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The Future of Finance ON THE MOVE 001001110 000110001 000110110 000000100 111000011 1110 1110 0 001 0 001 0110 0110 0100 0100 0011 0011 001001110 000110001 000110110 000000100 111000011 01110 01 0110 0100 0011 PLEDGE E NFC C Jahrbuch 2016

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T h e F u t u r e o f F i n a n c eON THE MOVE

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€PLEDGEEE

NFCCC

Jahrbuch 2016

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ORDENTLICHE MITGLIEDER

FÖRDERMITGLIEDER

STAND: APRIL 2016

WIR STEHEN FÜR DEN FINANZPLATZ FRANKFURT

I N SE L N DE R AU F M E R K SA M K E I T

K o m p e t e n z n e t z w e r k

V e r s i c h e r u n g s w i r t s c h a f t

ICF BANK

WM Gruppe

2 FMF JAHRBUCH 2016 FRANKFURT MAIN FINANCE

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FRANKFURT MAIN FINANCE

MIT EINER STIMME FÜR DEUTSCHLANDS

FÜHRENDEN FINANZPLATZ

Frankfurt Main Finance ist die Stimme des

Finanzplatzes Frankfurt. Zu den mehr als 40 Mit­

gliedern zählen neben dem Land Hessen die

Städte Frankfurt am Main und Eschborn, zahlreiche

namhafte Finanzmarktakteure und ihre Dienstleister

sowie private und öffentliche Hochschulen. Sie alle

bringen mit ihrer Mitgliedschaft ihre enge Verbunden­

heit mit dem Finanzplatz sowie ihren Willen zum Aus­

druck, Frankfurt am Main als nationales und internatio­

nales Finanzzentrum ersten Ranges zu positionieren.

Gegründet im August 2008, hat Frankfurt Main

Finance in den vergangenen Jahren viel erreicht.

Im Frankfurt Main Finance Dialogforum wurden seit

dem vergangenen Jahr die Weichen für den Aus­

bau des FinTech­ Zentrums gestellt. Darin haben sich

zahl reiche Institutionen zusammengeschlossen, um

ein nach haltiges FinTech­Ökosystem in Frankfurt zu

etablieren. Außerdem unterstützt der Finanzplatzver­

ein lokale Dienstleister darin, internationale Geschäfts­

beziehungen aufzubauen und gibt umgekehrt dem

Finanzplatz ein Gesicht – beispielsweise gegenüber

Delegationen unserer Kooperations partner Busan,

Istanbul, Moskau und Peking. Darüber hinaus wurde

auf Initiative des Vereins die Gründung des Frankfurter

Instituts für Risiko management und Regulierung (FIRM)

vorangetrieben, das sich auf seinem Feld in kurzer Zeit

zu einer renommierten Instanz für Forschung und Aus­

bildung entwickelt hat.

Ein wesentliches Instrument für die Vermarktung des

Finanzplatzes ist der Frankfurt Finance Summit, ein

Kongress, den Frankfurt Main Finance und FIRM seit

März 2011 gemeinsam ausrichten und der sich von

Beginn an als Treffpunkt der weltweiten Risiko­ und

Regulierungs­Community etabliert hat. Hier kom­

men einmal im Jahr Notenbankgouverneure, Regulie­

rer, Vertreter der Aufsichtsbehörden, Finanz politiker,

Wissenschaftler und Praktiker zusammen, um sich

über aktuelle Fragen der Finanzmarktstabilität aus­

zutauschen. Insbesondere mit dieser Veranstaltung

haben es beide Partner geschafft, Frankfurts Bedeu­

tung als Zentrum für Finanzmarktstabilität und Banken­

regulierung in der Eurozone zu unterstreichen. Der

Frankfurt Finance Summit ist heute als Dialogplattform,

die wichtige Impulse für die aktuelle Regulierungsdis­

kussion setzt, nicht mehr wegzudenken.

Zudem bündelt und koordiniert Frankfurt Main Finance

die Kräfte von Land, Stadt und Finanzwirtschaft, wenn

internationale Standortentscheidungen getroffen wer­

den. 2014 gelang dies beispielhaft mit der Ansiedlung

des Renminbi­Clearings am Finanzplatz. Auch wenn

Finanzdienstleister oder internationale Institutionen

Repräsentanzen in Europa planen, richtet der Ver­

ein gemeinsam mit der Hessen Trade & Invest GmbH,

der FrankfurtRheinMain GmbH sowie den Wirtschafts­

förderungen Frankfurt und Eschborn die Aufmerk­

samkeit der Entscheider auf die Stadt.

Nicht zuletzt versteht sich Frankfurt Main Finance als

Beobachter des Geschehens im Umfeld der Finanz­

branche, der Dialogplattformen schafft. Dazu gehö­

ren Veranstaltungen wie die Renminbi­Konferenz, das

FinanzplatzFrühstück, Podiumsdiskussionen oder das

vorliegende Jahrbuch zum Thema FinTech. Der inter­

nationale Wettbewerb zwischen den Finanz zentren

wird noch weiter zunehmen, neue Wettbewerber

werden erstarken. Umso wichtiger wird es in Zukunft

sein, mit einer Stimme für den Finanzplatz zu spre­

chen – und diese Stimme ist Frankfurt Main Finance.

MEHR ZUR FINANZPLATZINITIATIVE

AUF WWW.FRANKFURT-MAIN-FINANCE.COM

3 FMF JAHRBUCH 2016 FRANKFURT MAIN FINANCE

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1 | ON THE MOVE

NEUER SCHWUNG FÜR DIE FINANZBRANCHE Lutz Raettig

8

HESSEN FÖRDERT FINTECHTarek Al-Wazir

10

DAS GEBIET RHEIN-MAIN- NECKAR IST DIE DEUTSCHE FINTECH-REGION MIT DER GRÖSSTEN DYNAMIKChristopher Schmitz und Jan-Erik Behrens

12

FINTECH-CENTERFRANKFURT AM MAINOliver Schwebel und Olaf Atja Lemmingson

16

FINTECHS – NEUE AKTEURE, NEUE HERAUSFORDERUNGENAndreas Dombret

18

2 | FINTECH & REGULIERUNG

FRAGEN UND PERSPEKTIVEN DES TECHNOLOGISCHEN WANDELS Uwe Neumann

20

„DIE ZWEITE FINTECH-WELLE SETZT IM MASCHINENRAUM DER FINANZINDUSTRIE AN“Round Table mit Sebastian Glock, Manuel Lorenz und Hassan Sohbi

22

GRUSSWORTE

VOLKER BOUFFIER UWE BECKER

6 7

3 | FINTECH IN DER PRAXIS

DEUTSCHLANDS FINTECH-ZENTRUM FORMIERT SICH Ein Ökosystem entsteht – Info-Grafik

26

FINANZTECHNOLOGIE – EVOLUTION ODER REVOLUTION DER MÄRKTE? Round Table mit Adrian Braun, Christo pher Oster, Gernot A. Overbeck, Timur Peters und Jochen Siegert

28

DEUTSCHE FINTECHS FÖRDERN WELTWEIT DIE FINANCIAL INCLUSION Ein Überblick

32

360T – VOM START-UP ZUM GLOBAL PLAYER Ein Porträt

34

DIE DIGITALISIERUNG DES FINANZSEKTORS Gastbeiträge von Thomas-Frank Dapp und Markus Pertlwieser, Franz Sebastian Welter, Robert Restani und Michael Reckhard

35

TRADITION MEETS FINTECH Interview mit Martin Gijssel, CEO der vwd group

40

BERICHTE AUS DER PRAXIS ❙ paydirekt – Einfach und sicher online bezahlen, Niklas Bartelt

❙ IT-Infrastrukturen stehen vor massivem Wandel, Alexander Deuss

❙ Innovation anpacken, GFT ❙ Trends – erkennen, partizipieren, setzen, main incubator

❙ FinTech Forum als Nukleus eines FinTech- Ökosystems in Frankfurt, Pankhuri Srivastava

42

Lutz Raettig über Innovation und Wandel im Bankgeschäft

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INVOICE

NFC

T h e F u t u r e o f F i n a n c eON THE MOVE

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INVOICE

NFC

8

4 FMF JAHRBUCH 2016 INHALT

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5 | FINTECH IN DER WISSENSCHAFT

WIE WISSENSCHAFT DIE ENTWICKLUNG DER FINTECH- UNTERNEHMEN UNTERSTÜTZT Round Table mit den Professoren Peter Buxmann, Lutz Johanning, Wolfgang König und Christoph Schalast

54

IMPRESSUM Wissenswertes, Termine, Veranstaltungen, Portale

60

4 | FINTECH & FINANZIERUNG

WIE LÄSST SICH EIN FINTECH FINANZIEREN? Ein Überblick

50

SPANNENDE GRÜNDUNGSIDEEN + PRIVATE INVESTOREN Interview mit Andreas Lukic, Vorstandsvorsitzender von Business Angels Frankfurt Rhein-Main e.V.

52

Die Inhalte namentlich gekennzeichneter Texte geben die Ansicht des jeweiligen Autors wieder und müssen nicht der Sichtweise des Heraus-gebers oder anderer Autoren entsprechen.

Vertreter der FinTech-Branche diskutieren die technologische

Entwicklung und die Konsequenzen für die Bankenlandschaft.

Vertreter der Kanzleien White & Case, Baker & McKenzie sowie Taylor Wessing

sprechen über Chancen und Risiken der Regulierung.

„Wir haben ein Missverhältnis zwischen privaten Investitionen und

spannenden Gründungsideen“, sagt Andreas Lukic.

Die Wissenschaft kann der Wirtschaft unter die Arme greifen,

wie Vertreter renommierter Universitäten erklären.

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54

28klimaneutralnatureOffice.com | DE-140-135567

gedruckt

5 FMF JAHRBUCH 2016 INHALT

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6 FMF JAHRBUCH 2016 GRUSSWORTE

Sehr geehrte Damen und Herren,

in den sieben Jahrzehnten seit Gründung des Landes Hessen ist Frankfurt am Main zum wichtigsten deutschen

Finanzzentrum, ja sogar zum wichtigsten in Kontinentaleuropa aufgestiegen. Ein Zentrum zwischen Tradition

und Innovation, das über ein hohes Maß an Dynamik verfügt, die wesentlich zu seiner Zukunftsfähigkeit beiträgt.

Die in Frankfurt ansässigen Unternehmen und Institutionen des Finanzsektors legen entscheidende Grundlagen

für ein erfolgreiches Wirtschaftsleben, gleichzeitig bieten sie vielen Menschen Beschäftigung. In Frankfurt be-

finden sich die Bundesbank und die Europäische Zentralbank, die Deutsche Börse und viele namhafte Banken.

Mit der „European Insurance and Occupational Pensions Authority“ (EIOPA) ist die Stadt daneben beispiels-

weise auch für die europäische Versicherungswirtschaft das Aufsichts- und Stabilitätszentrum.

Auf dieser Grundlage bietet die Region beste Voraussetzungen für Weiterentwicklungen im Bereich der Finanz-

welt und dafür, dass auch in Zukunft neue Chancen genutzt werden können. Ein ganz aktuelles Stichwort ist

der FinTech-Sektor. Es geht um solide und erfolgreiche, durch Verantwortung, Nachhaltigkeit und Langfristig-

keit geprägte Entwicklungen des Finanzplatzes Frankfurt und damit des Wirtschaftsstandorts Hessen. Dieses

Ziel verfolgt die Hessische Landesregierung mit großer Entschlossenheit. Denn als Zentrum der Finanzwirtschaft

ist Frankfurt für unser Land, aber auch weit darüber hinaus, von entscheidender Bedeutung.

Ich gehe davon aus, dass Frankfurt Main Finance auch weiterhin ein aufmerksamer Begleiter der Entwicklungen

bleiben wird. Das vorliegende Jahrbuch spiegelt diese Aufmerksamkeit facettenreich wider.

Volker Bouffier

Hessischer Ministerpräsident

Ein ganz aktuelles Stichwort ist der FinTech-Sektor …

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7 FMF JAHRBUCH 2016 GRUSSWORTE

Sehr geehrte Damen und Herren,

das Jahrbuch 2016 thematisiert die Herausforderungen, denen sich die Finanzbranche zukünftig stellen muss.

Dabei steht die Entwicklung im FinTech-Sektor für den Finanzplatz Frankfurt besonders im Fokus.

Frankfurt am Main hat für die kreative FinTech-Szene einiges zu bieten. Zum einen ist die Mainmetropole als

internationale und weltoffene Stadt der kurzen Wege mit vielfältigen und hochqualitativen Betreuungs- und

Bildungseinrichtungen sowie Kultur- und Freizeitangeboten attraktiv für Arbeitgeber und Beschäftigte gleicher-

maßen. Auch die hochqualitative Infrastruktur ist ein entscheidender Standortvorteil.

Zum anderen ist die Nähe zum bestehenden Bankensektor gerade für FinTechs interessant und nützlich. Am

Finanzplatz Frankfurt sind gebündelte Ressourcen zugänglich, hier finden sich viele Talente mit weitreichenden

Finanzkenntnissen.

Im vergangenen Jahr wurde auch in Frankfurt viel über die FinTech-Szene und deren Unterstützung diskutiert.

So wäre die Schaffung eines zentralen Anlaufpunktes für alle Beteiligten, ein sogenanntes „FinTech- Center“,

ein wichtiger Schritt, um die Szene zu unterstützen und zu vernetzen. Es bedarf einer Plattform, um die

fragmentierte Szene zusammenzuführen. Bei der Stärkung des Frankfurter FinTech-Ökosystems leistet die

Wirtschaftsförderung Frankfurt wertvolle Arbeit.

Erfreulich ist, dass die Frankfurter FinTech- und Gründerveranstaltungen sich dynamisch und konzeptionell

vielseitig entwickelt haben. Bereichernd ist hierbei auch der Blick über den Tellerrand. Davon konnte ich mir

beim „Tech Ecosystem Dialogue“ im Herbst des vergangenen Jahres selbst ein Bild machen. Deutsche und

israelische FinTech-Start-ups in Frankfurt und Tel Aviv haben sich in Kooperation mit der Goethe-Universität

Frankfurt ausgetauscht und vernetzt.

Gemeinsam mit dem Land Hessen ist Frankfurt einen entscheidenden Schritt vorangekommen. Frankfurt ist

„On the Move“: auf einem guten Weg, ein attraktiver und innovativer Standort und damit ein Global Player der

Gründerszene zu werden. Als europäische Finanzhauptstadt ist Frankfurt eine „natürliche Wahl“ für die Zukunft

als europäischer FinTech-Hub.

Uwe Becker

Stadtkämmerer Frankfurt am Main

Frankfurt am Main hat für die kreative FinTech-Szene einiges zu bieten …

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Mit innovativen Ideen haben FinTech-Unternehmen in den vergangenen

Jahren alle Themen des Bankgeschäfts besetzt, vom Zahlungsverkehr

mit Mobile Payment über die klassische Verwaltung der Vermögens-

anlagen, den Handel mit Wertpapieren, den Online-Abschluss von

Versicherungen bis hin zum Crowdfinancing. Dabei hat die Tatsache, dass nach dem

Ausbruch der Finanzkrise das Vertrauen in die Branche erheblich beschädigt war,

den Aufstieg der neuen Akteure extrem begünstigt. So ist mit insgesamt 23,5 Milli-

arden US-Dollar an Risikokapitalinvestitionen, davon 27 Prozent im Verbraucherkre-

ditgeschäft, 23 Prozent im Zahlungsverkehr und 16 Prozent im Bereich Unterneh-

menskredite, allein in den Jahren 2013/14 enormes Kapital in die Fintech-Branche

geflossen (Oliver Wyman: Fintech 2.0: Neue Chancen für Finanzdienstleister, 2015,

S. 4). In Deutschland lagen die Investitionen in FinTech 2013 noch bei 80 Millionen

Euro und sind 2015 auf 576 Millionen Euro gestiegen (Ernst & Young: German Fin-

Tech landscape: opportunity for Rhein-Main-Neckar, 2016, S. 4). Inzwischen haben

auch viele etablierte Banken das Thema Digitalisierung auf der Agenda und schla-

gen, wenn auch noch zögerlich, die Brücke von traditionellen hin zu technologisch

neuartigen Modellen. Eine Zusammenarbeit mit den FinTech-Unternehmen scheint

erfolgversprechend – mit Vorteilen für beide Seiten.

SYNERGIEN BIETEN POTENZIALKlassische Finanzdienstleister müssen im Regelfall auf die bestehende Infrastruk-

tur Rücksicht nehmen und können deshalb oft nur langsam agieren. Zugleich

wird die Bankenbranche in ihrem kreativen Spielraum gebremst, weil ein gro-

ßer Teil der IT-Kapazitäten auf die Umsetzung von Regulierungs- und Sicher-

heitsvorschriften oder das Jahressteuergesetz verwendet wird. Im Vergleich

Die Finanzbranche ist in Bewegung: FinTech-Unternehmen sorgen für Innovation und Wandel. Von ihrem Schwung können traditionelle Institute profitieren. Deren langjährige Expertise im Bankgeschäft und in der Regulierung wiederum kann den jungen Start-ups den Rücken für mehr Entwicklung frei halten. Der Finanzplatz Frankfurt bietet optimale Voraussetzungen für erfolgreiche Kooperationen.

von Dr. Lutz Raettig

NEUER SCHWUNG für die

FINANZ- BRANCHE

8 FMF JAHRBUCH 2016 ON THE MOVE

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WAS IST FINTECH?

Organisationen, die

innovative Geschäfts-

modelle und Techno-

logie verbinden, um

Finanzdienstleistungen

zu aktivieren, zu

verbessern und

disruptiv zu verändern.

LINKS ZUM THEMA

Fintech 2.0: Neue

Chancen für

Finanzdienstleister

http://bit.ly/1P6fQz4

MobilePayment

http://pwc.to/1SLrQvN

Der Bankenverband

zur Regulierung von

FinTech-Unternehmen

http://bit.ly/1Pp0F4s

German FinTech land-

scape: opportunity for

Rhein-Main-Neckar

http://bit.ly/1TLiDpx

zu traditionellen Finanzinstituten können die jungen

Start-ups ganz ohne Sorgen um Altlasten aus der Fi-

nanzkrise antreten. Die Stärke der FinTech-Unterneh-

men besteht darin, Finanzdienstleistungen mit neusten

Technologien zu verbinden. Dabei sind sie sehr wand-

lungsfähig und passen sich schnell an die Bedürfnisse

des Marktes an. Das Ziel der FinTech-Unternehmen ist,

den Kundennutzen auszudehnen und zu verbessern.

Doch die bestehende Struktur der etablierten Insti-

tute bietet auch umfassende Wettbewerbsvorteile. So

bringen die Banken aufgrund ihrer Historie und jahr-

zehntelanger Erfahrung ein hohes Maß an Expertise

in den verschiedenen Geschäftsbereichen ein. Au-

ßerdem haben sie sich einen sehr breiten und treuen

Kundenstamm erarbeitet. Viele dieser Kunden begeg-

nen gerade den jungen FinTech-Unternehmen mit gro-

ßer Skepsis. Einer repräsentativen Umfrage zufolge

möchten 40 Prozent der Menschen auch in Zukunft

kein Mobile Payment nutzen (PwC: Mobile Payment,

2015, S. 3).

Bringt man die Stärken und Schwächen von Banken

und FinTech-Unternehmen zusammen, steckt in der

Kooperation enormes Potenzial. Das unverbrauchte,

positive Image von FinTech-Unternehmen kann zum

Beispiel dabei helfen, das angeschlagene Bild der Ban-

ken in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit wieder zu

verbessern. Außerdem können die Finanzinst itute

maßgeblich von der Innovationsstärke der FinTech-

Unter nehmen profitieren, die aufgrund ihrer einfachen

Strukturen dem immer schnelleren Innovationstempo

binnen kurzer Zeit gerecht werden. Da die Entschei-

dungsprozesse im Management und in der IT der Ban-

ken vergleichsweise träge sind, lohnt es sich zu warten

und neue, bewährte Geschäftsmodelle am Markt ein-

zukaufen. Bisher sind die Banken damit jedoch noch

sehr zögerlich. Die FinTech-Unternehmen wiederum

können die Banklizenz der etablierten Institute nutzen

und von deren Know-how beim Thema Regulierung

profitieren. Müssen sie sich alleine mit den umfassen-

den gesetzlichen Vorschriften auseinandersetzen, kos-

tet dies Zeit, Geld und Expertise, die es erst aufzu-

bauen gilt.

REGULIERUNG SCHAFFT VERTRAUENWenig Beachtung in puncto Regulierung fanden bis-

lang allerdings die FinTech-Unternehmen, die unab-

hängig von einer Bank agieren. Hier ist ein mögliches

Szenario, dass die jungen Unternehmen zwar Bank-

dienstleistungen anbieten, selbst aber keine Bank sein

wollen. Dieses Vorgehen birgt Gefahren. Denn Bank-

geschäft ohne Kontrolle und verlässliche Regeln zer-

stört einmal mehr das Vertrauen von Verbrauchern und

Öffentlichkeit. Entsprechend wird die Forderung nach

IN DEUTSCHLAND LAGEN DIE INVESTITIONEN IN FINTECH 2013 NOCH BEI 80 MILLIONEN EURO UND SIND 2015 AUF 576 MILLIONEN EURO GESTIEGEN.Ernst & Young: German FinTech landscape: opportunity for Rhein-Main-Neckar, 2016, S. 4

mehr Regulierung der FinTech-Unternehmen immer

lauter. So spricht sich der Bankenverband in seinem

Positionspapier zur Regulierung von FinTech-Unter-

nehmen (2015) ausdrücklich dafür aus, dass gleiches

Geschäft gleichen Regeln unterliegen sollte und folg-

lich auch unabhängige FinTech-Unternehmen ent-

sprechend ihres Leistungsangebotes reguliert wer-

den sollten.

Während sich in Europa und Deutschland Politik, Kar-

tellbehörden und für die Regulierung verantwortlich

zeichnende Institutionen auf die Bedürfnisse und Be-

sonderheiten der FinTech-Unternehmen einstellen, um

Standards zu setzen und Transparenz zu schaffen,

spielt der Standort Frankfurt seine beträchtlichen Vor-

teile aus. Denn der Finanzplatz vereint Regulierungs-

und Branchenkompetenz auf der Finanzseite (Fin) und

bietet darüber hinaus das technologische Know-how

(Tech). Als FinTech-Zentrum kann Frankfurt zudem ei-

nen Zuwachs an Rechtsberatung durch spezialisierte

Anwälte verzeichnen. Ein weiterer Vorteil in Frankfurt

ist die unmittelbare Nähe zu etablierten Finanzinstitu-

ten und den Regulierungsinstanzen.

TRADITION UND INNOVATION WACHSEN ZUSAMMENEs ist also Bewegung in der Branche und am Finanzplatz

Frankfurt zu spüren, doch nicht nur beim Zusammen-

wachsen von traditionellen und neuen Modellen so-

wie in Fragen der Regulierung. Weitere spannende

Themen sind zum Beispiel, wie das erforder liche

infrastrukturelle Umfeld geschaffen wird, wie sich neue

FinTech-Ideen finanzieren lassen und welchen Beitrag

die Wissenschaft leisten kann. Unter dem Motto „On

the Move“ legt das vorliegende Frankfurt Main Finance

Jahrbuch 2016 den Schwerpunkt auf die Digitalisie-

rung und ihre Konsequenzen und bietet umfassende

Einblicke in Praxis und Theorie.

Dr. Lutz Raettig ist Sprecher des Präsidiums von

Frankfurt Main Finance e. V. und Aufsichtsratsvorsit-

zender der Morgan Stanley Bank AG in Frankfurt am

Main.

9 FMF JAHRBUCH 2016 ON THE MOVE

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Hessen fördert FinTech

von Tarek Al-Wazir

Hessischer

Minister für Wirtschaft,

Energie, Verkehr und

Landesentwicklung

Wie das Land Hessen dazu beiträgt, ein lebendiges FinTech-Ökosystem in der Region zu schaffen.

Online Ident-Verfahren, die eine rein internet-

basierte Kontoeröffnung ermöglichen; vollauto-

ma tisierte Konto- und Versicherungswechsel-

services mit anschließender Kündigung von

Altverträgen; banklose Bezahlsysteme, Krypto-

währungen und Blockchain – die Digitalisierung

erfasst zunehmend auch den Finanz sektor und

stellt insbesondere Banken, Börsen und Ver-

sicherungen in immer kürzer werdenden Zeit-

räumen vor neue Herausforderungen. Historisch

gewachsene und bewährte Geschäftsmodelle

werden mit einer enormen Dynamik in Frage ge-

stellt und einem fundamentalen Wandel unter-

worfen. Von dieser Entwicklung betroffen sind

zentrale Bereiche wie der Zahlungsverkehr, die

Anlagenverwaltung, das Kreditgeschäft, die Ka-

pitalmarktfinanzierung, der Wertpapierhandel

und dessen Abwicklung sowie das Versiche-

rungsgeschäft.

Gleichzeitig verändern sich durch die neuen

technologischen Möglichkeiten die Bedürfnis-

se und das Verhalten von Kunden grundlegend.

Viele Kunden sind mittlerweile sehr gut vernetzt

und können von fast jedem Ort auf das Internet

zugreifen. Insbesondere die junge Generation

erwartet daher zu Recht, dass auch die Finanz-

branche mit dem technologischen Wandel Schritt

hält. Die Finanzwirtschaft kann und darf sich dem

Zusammenführen von modernen Technologien

mit Finanzdienstleistungen nicht verschließen.

Bestehende Strukturen, Abläufe und Produkte

müssen im Hinblick auf neue technologische

Innovationen und technische Möglichkeiten fort-

während überprüft und entsprechend weiterent-

wickelt werden. Es werden Investitionen in neue

Produkte, Prozesse, Technologien und Sicherheit

notwendig. Dieser Wandel eröffnet aber auch

erhebliche Chancen. Denn Effizienzsteigerungen

in Verbindung mit den weiterhin hohen Margen

im Finanzdienstleistungsbereich bieten neuen

Wettbewerbern große Anreize zum Markteintritt

und führen zu einem massiven Wachstum dieses

Sektors. 2015 hat sich die Höhe entsprechender

Investitionen verdreifacht. Die Anzahl von jungen

Finanztechnologie-Unternehmen ist ebenfalls

erheblich gestiegen. Der kürzlich veröffentlichte

Annual Review of Global Banking von McKinsey

zeigt die Bedeutung neuer Finanztechnologie ein-

drucksvoll. Danach könnten FinTechs in der

nächsten Dekade bis zu 60 Prozent des Gewinns

traditioneller Banken im Privatkundengeschäft

sowie 40 Prozent ihres Umsatzes übernehmen.

Diesen Veränderungen muss sich auch der

Finanzplatz Frankfurt stellen. Denn es gilt auch

hier: „Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der

Zeit.“ Als Hessische Landesregierung haben wir

daher ein großes Interesse daran, den Wandel

aufzugreifen und dazu beizutragen, dass das

hier bestehende Potenzial genutzt wird, um den

Finanzplatz zu einem international führenden

FinTech-Hub weiterzuentwickeln. Unser Handeln

steht dabei unter der Prämisse, dass die Zielset-

zung und der Prozess nicht „von oben verord-

net“, sondern von unten – aus der „FinTech-Sze-

ne“ selbst – angeschoben sind.

Maßstäbe setzenDie Metropolregion Frankfurt hat ideale Voraus-

setzungen, sich zu einem internationalen Fin-

Tech-Hub zu entwickeln. Keine andere Region

Deutschlands oder Europas bietet eine ähnliche

geografische Verknüpfung von Informations- und

Kommunikationstechnologie mit Finanzdienst-

leistungen. Dies gilt sowohl für Ausbildung und

Forschung – dem Ursprung von Innovationen –

als auch für die Industrien selbst.

Die Region beheimatet renommierte und inter-

national anerkannte wirtschaftswissenschaftli-

che Fakultäten wie die Goethe-Universität und

die Frankfurt School of Finance & Management

sowie herausragende Adressen für IT mit der

Universität und der Hochschule Darmstadt. Hin-

zu kommen Forschungszentren, die im Bereich

IT-Sicherheit – einem Schlüsselthema im Zeit-

1 0 FMF JAHRBUCH 2016 ON THE MOVE

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alter digitaler Finanzdienstleistungen – weltweit

Maßstäbe setzen. Diese akademische Expertise

verfügt mit dem Finanzplatz über einen direkten

Zugang zu enormem Investitionskapital und zur

Finanzkraft der Banken und Investoren.

Aber der Finanzplatz ist weit mehr als ein poten-

zieller Geldgeber und Wachstumsförderer der

FinTechs. Auch die Nachfrage nach innovativen

Finanzdienstleistungen wächst – sei es zur Nut-

zung innovativer B2B-Lösungen, die Geschäfts-

prozesse vereinfachen und optimieren, oder

seien es B2C-Lösungen, die Geschäftsprozesse

den veränderten Bedürfnissen der Kunden an-

passen und zukunftsfähig machen. Hier lockt

Geschäft. Kurzum: In Frankfurt trifft die Innova-

tionskraft von FinTechs auf die Finanzkraft und

das Know-how des wichtigsten Finanzplatzes der

Eurozone und Kontinentaleuropas.

Industrieseitig gibt es neben Weltmarktführern

wie der Software AG und SAP auch zahlreiche

hochspezialisierte und erfolgreiche IT-Dienst-

leister in unmittelbarer Nähe des Finanzplatzes.

Zudem ist die IT-Infrastruktur sehr gut. Mit dem

DE-CIX sitzt in Frankfurt der weltweit größte In-

ternetknoten mit einem Datenverkehr von bis zu

5 Terabits pro Sekunde. 40 Prozent der Groß-

rechenzentren in Deutschland stehen in Frank-

furt. Das sind harte Standortvorteile für Big-

Data-Technologien. Immer mehr Global Player im

Cloud-Computing-Markt bauen ihre Rechenzen-

tren in Frankfurt. In der zentralen globalen ope-

rativen Einheit des Global Legal Entity Identifier

Systems (GLEIS) laufen die digitalen Barcodes

der Marktteilnehmer von Finanztransaktionen

weltweit zusammen – auch diese Zentrale des

von der G 20 initiierten Projektes hier in Frankfurt

ist Financial Technology im materiellen Sinne.

Die aufgeführten Standortvorteile bieten gerade

für neue Finanztechnologien enorme Chancen.

Und diese Chancen werden bereits heute um-

fassend genutzt. Denn im Unterschied zu den

typischen Gründerstädten waren es in Frankfurt

bisher weniger Start-up-Unternehmen, sondern

vielfach etablierte Finanz- oder IT-Dienstleister,

die innovative Finanztechnologien entwickelt

haben. Eine Isolierung des Themas FinTech auf

Start-ups greift daher zu kurz und wird dem The-

ma insbesondere in materieller Hinsicht in keiner

Weise gerecht.

Gründer fördernIm Interesse der Fortentwicklung des Finanz-

platzes Frankfurt muss und will die Hessische

Landesregierung stärker dazu beitragen, den

Start-up-Bereich und die Gründerszene zu för-

dern, um auch die Talente aus Hochschulen

sowie die hochkompetenten Mitarbeiter der

Finanzindustrie mit eigener Geschäftsidee am

Finanzplatz Frankfurt zu halten. Gemeinsam mit

allen Akteuren am Finanzplatz – insbesondere

den FinTechs, den Gründerzentren, der Stadt

Frankfurt, den Hochschulen sowie den etablier-

ten Finanzdienstleistern, Frankfurt Main Finance

– arbeitet sie bereits daran, Frankfurt zu einem

FinTech-Hub auszubauen. Dank der Vielzahl

hochengagierter Akteure hat sich das Ökosys-

tem in den letzten Jahren erheblich entwickelt.

Die Frankfurter FinTechs, Organisatoren von

FinTech-Veranstaltungen sowie universitäre und

private Inkubatoren leisten hervorragende Arbeit.

Zunächst gilt es, die Erfordernisse der hochdyna-

mischen FinTech-Branche kennenzulernen und

herauszufinden, wie das Land den FinTech-Hub

bestmöglich unterstützen kann. Das Land kann

darüber hinaus wesentlich dazu beitragen, die

Vielzahl bestehender Aktivitäten zu koordinieren

und zu bündeln, um das sich dynamisch ent-

wickelnde FinTech-Ökosystem weiter voran-

zubringen. In den bisherigen Gesprächen hat

sich ein Punkt besonders herauskristallisiert:

Die Einrichtung und Etablierung eines zentralen

Ortes, der FinTechs unter anderem günstigen

und attraktiven Büro raum, Möglichkeiten zur

Vernetzung und zum Austausch sowie Zugang

zu Beratung und Investoren bietet.

Das Land besitzt ein breites Spektrum an In-

strumenten, um zur Fortentwicklung der Unter-

nehmen und des FinTech-Standorts beizutra-

gen. Start-ups und Ausgründungen fördern wir

insbesondere durch zinsvergünstigte Darlehen,

Gründerfonds, Beteiligungen und Bürgschaften.

Durch entsprechende Programme können auch

der Aufbau und Betrieb eines FinTech-Clusters

unterstützt werden. Zudem werden wir die For-

schung und Kooperation zwischen den Hoch-

schulen an der Schnittstelle von Finance und IT

stärken. Von herausgehobener Bedeutung, gerade

für junge FinTech-Unternehmen, ist das Thema

Regu lierung. Hier beginnen erste Gespräche zwi-

schen Aufsicht, öffentlicher Hand und Start-ups, die

zu einer positiven Entwicklung beitragen werden.

Stärken vermarktenInsgesamt sollte ein lebendiges Ökosystem

entstehen, das verschiedene von Finanzplatz-

akteuren betriebene Start-up-Zentren beinhaltet,

die unterschiedliche Ausrichtungen und Profile

vorweisen und sich gegenseitig Anregung geben

können. Dem Land stehen viele Instrumente zur

Verfügung, um diesen Prozess aktiv zu unter-

stützen. Darüber hinaus wird das Land dazu

beitragen, die Vernetzung der FinTech-Aktivitä-

ten der Region zu stärken, dies sowohl durch

die Förderung von Forschung und Kooperation

zwischen Hochschulen und Forschungszentren

an der Schnittstelle von Finance und IT als auch

durch die Unterstützung beim Aufbau und Be-

trieb eines FinTech-Clusters durch Programme

im Rhein-Main-Gebiet. Zudem wird das Land ei-

nen Anteil dazu leisten, die vorhandenen Stärken

und Vorteile, die die Region bereits schon heute

bietet, auf nationaler und internationaler Ebene

besser zu vermarkten.

In Frankfurt trifft die Innovations kraft von FinTechs auf die Finanz kraft und das Know-how des wichtigsten Finanzplatzes der Euro-Zone und Kontinentaleuropas.

1 1 FMF JAHRBUCH 2016 ON THE MOVE

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Das Gebiet Rhein-Main-Neckar ist die deutsche FinTech-Region mit der größten Dynamik von Christopher Schmitz und Jan-Erik Behrens

Der deutsche FinTech-Markt ist deutlich gewachsen – und die Region Rhein-Main-Neckar verfügt über gute Vorausset-

zungen, sich zu einem führenden europäischen FinTech-Hub zu entwickeln. Das geht aus einer Studie hervor, die von der

Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft Ernst & Young (EY) durchgeführt und von Frankfurt Main Finance

(FMF) in die Wege geleitet wurde. In der Studie geht es um die deutsche FinTech-Branche und die Bereiche, in denen

es Wachstumspotenziale gibt. Als Grundlage der Analyse dienten Interviews, die mit deutschen und internationalen Fin-

Tech-Unternehmen, Anlegern, Marktexperten, Aufsichtsbehörden und öffentlichen Einrichtungen geführt wurden.

Silicon Valley

London

Singapur

New YorkFrankfurt

Wichtigster Standort für Start-ups weltweit, mit einer hoch ent wickelten, unterschiedlich stark ausgereiften FinTech-Landschaft in allen Segmenten und ausge-zeichnetem Zugang zu Kapital.

FinTech-Hub Nummer eins in Europa mit starkem Wachstum, angesiedelt in einem herausragenden Um-feld in einem der zwei weltweit wichtigsten Finanzzentren.

Größter Hub in Asien mit starker staatlicher Unter-stützung zur Förderung eines innovativen FinTech-Öko-systems über Direktinvesti-tionen, Steuervergünstigun-gen und Maßnahmen, die die Region für Unternehmen attraktiv machen.

Weltweit wichtigstes Finanz zentrum mit der höchsten Beschäftigtenzahl (gefolgt von London) in der FinTech-Branche.

Großer kontinentaleuro päischer FinTech-Hub inmitten der führenden Wirtschaftsmacht in Europa, der im Vergleich zu anderen Standorten immer mehr aufholt.

1 2 FMF JAHRBUCH 2016 ON THE MOVE

Internationale FinTech-Hubs

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Das starke Wachstum des Finanztechnologiemarktes

ist ein weltweites Phänomen und wird in der Finanz-

dienstleistungsbranche mit größter Aufmerksamkeit be-

obachtet. Man darf erwarten, dass die FinTech-Unterneh-

men die Transformation der Finanzdienstleistungsbranche

als Katalysator vorantreiben und infolgedessen nicht nur

talentierte Mitarbeiter und Kapital anziehen werden, son-

dern auch Beschäftigungsimpulse geben werden. Der

deutsche FinTech-Markt hat sich etwas später und an-

fangs langsamer entwickelt als andere FinTech-Märkte

weltweit, gilt jedoch mittlerweile als ein Markt mit großem

Wachstumspotenzial. Dies zeigt der deutliche Aufwärts-

trend des Geschäftsvolumens von FinTechs, das von 80

Millionen Euro im Jahr 2013 auf 200 bis 250 Millionen

Euro im Jahr 2014 und auf mehr als 576 Millionen Euro

im Jahr 2015 angestiegen ist – der viel beachtete Verkauf

der Frankfurter Handelsplattform 360T an die Deutsche

Börse für 725 Millionen Euro im Jahr 2015 bleibt bei dieser

Rechnung sogar außer Acht.

Der deutsche FinTech-Markt in einem globalen Kontext

In der weltweiten FinTech-Benchmarking-Studie von EY,

die vom britischen Finanz- und Wirtschaftsministerium in

Auftrag gegeben wurde, nahm Deutschland unter den

acht international führenden FinTech-Standorten Platz

Nummer 5 ein; dabei lag Deutschland mit deutlichem

Abstand hinter den führenden Regionen London, Silicon

Valley und New York, aber nur knapp hinter Singapur.

Mittelfristig geht man jedoch davon aus, dass Deutsch-

land aufgrund seiner Wirtschaftskraft und seines Markt-

potenzials im Vergleich zu den heutigen führenden Regi-

onen aufholen wird.

Aus der Studie geht hervor, dass die Anzahl der Be-

schäftigten von FinTech-Unternehmen in Deutschland

2015 bereits bei 13.000 lag. Das deutlichste Kennzei-

chen für das Wachstum der deutschen FinTech-Branche

ist jedoch das Investitionsvolumen im Jahr 2015, das

mit Anlagen in Höhe von 576 Millionen Euro in die

FinTech-Branche im gesamteuropäischen Vergleich

nur von Großbritannien mit 778 Millionen Euro über-

troffen wurde. In Anbetracht der relativen Ausgereiftheit

des Londoner FinTech-Ökosystems scheint dieser Vor-

sprung jedoch nicht sonderlich groß.

Neben den größten weltweiten FinTech-Hubs haben

auch andere Städte, beispielsweise Stockholm und

Tel Aviv, bereits erfolgreich ihre eigenen Profile und ihr

Angebot in diesem Bereich entwickelt. In der jüngeren

Vergangenheit hat es in Deutschland und in den

Mit 22 % war das Wachstum

in der Region Rhein-Main-

Neckar 2015 höher als in

allen anderen Gegenden

Deutschlands.

Gesamtheit der deutschen FinTech-Unternehmen nach Städten in %

28%

22%14%

Berlin: „Hip und trendy“

Frankfurt: „Tor zur Welt“

München: „Hoher Lebensstandard“

1 3 FMF JAHRBUCH 2016 ON THE MOVE

Deutsche FinTech-Hubs

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angrenzenden Ländern, beispielsweise in Luxemburg

und in der Schweiz, rege Aktivitäten gegeben, um die

Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und sich als po-

tenzieller künftiger FinTech-Hub ins Gespräch zu brin-

gen. In unserer Analyse haben wir festgestellt, dass

die Hauptstärken des deutschen FinTech-Marktes in

der allgemeinen Verfügbarkeit von Kapital, dem stabi-

len Finanzmarkt und dem Wohlstand der Gesellschaft

bestehen.

Die deutsche FinTech-Landschaft

Die deutsche FinTech-Landschaft ist ein sehr dyna-

mischer Markt und weist einige nationale Besonder-

heiten auf; im Allgemeinen ähneln die Geschäftsmodelle

jedoch weitgehend denen der anderen europäischen

und internationalen FinTech-Märkte. Man muss da-

bei beachten, dass die deutsche FinTech-Landschaft

noch in den Kinderschuhen steckt; seit 2013 ist der

FinTech-Markt um über 70 % gewachsen und setzt sich

im Moment aus etwa 250 Unternehmen zusammen.

In den vergangenen Jahren wurde die FinTech-Bran-

che sowohl weltweit als auch in Deutschland vor allem

von Geschäften in den Bereichen Payments und Kre-

ditvergabe dominiert. Dies zeigte sich insbesondere an

der Anzahl der Transaktionen und am Investitionsvolu-

men in beiden Segmenten. Angeboten wird eine Fülle

von weniger komplexen Lösungen, wie beispielsweise

Portaldienste oder einfache Plattformlösungen. Diesen

Segmenten wird jedoch kein großes Wachstumspoten-

zial zugestanden.

Ausgehend von den durchgeführten Interviews kann

man in der FinTech-Branche von einem weiteren

Wachstum in Segmenten ausgehen, die eine erhöh-

te B2B-Effizienz, Monetarisierung von Daten und Ver-

brauchertransparenz versprechen. Insbesondere in den

Segmenten Personal Finance, Blockchain und analyti-

sche Lösungen wird Wachstum erwartet. Als weiterer

Bereich mit Wachstumspotenzial gilt das Teilsegment

Versicherungen, das im Moment gerade erst von der

FinTech-Branche in Deutschland entdeckt wird.

Kryptowährung und Blockchain: Künftig werden

in allgemeinen Finanzzusammenhängen Block-

chain-Konzepte voraussichtlich in allen Ökosyste-

men und Anwendungsszenarien eine wichtige Rolle

spielen, bei denen es um die Vermögensübertragung

gegen Bezahlung geht (und nicht nur im Zusammen-

hang mit Kryptowährung), d. h. in Form von digitalen

Konten für Zahlungstransaktionen, Handelsfinanzie-

rung oder Wertpapierhandel, Clearing und Settle-

ment.

B2B-Serviceabwicklung: Es wird erwartet, dass

B2B-Produkte und -Services in Zukunft deutlich

stärker nachgefragt werden als B2C-Produkte,

beispielsweise Finanzinfrastruktur usw.

Versicherungen (InsurTech): Die Versicherungstech-

nologie wird erst seit kurzem von der FinTech-Bran-

che abgedeckt. Ähnlich wie im B2B-Sektor wird

auch im Bereich Versicherungen ein starkes Wachs-

tum der FinTech-Unternehmen erwartet. Deutsch-

land nimmt in diesem Segment eine internationale

Führungsposition ein.

Regulierung (RegTech): Bei der technologischen

Unterstützung der Regulierung spielt Deutschland

ebenfalls eine Führungsrolle.

Allgemein haben wir zwei Hauptgeschäftsmodelle für

FinTech-Unternehmen ermittelt: ein kooperatives Mo-

dell (strategische Partnerschaft zwischen Finanzinstitu-

ten und FinTech-Unternehmen) und ein unabhängiges

Modell (Ersatz von traditionellen Bankprodukten durch

Finanzprodukte von FinTechs). Laut unserer Analyse

geht man bei FinTech-Geschäftsmodellen, die auf der

Zusammenarbeit mit anderen Partnern (andere Fin-

Tech-Unternehmen oder Finanzdienstleister) beruhen,

von einem starken Wachstum, einer Bereicherung der

Servicelandschaft und/oder der gemeinsamen Nutzung

von Kapazitäten aus.

Standorte von FinTech-Unternehmen in Deutschland

Die deutschen FinTech-Unternehmen sind über das

ganze Land verteilt, und es hat sich bisher noch kein

einzelner „FinTech-Hub“ herausgebildet. Dies wird oft

als relativer Nachteil gegenüber anderen internationa-

len Finanztechnologiezentren gesehen. Innerhalb von

Deutschland findet sich die stärkste Konzentration von

FinTech-Unternehmen in Berlin, in der Region Rhein-

Main-Neckar, in München und in Hamburg.

Die Region Rhein-Main-Neckar konnte in den zurück-

liegenden drei Jahren die größte Wachstumsdynamik

verzeichnen. 2015 stieg die Zahl der deutschen Fin-

Tech-Unternehmen um 22 % an; 22 % dieser Unterneh-

men hatten im Rhein-Main-Neckar-Gebiet ihren Sitz.

Außerdem wird die Region Rhein-Main-Neckar als der

fachlich qualifizierteste Standort gesehen, an dem un-

verzichtbare Kompetenzen und Know-how in den Be-

reichen Finanzdienstleistungen und B2B zur Verfügung

stehen.

Berlin ist mit 28 % der FinTech-Unternehmen nach

wie vor das größte deutsche FinTech-Zentrum. Die

Stadt gilt als der angesagte, moderne Start-up-Hub in

Deutschland mit ausgeprägtem Know-how im Bereich

E-Commerce und einer sehr lebendigen Start-up-At-

mosphäre. In München haben 14 % der deutschen

FinTech- Unternehmen ihren Sitz; die Stadt gilt als das

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Zentrum für innovative Technologielösungen und als

beliebter Anlegerstandort; München wird allgemein als

Stadt mit hoher Lebensqualität gesehen.

Eine große Herausforderung: Das unterschiedlich ver-

teilte Know-how führt in Deutschland zu einer Aufspal-

tung der FinTech-Branche, was im Vergleich zu stark

konzentrierten Zentren wie London oder Silicon Valley

als Nachteil gesehen wird. Gemäß den Interviews und

der durchgeführten Analyse verfügt die Region Rhein-

Main-Neckar jedoch dank ihrer Nähe zur etablierten

Finanzdienstleistungsbranche über das natürliche

Potenzial, der deutsche FinTech-Hub zu werden.

FinTech-Chancen in der Region Rhein-Main-Neckar

Bei unseren Gesprächen erhielten wir das Feed-

back, dass eine erfolgreiche Weiterentwicklung der

Region Rhein-Main-Neckar zum FinTech-Hub eine

klare und weltweit anerkannte Positionierung auf dem

FinTech-Markt erfordert. Die Interviewpartner sprachen

sich dafür aus, dass man nicht einfach nur andere

Standorte imitieren sollte (indem man beispielsweise

das „hippe“ Ökosystem von Berlin kopiert). Stattdes-

sen sollte ein glaubwürdiges und nachhaltiges Angebot

entwickelt werden, das die existierenden Stärken der

Stadt Frankfurt und der Region Rhein-Main-Neckar er-

gänzt und auf ihrer bereits vorhandenen finanztechnolo-

gischen Orientierung aufbaut. Bei der Entwicklung einer

langfristigen Positionierung müsste daher der Schwer-

punkt auf Services gelegt werden, die zu den natür lichen

Stärken der Region passen oder darauf aufbauen, an-

statt andere FinTech-Hubs einfach nur nachzuahmen:

Internationaler FinTech-Gateway in

Deutschland:

Entwicklung einer engen Zusammenarbeit und eines

Netzwerks mit anderen internationalen FinTech-Hubs

(zum Beispiel Tel-Aviv, Singapur, Süd-Korea) mithilfe

von Universitätsprojekten, gemeinsamen Tagungen

und Veranstaltungen und diesbezügliche Unterstüt-

zung in Deutschland.

Konzentration auf B2B-Geschäftsmodelle,

darunter RegTech:

Konzentration auf B2B-Geschäftsmodelle, beispiels-

weise durch Infrastrukturinnovationen und Verbesse-

rungen im Bereich Datenanalyse durch die Kom-

bination von Technologie und Expertise im Bereich

Finanzdienstleistungen.

Nutzung der Nähe zu Finanzdienstleistern:

Enge Zusammenarbeit zwischen den traditionel-

len Finanzdienstleistungsinstituten und FinTech-

Unternehmen auf der Grundlage von integrierten

Geschäftsmodellen und mithilfe von

Prestige projekten und der direkten Unterstützung

und Mentoring-Leistungen für Start-ups, um zur

Verbesserung der „Customer Journey“ beizutragen.

Dialogforum FinTech Rhein-Main

FMF rief im Spätsommer 2015 das „Dialogforum

FinTech“ ins Leben, eine Plattform zur Beschleunigung

und Koordination der unterstützenden Maßnahmen in

der Region Rhein-Main-Neckar. Mit dieser Initiative wer-

den allgemein folgende Ziele verfolgt:

Entwicklung eines Zielkonzepts für den Rhein-Main-

Neckar-FinTech-Hub, beispielsweise die Erstellung

eines Aktionsplans, der auf der FinTech-Studie und

den Ergebnissen der Initiative beruht.

Einbeziehung aller größeren örtlichen und regio-

nalen Interessengruppen und Multiplikatoren des

FinTech-Segments und der öffentlichen Hand

sowie der Politik.

Schaffung eines breiten örtlichen und regionalen

Engagements der Marktteilnehmer und der öffent-

lichen Behörden zur Förderung des Zielkonzepts

und der Umsetzung der ermittelten Maßnahmen.

Die Initiative wird auf freiwilliger Basis von mehr als 50

privaten und öffentlichen Einrichtungen unterstützt, um

die FinTech-Region Rhein-Main-Neckar zu stärken. Zu

diesen Einrichtungen gehören führende Banken und

Finanzdienstleistungsunternehmen, Rechtsanwalts-

kanzleien und Beratungsunternehmen, Verbände, An-

leger, Inkubatoren, Portaldienste, öffentliche Einrich-

tungen und Universitäten sowie andere Teilnehmer und

Interessengruppen des FinTech-Marktes.

Die Initiative ist in 11 Arbeitsgruppen unterteilt. Diese

Gruppen arbeiten an Themen wie der Identifizierung und

Entwicklung eines FinTech-Centers in Frankfurt, örtli-

chen und regionalen Services für FinTech-Unternehmen

sowie regionalen Weiterbildungsangeboten und wissen-

schaftlichen Angeboten von Universitäten. Die Ergeb-

nisse der Initiative werden in den Arbeitsgruppen be-

stätigt und anschließend dem Lenkungsausschuss der

Initiative vorgelegt, der sich aus den leitenden Vertretern

größerer regionaler Finanzinstitute und öffentlicher Ein-

richtungen zusammensetzt. Der Lenkungsausschuss

empfiehlt daraufhin ein Zielkonzept für die Entwicklung

des FinTech-Hubs Frankfurt und unterstützt parallel

dazu regionale Aktivitäten zum Aufbau eines Ökosys-

tems für den FinTech-Hub.

Weitere Informationen finden Sie auf http://bit.ly/1TLiDpx

Christopher Schmitz ist Partner und Jan- Erik

Behrens Executive Director von EY Transaction

Advisory Services.

1 5 FMF JAHRBUCH 2016 ON THE MOVE

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Der Begriff „FinTech“ steht für „Financial Technolo-

gies“ – und dass Unternehmen der Finanzwirtschaft

in Frankfurt gut beheimatet sind, steht außer Frage.

Die unter diesen Sammelbegriff fallenden Technolo-

gien rund um alternative Finanzdienstleistungen sind

seit 2009 weltweit explosiv gewachsen und revoluti-

onieren die globale Finanzwelt. Dieser Hype er-

fasst auch Frankfurt am Main seit Ende 2014.

Als kontinentaleuropäisches Finanzzent-

rum hat sich Frankfurt am Main zu einer

Anlaufstelle für FinTech-Start-ups ent-

wickelt. Im Vergleich zu internationalen

FinTech-Hubs wie London und Tel Aviv

oder auf nationaler Ebene Berlin, wo sich

die FinTech-Landschaft vorwiegend auf

B2C-Lösungen konzentriert, ist die lokale

Szene in der Region Frankfurt-Rhein-Main

aufgrund der hohen Bankendichte beson-

ders im B2B-Bereich stark ausgeprägt.

Der Standort Frankfurt am Main bietet den

FinTech-Start-ups einen hochqualifizierten Know-

how-Pool, die Nähe zur Regulierung, das IT-Fach-

wissen sowie immer mehr Büroräume in Form von

„Co-Working Offices“. Kostennachteilen gegenüber

den häufig günstigeren Büromieten in Berlin oder

einem niedrigeren Gehaltsniveau setzt Frankfurt eine

hoch effiziente Infrastruktur entgegen: Frankfurt hat

mit dem De-Cix nicht nur den wichtigsten Internet-

knotenpunkt Europas, sondern bietet durch seine ver-

gleichsweise geringe Fläche kurze Wege innerhalb der

Stadt und kann durch die Nähe zum Flughafen eine

internationale Ausrichtung gewährleisten. Englisch ge-

hört zum City-Alltag. Die FinTech-Start-ups können

folglich vom Standort Frankfurt am Main als interna-

tionalem Finanzzentrum und „Key Enabler“ profitie-

ren. Etablierte Player erschweren zwar den Marktein-

tritt der alternativen Finanzdienst leistungen von jungen

Neue Technologien rund um alternative Finanzdienstleistungen revolutionieren die Finanzwelt – global und in Frankfurt am Main.

von Oliver Schwebel und Olaf Atja Lemmingson

FinTech-Center Frankfurt am Main

1 6 FMF JAHRBUCH 2016 ON THE MOVE

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FinTechs, dennoch zeigen Erfolgsgeschichten wie der Kauf der

360Treasury Systems AG für 750 Millionen Euro durch die Deut-

sche Börse AG in 2015, dass eine Kooperation zwischen FinTech

und der „Old Economy“ naheliegend ist und die Bankennähe neue

Chancen für den gesamten Markt beinhaltet. Außerdem hat das Fin-

Tech-Segment ein großes Potenzial, ein unabhängiger Alternativ-

markt für traditionelle Finanzdienstleistungen zu werden.

Veranstaltungen unterstützen die Entwicklung der SzeneDie dynamische Entwicklung der Szene sowie der lokale enge Aus-

tausch mit anderen FinTech-Start-ups und etablierten Unternehmen

der Finanzbranche zeigen sich durch die zunehmenden Veranstal-

tungsreihen vor Ort. Die Wirtschaftsförderung Frankfurt GmbH un-

terstützt die Szene nicht nur finanziell, sondern fördert ebenso einen

intensiven Dialog mit der Stadt Frankfurt am Main, dem Land Hes-

sen und Frankfurt Main Finance e.V., um eine gemeinsame neutrale

Plattform zu schaffen. Des Weiteren sind die main incubator GmbH

mit der Veranstaltungsreihe „Between the Towers“ und die Maleki

Group GmbH durch die Organisation der „EURO Finance Tech“ ak-

tiv bei der Vernetzung der Szene. Außerdem zeigt die Goethe-Uni-

versität großes Engagement durch die Organisation diverser Veran-

staltungen, etwa des „Tech Ecosystems Dialogue“ mit Einbeziehung

der Tech-Szene Tel Aviv, dem Unibator und der Erstellung einer „Inno-

vation Map“, um die FinTech-Landschaft besser erfassen zu können.

Die Szene an sich zeigt sich besonders aktiv in diversen „Meet-ups“

von FinTechs für FinTech-Start-ups, die seit Sommer 2015 regelmäßig

und mit stark wachsenden Teilnehmerzahlen die Szene beleben. Hier

sind die Initiatoren die FinTech-Unternehmen Savedroid und endava.

Beim Roundtable Meeting vom 30. September 2015 in den Räum-

lichkeiten der Wirtschaftsförderung Frankfurt GmbH konnten sich

erstmals Vertreter von FinTech-Start-ups, Inkubatoren, Hochschulen,

der Stadt Frankfurt und dem Land Hessen zur aktuellen FinTech-

Situation am Standort austauschen. Folgende Ergebnisse und

Forderungen aus dem Meeting wurden festgehalten und in die

folgenden Veranstaltungen und Foren getragen:

• Schaffung eines zentralen Anlaufpunktes (FinTech-Center)

• Frankfurter FinTech- und Gründer-Veranstaltungen haben sich

dynamisch und konzeptionell vielseitig entwickelt

• Frankfurt am Main bietet eine ausgezeichnete, hochwertige Infra-

struktur und Know-how. Es muss sich durch seine Qualität von

der Berliner Quantität abheben

• Erfordernis einer Plattform, um die fragmentierte Szene zusam-

menzuführen, bevorzugt durch einen öffentlichen und neutralen

Ansprechpartner

• Dringend erforderliche PR und Imageverbesserung für Frankfurt

am Main als FinTech-Standort

FinTech-Center in Frankfurt soll etabliert werdenEine zunehmende Dynamik kam ab November 2015 in die Fin-

Tech-Landschaft Frankfurt: Frankfurt Main Finance e. V. setzte

das „ Dialogforum FinTech“ auf. Das Hessische Ministerium für Wirt-

schaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung unter der Leitung

des Hessischen Staatsministers Tarek Al-Wazir setzte sich bei der

„Euro Finance Tech“ Konferenz am 21. November 2015 an die Spitze

der aktiven Förderer der FinTech-Szene. Ein besonderes Augenmerk

liegt auf der schnellen, qualitativen und bedarfsgerechten Etablierung

eines FinTech-Centers in Frankfurt am Main. Da die FinTech-Cen-

ter-Projekte sehr unterschiedlich sind, und der Markt zum Teil noch

fragmentiert ist, stellt die Initiative Al-Wazirs eine wichtige Basis zur

Bildung einer neutralen Plattform dar. In einem Einladungsschreiben

des Hessischen Ministeriums wurde aufgerufen, Projektideen für ein

FinTech-/Start-up-Center bis zum 20. Januar 2016 einzureichen. Am

27. Januar 2016 fand im Präsidiumsgebäude der Goethe- Universität

erstmals eine öffentliche Vorstellung der eingereichten Konzepte für

ein FinTech-Center am Finanzplatz Frankfurt statt. Im Sinne der Neu-

tralität wurde eine Arbeitsgruppe mit sieben Vertretern aus unter-

schiedlichen Bereichen gegründet. Nun ist es Aufgabe der Mitglieder

der Arbeitsgruppe, die vorgestellten Konzepte vergleichbar zu ma-

chen, Kooperationen anzuregen und somit den Prozess der Umset-

zung eines geeigneten Konzepts zu beschleunigen. Dies wird auch

durch den Oberbürgermeister und den Wirtschaftsdezernenten der

Stadt Frankfurt am Main unterstützt, die bei einem FinTech-Round-

table am 2. Februar 2016 im Rathaus die Bedeutung der FinTech-Ent-

wicklung hervorhoben. Oberbürgermeister Peter Feldmann sieht für

Frankfurt eine große Chance: Ein FinTech-Center würde eine er-

hebliche Strahlkraft für den FinTech-Standort Frankfurt bedeuten.

Wirtschaftsdezernent Markus Frank unterstützt die Forderung nach

den richtigen Rahmenbedingungen: „Die aktive Beteiligung der po-

litischen Institutionen, vor allem Land Hessen und Stadt Frankfurt

am Main, wird in der FinTech-Landschaft gewünscht. Das erfordert

auch die Bereitstellung von Ressourcen, um die Infrastruktur und das

Image von Frankfurt für FinTech zu entwickeln.“

Oliver Schwebel ist Geschäftsführer und Olaf Atja Lemmingson

Leiter IBC Zielbranchen bei der Wirtschaftsförderung Frankfurt.

„Eine Kooperation zwischen FinTech und der ‚Old Economy’ ist naheliegend, und die Bankennähe in Frankfurt bietet neue Chancen für den gesamten Markt.“

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tipps und Empfehlungen innerhalb der Netz-

gemeinschaft geteilt werden. Auch rund um

den Zahlungsverkehr entstehen technologie-

getriebene Geschäftsmodelle, beispielsweise

bei mobilen Bezahlverfahren oder bei inter-

nationalen Geldtransfers. Zahlreiche nützliche

Anwendungen helfen beispielsweise Kunden,

via Smartphone jederzeit einen Überblick über alle

Bankkonten zu behalten; andere bieten Software-

lösungen für Smart-Data-Anwendungen in Ban-

ken und Sparkassen. Der Versuch, diese bunte

und lebendige Vielfalt vollständig erfassen zu

wollen, bleibt vergebens.

FinTechs sind derzeit in aller Munde. Ihnen ist gemein,

dass sie mit innovativen, IT-basierten Geschäftsideen

an den Markt drängen, die ihren Kunden erhebliche

Zeit- und Kosteneinsparungen versprechen

sowie stets verfügbar und konsequent an

deren indi viduellen Bedürfnissen ausgerich-

tet sind. Damit stoßen FinTechs in nahezu alle

Be reiche des Bank- und Finanzwesens vor. In

den Geschäftsfeldern „Finanzierung und Geld-

anlage“ wachsen beispielsweise Plattformen zur

Kreditvermittlung, zur Finanzierung von Start-

ups und mittelständischen Unternehmen und

zum „Social Trading“ heran, bei dem Anlage-

Den Finanzplatz Frankfurt hat der „Hype“ um FinTechs

gleich mehrfach aufgewühlt. Mit dem Innovations-

potenzial der FinTechs verbinden sich berechtigte

Hoffnungen, Kundenbedürfnisse konsequenter be-

friedigen zu können, das Finanzwesen leistungsfähiger

zu machen und neues Wachstum zu fördern. Daran

knüpfen sich offene Fragen hinsichtlich des Förde-

rungsbedarfs und der Bereitstellung eines potenten

Ökosystems im Wettbewerb mit anderen Finanzplät-

zen um diese jungen Unternehmen an. Auf die einzel-

nen Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute erzeu-

gen FinTechs einen merklichen Druck, ihre Strategien

zu überdenken oder bereits eingeschlagene Wege zu

rechtfertigen.

Konkurrent oder Partner?Die Herausforderungen, vor die FinTechs etablierte

Finanzinstitute stellen, sind nicht leicht auf einen ge-

meinsamen Nenner zu bringen. Sicherlich be-

deuten neue Mitspieler, sofern sie sich mit

ihren Geschäftsmodellen in der Bran-

che tatsächlich etablieren können,

eine schärfere Konkurrenz um

Kunden und Konditionen. Zu-

gleich ist es für eine Bank oft

schwierig, aus strategischer Sicht zu

bewerten, ob die „Neulinge“ als Konkurrenten oder

als künftige Partner einzustufen sind, denn die neuen

Wettbewerber zeichnen sich durch eine Fülle unter-

schiedlicher Geschäftsmodelle aus. Schließlich findet

der Wettbewerb nicht nur zwischen ihnen und den

etablierten Banken, sondern auch unter den neuen

Finanz marktakteuren statt.

Darüber hinaus besteht Unsicherheit, in welche Rich-

tung sich der Bankensektor überhaupt entwickeln

wird. Wie könnte Banking 4.0 im Jahr 2025 aussehen?

FinTechs können als Konkurrenz, kooperative Part-

ner oder auch als Disruptoren, also als Anbieter eines

neuen und im Markt überlegenen Geschäftsmodells in

FINTECHS – NEUE AKTEURE, NEUE HERAUSFORDERUNGEN

Technologische Innovationen stoßen in das Bank- und Finanzwesen vor. Wie lassen sich dafür die richtigen Rahmenbedingungen setzen?von Dr. Andreas Dombret

1 8 FMF JAHRBUCH 2016 On THe MOve

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Erscheinung treten, denen die etablierten Banken und

Sparkassen mit herkömmlichen Angeboten und beste-

hender Infrastruktur kaum effektiv begegnen können.

Damit stellt sich den Kreditinstituten ohne Frage ein

her ausforderndes unternehmerisches Umfeld und zwingt

sie bereits heute dazu, strategische Entscheidungen

zu treffen, um für den künftigen Umgang mit FinTechs

gewappnet zu sein. Hierzu gehört, dass nötige Anpas-

sungsprozesse etwa mit Blick auf die IT-Infrastruktur,

die Produktpalette, die Filial- und Standortstrategie

oder auch die Rekrutierung von Mitarbeitern erdacht

und konsequent umgesetzt werden. Die Banken-

aufsicht legt hierauf im Moment ein besonderes

Augenmerk.

Daneben stellt sich für die Finanzaufsicht auch eine

grundlegende Frage: Sind angesichts der vielen und

teils tiefgreifenden Innovationen die richtigen Rahmen-

bedingungen gesetzt? Die Antwort auf diese Frage

hängt maßgeblich von den Zielen ab, die die Aufseher

vor Augen haben. Ungeachtet der bereits erwähnten

und allemal zukunftsträchtigen Frage, welche gesamt-

wirtschaftliche Bedeutung FinTechs einnehmen können

und werden, ist das übergeordnete Ziel der Finanzauf-

sicht unverändert geblieben: die Sicherstellung eines

stabilen Finanzsystems. Die Rahmenbedingungen sind

so zu setzen, dass die eingegangenen Risiken auch den

Maßstab für einen fairen Wettbewerb zwischen allen

Marktteilnehmern definieren. Der Grundsatz „same busi-

ness, same risk, same rules“ ist das Credo, an dem sich

die internationale Regulatorik bereits heute orientiert. Ich

für meinen Teil befolge dieses Credo aufs Engste.

Sorgfältig auf Risiken achtenMan darf es aus Sicht der Bankenaufsicht keinesfalls

darauf beruhen lassen, Innovationen ausschließlich von

ihrer schillernden Seite her zu betrachten. Die Finanz-

krise hat uns deutlich vor Augen geführt, dass wir bei

noch wenig erprobten Produkten und Dienstleistungen

besonders sorgfältig auf Risiken und Nebenwirkungen

achten müssen. Das gilt nicht zuletzt auch für die Leis-

tungen der Informationstechnologie, wo – wie überall

sonst auch – Fehler und Missbrauch möglich sind. Ge-

stiegene Cyberrisiken sind nur eine der Nebenwirkun-

gen, ebenso geht es um die Behandlung vertraulicher

Daten oder ungeahnte Folgen algorithmenbasierter

Bankdienstleistungen. Eine systematische Bevorzu-

gung neuer Technologien lässt sich daher regulatorisch

nicht begründen. Vielmehr ist nach meiner festen Über-

zeugung eine Regulierung geboten, die Technologien

neutral behandelt und genau dann greift, wenn Instru-

mente und Institutionen unverhältnismäßige Risiken

produzieren.

Es ist daher eine wesentliche Herausforderung der

Regulierung, auch für scheinbar neue Formen der

Finanzintermediation und der Bank- und Finanz-

dienstleistungen das Rad nur dort neu zu erfinden,

wo das alte Rad keine Bodenhaftung mehr hat. Die

bis heute gut erprobte Unterscheidung zwischen

den regulierten Kredit-, Finanzdienstleistungs- sowie

Zahlungsinstituten und den unregulierten Akteuren

ist eine risikobezogene Grundlage, die faire Wettbe-

werbsbedingungen über die verschiedenen Marktteil-

nehmer hinweg schafft. Behält man die Risiken eines

Geschäftsmodells im Blick, lässt sich für eine Kredit-

vermittlungsplattform, für einen Zahlungsdienstleister

oder für jede andere, konkrete Geschäftsidee beur-

teilen, unter welchen Umständen sich eine Erlaubnis-

pflicht und weitere regulatorische und aufsichtliche

Konsequenzen ergeben. Eine regulatorische Sonder-

behandlung von FinTechs per se ist daher weder er-

strebenswert noch gesetzeskonform. Hat ein FinTech

seine innovative Geschäftsidee konkret ausgearbei-

tet, so steht die Bundesbank mit ihren Hauptverwal-

tungen als regionaler Ansprechpartner für Erlaubnis-

fragen zur Verfügung.

Finanzaufseher müssen ihr Augenmerk auf diejenigen

Innovationen richten, deren Risiken im Rahmen der be-

stehenden Aufsichtssystematik noch nicht hinreichend

erfasst werden. Nur so kann die Aufsicht ihren Auftrag

wahrnehmen, die Risiken für das Finanzsystem mög-

lichst frühzeitig zu erkennen und alle Marktakteure risi-

koadäquat zu beaufsichtigen. Damit leistet sie letztlich

einen Beitrag zu einem angemessenen und nachhalti-

gen Wirtschaftswachstum und zum Wohlstand aller.

Die eingegangenen Risiken müssen den Maßstab für einen fairen Wettbewerb definieren.

Dr. Andreas Dombret

ist Vorstandsmitglied der

Deutschen Bundesbank.

1 9 FMF JAHRBUCH 2016 On THe MOve

Page 20: ON THE MOVE - Frankfurt Main Financefrankfurt-main-finance.com/wp-content/uploads/2015/11/jahrbuch-20… · Oliver Schwebel und Olaf Atja Lemmingson 16 FINTECHS – NEUE AKTEURE,

Fragen und Perspektiven des technologischen Wandels

Dass die Digitalisierung eine ganze Branche aufrütteln kann,

hat sich bereits in der Print- und Musikindustrie sehr deut-

lich gezeigt. Nun ist auch die Finanzbranche an der Reihe,

sich dem technologischen Wandel zu stellen.

Der Begriff FinTech hat bereits große Wellen geschlagen. Die

damit einhergehenden Veränderungen betreffen allerdings

nicht nur FinTechs und etablierte Finanzdienstleister, sondern

auch die Aufsicht. Die BaFin stellt sich den neuen Herausfor-

derungen bereits seit einiger Zeit; allerdings sind noch diverse

Fragestellungen zu beantworten. Drei Aspekte kennzeichnen

den Rahmen um die zukünftige FinTech-Arbeit der BaFin.

Erstens ist es Ziel der BaFin, sich auf die Bedürfnisse der jun-

gen Unternehmen bestmöglich einzustellen. Die BaFin war in

der Vergangenheit eine Klientel gewohnt, die bereits mit inten-

siver juristischer Unterstützung und aufsichtsrechtlicher Ex-

pertise aufwartete. FinTechs dagegen zäumen das Pferd von

anderer Seite her auf. Sie haben das technische Know-how

und bieten kreative Lösungen entlang des Bedürfnisprofils

des Kunden an. Dabei identifizieren sie Teilbereiche des klas-

sischen Geschäfts, die sie durch kundenfreundliche Lösungen

ersetzen oder mit smarten Anwendungen ergänzen. Aufsichts-

rechtliche Vorgaben waren allerdings überwiegend nicht im

Fokus der FinTechs, und die Herangehensweise und Bedürf-

nisse der oftmals jungen FinTech-Unternehmen waren bisher

nicht im Fokus der BaFin. Somit sind nun beide Parteien gefor-

dert. Innerhalb der BaFin konnten Verfahrensweisen entwickelt

werden, die es ermöglichen, auf die Belange der FinTechs

bedarfsgerechter einzugehen. Zum einen ist es besonders

wichtig, dass sich die Unternehmer schon vor einem persön-

lichen Kontakt zur BaFin über mögliche regulatorische Pflichten

informieren können. Und das auch ohne juristisches Studium.

Daher geht es um die adressatengerechte Aufbe reitung der

Informationen, die für die Unternehmer für die Aufnahme ihres

Geschäfts maßgeblich sind. Zum anderen betrifft dies eine

moderne und serviceorientierte Kommunikation zwischen den

Unternehmern und der BaFin. Dabei ist es eine Selbstverständ-

lichkeit, dass die Dynamik im FinTech-Markt auch eine gewisse

Reaktionsgeschwindigkeit der BaFin erfordert.

Spielregeln vorgeben

Dies bedeutet aber nicht – und hierbei handelt es sich um

die zweite Kernbotschaft – dass die BaFin die Spielregeln

für FinTechs ändern kann und darf. Liegt das Geschäfts-

modell eines FinTechs im erlaubnispflichtigen Bereich, hat die

BaFin im Gegenzug die Erwartung, dass die entsprechenden

Regeln eingehalten werden. Somit ist eine adressatengerech-

te Kommunikation nicht mit einem Garant für eine möglicher-

weise gewünschte Erlaubnisfreiheit gleichzusetzen. Unterliegt

ein Geschäftsmodell der Erlaubnispflicht und damit auch der

laufen den Aufsicht der BaFin, steht sie dem Unternehmen – ob

von Dr. Uwe Neumann

2 0 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH & REGULIERUNG

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FinTech oder nicht – natürlich auch bei Fragen und Unsicher-

heiten zur Seite. Gleichzeitig darf die Qualität der Antworten

auf Erlaubnisanfragen nicht unter den zeitlichen Erwartungen

der Unternehmer leiden. Der Markt der FinTechs ist schnell-

lebig und heiß umkämpft. Dessen ist sich auch die BaFin be-

wusst. Dennoch ist jede Entscheidung unter den bestehenden

regulatorischen Vorgaben sorgfältig und oftmals im Einzelfall

zu prüfen, um eine umfassende und korrekte Antwort geben

zu können.

In diesem Zusammenhang wird die BaFin oft auch an den

Tätigkeiten der britischen Financial Conduct Authority (FCA)

gemessen. Diese geht derzeit einen interessanten Weg. So

schafft die FCA unter der Fahne der Wirtschaftsförderung

einen „Sandkasten“, innerhalb dessen ausgewählte Start-ups

ihre Geschäftsmodelle unter abgemilderten Aufsichtsstan-

dards testen können. Dagegen sieht sich die BaFin derzeit

vielfach der Kritik ausgesetzt, mit den strengen Anforderungen

Innovationen im eigenen Land zu verhindern. Die Antwort der

BaFin darauf ist klar und unumgänglich: Die BaFin hat kein

Mandat zur Wirtschaftsförderung und würde mit einer „Aufsicht

light“ für FinTechs gegen ihre gesetzlichen Pflichten verstoßen.

Dies bezieht sich auf alle Unternehmen, unabhängig davon,

in welcher Phase des Lebenszyklus sie sich befinden. Zudem

können Interessenskonflikte zwischen der Unternehmensför-

derung und dem kollektiven Verbraucherschutz entstehen.

Abstufungen in Bezug auf regulatorische Anforderungen sind

in den deutschen Aufsichtsgesetzen aber bereits vorgesehen.

Denn nicht jedes Geschäftsmodell bedarf einer sogenannten

Vollbanklizenz nach dem Kreditwesengesetz. Vielmehr gibt

es nach dem dort verankerten „Baukastenprinzip“ im Rah-

men gesetzlicher Möglichkeiten auch Erlaubnisse für einzelne

Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen. Diese bedeuten

auf der einen Seite zwar Grenzen für die Geschäftstätigkeiten

der Unternehmen, auf der anderen Seite geht damit ein ab-

gestufter Pflichtenkatalog einher. Dabei kann an bestimmten

Regeln nicht gerüttelt werden. In den Bereichen, in denen der

Gesetzgeber lediglich den Rahmen vorgibt, gehört es zu den

aufsichtlichen Standards der BaFin, die Anforderungen an die

Unternehmen vom Risiko und der Komplexität der Geschäfte

abhängig zu machen und damit dem Gedanken der Proportio-

nalität Rechnung zu tragen.

Trends im Blick haben

Drittens zeichnet sich ab, dass FinTechs als Katalysatoren den

Prozess der Digitalisierung, Automatisierung und Personalisie-

rung im Finanzsektor auf lange Sicht vorantreiben werden. Zum

einen verändern sich mit den Angeboten der FinTechs auch die

Erwartungen, die Verbraucher an die etablierten Unter nehmen

stellen. Zum anderen eröffnen sie Möglichkeiten, Prozesse effi-

zienter und kostengünstiger zu gestalten. Dies kann sich auf

das zukünftige Produkt- und Dienstleistungsangebot, die Ein-

kommensquellen und die Geschäftsmodelle der Finanzdienst-

leister auswirken. Somit ist es auch Aufgabe der BaFin, die

Entwicklungen der unter Aufsicht stehenden Unter nehmen zu

begleiten und gleichermaßen das Verständnis regulatorischer

Vorgaben an die laufenden Veränderungen anzupassen. Hier

gilt es, die aktuellen Trends im Blick zu behalten und deren

Relevanz für die Beaufsichtigung der Banken, Versicherungen

und Wertpapierdienstleister abzuschätzen.

Letztendlich bringt der technologische Wandel neue Fragen

und Perspektiven mit sich, denen sich nicht nur die jungen und

die etablierten Unternehmen zu stellen haben. Auch die BaFin

geht mit der Zeit, indem sie sowohl die aufsichtliche Perspek-

tive als auch die Behörde als „Verwaltungsapparat“ an diese

Herausforderungen anpasst. So gibt es bereits Initiativen zu

jedem der drei genannten Aspekte innerhalb des Hauses. Ziel

ist es, die Entwicklungen am Finanzmarkt im Blick zu behalten

und dabei den Unternehmen mit modernen Mitteln und einer

adressatengerechten Kommunikation als Ansprechpartner zur

Verfügung zu stehen. Dazu nutzt die BaFin klare Regeln, um

die Einhaltung von Aufsichtsstandards nachzuhalten. Denn

diese Regeln schaffen Vertrauen in das deutsche Finanz-

system, sowohl für Unternehmen als auch für den Verbraucher.

Dies bedeutet, dass es als Qualitätsmerkmal verstanden wer-

den kann, eine Geschäftserlaubnis nach aufsichtsrechtlichen

Erfordernissen zu erhalten und der laufenden Aufsicht durch

die BaFin zu unterliegen.

Dr. Uwe Neumann ist Leiter „Strategie und Risiko“ im Präsidialbe-

reich der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).

„Es kann als Qualitätsmerkmal gelten, eine Geschäftserlaubnis unter der Aufsicht der BaFin z u erlangen.“

2 1 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH & REGULIERUNG

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Die

zwei

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inTe

ch-W

elle

setzt

im M

asch

inenraum der Finanzindustrie an“

Eine Kultur der kurzen Wege schadet nicht, gerade in einem so schnell lebigen Business.

DR. SEBASTIAN GLOCK, LOCAL PARTNER BEI WHITE & CASE

Die Regulierung von FinTechs beschäf-

tigt die verantwortlichen Be-hörden sowie die Akteure in der

Finanz- und Technologiebranche. Für die FMF-Redaktion kamen Dr. Sebastian

Glock, Dr. Manuel Lorenz und Hassan Sohbi der Kanzleien White & Case, Baker &

McKenzie sowie Taylor Wessing am runden Tisch zusammen, um Chancen und Risiken

zu diskutieren.

Wie sieht die Regulierung von FinTechs in Deutschland der-zeit aus?

SEBASTIAN GLOCK: Es gibt keine spezielle Regulierung

für FinTechs. Es handelt sich um innovative Start-up-

Unternehmen, die oft neue Dienstleistungen erbrin-

gen. Diese Dienstleistungen fallen möglicherweise

unter bestimmte Regulierungstatbestände. Wenn Fin-

Techs Dienstleistungen aus dem Finanzsektor erbrin-

gen, werden sie auch wie ein Finanzdienstleister reguliert.

MANUEL LORENZ: Man kann auch sagen, dass FinTechs dann un-

ter die Regulierung fallen, wenn sie sich an den Markt wenden,

und weniger, wenn sie zum Beispiel intern Dienstleistungen

gegenüber Banken erbringen. Das ist eine wichtige Differen-

zierung. Und dann muss man in der Tat die aus den Richt-

linien ersichtlichen Regulierungstatbestände der Reihe nach

durchgehen. Momentan sehen wir bei den FinTechs in erster

Linie Geschäftsmodelle, die unter die Finanzmarktrichtlinie fal-

len, weil sie auf Wertpapieren oder Finanzinstrumenten basieren.

Dazu gehören etwa Robo-Advisors oder Handelsplattformen für

Fondsanteile.

Wenn es sich um eine zu regulierende Aktivität handelt, was passiert dann in der Praxis?

LORENZ: Es gibt verschiedene Modelle, die sich in der Praxis bewährt

haben. Eine Möglichkeit ist, dass ein FinTech-Unternehmen eine soge-

nannte Fronting-Bank oder White-Label-Bank einsetzt. Diese verfügt über

eine Lizenz, und das FinTech fällt somit nicht mehr unter die Regulierung. Es

gibt aber durchaus viele FinTechs, die der Regulierung nicht

über diesen Weg ausweichen wollen.

2 2 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH & REGULIERUNG

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HASSAN SOHBI: In der Tat beobachten wir aktuell,

dass die ersten FinTechs, die unter die Regulierung

fallen, bereits beispielsweise eine Banklizenz bean-

tragen. Andere tun sich noch etwas schwer. Aus meiner

Sicht ist das zum einen eine Haltungsfrage. Man fürchtet,

durch Regulierung nicht mehr so innovativ sein zu können.

Zum anderen scheut man vielleicht auch den Aufwand,

der damit verbunden ist, ohne diesen Aufwand genau zu

kennen. Gerade in der Anfangsphase ist das ein wichtiges

Thema. Hier könnte man ansetzen, um einem jungen Un-

ternehmen mit einer angepassten Form der Regulierung

über diese Hürde hinwegzuhelfen.

Ist der Start für FinTech-Unternehmen hier schwieriger als im Ausland?

LORENZ: Grundsätzlich ist die Regulierung in Europa weit-

gehend vereinheitlicht. Aber es bestehen dennoch Unter-

schiede. Erstens glaube ich, dass sich die deutsche Auf-

sicht nicht selbst als Standortfaktor betrachtet und damit die

Regu lierten auch nicht als Kunden. Zweitens lehnt die BaFin

eine Beraterrolle ab. Das heißt, es findet kein Dialog mit den

FinTechs statt. Und drittens betreibt man eine extensive Aus-

legung der Regulierung. Das ist zum Beispiel in Großbritan-

nien anders, wo man im Rahmen eines Verbraucherschutz-

mandats alles fördert, was verbraucherfreundlich ist. Auch

FinTechs, weil sie verbraucherfreundliche Lösungen bieten.

GLOCK: Man darf nicht vergessen, dass Regulierung neben

anderen Standortfaktoren einen Beschleunigungseffekt hat.

Ein Unternehmer überlegt sich in der Anfangsphase sehr

genau, wo er ein gründerfreundliches Umfeld findet. Un-

sere Regulierung basiert auf gesetzlichen Grundlagen aus

einer Zeit, in der es noch keine FinTechs gab. Eine Reak-

tion hierauf könnte sein, das Regulierungsmandat ent-

sprechend auszulegen oder gesetzlich zu öffnen, wenn

man zu dem Ergebnis käme, dass es nicht ausreichend

Spielraum bietet.

Wäre das Sandkasten-Modell eine Lösung?LORENZ: Beim Sandkasten-Modell würde man davon ab-

sehen, ein reguliertes Geschäftsmodell vom Start weg

einer unmittelbaren Regulierung zu unterwerfen. Das

heißt, die Aufsicht verzichtet in der Anfangsphase auf

den Lizenzantrag. Dafür verspricht Mit einer angepassten Form der Regulierung könnte man jungen Unternehmen über die erste Hürde hinweghelfen.

HASSAN SOHBI, LEITER DER MIDDLE EAST PRACTICE GROUP VON TAYLOR WESSING IN DEUTSCHLAND

In einer Sprechstunde oder Informationsveranstaltungen könnten FinTechs mit der BaFin in einen Dialog kommen.

DR. MANUEL LORENZ, PARTNER BEI BAKER & MCKENZIE

2 3 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH & REGULIERUNG

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das Unternehmen, sein Ge-

schäftsmodell in einem sehr eng

begrenzten Rahmen und un-

ter informeller Beaufsichtigung

des Regulierers auszuüben. Da-

rüber müssen die Kunden infor-

miert sein und trotzdem zustim-

men. Man vermeidet also zu Beginn,

wo noch gar nicht feststeht, ob das

Geschäftsmodell in dieser Form erfolg-

reich ist, den mit einer Lizenz verbundenen

hohen Aufwand. In Deutschland beträgt die Be-

arbeitungszeit der BaFin nach Vorlage vollständiger Unter-

lagen sechs Monate. Diese Zeit könnten FinTechs nutzen, um ihr

Modell am Markt auszuprobieren. Die Regulierung käme später,

wenn es sich als erfolgreich erwiesen hat.

SOHBI: Prinzipiell halte ich eine Regulierung „light“ für FinTechs

in der Anfangsphase für sinnvoll. Allerdings kann ich mir keine

Finanz industrie vorstellen, weder jetzt noch in Zukunft, die un-

reguliert ist. Aber FinTechs sollten mit schnellen Bearbeitungs-

zeiten rechnen können. Außerdem täte mehr Aufklärung gut. Denn

bei vielen FinTechs mangelt es gar nicht so sehr an Geld, sondern

es sind eher die zeitliche Komponente und die Un sicherheit, wes-

halb sie sich auf die Suche nach einer White- Label-Bank machen.

Deshalb würde ich einen aktiven Austausch mit der BaFin befür-

worten, mit der Zusicherung, in zwei Monaten grünes Licht zu

geben, wenn alles passt.

GLOCK: Am Anfang stellt sich immer die Frage des Aufwands. Das

gilt auch für den Fall, dass ein FinTech aus Regulierungsgrün-

den eine Fronting-Bank sucht. Diese muss ja auch erst gefun-

den werden, dann sind Verträge zu schließen, das Modell muss

implementiert werden und so weiter. Ob mit Fronting-Bank oder

eigener Lizenz: in beiden Fällen bestehen erhebliche Hürden, nur

um zu testen, ob das Geschäftsmodell so überhaupt am Markt

platziert werden kann, oder ob es noch verändert werden muss.

Welches Risiko besteht für eine Fronting-Bank?LORENZ: Streng juristisch gesehen bleibt die Bank für das Ge-

schäftsmodell verantwortlich und muss sich entsprechend ab-

sichern. Sie muss also das Geschäftsmodell verstehen. Es ist

ein Irrglaube, dass sich mit einer Fronting-Bank die Regulierung

wirklich umgehen lässt. Man ver-

meidet den Erlaubnistatbestand

und die direkte Beaufsichtigung

durch die BaFin. Aber die Bank

muss dem FinTech auferlegen,

sich an die Regulierung zu hal-

ten, die für die Bank gilt.

Wäre eine stufenweise Erhöhung der Re-gulierung eine Alternative?

GLOCK: Eine Regulierungstreppe wäre kompli-

ziert, unter anderem weil die FinTech-Geschäfts-

modelle sehr unterschiedlich sind. Man könnte aber unter

dem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes bestimmte Schutz-

größen definieren, so wie es beim Kleinanlegerschutzgesetz der

Fall ist. Wenn ein FinTech eine gewisse Größe erreicht hat, müsste

es dann einer vollen Regulierung unterliegen.

LORENZ: Das Kleinanlegerschutzgesetz ist übrigens das erste

Beispiel dafür, dass FinTech sich tatsächlich in Regulierung nie-

dergeschlagen hat. Denn hier wurden Sonderregelungen für

Crowd funding getroffen. Im Zuge einer weiteren Verschärfung

der Regulierung für Finanzdienstleister und Banken hätte man

sonst Geschäftsmodelle behindert, die man an sich für förde-

rungswürdig hält.

Der Verbraucherschutz beim Thema Crowdfunding ist umstritten. Bin ich hier als Anleger tatsächlich schutzlos?LORENZ: In erster Linie bestanden für das Crowdfunding Informati-

onserfordernisse, die für andere Zwecke gedacht sind. Insbeson-

dere den Prospekt benötigt man nicht für diese Art von Geschäft.

Deshalb ist die BaFin klärend eingeschritten, zumindest für den

Erwerb relativ kleiner Forderungen. Interessanterweise wurden

aber im Kleinanlegerschutzgesetz auch Größenordnungen defi-

niert, die zum Teil an das persönliche Einkommen anknüpfen.

Das heißt, die Schutzbedürftigkeit wird unter anderem daran fest-

gemacht, wieviel Prozent seines verfügbaren Einkommens ein

Anleger investiert.

Wie kann ich als FinTech Rechtssicherheit für meine Geschäftsidee erreichen?LORENZ: Der offizielle Weg besteht darin, eine Erlaubnisanfrage bei

der BaFin zu stellen. Das kann aber dauern. Deswegen war der

Robo-Advisors sind Tools für die online-basierte

Vermögensanlage.

Arbeitet ein FinTech mit einem bereits lizensierten Kreditinstitut zusammen, spricht man von Fronting

Bank oder White-Label Bank.

BaFin ist die Abkürzung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht.

Crowdfunding, deutsch auch Schwarm-finanzierung, ist eine Art der Geldbeschaffung

über eine Vielzahl von Personen, die in der Regel aus Internetnutzern besteht.

BEGR

IFFE

2 4 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH & REGULIERUNG

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Hinweis zutreffend, dass die Bearbeitung gerade bei Lizenzanfra-

gen nicht so lange dauern darf. Hier könnte Personal bei der BaFin

helfen, das mit den FinTech-Geschäftsmodellen intensiv vertraut

ist. Oder ein FinTech-Beauftragter, der schnell und auch mal in-

formell Auskunft geben kann. Weitere Möglichkeiten wären eine

Sprechstunde oder Informationsveranstaltungen der BaFin, da-

mit man in einen Dialog kommt und schnell eine verbindliche Ant-

wort erhält. Der andere Weg wäre eine Anfangsberatung durch

einen Anwalt. Damit kann schon viel geklärt werden.

Auch der Datenschutz ist ein viel diskutiertes Thema. Schränken die Regeln FinTechs in Deutschland zu sehr ein?LORENZ: Einige FinTechs haben sehr naive Vorstellungen davon,

was man alles mit den Daten anstellen kann. Es ist auch fraglich,

ob sich dieses Thema in Zukunft von alleine erledigt, weil die junge

Generation angeblich keinen Wert mehr auf Datenschutz legen

wird. Deswegen völlig zu Recht: Datenschutz ist die zweite, ganz

große Baustelle, die sicherlich schwer lösbar ist. Oder

eben doch, der Kunde muss nur zustimmen.

SOHBI: Das ist genau der Punkt. Fin-

Techs oder E-Commerce-Unter-

nehmen auf der einen Seite

haben natürlich ein starkes In-

teresse an den Daten, aber

weniger Interesse daran, die

Verbraucher um Zustim-

mung zu bitten. Auf der an-

deren Seite gehen aber die

internetaffinen Kunden in-

zwischen sorgsamer mit

ihren eigenen Daten um. Hier

bildet sich gerade ein neues

Bewusstsein für dieses Thema

heraus, und meine These ist,

dass man in Zukunft sogar Geld da-

für bekommen wird, wenn man Daten

preisgibt.

GLOCK: Die Logik, Daten grundsätzlich zu schützen, ist sinnvoll,

es sei denn, der Einzelne stimmt einem geringeren Schutz seiner

Daten zu, wenn er eine bestimmte Leistung in Anspruch nehmen

will. Das legt die Entscheidung in die Hand des Verbrauchers.

Angesichts der vielen Behörden vor Ort wird Frankfurt oft als Regulie-rungshauptstadt der Europäischen Union bezeichnet. Ist das für Fin-Techs ein Vorteil? LORENZ: Natürlich ist es gut, wenn der Regulierer nicht so weit

weg ist. Außerdem kann man darauf hoffen, dass man sich über

einen Austausch von Ideen wechselseitig befruchtet. Aber es

gibt in Frankfurt auch eine ganze Reihe weiterer vorteilhafter

Standortfaktoren für FinTechs. Dazu gehört vor allem die Nähe

zum Kunden und zu potenziellen Geschäftspartnern, vor allem

für Geschäftsmodelle, die sich in erster Linie an andere Finanz-

dienstleister richten. Und natürlich gibt es die Hochschulen im

Rhein-Main-Gebiet.

GLOCK: Ich glaube auch, dass eine Kultur der kurzen Wege nicht

schadet, gerade in einem so schnelllebigen Business.

SOHBI: Ich würde hier sogar noch etwas differenzieren. In der

ersten Welle haben FinTechs zunächst etwas

relativ Selbstverständliches genommen

und in modernerer Form aufberei-

tet. Dazu gehören zum Beispiel

Lending-, Zahlungs- oder

Girokonto-Plattformen. Diese

Ideen sind teilweise an an-

deren Standorten ent-

standen. Doch die zweite

Welle der FinTechs setzt

mit B2B- oder B2C-Ge-

schäftsmodellen genau

im Maschinenraum der

Finanzindustrie an. Hier-

bei sollte Frankfurt einen

Standortvorteil haben,

denn hier befindet sich der

Maschinenraum dieser Indus-

trie. Dennoch wären zusätzliche

Marketingmaßnahmen für Frankfurt

als FinTech-Standort hilfreich. Außer dem

sollte man einen Rahmen schaffen, in den sich

auch Venture-Capital-Fonds integrieren, die in FinTech

investieren.

Vielen Dank für das Gespräch.

VON

LINK

S: D

R. MANUEL LORENZ, HASSAN SOHBI, DR. SEBASTIAN GLOCK

2 5 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH & REGULIERUNG

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Essen

Duisburg

Düsseldorf

Dortmund

Würzburg

Aschaffenburg

Frankfurt am Main

Mainz

Karlsruhe

Stuttgart

München

Köln

Bonn

Main

Neckar

Rhein

Mannheim

VerstärkerDer Unibator gilt als „Brutstätte für Innovation“ der

Goethe-Universität Frankfurt am Main. Er fördert die

Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse bis hin

zu marktreifen Produkten und Dienstleistungen. Wei-

tere Beispiele sind das Digital Innovation Lab, die

Gründer maschine GmbH und das Gründungszentrum

HIGHEST der TU Darmstadt. Auch Events dienen als

Verstärker, etwa das Ebspreneurship Forum 2015.

Netzwerke… dienen dem Austausch von Wissen und Erfahrung

und dem Knüpfen von wichtigen Kontakten. Dieses

Ziel verfolgen zum Beispiel das Entrepreneurship

Cluster Mittelhessen und das House of IT e. V.

Start-ups... in der FinTech-Branche bringen frischen Wind in

die Finanzwelt. Sie entwickeln Mobile-Payment-Tools

für die Financial Inclusion von Menschen in Entwick-

lungsländern (Seiten 32 – 33), intelligente Software

für vorausgefüllte Überweisungen (Seite 45) oder

Payments-Services, neuartige Auszahlungsplattfor-

men und Finanzierungsmodelle für Technikprodukte

( Seiten 46 – 47).

Forschung und WissenschaftMit exzellenter und gleichzeitig praxisnaher For-

schung und Lehre in den Bereichen Wirtschafts- und

Finanzwissenschaften, neue Technologien und Entre-

preneurship wird die Grundlage für High Potentials

geschaffen. Lesen Sie dazu die Seiten 54 – 59.

Frankfurt ist eng mit der traditionellen Finanzwelt verknüpft. Nun siedeln sich auch immer mehr

Start-ups an. Die Rhein-Main-Neckar-Region bündelt Tradition und Innovation, Finanz-

expertise und neue Technologien, Praxis und Wissenschaft. Nach und nach

entsteht ein neues Ökosystem.

Deutschlands FinTech- Zentrum formiert sich

21

152

64

9

2 6 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER PRAXIS

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Verbraucherschutz

Immobilien- und Hypothekenfinanzierung

Versicherungs-wirtschaft

Vermögensverwaltung

Regierungs- undEntwicklungsfinanzierung

Institutionelles Geschäft

Privatkundengeschäft

Investmentbanking und Kapitalmarktgeschäft

Bundesbank

Regulierung

Genossenschaftsbanken

Bausparkassen

Auslandsbanken

Start-ups

IT- Infrastruktur

Ratingagenturen

Forschung undWissenschaft

Sparkassen undLandesbanken

Privatbanken

Investoren

Netzwerke

Verwahrstellen

VerstärkerBeratungs-gesellschaften

Börse

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6421

9

2 7 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER PRAXIS

Quelle: Unibator Innovation Map, IHK-Forum Rhein-Main

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Finanztechnologie – Evolution oder Revolution der Märkte?

Wir erhoffen uns neue Kooperationen im FinTech-Umfeld, die langfristig in innovative Geschäftsmodelle münden.

ADRIAN BRAUN, VORSTANDSMITGLIED DER ICF BANK

Die Adaptionsbereitschaft für Finanztech-nologie ist bei Banken und im Mittelstand in den letzten Jahren gestiegen.

T IMUR PETERS, GESCHÄFTSFÜHRER VON DEBITOS

Lässt sich die Entwicklung der Finanztechnologie fortschreiben? Werden disruptive Technologien das Verhalten der Konsumenten grundlegend verändern und welche Konsequenzen entstehen daraus für die Bankenlandschaft? Diese Fragen diskutierte die FMF-Redaktion mit Adrian Braun, Dr. Christopher Oster, Dr. Gernot A. Overbeck, Timur Peters und Jochen Siegert.

Der FinTech-Sektor wächst nachhaltig. Welche Auswirkungen hat das auf die traditionelle Finanzdienstleistungsbranche?Adrian Braun: Die Aussichten sind nicht zwangsläufig schlecht.

Ich sehe das ähnlich wie vor 15 bis 20 Jahren, als der Ein-

zelhandel die Möglichkeiten des Internets erkannt hat. Man-

chen Anbietern ist es damals gelungen, sich zu positionieren,

vielleicht sogar besser als vorher, anderen hingegen nicht.

Einige traditionelle Finanzdienstleister oder Banken beschäf-

tigen sich bereits intensiv mit neuen Technologien. Auch die

ICF Bank stellt sich seit Jahren auf Änderungen ein. Aufgrund

bestimmter Strukturen fällt es uns als Handelsbank unter Um-

ständen leichter als großen Banken, flexibel auf sich ändernde

Rahmenbedingungenzu reagieren.

Positionieren Sie sich speziell für FinTech-Unternehmen?Braun: Die ICF Group arbeitet derzeit an einem Konzept „Fin-

Tech Hub“ für Start-up-Unternehmen in diesem Umfeld. Die

Unterstützung umfasst alle relevanten Bereiche, mit denen

sich FinTech-Unternehmen vor der Realisierung ihrer unter-

nehmerischen Ideen konfrontiert sehen. Das Angebot reicht

von flexiblen und modularen Rechenzentrumsdienstleistungen

im Hosting-Bereich über die professionelle Gestaltung von Soft-

ware und Datenbankmodellen bis hin zur fachlichen Beratung bei

bank- und börsenrelevanten Themen. Die ICF Gruppe erhofft sich

durch diesen Ansatz neue Kooperationen im FinTech-Umfeld, die

langfristig in innovative Geschäftsmodelle münden.

Wie entwickeln sich aktuell die verschiedenen FinTech-Segmente?Jochen Siegert: Die erste FinTech-Welle war sehr von Geschäfts-

modellen aus den USA getrieben, also Payment und Lending.

Die Hoffnung war, das Geschäftsmodell entweder auf dem

deutschen Markt zu skalieren, oder vom amerikanischen Vor-

bild-Unternehmen aufgekauft zu werden. Inzwischen sehen

wir die zweite oder dritte Generation an Lösungen, die sich

stärker auf den Markt vor Ort konzentrieren. Diese Unterneh-

men finde ich viel spannender.

Die Volumina, die auf den inter - natio nalen Märkten bewegt werden, sind auf einem ganz anderen Niveau.

DR. CHRISTOPHER OSTER, CEO VON CLARK

2 8 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER PRAXIS

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Es wäre wünschenswert, sich mit Blick auf die Regu-lierung zu überlegen, wie sich ein Umfeld schaffen lässt, in dem Start-ups schneller wachsen können.

DR. GERNOT A . OVERBECK, CEO UND GRÜNDER VON F INTURA

Viele europäische Start-ups sind sehr erfolgreich, weil sie gleich von Beginn an international gedacht haben.

JOCHEN S IEGERT, VORSTAND UND COO BE I TRAXPAY

Christopher Oster: Versicherungen sind ein spannendes Feld. Ich

habe mich intensiv mit dem Thema beschäftigt. Das ist ein rie-

siger Markt von rund 200 Milliarden Euro in Deutschland, der

zu 95 Prozent offline stattfindet. Gleichzeitig ist die Kundenzu-

friedenheit unglaublich niedrig und liegt bei circa 33 Prozent.

Besser können die Voraussetzungen für ein Start-up kaum

sein, deswegen hat Clark hier das Geschäftsmodell angesetzt.

Gernot A. Overbeck: Fintura hat sich ganz bewusst auf das Seg-

ment Lending konzentriert, das ein Bestandsvolumen von

1,4 Milliarden Euro in Deutschland aufweist. Wir haben allerdings

ein komplett anderes Geschäftsmodell entwickelt als amerikani-

sche Unternehmen, weil wir festgestellt haben, dass kleine und

mittlere Unternehmen Kredite bei Banken und nicht bei alterna-

tiven Quellen aufnehmen möchten und weil Konditionen, die wir

mit Bankpartnern bieten können, besser sind als die von Peer-to-

Peer-Lendern. Deshalb ist unsere Lösung eine Vergleichsplatt-

form für Konditionen und Produkte. In diesem Bereich schätzen

wir das Neugeschäftsvolumen in Deutschland auf 120 Milliarden

Euro jährlich. Doch das ist erst der erste Schritt. Jetzt ver gleichen

wir Bankprodukte wie Kredite, in Zukunft wollen wir Kundenpro-

dukte wie Maschinenfinanzierungen vermitteln.

Dann ist der klassische Berater also auch für FinTech-Kunden immer noch wichtig?Oster: Unsere Zielgruppe sind Menschen, die ihr Hauptgirokonto

bereits online führen. Die Frage dahinter ist, wenn jemand

seine Bankgeschäfte und Zahlungsströme online abwickelt,

warum verwaltet er nicht auch seine Versicherungen online?

Das betrifft knapp die Hälfte der Deutschen, und wir haben Zu-

lauf aus allen Altersgruppen. Damit wurde unsere ursprüngli-

che Hypothese widerlegt, dass wir uns zunächst an Menschen

zwischen 20 und 40 Jahren richten.

Welche Faktoren muss ein FinTech berücksichtigen, um zu überleben?Overbeck: Das richtige Geschäftsmodell zählt. Die Frage ist, ob

und wie ein FinTech wirklich Nutzen für den Kunden schafft.

Und natürlich braucht es ein Team, das sich extrem schnell auf

die Kundenbedürfnisse und die Marktanforderungen einstellt.

Was ist mit dem Thema Regulierung?Oster: Bei diesem Thema werden FinTechs am meisten unter-

schätzt, denn hier passiert deutlich mehr, als man denkt.

Natürlich kommen wir sehr schnell zu einer Lizenz, aber das

liegt auch daran, dass wir die Unterlagen sehr schnell zusam-

mentragen und hinterher sind, dass alles funktioniert. Außer-

dem ist bei Start-ups die Reaktion auf das Feedback unheim-

lich schnell, denn es können von heute auf morgen Prozesse

angepasst und Sicherheitsstandards erhöht werden.

Timur Peters: Hier gibt es in der Bevölkerung sogar ein gewis-

ses Momentum, das wir mitnehmen und als Branding-Vorteil

nutzen können. Denn wir haben ein Produkt nach deutschen

Compliance-Standards, das wir auch im europäischen Ausland

oder international ausrollen können.

2 9 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER PRAXIS

Mehr dazu unter www.frankfurt-main-finance.com/fintec_praxis

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Overbeck: Dennoch wäre es wünschenswert, sich mit Blick auf

die Regulierung zu überlegen, wie sich ein Gesamtumfeld

schaffen lässt, in dem Start-ups schneller wachsen können.

Dafür brauchen wir weniger Regulierung in den Bereichen

Arbeitsgesetzgebung und Datenschutzbestimmungen. Es ist

ein juristisches Problem, einen normalen Studenten zu be-

schäftigen, der bereit ist, sich bei einem Start-up richtig zu

engagieren. Interessierte Kundengruppen mit einer E-Mail kalt

anzuschreiben bringt Abmahnungen von Anwälten, die von

Kunden engagiert worden sind, die sich für eigene Abmah-

nungen in der Vergangenheit rächen wollen.

Deutschland ist kein einfacher Markt für digitale Services. Wie schwierig ist es, Kunden zu erreichen und die Kundenzahl hoch zu skalieren?Peters: Im B2B-Markt sind sowohl Akquise als auch Skalierbar-

keit sehr viel schwieriger als bei Endkunden. Denn das Produkt

von Debitos, eine Online-Forderungsbörse, auf der Unterneh-

men ihre Forderungen im transparenten Auktionsverfahren

verkaufen können, ist schwerer vermittelbar. Dennoch ist die

Adaptionsbereitschaft für Finanztechnologie bei Banken und

im Mittelstand in den letzten Jahren auch dank der neuen Auf-

merksamkeit für FinTechs in der Presse gestiegen. Aber wir

müssen die Teilnehmer weiterhin davon überzeugen, etablierte

Strukturen aufzubrechen. Oft ist es so, dass nicht unbedingt

der beste Dienstleister genutzt wird, sondern derjenige, der

momentan im Unternehmen dafür angedockt ist. Werden Pro-

zesse schlanker und effektiver gestaltet, bedeutet das unter

Umständen, Stellen abbauen zu müssen. Und das ist immer

noch das größte Hindernis.

Braun: Wir beobachten schon seit längerer Zeit, dass die klas-

sischen und oft langfristigen Beziehungen zwischen Kunden

und Dienstleistern im Finanzsektor immer mehr aufbrechen.

Die Produkte sind sehr viel austauschbarer geworden, und

der Kostendruck bei sinkenden Margen ist immens. Hier kön-

nen zusätzliche Services, nachgelagerte Dienstleistungen und

intelligente Abwicklungswege, die unter anderem dazu bei-

tragen, die Transaktionskosten zu reduzieren, einen echten

Mehrwert schaffen, der auch von traditionellen Banken ge-

schätzt wird.

Siegert: Der B2C-Markt ist sicher einfacher. Man investiert zum

Beispiel in die Suchmaschinenoptimierung und kann sofort ein

paar Kunden akquirieren. 100.000 Kunden werden dann in

Deutschland groß gefeiert, in den USA sind das aber Peanuts.

Das zeigt, dass die Deutschen ein grundlegendes Problem mit

der Technologieadaption haben. Sie brauchen länger, wenn

aber die Schwelle überschritten ist, läuft die Skalierung schnel-

ler. FinTechs müssen da einen langen Atem haben.

Vorteile des FinTech-Hubs Frankfurt Nähe zum Kapitalmarktgeschehen Breite Basis an Finanzdienstleistern als Partner & Wissensträger Stabile Unternehmen in der Region Hochschulnetzwerk & High Potentials Enorme Rechenzentrum-Infrastruktur Zugang zu wichtigen Institutionen

I

NFO

S

FinTech-Gründer: Timur Peters und Dr. Gernot A. Overbeck nach dem Round-Table-Gespräch

3 0 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER PRAXIS

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Welche weiteren Unterschiede gibt es im Vergleich zu internationalen FinTech-Märkten?Oster: Die Volumina, die auf den Märkten bewegt werden, sind auf einem ganz anderen

Niveau. Aber auch die Finanzierung läuft anders. Bereits in der ersten Finanzierungsrunde,

wenn es nur eine Idee, ein Team und eine Powerpoint-Präsentation gibt, fließen bereits Be-

träge, die ein FinTech-Unternehmen in Deutschland nur bekommt, wenn das Produkt komplett

am Markt ist und sich die Akquise-Kanäle schon bewiesen haben. Ein weiterer Vorteil ist, dass

man in den USA mit einem Produkt und einer Lizenz prinzipiell einen Markt mit 300 Millionen

Verbrauchern ansprechen kann. In Europa benötigt man für jedes Land eine Lizenz, ein Büro,

sprachlichen Support.

Siegert: Das muss nicht unbedingt ein Wettbewerbsnachteil sein. Im e-Commerce-Bereich gab

es viele Start-ups aus Europa, die in die USA gegangen sind und dort auch sehr erfolgreich

waren, weil sie gleich von Beginn an international gedacht haben. In Deutschland tun wir uns

schwer, weil wir zuerst den deutschen Markt knacken wollen, dann gehen wir nach Österreich,

Frankreich und so weiter. Vielleicht denken wir einfach zu deutsch.

Welche Vorteile bietet Frankfurt als FinTech-Standort?Siegert: Im FinTech-Bereich spielt es eine sehr große Rolle, dass wir in Frankfurt direkt am

Kapitalmarktgeschehen dran sind und die Banken und die Deutsche Börse in der Nähe haben.

Außerdem haben wir viele stabile Unternehmen in der Region.

Overbeck: Ein potenzieller Vorteil ist eine Umgebung für Start-ups, in der man sich aus tauschen

und Erfahrungen teilen kann. Ein weiterer Vorteil ist ein Hochschulnetzwerk, das High Poten-

tials bietet, die gerne in ein Start-up kommen und über die eine Zusammen arbeit mit den

Lehrstühlen stattfindet. Der dritte Punkt ist, dass in der Region auch Venture Capital verfügbar

sein müsste. Das gilt es zu entwickeln.

Braun: Zusätzlich bietet Frankfurt unschätzbare Vorteile durch die Rechenzentrum-

Infrastruktur.

Welche Rolle wird FinTech in zehn Jahren spielen?Peters: In der deutschen FinTech-Branche wird es sicher einige Konsolidierungen geben und

auch Geschäftsmodelle, die sich nicht durchsetzen konnten. Es wird vielleicht auch eine

Vermengung von Banken, FinTechs und IT-Unternehmen entstehen, das zeichnet sich jetzt

schon im Bereich der Cloud-Services ab. Ich hoffe natürlich, dass einige deutsche Anbieter

es schaffen, einen europaweiten Markt aufzubauen und sich am Ende weltweit durchsetzen.

Braun: Wir werden mit unseren Produkten und Dienstleistungen verschiedene Vertriebs-

wege und -strategien beschreiten und dabei sowohl die Themen Preisführerschaft als auch

Qualitäts führerschaft im Fokus haben. Aufgrund unterschiedlicher Kundenbedürfnisse im

Hinblick auf Art und Umfang der benötigten Servicequalität sehen wir Potenzial für beide

Ansätze.

Siegert: Vieles können wir gar nicht voraussehen. Ein Smartphone zum Beispiel ist nicht nur

ein Telefon, sondern mit dieser neuen Technologie hat sich unser gesamtes Verhalten ver-

ändert. Wenn das im Bereich FinTech eintritt, wird das gesamte Koordinatensystem komplett

ver schoben.

Vielen Dank für das Gespräch.

Eine Technologie wird als disruptiv be-zeichnet, wenn sie eine etablierte Technologie, ein be stehendes Produkt oder eine bestehende Dienstleistung weitgehend oder vollständig verdrängt.

Der englische Begriff „Payment“ wird oft für das Segment Zahlungsabwicklung im Finanz-dienstleistungssektor verwendet.

Im Finanzdienstleistungssektor steht der eng-lische Begriff „Lending“ häufig für das Seg-ment Kreditvergabe.

Mit „B2B“ wird die Bezeichnung „Bu-siness-to-Business“ abgekürzt. Sie steht für Ge-schäftsbeziehungen zwischen mindestens zwei Unternehmen.

„B2C“ ist die Abkürzung für „Business-to- Customer“ und beschreibt Geschäfts be ziehungen zwischen Unternehmen und Konsumenten be-ziehungsweise Endkunden.

Skalieren bedeutet in der Wirtschaft, dass Unter nehmen expandieren. Die Nachfrage steigt, sie bekommen mehr Aufträge, erwirtschaften einen höheren Gewinn und können mehr Per-sonal einstellen.

„Peer-to-Peer-Lending“ ist die englische Bezeichnung für Kredite, die direkt von Privat-personen an Privatpersonen als Privatkredite ver-geben werden, ohne dass ein Finanzinstitut als Vermittler auftritt.

BEG

RIF

FE

3 1 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER PRAXIS

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Deutschland und die anderen EU-Länder sind gut mit

Finanzdienstleistungen versorgt. Die Statistik der Deut-

schen Bundesbank weist für 2014 über 100 Millionen

Girokonten aus. Über die Hälfte davon sind bereits als

Onlinekonten verfügbar. Zudem stehen in Deutschland

fast 57.000 Geldautomaten und über 10.000 Bank-

stellen mit Service- und Beratungsleistungen zur Ver-

fügung. Deshalb wird die Weiterentwicklung finanzwirt-

schaftlicher Leistungen für Privatpersonen hierzulande

vor allem auf Effizienz, Convenience und Kostenvor-

teile abzielen. Die sogenannte Financial Inclusion, die

Menschen ohne Bankkonto dessen Einrichtung und

damit den Zugang zu Zahlungsverkehr und Kreditauf-

nahme ermöglicht, spielt in den Ländern der EU eine

eher untergeordnete Rolle.

„Finanzieller Analphabetismus“ weit verbreitet

Global betrachtet sieht das anders aus. Weltweit ver-

fügen nach Angaben der World Bank Group nur 62

Prozent der Personen über 15 Jahre über ein Bank-

konto. Rund zwei Milliarden Menschen sind damit

von finanzwirtschaftlichen Prozessen ausgeschlos-

sen. Vor allem in den Entwicklungsländern Afrikas und

Südostasiens gelten große Teile der Bevölkerung als

finanzielle Analphabeten.

Fast die Hälfte aller Er-

wachsenen in Indien etwa

hat kein Bankkonto. An

geregelten Kreditprozes-

sen nehmen nur 6 Prozent

der Bevölkerung teil. Die-

se Probleme sind typisch

für viele Entwicklungs-

länder: Eine geringe Bank-

filialdichte insbesondere in

ländlichen Regionen, lang-

wierige und bürokratische

Kontoantrags verfahren und mangelnde finanzielle

Bildung verhindern den Zugang zum Zahlungsverkehr.

Die finanzielle Eingliederung dieser Menschen halten

Experten der World Bank Group für dringend erforder-

lich, um das Wirtschaftswachstum dieser Länder zu

fördern und die Bevölkerungsarmut zu verringern. Eine

Teilnahme am Finanzsystem ist die Voraussetzung, um

Geschäfte zu starten und zu entwickeln, in die Bildung

der Kinder zu investieren und finanzielle Rückschläge

auszugleichen.

FinTechs öffnen Zugänge zum Finanzsystem

Die von FinTech-Unternehmen entwi-

ckelten neuen Technologien spielen bei

der angestrebten Financial Inclusion

mittlerweile eine wichtige Rolle. Dabei

profitieren diese Unternehmen davon,

dass sich der Zugang zum Internet

und zu Telekommunikationsleistungen

in vielen Entwicklungsländern deutlich

verbessert hat und der Onlinekanal

als Plattform für Bankleistungen an

Attrak tivität gewinnt. Indien verzeich-

nete nach Angaben der Internet and

Mobile Association of India (IAMAI) im

Dezember 2015 über 400 Millionen

Inter netnutzer, von denen 94 Prozent für

den Zugang auch ihr Mobiltelefon wäh-

len. Ganz ähnlich ist es in Afrika, wo die

Verbreitung des Mobilfunks disruptive

Veränderungen bewirkte. Der Kontinent

versteht sich mittlerweile als „Mobile

Continent“ – trotz gerade in ländlichen

Regionen schwieriger technischer Rah-

menbedingungen. Über 600 Millionen

Mobilfunknutzer hat die Region Sub-

sahara-Afrika heute, rund 930 Millionen

werden laut Ericsson Mobility Report bis

Ende 2019 erwartet. Schon heute zei-

gen 58 Prozent der Mobilfunknutzer in

der Region ein großes Interesse an der

Nutzung von Mobile Banking und elek-

tronischen Geldbörsen. In Kenia bei-

spielsweise wird das mobile Zahlungs-

system M-PESA bereits von über zwei

Dritteln der Bevölkerung genutzt.

DEUTSCHE FINTECHS FÖRDERN WELTWEIT DIE FINANCIAL INCLUSIONAnders als in Deutschland und der Europäischen Union (EU) haben große Bevölkerungsteile in Entwicklungsländern keinen Zugang zum Zahlungsverkehr. FinTech-Unternehmen entwickeln neue Technologien, um diese Menschen in finanzwirtschaftliche Prozesse zu integrieren.

In Subsahara-Afrika zeigen 58 Prozent der Mobilfunknutzer großes Interesse an Mobile Banking und elektronischen Geldbörsen.

3 2 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER PRAXIS

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Neue Prozesse für Kontoeröffnung und Kreditvergabe

Die Ansatzpunkte für FinTech-Unternehmen sind viel-

fältig. So können wichtige Geschäftsprozesse wie

Legi timation, Identitätsprüfung und Vertragsabschluss

unter Einsatz moderner Finanztechnologie neu gestal-

tet werden. Seit 2012 bietet WebID Solutions europa-

weit rechtskonforme Vertragsabschluss- und Identifi-

kationsprodukte an, die vollständig online abgewickelt

werden können. Im Rahmen eines Joint Ventures mit

einer der größten Privatkundenbanken führt das Un-

ternehmen eine Face-to-Face-online-Identifikation in

Indien ein und revolutioniert damit den dort bisher übli-

chen Kontoeröffnungsprozess. Die Initiative ist Teil des

staatlichen „Volksvermögensprogramms“, mit dem

größere Teile der Bevölkerung besser mit grundlegen-

den Finanzdienstleistungen versorgt werden sollen.

Auch im Bereich der Kreditvergabe sind deutsche

FinTech-Unternehmen international engagiert. Die

Frankfurter awamo GmbH hat sich zum Ziel gesetzt,

die Vergabe von Mikrokrediten in Entwicklungsländern,

insbesondere in Afrika, deutlich zu verbessern und

auszuweiten. Wegen der geringen Filialdichte nehmen

Bauern und Kleinunternehmer Kredite meist bei Mikro-

finanzinstituten (MFI) auf. Aufgrund papierbasierter

Verfahren entstehen dabei Probleme – zum Beispiel im

Bereich der Identitätsprüfung –, die zu hohen Kredit-

ausfallquoten führen und sich in entsprechend hohen

Zinsen von über 60 Prozent niederschlagen. awamo

unterstützt die MFI durch eine Lösung zur Digitalisie-

rung der Kreditvergabe, indem das Unternehmen eine

mobile, robuste und bezahlbare Komplettlösung aus

Hard- und Software zur Verfügung stellt. Durch die

Technologie können die Kreditnehmer anhand ihres

Fingerabdrucks identifiziert werden. Kundendaten

und Kreditanträge werden digital erfasst, so dass das

Kredit portfolio mit Echtzeitdaten gesteuert werden

kann. Durch die zentrale Analyse der Kundendaten

kann die Kreditwürdigkeit der potentiellen Kreditneh-

mer besser eingeschätzt werden. Im Ergebnis profitie-

ren alle Beteiligten von niedrigeren Transaktionskosten,

einem transparenteren Kreditvergabeprozess und

einer fairen Kreditvergabe.

Die Beispiele zeigen, wie deutsche FinTech-Unterneh-

men die digitalen Strukturen in Entwicklungsländern

nutzen, um bestehende finanzwirtschaftliche Prozes-

se sicherer, effizienter und einfacher zu gestalten. Sie

leisten damit einen wertvollen Beitrag zur Financial

Inclusion und zu einer verbesserten Versorgung der

Bevölkerung in Entwicklungsländern mit klassischen

Finanzdienstleistungen.

Weltweit haben viele

Menschen kein Bankkonto

Keine Angabe

0,4 – 20

20 – 39

39 – 63,2

63,2 – 87,5

87,5 – 100

Konto bei einem Finanzinstitut

(% Alter 15+) Jahr: 2014

Quelle: Weltbank, 2016

3 3 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER PRAXIS

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Als am Neuen Markt 2000 die Lichter ausgingen, grün-

dete Carlo Kölzer am Finanzplatz Frankfurt die inter-

netbasierte Devisen handelsplattform 360T. Die Idee

des Firmengründers war, das FinTech nicht nur auf die Be-

dürfnisse von Banken, sondern auf die Bedürfnisse von Unter-

nehmen zuzuschneiden. 360T ermöglicht den transparenten

und sicheren elektronischen Handel von Fremdwährungen,

Geldmarktprodukten sowie Währungs- und Zinsderivaten auf

technisch höchstem Niveau.

Inzwischen wird die Plattform mit einem Liquidity-Pool von

über 200 Banken von rund 1.500 Kunden in mehr als 75 Län-

dern weltweit genutzt. Dazu gehören institutionelle Kunden,

Broker, Banken und internationale Konzerne. Ihnen wird wäh-

rend der gesamten Phase des Tradingprozesses volle Trans-

parenz und damit Kontrolle ihrer Transaktionen ermöglicht.

Die angefragten Preise können in deutlich höherer Geschwin-

digkeit zur Verfügung gestellt und verglichen werden, als dies

im früheren Telefonhandel möglich war. Insgesamt bedeutet

das eine deutliche Kosten- und Zeitersparnis, wobei zusätz-

lich sämtliche regulatorischen Anforderungen erfüllt werden.

Etwa 70 Milliarden Euro werden heute täglich in verschiedens-

ten Währungen über 360T gehandelt.

Wachstum setzt sich fort

Der Umsatz von 360T ist seit der Gründung im Jahr 2000 jähr-

lich gewachsen. Auf diese Weise hat sich ein digitaler Global

Player am Wirtschaftsstandort und Finanzplatz Frankfurt am

Main etabliert, der trotz marktbedingter Schwierigkeiten seit

dem Gründungsjahr konkurrenzfähig wurde. Während Wett-

bewerber nach den Anschlägen des 11. Septembers 2001 mit

sinkenden Handelsumsätzen zu kämpfen hatten, erreichte

360T im Oktober 2004 die Gewinnschwelle.

Weiteres Wachstum ist geplant, sowohl geografisch als auch

durch die Einführung weiterer Produkte für bestehende und

neue Zielgruppen. Das Potenzial und die Qualität des Unter-

nehmens erkannte auch die Deutsche Börse. Im Oktober 2015

kaufte sie 360T für 725 Millionen Euro. Diese Übernahme bietet

die Chance, der einzige Anbieter im Devisenbereich zu sein,

der von illiquiden Deviseninstrumenten bis hin zu hochliquiden

Futures alles auf und außerhalb von regulären Handels plätzen

anbieten kann. Das Ziel ist es, die ganze Breite der Handels-

mechanismen sowie das dahinter gelagerte Clearing* und

Collateral Management** bereitzustellen.

International aufgestellt

360T ist tief in der Wirtschaft verankert, 29 von 30 DAX-

Unter nehmen nutzen die Plattform für ihre Devisen geschäfte.

Das Unternehmen beschäftigt heute rund 215 Mitarbeiter

weltweit. Neben der Zentrale in Frankfurt und weiteren Büros

in Europa etablierte 360T Standorte in Amerika, der Region

Asien-Pazifik und Indien. 2015 wurde 360T bei den FX Week

Best Banks Awards, einer der wichtigsten inter nationalen

Auszeichnungen im Devisen markt, zum besten „Professional

E-Trading Venue“ und „Best Vendor for Trading Technology“

gekürt.

Der Markt schrumpft und die Konkurrenz stagniert, doch die Devisenhandelsplatt-form 360 Treasury Systems AG (360T) verzeichnet beständiges Wachstum. Mit einem täglichen Handelsvolumen von durchschnittlich 70 Milliarden Euro be-legt 360T Rang drei der weltweit größten Devisenhandelsplattformen. Ein Porträt.

Etwa 70 Milliarden Euro werden

heute täglich in verschiedensten

Währungen über 360T gehandelt.

360TZUM GLOBAL PLAYER

VOM START-UP

3 4 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER PRAXIS Als CLEARING* bezeichnet

man das Verfahren der Übermitt-

lung, der Abstimmung und die Be-

stätigung von Zahlungsaufträgen

vor dem Zahlungs ausgleich.

COLLATERAL MANAGE-

MENT** umschreibt den Prozess

der Reduzierung des Kontrahen-

tenrisikos durch die Hinterlegung

von Sicherheiten.

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DIE DIGITALISIERUNG

des Finanzsektors

Traditionelle, alteingesessene Finanz-institute stehen für eine langjährige Expertise im Bankgeschäft und ver-fügen über eine treue Kundenbasis. Nach und nach halten jedoch auch bei ihnen neue Technologien Einzug, wie Beispiele der Deutschen Bank, der DZ BANK, der Frankfurter Spar-kasse und der Wirtschafts- und Infra-strukturbank Hessen zeigen.

Deutsche Bank: Neue Wege der Vernetzung .............. S. 36

DZ BANK setzt auf Innovationsmanagement

und Vernetzung mit FinTechs ....................................... S. 37

Frankfurter Sparkasse: Moderne Retailinstitute –

am Schnittpunkt zwischen Erfahrung und Innovation .. S. 38

Wirtschafts- und Infrastrukturbank Hessen:

Etablierte Player und FinTechs nähern sich an ............ S. 39

3 5 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER PRAXIS

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A temberaubend: Nur mit diesem Adjektiv lässt sich die

Umwälzung branchenübergreifender Geschäftsmodelle an-

gemessen charakterisieren, die durch die Digitalisierung aus-

gelöst wurde. Im Vergleich zu analogen Innovationszyklen hat

sich die Dynamik enorm beschleunigt. Viele haben das anfäng-

lich unterschätzt – die Finanzindustrie ist da keine Ausnahme.

Als Reaktion auf die hohe Innovationsdynamik positionieren

sich auf vielen Märkten zunehmend internationale Digitalplatt-

formen. Die Monetarisierungs-Strategie dieser sogenannten

digitalen Ökosysteme beruht in erster Linie auf dem Prinzip

des „Walled Garden“: „Umzäunte Gärten“ halten den Nutzer

in einer in sich geschlossenen Onlinewelt, die Daten liegen in

der hauseigenen Cloud, es gibt eigene Browser und Hard-

ware. Die eigene Hardware und die konzerneigenen Betriebs-

systeme garantieren den Nutzern sehr hohen Komfort. Die

Gleichung lautet: Je länger die Konsumenten auf der Plattform

verweilen, desto einfacher lassen sich die Verkaufsstrategien

in attraktive Gewinne ummünzen. Die Plattformen überwinden

so traditionelle Hierarchiegrenzen und gehen neue Wege der

Vernetzung. Neben den digitalen Plattformen drängen auch

zahlreiche FinTechs in diesen Markt. Ihre Strategie basiert

ebenfalls auf dem harmonischen Ineinandergreifen von Hard-

und Software. Solche FinTechs docken an die Wertschöpfung

digitaler Ökosysteme an, indem sie kompatible Technologien

sowie geeignete Programmierschnittstellen verwenden und

diese optimal verzahnen. Die entscheidende Frage lautet, ob

dies nicht auch eine Strategie für den Bankensektor sein könnte.

Finanzdienste als Apps bereitstellenEin neues digitales Banken-Ökosystem würde in eine Plattform

mit einem breiten Angebot an eigenen und fremden Finanz-

diensten münden, sicher und bequem zu beziehen als Ban-

king-Apps in einem offen zugänglichen App Store. Der Kunde

müsste die Finanzplattform nicht mehr verlassen, er bekäme

viele Finanzdienste als Apps individuell auf seine jeweilige

IT-Umgebung zugeschnitten.

Die Banken arbeiten intensiv an Digitalisierungsstrategien,

die sämtliche Geschäftsbereiche einbeziehen und geeignete

interne sowie externe Schnittstellen bereitstellen. Zwei Para-

meter sind dabei wichtig: Erstens wollen die Kreditinstitute die

neuen Technologien kostengünstig und zügig integrieren und,

zweitens, wollen sie unvoreingenommen auch mit potenziellen

Wett bewerben zusammenarbeiten können. Den Banken bietet

die Digitalisierung zudem die Chance, sich beim Datenschutz

eine internationale Vorreiterrolle zu sichern, wenn sie dauer-

haft garantieren, dass sie personenbezogene Daten weder an

Dritte verkaufen noch für andere Projekte zweckentfremden.

Die Digitalisierung ist deshalb auch eine Chance für die Banken,

das noch besser zu tun, was ihre Aufgabe ist: eine gute,

vertrauens volle Beziehung zu ihren Kunden zu pflegen und deren

finanzielle Bedürfnisse und Wünsche bestmöglich zu bedienen.

Thomas-Frank Dapp arbeitet als Senior Economist

für DB Research, und Dr. Markus Pertlwieser ist

Chief Digital Officer bei der Deutsche Bank AG.

Neue Wege DER VERNETZUNG

von Thomas-Frank Dapp und Dr. Markus Pertlwieser

3 6 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER PRAXIS

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Die Neugierde auf neue Geschäftsmodelle der Financial

Technology hat die Finanzwirtschaft inzwischen auch in der

Breite erreicht. Nachdem über viele Jahre die Auseinander-

setzung mit Regulierungsanforderungen die Branche domi-

nierte, sind Innovation und Digitalisierung in der Priorität

deutlich gestiegen.

Banken fahren dabei eine mehrgleisige Strategie. Einerseits

lassen sie sich durch die Ideen vieler weltweit aktiver Start-

ups inspirieren. Hält man die Produkte oder Technologien für

geeignet für die eigenen Zielgruppen, gibt es heute verschie-

denste Optionen einer Zusammenarbeit mit FinTechs. Diese

reichen von reinen Dienstleistungsverträgen über umfassen-

dere Kooperationen und Minderheitsbeteiligungen bis hin zum

Kauf ganzer Firmen.

Kreatives Potenzial erkennenAuf der anderen Seite erkennen viele Banken das kreative

Potenzial ihrer eigenen Mitarbeiter. Hier setzt auch die DZ

BANK AG mit ihrem strategischen Innovationsmanage-

ment an. Aufgaben sind insbesondere das Monitoring der

Innovations aktivitäten der Gruppe, das Trend-Scouting für

die systematische Erfassung neuer Marktaktivitäten und neue

Formen der Innovationsarbeit. Ein Beispiel: Im Frühjahr findet

der erste GENOHackathon von DZ BANK, Fiducia & GAD IT

und ADG statt. Dabei kommen aus der genossenschaftlichen

Finanz gruppe verschiedene Fachleute, wie Softwareentwick-

ler, Produkt spezialisten, Anwender und Berater zusammen,

um in Teams Konzepte und erste Prototypen zu entwickeln.

Zur Weiter führung der aus solchen Formaten entstehenden

Innovationsansätze denkt die Bank derzeit auch über ein Inno-

vationslab nach.

Ein weiterer Ansatz ist die Vernetzung mit der FinTech-Szene.

Die DZ BANK kooperiert zum Beispiel mit iZettle, um Kleinunter-

nehmern die Annahme von Kartenzahlungen zu ermög lichen.

Über die Kooperation mit dem Accelerator Axel Springer Plug

and Play werden mit Start-ups innovative Geschäftsideen ent-

wickelt. Und auch das eigene FinTech, das Onlinebezahlver-

fahren der deutschen Kreditwirtschaft, pay direkt, ist seit Ende

2015 erfolgreich am Start.

Franz Sebastian Welter ist Abteilungsdirektor Innovation &

Digi talisierung bei der DZ BANK AG.

DZ BANK setzt auf Innovationsmanagement UND VERNETZUNG MIT FINTECHS

von Franz Sebastian Welter

3 7 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER PRAXIS

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Nur Bares ist Wahres. Dieses Sprichwort klingt wie aus

einer anderen Zeit. Denn in vielen (Lebens-) Bereichen ge-

winnt die virtuelle Realität an Bedeutung – auch, wenn es ums

Geld geht. Mit einem Klick werden gewaltige Geldmengen

von einem Ende der Welt ans andere verschoben; kontakt-

loses Zahlen, Kontoführung via Smartphone-App: fast schon

Schnee von gestern. Die neuen Stars der Finanzmärkte sind

die FinTechs, Revolutionäre auf dem Weg zur Vorherrschaft in

der Finanzwelt. Und in der Tat können FinTechs mit innova-

tiven, oft mutigen Ideen fruchtbare Entwicklungen anstoßen,

den Wettbewerb bereichern.

Reale und digitale Welt erfolgreich verknüpfenDoch vom Impulsgeber bis zur Marktführerschaft ist es ein

weiter Weg. Gerade im Retail-Geschäft sind die klassischen

Kreditinstitute mit Filialnetz und Beratern aus Fleisch und Blut

zentraler Bestandteil der Finanzmärkte – und werden es auf

absehbare Zeit auch bleiben. Denn erstens wollen die meis-

ten FinTechs ohnehin keine Vollbanken sein; sie zeichnen sich

durch Flexibilität aus und funktionieren nicht in festen Struk-

turen. Zweitens bestimmen regulatorische Anforderungen die

Arbeit der Banken. FinTechs unterliegen diesen Regeln bisher

meist nicht, obwohl sie teils ähnliche Geschäftsmodelle verfol-

gen. Sobald sich dies ändert, verengen sich ihre Spielräume

erheblich. Drittens verknüpfen klassische Kreditinstitute die

reale und digitale Welt immer erfolgreicher. Das Online-Chat-

Team, dessen Berater per Text- und Video-Chat von unseren

Kundinnen und Kunden kontaktiert werden können, oder die

Video- Legitimation, welche die Kontoeröffnung mit vor die PC-

Kamera gehaltenem Personalausweis ermöglicht, gehören

längst zum Alltag der Frankfurter Sparkasse. Wir verbessern

unser Angebot ständig, etwa beim Online-Marketing oder bei

der Entwicklung neuer Produktwelten.

Wir erreichen unsere Kunden genau dort, wo sie sich befin-

den – beim ständigen Grenzgang zwischen realer und vir-

tueller Welt. Wir verknüpfen digitale Innovationen mit unserer

jahrzehntelangen Erfahrung. Nicht alles, was digital möglich

ist, muss auch sinnvoll sein. Wenn es ums Geld geht, zählen

Kompetenz und Vertrauen – von Mensch zu Mensch.

Robert Restani ist Vorstandsvorsitzender

der Frankfurter Sparkasse.

Moderne Retailinstitute – AM SCHNITTPUNKT ZWISCHEN ERFAHRUNG UND INNOVATION

von Robert Restani

3 8 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER PRAXIS

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M it den Unternehmen der Finanztechnologie treten neue

Teilnehmer im Bankensektor in den Markt ein. Sie verbin-

den Schnelligkeit mit Innovation, haben in den vergangenen

Jahren bereits viele Geschäftsideen entwickelt und konnten

sich erfolgreich am Markt etablieren. Inzwischen positionie-

ren sich FinTechs als Wettbewerber, aber auch als mögliche

neue Geschäftspartner der etablierten Player der Finanz-

branche – und die Annäherungsgedanken beruhen durchaus

auf Gegen seitigkeit.

Hessen bietet gute VoraussetzungenAus Politik und Wirtschaft mehren sich daher die Stimmen,

die Frankfurt am Main zur zentralen FinTech-City in Deutsch-

land und Europa weiterentwickeln wollen. Hierfür sind die

Voraussetzungen denkbar gut: Hessen, als deutscher Start-

up- Meister unter den Flächenländern, bietet gute Bedingun-

gen für Kooperationen aufgrund der schieren Nähe zu den

etablierten Anbietern. Technisch bietet die Mainmetropole

mit dem weltweit leistungsfähigsten Internetknoten ebenfalls

beste Voraussetzungen.

Und nicht zuletzt: Hessen ist immens finanzstark – ein weiteres

Plus für Gründer auf der Suche nach Investoren, denn es ge-

hört zu den Erkennungs- und Erfolgsmerkmalen der FinTechs,

viele Geschäftsansätze parallel zu entwickeln und die Kunden

entscheiden zu lassen, welche Lösung sie bevorzugen. Das

kostet mehr, als nur einen Weg zu beschreiten, allerdings birgt

dieses Vorgehen auch nicht die Gefahr, auf diesem einen Weg

umfassend zu scheitern.

Um den entscheidenden Schritt zur FinTech-City Frankfurt tat-

sächlich erfolgreich zu gehen, ist es erforderlich, dass alle be-

teiligten Interessengruppen an einem Strang ziehen und auch

mit Blick auf die internationale FinTech-Szene und potentielle

Investoren ein geschlossenes Bild abgeben. Der Anfang ist ge-

macht: Frankfurt sowie die Rhein-Main-Region sind auf gutem

Weg, mit den FinTechs eine symbiotische Beziehung einzu-

gehen. Profitieren werden davon am Ende alle: die Gründer innen

und Gründer, der Kunde und der Wirtschaftsstandort Hessen.

Dr. Michael Reckhard ist Mitglied der Geschäftsleitung

der Wirtschafts- und Infrastrukturbank Hessen.

Etablierte Player und FINTECHS NÄHERN SICH AN

von Dr. Michael Reckhard

3 9 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER PRAXIS

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T r a d i t i o n m e e t s F i n T e c h

Mit innovativen Technologielösungen lassen sich klassische Finanzdienstleistungen revolutionieren – so das Credo vieler FinTechs, die mit neuen Ideen für frischen Wind in der Finanzbranche sorgen. Begleitet von großer medialer Aufmerksamkeit nimmt der FinTech-Zug Fahrt auf. Davon profitieren nicht zuletzt die etablierten Anbieter. Martin Gijssel, CEO der vwd group, erläutert im Gespräch mit der FMF-Redak-tion, wie sich Innovationsgeist und Erfahrung optimal ergänzen.

Wie viel FinTech steckt in vwd?

Martin Gijssel: 100 Prozent. Wir bieten Technologie für die Finanz-

industrie, und das seit 1949. Als Unternehmen haben wir uns immer

wieder verändert – von der Nachrichtenagentur zum Anbieter von

Finanz informationen zum Technologiepartner. Das ist Teil unserer

Geschichte. Heute profitieren wir davon, dass mit FinTech ganz

andere Eigenschaften assoziiert werden. Digitalisierung ist das ent-

scheidende Stichwort. Für uns heißt das, Prozesse für unsere Kun-

den zu digitalisieren und dadurch effizienter zu machen.

Bei welchen Prozessen setzen Sie an?

Gijssel: Der klassische Beratungsprozess ist im Fokus wie auch die

ganzen vor- und nachgelagerten Prozesse. Effiziente Umsetzung

regulatorischer Anforderungen ist ein anderes wichtiges Feld. Wir

sehen es als unsere Aufgabe, unsere Kunden entlang der kom-

pletten Wertschöpfungskette mit ausgereiften Technologielösungen

zu unterstützen, damit sie sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren

können. Entsprechend bieten wir eine große Bandbreite an Pro-

dukten entlang der gesamten Wertschöpfungskette und aus erster

Hand, was uns von vielen FinTechs unterscheidet.

Start-ups sind klein und entsprechend schnell und kreativ in

der Umsetzung neuer Ideen. Wie können Sie da mithalten?

Gijssel: Auf den ersten Blick scheint das ein Vorteil: Das Ent-

wickeln neuer technologischer Ideen lässt sich sehr gut mit einer

Start-up-Mentalität verbinden. Mit der Idee ist es aber noch nicht

getan, die eigentliche Arbeit kommt erst danach, wenn es nämlich

darum geht, stabile Prozesse zu entwickeln, die sich in die be-

stehenden Systeme unserer Kunden einbinden lassen. Ent scheidet

der Kunde, wofür er bereit ist Geld auszugeben, sind Stabilität und

Sicherheit immer wichtige Faktoren. Um das als Anbieter alles ab-

decken zu können, arbeiten bei uns rund 150 Entwickler mit ganz

unterschiedlichen Kompetenzen.

Aber verschärfen die FinTechs nicht die Konkurrenz unter

den Technologieanbietern?

Gijssel: Ja sicher, aber das muss für uns kein Nachteil sein. Wir sehen

immer öfter, dass ein FinTech mit einer sehr spezifischen Lösung an

den Markt kommt und über dieses innovative Tool berichtet wird.

Martin Gijssel, CEO der vwd group, im Interview mit der FMF-Redaktion.

4 0 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER PRAXIS

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Martin Gijssel ist seit September 2015 CEO der vwd group.

Zuvor war er mehr als 18 Jahre in leitender Position bei

FactSet Research Systems Inc.; zuletzt als Managing Director

of International Investment Management Sales.

Die vwd group ist einer der europaweit führenden Anbieter für

Informations- und Technologielösungen und spezialisiert auf

kundenindividuelle Anforderungen im Asset Management, Retail

und Private Banking sowie im Wealth Management.

Es ist ein Spagat: innovativ und schnell sein, aber gleichzeitig viel Funktionalität und Sicherheit bieten. Da muss man immer wieder die richtige Balance finden.

Unsere Produktmanager schütteln dann den Kopf, weil wir ein sol-

ches Tool längst in einer unserer Lösungen integriert haben, aber

keiner das je ins Schaufenster gestellt hat.

Ist bessere Vermarktung also Ihr Hebel?

Gijssel: Das gehört dazu, hilft aber nur, wenn das Produkt gut ist.

Beispielsweise haben wir einen Robo Advisor entwickelt, den wir

unter dem Namen vwd finance guide vermarkten. Es ist ein Online-

tool, das unsere Kunden – Banken, Vermögensverwalter und Asset

Mana ger – in ihrem Beratungsgeschäft einsetzen können. Damit

bieten wir genau die Lösung, die unser Kunde braucht, um sich für

die steigende Nachfrage der Endkunden in der Onlinebe ratung zu

rüsten. In der Vermarktung hilft es uns sehr, dass dieses Thema

derzeit en vogue ist. Das ist aber nur der Türöffner. Überzeugen

müssen wir mit den Leistungen, die in einem solchen Produkt

stecken. Da müssen wir einfach mehr liefern als die vielen Start-

ups, die um die Gunst der Endanleger werben.

Weil von Ihnen als erfahrenem Technologieanbieter mehr

erwartet wird?

Gijssel: Ja, viele unserer Kunden arbeiten schon lange mit uns zu-

sammen und erwarten, dass wir ihre spezifischen Anforderungen

auch umsetzen können. Der vwd finance guide ist so konzipiert,

dass sich damit nicht nur ein paar wenige, sondern alle Asset-

klassen abdecken lassen und die Produktauswahl sehr individuell

gestaltet werden kann. Grundlage dafür ist die Kennzahlenlogik

kombiniert mit der Asset-Allokation-Strategie unserer Kunden. Das

unterstützt auch eine effiziente laufende Betreuung im Nachgang,

die regulatorischen Anforderungen können einfacher erfüllt wer-

den. Im Wettbewerb mit den jungen FinTechs können wir uns durch

mehr Funktionalität und mehr Service differenzieren, weil wir das

Know-how, die Erfahrung, aber auch die internen Strukturen und

Prozesse dafür haben.

Macht das Ihre Lösungen nicht etwas schwerfälliger?

Gijssel: Unsere Kunden sind professionelle Marktteilnehmer, in der

Regel seit langem am Markt positioniert, da liegt es fast in der

Natur der Sache, dass Lösungen komplexer sein müssen, als dies

für die meisten Endanlegertools erforderlich ist. Wir verbinden die

bewährten Geschäftsmodelle mit innovativen Lösungen. Natürlich

ist es ein Spagat: innovativ und schnell sein, aber gleichzeitig viel

Funktionalität und Sicherheit bieten. Da muss man immer wieder

die richtige Balance finden. Wichtig für uns ist, beides zu können

und unsere Erfahrung zu nutzen für die Veränderungen, die die jun-

gen FinTechs für die Finanzbranche bringen.

Vielen Dank für das Gespräch.

4 1 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER PRAXIS

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Das Einkaufen im Internet gehört auch in Deutschland inzwischen

zum Alltag vieler Menschen. Der Umsatz im E-Commerce steigt da-

her von Jahr zu Jahr – im Jahr 2015 wuchs der Onlinehandel mit

Waren mit rund 12 Prozent erneut überdurchschnittlich. Eine Ent-

wicklung, die Experten dem E-Commerce auch für die kommenden

Jahre prognostizieren.

Für die Käufer stellt sich nach jeder Kaufentscheidung dabei die

Frage „Und wie bezahle ich?“ Nicht selten kommt es an diesem

Punkt zum Abbruch des Kaufvorgangs, weil sich der Käufer mit den

angebotenen Zahlungsoptionen unwohl fühlt. Das „Stehenlassen“

eines vollen Warenkorbs ist im virtuellen Raum ja schließlich kein

Problem. Die Gründe hierfür sind so vielfältig wie das Angebot an

Zahlarten, die Kunden und Betreibern von Online-Shops zur Verfü-

gung stehen.

Ein zentrales Kriterium für die Akzeptanz eines Online-Bezahlverfah-

rens ist die Gewährleistung der Sicherheit. Online-Bezahlsysteme

sind in Deutschland zwar etabliert, der eigenen Bank oder Sparkasse

wird in Sachen Datenschutz und Bankgeheimnis jedoch nach wie vor

die höchste Kompetenz zugeschrieben. Und laut Steinbeis Research

Center wünscht sich mit 80 Prozent der Löwenanteil der Befragten

die eigene Bank als Anbieter eines mobilen Bezahlsystems.

Ein Online-Bezahlverfahren

der deutschen Banken und

Sparkassen

Darauf hat die deutsche Kreditwirtschaft reagiert:

Nach 13 Monaten Konzeptions- und Entwick-

lungszeit ist mit paydirekt im August 2015 das

bankeigene Online-Bezahlverfahren paydirekt gestar-

tet. Zunächst mit einer Pilotphase, in der die beteiligten

Institute Schritt für Schritt an Bord geholt wurden. Parallel

wurde paydirekt „auf Herz und Nieren“ geprüft. Schließlich

hatte man den Kunden nicht weniger versprochen, als ein den

Qualitätsansprüchen der deutschen Banken und Sparkassen

genügendes System. Im Klartext: ein System, das in Sachen

Sicherheit und Datenschutz den aus dem Online-Banking gewohn-

ten Standards entspricht.

Im Unterschied zu vielen anderen Online-Bezahlverfahren ist bei

paydirekt kein externer Dritter eingeschaltet. Bezahlt ein Käufer sei-

ne Ware mit paydirekt, geht die Zahlung direkt von seinem Girokon-

to auf das Konto des Händlers – ohne Umweg. Alle sensiblen Daten

wie zum Beispiel die Kontonummer bleiben dabei in der sicheren

Bankumgebung – es gilt das strenge deutsche Bankgeheimnis.

Und selbstverständlich werden weder Warenkorbdaten noch das

Käuferprofil an Dritte weitergegeben.

Schon die Registrierung für paydirekt erfolgt in der vertrauten On-

linebanking-Umgebung der eigenen Bank. Einfach, schnell und

ohne zusätzliches Identifizierungsverfahren. Der Kunde legt selbst

Nutzernamen und Passwort fest und bestätigt das Ganze mit sei-

nem gewohnten TAN-Verfahren. Das Bezahlen ist in der Regel dann

mit zwei Klicks erledigt: Im Onlineshop paydirekt auswählen, Nut-

zernamen und Passwort eingeben – fertig.

Ausgabenkontrolle und Käuferschutz

Durch die direkte Verbindung mit dem Girokonto ist es für den Nut-

zer einfach, Transparenz über seine Ausgaben zu behalten. Jede

mit paydirekt abgewickelte Zahlung erscheint klar erkennbar in sei-

nem gewohnten Kontoauszug. Auf

Wunsch informiert die paydirekt-App

zusätzlich über jede Kontoaktivität

per Push-Nachricht. In der aktuellen

ersten Version zeigt die App alle Trans-

aktionen und bietet einen „Notknopf“

für den Fall, dass eine Transaktion nicht

vom Nutzer veranlasst wurde.

Und wird eine Ware nicht geliefert, kann

der Käufer über das pay direkt-Kundenportal

seinen Käuferschutz in Anspruch nehmen.

Weist der Händler den Versand der bestell-

ten Ware nicht nach, bekommt der Kunde den

Mit paydirekt ist im August 2015 das Online-Bezahl verfahren der deutschen Kreditwirtschaft gestartet.

„Bezahlt ein Käufer seine Ware

mit paydirekt, geht die Zahlung

direkt von seinem Girokonto

auf das Konto des Händlers –

ohne Umweg.“

PAYDIREKT – EINFACH UND SICHER ONLINE BEZAHLEN von Dr. Niklas Bartelt

4 2 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER PRAXIS

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Käufer wählt im Webshop des Händlers paydirekt als Zahlungs-

verfahren aus

Webshop / Händler leitet Bezahlvor-gang ein und stellt paydirekt Rech-

nungsdaten bereit

Käufer loggt sich bei paydirekt ein und bestätigt die angezeigte Zahlung. paydirekt stellt Anfrage zur Zahlungs-

autorisierung bei der Käuferbank

Käuferbank autorisiert Zahlung und sendet Bestätigung an paydirekt. Bei Bedarf wird vom Käufer ein 2. Sicher-

heitsfaktor abgefragt

Webshop / Händler erhält Zahlungsgarantie

Käufer erhält Kaufbestätigung

paydirekt stellt Daten zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs bereit und sen-det diese an Händler- und Käuferbank

Händlerbank reicht auf dem Händler-konto eine paydirekt-Zahlung ein

KLICK

KLICK

Kaufbetrag samt etwaiger Versandkosten direkt auf seinem Girokonto

gutgeschrieben. Ein weiterer, für die Sicherheit im paydirekt- System

nicht unerheblicher Aspekt: Alle Händler, die paydirekt in ihren Shops

als Bezahlverfahren anbieten – und anbieten werden – haben als

Kunden einer deutschen Bank oder Sparkasse die entsprechenden

Legitimationsverfahren nach deutschem Recht durchlaufen.

Einfache Weiterentwicklung durch

modernes Plattformdesign

paydirekt wird auch dank seiner modernen und flexiblen IT-Plattform

bei Kunden wie Händlern punkten. Die zugrunde liegende IT-Platt-

form zeichnet sich dank Microservice-Architektur und Event-ge-

triebener Datenhaltung durch eine hohe Flexibilität und Agilität aus.

Weitere Funktionalitäten und neue Services lassen sich so schnell

realisieren und dank eines Continuous-Delivery-Konzepts auch zügig

an den Kunden bringen. Gerade in einem dynamischen Markt wie der

Online-Zahlungsabwicklung ist dies wichtig, um neue oder weiterent-

wickelte Funktionen schnell und effizient liefern zu können.

Zum Jahresende 2015 hatten bereits rund 1.000 Institute paydirekt

freigeschaltet, unter ihnen die Volks- und Raiffeisenbanken und die

großen Privatbanken wie Commerzbank, comdirect, Deutsche Bank,

HVB, Postbank und viele weitere. Mit dem Start der Sparkassen im

April 2016 ist die Startphase beendet, und mehrere Millionen zusätz-

licher Kunden können paydirekt nutzen. Noch steht das System am

Anfang, aber schon die ersten Erfahrungen zeigen eine hohe Sys-

temstabilität und schnelle, einfache Transaktionen. Das Feedback der

ersten Händler und Käufer ist durchweg positiv.

Die Zukunft im Blick

Nachdem die Technik läuft und alle Funktionen ausreichend getestet

sind, steht 2016 das Wachstum auf Händlerseite im Fokus, um den

Nutzern ein attraktives Händlerportfolio bieten zu können. Eine Maß-

nahme, die vor allem kleineren Händlern den Zugang erleichtern wird,

ist die Einführung des Händlerkonzentratoren-Modells. Ein Händler-

konzentrator übernimmt für kleinere Anbieter die Verhandlungen mit

den beteiligten Banken. So kann der Händler paydirekt einfach anbin-

den und hat alles aus einer Hand, quasi als „Rundum-sorglos-Paket“.

Auch für die Käufer ist eine Reihe von Weiterentwicklungen in Pla-

nung. Auf der Liste stehen unterschiedliche Themen von Weiterent-

wicklungen im Käuferportal bis hin zum mobilen Bezahlen. Mit seiner

modernen und flexiblen Plattform kann paydirekt schnell auf die Be-

dürfnisse seiner Nutzer ausgerichtet werden und bietet damit den

deutschen Banken und Sparkassen die Voraussetzung, als Anbieter

von Online-Bezahlverfahren mittel- und langfristig konkurrenzfähig

zu sein.

Dr. Niklas Bartelt ist Geschäftsführer der paydirekt GmbH.

Bezahlen mit paydirekt in nur zwei Klicks1

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4 3 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER PRAXIS

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Alle Finanzmarktteilnehmer werden in den nächsten

Jahren gezwungen sein, noch stärker in neue Techno-

logien und die dazu notwendige IT-Infrastruktur zu

investieren. Treiber sind nicht nur das stark wach-

sende regulatorische Umfeld und der Zwang zur

Erhöhung der Kosteneffizienz. Vielmehr stellt die

hohe Innovationskraft der jungen FinTech-Unter-

nehmen die „klassischen“ Marktteilnehmer zuneh-

mend vor neue Herausforderungen.

Chancen in digitaler Umwälzung erkennenEine dieser technologischen Herausforderungen ist mit Be-

stimmtheit die sich bereits vollziehende Digitalisierung des

Wertpapierhandels. Insbesondere die dem BitCoin zugrunde-

liegende Blockchain-Technologie könnte zu massiven Umwäl-

zungen in der Finanzindustrie führen. „Die Blockchain ist“, so

beschreibt es die Süddeutsche Zeitung vom 12. Januar 2015

am verständlichsten, „ein digitaler Kontoauszug für Transak-

tionen zwischen Computern, die jede Veränderung genau er-

fasst, sie dezentral und trans-

parent auf viele Rechner

verteilt und speichert.“

Wertpapiertransaktio-

nen könnten so Peer-

to-Peer* und ohne

Zwischenschaltung

von zum Beispiel

Banken oder Bro-

kern durchgeführt

werden. Diese wären

schlicht überflüssig.

Gleiches gilt für Börsenbetreiber und Verwahrstellen.

Sowohl die UBS als auch die Deutsche Bank AG

haben im letzten Jahr die Begebung einer Anlei-

he über die Blockchain, einen sogenannten Smart

Bond**, erfolgreich intern getestet. Gegen den

flächendeckenden Einsatz dieser Technologie

sprechen heute zum einen das noch ungeklärte

regulatorische und juristische Umfeld und zum

zweiten die mangelnde Skalierbarkeit und Ge-

schwindigkeit. Und genau hier liegt auch die

große Chance für die innovativen Wertpapier-

häuser: Dem Markt entsprechende

Produkte und IT-Infrastruk-

turen zur Verfügung zu

stellen.

Von Frankfurt aus bietet die ICF BANK AG

ihren institutionellen Kunden einen direkten

Zugang zum globalen Handel an 55 Börsen und

über zehn OTC-Plattformen. Zur Ausführung der

Wertpapier-Aufträge nutzt die ICF BANK AG das im

eigenen Haus entwickelte Orderrouting- und Han-

delssystem ICFOMS©. Dieses System gewährleistet

unter anderem die vollständige Orderübermittlung

und -überwachung sowie die vollelektronische Er-

stellung der zugehörigen Wertpapierabrechnung.

Eine der Grundvoraussetzungen für den Erfolg von

ICFOMS© und vergleichbaren Produkten ist das Vor-

handensein einer entsprechenden IT-Infrastruktur.

Diese sollte aus Sicht des Kunden insbesondere fol-

gende Anforderungen erfüllen:

Dynamische und automatisierte Skalierung

Time-to-Market

Garantierte Hochverfügbarkeit und individuelle

Service-Level

Kosteneffizienz durch budgetierbare

und transparente IT-Kosten

Multi-Market-Fähigkeit

Erfüllung maximaler technischer Standards und

Sicherheitsanforderungen

Flexible Vertragsgestaltung – keine Bindungsfristen

für den Nutzer

Dieser Katalog ist natürlich nicht abschließend und verän-

dert sich stetig. Während zum Beispiel vor wenigen Jahren

noch für fast jeden Handelsplatz zur Anbindung eine eigene

Infrastruktur aufgebaut wurde, ist die Multi-Market-Fähigkeit

heute Standard. Die Umsetzungszeit oder Realisierungspha-

se der einzelnen IT-Infrastrukturprojekte hat sich von durch-

schnittlich sechs Monaten auf heute wenige Wochen verkürzt.

Gleichzeitig hat der Kostendruck für den Anbieter stark

zugenommen.

Der technologische Fort-

schritt führt zu steigenden

Anforderungen an Wertpapier-

handelssysteme und ihre IT-

Infrastruktur – ein Praxis-

bericht der ICF BANK AG.

Als Peer-to-Peer* wer-den Verbindungen von Rechner zu

Rechner in Netzwerken bezeichnet. In einem reinen Peer-to-Peer-Netz sind alle

Computer gleichberechtigt und können so-wohl Dienste in Anspruch nehmen als auch zur

Verfügung stellen.Unter Smart Bonds** versteht man vollauto-matisierte Anleihen, bei denen Emittent und Käufer ohne Mittelsmann direkt in Kontakt treten. Auch

Couponzahlungen und Tilgungen laufen automatisch ab.

IT-Infrastrukturen stehen vor

massivem WandelVON ALEXANDER DEUSS

Alexander Deuss ist Leiter

Institutionelle Kundenbe-

treuung bei der ICF BANK

AG Wertpapierhandelsbank.

4 4 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER PRAXIS

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INNOVATION_anpacken

Fit sein im Wandel wie ein FinTech – um stets nah an neuen technologischen Ent wicklungen

und dem Puls der Zeit zu sein, setzt die GFT Technologies SE mit CODE_n auf eine globale

Innovationsplattform und unterstützt Start-ups aus Praxis und Wissenschaft.

Die GFT vereint seit 1987 technologisches Know-how und

Branchenexpertise. Bisweilen hat sich das Unternehmen alle

zehn Jahre neu erfunden. Gestartet als Experte für die Ent-

wicklung grafischer Oberflächen, gelang zur Jahrtausend-

wende die internationale Positionierung als Internet-Spezialist

– heute entwickeln und betreiben die Mitarbeiter maßgefertig-

te IT-Lösungen für die Finanzindustrie. Der Wandel ist bei der

GFT Normalität geworden, und Innovation ist ein absolutes

Muss. „WIR HABEN FRÜH ERKANNT, DASS UNSERE KUN-DEN OFT NICHT GENAU WISSEN, WIE MAN INNOVATIONEN ANPACKT. ALSO HABEN WIR DIESE KOMPETENZ IN UNSER BERATUNGSANGEBOT INTEGRIERT“, erklärt Bernd-Josef

Kohl, Executive Director bei der GFT.

In der Praxis hat sich dabei CODE_n, kurz für „Code of the

New“, als Innovationsquelle etabliert. 2011 vom Vorstands-

vorsitzenden Ulrich Dietz als Wettbewerb für Start-ups im

Rahmen der CeBIT initiiert, ist CODE_n zu einer globalen

Innovationsplattform für ambitionierte Gründer und führende

Unternehmen herangewachsen. Neben dem jährlich stattfin-

denden Wettbewerb gehören dazu auch regelmäßige Events,

eine web basierte „Matchmaking“-Plattform sowie der Inno-

vationscampus CODE_n SPACES in Stuttgart. „DIE IDEE IST, INNOVATOREN, ABER AUCH ERFAHRENE UNTERNEHMEN MITEINANDER ZU VERNETZEN“, sagt Kohl.

EINZIGARTIGER MARKTZUGANG

Das Engagement bei CODE_n eröffnet

der GFT einen einzigartigen Marktzugang.

„WIR WISSEN FRÜHZEITIG, AN WEL-CHEN NEUEN ENTWICKLUNGEN GERA-DE GEARBEITET WIRD, UND BRINGEN DIESES WISSEN IN DIE INNOVATIONS-BERATUNG UNSERER KUNDEN EIN“,

beschreibt Kohl. Über CODE_n wurde die

GFT beispielsweise auf Gini aufmerksam.

Das Unternehmen hat eine intelligente Software entwickelt: Beim

Scannen oder Fotografieren von Dokumenten werden in Echt-

zeit strukturierte Informationen wie Kontonummern, IBAN und

Verwendungszweck entnommen und semantisch in ein digitales

Überweisungsformular übertragen. „WIR HABEN DEN NUTZEN DIESER TECHNOLOGIE FÜR DIE FINANZBRANCHE ERKANNT UND ANSCHLIESSEND DEN KONTAKT ZU VERSCHIEDENEN BANKEN HERGESTELLT. AUCH IN DEN VON UNS PROGRAM-MIERTEN BANKING-APPS SETZEN WIR DARAUF“, so Kohl.

Die offene Herangehensweise der GFT an das Thema Innova-

tion zeigt sich auch in der Unterstützung eines Spin-offs der

Universität Tübingen. Hier berät das Unternehmen bei der Ent-

wicklung einer multifunktionalen Bankkarte, die die herkömm-

liche EC- oder Kreditkarte mit einem TAN-Generator aufrüstet.

Das neu entwickelte Display-TAN-Verfahren ist sicher vor Troja-

nern und vereinfacht das Bezahlen per Smartphone. Die Bank-

karte, die man im Regelfall immer im Geldbeutel bei sich trägt,

erzeugt die nötigen Sicherheitscodes (TAN) und zeigt diese

sowie weitere Bankdaten wie Kontonummern auf einem in die

Bankkarte integrierten Display an. Die aufgerüstete Bankkarte

kommuniziert per Bluetooth-Funkverbindung mit dem Smart-

phone und ist so geschützt vor Virenangriffen.

„IN TESTS HAT SICH GEZEIGT, DASS NUTZER DIE MULTI-FUNKTIONALE BANKKARTE GUT FINDEN – GERADE WEIL

SIE SICHER UND ZUGLEICH KOMFOR-TABEL IST. NUN SIND DIE BANKEN AM ZUG: SIE MÜSSEN SICH FÜR DIE EINFÜH-RUNG DER NEUEN TECHNOLOGIE ENT-SCHEIDEN, DAMIT DIE KUNDEN DAVON PROFITIEREN KÖNNEN“, sagt Kohl. Die

Praxis zeigt, dass sich gerade im Finanz-

sektor Innovationen immer mehr durch-

setzen. Wer den Wandel erkennt und die

Treiber versteht, kann die Kunden optimal

unterstützen.

Die CODE_n SPACES in Stuttgart bieten Start-ups zu geringen Miet-Nebenkosten eine profes-sionelle Arbeitsumgebung 2.0 inmitten kreativer Räumlich-keiten und den Zugang zu einem lebendigen Netzwerk. Jedes be-reits gegründete Unternehmen kann sich bewerben – die einzige Voraussetzung ist ein digitaler Geschäftsansatz.www.code-n.org/spaces.html

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Dafür sorgen, dass die Kunden der Commerzbank

und die Bank selbst frühzeitig von technischen

Neuerungen im Bankgeschäft profitieren – vor

diesem Hintergrund begleitet der main incubator

vielversprechende FinTechs bis zum Markteintritt

und darüber hinaus. Zusätzlich hat der Inkubator

für die Entwicklung der FinTech-Szene die Event -

reihe „Between the Towers“ ins Leben gerufen.

TRENDSErkennen SetzenPartizipieren

Between the Towers.FinTechCity_Frankfurt ist eine im Oktober 2014 gestartete Initiative zur Stär-kung des FinTech-Ökosystems. In einer monatlichen Ver-anstaltungsreihe werden in der Bankenstadt Frankfurt am jeweils ersten Dienstagabend im Monat FinTechs, Inves toren, Wirtschaft, Wissenschaft, Politik vernetzt, erstklassig informiert und die Szene damit entwickelt:

k k Dafür sorgen, dass die Kunden der Commerzbank

TRENDSDie Main Incubator GmbH, kurz main incubator, ist eine hun-

dertprozentige Tochtergesellschaft der Commerzbank mit Sitz

in Frankfurt am Main. Seit der Gründung im Oktober 2013 und

der Aufnahme des operativen Geschäfts im März 2014 ver-

folgt das Unternehmen drei Ziele: Trends erkennen, an Trends

partizipieren und Trends gestalten. „Das Team ist klein und

agiert wie ein Start-up, sehr hemdsärmelig und vor allem kos-

tenbewusst“, erklärt Christian Hoppe, Founder Director und

Geschäftsführer des main incubators.

Bei seinem operativen Start war der main incubator in Konti-

nentaleuropa der erste Inkubator einer Großbank für FinTech-

Start-ups. „Das Investment Committee, das über das finan zielle

Engagement entscheidet, ist überwiegend extern besetzt.

Diese Besetzung ist äußerst selten, denn sie garantiert, dass

das Produkt und das Team ins Zentrum der Entscheidung

rücken“, betont Hoppe. Hat ein FinTech eine passende Lösung

zu bieten, fungiert der main incubator über strategische Invest-

ments als Wegbegleiter bis zur Markteinführung und darüber

hinaus. Dabei strebt der main incubator keine Mehrheiten und

keine Exklusivität an. „Wir wollen nicht, dass bei den FinTechs

eine Umwandlung von Unternehmern zu Angestellten stattfin-

det, das könnte ihr Potenzial gefährden“, so Hoppe. Zusätzlich

ist der main incubator als Company Builder tätig.

STRATEGISCHE INVESTMENTS BIETEN UNTERSTÜTZUNG

Der Vorteil des main incubators besteht darin, dass er früh zeitig

digitale Innovationen im Bankgeschäft in die Commerzbank

und zu deren Kunden bringen kann. Dafür prüft das Unter-

nehmen Start-ups ab einer Konzeptphase daraufhin, ob deren

innovative Banking-Produkte und Lösungen einen Mehrwert

für die Commerzbank-Kunden oder die Bank selbst bieten.

1.DIENSTAG IM MONAT

www.between-the-towers.com

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„Wir haben dabei schwerpunktmäßig Lösungen für den

B2B-Bereich im Blick“, sagt Hoppe. „Hat ein FinTech eine ge-

eignete Lösung im Angebot, gehen wir mit diesem eine länger-

fristige Partnerschaft über ein strategisches Investment ein.“

Davon profitieren die FinTechs in mehrfacher Hinsicht. Denn

der main incubator bietet ihnen Kapital mit Hebelwirkung: Zu-

gang zu den Geschäfts- und Firmenkunden der Commerzbank,

Beteiligungskapital, Know-how im Bankgeschäft und – wenn

gewünscht – auch Büro- und Infrastruktur im Gebäude des

Inkubators. „Diese Nähe hat den Vorteil, dass sich Start-ups

mit uns sofort austauschen oder an Experten vermittelt wer-

den können. Auf diese Weise lassen sich Probleme schneller

lösen“, ist Hoppe überzeugt. Damit wird die Time-to-Market für

die FinTechs verkürzt. Die Konditionen der Beteiligung und der

gemeinsamen Zusammenarbeit werden mit den Start-ups indi-

viduell festgelegt.

Seit seinem Start hat der main incubator bereits rund 340 Fin-

Techs gesichtet und mittlerweile vier strategische Investments

getätigt. Dazu gehört Traxpay, ein Payments-Service-Provider,

der es Unternehmen ermöglichen soll, jederzeit und global

auf alle synchron gehaltenen transaktionsbezogenen Daten

zuzugreifen. So lassen sich zum Beispiel an Überweisungen

weitere Informationen wie Dokumente anhängen und mit dem

Rechnungswesen verknüpfen. Zu den FinTechs, die der main

incubator unterstützt, gehört auch Gini, ein junges B2B-Soft-

ware-Start-up, das Unternehmen eine semantische Dokumen-

tenanalyse anbietet. Selbst unstrukturierte Dokumente wie

Scans oder Fotos von Rechnungen, Belegen oder Verträgen

können in Echtzeit analysiert und darin enthaltene Daten extra-

hiert werden. Gini ist mit seiner innovativen Lösung aktuell be-

reits ein Leitunternehmen in diesem Gebiet. Im Februar 2016

wurde es etwa zum „FinTech des Jahres 2015“ gewählt.

Weitere strategische Partnerschaften bestehen mit OptioPay

und ByeBuy. OptioPay bietet eine neuartige Auszahlungsplatt-

form, über die es zum Beispiel Zahlungen von Unternehmen

an deren Kunden oder Mitarbeiter abwickelt und den Wert, die

Flexibilität sowie die Transparenz von Auszahlungen erhöht,

indem es höherwertige Gutscheine zahlreicher bekannter Ein-

zelhändler und Dienstleister als Auszahlungsoption anbietet.

ByeBuy bietet Privat- und Firmenkunden ein neues Finanzie-

rungsmodell für Technikprodukte. Es orientiert sich in erster

Linie an den Bedürf-

nissen seiner Kunden

und ist somit flexibler

als das klassische Lea-

sing oder Kaufen von

Produkten. Zu einem

monatlich festgesetzten

Betrag ohne Mindest-

vertragslaufzeit und Vor-

auszahlungen können

Unternehmen je nach

Projektbedarf ihre Mitarbeiter mit

iPhones, Kameras oder Tablets ausstatten.

REGELMÄSSIGER AUSTAUSCH BENÖTIGT

Die Erfahrung des main incubators zeigt, dass Hilfestellung in

Form von Kapital und strategischer Unterstützung zwar wichtig

ist, dass FinTechs aber auch eine Plattform für das regel mäßige

Networking und den Austausch über aktuelle Themen be nötigen.

„Wir haben sehr genau geschaut, welche Player es für ein ak-

tives FinTech-Ökosystem braucht – FinTechs, Banken, IT, Wirt-

schaft, Wissenschaft, Politik, Medien – und dann ‚Between the

Towers. FinTechCity_Frankfurt‘ ins Leben ge rufen“, erläutert Dr.

Solveig Köbernick, Marketing Managerin des Inkubators. „Über

den monatlichen, inhaltlichen Austausch zwischen diesen Play-

ern wird der Nährboden für ein aus sich heraus wachsendes Fin-

Tech-Ökosystem geschaffen. Diese Form des engen und regel-

mäßigen Networkings gab es bisher nicht.“ Dabei habe man

bewusst Frankfurt als Standort gewählt, ergänzt Hoppe, denn die

Finanzmetropole vereine Know-how in Wirtschaft, Banking, IT und

Wissenschaft mit potenziellen Kapitalgebern und der Nähe zu

Presse, Politik und Regulierungsinstanzen. „Das sind ausgezeich-

nete Bedingungen, damit sich Frankfurt zum kontinentaleuropäi-

schen Zentrum für die innovative Start-up-Szene im Finanzdienst-

leistungsbereich und damit für das Banking 2.0 entwickelt“, fasst

Hoppe zusammen.

Der Erfolg von „Between the Towers“ ist dafür eine schöne

Bestätigung: Seit dem Start der Veranstaltungsreihe im Okto-

ber 2014 wurden 18 Events organisiert – mit wachsender

Besucherzahl und inzwischen insgesamt 2.300 Teilnehmern.

Seit Oktober 2015 ist die Veranstaltungsreihe sogar in der

D-A-CH-Region auf Tour und hat bereits in München und Berlin

stattgefunden. Weitere Events sollen folgen.

Inkubatorist ein Begriff, der ursprünglich

aus der Medizin kommt: ein

Brutkasten für Frühgeborene,

der für ihr Heran wachsen ein

optimales Klima schafft. Da-

mit Start-ups erfolgreich in

das Geschäftsleben starten,

stellen Inkubatoren eine Um-

gebung mit optimalen Bedin-

gungen bereit.

4 7 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER PRAXIS

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ca. 390 FinTech-Start-ups

in der DACH-Region

ca. 270 FinTech-

Start-ups in Deutschland

über 500 vom FinTech Forum

gescreente Start-ups

160 Start-ups „On-stage“

über 15

teilnehmende Länder

über 8.000 Newsletter-Empfänger

http://www.fintechforum.de/about-us/

VON PANKHURI SRIVASTAVA

Rückblende 2012. In den Türmen der Banken und Finanzdienst-

leister in Frankfurt ist man intensiv damit beschäftigt, die Auswir-

kungen der unterschiedlichen weltweiten Krisen aufzuarbeiten:

Finanzmarktkrise, Eurokrise und so weiter. Zeit, an das Banking von

morgen zu denken, bleibt in den Top-Etagen der Hoch häuser kaum.

Social Media als Schlagwort greift zwar um sich, ist aber über-

wiegend bei der jüngeren Generation en vogue, die Smartphones

früher verwendet als die meisten Manager. In Banken herrscht über-

wiegend noch der gute alte Blackberry vor, der ohne Touchscreen

und Apps am besten funktioniert.

Der Begriff FinTech ist zu diesem Zeitpunkt in den Banken

gänzlich unbekannt. Samarth Shekhar, Co-Gründer des FinTech

Forums, erinnert sich: „Auf die ersten FinTech-Firmen stieß ich

noch während meiner Unternehmenskarriere und half ihnen hier

und da in meiner Freizeit mit meinem Netzwerk in die Bankenwelt

aus. Die Start-ups waren glücklich, und ich war von diesem neuen

Gebiet fasziniert. Kurz darauf gründete ich meine eigene Firma,

TechFluence.“ Shekhar intensiviert die Recherchen und stellt bald

fest, dass es über die Bundesrepublik verstreut sehr viele Start-ups

gibt, die an innovativen Geschäftsmodellen für den Finanzsektor

arbeiten, zum Beispiel die Fidor Bank in München, Smava in Berlin

oder 360T in Frankfurt.

4 8 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER PRAXIS

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// DIE ERSTE STUDIE ZU FINTECH ENTSTEHT

Im Jahr 2013 publiziert TechFluence die erste Studie zu Fin-

Venture-Capital-Gesellschaften und Investoren. Gemein sam

mit Frank Schwab gründet Shekhar die Initiative „FinTech

Forum DACH“, die aus praktischen Erwägungen im Air-

dem deutschsprachigen Raum, also Deutschland, Öster reich

und der Schweiz, beschränkt. Auslöser waren die von den

Start-ups immer wieder genannten Schwierig keiten beim

Abschluss von Finanzierungsrunden. Ähnlich wie Fin-

Tech-Start-ups sind Wagniskapitalgeber und Investoren in

Deutschland überregional verteilt, sodass das FinTech Fo-

rum als FinTech-Hub die Brücke zwischen beiden Welten

bildet und das Event selbst die Plattform für Begegnungen.

Das Konzept der Veranstaltung war und ist so einfach wie

überzeugend. 20 FinTech-Start-ups mit Finanzierungsbedarf

werden vom FinTech Forum ausgewählt, sich im Rahmen

von Sieben-Minuten-Präsentationen vorzustellen. Damit

diese Pitches bestmöglich gelingen können, erhalten die

ausgewählten Start-ups das Angebot, die Präsentation mit

einem vom FinTech Forum gestellten Mentor zu besprechen

und eventuell zu proben. Die Mentoren sind Mitglieder des

FinTech Forum-Teams oder stammen aus dem Netzwerk,

je nachdem, welche Bedürfnisse das jeweilige Start-up hat.

Gespräche zum Geschäftsmodell oder weiteren Themen. Für

die ehrenamtlich agierenden Mentoren ist dies eine gute Ge-

legenheit, interessante Start-ups und deren Gründer intensiv

kennenzulernen.

Investoren bietet dieses bisher in Deutschland einzigartige

eventbezogene Mentoring eine zusätzliche Sicherheit, quali-

tativ hochwertige FinTech-Pitches zu erleben. Seit 2013 haben

über 160 Start-ups auf dem FinTech Forum präsentiert, mehr

als 500 wurden dafür gescreent.

// DIE NACHFRAGE STEIGT

Nach den ersten beiden Veranstaltungen war schnell klar,

dass sich das FinTech Forum thematisch nicht auf den

DACH-Raum beschränken lässt, da sowohl von Seiten der

Investoren als auch der Start-ups die Nachfrage aus Europa

immer größer wurde. Dementsprechend wurde der Fokus

ausgeweitet und auf kontinentaleuropäische Start-ups ge-

des heutigen FinTech Forums gestrichen. Die Mission ist al-

lerdings gleich geblieben: Das FinTech Forum will Finanz-

deshalb Marktteilnehmer in diesem Bereich dabei, zukunfts-

fähige Finanzdienstleistungen zu entwickeln, indem das

FinTech Forum für diesen Bereich relevante, aussichtsrei-

der Finanzindustrie, Investoren, Mentoren und Meinungs-

machern zusammenbringt.

Nach insgesamt acht Ausgaben des FinTech Forums in

Frankfurt, Wien und London sowie mehr als 160 Start-ups

„on stage“ war das Feedback sowohl von Seiten der Investo-

ren als auch der Start-ups sehr gut. Durch die Arbeit des Fin-

Tech Forums sind viele neue relevante Kontakte entstanden,

konnten Geschäftsmodelle präzisiert und Finanzierungsrun-

den abgeschlossen werden.

Das FinTech Forum bietet insbesondere Unternehmen in

einem frühen Stadium eine sehr gute Möglichkeit, sich in

die Szene zu vernetzen, wertvolle Kontakte aufzubauen und

für die laufende oder anstehende Finanzierungsrunde ge--

Tech Forum kein „closed shop“, sondern die Anwesenheit

von Journalisten und Bloggern stellt Publizität her. „Neben

den wertvollen Investorenkontakten kommt es beim FinTech

Forum auch immer wieder zu Erstbegegnungen von direkten

Wettbewerbern unter den Start-ups. Im Wettbewerb stehen-

de Gründer gehen ganz anders miteinander um als konkur-

rierende Banken miteinander“, sagt Michael Mellinghoff,

der als Start-up-Vertreter, als Mentor und Senior Advisor

für das FinTech Forum und heute zusätzlich als Manager für

TechFluence das FinTech Forum mitgestaltet und damit alle

Facetten der Veranstaltung kennt.

Das Wall Street Journal/Financial News hat das Potenzial des

FinTech Forums frühzeitig erkannt und Shekhar bereits im

Jahr 2014 in die Liste der „40 Innovators Shaping the Future

of Finance“ aufgenommen. Das FinTech Forum-Team ist

regelmäßig in Jurys, auf Konferenzen und in der Presse ver-

treten und hat namhafte Sponsoren.

// WAS EIN FINTECH-START-UP BRAUCHT

Die Erfahrung des FinTech Forums zeigt, dass sich die Be-

dürfnisse der Start-ups über die einzelnen FinTech-Segmen-

te hinweg ähneln. Neben den klassischen Start-up-Themen

Finanzierung und Teambuilding kommt im FinTech-Bereich

sehr frühzeitig die Herausforderung der Regulierung hinzu.

muss sie teuer eingekauft oder durch das Netzwerk erwor-

ben werden. Ersteres erhöht den Kapitalbedarf insbesondere

in der Frühphase, letzteres belastet das knappste Gut eines

guten Start-ups: Zeit. Vor diesem Hintergrund ist die Stand-

ortwahl für ein FinTech-Unternehmen von besonderer Be-

deutung, insbesondere wenn das Geschäftsmodell auf Inter-

nationalisierung ausgelegt ist. Da Frankfurt in diesem Punkt

viele Vorteile bietet, ist dies einer der wesentlichen Gründe

dafür, dass Frankfurt die Heimatstadt des FinTech Forum ist.

Pankhuri Srivastava

arbeitet im Research Management

bei TechFluence.

4 9 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER PRAXIS

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Wie lässt sich ein FinTech finanzieren?

Wer ein FinTech gründet, für den stellt sich schnell die Frage nach der Finanzierung. Je nach Entwick-lungsphase des Unternehmens bestehen hierfür verschiedene Möglichkeiten.

In den wenigsten Fällen verfügen Gründer über aus-

reichend Eigenkapital, um ohne fremdes Geld zu-

rechtzukommen. Besteht jedoch die Möglichkeit

des Bootstrapping, wie die eigenständig finanzierte

Firmen gründung ohne Fremdkapital bezeichnet wird,

bietet sie Vor- und Nachteile. Zu den Stärken zählt die

Motivation. Steckt viel eigenes Geld im Unternehmen,

möchte der Gründer beste Ergebnisse erzielen und

stolz darauf sein, den Durchbruch aus eigener Kraft

geschafft zu haben. Außerdem ist so die größtmög-

liche Entscheidungsfreiheit für den Unternehmer ge-

währleistet, denn die Anteile des Unternehmens ver-

bleiben bei ihm und gehen nicht in den Besitz von

Investoren über. Gleichzeitig birgt die unternehme-

rische Freiheit Risiken, denn Gründer sind beim Boot-

strapping oft auf sich selbst gestellt und arbeiten ohne

das Know-how von anderen.

Von Förderprogrammen profitieren

Wird für die Unternehmensgründung Fremdkapital be-

nötigt, bestehen zahlreiche Fördermöglichkeiten. Da-

bei müssen oft Fristen beachtet werden, weshalb man

sich bereits vor der Gründung über die entsprechen-

den Angebote informieren sollte. Viele staatlich ge-

förderte Programme basieren auf Darlehen zu günsti-

gen Konditionen. Etwas seltener sind Fördergelder, die

nicht zurückgezahlt werden müssen. Wichtige Förder-

programme auf einen Blick bietet das Bundesminis-

terium für Wirtschaft und Energie. Wer Fördermög-

lichkeiten für Existenzgründer in Anspruch nehmen

möchte, kann etwa vom Startgeld für Gründungsvor-

haben der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) profi-

tieren. Der Bund, die Länder, Kommunen und die Eu-

ropäische Union bieten ebenfalls Fördermöglichkeiten

oder Bürgschaften für Darlehen an. Eine kostenlose

Beratung für Gründer über die verschiedenen Förder-

programme bietet beispielsweise die Wirtschafts- und

Infrastrukturbank Hessen.

Auch der Kredit bei der Hausbank zählt zu den Me-

thoden, das nötige Kapital für die Unternehmensgrün-

dung zu beschaffen. Dafür ist ein umfassender Bu-

sinessplan erforderlich. Sofern die Gründungsidee

gut ausgearbeitet und erfolgversprechend ist, be-

stehen für die Bewilligung eines Kredites gute Chan-

cen. Grundsätzlich wird die Hausbank jedoch auf

private Sicherheiten und eine entsprechende Boni-

tät bestehen.

Je nach Entwicklungsphase des Unternehmens ist

der Kapitalbedarf unterschiedlich hoch. Entspre-

chend gibt es unterschiedliche Finanzierungsrunden,

bei denen sich der Gründer von interessierten Kapital-

gebern unterstützen lassen kann. Die erste Finanzie-

rungsrunde für das Unternehmen umfasst in der Regel

100.000 bis 1 Million Euro und wird als Seed-Finanzie-

rung bezeichnet. Diese wird oft von Business Angels

oder ähnlichen Unterstützern getätigt (siehe Interview

Seite 52). Sie stehen Gründern nicht nur mit Kapital,

sondern auch mit ihrem Know-how zur Seite. Die jun-

gen Unternehmer können am Erfahrungsschatz der

Business Angels teilhaben und deren Netzwerke und

Kontakte nutzen, was sich oft in der frühen Gründer-

phase als deutlich wertvoller erweisen kann als das

Kapital selbst.

Die Finanzierung über Crowdfunding erfreut sich einer

immer größer werdenden Beliebtheit. Crowdfunding

oder Schwarmfinanzierung bedeutet, dass die finan-

zielle Last auf sehr viele Schultern verteilt wird. In aller

Regel bestehen die Investoren aus Internetnutzern, da

zum Crowdfunding meist im Internet aufgerufen wird.

Dabei wird zwischen mehreren Arten unterschieden.

Das klassische Crowdfunding ist insbesondere in der

Kreativwirtschaft verbreitet. Geldgeber erhalten für

ihre finanzielle Unterstützung ein Dankeschön, das je

nach Höhe der vergebenen Summe umfangreicher

ausfällt. Dies kann alles möglich sein, von einer klei-

nen Dankeschön-Karte bis hin zu einer Version des

fertigen Produkts.

Beim Crowdinvesting werden die Geldgeber dagegen

zu Investoren und erhalten einen Anteil am Unterneh-

men oder eine Gewinnbeteiligung. Ziel der Investoren

ist in der Regel ein späterer Exit. Dagegen bieten Geld-

geber beim Crowdlending einen Kredit mit einem fes-

ten Zinssatz und einer festen Laufzeit an. Für Unter-

nehmer besteht hier der große Vorteil vor allem darin,

dass keine Banken für eine Kreditvergabe überzeugt

werden müssen.

5 0 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH & FINANZIERUNG

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Überblick über Förderprogramme: http://bit.ly/1oThv6l

Aktive Unterstützung und Kapitalbedarf in der Gründungsphase

In puncto Geschäftsidee beraten lassen

Es ist auch möglich, sich von einem Inkubator oder einem Accele-

rator unter die Arme greifen zu lassen. Ein Inkubator unterstützt ein

Start-up mit Venture Capital und stellt oft eine Büroinfrastruktur zur

Verfügung. Außerdem beraten Inkubatoren bei der Entwicklung der

Geschäftsidee. Accelerator-Programme dagegen finden sich meist

an Universitäten, bei Venture-Capital-Gesellschaften oder in der In-

dustrie. Dabei erhält der junge Unternehmer gezielte Förderung so-

wie Unterstützung von einem Mentor. Im Gegenzug übernimmt der

Accelerator in der Regel Anteile am Start-up.

Weitere Finanzierungen werden meist von professionellen Ven-

ture-Capital-Gebern getragen, und nennen sich Serie-Finanzierun-

gen. Dabei statten Investoren Gründer je nach Entwicklungsphase

ihres Produkts oder ihrer Dienstleistung mit entsprechendem Kapital

aus. Die Serie-A-Finanzierung umfasst etwa zwischen 500.000 und

3 Millionen Euro. Häufig werden die Investoren neben dem Erwerb

von Firmenanteilen auch beratend tätig. So wird der finanzielle Spiel-

raum des Unternehmens sukzessive ausgeweitet. Im Gegenzug tra-

gen die Gründer auch Verantwortung für die Kapitalgeber, die über

den Entwicklungsstand stets informiert sein möchten. In der Regel

steigen Venture-Capital-Geber erst in späteren Entwicklungsphasen

ein, wenn das Risiko gesunken ist.

Günstigere Bedingungen für Investoren schaffen

Viel diskutiert wird aktuell die Möglichkeit, günstigere Bedingungen

für Investoren zu schaffen, die Geld für Start-ups aufwenden. Dabei

sollen sich vor allem die rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedin-

gungen für Venture-Capital-Geber verbessern.

Befindet sich das Unternehmen in einer steilen Wachstumsphase mit

breiter Marktakzeptanz und sprunghaftem Anstieg der Nachfrage, ist

ein Börsengang oder Exit möglich. Ein Börsengang ist eine Möglich-

keit, dem Unternehmen durch Ausgabe von Aktien neue finanzielle

Mittel zuzuführen und damit weiteres Wachstum zu finanzieren. Ein

Exit bedeutet, dass die Investoren oder ursprünglichen Gründer bei

einer guten Bewertung des Unternehmens ihre Unternehmensanteile

mit dem höchstmöglichen Gewinn verkaufen. Mit dem Verkauf stei-

gen sie als Gesellschafter aus dem Unternehmen aus.

aktiv

e U

nter

stüt

zung

Gründung Seed

ASerie Serie

B

Unterstützungsbedarf Kapitalbedarf

10.000 – 200.000 EUR

100.000 – 1 Mio. EUR

500.000 – 3 Mio. EUR

Über 3 Mio. EUR

Zeit

5 1 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH & FINANZIERUNG

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Herr Lukic, kann jeder ein Business Angel werden?

Andreas Lukic: Jede Privatperson kann Business Angel werden, die

einige Zehntausend bis einige Hunderttausend Euro aufwärts in junge

Unternehmen investieren kann und möchte. Außerdem sollte diese Per-

son idealerweise auch Zeit, relevantes Wissen und Kontakte haben,

um junge Gründer zu unterstützen. Das kann jemand sein, der sich mit

Finanzierung und Gründung bereits auskennt, aber auch ein wohlha-

bender Mensch, den wir bei der Durchführung beraten.

Warum sollte man Start-ups mit privatem Kapital unterstüt-

zen?

Lukic: Eine Investition in Start-ups kann eine gute Alternative zu Aktien

und Anleihen sein. Außerdem ist es eine Anlageform mit langer Tra-

dition in Deutschland. Bereits Johannes Gutenberg hatte jemanden,

der seine Druckerpresse privat und unternehmerisch finanziert hat.

Auch Siemens oder Zeppelin und genau genommen etwa 90 Pro-

zent der deutschen Industrie waren bis zum Zweiten Weltkrieg der-

art privat gründerfinanziert. Leider haben wir diese Kultur in Deutsch-

land seitdem verlernt.

Aber es gibt doch auch andere Finanzierungsmöglichkeiten für

junge Unternehmen …

Lukic: Für einen jungen Unternehmer, der nicht gerade Immobilien ge-

erbt hat oder besitzt, kommt der typische Bankkredit nicht in Frage,

weil die Sicherheiten fehlen. Über die Börse oder den Anleihenmarkt

funktioniert die Finanzierung in dieser Größenordnung auch nicht. Das

Gleiche gilt für Venture Capital, denn hier bewegen wir uns heutzu-

tage schon bei Volumina von zwei bis fünf Millionen Euro aufwärts.

Dafür müsste man als Unternehmer bereits eine hohe Bewertung ha-

ben. Was bleibt, ist Eigenkapital, und das ist nach relativ kurzer Zeit

schon aufgebraucht. Deswegen sind private Kapitalgeber, also Bu-

siness Angels, so wichtig.

Wie lässt sich das Business-Angel-Modell fördern?

Lukic: Wir haben ein Missverhältnis zwischen privaten Investiti-

onen und spannenden, skalierbaren und nach Jahren des Aufbaus

Neben Know-how und Kontakten ist das Kapital der wichtigste Faktor bei der Gründung eines FinTech- Unter nehmens. Private Investoren spielen dabei eine wichtige Rolle. Über diese sogenannten Business Angels hat die FMF-Redaktion mit Andreas Lukic, Vorstandsvorsitzender von Business Angels Frankfurt Rhein-Main e.V., gesprochen.

„Bereits Johannes Gutenberg hatte jemanden,der seine Druckerpresse privat und unternehmerisch finanziert hat.“

Spannende Gründungsideen

+ private Investoren

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auch exitfähigen Gründungsideen. Das

könnte man beheben, indem man die

Business-Angels-Idee bekannter macht

und die Menschen an das Modell her-

anführt. Wir erklären Interessierten zum

Beispiel, was ein Beteiligungsvertrag ist

und wie man eigene Interessen wahren

kann. Und natürlich muss man eine Platt-

form schaffen, wo sich Gründer und In-

vestoren kennenlernen und schauen, ob

die Chemie passt. Deshalb organisie-

ren wir regelmäßige FinTech-Business-

Angel-Zusammenkünfte am Finanzplatz

Frankfurt, aber auch in anderen Bran-

chen. Aktuell arbeiten wir daneben an

einem Gründerhaus.

Nach welchen Kriterien wählen Sie

interessierte Privatinvestoren aus?

Lukic: Um als Privatinvestor bei uns Mit-

glied zu werden, bewirbt man sich, dann

folgen mehrere persönliche Gespräche

und Veranstaltungsteilnahmen. Unser

Ziel ist, Business Angels zu bekommen,

die das nicht nur aus Gründen des Mar-

ketings oder der Steuervergünstigung

tun, sondern aus echtem Interesse. Sie

müssen auch einen Kodex unterschrei-

ben. Dieser Filter funktioniert.

Und die potenziellen Gründer?

Lukic: Wir sind inzwischen als Bu-

siness-Angel-Netzwerk bekannt und

die potenziellen Gründer kommen auf

uns zu. Im Jahr 2015 hatten wir rund

950 Bewerbungen, für 2016 erwarten

wir sogar noch mehr. Auf unserer Web-

seite gibt es ein Formular, das uns aus-

gefüllt zugeschickt werden muss. Au-

ßerdem veranstalten wir zum Beispiel

Sprechtage an Universitäten und halten

Vorträge an Hochschulen, Forschungs-

und Gründerzentren. Unser Auswahl-

komitee macht dann ein gründliches

Screening, bevor wir Gründer und Inve-

storen zusammenbringen.

Wie geht es dann weiter?

Lukic: Circa 10 Prozent der Unterneh-

men, die in unserer Matching-Veran-

staltung präsentieren, beziehungsweise

etwa 1 Prozent der Bewerber insgesamt

finden bei uns einen Investor. Das mag

sich zunächst nach wenig anhören, ist

jedoch eine durchaus übliche Quote. Aber auch ohne

Beteiligung bringt eine Präsentation oft wertvolle Kon-

takte oder Tipps. Wir holen auch immer das Feedback

der Anwesenden zur Überzeugungskraft der vorgestell-

ten Konzepte, zur Qualität der Präsentation und zum

persönlichen Auftreten ein. Das leiten wir dann an die

Unternehmen weiter, zusammen mit Fragen der Inve-

storen, die direkt nach der Präsentation gestellt wur-

den. Wir halten das als Standortbestimmung für junge

Unter nehmen für immens wertvoll.

Was muss passieren, damit erfolgreiche FinTechs

im Rhein-Main-Gebiet bleiben und später nicht

ins Ausland abwandern?

Lukic: Neben Zugang zu Kapital und einer angemes-

senen Regulierung benötigt man einen zentralen Ort

in Frankfurt, wo die Fäden und Kontakte zusammen-

laufen. Dort allerdings braucht man zum Beispiel auch

passenden Wohn- und Arbeitsraum. In den USA oder

in London ist das aktuell viel besser gelöst. Tatsäch-

lich wollen die Gründer aber meist da bleiben, wo sie

geboren sind oder wo sie zur Hochschule gegangen

sind. Wenn wir jetzt zügig reagieren, können wir eine

weitere Abwanderung verhindern und eventuell sogar

umkehren.

Vielen Dank für das Gespräch.

Business Angels sind Menschen, die Gründer-

teams oder Wachstumsunternehmen Kapital,

Know-how und Kontakte gegen eine Beteiligung

am Unternehmenserfolg zur Verfügung stellen.

In der Regel investiert ein Business Angel über-

schaubare Beträge in innovative Unternehmen,

wenn ihn das Konzept interessiert und das Team

überzeugt.

Business Angels Frankfurt Rhein-Main e.V.

verfügt über ein Netzwerk von über 100 Mitgliedern.

Das Ziel ist, Business Angels im Rhein-Main-

Gebiet zu aktivieren, zu unterstützen und mit

spannenden Unternehmen zusammenzubringen.

http://bit.ly/23YSQwX

Ein Exit ist der Ausstieg von Investoren und / oder

den Gründern aus dem Unternehmen mit möglichst

hohem Gewinn.

5 3 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH & FINANZIERUNG

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Mit FinTech ist im Finanzsektor gerade eine Art „industrielle Revolution“ in Gang.

Prof. Dr. Christoph Schalast

Am Finanzplatz Frankfurt sind jetzt mehr Kooperation, mehr Interaktion und mehr Vertiefung gefordert.

Prof. Dr. Wolfgang König

Wir brauchen eine Kultur des akzeptierten Scheiterns, in der wir mehr wagen und aus-probieren. Auch wenn es einmal schiefgeht.

Prof. Dr. Lutz Johanning

Wenn wir die politischen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Kompetenzen in der Rhein-Main-Region bündeln, können wir zu einem Top-Standort für FinTechs in Europa werden.

Prof. Dr. Peter Buxmann

WISSENSCHAFT Wie

die Entwicklung der FinTech-Unternehmen unterstützt

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Ihre Universitäten stehen für neue Technologien, Finanzwissen, Management und Entrepreneurship. Warum ist FinTech für die Wissenschaft interessant?

Christoph Schalast: Bislang hat die intensive Regulierung in

Deutschland oft wie ein Schutzschild gegen neue Technolo-

gien gewirkt, doch das wandelt sich gerade. FinTech wird die

Bankenlandschaft in den kommenden Jahren fundamental

verändern, denn die Digitalisierung ist nicht aufzuhalten. Aus

akademischer und praktischer Sicht ist das sehr spannend.

Noch ist die Regulierungsintensität in Deutschland aber eine große Herausforderung für FinTech-Unternehmen. Können Universitäten ihre Studenten darauf vorbereiten?

Peter Buxmann: Unsere Studenten haben Lust auf innovative

Technologie, gute Ideen und die Entwicklung neuer Geschäfts-

modelle. Mit regulatorischen Fragestellungen beschäftigen sie

sich nach meinen Erfahrungen weniger intensiv.

Ist FinTech-Start-up-Unterstützung mit Blick auf Regulierung sinnvoll und realisierbar?

Wolfgang König: An der Goethe-Universität gibt es dafür spezi-

fische Lehrveranstaltungen und Treffen, auch mit internationalen

Teilnehmern. Aber Regulierung ist ein schwieriges Thema.

Lutz Johanning: Es ist eine große Herausforderung, regu-

latorische Anforderungen technologisch effizient umzuset-

zen. Effi ziente Prozesse sind aber notwendig, damit die

Kostenlast für die Finanzunternehmen nicht zu hoch wird.

Dabei kann die Wissenschaft unterstützen, weil sie alter-

native, effi zient umsetzbare regulatorische Anforderungen

vorschlagen kann. Die Veränderungen an sich müssen aber

insbesondere sehr stark aus der Branche heraus vorange-

trieben werden.

FinTech-Unternehmen können helfen, Prozesse schlanker zu ge-stalten. Mit disruptiven Ideen stehen Sie aber auch im Wettbe-werb zu den Banken …

Schalast: Einen destruktiven Wettbewerb sehe ich nicht, denn

die Banken müssen sich modernisieren und die neuen Tech-

nologien aufnehmen und integrieren. Das passiert bereits am

Finanzplatz Frankfurt. Man muss nur aufpassen, dass die

guten Ideen sich auch weiterentwickeln können und nicht zu

früh weggekauft werden.

Buxmann: Einen gewissen Wettbewerb sehe ich schon. Aber

vielleicht tut er den traditionellen Banken auch gut. Ich habe

in einer Vielzahl von Gesprächen erfahren, dass sie sich viele

Gedanken darüber machen, wie sie innovativer werden kön-

nen und wie sie – beispielsweise auf der Basis von Daten –

neue Geschäftsmodelle entwickeln können. Es wird auf jeden

Fall spannend, wie sich Banken und FinTechs zukünftig auf-

stellen und zusammenarbeiten werden.

Schalast: Aus rechtlicher Sicht gibt es beim Thema Cloud

natür lich einige Punkte zu beachten – zum Beispiel Geheim-

haltungspflichten, insbesondere das Bankgeheimnis. Aber

dafür könnte man Lösungen finden. In den USA und Groß-

britannien bestehen diese juristischen Schranken auch, werden

dort aber weniger als Problem empfunden.

Mehr dazu unter www.frankfurt-main-finance.com/fintec_science

Um Finanztechnologie erfolgreich auf den Markt zu bringen, erfordert es Know-how

in vielen Bereichen. Dabei kann die Wissenschaft der Wirtschaft unter die Arme

greifen, wie die Professoren Peter Buxmann, Lutz Johanning, Wolfgang König und

Christoph Schalast im Round-Table-Gespräch mit der FMF- Redaktion aufzeigen.

5 5 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER WISSENSCHAFT

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Sind die Behörden im Ausland weniger streng?

Johanning: In London oder Luxemburg ist man nicht weniger

streng, aber die Verantwortlichen der Aufsichtsbehörden

verstehen sich auch als Dienstleister der Industrie. Die

Folge kann sein, dass viele Unternehmen zum Beispiel nach

Luxemburg abwandern. Dort herrscht zudem eine offenere

Think-Tank-Mentalität. Die Aufsichtsbehörden versuchen sehr

viel stärker, zusammen mit den

Unternehmen vorauszudenken.

Im Vergleich dazu halten wir uns

hier in Deutschland noch sehr

zurück.

König: Die Erfahrung zeigt, dass

sich Institutionen wie die Euro-

päische Zentralbank oder die

Bundesanstalt für Finanzdienst-

leistungsaufsicht sehr stark auf

ihren Strukturierungsauftrag kon-

zentrieren. Es wäre tatsächlich

eine Option, dass wir als Wissen-

schaftler zusammen mit diesen

Behörden sehr viel intensiver die

wettbewerbsrelevan ten Aspekte der Regulierung diskutieren.

Das betrifft sowohl die Start-ups als auch etablierte Marktteil-

nehmer. Denn die Banken schaffen die heute gegebene Regu-

lierungsdichte vielfach nicht mehr, das muss man sehen.

Johanning: Ein Austausch wäre hier sehr sinnvoll. Denn das

Ziel des Regulators ist grundsätzlich gut. Er fördert Standards

und Transparenz, damit der Markt funktioniert und ein gleich-

berechtigtes Miteinander von Anbietern und Nachfragern

möglich ist. Es kommt auf die Umsetzung der Regulierung und

die Aufsichtspraxis an.

Wie könnte das in der Umsetzung aussehen?

Johanning: Warum, um hier ein globales Beispiel anzuführen,

muss jede Bank eigenständig das Risiko ihrer Portfolien berech-

nen? Die Risikosteuerung ist ein Bankthema, aber die Berech-

nung könnte eine bankübergreifend standardisierbare Dienstleis-

tung sein. Auf diese Weise könnte man unglaubliche Effizienzen

heben und gleichzeitig der Regulierung entgegenkommen. Denn

damit wären die Risiken der Banken und Asset Manager viel ver-

gleichbarer. FinTech und Standardisierung können enorm helfen.

Wird FinTech die Finanzbranche revolutionieren?

Johanning: Mit dem Finanzsektor rückt die nächste Branche

in den Fokus von neuen Technologien. Die Frage ist, welche

Möglichkeiten bestehen, um Prozesse einfacher zu gestalten

und Innovation aufzubauen. Dabei kann die Wissenschaft un-

terstützen.

Sind dabei Kryptowährungen wie Bitcoin oder die Block-chain-Technologie von akademischer Relevanz?

König: Wir haben zwar inzwischen Kryptowährungen, aber die

Entwicklung ist nicht ganz so durchgängig positiv, wie das von

den Initiatoren vorgesehen war. Auch bei Blockchain bin ich –

Stand heute, aber wir müssen ja auch noch hinzulernen – eher

zurückhaltend. Ich glaube nicht, dass wir in absehbarer Zeit

die mit dieser Technologie verbundenen Kommunikationsan-

forderungen auch nur halbwegs bewältigen können. Denn es

ist einfach gigantisch, was als Kommunikationsleistung notwen-

dig wäre, um das System ordentlich zum Laufen zu bringen.

Was ist hier der nächste Entwicklungsschritt?

König: Der nächste Schritt werden nach klassischem Mus-

ter, aber stärker verteilt arbeitende Datenbanksysteme sein.

Blockchain scheint noch weit entfernt von einer tatsächlichen

praktischen Umsetzung in einem relevanten Anwendungsum-

feld zu sein.

Johanning: Auch ohne Blockchain bieten die neuen Technolo-

gien umfassende Möglichkeiten. Schauen wir uns nur die un-

endlich lange Prozesskette beim Kauf eines Wertpapierfonds

an. Hier können wir sehr viel schneller werden und eine höhere

Transparenz schaffen. Da stehen Änderungen bevor, die einen

Wandel der gesamten Branche mit sich bringen. Es werden

neue Standards eingeführt, und wenn die jungen Verbraucher

lernen, damit umzugehen, hat man schnell eine neue Infra-

struktur und Marktstruktur.

Schalast: In Korea zum Beispiel setzen schon rund 50 Pro-

zent der FinTechs auf Blockchain. Solche Technologien werfen

natür lich wieder regulatorische Fragen auf, und wir sind von

einer Umsetzung noch weit entfernt. Dennoch kann man dort

sehen, was es bedeutet, den Sprung in die Digitalisierung zu

vollziehen, und dass im Finanzsektor gerade eine Art „indus-

trielle Revolution“ in Gang ist.

Prof. Dr. Peter Buxmann

ist Inhaber des Lehrstuhls

für Wirtschaftsinformatik an

der Technischen Universität

Darmstadt. Zudem ist

er Leiter des Gründungs-

zentrums HIGHEST

(Home of Innovation, GrowtH,

EntrepreneurShip and

Technology Management).

5 6 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER WISSENSCHAFT

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König: Deutschland verschließt sich der schnellen Digitalisie-

rung bislang in vielen Bereichen, nicht nur im Finanzsektor. Wir

als Hochschulen haben also auch die Aufgabe, deutlich zu

machen, welche Rolle die Digitalisierung in der internationalen

Wettbewerbssituation spielt.

Welche weiteren Möglichkeiten haben Hochschulen, um allge-mein den Know-how-Transfer von FinTechs in die Wirtschaft zu fördern?

Schalast: In der Frühphase der Start-ups ist Mentoring sehr

wichtig. Wir versuchen zum Beispiel, unseren Studenten beim

Thema Entrepreneurship unter die Arme zu greifen.

Buxmann: Wir haben an der TU Darmstadt das Gründungszen-

WHU – Otto Beisheim School of Management – Unternehmertum lernen und Gründer-Spirit erleben

Die WHU – Otto Beisheim School of Management bietet Studienangebote und regelmäßige Veranstaltungen zu den Themen

Gründung, Innovationsmanagement, Unternehmensfinanzierung, Bankmanagement und Kapital markt an. Auch die Forschung

an der WHU legt einen starken Fokus auf diese Bereiche.

An der WHU kann man Gründung und Unternehmertum nicht nur theoretisch exzellent lernen, sondern auch einen einzigartigen

Gründer-Spirit erleben. Denn viele WHU-Studenten gründen eigene Unternehmen oder arbeiten schon während des Studiums als

Praktikanten in Start-ups. Als WHU-Absolvent erhält man Zugang zu einem einzigartigen Ehe maligen-Netzwerk, das stark durch

eine Gründungs- und Unternehmermentalität geprägt ist.

www.whu.edu

Frankfurt School of Finance & Management – führend und international akkreditiert

Die Frankfurt School of Finance & Management ist eine führende, international akkreditierte Business School mit Sitz im Finanzzen-

trum Frankfurt am Main. Sämtliche Lehr-, Forschungs- und Beratungsangebote der Stiftungshochschule bewegen sich im Span-

nungsfeld von Finance & Management. Seit vielen Jahren setzen sich Professoren, Studierende und Alumni in Lehre, Forschung

und Beratung mit der Digitalisierung der Bank- und Finanzbranche und den damit verbundenen Innovationen auseinander. Auch

die ausgeprägte Managementkompetenz, insbesondere zu allen Themen rund um Corporate Finance, fließt mit ein. Gründer wer-

den an der Frankfurt School in allen Phasen unterstützt und begleitet: bei der Erstellung des Business Plans und des Finanzie-

rungskonzepts, bei der Unternehmensgründung und in der Phase der Wachstumsfinanzierung. All dies sind Kompetenzen, die

FinTechs besonders nachfragen und die für ihren Erfolg entscheidend sind.

www.frankfurt-school.de

trum HIGHEST aufgebaut. Da-

mit waren wir einer von 12 Ge-

winnern des deutschlandweiten

Wettbewerbs „Die Gründerhoch-

schule“ des Bundesministeriums

für Wirtschaft und Energie. Eine

Aufgabe des Zentrums besteht

darin, gemeinsam mit den Fach-

bereichen Studierende dafür

zu sensibilisieren, dass es neben dem Berufsstart in einem

Unternehmen oder einer Doktorarbeit noch einen dritten Weg

gibt, nämlich die Unternehmensgründung. Daher wollen wir

zukünftig die Themen Gründung und Entrepreneurship als

Wahlmöglichkeit für alle Studiengänge anbieten.

Prof. Dr. Lutz Johanning

ist seit 2007 Inhaber des

Lehrstuhls für Empirische

Kapitalmarktforschung an der

WHU – Otto Beis heim School

of Management, Vallendar.

Er ist unter anderem Mitglied

im Advisory Board des Euro-

pean Finance Forums (EFF).

5 7 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER WISSENSCHAFT

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Johanning: An der WHU ist die Gründungsquote bei den Absol-

venten schon sehr hoch. Die WHU ist eine Unternehmer-Hoch-

schule, und deshalb ist das bereits Teil unserer Kultur. Aber

das ist in Deutschland sicher eher eine Ausnahme. Deshalb

sind Dialogforen mit den handelnden Akteuren und spezielle,

auf den Aufbau von Netzwerken ausgerichtete Mentoring-Pro-

gramme wichtig. Darüber hinaus sollten wir versuchen, eine

Kultur des akzeptierten Scheiterns zu schaffen.

Weil Scheitern gleich negativ behaftet ist?

Johanning: Wir Deutschen sind in diesem Punkt sehr konser-

vativ. Wer scheitert, ist schnell stigmatisiert. Wir müssen mehr

wagen und ausprobieren, auch wenn das einmal schief geht.

Das können wir in der Aus- und Weiterbildung vermitteln.

König: Wir sind eingebettet in ein gesellschaftliches Umfeld,

das nicht durchgängig gründerfreundlich ist. Im Gegenteil, un-

sere grundlegende Mentalität ist zurückhaltend, bewahrend.

Im Notfall sind wir auch mutig und sehen, dass es dann funk-

tioniert. Aber bevor dieser Punkt erreicht ist, dauert es

manchmal sehr lange.

Welchen Beitrag kön nen die Uni-versi täten leisten, um Frank furt und die Rhein-Main-Region als FinTech-Standort zu stärken?

König: Mehr Kooperation,

mehr Interaktion, mehr Ver-

tiefung, eine Verlänge rung

von Wertschöpfungs ketten –

das sind die inhaltlichen

Herausforderungen, vor de-

nen wir am Finanzplatz

Frank furt stehen.

Schalast: Dabei sollten wir

auf jeden Fall zusammen-

arbeiten. Die Dichte an Spitzen-Forschungsinstituten im Rhein-

Main-Gebiet ist einzigartig. Wenn man diese Kräfte bündelt, bie-

tet das sehr viele Möglichkeiten.

Buxmann: Es ist sehr sinnvoll, dass die Hochschulen im Rhein-

Main-Gebiet sich zusammentun, und die Kompetenzver-

teilung ist relativ klar. Die Goethe-Universität sowie das

House of Finance haben eine Vielzahl von Lehrstühlen

und ent sprechende Expertise im Finanzbereich, die WHU

den Schwerpunkt Entrepreneurship und die TU Darmstadt

Know-how etwa in den Bereichen IT und Digitalisierung.

Das ergänzt sich hervorragend.

Johanning: Darüber hinaus ist es gut, einen Standort wie Frank-

furt zu haben, wo die Fäden zusammenlaufen. Dazu gehört auch

eine stärkere internationale Ausrichtung. Wir haben in Deutsch-

land traditionell eine gute technische Ausbildung, de facto ist

die Qualität unserer Finanzdienstleistungen häufig sogar besser

als im Ausland. Aber dort kommen wir oft gar nicht an. In den

Im Gespräch (von links nach rechts): Prof. Dr. Christoph Schalast, Prof. Dr. Peter Buxmann, Prof. Dr. Lutz Johanning und Prof. Dr. Wolfgang König

Prof. Dr. Christoph

Schalast ist Rechtsanwalt

und Notar. Er leitet den M&A

Master-Studien gang an der

Frankfurt School of Finance

& Management und ist Chair-

man der jährlichen Konfe-

renzen „NPL FORUM“ und

„M&A und Private Equity“.

Prof. Dr. Wolfgang König

hat die Professur für Be-

triebswirtschaftslehre, Wirt-

schaftsinformatik und

Informationsmanagement an

der Goethe-Universität Frank-

furt inne. Zusätzlich ist er ge-

schäftsführender Direktor des

House of Finance und Vorsit-

zender des interdisziplinär ar-

beitenden Forschungsinstituts

in Public-Private Partnership

E-Finance Lab.

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internationalen Gremien zum Beispiel ist die deutsche Stimme

zu still. Das ist schade, weil es eine gute, inhaltlich fundierte

Stimme ist. Das können wir meines Erachtens verbessern.

Wo werden FinTech und der Finanzplatz Frankfurt in zehn Jahren stehen?

Buxmann: Ich sehe das sehr optimistisch. Wir haben hervor-

ragende Voraussetzungen, dass sich in Frankfurt und Um-

gebung viele FinTech-Unternehmen ansiedeln. Wenn wir die

politischen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Kom-

petenzen in der Rhein-Main-Region bündeln, können wir zu

einem Top-Standort für FinTechs in Europa werden. Mit der

Ausrichtung auf die Finanzbranche ist dafür kein anderer

Standort besser geeignet.

Schalast: In zehn Jahren wird FinTech normal sein. Entschei-

dend ist, dass wir ein positives Ökosystem schaffen sowie die

Vernetzung mit Regulatoren, Universitäten, Banken und Unter-

nehmen. Wenn das gelingt, hat Frankfurt als FinTech-Zentrum

eine Chance.

Johanning: Was uns noch fehlt, ist ein bundespolitisches klares

Bekenntnis für den Standort und die Finanzbranche. Denn da-

für steht Deutschland noch nicht, sondern eher für technisch

orientierte Sektoren. Doch ohne eine funktionierende Finanz-

branche gibt es keine funktionierende Wirtschaft. Deshalb

muss klar sein, wie wichtig ein Finanzstandort wie Frankfurt ist.

Vielen Dank für das Gespräch.

Goethe-Universität – die Finanzmärkte umfassend begreifen Bislang wurden FinTechs im Rahmen des Inkubators und

Gründerzentrums der Goethe-Universität, dem Unibator,

gefördert. 2015 wurde ein FinTech-Programm mit moderner

I nfrastruktur ins Leben gerufen, das auch für FinTech-

Gründer außerhalb der Universität zugänglich ist. Zusätz-

lich werden FinTechs vor allem durch das professionelle

Mentoren- und Partnernetzwerk unterstützt.

Gründer erhalten an der Goethe-Universität das notwen-

dige analytische Rüstzeug, um die Finanzmärkte umfas-

send zu begreifen. Mit dem House of Finance,

dem E-Finance Lab, zahlreichen Ph.D.-

und Master- sowie Bachelor-Program-

men ist die Goethe-Universität deutsch-

landweit führend. Mittlerweile werden

auch spezifische Kursformate und Fin-

Tech-Anwendungen im Bereich der

Entrepreneurship-Lehre für über 600 Stu-

denten pro Jahr angeboten.

www.uni-frankfurt.de

Technische Universität Darmstadt – hervorragende technikorientierte Studiengänge

Die technikorientierten Studiengänge wie Informatik,

Maschinenbau, Elektro- und Informationstechnik sowie

die interdisziplinären Studiengänge Wirtschaftsinformatik

und Wirtschaftsingenieurwesen der TU Darmstadt ge nießen

einen hervorragenden Ruf – das zeigen die vielen sehr

guten Platzierungen in Rankings. Künftig können Studie-

rende unabhängig vom gewählten Studiengang Lehr-

veranstaltungen in den Bereichen Entrepreneurship und

Gründungen besuchen.

Das Gründungszentrum HIGHEST (Home of Innovation,

GrowtH, EntrepreneurShip and Technology Management)

unterstützt potenzielle Gründer mit dem Ziel, Gründungs-

aktivitäten und Innovationen zu fördern, um Deutschland

und die Region Rhein-Main insbesondere in den Bereichen

High-Tech und Digitalisierung – also auch im FinTech-Be-

reich – international wettbewerbsfähig und fit für die Zukunft

zu machen.

www.tu-darmstadt.de

5 9 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER WISSENSCHAFT

Page 60: ON THE MOVE - Frankfurt Main Financefrankfurt-main-finance.com/wp-content/uploads/2015/11/jahrbuch-20… · Oliver Schwebel und Olaf Atja Lemmingson 16 FINTECHS – NEUE AKTEURE,

Let‘s Talk PaymentsWissensplattform mit aktuellen Untersuchungen und Whitepapers zum Thema Bezahlservices.http://bit.ly/1ROX97t

wurden 2015 deutschlandweit in FinTech-

Unternehmen investiert, berücksichtigt man

den Kauf von 360T durch die Deutsche Börse.

Damit belegt Deutschland beim Investitions-

volumen Rang 3 in der Welt. http://bit.ly/1nt7cEf

73% der Millennials würden eine Finanz-

dienstleistung von Google, Amazon, Apple

oder PayPal spannender finden als von

ihrer Hausbank. Die Millennials sind die

erste Generation, die mit dem Computer

aufgewachsen ist. Mehr zum Thema unter

http://bit.ly/1gp93Q9

2,4 Mrd. Euro

betrug das FinTech-Markt-

volumen 2015. Deutschland

belegt damit Platz 5 weltweit.

4Diesen Rang belegt Deutschland

unter den größten FinTech-Stand-

orten der Welt. In Europa liegt es

hinter Großbritannien auf Platz 2.

Um 22 % auf 56

stieg 2015 die Zahl der FinTechs

im Raum Rhein-Main-Neckar,

der unter den großen Regionen

Deutschlands – Berlin, Frankfurt,

München – am schnellsten wächst.

FinTech-Themenspecialauf Gründerszene.de mit Nachrichten aus der Branche. http://bit.ly/1pb6gGr

Veranstaltungen 2016RETHINKING BANKING – reloaded, Euroforum 13./14.10.2016 http://bit.ly/1RlYkYX

DVFA FINTECH FORUM 10.10.2016 http://bit.ly/1VoUqRK

BETWEEN THE TOWERS. FINTECHCITY_FRANKFURT jeden 1. Dienstag im Monat http://bit.ly/16svDKs

Tägliches FinTech-BriefingWissenswertes, Trends und

Nachrichten bietet dieser

tägliche Newsletter von BI

Intelligence.

http://bit.ly/1QBWJ52

FinTech Industry Outlook 2016Die Finanzwelt verändert

sich permanent.

Ein Überblick in Info-Grafiken.

http://bit.ly/1QbXWli

Etwa13.000 Menschen arbeiteten 2015 in 250 deut-schen FinTech-Unternehmen. Damit belegt Deutschland Rang 4 weltweit. http://bit.ly/1nt7cEf

1,2 Mrd. Euro

I M P R E S S U MHerausgeberFrankfurt Main Finance e.V.Zum Laurenburger Hof 7660594 Frankfurt am MainTelefon: +49 69 9441 80 31Telefax: +49 69 9441 80 19www.frankfurt-main-finance.com

VerantwortlichHubertus Väth

Redaktion / ArtdirektionNewMark Finanzkommunikation GmbH, Frankfurt am Main

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DruckDruck- und Verlagshaus Zarbock GmbH & Co. KG, Auflage: 2.000 Exemplare

Frankfurt, März 2016

BLOGS

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beträgt der FinTech Adoption Index von EY. Er zeigt, wie hoch die Nutzung von FinTech-Produkten bei digital aktiven Kunden liegt.

http://bit.ly/1SafcpO

15,5 %