 Mitarbeiter am Standort Tübingen –800 bei der Paul Horn GmbH, 50 bei HornHartstoffe GmbH – gibt es zahlreiche Fort-bildungsmöglichkeiten, im fachlichen wie per-sönlichen Bereich.

    Über die eigens gegründete Horn Akade-mie bietet das Unternehmen seinen Mitar-beitern und auch Externen die Möglichkeit,sich in technischen Themen weiterzubilden.

    Da wäre zum Beispiel die zertifizierte, sechs-wöchige Ausbildung zur Industriefachkraft fürSchneidewerkzeug, die Horn gemeinsam mitder IHK Reutlingen etabliert hat. Um eineneinheitlichen Wissensstand im ganzen Betriebzu erzielen, machen alle betreffenden Mitar-beiter diese Ausbildung, bezahlt und währendihrer Arbeitszeit. Sie sei notwendig, um diehohe Qualität der Horn-Produkte zu sichern.»Und sie motiviert. Am Schluss sind alle zu-frieden, die Mitarbeiter, die Firma und derKunde.«

    Darüber hinaus entwickelte und etabliertedie Paul Horn GmbH gemeinsam mit demCampus Horb der Dualen Hochschule

    Von Konstanze Faßbinder

    Die Personalentwicklung ist das zentraleInstrument, über das alles läuft«, sagtPressesprecher Christian Thiele. Das Unter-nehmen tue viel dafür, als Arbeitgeber attrak-tiv zu sein und werbe aktiv um gute Mitarbei-ter. Deshalb sei Fachkräftemangel derzeit keinThema. Am liebsten zieht man sich bei Horndie Fachkräfte sowieso selbst heran.

    Zum einen ganz klassisch über die Ausbil-dung zum/r Industriemechaniker/in. Zwi-schen zweihundert und dreihundert Kandi-daten bewerben sich pro Jahr auf einen der 15Ausbildungsplätze, bis zu 60 gleichzeitig sind

    Auszubildende an ihrenWerkzeugmaschinen

    Ein neuer Studiengang – Initialzündung für die Region

  • 25GEA-Wirtschaftsmagazin

    Manuela Horn-Stemmler

    Baden-Württemberg einen offenen Bache-lorstudiengang: Fach Maschinenbau, Fach-richtung Produktionstechnik, SchwerpunktSchneidwerkzeugtechnik. »Eine Initialzün-dung« für die Region, die ja das Herz derWerkzeughersteller sei, sagt Thiele. Nicht ganzuneigennützig: Denn es gebe nur wenige qua-lifizierte Bewerber in diesem sehr speziellenBereich. Auch Maschinenbau-Absolventenhätten meist wenig Kenntnisse von Präzisi-onswerkzeugen.

    Neben fachliche Weiterbildung über dieHorn Akademie bietet das Unternehmen sei-nen Mitarbeitern auch die Möglichkeit, sichpersönlich zu entwickeln. Manuela Horn-Stemmler, Unternehmensmanagement undMitglied der Geschäftsleitung, zeichnet auchfür die interne Weiterbildung verantwortlich.Unter ihrer Ägide wurde 2014 erstmals einganzer Katalog mit Workshops veröffentlicht,»Profitieren durch Wissen« lautet das Motto.Er enthält Englischkurse für Anfänger undFortgeschrittene, EDV-Kurse, Deutsch-Kurse,Kurse zur Persönlichkeitsentwicklung oderCoaching für Führungskräfte. Alle Kurse, be-tont Horn-Stemmler, werden in kleinen Grup-pen von vier, fünf Leuten durchgeführt undnach Bedarf besucht. So könne sich auch einMaschinenführer in Rhetorik schulen, wenn

    er auf Messen arbeite und dort präsentierenmüsse. Das Sport- und Gesundheitspro-gramm steht allen Mitarbeitern offen. NebenBurnout-Prävention, Autogenem Training,Mediation, Yoga, Gesundheitsvorträgen undRückenschule enthält es auch noch den be-währten Betriebssport, bei dem die Mitarbei-ter miteinander Fußball spielen oder beim Zir-keltraining schwitzen können. Die Mitarbei-ter, sagt Horn-Stemmler, sollen dabei unter-stützt werden, etwas für die eigene Gesund-heit und das Wohlbefinden zu tun.

    Ziel sei, eine ganzheitliche Entwicklung zubieten. Die Mitarbeiter sollen sich wohlfüh-len, trotz der Größe des Unternehmens denfamiliären Geist spüren, der noch immer vor-

    herrscht, sagt Pressesprecher Thiele. Die Ar-beitszeit mit eingerechnet, investiere das Un-ternehmen einen siebenstelligen Betrag in Bil-dung und Gesundheit seiner Mitarbeiter. EinInvestment, das sich lohnt: Mit 235 MillionenEuro weltweitem Umsatz und einem Plus vonzehn Prozent in Deutschland »wachsen wiroberhalb des Markts.« Vier Prozent habe derBranchenverband als Prognose ausgegeben.

    Man tue viel. Was benötigt werde, werdegemacht. »Was wir darüber hinaus machenkönnen, tun wir«, sagt Thiele. Er und Horn-Stemmler sind sich einig: »Unsere Mitarbei-ter sind unser größtes Kapital«, sozusagen dasHerz der Firma. »Wenn das nicht mehrschlägt, geht gar nichts mehr.«

    Motto: Profitieren durch Wissen

    Die Paul Horn GmbH wurde 1969 ge-gründet. Sie entwickelt und produziertEinstech-, Längsdreh- und Nutfräs-werkzeuge für die Automobil- undderen Zulieferindustrie, den Maschinen-bau, die Luft- und Raumfahrtechnik,für Hydraulik und Pneumatik, dieSchmuckindustrie und die Medizintech-nik. 20 000 Standardwerkzeuge führtdie Paul Horn GmbH, auf Wunsch wer-den Sonderanfertigungen entwickelt.Weltweit arbeiten 1 300 Menschen fürdas Unternehmen, das neben TübingenStandorte in England, Italien, Tsche-chien und den USA hält.

    Paul Horn GmbH

    Weiterbildung im kleinen KreisFo

    tos: H

    orn

  • Qualifizierung alsSchlüssel zum JobRefugio stellt betriebsbedingt gekündigte

    Arbeitnehmer ein. Das Ziel: die von der Transfer-

    gesellschaft übernommenen Frauen und Männer

    wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren.

    26 GEA-Wirtschaftsmagazin

    sellschaft Refugio mit Hauptsitz in Plochin-gen. Die Transfer-Spezialisten begleiten inZusammenarbeit mit der Agentur für Arbeitund dem bisherigen Arbeitgeber die von derKündigung Betroffenen und leisten damit vor-zugsweise im Ländle – aber auch bundesweit– einen wichtigen Beitrag zur Wiedereinglie-derung in den ersten Arbeitsmarkt. Die Ar-beitssuchenden werden gecoacht und beiihren Bewerbungsanstrengungen unterstützt.Sie formulieren, mit Unterstützung von Pro-fis, ein scharfkantiges Profil ihrer Fähigkeitenund Kenntnisse, um sich dann zielgerichtet –und selbstbewusst – bewerben zu können.

    Die Vorteile für den zu vermittelnden Ar-beitssuchenden: Für den Zeitraum eines Jah-res erhält er eine qualifizierte und praxisnaheAnleitung – sowohl orientiert an der Situationdes Beschäftigungsmarktes als auch unter Be-rücksichtigung der spezifischen Wünsche unddes Bildungsbedarfs: »Das Ziel ist, unsereTeilnehmer persönlich und fachlich für dieAnforderungen des ersten Arbeitsmarktes fitzu machen«, so Refugio-Geschäftsführerin

    Von Jürgen Spieß

    Jede Krise birgt auch eine große Chance:Dies erfuhr Andrej Stscheglow (41) nichtnur einmal, seit er 1994 von Kasachstan nachDeutschland gekommen ist. Er arbeitete zu-nächst einige Jahre als Schlosser, dann in derProduktion der Firma Bauknecht: »Eine guteArbeit«, wie der Familienvater heute rückbli-ckend berichtet. Doch 2012 dann der Schnitt:Der Hausgerätehersteller begann massiv Ar-beitsplätze abzubauen und auch AndrejStscheglow war von dieser Kündigungswellebetroffen.

    Aufgefangen wurde er damals wie viele sei-ner Bauknecht-Kollegen von der Beschäfti-gungs- und Qualifizierungsgesellschaft Refu-gio. Sie unterstützte ihn bei der Bewerbung,beriet ihn bei der weiteren persönlichen Le-

    bensplanung und organisiertefür ihn schließlich eine 22-mo-natige Umschulung zum Indus-triemechaniker, die er erfolgreichabgeschlossen hat. Im Oktober letz-ten Jahres hat Stscheglow zunächsteinen befristeten Arbeitsvertrag inder Produktion bei Porsche un-terschrieben, der später in einenunbefristeten Vertrag überging.Ohne die Hilfe von Refugio, soseine tiefe Überzeugung, wäre erheute arbeitslos. Feste Stellensind in vielen Bereichen Man-gelware und von einer Vielzahlkonkurrierender Bewerber hartumkämpft.

    Genau um diese Klientelkümmert sich die Transferge-

    Stichwort: Hilfe zur Selbsthilfe

    Andrej Stscheglow im Gespräch mit Personalberaterin Angelika Geugis

  • 27GEA-Wirtschaftsmagazin

    Refugio

    Manuela Eschenbächer. Projektleiter RainerBergmann ergänzt: »Wichtig ist dabei eine in-tegrative Verzahnung von Qualifizierungsowie Beratung und Vermittlung. Die Teil-nehmer sollen dazu befähigt werden, ihre be-rufliche Integration in Zukunft selbst in dieHand zu nehmen«.

    Zudem richtet Refugio eine umfassendeund aktuelle Stellenbörse ein, leitet passendeArbeitsplatzangebote ohne Zeitverlust an ihreBeschäftigten weiter, unterstützt ihre Teil-nehmer bei der Beseitigung und Verbesserungvon Problemfeldern, bei der Suche und Ver-mittlung von Praktikumsbetrieben und hilftdurch gezielte Projekt- und Netzwerkarbeit.Der entscheidende Vorteil für die Teilnehmer:Sie steigen nicht in die Arbeitslosigkeit ab, son-dern werden von Refugio in ein auf ein Jahrbefristetes und sozialversicherungspflichtigesArbeitsverhältnis übernommen. Während die-ser Zeit beziehen sie etwa 80 Prozent ihresletzten Monatsgehalts, das zu 50 Prozent inForm von Transferkurzarbeitergeld von derAgentur für Arbeit und etwa in gleicher Höhevom bisherigen Unternehmen bezahlt wird.

    Nicht zuletzt profitiert auch der bisherigeArbeitgeber selbst, denn er braucht keine Kün-digungsfristen einzuhalten, vermeidet Kündi-gungsschutzklagen und kann auf diese Weise

    einen Teil der anfallenden Kosten wiederwettmachen. Neben der Bauknecht Hausge-räte GmbH, die ihre Fertigung in Schorndorfinzwischen ganz geschlossen hat, haben auchandere Firmen im Land gute Erfahrungen mitder zertifizierten Beschäftigungsgesellschaftgemacht. Die durchschnittliche Vermitt-lungsquote über alle Branchen hinweg liegtbei gut 65 Prozent.

    Ganz entscheidend ist für die Transfer-Spe-zialisten, dass die Teilnehmer ebenfalls aktivwerden und ihre berufliche Integration selbstmit in die Hand nehmen. So wie der 46-jäh-rige Hansi Wieczorek, der 13 Jahre lang bei

    Bauknecht als Schichtführer in der Logistikarbeitete und im Dezember 2012

    ebenfalls gekündigt wurde. Fürden Familienvater keine einfa-

    che Situation, denn mit Mitte40 wieder eine feste Anstel-

    lung als Schichtführer zu fin-den, gestaltet sich eherschwierig: »Außerdemhatte ich vorher noch nieeine Bewerbung geschrie-

    ben und keinerlei Erfah-rung in Bezug auf Jobsu-

    che«, so Hansi Wieczorek.Da er bereits seit 2012 neben-

    beruflich für einen Saunabetriebtätig war, beschloss er schließlich,beruflich nochmal umzusattelnund sich in eben diese Richtung

    weiterzubilden. Nach fünf Monaten

    unter der Ägide von Refugio klappte es auchmit der angestrebten Festanstellung: Seit Maidiesen Jahres arbeitet Hansi Wieczorek alsFachangestellter für Bäderbetriebe bei denStadtwerken Schorndorf – und konnte somitgleichzeitig sein Hobby zum Beruf machen.

    Hansi Wieczorek kamüber die Weiterbildungzum Fachangestelltenfür Bäderbetriebe

    Refugio ist eine von etwa 400 Transfer-trägern in Deutschland. Das vor 18 Jah-ren gegründete Unternehmen mit Haupt-sitz in Plochingen betreut und berät mitseiner Mannschaft im Jahresdurchschnittzwischen 400 und 800 Arbeitnehmer undArbeitnehmerinnen. Ein Projekt kommtdann zustande, wenn sich der Betriebsratund das Unternehmen einigen, keine be-trieblichen Kündigungen auszusprechen,sondern mit der Transfergesellschaft zu-sammenzuarbeiten. Refugio richtet danneinen Projektstandort ein, um die an sie»abgegebenen Beschäftigten« vor Ort zubegleiten und zu beraten. Für das Refu-gio-Transferprojekt wird ein eigener Bei-rat mit weitgehenden Kontrollrechteneingerichtet, der sich in der Regel ausVertretern der Belegschaft und der Ge-schäftsführung zusammensetzt. Nachdemsich die Betriebsparteien geeinigt haben,mit Refugio zusammenzuarbeiten, wer-den die der Transfergesellschaft zuflie-ßenden Finanzmittel über einen Treuhän-der projektbezogen und insolvenzsicherverwaltet.

    Fotos: Trinkhaus

    Refugio GeschäftsführerinManuela Eschenbächerund Projektleiter Rainer

    Bergmann

  • 28 GEA-Wirtschaftsmagazin

    zukunftsweisende Projekte vor: das Aktivhaus»B10« in Stuttgart, das Lebensphasenhaus inTübingen und das Stadthaus in Pfullingen.

    »Gemeinsames Forschen« ist für JohannesSchwörer der Schlüssel für die Zukunft. DieFachleute seines Unternehmens sind inzwi-schen gefragte Kooperationspartner für Hoch-schulprofessoren unterschiedlichster Diszip-linen: Nicht nur Fachleute für Architektur undBauwesen, sondern auch Experten aus demGesundheitswesen schätzen den Austauschmit Schwörer. Dass sich nun sogar Wissen-schaftler, die sich mit technischen Textilienauseinandersetzen, mit dem Oberstetter Unternehmen zusammengetan haben, ist auf

    den ersten Blick exotisch. Dahinter steht einefuturistische Idee, die es vom Papier ins Pilot-projekt-Stadium geschafft hat: Das Modell-haus »B10« (Bruckmannweg 10) in derStuttgarter Weißenhofsiedlung hat eine Fas-sade aus Textil, die die Nachteile herkömmli-cher Materialien wie Putz, Farbe oder Holzaufwiegt. »Ein Tex-tilgewebe lässt sichleichter anbringenund wieder entfer-nen, es muss nichtalle zehn Jahre neugestrichen werdenund hält auch extre-men Wetterbelas-tungen stand«, er-läutert JohannesSchwörer. Ein schöner Nebeneffekt: Dieweiße Außenhaut des B10 ist wie geschaffendafür, mit Lichteffekten zu arbeiten.

    In dem Namen B10 schwingt, wie Schwö-rer betont, »jede Menge Entwicklungsmusik«mit. Das Stuttgarter Büro Werner Sobek De-sign und der Bauherr, die SIS-Stiftung (Stutt-gart Institute of Sustainability, also Nachhal-tigkeit), hatten sich das Ziel gesetzt, ein in jederHinsicht zukunftsweisendes Haus zu bauen:optisch anders, energetisch so effizient, dass esals erstes Aktivhaus der Welt aus nachhaltigen

    Aktivhaus B10

    Leben in intelligenten HäusernHäuser

    werden

    nicht nur für

    das Hier und

    Jetzt, sondern auch

    für die Zukunft gebaut.

    In Kooperationen mit Wissen-

    schaft, Wirtschaft und Politik

    geht SchwörerHaus neue Wege.

    Von Marion Schrade

    Das klassische Einfamilienhaus bekommtKonkurrenz von allen Seiten. DieWohnformen der Zukunft sind so vielfältigwie die Lebensentwürfe der Menschen:Mehrgenerationenhäuser, intelligente Assis-tenzsysteme, die das Älterwerden in den eige-nen vier Wänden erleichtern, und sogenannte»Flying Spaces«, die es modernen Nomadenermöglichen, ihre Zelte fast von heute auf mor-gen an einem Ort abzubrechen und an einemanderen wieder aufzustellen.

    Der Oberstetter Johannes Schwörer hat dieZeichen der Zeit erkannt. Sein UnternehmenSchwörerHaus, das sich als Fertighausher-steller in ganz Deutschland und darüber hi-naus einen Namen gemacht hat,stellt exempla-risch drei

    Modelhaus B10 in der Stuttgarter Weißenhofsiedlung

    Stadthaus in Hamburg

    Johannes Schwörer

    Foto: Zooey Braun

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    ath

  • 29GEA-Wirtschaftsmagazin

    Lebensphasenhaus in Tübingen

    Montage des B10

    Quellen das Doppelte seines Energiebedarfsselbst erzeugt, und architektonisch so be-schaffen, dass es ab- und an anderer Stelle wie-der aufgebaut werden kann.

    Die Grundlagen dafür hatte Schwörer mitseinem Konzept »Flying Spaces« bereits ge-schaffen: Der Baukörper besteht aus zwei Mo-dulen, die in der Weißenhofsiedlung errichtetwurden. Fotovoltaik, Thermosolar, Fußbo-den-, Wand- und Deckenheizung sind dabeischon Standard. Zu den Aufsehen erregendenNeuigkeiten, die an den Schau-Tagen (don-nerstags von 15 bis 18 Uhr) viele Besucher an-ziehen und faszinieren, gehören eine klapp-bare Wand, die als Terrasse genutzt werdenkann und die Integration eines Elektroautos.»Das intelligente Haus lernt seine Bewohnerund deren Energiebedarf kennen«, erläutertSchwörer. Die selbst erzeugte Energie stehtdann zur Verfügung, wenn sie gebraucht wird.In Überschusszeiten fließt der Strom in denAkku des Elektroautos.

    Ein »Lernobjekt« ist für Schwörer auch dasLebensphasenhaus in Tübingen. Das LandBaden-Württemberg hatte Fördermittel inHöhe von 550 000 Euro ausgeschrieben undderen Ausschüttung an die Fragestellung ge-knüpft, wie ein Gebäude älteren Bewohnernden Alltag mithilfe von technischen Assis-tenzsystemen erleichtern und damit eine Ant-wort auf den demografischen Wandel gebenkann. Das Sozialministerium, das für diesesProjekt eng mit dem Wissenschafts- und demFinanz- und Wirtschaftsministerium zusam-menarbeitet, wählte unter mehreren Bewer-bungen den Vorschlag aus, den Schwörer-Haus und weitere Unternehmen aus der Region gemeinsam mit Partnern der Univer-sität Tübingen und der IHK Reutlingen un-terbreitet hatten. Was diese Kooperation denanderen Vorschlägen voraus hatte? »UnsereIdeen können im privaten Wohnungsbauebenso umgesetzt werden wie in Pflegeein-richtungen«, erklärt Schwörer.

    Neue Technologien werden erprobt. Dazugehören beispielsweise Hilfen für Menschenmit eingeschränkter Mobilität – vom leichte-ren Aufstehen aus dem Bett bis hin zur weni-ger beschwerlichen Arbeit in der Küche mitverstellbaren Arbeitsplatten und barrierefreierBewegung in der eigenen Wohnung. Türenöffnen sich per Knopfdruck. Alles ist so kon-zipiert, dass Technik für Senioren nicht zur

    komplizierten Herausforderung wird.Im Sommer dieses Jahres wurde mit dem

    Bau begonnen, im kommenden Frühjahr solldas Lebensphasenhaus fertig sein. Die Uni-versität plant, den Betrieb weiterzuführen,auch nachdem die Landesförderung EndeOktober 2016 ausläuft. Wie auch das B10 solldas Lebensphasenhaus als eine Art Muster-haus der Zukunft interessierten Bürgern undFachleuten offen stehen: Handwerker, Pfle-gekräfte und Ärzte sollen sich über den Ein-satz von technischen Assistenzsystemen informieren können.

    Überhaupt ist die Praxis oft der beste Lehr-meister. Dessen ist sich auch Johannes Schwö-rer bewusst. Der Unternehmer hat deshalbschon vor Jahren ein betriebliches Vor-schlagswesen eingeführt: Jeder Mitarbeiterdarf Ideen einbringen, ausgearbeitet werdensie von interdisziplinären Teams über Abtei-

    lungsgrenzen hinaus. Auch Rückmeldungen– ob positiv oder kritisch – werden oft zumAusgangspunkt für neue Entwicklungen.

    Das dritte Modellprojekt, mit dem Schwö-rer derzeit für Aufsehen in der Branche sorgt,ist das Stadthaus: Für die Internationale Bau-ausstellung (IBA) 2013 in Hamburg als Pro-totyp errichtet, wird es nun auch in der Regionrealisiert. Am Ahlsberg in Pfullingen entstehtein Mehrfamilienhaus in Fertigbauweise. »DieNachfrage ist riesig«, freut sich Schwörer.Anfragen für Folgeprojekte hat der Unter-

    nehmer schon auf dem Schreibtisch liegen.Mit dem Mehrfamilienhaus erschließt er sicheinen neuen Markt: »Der Trend geht hin zugrößeren Einheiten, das klassische Einfamili-enhaus wird weniger, weil Neubauland nichtmehr in größerem Umfang ausgewiesenwird«, erläutert Schwörer und verweist aufden politischen Willen, Ortskerne zu ver-dichten, anstatt immer weiter in die Fläche zuwachsen.

    Das Konzept des Stadthauses basiert auf der Weiterentwicklung von Lösungen für in-dividuelle Einfamilien-Fertighäuser. Die vorgefertigten Bauteile werden aber in einemvöllig neuen Kontext – dem Geschosswoh-nungsbau – für innerstädtische Standorte ein-gesetzt. Das Baukastensystem ermöglicht einerseits kurze Bauzeiten, andererseits maxi-male räumliche Flexibilität. Auch die einzel-nen Lofts folgen einem modularen Konzept:Die 45 bis 140 Quadratmeter großen Woh-nungen sind offen gestaltet, Schiebeelementeermöglichen dennoch räumliche Trennun-gen. Die Lofts ändern sich mit den Lebens-phasen ihrer Bewohner: Singles, Paare, Alleinerziehende, Familien oder Senioren.

    Lebensphasenhaus

    Stadthaus

    Foto

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  • 30 GEA-Wirtschaftsmagazin

    Baustoffen, Papier, Tiernahrungsmitteln sowieReinigungs- und Pflegemitteln verbessern undunterstützt damit weltweit zahlreiche Indus-triezweige. Die Chemie heute und morgenwird als Innovationsmotor den Fortschritt inallen produzierenden Industrien entscheidendmitbestimmen. Aber natürlich sind neue Hilfs-mittel und Produkte, die in industriellen Pro-zessen eingesetzt werden, selten mit radikalenInnovationen, wie dem PC, Mobiltelefonenoder gar Smartphones gleichzusetzen, dieunschwer von jedermann als Innovationen

    anerkannt werden. Chemische Forschung und Entwicklung

    befindet sich häufiger im Bereich der eherschrittweisen Verbesserungen.

    Nur mit chemischen Innovationen wird esAntworten auf globale Themen wie die soge-nannten Megatrends geben. Nehmen wir zumBeispiel die Schaffung von Wohnraum undInfrastruktur für die wachsende Weltbevölke-rung oder auch das Thema Einsparung vonRessourcen in der Mobilität: Beides hat mitder Thematik Leichtbau zu tun, für beides be-nötigt man moderne innovative Werkstoffe,die leistungsfähig miteinander verbunden wer-den müssen. Im Bereich des Leichtbaus wer-den immer häufiger textile Verbundstoffe ein-gesetzt, die mittels geeigneter Klebstoffe oderPolymere mit Metallen oder anderen Werk-stoffen verbunden werden.

    Der Textilbeton stellt eine zukunftswei-sende Querschnittstechnologie dar, ohne dieder Megatrend Leichtbau nicht zu bewerk-stelligen sein wird. Er bietet ein hohes nach-haltiges Potenzial, zu dessen Entwicklung Un-

    Innovationskultur ist Basis des Erfolgs Die CHT R. Beitlich GmbH in Tübingen

    behauptet sich am hart umkämpften Markt

    für chemische Spezialitäten.

    ternehmen wie die CHT mit ihren Stärken inder chemischen Forschung und Entwicklungsowie ihrer Erfahrung und Kompetenz im Bereich der textilen Verfahren und Anwen-dungen einen entscheidenden Beitrag liefernkönnen.

    Darüber hinaus ist die Weiterentwicklungindustrieller Prozesse unter dem Gesichts-punkt der Nachhaltigkeit sehr häufig von Innovationen abhängig. Innovationen sindbeispielsweisen o t w e n d i g ,um die allge-genwärtigenFluorkohlen-wasserstoffeals Ausrüs-tungsmittel fürWasser- undvor allem Öl-a b w e i s u n güberflüssig zumachen. Hierkonnte die CHT R. Beitlich GmbH mit zeroFbereits eine sehr gute und vor allem umwelt-verträgliche Lösung für die wasserabweisendeImprägnierung von Outdoorbekleidung undSportartikeln auf Basis eigener Silikon- undPolymerchemie entwickeln.

    Denkt man an Jeansstoffe, so fällt einem dasAuswaschen des Indigofarbstoffes ein, dies ist

    Von Dr. Annegret Vester

    Als Innovationen werden in der RegelIdeen oder Erfindungen bezeichnet, diewirtschaftlich im Markt umgesetzt werdenkönnen. Ohne Innovationen und das Inno-vationsmanagement gibt es keine Weiterent-wicklungen in Wirtschaft, Gesellschaft und

    Kultur. Ganzbesonders giltdiese Maximeaber für che-mische Unter-nehmen, dieohne die sys-t e m a t i s c h eVerwertungvon Innova-tionen nichtüberlebensfä-hig sind.

    Ein chemisches Unternehmen des Mittel-standes wie die CHT R. Beitlich GmbH, dasseinen Platz am global hart umkämpftenMarkt für chemische Spezialitäten behauptenund weiterhin nachhaltig profitabel wachsenwill, hängt nicht zuletzt von seiner Innovati-onskraft und seinem Ideenreichtum ab. Dassdas Unternehmen über diese Stärken verfügt,zeigen nicht nur die wachsenden Umsatzzah-len, die die gesamte Unternehmensgruppe seitJahren in Folge schreibt. Auch das dieses Jahrzum zweiten Mal verliehene »Top 100«-Sie-gel, dem ein anspruchsvolles Auswahlverfah-ren voraus geht, bescheinigt der CHT R. Beit-lich GmbH, dass sie zu den erfolgreichstenIdeenschmieden Deutschlands zählt.

    Die als Top-Innovator ausgezeichneteCHT R. Beitlich GmbH ist auf Produkte undAnwendungen spezialisiert, die Eigenschaften,Qualität und Funktionalität von Textilien,

    Megatrendswerden aufgegriffenGeschäftsführer Dr. Bernhard Hettich

    Geschäftsführer Erich Mechel

  • 31GEA-Wirtschaftsmagazin

    allerdings nicht die wirklich große Gefahr fürdas Abwasser. Bei der Herstellung von Jeansmit modischen Effekten wird heute eine Che-mikalie verwendet, die zu den sogenannten»Wassergiften« zählt, da s