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27. März 2014 12 Fortbildung Die große Vielfalt von Assoziationen ophthalmologischer Befunde mit in- ternistischen Erkrankungen kann und will diese kurze Übersicht bei Weitem nicht komplett abdecken. Im Folgenden sollen nur exempla- risch einige wichtige Beispiele ange- führt werden. Diese reichen von harmlosen bis hin zu lebensbedro- henden Zuständen. Im Einzelfall ist immer eine enge und individuelle Kommunikation zwischen Augen- arzt und Internist erforderlich, um eine optimale Diagnostik und Thera- pie für den Patienten zu erreichen. Exophthalmus, endokrine Orbitopathie Exophthalmus bezeichnet eine Ventralverlagerung des Augapfels. Die Patienten stellen sich entwe- der wegen der kosmetischen Verän- derung vor oder berichten über das Gefühl „trockener Augen“, von Doppelbildern oder einer Sehver- schlechterung. Ophthalmologische Befunde Ein Exophthalmus kann klinisch abgeschätzt oder mit einem Exo- phthalmometer nach Hertel quanti- fiziert werden. Der Exophthalmus kann ein- und auch beidseitig auf- treten, insbesondere ist eine Seiten- differenz von mehr als 2 mm als pa- thologisch anzusehen. In der Bildge- bung (Sonographie, Magnetreso- nanz- oder Computertomographie) lassen sich je nach Ursache eine Raumforderung oder verdickte Au- genmuskeln nachweisen. Bei einer Kompression des Sehnervs in der Orbitaspitze kommt es in ausgepräg- ten Fällen zu Farbsinnstörungen und Gesichtsfeldeinschränkungen. Bei der Differenzialdiagnose spielt das Alter des Patienten eine wichtige Rolle: Im Kindesalter über- wiegen infektiöse und neoplastische bzw. entwicklungsbedingte Orbita- veränderungen, im Erwachsenenal- ter dagegen Autoimmunerkrankun- gen, insbesondere die endokrine Or- bitopathie mit einer Häufigkeit von 47,1 Prozent [17], posttraumatische Veränderungen und Metastasen. Eine endokrine Orbitopathie kann sich auch ohne wesentlichen Exophthalmus manifestieren. Ophthalmologische Therapie Die Behandlung richtet sich nach der Ursache. Bei endokriner Orbitopathie wird lokal mit benet- zenden Tränenersatzmitteln behan- delt und falls nötig systemisch mit Steroiden. Eine Nikotinkarenz ist er- forderlich. Bei therapierefraktären, ausgeprägten Befunden kann eine orbitale Bestrahlung, eine chirurgi- sche Dekompression des Sehnervs, eine Schieloperation oder eine ope- rative Lidkorrektur erforderlich sein. Internistische Maßnahmen Da ein Exophthalmus in vielen Fällen mit einer Schilddrüsenerkran- kung assoziiert ist (M. Basedow, sel- tener Hashimoto-Thyreoiditis), ist eine diesbezügliche Abklärung und Therapie erforderlich. Typischerwei- se manifestiert sich die endokrine Orbitopathie in einem engen zeitli- chen Zusammenhang von sechs Mo- naten vor bis zu zwölf Monaten nach der Erstdiagnose einer Schilddrü- senerkrankung. Der Ausprägungs- grad der endokrinen Orbitopathie ist jedoch unabhängig von dem Schwe- regrad der Schilddrüsenerkrankung [15]. Oft betroffen sind Patienten mit Nikotinabusus. Hyposphagma Unter einem Hyposphagma ver- steht man eine Unterblutung der Bindehaut. Die Patienten schildern ein plötzlich aufgetretenes, schmerzlo- ses „rotes Auge“, gelegentlich ein leichtes Fremdkörpergefühl. Ophthalmologische Befunde und Therapie Es zeigt sich eine subkonjunkti- vale Blutung mit scharfen Rändern ohne andere Entzündungszeichen am Auge (Hyperämie oder Chemosis der Bindehaut), die die Tendenz hat, zum Limbus der Hornhaut hinzu- wandern (Abb. 1). Eine spezifische Therapie ist nicht erforderlich, in der Regel tritt eine spontane Resorption innerhalb von 7 bis 14 Tagen ein. Falls das Hypo- sphagma zu einer Benetzungsstörung der Hornhautoberfläche führt, wird mit Tränenersatzmitteln therapiert. Internistische Maßnahmen Die Anamnese gibt Hinweise auf mögliche Ursachen: Neben einem Trauma kann eine plötzliche venöse Druckerhöhung im Kopfbereich (Husten, Pressen, Erbrechen) für ein Hyposphagma verantwortlich sein. Außerdem prädisponiert hohes Al- ter, Arteriosklerose, eine systemische Antikoagulation sowie ein Hyperto- nus zu einem spontanen Hypo- sphagma. Ein rezidivierendes Auftre- ten kann in seltenen Fällen ein Hin- weis auf eine hämorrhagische Blut- dyskrasie (Thrombozytopenie, Anä- mie, Leukämie) sein. Oft findet sich keine systemische Erkrankung. Von internistischer Seite ist eine Abklä- rung und Therapieoptimierung der genannten Risikofaktoren möglich. Periphere ulzerative Keratitis und Skleritis Unter einer peripheren ulzerati- ven Keratitis versteht man einen ent- zündlich bedingten umschriebenen Substanzdefekt der peripheren Hornhaut. Als Skleritis bezeichnet man eine Entzündung der Lederhaut des Auges. Sowohl die periphere ulzerative Keratitis als auch die Skleritis sind potenziell visusbedrohende Erkrankungen. Da beide Erkrankungen in 36 Prozent der Fälle gemeinsam auftre- ten und im Rahmen der gleichen Grunderkrankungen auftreten, wer- den sie gemeinsam besprochen. Symptome Betroffene schildern ein Fremd- körpergefühl sowie eine Visusmin- derung. Bei einer ulzerativen Kerati- tis oder Skleritis im Rahmen der rheumatoiden Arthritis können die- se Beschwerden sehr diskret sein. Die Skleritis geht mit stärkeren Schmerzen einher, die schlecht auf Analgetika reagieren. Ophthalmologische Befunde Bei der peripheren ulzerativen Keratitis zeigen sich in den meisten Fällen eine Injektion der Bindehaut und ein biomikroskopisch sichtbarer Substanzdefekt der Hornhaut bis hin zur Hornhautperforation. Ein beglei- tender Reizzustand der Augenvor- derkammer ist häufig. Bei der Skleri- tis werden eine Verdickung der Skle- ra und eine umschriebene oder ge- neralisierte Injektion der episklera- len und konjunktivalen Gefäße be- obachtet. In seltenen Fällen kommt es zu einem nekrotisierenden Subs- tanzdefekt der Sklera (Abb. 2). Bei beiden Erkrankungen sind häufig zeitgleich beide Augen betroffen. Ophthalmologische Therapie Bei einer einschmelzenden Kera- titis wird wegen der Gefahr der Horn- hautperforation von Anfang an mit systemischen Glukokortikoiden be- handelt, welche bei ungenügendem Ansprechen um Cyclophosphamid, Methotrexat, Azathioprin oder Myco- phenolat Mofetil ergänzt werden [6]. Lokal können ausgeprägt Defekte oh- ne Perforation mittels eines Amnion- membrangrafts oder einer Binde- hautdeckung versorgt werden. Die Therapie der Skleritis besteht zunächst in der oralen Gabe nicht- steroidaler Antirheumatika, durch die sich aber nur in 30 Prozent der Fälle eine ausreichende Schmerzre- duktion und Entzündungskontrolle erreichen lässt. Falls sich durch diese Therapie kein ausreichender Effekt erzielen lässt, werden Glukokortikoi- de (1 mg/kg/Tag) eingesetzt und nach klinischem Befund ausgeschli- chen. In Fällen einer nekrotisieren- den Skleritis oder eines nicht ausrei- chenden Ansprechens auf die Stero- idtherapie finden Immunsuppressi- va wie Cyclophophamid unter inter- disziplinärer Kontrolle Anwendung. Bei entsprechender Anamnese ist ei- ne infektiologische Abklärung mit Lyme- und Luesserologie empfeh- lenswert. Bei Verdacht auf eine in- fektiologische Genese ist unter Um- ständen die Gewinnung einer Skle- ra- oder Hornhautbiopsie hilfreich. Internistische Maßnahmen Aus internistischer Sicht sind so- wohl die periphere ulzerative Kerati- tis als auch die Skleritis von beson- derem Interesse, da sie in mehr als der Hälfte der Fälle wegweisend für eine internistische Systemerkran- kung sein können [2]. Die häufigsten assoziierten Erkrankungen sind: rheumatoide Arthritis (18–33%), systemische Vaskulitis (7–19%, meist M. Wegener), systemischer Lupus erythemato- des (4–7%), eine entzündliche Darmerkran- kung (4–7%). Bei Patienten mit rheumatoider Arthritis beträgt die Prävalenz 6,3 Prozent [8], bei Patienten mit M. We- gener bis zu sieben Prozent [3]. Seltener ist eine Assoziation mit einer Polychondritis, einer Sarkoidose oder einer Kryoglobulinämie assoziiert. Deutlich seltener ist eine infektiöse Genese. Die häufigsten Erreger sind Treponema pallidum, Borrelia burgdorferi und Mykobakte- rien. Wegweisend für die weitere The- rapie sind die klinische Untersuchung und die Anamnese des Patienten. Die Diagnostik sollte ein rheumatologi- sches Basislabor umfassen, gegebe- Schnittstellen mit anderen Disziplinen. Von W.A. Herrmann, H. Helbig und M.A. Gamulescu Lernziele: Die Lektüre dieses Beitrags soll anhand exemplari- scher Beispiele einen Einblick in die Zusammenhänge zwischen internistischen Erkrankungen und deren Ausprägungen in der Augenheilkunde geben. Die Le- ser finden Informationen über die internistischen wie auch die ophthalmologischen Therapie- maßnahmen. Viele Augenerkrankungen treten im Rahmen von Systemerkran- kungen auf oder können Hinwei- se auf internistische Erkrankun- gen liefern. Gelegentlich ist die ophthalmologische Erkrankung die erste Manifestation eines all- gemeinen Leidens. Die zuneh- mende Spezialisierung der Fach- arztgruppen macht es immer anspruchsvoller, die Schnittstel- len zu anderen Fachrichtungen vollständig zu überschauen. Um- so wichtiger ist die interdiszipli- näre Betreuung komplexer Krankheitsbilder in Diagnostik und Therapie geworden. Zum einen sollen in einem Umfeld knapper werdender Ressourcen keine unnötigen Maßnahmen er- griffen werden und in der Diag- nostik zielgerichtet vorgegangen werden. Andererseits darf eine offensichtlich notwendige Diag- nostik nicht ausgelassen werden. Ophthalmologische Befunde – internistische Erkrankungen Abb. 1: Hyposphagma im temporalen Lidwinkel mit Ausdehnung bis zum Limbus der Hornhaut Abb. 2: Nekrotisierende Skleritis © (6) Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010 Fortsetzung auf Seite 13

Ophthalmologische Befunde – internistische Erkrankungen · und Skleritis Unter einer peripheren ulzerati-ven Keratitis versteht man einen ent-zündlich bedingten umschriebenen Substanzdefekt

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27. März 2014

12 Fortbildung

Die große Vielfalt von Assoziationenophthalmologischer Befunde mit in-ternistischen Erkrankungen kannund will diese kurze Übersicht beiWeitem nicht komplett abdecken.Im Folgenden sollen nur exempla-risch einige wichtige Beispiele ange-führt werden. Diese reichen vonharmlosen bis hin zu lebensbedro-henden Zuständen. Im Einzelfall istimmer eine enge und individuelleKommunikation zwischen Augen-arzt und Internist erforderlich, umeine optimale Diagnostik und Thera-pie für den Patienten zu erreichen.

Exophthalmus, endokrineOrbitopathie

Exophthalmus bezeichnet eineVentralverlagerung des Augapfels.

Die Patienten stellen sich entwe-der wegen der kosmetischen Verän-derung vor oder berichten über dasGefühl „trockener Augen“, vonDoppelbildern oder einer Sehver-schlechterung.

Ophthalmologische BefundeEin Exophthalmus kann klinisch

abgeschätzt oder mit einem Exo-phthalmometer nach Hertel quanti-

fiziert werden. Der Exophthalmuskann ein- und auch beidseitig auf-treten, insbesondere ist eine Seiten-differenz von mehr als 2 mm als pa-thologisch anzusehen. In der Bildge-bung (Sonographie, Magnetreso-nanz- oder Computertomographie)lassen sich je nach Ursache eineRaumforderung oder verdickte Au-genmuskeln nachweisen. Bei einerKompression des Sehnervs in derOrbitaspitze kommt es in ausgepräg-ten Fällen zu Farbsinnstörungen undGesichtsfeldeinschränkungen.

Bei der Differenzialdiagnosespielt das Alter des Patienten einewichtige Rolle: Im Kindesalter über-wiegen infektiöse und neoplastischebzw. entwicklungsbedingte Orbita-veränderungen, im Erwachsenenal-ter dagegen Autoimmunerkrankun-gen, insbesondere die endokrine Or-bitopathie mit einer Häufigkeit von47,1 Prozent [17], posttraumatischeVeränderungen und Metastasen.Eine endokrine Orbitopathie kannsich auch ohne wesentlichenExophthalmus manifestieren.

Ophthalmologische TherapieDie Behandlung richtet sich

nach der Ursache. Bei endokrinerOrbitopathie wird lokal mit benet-zenden Tränenersatzmitteln behan-delt und falls nötig systemisch mitSteroiden. Eine Nikotinkarenz ist er-forderlich. Bei therapierefraktären,ausgeprägten Befunden kann eineorbitale Bestrahlung, eine chirurgi-sche Dekompression des Sehnervs,eine Schieloperation oder eine ope-rative Lidkorrektur erforderlich sein.

Internistische MaßnahmenDa ein Exophthalmus in vielen

Fällen mit einer Schilddrüsenerkran-kung assoziiert ist (M. Basedow, sel-tener Hashimoto-Thyreoiditis), isteine diesbezügliche Abklärung undTherapie erforderlich. Typischerwei-se manifestiert sich die endokrineOrbitopathie in einem engen zeitli-chen Zusammenhang von sechs Mo-naten vor bis zu zwölf Monaten nachder Erstdiagnose einer Schilddrü-senerkrankung. Der Ausprägungs-grad der endokrinen Orbitopathie istjedoch unabhängig von dem Schwe-regrad der Schilddrüsenerkrankung

[15]. Oft betroffen sind Patienten mitNikotinabusus.

Hyposphagma

Unter einem Hyposphagma ver-steht man eine Unterblutung derBindehaut.

Die Patienten schildern einplötzlich aufgetretenes, schmerzlo-ses „rotes Auge“, gelegentlich einleichtes Fremdkörpergefühl.

Ophthalmologische Befunde undTherapie

Es zeigt sich eine subkonjunkti-vale Blutung mit scharfen Rändernohne andere Entzündungszeichenam Auge (Hyperämie oder Chemosisder Bindehaut), die die Tendenz hat,zum Limbus der Hornhaut hinzu-wandern (Abb. 1).

Eine spezifische Therapie ist nichterforderlich, in der Regel tritt einespontane Resorption innerhalb von 7bis 14 Tagen ein. Falls das Hypo-sphagma zu einer Benetzungsstörungder Hornhautoberfläche führt, wirdmit Tränenersatzmitteln therapiert.

Internistische MaßnahmenDie Anamnese gibt Hinweise auf

mögliche Ursachen: Neben einemTrauma kann eine plötzliche venöseDruckerhöhung im Kopfbereich(Husten, Pressen, Erbrechen) für einHyposphagma verantwortlich sein.Außerdem prädisponiert hohes Al-ter, Arteriosklerose, eine systemischeAntikoagulation sowie ein Hyperto-nus zu einem spontanen Hypo-sphagma. Ein rezidivierendes Auftre-ten kann in seltenen Fällen ein Hin-weis auf eine hämorrhagische Blut-dyskrasie (Thrombozytopenie, Anä-mie, Leukämie) sein. Oft findet sichkeine systemische Erkrankung. Voninternistischer Seite ist eine Abklä-rung und Therapieoptimierung dergenannten Risikofaktoren möglich.

Periphere ulzerative Keratitisund Skleritis

Unter einer peripheren ulzerati-ven Keratitis versteht man einen ent-zündlich bedingten umschriebenen

Substanzdefekt der peripherenHornhaut. Als Skleritis bezeichnetman eine Entzündung der Lederhautdes Auges.

Sowohl die periphere ulzerativeKeratitis als auch die Skleritissind potenziell visusbedrohendeErkrankungen.

Da beide Erkrankungen in 36Prozent der Fälle gemeinsam auftre-ten und im Rahmen der gleichenGrunderkrankungen auftreten, wer-den sie gemeinsam besprochen.

SymptomeBetroffene schildern ein Fremd-

körpergefühl sowie eine Visusmin-derung. Bei einer ulzerativen Kerati-tis oder Skleritis im Rahmen derrheumatoiden Arthritis können die-se Beschwerden sehr diskret sein.Die Skleritis geht mit stärkerenSchmerzen einher, die schlecht aufAnalgetika reagieren.

Ophthalmologische BefundeBei der peripheren ulzerativen

Keratitis zeigen sich in den meistenFällen eine Injektion der Bindehautund ein biomikroskopisch sichtbarerSubstanzdefekt der Hornhaut bis hinzur Hornhautperforation. Ein beglei-tender Reizzustand der Augenvor-derkammer ist häufig. Bei der Skleri-tis werden eine Verdickung der Skle-ra und eine umschriebene oder ge-neralisierte Injektion der episklera-len und konjunktivalen Gefäße be-obachtet. In seltenen Fällen kommtes zu einem nekrotisierenden Subs-tanzdefekt der Sklera (Abb. 2). Beibeiden Erkrankungen sind häufigzeitgleich beide Augen betroffen.

Ophthalmologische TherapieBei einer einschmelzenden Kera-

titis wird wegen der Gefahr der Horn-hautperforation von Anfang an mitsystemischen Glukokortikoiden be-handelt, welche bei ungenügendemAnsprechen um Cyclophosphamid,Methotrexat, Azathioprin oder Myco-phenolat Mofetil ergänzt werden [6].Lokal können ausgeprägt Defekte oh-ne Perforation mittels eines Amnion-membrangrafts oder einer Binde-hautdeckung versorgt werden.

Die Therapie der Skleritis bestehtzunächst in der oralen Gabe nicht-steroidaler Antirheumatika, durchdie sich aber nur in 30 Prozent derFälle eine ausreichende Schmerzre-duktion und Entzündungskontrolleerreichen lässt. Falls sich durch dieseTherapie kein ausreichender Effekterzielen lässt, werden Glukokortikoi-de (1 mg/kg/Tag) eingesetzt undnach klinischem Befund ausgeschli-chen. In Fällen einer nekrotisieren-den Skleritis oder eines nicht ausrei-chenden Ansprechens auf die Stero-idtherapie finden Immunsuppressi-va wie Cyclophophamid unter inter-disziplinärer Kontrolle Anwendung.Bei entsprechender Anamnese ist ei-ne infektiologische Abklärung mitLyme- und Luesserologie empfeh-lenswert. Bei Verdacht auf eine in-fektiologische Genese ist unter Um-ständen die Gewinnung einer Skle-ra- oder Hornhautbiopsie hilfreich.

Internistische MaßnahmenAus internistischer Sicht sind so-

wohl die periphere ulzerative Kerati-tis als auch die Skleritis von beson-derem Interesse, da sie in mehr alsder Hälfte der Fälle wegweisend füreine internistische Systemerkran-kung sein können [2]. Die häufigstenassoziierten Erkrankungen sind:• rheumatoide Arthritis (18–33%),• systemische Vaskulitis (7–19%,

meist M. Wegener),• systemischer Lupus erythemato-

des (4–7%),• eine entzündliche Darmerkran-

kung (4–7%).Bei Patienten mit rheumatoider

Arthritis beträgt die Prävalenz 6,3Prozent [8], bei Patienten mit M. We-gener bis zu sieben Prozent [3].

Seltener ist eine Assoziation miteiner Polychondritis, einer Sarkoidoseoder einer Kryoglobulinämieassoziiert. Deutlich seltener ist eineinfektiöse Genese. Die häufigstenErreger sind Treponema pallidum,Borrelia burgdorferi und Mykobakte-rien. Wegweisend für die weitere The-rapie sind die klinische Untersuchungund die Anamnese des Patienten. DieDiagnostik sollte ein rheumatologi-sches Basislabor umfassen, gegebe-

Schnittstellen mit anderen Disziplinen. Von W.A. Herrmann, H. Helbig und M.A. Gamulescu

Lernziele: Die Lektüre diesesBeitrags soll anhand exemplari-scher Beispiele einen Einblick indie Zusammenhänge zwischeninternistischen Erkrankungenund deren Ausprägungen in derAugenheilkunde geben. Die Le-ser finden Informationen überdie internistischen wie auch dieophthalmologischen Therapie-maßnahmen.

Viele Augenerkrankungen tretenim Rahmen von Systemerkran-kungen auf oder können Hinwei-se auf internistische Erkrankun-gen liefern. Gelegentlich ist dieophthalmologische Erkrankungdie erste Manifestation eines all-gemeinen Leidens. Die zuneh-mende Spezialisierung der Fach-arztgruppen macht es immeranspruchsvoller, die Schnittstel-len zu anderen Fachrichtungenvollständig zu überschauen. Um-so wichtiger ist die interdiszipli-näre Betreuung komplexerKrankheitsbilder in Diagnostikund Therapie geworden. Zumeinen sollen in einem Umfeldknapper werdender Ressourcenkeine unnötigen Maßnahmen er-griffen werden und in der Diag-nostik zielgerichtet vorgegangenwerden. Andererseits darf eineoffensichtlich notwendige Diag-nostik nicht ausgelassen werden.

Ophthalmologische Befunde –internistische Erkrankungen

Abb. 1: Hyposphagma im temporalen Lidwinkel mit Ausdehnung bis zumLimbus der Hornhaut

Abb. 2: Nekrotisierende Skleritis © (6) Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010

Fortsetzung auf Seite 13

27. März 2014

Fortbildung 13

nenfalls ergänzt durch radiologischeZusatzuntersuchungen.

Anteriore Uveitis, Iritis

Akute Regenbogenhautentzün-dungen manifestieren sich mit meisteinseitiger Rötung und Schmerzendes Auges. Dabei bestehen eine er-höhte Lichtempfindlichkeit und eineunterschiedlich ausgeprägte Visus-minderung.

Ophthalmologische Befunde undTherapie

Typischerweise ist die Pupilleeng (Reizmiosis), in der Vorderkam-mer finden sich Fibrin und Leuko-zyten, die Iris ist hyperämisch. Eskönnen sich Verklebungen zwischenLinse und Iris ausbilden (hintereSynechien).

In den meisten Fällen ist einelokale Steroidtherapie mit häufigerApplikation (beispielsweise stünd-lich) in Form von Augentropfen aus-reichend. Seltener wird systemischoder mit parabulbären Injektionenbehandelt. Zur Ruhigstellung desentzündeten Irismuskels und zurVerhinderung von Synechien wirddie Pupille mit Parasympatholytika(z. B. Atropin-Augentropfen) weitgestellt. Bei den seltenen infektiösbedingten anterioren Uveitidenmuss spezifisch gegen den Erregervorgegangen werden.

Internistische MaßnahmenAls ersten Schritt gilt es, eine in-

fektiöse Genese soweit möglichauszuschließen. Eine gerne überse-hene aber wichtige Differenzialdia-gnose stellt die Lues dar, die sich inbis zu 20 Prozent im Rahmen derLues II am Auge manifestiert. Bor-relien werden wahrscheinlich in ih-rer Bedeutung überschätzt. Herpes-viren können wegen ihres ubiquitä-ren Vorkommens nicht mittels sys-temischer Antikörpertiter beurteiltwerden. Hier muss im Zweifelsfallaus einer lokal aus dem Augeninne-ren gewonnen Probe entweder derAntikörpertiter ermittelt werdenoder der DNA-Nachweis mittelsPCR erfolgen.

Viel häufiger stehen Uveitidenin Verbindung mit HLA-B27-po-sitiven rheumatischen Erkran-kungen.

Rund die Hälfte der akuten Iriti-den finden sich bei HLA-B27-positi-

ven Patienten. Bei diesen wiederumlässt sich oft eine systemische Er-krankung diagnostizieren. Je nachklinischem Bild sollte nach ankylo-sierender Spondylitis (M. Bechte-rew), M. Reiter sowie Psoriasisarthri-tis oder chronischen Darmerkran-kungen (Colitis ulcerosa, M. Crohn)gefahndet werden [4].

Während sich bei den HLA-B27-positiven Iritiden typischerweise dasBild der fibrinösen Uveitis findet,sind die sog. granulomatösen Iriti-den („speckige Beschläge“ am Endo-thel der Hornhaut) mit anderen Sys-temerkrankungen wie z. B. der Sar-koidose assoziiert. So kann die ge-naue Untersuchung des Augenarztesdie Diagnostik gezielt lenken.

Retinale Vaskulitis

Die retinale Vaskulitis ist eine seh-kraftbedrohende Entzündung der re-tinalen Gefäße. Sie kann entwederisoliert auftreten, im Rahmen von in-fektiösen oder neoplastischen Ursa-chen oder in Assoziation mit systemi-schen entzündlichen Erkrankungen.

SymptomePatienten schildern eine milde

bis ausgeprägte Sehverschlechte-rung ein- oder beidseitig, ein trübes,nebeliges Sehen oder sich bewegen-de Schleier im Gesichtsfeld. Nur sehrselten berichten die Patienten überSchmerzen und ein rotes Auge.

Ophthalmologische BefundeIn der Funduskopie werden häu-

fig weißliche oder gelbliche Ein-scheidungen der Netzhautgefäße ge-funden (Abb. 3). Diese entzündlichveränderten Gefäße weisen eine ge-schädigte Blut-Retina-Schranke auf,was sich in der Fluoreszeinangiogra-phie als Extravasation des Farbstoffsentlang der Gefäße und am Sehner-venkopf zeigt. Begleitend besteht ge-legentlich ein Reizzustand des Glas-körpers sowie eine Ödembildung derRetina im Bereich der Makula, die zu-sätzlich sehverschlechternd wirkenkann.

Am häufigsten sind die Netz-hautvenen betroffen. Differenzial-diagnostisch sollten dann systemi-sche autoimmune oder granuloma-töse Erkrankungen (M. Behçet, Tu-berkulose, Sarkoidose) oder auchmultiple Sklerose oder M. Eales inErwägung gezogen werden [1].

Seltener sind retinale Arteriolenvon der Entzündung betroffen, meistim Rahmen viraler Entzündungen(Herpes-simplex-Virus, Varizella-Zos-ter-Virus, Zytomegalievirus, HIV)

oder systemischer Vaskulitiden (sys-temischer Lupus erythematodes, Po-lyarteriitis nodosa, M. Wegener,Churg-Strauss-Vaskulitis). Oft stehendann weniger die perivaskulitischenInfiltrate im Vordergrund (Ausnahmesind die ausgeprägten Gefäßeinschei-dungen bei der Zytomegalievirusvas-kulitis – „frosted branch angiitis“),sondern retinale Blutungen oder Cot-ton-Wool-Herde der Netzhaut als Zei-chen von Mikroinfarkten im Rahmeneiner okklusiven Vaskulitis. Solcheokklusiven Veränderungen könnenebenfalls sehr gut mittels Angiogra-phie dargestellt werden.

Selten können retinale Vaskuliti-den auch im Rahmen einer malignenGrunderkrankung (z. B. okulozere-brales Lymphom) auftreten, hieranmuss insbesondere dann gedachtwerden, wenn es nach initialer Besse-rung zu einer erneuten Verschlechte-rung unter Therapie kommt.

Ophthalmologische TherapieJe nach Differenzialdiagnose und

Ursache erfolgt eine systemische(und/oder lokale) Therapie mit Stero-iden zur Reduktion der Entzündung,bei vermuteter viraler Genese aucheine systemische Therapie mit Viro-statika. Im Rahmen einer okklusivenVaskulitis werden die ischämischenAreale der Netzhaut zur Vermeidungvon Neovaskularisationen mit nach-folgender Glaskörpereinblutung mit-tels Laserkoagulation verödet, umden angiogenen Stimulus zu reduzie-ren. Vor jeglicher Behandlung stehtjedoch eine möglichst komplette Ab-klärung der Ursachen.

Internistische MaßnahmenDie retinalen Vaskulitiden treten

zwar auch bei den klassischen syste-mischen Vaskulitiden auf, häufigerfindet man am Auge jedoch bei rheu-matoider Arthritis oder bei einem M.Wegener eine Skleritis (s. oben). An-dererseits manifestieren sich Erkran-kungen, die der Internist nicht mit ei-ner Vaskulitis assoziiert, wie z.B. Sar-koidose oder multiple Sklerose typi-scherweise am Auge als retinale Vas-kulitis. Wichtigste Aufgabe ist die Ab-klärung und Therapie einer mögli-chen Grunderkrankung, je nach deranhand des ophthalmologischen Be-funds vermuteten Ursache (s. oben).Weiterhin sollten die Patienten wäh-rend der immunsuppressiven Thera-pie engmaschig internistisch mitbe-treut werden.

Anteriore ischämische Optikus-neuropathie

Die anteriore ischämische Opti-kusneuropathie (AION) ist eineDurchblutungsstörung des Sehner-venkopfs in den versorgenden kurzenhinteren Ziliararterien.

Die Patienten beschreiben einenplötzlichen, schmerzlosen komplet-ten Sehverlust oder einen Schatten imGesichtsfeld.

Ophthalmologische BefundeAm Augenhintergrund zeigen

sich eine Schwellung des Sehnerven-kopfs mit unscharfer Begrenzung zurumliegenden Netzhaut (Abb. 4), gele-gentlich auch radiäre, spritzerartige

Blutungen auf dem Sehnervenkopf.Oft kommt es zu einer afferenten Pu-pillenstörung auf der betroffenen Sei-te. In der Gesichtsfelduntersuchungzeigt sich entweder ein kompletterAusfall des betroffenen Auges oderTeilausfälle im Nervenfaserverlaufder oberen oder unteren Hemisphäre.

Therapeutisch wichtig ist die Un-terscheidung der AION in eine arte-riitische sowie eine nicht-arteriiti-sche Form. Die arteriitische Formwird durch die Arteriitis temporalis(Riesenzellarteriitis, M. Horton) ver-ursacht und betrifft häufig ältere Pa-tienten. Klinische Zeichen sindKopf- und Kauschmerzen, Mattig-keit, Gewichtsverlust und eine starkerhöhte Blutsenkungsgeschwindig-keit („Sturzsenkung“).

Die nicht-arteriitische Form derAION umfasst definitionsgemäß alleanderen Ursachen einer Ischämie desSehnervenkopfs. Der Altersgipfel liegtetwas niedriger als bei der arteriiti-schen Form. Prädisponierende Fakto-ren sind eine arterielle Hypertonie,Diabetes mellitus, Dyslipoproteinä-mien, Nikotinabusus sowie die nächt-liche arterielle Hypotension [19].

Ophthalmologische TherapieBei Verdacht einer Arteriitis tem-

poralis erfolgt sofort eine hoch do-sierte systemische Steroidtherapieund baldmöglichst eine Biopsie derA. temporalis zur histologischen Di-agnosesicherung. Die therapeuti-schen Möglichkeiten bei der nicht-arteriitischen AION beschränkensich auf die Therapie der internisti-schen vaskulären Risikofaktoren.Versuche, mittels isovolämischerHämodilution die Durchblutunggünstig zu beeinflussen oder durchSteroidgabe eine Reduktion derSchwellung des Sehnervenkopfs zuerreichen, zeigten widersprüchlicheErgebnisse. Auch Thrombozytenag-gregationshemmer, Antikoagulan-zien oder Vasodilatatoren haben bis-

lang keine überzeugenden Ergebnis-se gebracht [10].

Internistische MaßnahmenDie Steroide werden langsam in

Abhängigkeit von Laborparameternund Klinik ausgeschlichen, in einigenFällen ist eine lebenslange Erhal-tungsdosis notwendig. Ohne Behand-lung droht ein Sehverlust des Partner-auges innerhalb von Tagen und Wo-chen, der jedoch auch in bis zu 17Prozent der Fälle trotz bereits einge-leiteter Therapie eintreten kann [14].Bezüglich der nicht-arteriitischenAION sollten von internistischer Seitenach Möglichkeit die oben genanntenvaskulären Risikofaktoren behandeltund eingestellt werden.

Retinaler Arterienverschluss

Verschlüsse der retinalen Arte-rien manifestieren sich als plötzli-cher einäugiger Sehverlust, wenn dieZentralarterie betroffen ist, oder alsplötzlich auftretender Schatten bzw.Ausfall, den der Patient in seinemGesichtsfeld wahrnimmt, wenn nurein Ast der retinalen Arterie ver-schlossen ist.

Ophthalmologische Befunde undTherapie

Die betroffene Arterie erscheintdünn, das abhängige Netzhautarealist minderperfundiert und die nor-malerweise transparente Netzhautwird weißlich opak. Gelegentlich istein Embolus in der Arterie am Au-genhintergrund sichtbar (Abb. 5).

Eine evidenzbasierte Standard-therapie für arterielle Verschlüsseder Netzhaut existiert nicht [5, 10].Eine Senkung des Augendrucks me-dikamentös oder durch eine Vor-derkammerparazentese sowiedurch Bulbusmassage zur Verbesse-

Fortsetzung von Seite 12

Fortsetzung auf Seite 14

Abb. 5: a) Arterienastverschluss der Netzhaut mit weißlicher Verfärbung im Be-reich der ödematösen Netzhaut in der oberen Fundushälfte. Embolus in derArterie sichtbar (Pfeil) b) Die Fluoreszeinangiographie desselben Auges zeigtverminderte Perfusion der Netzhaugefäße in der oberen Fundushälfte

Abb. 4: Augenhintergrund eines Patienten mit anteriorer ischämischerOptikusneuropathie mit blässlich-geschwollenem Sehnervenkopf

Abb. 3: Augenhintergrund eines Patienten mit Gefäßeinscheidungen undBlutungen bei retinaler Vaskulitis

27. März 2014

14 Fortbildung

rung des effektiven Perfusions-drucks wird versucht. Die systemi-sche oder lokale Lysetherapie ha-ben sich wegen des Risikoprofilsund des fehlenden Wirksamkeits-nachweises nicht durchgesetzt.

Internistische MaßnahmenIm Vordergrund stehen die Diag-

nostik und ggf. medikamentöse Ein-stellung kardiovaskulärer Risikofak-toren, weniger zur Therapie des aku-ten Ereignisses als zur Reduktion desRisikos anderer Gefäßverschlüsse.

Nach möglichen Emboliequellen(Echokardiographie) und Stenosengrößerer Gefäße (Doppler-Untersu-chung der Karotiden) sollte gesuchtwerden. Bei jüngeren Patienten (< 50Jahren) wird eine ausführliche Ge-rinnungsdiagnostik empfohlen [11].Beim Zentralarterienverschluss oh-ne Embolus muss auch an das Vor-liegen einer Riesenzellarteriitis ge-dacht werden.

Retinaler Venenverschluss

Unter einer Zentralvenenokklu-sion versteht man den Verschlussder V. centralis retinae. Häufiger sindVerschlüsse von Seitenästen (Vene-nastokklusion).

Patienten mit einer Zentralve-nenthrombose berichten über eineeinseitige, zunehmende Visusmin-derung über Stunden bis Wochen.Patienten mit einem Venenastver-schluss berichten über einen all-mählich aufgetretenen Schatten imGesichtsfeld.

Ophthalmologische Befunde undTherapie

Am Augenhintergrund zeigensich neben einem Netzhautödemdilatierte Netzhautvenen, Blutungenund sogenannte Cotton-wool-Herde,welche Infarkte der Nervenfaser-schicht anzeigen. Über Monate kön-nen sich Neovaskularisationen derNetzhaut und der Iris ausbilden, dieneben rezidivierenden Blutungenauch zu einer Rubeosis iridis mit ei-nem schmerzhaften Sekundärglau-kom führen können.

Ein Ödem der Netzhautmitte alsFolge eines venösen Verschlusseswird durch Injektionen mit Anti-VEGF-Medikamenten oder Kortiko-steroiden in den Glaskörperraumbehandelt [7].

Eine signifikante Verbesserungdes Makulaödems bei venösen Ver-schlüssen kann auch durch die In-jektion eines Dexamethason Im-plantates (Ozurdex®) in den Glaskör-perraum erzielt werden [21]. Wegender Gefahr eines Anstiegs des Au-geninnendruckes sind hierbei je-doch regelmäßige Augeninnen-druckkontrollen notwendig.

Bei Venenastverschlüssen, je-doch nicht bei den Zentralvenen-verschlüssen, zeigte sich ein signifi-kanter Effekt der fokalen Laserko-agulation auf das Makulaödem. Is-chämien der Netzhaut werden zurVermeidung von Neovaskularisa-tionen und eines schmerzhaftenSekundärglaukoms mittels panreti-naler Laserkoagulation behandelt[13].

Internistische MaßnahmenÜber 90 Prozent der Betroffenen

sind zum Zeitpunkt der Thrombose50 Jahre oder älter. Obwohl die Er-krankung „Thrombose“ genanntwird, korreliert sie im Allgemeinenmit arteriellen und nicht mit venö-sen Risikofaktoren [18].

Die wichtigsten Risikofaktorenfür eine Zentralvenenthrombosesind arterieller Hypertonus undDiabetes mellitus

Bei jüngeren Patienten stellen ei-ne Polycythaemia vera, Vaskulitidenund eine Thrombophilie zusätzlicheRisikofaktoren dar. Die Einnahmeoraler Kontrazeptiva wird immerwieder im Zusammenhang mit Zent-ralvenenthrombosen diskutiert.

Um mögliche Risikofaktoren zuerkennen und zu behandeln, sollteneben einem Routinelabor inklusiveHämatokrit eine internistische Ab-klärung bezüglich Hypertonus undDiabetes mellitus erfolgen.

Bei fehlenden Risikofaktorenund jungen Patienten empfiehlt sicheine Thrombophiliediagnostik. Füreine systemische Anitikoagulationmit Cumarinderivaten, Clopidogreloder Acetysalicylsäure zur positivenBeeinflussung des Krankheitsver-laufs am betroffenen Auge oder zurProtektion des Partnerauges gibt eskeine ausreichende Evidenz.

Fundus hypertonicus

Veränderungen des Augenhin-tergrunds im Rahmen eines arteriel-len Hypertonus sind am Auge imAllgemeinen asymptomatisch. Aller-dings kann der Augenarzt bei derRoutineuntersuchung des Fundusauf entsprechende Veränderungenstoßen. In schweren Fällen könnenjedoch auch Visusminderungendurch Makulaödem oder Papillen-ödem auftreten.

Ophthalmologische Befunde undTherapie

Die klassischen frühen Fundus-veränderungen wie Kupferdraht-oder Silberdrahtarterien beschreibeneine Wandverdickung der retinalenArteriolen. Die Arterien sind eher enggestellt und die Venen dilatiert. DieseVeränderungen sind nicht sehr spezi-fisch und finden sich auch bei ande-ren älteren Patienten mit „Gefäßskle-rose“. Cotton-wool-Herde (Abb. 6a),als Ausdruck von Kapillarverschlüs-sen und Mikroinfarkten der Nerven-faserschicht, sowie Netzhautblutun-

gen kommen ebenfalls nicht nurbeim arteriellen Hypertonus vor. Inschweren Fällen mit Papillenödemund Makulaödem gehört der „malig-ne Hypertonus“ zu den wichtigen Dif-ferenzialdiagnosen. Eine lokale oderspezifisch ophthalmologische Be-handlung der Fundusveränderungenist nicht notwendig.

Internistische MaßnahmenBei entsprechender ophthalmo-

logischer Befundkonstellation wirdauch ein Augenarzt das Blutdruck-messgerät zur Hand nehmen. Auf je-den Fall ist eine Weiterleitung anden Internisten zur weiteren Diag-nostik und Einleitung der Therapieerforderlich. Nach erfolgreicher me-dikamentöser Therapie des Hyperto-nus können sich auch die Verände-rungen am Augenhintergrund wie-der bessern. Retinale mikrovaskuläreVeränderungen korrelieren mit arte-riellem Hypertonus sowie koronarerHerzkrankheit und Schlaganfall undkönnen zur Einschätzung der Gefäß-status herangezogen werden [20].

Diabetische Retinopathie

Im Allgemeinen sind diabetischeNetzhautveränderungen in den frü-hen Stadien asymptomatisch. AlsZufallsbefund können sie aberdurchaus auffallen.

Ophthalmologische Befunde undTherapie

Die ersten sichtbaren Verände-rungen am Augenhintergrund beider diabetischen Retinopathie sindMikroaneurysmen (milde nicht-pro-liferative Form). Bei der mäßigen di-

abetischen Retinopathie kommenNetzhautblutungen, harte Exsudate(Ablagerungen von Lipiden und Pro-teinen in der Netzhaut als Ausdruckder Schrankenstörung der Kapilla-ren) und Cotton-wool-Herde hinzu.Intraretinale mikrovaskuläre Ano-malien, Venenkaliberschwankun-gen, präretinale Gefäßproliferatio-nen und das Makulaödem sind Aus-druck der fortgeschritteneren diabe-tischen Mikroangiopathie [16].

In Frühstadien der diabetischenRetinopathie ist keine spezifischeTherapie am Auge erforderlich. Spä-ter kann eine Lasertherapie der Netz-haut erforderlich werden [12]. EinMakulaödem im Rahmen der diabeti-schen Netzhauterkrankung wird sta-diengerecht entweder mit der Injekti-on von Anti-VEGF-Medikamenten inden Glaskörperraum [22] oder eineLaserkoagulation behandelt.

Internistische MaßnahmenBei an Typ-1-Diabetes Erkrank-

ten treten vor Diagnosestellung desDiabetes keine Fundusveränderun-gen auf, da die Erkrankung frühSymptome macht und dann raschdiagnostiziert wird. Hier kann dieFundusuntersuchung aber im Lang-zeitverlauf Hinweise auf die genera-lisierte Entwicklung der Mikroangio-pathie liefern.

Bei Typ-2-Diabetes ist der Er-krankungsbeginn schleichend undder Diabetes wird oft erst nach vie-len Jahren diagnostiziert. Daher fin-den sich bei sorgfältigen augenärztli-chen Untersuchungen in bis zu 20Prozent der Fälle schon diabetischeFundusveränderungen zum Zeit-punkt der Diagnosestellung des Dia-betes. Einerseits kann eine zufälligeEntdeckung im Rahmen einer Routi-nefundusuntersuchung Mikroaneu-rysmen und Blutungen aufzeigen,die dann eine gezielte Diabetesdiag-nostik nach sich ziehen. Anderer-seits gibt das Vorliegen von diabeti-schen Netzhautveränderungen ei-nen Hinweis auf eine wahrscheinlichschon länger bestehende diabeti-sche Stoffwechsellage.

Essenziell ist die möglichst guteBlutzucker- und gegebenenfalls Blut-druckeinstellung. Nicht vergessenwerden sollte die mindestens jährli-che Augenuntersuchung aller Diabe-tiker, um behandlungsbedürftige Au-genveränderungen rechtzeitig zu ent-decken und zu behandeln.

Verfasser:W.A. HerrmannKrankenhaus Barmherzige Brüder,Klinik für Augenheilkunde, Regens-burg, DeutschlandH. Helbig, M.A. GamulescuKlinik und Poliklinik für Augenheil-kunde, Universität Regensburg,Deutschland

Ärztlicher Fortbildungsanbieter:Medizinische Universität Graz,Universitäts-Augenklinik,Auenbruggerplatz 4, 8036 Graz

Lecture Board:o.Univ.-Prof. Dr. Andreas WedrichMedizinische Universität Graz,Universitäts-Augenklinik, Auenbrug-gerplatz 4, 8036 GrazUniv.-Prof. Dr. Wolfgang RadnerÖsterreichische Akademie fürAugenheilkunde und OptometrieMollgasse 11, 1180 Wien

Aktualisierte Fassung des in derFachzeitschrift Internist , © SpringerVerlag 2010, erschienenen Original-artikels.

� Die Literaturhinweise finden Sieauf www.springermedizin.at.

Abb. 6: a) Fundus hypertonicus mit multiplen „Cotton-wool-Herden“. b) Dasselbe Auge nach Einstellung des Blutdrucks

Fortsetzung von Seite 13

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Ophthalmologische Befunde kön-nen auf verschiedenste Systemer-krankungen hinweisen, die einerengen Zusammenarbeit zwischendem Augenarzt und dem Internis-ten bedürfen:• Ein Exophthalmus ist in vielen

Fällen mit einer Schilddrüsener-krankung assoziiert ist, sodasseine diesbezügliche Abklärungund Therapie erforderlich ist.

• Eine Unterblutung der Binde-haut ist meist harmlos, prädis-ponierende Faktoren wie Hyper-tonus oder hämorrhagische Er-krankungen sollten jedoch v. a.bei rezidivierendem Auftretenabgeklärt werden.

• Die periphere ulzerative Keratitisund die Skleritis sind potenziellvisusbedrohende Erkrankungen,die in mehr als der Hälfte derFälle wegweisend für eine inter-nistische Systemerkrankung wieeine rheumatoide Arthritis oder

systemische Vaskulitis sind.• Bei akuten Regenbogenhautent-

zündungen müssen zunächst in-fektionsbedingte Formen (Lues,Borrelien) ausgeschlossen wor-den. Häufiger ist die Uveitis je-doch mit HLA-B27 positivenrheumatischen Erkrankungenassoziiert.

• Bei retinaler Vaskulitis kann an-hand des ophthalmologischenBefunds eine zugrunde liegendeErkrankung wie eine systemi-sche Vaskulitis, aber auch eineSarkoidose oder multiple Skle-rose vermutet werden, hier soll-te die Diagnostik und Therapieinterdisziplinär abgesprochenwerden.

• Die anteriore ischämische Opti-kusneuropathie kann einerseitsdurch eine Arteriitis temporalisverursacht sein, die einer ra-schen Diagnosesicherung mit-tels Biopsie und sofortiger Ste-

roidtherapie bedarf. Bei nicht-arteriitischen Formen sind voninternistischer Seite vaskuläreRisikofaktoren abzuklären.

• Bei retinalem Arterienverschlusssind kardiovaskuläre Risikofak-toren, mögliche Emboliequellenund Stenosen größerer Gefäßeabzuklären, bei Patienten ‹50Jahren wird eine Gerinnungsdia-gnostik empfohlen.

• Ähnlich sollte bei retinalemVenenverschluss neben einemRoutinelabor inklusive Hämato-krit eine internistische Abklärungbezüglich Hypertonus und Dia-betes mellitus erfolgen, beifehlenden Risikofaktoren undjungen Patienten eine Thrombo-philiediagnostik.

• Sowohl beim Fundus hyperton-icus als auch bei diabetischerRetinopathie ist die Behandlungder Grundkrankheit von primärerBedeutung.

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