31
ensemble vinorosso Rolf Becker Raoul Schrott Thomas Strässle Edoardo Albinati Verena von Koskull Thomas Streipert Federico Italiano Margarida Vale de Gato Marko Pogaˇ car Mareike Greb Ivana Nevesinjac Michael Kegler Marko Dini ´ c Jaroslav Rudi ˇ s Christian Berkel Rui Zink Ilma Rakusa Jan Koneffke Maike Albath Roberto Cotroneo Annette Kopetzki Annette Knoch Géraldine Schwarz Thomas Schmid Janne Teller Ulrike Draesner Marica Bodroˇ zi´ c SAID Yamen Hussein Leila Chammaa András Forgách Nick Thorpe Timea Tankò Jürgen Keimer 21.››25. 8. 2019

osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico ... · osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico Italiano o aˇc r eb esinjac ler o Dini´c v Rudiˇs el Rui Zink

  • Upload
    others

  • View
    3

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico ... · osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico Italiano o aˇc r eb esinjac ler o Dini´c v Rudiˇs el Rui Zink

ensemble vinorosso Rolf Becker Raoul Schrott Thomas Strässle Edoardo Albinati Verena von Koskull Thomas Streipert Federico Italiano Margarida Vale de Gato Marko Pogacar Mareike Greb Ivana Nevesinjac Michael Kegler Marko Dinic Jaroslav RudisChristian Berkel Rui Zink Ilma Rakusa Jan Koneffke Maike AlbathRoberto Cotroneo Annette Kopetzki Annette Knoch Géraldine Schwarz Thomas Schmid Janne Teller Ulrike Draesner Marica BodrozicSAID Yamen Hussein Leila Chammaa András Forgách Nick Thorpe Timea Tankò

Jürgen Keimer

21. ››25. 8. 2019

Page 2: osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico ... · osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico Italiano o aˇc r eb esinjac ler o Dini´c v Rudiˇs el Rui Zink

Liebe Gäste des Internationalen Literaturfestes Poetische Quellen, immer schon haben Menschen sich Geschichten erzählt, um die Welt besser begreifen zu können, um ihr »Hineingeworfensein« ins Leben entziffern und möglichst einen Sinn daraus erlesen zu können. Mit »Die Lesbarkeit der Welt« haben sich die Poetischen Quellen in ihrer 18. Ausgabe deshalb den gleichnamigen Buchtitel des Philosophen Hans Blumenberg zum Motto gemacht. Für ihn war »Lesbarkeit« weit mehr als nur eine Metapher für Erfahrung. Sie ist eine Möglichkeit, die für ihn mit dem Wunsch einhergeht, »auf die Beherrschung der Natur zu verzichten, um ihre Vertraulichkeit zu gewinnen, die wahren Namen der Dinge zu kennen statt nur die exakten Formeln für ihre Herstellung.« Die Suche nach dieser Möglichkeit ist der Beweggrund für Literatur, die mit ihren existentiellen Fragen nach dem Was, das wir wissen wollen und dem Was, das wir erhoffen dürfen zwischen den Zeilen immer auf den mythischen Ursprung unseres Weltverständnisses verweist. Damit zeigt Literatur, dass die Erfahrungen, Anschauungen und Erkenntnisse aus Büchern nicht in Rivalität zu Welterfahrung stehen müssen. Vielmehr sind sie der Speicherort von Welt, die dem Menschen helfen, sich in seinem Verhältnis zur Welt und ihrer Vielfalt zu orientieren, um »Ja« zum Leben sagen zu können. Da diese wichtige Form der Erfahrung von Literatur heute immer mehr verloren zu gehen droht, beziehen die Poetischen Quellen mit dem Motto Stellung für eine erneute »Alphabetisierung« des Lebens, die sich gegen den »Absolutismus der Wirklichkeit« [Blumenberg] wendet. Es geht darum, das Sich-Mitteilen-Können und das Verstehen auf der Grundlage einer ethischen Universalität wieder neu zu erlernen, denn die Lesbarkeit der Welt meint auch das aktive Teilnehmen an der Welt. In seinem Buch »Arbeit am Mythos« stellt Hans Blumenberg am Ende die provokante Frage: »Weshalb sollte die Welt fortbestehen müssen, wenn nichts mehr zu sagen ist?« An dieser Stelle komme ich auf das nebenstehende Zitat von Ágnes Heller zurück, die eine begeisterte Leserin war und wusste, dass gute Literatur ihre Geschichten aus innerer Notwendigkeit immer weiter erzählt, ohne auf einen Zeitgeist zu achten, auch dann, »wenn niemand zuhört«. Dieses immer Weiter der Literatur ist die stille Antwort auf Blumenbergs Gedanken: »Wie aber, wenn doch noch etwas zu sagen wäre?« Als Plädoyer für Literatur als eine durch nichts anderes ersetzbare Form von Welterkenntnis und Reflexion, sind und bleiben die Poetischen Quellen der Ort für das, was noch zu sagen wäre; ein Ort, der gleichzeitig die darin immer auch enthaltende Notwendigkeit der Unangepasstheit verteidigt, was Ágnes Heller sehr gefreut hätte. Michael Scholz Künstlerische Leitung

1

Jedes einzelne Leben, noch so klein und unbedeutend, ist die Welt. Arnold Stadler

© Peter Hübbe

In Erinnerung an Ágnes Heller »Ich hingegen habe bis zum heutigen Tag das Gefühl, dass es sich lohnt, seine Meinung zu sagen, sogar wenn niemand zuhört.« Ágnes Heller 12.05.1929 – 19.07.2019

Page 3: osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico ... · osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico Italiano o aˇc r eb esinjac ler o Dini´c v Rudiˇs el Rui Zink

MI, 21.08.

DO, 22.08.

FR, 23.08.

SA, 24.08.

SO, 25.08.

2

Inhalt Eintrittspreise

Informationen

Begrüßung Eintrittspreise/Informationen Programm im Überblick Zum Auftakt Konzert-Lesung mit dem ensemble vinorosso und Schauspieler Rolf Becker Offizielle Eröffnung/Autorenbegegnung I Raoul Schrott und Thomas Strässle Poetische Quellen am Colon-Sültemeyer-Brunnen Raoul Schrott Edoardo Albinati Der Lyrik-Abend/Autorenbegegnung II Federico Italiano, Marko Pogacar und Margarida Vale de Gato Lesungen und Gespräche am Nachmittag Marko Dinic Jaroslav Rudis Christian Berkel Rui Zink Tischgespräch I Ilma Rakusa und Jan Koneffke Autorenbegegnung III Maike Albath, Roberto Cotroneo, Annette Knoch und Michael Scholz Literaturgottesdienst Das Sonntagsgespräch – Forum für Demokratie Géraldine Schwarz, Thomas Schmid und Janne Teller Lesungen und Gespräche am Nachmittag Ulrike Draesner Marica Bodrozic Tischgespräch II SAID und Yamen Hussein Zum Schluss/Autorenbegegnung IV András Forgách und Nick Thorpe Moderationen Sprecher und Übersetzer KinderBuchLand Übernachtungen/Impressum Partner und Förderer

3

1 3

4–5

6–11

12–13

16 17

18–19

20 21 22 23

26–27

28–33

35 36–40

42 43

44–45

46–47

48 49–51

52–53

55

Eintrittspreise MI, 21. 08. Musikalisch-Literarische Auftaktveranstaltung [19.30 Uhr] 15,- DO, 22. 08. Eröffnung: Autorenbegegnung I [19.30 Uhr] 10,- FR, 23. 08. Poetische Quellen am Colon-Sültemeyer-Brunnen [15.00 Uhr] frei Der Lyrik-Abend: Autorenbegegnung II [19.30 Uhr] 10,- SA, 24. 08. Lesungen + Tischgespräch I [13.30 –19.30 Uhr] 11,- Autorenbegegnung III [20.15 Uhr] 10,- Tageskarte Samstag 18,- SO, 25. 08. Das Sonntagsgespräch [11.30 Uhr] 07,- Lesungen + Tischgespräch II [14.00 –17.30 Uhr] 10,- Autorenbegegnung IV [18.00 Uhr] 18,- Tageskarte Sonntag 21,- Dauerkarte [alle Veranstaltungen] 60,- Schüler, Studenten und Sozialhilfe-Empfänger erhalten mit gültigem Ausweis 3 Euro Rabatt auf alle Eintritts-preise. Empfänger von Arbeitslosenhilfe Stufe II bezahlen mit Nachweis 1 Euro pro Veranstaltung. Veranstaltungshinweise Die Veranstaltungen finden – soweit nicht anders angegeben – auf der Naturbühne oder im Literatur- zelt des AQUA MAGICA-Parkes statt. Einmal gelöste Karten können nicht zurückgenommen werden. Programmänderungen sind nicht beabsichtigt, dem Veranstalter jedoch vorbehalten. Sie berechtigen nicht zur Rückgabe der Karten. Büchertische mit einer umfangreichen Auswahl der Werke der eingeladenen Gäste stehen zur Ver-fügung. Die Autorinnen und Autoren signieren dort. Gastronomisches Angebot R & R ausgesuchte Weine, Löhne HEROLD’s Café & Biergarten im Aqua Magica-Park Informationen Tel.: +49 0160 6103535 // www.poetischequellen.de Aktuelle Hinweise entnehmen Sie bitte auch den Tageszeitungen. Büchertisch Buchhandlung Fritz Scherer Paul-Baehr-Straße 4 // 32545 Bad Oeynhausen Tel.: +49 [0]5731 22194 E-Mail: [email protected] // www.buchscherer.de

Page 4: osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico ... · osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico Italiano o aˇc r eb esinjac ler o Dini´c v Rudiˇs el Rui Zink

5

Programm im Überblick

4

Programm im Überblick

Ev. Auferstehungskirche

am Kurpark/Bad Oeynhausen 19:30, Einlass ab 19:00

19:30, Einlass ab 19:00

Colon-Sültemeyer-Brunnen 15:00 16:00

Ev. Auferstehungskirche am Kurpark/Bad Oeynhausen

19:30, Einlass ab 19:00

13:30 14:30 15:30 16:30

18:00

20:00, Einlass ab 19:30 10:00 11:30, Einlass ab 11:15 14:00 15:00 16:30 18:30

ZUM AUFTAKT Weltsichten – Eine Konzert-Lesung Mit: Ensemble Vinorosso unter der Leitung von Florian Stubenvoll Sprecher: Rolf Becker, Moderation: Jürgen Keimer Offizielle Eröffnung der Poetischen Quellen 2019 AUTORENBEGEGNUNG I Die Lesbarkeit der Welt – Im Wald der Fakes und Fiktionen Mit: Raoul Schrott und Thomas Strässle Moderation: Jürgen Keimer POETISCHE QUELLEN AM COLON-SÜLTEMEYER-BRUNNEN Raoul Schrott Eine Geschichte des Windes Edoardo Albinati Die Katholische Schule Gesprächsübersetzung: Verena von Koskull, Sprecher: Thomas Streipert, Moderation: Jürgen Keimer DER LYRIK-ABEND – AUTORENBEGEGNUNG II Mit: Federico Italiano, Marko Pogacar, Margarida Vale de Gato Sprecher: Thomas Streipert und Mareike Greb Gesprächsübersetzung: Ivana Nevesinjac und Michael Kegler Moderation: Jürgen Keimer LESUNGEN UND GESPRÄCHE AM NACHMITTAG Die Lesbarkeit der Welt Moderationen: Jürgen Keimer Marko Dinic Die guten Tage Jaroslav Rudis Winterbergs letzte Reise Christian Berkel Der Apfelbaum Rui Zink Die Installation der Angst Gesprächsübersetzung: Michael Kegler Sprecher: Thomas Streipert und Mareike Greb Pause TISCHGESPRÄCH I Buchstabenmeere und Reibungshorizonte Mit: Ilma Rakusa und Jan Koneffke Moderation: Jürgen Keimer Pause

AUTORENBEGEGNUNG III Auf den Schultern von Riesen

Mit: Maike Albath, Roberto Cotroneo, Annette Knoch und Michael Scholz

Sprecher: Thomas Streipert und Mareike Greb Gesprächsübersetzung: Annette Kopetzki

Moderation: Jürgen Keimer

LITERATURGOTTESDIENST Lebensbücher: Janne Teller Nichts. Was im Leben wichtig ist

Pause

DAS SONNTAGSGESPRÄCH – FORUM FÜR DEMOKRATIE

Wie halten wir es mit Europa? Mit: Géraldine Schwarz, Thomas Schmid, Janne Teller

Moderation: Jürgen Keimer

Pause

LESUNGEN UND GESPRÄCHE AM NACHMITTAG Die Lesbarkeit der Welt

Moderationen: Jürgen Keimer

Ulrike Draesner Der Kanalschwimmer Marica Bodrozic Poetische Vernunft im Zeitalter gusseiserner Begriffe

Pause

TISCHGESPRÄCH II

Salam Yamen – Lieber SAID Mit: SAID und Yamen Hussein

Sprecherin: Mareike Greb, Gesprächsübersetzung: Leila Chammaa Moderation: Jürgen Keimer

Pause

ZUM SCHLUSS: AUTORENBEGEGNUNG IV

Wirklichkeiten und Identitäten im europäischen Strom der Geschichte

Mit: András Forgách und Nick Thorpe Sprecher: Thomas Streipert und Mareike Greb,

Gesprächsübersetzung: Timea Tankò, Moderation: Jürgen Keimer

MI, 21.08.

DO, 22.08.

SA, 24.08.

SO, 25.08.

FR, 23.08.

KinderBuchLand im Erzählzelt

13:30 – 17:30

Märchenerzählung Kinderbuchvorstellung

Kinderbetreuung

Programm s. S. 53

KinderBuchLand im Erzählzelt 13:30 – 17:30 Märchenerzählung Kinderbuchvorstellung Kinderbetreuung Programm s. S. 53

SA, 24.08.

Page 5: osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico ... · osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico Italiano o aˇc r eb esinjac ler o Dini´c v Rudiˇs el Rui Zink

›Poetische Quellen‹ in der Auferstehungskirche am Kurpark Lesungen, Konzerte und Ausstellungen

Page 6: osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico ... · osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico Italiano o aˇc r eb esinjac ler o Dini´c v Rudiˇs el Rui Zink

ensemble vinorosso Violine Maja Hunziker [Schweiz] Kirsten Werner [Deutschland] Martin Ihle [Deutschland] Viola Kristina Heide [Russland] Violoncello Olga Minskaya [Weißrussland] Kontrabass Natalie Plöger [Deutschland] Querflöte/Piccolo Yuko Hattori [Japan] Oboe/Englischhorn Vera Isabell Volz [Deutschland] Klarinette Beate Funk [Deutschland] Florian Stubenvoll [Deutschland]

21.08. 19:30

Das ensemble vinorosso und Rolf Becker präsentieren »Weltsichten« Musik und Literatur eröffnen Sichten auf die Welt Mit dem Programm »Weltsichten« nähert sich das ensemble vinorosso unter seinem künstlerischen Leiter Florian Stubenvoll bei der Auftaktveranstaltung des 18. Internationalen Literaturfestes Poetische Quellen der heute fast nur negativ besetzten Berichterstattung über Flüchtlinge, Ausländer, Integration im Zusammenhang mit Europa auf eine entschieden andere, gänzlich positive Art: klang-voll, unbefangen und ohne Berührungsängste werden hier die Unterschiede und die Vielfalt gefeiert. Ein Wechselspiel aus Musik und Literatur lädt das Publikum dazu ein, aus verschiedenen Pers-pektiven auf die Welt zu blicken und lässt »Fremdes« durch den Zauber der Melodie und Dichtkunst als anregend und anziehend erleben. Die Musikerinnen und Musiker des international besetzten Ensembles leben es vor: ein angst-freies, friedliches Miteinander in unserer demokratischen Gesellschaft, geprägt vom Reichtum der Verschiedenheit, gegenseitiger Neugier und Respekt. Mit dem Programm »Weltsichten« bringt das Ensemble eine bejahende Haltung vor allem gegenüber dem Wert der gegenseitigen Anerkennung auf die Bühne. Geographisch nimmt die Musik Weisen vom Mittelmeer über den Balkan bis zur Schwarzmeer-Region auf. Florian Stubenvoll hat die Stücke für dieses Programm so arrangiert und komponiert, dass die Töne in wundervollem Einklang zu den professionell gelesenen Textpassagen stehen. Der bekannte Schauspieler und Sprecher Rolf Becker trägt eindringlich und pointiert Auszüge namhafter, international bekannter Schriftstellerinnen und Schriftsteller vor. Die Textauswahl wurde gemeinsam von Rolf Becker und Michael Scholz, dem künstlerischen Leiter der Poetischen Quellen, speziell für die 18. Ausgabe eingerichtet, dessen Motto in diesem Jahr »Die Lesbarkeit der Welt« lautet. Es werden unter anderem Texte von Nazim Hikmet, Italo Calvino, Jannis Ritsos; John Berger, Ingeborg Bachmann, Pier Paolo Pasolini, Etel Adnan, Fuad Rifka, Giorgios Seferis, Gioconda Belli und SAID zum Klingen und zu Gehör gebracht. Im Zusammenklang mit den Musikstücken stellen die ausgewählten Texte – mal schwungvoll und mitreißend, mal heiter und gefühlvoll, mal melancholisch und nachdenklich, aber immer ange-messen – jede einseitige Sicht auf die Welt und das Leben ebenso geistreich wie unterhaltsam in Frage. »Ein Konzert mit ›vinorosso‹ ist wie ein Augenöffner für das Essentielle im Leben. […] ›vinorosso‹ schafft es immer und überall, die Menschen zurück zu ihren Wurzeln zu bringen. Dorthin, wo Werte wie Liebe, Toleranz und Herzlichkeit zählen, wo man einander zuhört und gemeinsam feiert – unab-hängig vom kulturellen Hintergrund. […] ›vinorosso‹ sprengt Schubladen. Streicher, Bläser und Schlagzeuger feiern hier eine große Party mit Folklore, Klassik, Balkan- und Weltmusik … Ob heiter oder melancholisch, Lebensfreude ist in allen Stücken zu finden.« [Christine Dick, Lippische Landes-Zeitung]

98

Zum Auftakt

Fagott Prof. Bernhard Wesenick [Deutschland] Horn Adam Lewis [England] Piano Eva Schüttler [Deutschland] Bajan-Akkordeon Miroslav Grahovac [Serbien] Percussion Yoana Varbanova [Bulgarien] Mike Turnbull [England] Leitung Florian Stubenvoll

Auferstehungskirche am Kurpark/32545 Bad Oeynhausen/Einlass: 19:00 In Zusammenarbeit mit Kulturreferat »KuK!« des Kirchenkreises Vlotho

Zum Auftakt

© Alona Weber

21.08. 19:30

Page 7: osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico ... · osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico Italiano o aˇc r eb esinjac ler o Dini´c v Rudiˇs el Rui Zink

»Weltsichten« Musik und Literatur eröffnen Sichten auf die Welt Rolf Becker Mit seiner sonoren Stimme und den strahlend blauen Augen gehört Rolf Becker zu den bekanntesten deutschen Schauspielern und Synchronsprechern. 1935 in Leipzig geboren, wächst Becker in der entbehrungsreichen Zeit des Zweiten Weltkriegs auf. Seine Schauspielausbildung erhielt er auf der Otto-Falckenberg-Schule in München. 1971 kommt er ans Deutsche Schauspielhaus in Hamburg, wo er seitdem lebt. Durch sein Engagement hier und später am Thalia Theater avancierte Becker schnell zu einem der gefragtesten Theaterschauspieler und feierte bald auch Erfolge in Film und Fernsehen. Er spielte unter so bekannten Regisseuren wie Edgar Reitz, Peter Zadek und Volker von Schlöndorff (z.B. in Die verlorene Ehre der Katharina Blum). In den bekannten historischen Fernsehmehrteilern der 70er- und 80-Jahre verkörpert er Friedrich den Großen in Die merkwürdige Lebensgeschichte des Friedrich Freiherrn von der Trenck oder den Oberst Piccolomini in der Wallenstein-Verfilmung mit Rolf Boysen. Seit 2006 stellt er in der ARD-Serie In aller Freundschaft den gutmütigen Rentner Otto Stein dar. Daneben arbeitet er immer wieder allein oder mit anderen Künstlern als Sprecher und Vorleser. Unermüdlich ist Rolf Becker auch politisch und sozial engagiert. Er forderte zur Solidarität mit den Griechen auf, unterstützt den Kampf der Kurden gegen Vertreibung und Vernichtung und setzt sich für die Lampedusa-Flüchtlinge in Hamburg ein. Seit 2016 ist er als Rezitator bei den Poetischen Quellen zu erleben, wo er 2017 auf ergreifende Weise Roger Willemsen Zukunftsrede Wer wir waren vortrug und im vergangenen Jahr mit beein-druckender Klangfarbe zunächst während der Eröffnung aus den Tagebüchern des Literaturnobel-preisträgers Imre Kertész rezitierte und dann zum Abschluss in einer Deutschlandpremiere erstmals aus dem Roman Den Himmel finden des italienischen Schriftstellers Erri De Luca las. Florian Stubenvoll Der Klarinettist Florian Stubenvoll, 1973 in Süddeutschland geboren, ist der künstlerische Kopf des ensemble vinorosso. 2003 schloss er an der Hochschule für Musik Detmold sein Konzertexamen »mit Auszeichnung« ab. Dank seines außerordentlichen Könnens wurde er mit vielen Preisen und Stipen- dien ausgezeichnet. Als Solist spielte er mit zahlreichen namhaften Orchestern zusammen. Da ihn die klassische abendländische Weltmusik allein nicht ausfüllte, gründete er im Jahr 2004 den inter- national besetzten Weltmusik-Klangkörper ensemble vinorosso, mit dem er seitdem eigene Kompo-sitionen und Arrangements verwirklicht und bereits zahlreiche CDs eingespielt hat.

10

21.08. 19:30

21.08. 19:30

11

Rolf Becker Schauspieler und Rezitator

Zum Auftakt

Zum Auftakt

Page 8: osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico ... · osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico Italiano o aˇc r eb esinjac ler o Dini´c v Rudiˇs el Rui Zink

Die Lesbarkeit der Welt – Im Wald der Fakes und Fiktionen

DiLesbarkeit der Welt – Im Wald der Fakes und Fiktionen Raoul Schrott trifft Thomas Strässle Moderation: Jürgen Keimer

»Dieser Satz ist falsch. Er kann nur dann falsch sein, wenn er auch wahr ist. Selbst wenn er gelogen wäre, würde er immer noch eine Wahrheit ausdrücken. Sie haben daher keine Veranlassung, diesem Satz zu glauben. Dennoch tun Sie es: sobald Sie ihn lesen. Ich bin kein Lügner, aber ich schreibe. Und alles Geschriebene wird geglaubt, und sei es nur, um die Lüge darin zu entdecken.« Martin Schneitewind, An den Mauern des Paradieses Versucht man, ein Foto des 1945 in Straßburg geborenen deutsch-französischen Autors Martin Schneitewind zu finden, erscheinen unter Google vor allem Bilder der beiden Schriftsteller Michael Köhlmeier und Raoul Schrott. Das ist einerseits verständlich, denn Michael Köhlmeier, der während der Studienzeit kurz zusammen mit Schneitewind in einer WG gelebt hatte, wurde dessen einziger Roman von seiner Witwe während der Frankfurter Buchmesse 2015 mit der Bitte angeboten, bei der Veröffentlichung zu helfen. Raoul Schrott schließlich wurde von Köhlmeier gefragt, ob er den Roman übersetzen könne, da Schneitewind seinen Roman auf Französisch geschrieben hatte. Dennoch fragt man sich, weshalb nicht ein einziges Bild von Schneitewind existiert und so hat der Roman schließ-lich auch einige Literaturkritiker dazu veranlasst, über seine Echtheit zu spekulieren oder sie schlicht- weg zu bestreiten. Zur Handlung des Buches: Am Persischen Golf sollen kurz nach dem Ersten Weltkrieg Tontafeln entdeckt worden sein, die den Schöpfungsmythos um den Garten Eden neu beleuchten. Der kana- dische Orientalist David Ostrich fliegt im Auftrag einer Zeitung in den Nahem Osten, um über den Fund zu berichten. Die Fundstätte liegt im Gebiet eines riesigen Dammbaus, der von dem geheim-nisvollen Thaut geleitet wird, dessen Tochter verschwunden ist. Ostrich soll helfen, sie wiederzu-finden, weil er andernfalls keinen Zutritt zu den Tontafeln erhält. In einer Mischung verschie-

12

Eröffnung Autorenbegegnung I 22.08.

19:3022.08. 19:30

dener literarischer Genres – Beschreibung, Bericht, innerer Monolog etc. – wird diese »Detektiv- geschichte« erzählt, die zudem noch Verweise auf aktuelle Problematiken wie Migrationsbewegun-gen, autoritäre Regierungsformen und Mauerbau enthält. Raoul Schrott spricht in diesem Zusam-menhang auch von den »prophetischen Dimensionen eines zehn Jahre alten Romans«, dessen Quellen zugegebenermaßen Fragen aufwerfen. »Was ist der Realitätsanspruch, den Literatur stellt? Weil eines ist klar: Ein Buch ist etwas anderes als Fake News […]. Was für eine Art von Schwindel stellt Literatur dar? Dieses Buch demonstriert es eigentlich auf eine sehr gute Art und Weise, indem es in einem Paralleluniversum spielt.« [Raoul Schrott bei einer Veranstaltung mit Michael Köhlmeier im Literaturhaus München] Zur Person des Schriftstellers Raoul Schrott: siehe Seite 16. Thomas Strässle Buch: Fake und Fiktion. Über die Erfindung von Wahrheit Der 1972 geborene schweizerische Literaturwissenschaftler und Flötist Thomas Strässle ist einem breiten Publikum im deutschsprachigen Raum vor allem bekannt durch seine Auftritte im »Litera-turclub«, der auf 3sat ausgestrahlt wird. Als Publizist ist er vor allem durch seinen leichtfüßigen Essayband über den Begriff der Gelassenheit mit seinem gleichnamigen Buch 2013 hervorgetreten. Der Untertitel hieß: Über eine andere Haltung zur Welt. Man darf vermuten, dass er zu einer anderen Haltung zur Welt auch mit seinem jüngsten Buch anspornen möchte. Wenigstens zu einer anderen Haltung dem Fake gegenüber. Aber nicht nur aus aktuellem Anlass – dem Dauerbeschuss unserer Lebenswelt durch Fakes nicht nur in den digitalen Medien – widmet er sich deshalb der »Erfindung von Wahrheit« in seinem Buch Fake und Fiktion. Als Literaturwissenschaftler weiß er, dass es gerade seine Disziplin ist, die die längste Erfahrung in der Beschäftigung mit faktionalen wie fiktionalen Wahrheiten und Wirk-lichkeiten besitzt. Deshalb kommt sein ebenso kurzweiliges wie wissendes Buch in einer Zeit, in der Fakes immer öfter den Status von Glaubwürdigkeit für sich beanspruchen, gerade recht. Gründlich und umfassend – hier möchte man »endlich einmal!« rufen – erklärt er die Herkunft und Wortbe-deutung[en] des Begriffes »Fake«. Dabei zeigt er mit aufschlussreichen Rückgriffen auf die Anfänge des Nachdenkens über die Aufgaben und Ziele der Dichtkunst mit Blick auf die Erzählung von Wahr-heit und Wirklichkeit bei Platon und Aristoteles, dass ein Fake zwar immer Elemente der Fiktion ent-hält, umgekehrt eine Fiktion in der Regel aber ganz andere Ziele verfolgt als ein Fake: Während der Fake mit ausgezeichneter Kenntnis über seinen Gegenstand um seine Fälschung weiß und darauf aus ist, den Adressaten zu manipulieren, um ihn mit einer eindimensionalen Meinung eine be-stimmte eingrenzende Sicht auf die Wirklichkeit einzuimpfen, appelliert die Fiktion an die Freiheit des Menschen und fordert ihn geradezu auf, die Vielheit des Lebens in den Blick zu nehmen, um unterschiedliche Möglichkeiten und Wahrscheinlichkeiten gegeneinander abzuwägen. »Jeder Fake ist eine Form von Fiktion oder hat zumindest Anteil am Fiktiven. Umgekehrt gilt dieser Satz nicht. Nicht jede Fiktion ist auch eine Form von Fake. Es gibt viele Formen der Fiktion [Märchen, Fabeln, Parabeln, …], die keinerlei Anspruch erheben, als faktisch zu gelten, wie der Fake es immer tut.« [Thomas Strässle, ›Fake und Fiktion‹]

13

Eröffnung Autorenbegegnung I

© Peter-Andreas Hassiepen © privat

Page 9: osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico ... · osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico Italiano o aˇc r eb esinjac ler o Dini´c v Rudiˇs el Rui Zink

›Poetische Quellen‹ am Colon-Sültemeyer-Brunnen Lesungen und Gespräche

Page 10: osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico ... · osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico Italiano o aˇc r eb esinjac ler o Dini´c v Rudiˇs el Rui Zink

23.08. 16:00

Eduardo Albinati stellt seinen Roman Die katholische Schule [2018] vor. Gesprächsübersetzung: Verena von Koskull [s. S. 50] Deutsche Lesung: Thomas Streipert [s. S. 49] Der Schriftsteller, Drehbuchautor und Journalist Edoardo Albinati wurde 1956 in Rom geboren. Er wuchs im Quartier Trieste auf und be-suchte das katholische Gymnasium San Leone Magno, beides wichtige Handlungsorte in seinem großen Roman Die katholische Schule, für den er 2016 den wichtigsten italienischen Literaturpreis, den Premio Strega bekam. Im Mittelpunkt des Romans steht ein Ver-brechen am Monte Circeo, der sich zwischen Rom und Neapel ins Mittelmeer schiebt. Hier wurden Ende September 1975 zwei Mädchen im Alter von siebzehn und neunzehn Jahren in einer Villa von zwei jungen Männern gequält und vergewaltigt. Ein Mädchen kam dabei zu Tode. Die Täter waren ehemalige Schüler des Gymnasiums San Leone Magno, Mitschüler von Albinati, der seinen Roman als ein umfassendes Gesellschaftspanorama Italiens der 1970er Jahre anlegt, aber weit darüber hinaus in die Aktualität des heutigen Italiens hineinschreibt, das mit seinen gesellschaftlichen Problemen als Synonym für viele Länder stehen kann. Bei der Preisvergabe des Premio Strega sagte Albinati, der nebenher seit über zwanzig Jahren Strafgefangene im römischen Gefängnis von Rebibbia unterrichtet, dass Literatur für ihn die Aufgabe der Offenlegung habe. Mehr als neun Jahre schrieb er an dem Roman: »Neun Jahre, um mich zu fragen: Wie komme ich einem Übel auf die Spur, das zu mir gehört?« Diese Frage stellt sich der Er-zähler im Buch nicht nur biographisch, sondern auch mit Blick auf eine Gesellschaft, als deren größ-tes Problem er die Krise der männlichen Identität betrachtet. Es ist diese Krise, die sich auf alle anderen zwischenmenschlichen Bereiche zunächst negativ auswirkt: Auf die Beziehung zwischen Lehrern und Schülern, auf die Entwicklung des Bürgertums – vor allem mit Blick auf die faschistische Vergangenheit Italiens –, auf die Veränderungen der Normen und Werte der Familie vor dem Hin-tergrund der Gleichgültigkeit und Tyrannei des Marktes, auf den Umgang mit Sexualität und auf das Dilemma einer durch die Zwänge von Technik und Konsum völlig überforderten Generation, die mit-tels einer verlogenen und heuchlerischen Regierung schnell wieder faschistoide Züge annehmen kann – hier reicht ein Blick auf den derzeitigen italienischen Innenminister. »Albinati spart nichts aus. Sein Roman bietet unterhaltende Porträts von Lehrern, regelrechte Novel-len, Genrebilder der bürgerlichen Familie, […], Bibelkunde, Traumsequenzen, Auszüge aus Tagebü-chern, Liebesgeschichten mit saftigen Sexszenen, Aphorismen, Scheidungsdramen, Listen von Filmen und sogar Kurzkritiken literarischer Werke. Er lässt seinen Protagonisten, der den Namen und etliche Eckdaten mit dem Autor teilt, alles aufbieten, was sich erzählen lässt. Das Ergebnis ist ein manischer innerer Monolog und einer der aufregendsten Romane der vergangenen Jahre.« [Maike Albath, DIE ZEIT]

17

Poetische Quellen am

Colon-Sültemeyer-Brunnen

© Marco Delogu

16

Poetische Quellen am

Colon-Sültemeyer-Brunnen 23.08. 15:00

Bad Oeynhausen-Innenstadt/am Colon-Sültemeyer-Brunnen

Deutschlandweite Buchpremiere

Raoul Schrott stellt seinen neuen Roman Die Geschichte des Windes oder Von dem deutschen Kanonier der erstmals die Welt umrundete und dann ein zweites und ein drittes Mal [2019] vor. Vor 500 Jahren stach der portugiesische Seefahrer Fernando De Ma-gellan mit einer Flotte von fünf Schiffen in See, um im Auftrag des spanischen Königs die Gewürzinseln der Molukken für das kastilische

Königreich zu erobern. Dabei entdeckte er als erster die an der Südspitze Südamerikas gelegene Durchfahrt vom atlantischen in den pazifischen Ozean, die spätere Magellan-Straße. Magellans Ziel war es nicht, die Erde zu umrunden, was er selbst auch nicht schaffte, da er auf den Philippinen starb. Ein Teil seiner Flotte aber kehrte nach Spanien zurück. Darunter befand sich ein deutscher Kanonier, Hannes aus Aachen, dessen abenteuerliche Geschichte Raoul Schrott in seinem neuen Roman mit schwelgerischer Lust an der pikaresken, mal derben, mal gestelzten Sprache des Schel-menromans erzählt, der im 16. Jahrhundert in Europa aufkam. Herkömmlich handelt es sich dabei um eine meist fingierte Autobiographie. In diesem Fall hat Schrott der ebenso ereignisreichen wie tollkühnen Geschichte des Hannes von Aachen nachgespürt, der gleich zweimal die Erde umrundete, bevor er bei der dritten Umsegelung den Tod fand. »Ich habe Ihnen hier eine Welt zu erschaffen versucht, sie enthält einen Großteil dessen, was man sich wünschen kann, Meere, Seen, Länder […], die gewohnte und den Karneval der ver-kehrten Welt, das Burleske und Groteske, die menschliche Komödie, die höher einzuschätzen ist als die Tragödie, denn das Lachen fällt tiefer herab als jede Fallhöhe«, sagte Schrott vor Jahren in seiner Antrittsrede an der Sternwarte der ETH Zürich. Es liest sich wie ein vergangener Kommentar zu seinem opulenten Roman über diesen Simplicissimus der Seefahrt, der alles erlebte, was man sich von Abenteuerromanen als Jugendlicher erhofft hatte: Meutereien, Schiffbrüche, Kämpfe, erotische Abenteuer auf Südseeinseln, Menschenfresserei. Raoul Schrott, geboren 1964, wuchs in Tunis und Landeck/Österreich auf. Er studierte Lite-ratur und Sprachwissenschaft. Unter seinen vielen Veröffentlichungen befinden sich neben Romanen und Lyrikbänden auch Übersetzungen, Essay und Anthologien. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen und ist Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Bei den Poetischen Quellen war er zuletzt 2016 mit seinem literarisch-naturwissenschaftlichen Projekt Erste Erde Epos zu Gast. »Nachprüfbar ist jedenfalls die Chronik der Ereignisse, die auf den drei ersten Weltumsegelungen, an denen der Hannes aus Aachen beteiligt war, verzeichnet wurde. Um sie – und auch die Umstände der Zeiten, die Sitten und Gebräuche – wiederzugeben, war schon einiges an Recherche nötig, […]. Aber auch das macht das Vergnügen des Schreibens aus: Die Geschichte an sich für die Geschichte zu entdecken, die man schreibt.« [Raoul Schrott über seinen neuen Roman]

© Peter-Andreas Hassiepen

Bad Oeynhausen-Innenstadt/am Colon-Sültemeyer-Brunnen

Page 11: osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico ... · osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico Italiano o aˇc r eb esinjac ler o Dini´c v Rudiˇs el Rui Zink

23.08. 19:30

Federico Italiano, 1976 in der norditalienischen Gemeinde Galliate geboren, ist gemeinsam mit dem deutschen Lyriker Jan Wagner Her-ausgeber der im März erschienen europäischen Gedichtsammlung Grand Tour. In dieser großangelegten Übersicht der jungen Lyrik Europas versammeln die beiden Herausgeber 423 Dichterinnen und Dichter aus 49 Ländern und zeigen damit eindrucksvoll die stimmhafte Vielfalt, die Europa im Kern ausmacht. Federico Italiano ist seit 2016 als Senior Researcher an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften tätig. Außerdem ist er Übersetzer, Essayist, Literaturkritiker, Redakteur bei der italieni-schen Zeitschrift für Literatur Atelier und selbst auch Lyriker, der zu den anerkanntesten zeitgenössischen Dichtern Italiens zählt. Margarida Vale de Gato wurde 1973 im südportugiesischen Vendas Novas in der Region Alentejo geboren. Obwohl sie seit ihrem sech-zehnten Lebensjahr Gedichte veröffentlicht, erschien ihr erster Ge-dichtband Mulher ao mar [dt. Frau über Bord] erst 2010. Die Frau, das Meer und die Liebe sind wiederkehrende Motive in ihren Gedichten, von denen drei – Alice, Ricardo und Nuno – extra für die Poetischen Quellen ins Deutsche übersetzt wurden. Hinter der oft irreführenden Einfachheit und Leichtigkeit ihrer Verse verbergen sich jedoch häufig Zitate und Anspielungen auf andere Schriftsteller. Seit 2007 lehrt sie Amerikanistik und Literaturübersetzung an der Universität Lissabon. Zudem hat sie aus dem Englischen und Fran-zösischen so bekannte Autoren wie Lewis Carroll, Charles Dickens, Mark Twain, Vladimir Nabokov, Allen Ginsberg, Alice Munro, George Sand, Nathalie Sarraute und René Char übersetzt. Marko Pogacar wurde 1984 im kroatischen Split geboren. In seinen kraftvollen und sinnlichen Gedichten, die inzwischen in über 20 Spra-chen übersetzt wurden, wandert Pogacar durch Geschichte, Popkultur, Philosophie und Alltagsbeobachtungen, um sich die Welt begreifbar zu machen und die Gegenwart zu verstehen. Bei Veranstaltungen trägt er seine Gedichte mit einer derartigen Begeisterung vor, dass seine Rezitationen oft musikalische Qualität erreichen. »Marko Pogacar ist ein Wunder. Es ist nicht völlig klar, wer er ist, wer ihn ersonnen hat und warum, es ist nur offensichtlich, dass er da ist, unabkömmlich«, schrieb der slowenische Lyriker Tomaz Salamun über seinen jungen Dichterkollegen.

19

Der Lyrik-Abend Autorenbegegnung II

Grand Tour – Eine Reise durch die junge Dichtung Europas Mit: Federico Italiano, Margarida Vale de Gato und Marko Pogacar Gesprächsübersetzungen: Ivana Nevesinjac und Michael Kegler [s. S. 50/51] Deutsche Lesung: Thomas Streipert und Mareike Greb [s. S. 49] Musikalische Begleitung: Tim Gärtner [s. S. 35] Buch: Grand Tour – Reisen durch die junge Lyrik Europas [2019] »Vielleicht ist die uralte, … immer noch bemerkenswert lebendige Form des Gedichts nicht das schlechteste Mittel um festzustellen, an welchem Punkt des Weges hin zu jenem Ort oder Zustand, zu einem idealen Europa, wir uns befinden. Vielleicht können gerade im Gedicht, diesem keineswegs unzeitgemäßen Sprachkunststück, die gegenwärtigen Ängste, Hoffnungen, Erwartungen Europas wie unter einem Brennglas sichtbar werden.« Federico Italiano und Jan Wagner im Vorwort zur Grand Tour Die Gedichtsammlung Grand Tour wird von der Veranstaltungsreihe Europa im Gedicht begleitet, die in 13 europäischen Städten Halt macht, um gemeinsam mit Dichterinnen und Dichtern, die in der Sammlung vertreten sind, das Gespräch zwischen den vielfältigen Stimmen der europäischen Dich-tung in der persönlichen Begegnung mit dem Publikum vor Ort fortzuführen. Gedichte sprechen uns dann an, wenn sie in uns einen Raum öffnen, in dem wir gleichzeitig selbst stehen und auf uns schauen können. Ein solcher Raum bedarf der Stille und wird durch die Klarheit, die Anschaulichkeit, die Schönheit und den Klang der Sprache errichtet, die damit ein Gefühl der Offenheit hervorzurufen vermag. Eine Offenheit, die sowohl Zweifel als auch Freude, Anstrengung als auch Leichtigkeit, Nachdenklichkeit als auch Gelassenheit, Erinnerung als auch Vergessen, ein Gespür für die Vergangenheit als auch ein Hoffen auf Zukünftiges in sich vereint. Die Räume, die uns Gedichte offenbaren, sind also keine Räume des Entweder – Oder. Es sind Sprach-räume der Vieldeutigkeit, der Verschiedenheit und damit der Vervielfältigung unseres eigenen Lebens, die uns die Freiheit lassen, in ihnen zu lesen, was wir wollen. Es sind Sprachräume, die keine Zäune errichten, sondern stattdessen das Vertrauen auf unsere alles überbrückende Vorstel-lungskraft einfordern. Damit schaffen 26 Buchstaben – in manchen Sprachen mehr, in manchen we-niger –, geformt zu Verszeilen, heutzutage offenbar viel mehr als die Europäische Union mit ihren 28 Mitgliedsstaaten imstande ist zu vollbringen: nämlich der Vielheit zu vertrauen und die Unterschiede in den möglichen Lesarten des Lebens als Gewinn für das eigene Leben zu betrachten. Denn die einzige Nation, die es gibt, ist das Zusammenleben aller. Vielleicht kann man dies auch als »poetische Vernunft« bezeichnen, der Dichterinnen und Dichter aus ganz Europa zum Ausdruck verhelfen wollen. Dichter wie Margarida Vale de Gato, Marko Pogacar und auch Federico Italiano sind dafür beispielgebend.

18

Der Lyrik-Abend Autorenbegegnung II 23.08.

19:30

Auferstehungskirche am Kurpark/32545 Bad Oeynhausen/Einlass: 19:00 In Zusammenarbeit mit der Ev. Kirchengemeinde Bad Oeynhausen-Altstadt

© mueck-fotografie

© Casa De Mateus

© Nikola Kupresanin

Page 12: osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico ... · osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico Italiano o aˇc r eb esinjac ler o Dini´c v Rudiˇs el Rui Zink

24.08. 14:30

Die Lesbarkeit der Welt Jaroslav Rudis stellt seinen Roman Winterbergs letzte Reise [2019] vor. »…, die Eisenbahner sind die einzigen wahren Europäer, die Eisen-bahner und die Eisenbahnmenschen«, heißt es im letzten Viertel von Winterbergs letzte Reise, dem jüngsten Roman des tschechischen Schriftstellers Jaroslav Rudis. Dort angekommen, weiß der Leser, was gemeint ist, denn in den gut 400 Seiten davor wurde er auf eine turbulente Eisenbahnreise quer durch Mitteleuropa und seine Geschichte mitgenommen, die nach wie vor auch die Gegenwart dieser wunderschönen mitteleuropäischen Landschaft ausmacht, einer Landschaft aus Schlachtfeldern, Friedhöfen und Ruinen, wie es immer wieder im Buch heißt. »Heut-zutage hören wir überall in Europa – in Tschechien, Polen, Ungarn, auch in Deutschland: Wir müssen zu unserer eigenen Geschichte zurückkehren, uns nur um uns, nicht um die anderen kümmern. Aber wenn man über die Geschichte von Mitteleuropa nachdenkt, kann man sie nur als Ganzes ansehen. Man kann das nicht trennen«, sagt Rudis in einem Interview. Die Trennung von der Geschichte gelingt auch Wenzel Winterberg nicht, diesem 99jährigen Greis, der im Sterben zu liegen scheint aber plötzlich in den Händen des Altenpflegers Jan Kraus wieder ins Leben zurückkehrt und diesen darum bittet, ihn auf seine letzte Reise zu begleiten. Die Reise zieht sich dann durch den ganzen eindrucksvollen, von melancholisch-humorvollen Geschich-ten und von tragischer Geschichte gesättigten Roman. Es geht »Von Königgrätz nach Sadowa«, »Von Budweis nach Winterberg«, »Von Wien nach Brünn«, »Von Zagreb nach Sarajevo« – und die Fahrt geht viele Kapitelüberschriften so weiter. Die Reiseroute gibt der Baedecker von Österreich-Ungarn aus dem Jahr 1913 vor, aus dem Winterberg seinem Sterbebegleiter seitenlang bis zur Erschöpfung vorliest. Schnitzel und Bier sind dabei die Hauptnahrungsmittel, die vorzugsweise in Bahnhofs- restaurants eingenommen werden. Für Winterberg ist die Reise die Suche nach seiner jüdischen Jugendliebe Lenka Morgenstern, die aus der Tschechoslowakei vor den Nazis floh und deren letztes Lebenszeichen aus Sarajevo stammte. Für Kraus wird die Reise zu einer Suche nach sich selbst. Jaroslav Rudis, 1972 in der tschechischen Stadt Turnov geboren, wollte selbst Eisenbahner werden. Eine Sehschwäche verhinderte dies, also studierte er Deutsch und Geschichte in Liberec, Zürich und Berlin und arbeitet heute als Schriftsteller, Drehbuchautor, Dramatiker und Musiker. 2018 wurde er mit dem Preis der Literaturhäuser ausgezeichnet. »Winterbergs letzte Reise ist ein großer europäischer Roman. Wie ein Pilzgeflecht wuchert die jahr-hundertealte, von Kriegen bestimmte Geschichte im Boden dieses Kontinents. […] Aber Rudis bleibt der böhmische Reisende seiner früheren Romane und findet dabei wieder einen sehr eigenen Ton. Es geht auch ums Biertrinken, um die Liebe, um Melancholie, um Musik und um Trottel, deren Leben allemal einen literarischen Blick verdienen. Was für ein Lesevergnügen!« [Joachim Dicks, NDR Kultur]

21

Lesungen und Gespräche

am Nachmittag

© Peter von Felbert

Die Lesbarkeit der Welt

Marko Dinic stellt seinen Roman Die guten Tage [2019] vor. »Ich weiß sogar noch das Datum des Tags, an dem ich angefangen habe zu schreiben. Das war am 24. März 2009. Das ist der Jahrestag des Bombardements auf Serbien 1999«, sagte Marko Dinic im Radio-interview. Die guten Tage, das waren für den Erzähler in Dinic Roman die Tage der Kindheit in der serbischen Hauptstadt Belgrad vor dem

Bombardement und vielleicht auch noch eine kurze Zeit im Anschluss daran. Dann zerfällt die kind-liche Naivität und gleichzeitig die ganze serbische Gesellschaft, die von ihren Führern seit dem Zu-sammenbruch Jugoslawiens mit genügend Angst versorgt wurde, um ihre Feindbilder in Anti- semitismus und ethnischem Nationalismus auszumachen und in Aggressivität und Selbsthass zu ersticken. Der Ich-Erzähler in Dinic Debütroman hat das gleiche Alter wie der Autor. Gleich auf den ersten Seiten des Romans lässt er verlauten: »Ich wusste wenig von Kultur. Ich wurde zu einer Zeit geboren, als die Kultur sich anschickte, die Gebiete des ehemaligen Jugoslawien zu verlassen.« Das gleiche macht dann auch der Erzähler: Er verlässt Belgrad und bricht nach Wien auf, um aus einer Existenz zu fliehen, die geprägt war – und immer noch geprägt wird – vom Hass auf eine Väter- generation, für dessen nostalgischen Opportunismus, verlogener Ideologie und »faschistoiden Widersprüche« er nur noch Ekel empfindet. Die Handlung des Romans setzt ein, als der Erzähler im »Gastarbeiterexpress«, einem billigen Reisebus, aus Wien zurück nach Belgrad fährt, um an dem Begräbnis seiner geliebten und verstor-benen Großmutter teilnehmen zu können. Die eigene Zerrissenheit und die Vergangenheit lassen ihn weder auf der Busfahrt in sein ehemaliges Leben noch in Belgrad los, von dem Dinic nebenbei ein unverblümt-gegenwärtiges Stadtporträt zeichnet. Auf dem Begräbnis der Großmutter trifft er schließlich auf seine Familie. Hin und hergeworfen zwischen der unerbittlichen Wut auf den Vater und der Sehnsucht, irgendwo anzukommen, ahnt er, dass dies vielleicht niemals der Fall sein wird. »Serbien und die Länder des ehemaligen Jugoslawien sind im Roman eine Blaupause für das übergeordnete Thema des Nationalismus und des Hasses, der durch diesen Nationalismus geschürt und geöffnet wird«, sagt Marko Dinic, der 1988 in Wien geboren wurde, seine Kindheit und Jugend aber in Belgrad verbrachte. 2008 ging er nach Salzburg und studierte dort Germanistik und Jüdische Kulturgeschichte. Dinic, der auf Deutsch schreibt, lebt heute in Wien. »Ein Buch mit heißem Atem und Sogwirkung. Geschrieben in einer mitreißenden Sprache, voller frecher Sprüche, toller Bilder und derber Direktheit. Ein Debüt, das glüht und leuchtet und das uns von einem Leben erzählt, von dem die meisten von uns keine Ahnung haben.« [Alfred Pfoser, Literatur und Kritik, Salzburg]

20

Lesungen und Gespräche

am Nachmittag 24.08. 13:30

© Leonhard Pill/Zsolnay

Page 13: osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico ... · osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico Italiano o aˇc r eb esinjac ler o Dini´c v Rudiˇs el Rui Zink

2322

24.08. 16:30

Die Lesbarkeit der Welt Rui Zink stellt seinen Roman Die Installation der Angst [2016] vor. Gesprächsübersetzung: Michael Kegler [s. S. 51] Deutsche Lesung: Thoms Streipert und Mareike Greb [s. S. 49] »Guten Tag, […]. Wir kommen, um die Angst zu installieren.« Mit dieser Begrüßung lässt der portugiesische Schriftsteller Rui Zink sein virtuoses literarisch-satirisches Kammerstück beginnen, bei dem zwei von der Regierung geschickte Installateure – der wortgewandte Büro- krat Carlos und der stillere Handwerker Sousa – vor der Türschwelle einer alleinstehenden Frau auf-tauchen, um ihr die unabdingbare Notwendigkeit eines festen Einbaus der Angst in ihrer Wohnung [und ihrer Seele] für das weitere Funktionieren der kapitalistischen Gesellschaft zu erklären, zu der sie ein staatlicher Erlass verpflichte: »Für das Allgemeinwohl ist unerläßlich, daß die Angst zügig und korrekt installiert wird und fristgerecht in Betrieb geht.« Es folgt eine furiose Wortkaskade, in der vor allem Carlos mit einem Monolog in Ausmaßen eines Thomas Bernhard versucht, die Frau zu verunsichern und sie mit geradezu kafkaesken Bildern von den »Märkten«, der »Wirtschaft«, der »Welt da draußen«, dem »Wettbewerb«, den »strukturellen Reformen«, dem »Benchmarking«, dem »Downsizing«, den »finanztechnischen Innovationen«, der »Flexibilisierung«, dem »Terrorismus« usw. usw., die nichts weiter als Floskeln sind, einzuschüchtern. Beunruhigt wartet der Leser auf die endgültige Frage in goebbelscher Manier aus Carlos Mund: »Wollt ihr die totale Angst?« Aber die alleinstehende Frau kommt am Ende dieser Frage zuvor und wendet das Blatt, weil sie aus einem bestimmten Schutzinstinkt heraus aufhört, sich die Angst weiterhin einreden zu lassen. Dennoch ist Die Installation der Angst »nicht weniger als der täglich aktueller werdende Roman zur Zeit«, wie der Übersetzer Michael Kegler schreibt. Rui Zink, 1961 in Lissabon geboren, galt in den frühen 1980er Jahren durch seine ungewöhn-lichen Manifestationen in der Straßentheatergruppe Felizes da Fé als künstlerischer Provokateur. Sein schriftstellerisches Debüt feierte er 1986 mit dem Roman Hotel Lusitano, der rasch zum Kult-buch wurde. Mitte der 1990er Jahre wurde er einem breiten Publikum durch seine zahlreichen Auf-ritte in der satirischen Fernsehsendung A noite da má língua bekannt. Dadurch und durch seine mehr als 40 Bücher genießt er in Portugal den Ruf eines scharfzüngigen Lästerers, der sich immer wieder in öffentliche Debatten einmischt. Seit Jahren lehrt er an der Lissaboner Universität portu-giesische Literatur und kreatives Schreiben. »Ja, eigentlich ist ›Die Installation der Angst‹, wie Rui Zink seine Novelle nennt, schon längst erfolgt. Aber hier geht es nicht um Gespenster, Wölfe oder Spinnen, sondern um das, was man alltäglich in der Zeitung lesen, auf den Straßen hören kann. Der Roman spielt in Portugal, aber beim Lesen läuft es einem kalt den Rücken herunter,wie entlarvend der Text auch für die hiesige Wirklichkeit ist.« [Irmtraut Guschke, Neues Deutschland]

Lesungen und Gespräche

am Nachmittag

© Francisco de Almeida

Die Lesbarkeit der Welt

Christian Berkel stellt seinen Roman Der Apfelbaum [2018] vor. Im Mai 2017 bekam der Philosoph Rüdiger Safranski den Ludwig-Börne-Preis. Alleiniger Preisrichter für die Auszeichnung war Christian Berkel, der auch die Laudatio hielt. Darin kam er auf die Einsamkeit zu sprechen und sagte: »Die Rede ist von der Fremdheit in uns, von den inneren Grenzen, die wir errichten, um nicht die süße Anstren-

gung unternehmen zu müssen, mit uns selbst bekannt zu werden.« In seinem ersten Roman unter-nimmt Berkel diese Anstrengung, wobei das Gefühl der Fremdheit bei ihm im Alter von sechs Jahren im Garten unter einem Apfelbaum erwacht als er von den jüdischen Wurzeln seiner Familie erfährt. Der Anlass, vor Jahren mit Nachforschungen zur Familiengeschichte und schließlich mit dem Schrei-ben zu beginnen, war der Drang, die inneren Grenzen zu überwinden, um sich mit der Empfindung des Fremdseins im eigenen Leben auseinanderzusetzen. Wie bei so vielen liegt der Grund dieser Empfindung auch bei Christian Berkel in der eigenen Familie begründet. Die hat es allerdings in sich bei ihm und hätte nicht nur zu einem Roman, sondern wohl auch zu einem Film genug Stoff geboten. Berkel erzählt seine Familiengeschichte über drei Generationen. Im Mittelpunkt stehen seine 1919 geborene Mutter Sala Nohl und sein 1915 geborener Vater Otto Berkel. Beide begegnen sich 1932 zum ersten Mal und verlieben sich ineinander. Während der Zeit des Nationalsozialismus muss Sala aus Deutschland fliehen. Nach dem Zweiten Weltkrieg emigriert sie nach Argentinien. Otto wird Soldat, kommt an die Ostfront und kehrt erst 1950 aus russischer Kriegsgefangenschaft zurück. 1955 treffen sich beide in Berlin wieder und heiraten. 1957 wird Christin Berkel geboren. Es wäre ein Missverständnis, den Roman als Aufarbeitung von Zeitgeschichte zu lesen. In dem Bewusstsein, dass jedes Erzählen ein Vorgang ist, »durch den wir Realität erschaffen«, so Berkel, ging es ihm darum, mit einem Blick aus der heutigen Zeit auf die Vergangenheit zu sehen und zu fragen, wie diese Vergangenheit sich auf ihn ausgewirkt hat. Da Der Apfelbaum zugleich die Ge-schichte einer Liebe ist, stellte sich für Berkel eine weitere wichtige Frage: »Wie die Zeit in eine Liebe eingreift und umgekehrt, was die Liebe mit dieser Zeit macht.« Der Schriftsteller Christian Berkel ist dem breiten Publikum vor allem als großartiger Schau-spieler bekannt. Er spielte in vielen internationalen Filmproduktionen wie Der Untergang, Black Book, Operation Walküre, Inglorious Bastards oder Elle unter Regisseuren wie Quentin Tarantino, Paul Verhoeven und Oliver Hirschbiegel. In der Fernsehserie Der Kriminalist ist er seit 2006 zu sehen. »Natürlich könnte dieser große Schauspieler einen Schriftsteller spielen, aber in Wirklichkeit ist er einer. […]. Er beschreibt, wie brüchig, wie fragil unsere Lebensläufe sind und wie zweifelhaft und gleichzeitig wie wichtig jedes Erinnern ist.« [Annemarie Stoltenberg, NDR Kultur]

Lesungen und Gespräche

am Nachmittag 24.08. 15:30

© Gerald von Foris

Page 14: osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico ... · osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico Italiano o aˇc r eb esinjac ler o Dini´c v Rudiˇs el Rui Zink
Page 15: osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico ... · osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico Italiano o aˇc r eb esinjac ler o Dini´c v Rudiˇs el Rui Zink

24.08. 18:00

Buchstabenmeere und Reibungshorizonte

Ilma Rakusa und Jan Koneffke im Gespräch Jan Koneffke Buch: Als sei es dein [2018] »Das Vertrauen, das Jan Koneffke in klassische Reimformen und deren persuasives Vermögen steckt, ist erstaunlich und reißt beim Lesen immer wieder mit«, schreibt die Literaturkritikerin Katrin Hillgruber über Koneffkes neuestem Gedichtband Als sei es dein. Mit ihm kehrt Koneffke nach achtzehn Jahren, in denen er fast nur Romane und Novellen veröffentlicht hat, zur Form des Gedichtes und damit zu seinen literarischen Anfängen zu-rück: 1987 bekam er den bekannten Leonce-und-Lena-Preis für Lyrik, woraufhin er begann, als freier Schriftsteller zu arbeiten. Jan Koneffkes Dichten ist eine Bestandsaufnahme persönlicher Erinnerungen an sein Her-kunftsland Deutschland im ersten Teil des Buches [Heimatkunde]. Es wird zu einer skeptischen ge-sellschaftspolitischen Inventur seiner Wahlheimat Rumänien und Mitteleuropas im dritten Teil des Buches [Achtung Ferrari Achtung Pferdekarren], in dem er im Gedicht Peterwardein den eigenen Be-rufsstand beißend karikiert. Im vierten Teil [Der du gewesen sein wirst] blickt das Ich des Dichters schließlich verzweifelt-bitter aus der Zukunft auf die Gegenwart und stellt fest: »es bleibt halt wahr man kratzt an der Kultur / und findet wieder: gierige Natur / und was am Schluss von einer Lippe sinkt / das ist ein kalter Rest der stinkt«. Einzig der zweite Teil [Zipfel Massel: Déjà vu] hebt sich ab vom Rest: Es ist eine wunderbar poetische Hommage an das Leben der Dichterin Mascha Kaléko, in dem Koneffke seine eigenen Erfahrungen mit Heimat und Herkunft widerzuspiegeln scheint. Obwohl das Leben in der Dichtung Koneffkes eine häufige Reibung gegenüber den vorfind-baren Zuständen im Erinnern und im Hier und Jetzt mit sich bringt, mag man daran nicht verzwei-feln, denn die glänzend fabulierten Verse von Koneffke bieten ein Fundament, auf denen man stehen kann, weil auch sprachliche Schönheit Heimat sein kann. Jan Koneffke, 1960 in Darmstadt geboren, kam mit einem Stipendium der Villa Massimo 1995 nach Rom. Hier lernte er seine Frau, die rumänische Architektin Cristina Moisescu, kennen. 2003 verlegte er seinen Wohnort von Rom nach Wien, wo er in die Redaktion der Literaturzeitschrift Wes-pennest eintrat. Seitdem pendelt er zwischen Wien, Bukarest und dem Ort Maneciu am südlichen Karpatenrand. Koneffke, der auch als Übersetzer aus dem Italienischen und Rumänischen arbeitet, wurde 2016 mit dem Uwe-Johnson-Preis für den Roman Ein Sonntagskind ausgezeichnet. »Dass Jan Koneffke ein Dichter ist, der bei aller Selbstbezüglichkeit immer wieder über sich selbst hinausreicht, um von der Welt, in der er steht, zu sprechen und über den Zustand des Landes, aus dem er kommt, in tiefernster Lakonie den Stab zu brechen, bezeugt seine Klasse als Zeitdiagnostiker, der den Vergleich mit einem anderen aus seiner Ahnenreihe, Erich Kästner, nicht zu scheuen braucht.« [Jan Volker Röhnert, Frankfurter Allgemeine Zeitung]

27

© Johannes Kauber

Buchstabenmeere und Reibungshorizonte Ilma Rakusa und Jan Koneffke im Gespräch

Ilma Rakusa Buch: Mein Alphabet [2019] Deutschlandweite Buchpremiere In den vergangenen Tagen bin ich morgens mit dem neuen Buch Mein Alphabet von Ilma Rakusa aufgewacht. Der Titel des Buches spiegelt den Inhalt, in dem die Schriftstellerin zu jedem Buchstaben des Alphabets in einem Wechsel zwischen Prosa, selbstgeführten Ge-

sprächen und Gedichten von einzelnen Erlebnissen und Erfahrungen ihres reichen Lebens erzählt. Die Überschriften dieser persönlichen Geschichten voller Leben und Welt tragen vielsagende Titel wie Angst, Einsamkeit, Freundschaft, Granatapfel, Ich ist viele, Love after love, Meer, Palatschinken, Pasta, Träume, Umweg, Wolken bis hin zu Zärtlichkeit und dazwischen liegen viele mehr. Ich las diese Geschichten morgens und fühlte mich allein durchs Lesen mit Freude erfüllt, bekam Lust zu Flanie-ren, Lust zum Schreiben, Lust, Freunde zu treffen, war beschwingt und gut gelaunt und dies auch deshalb, weil ich genau wusste, woher das kam. In einem literarischen Selbstgespräch schrieb Ilma Rakusa: »Mich interessiert eigentlich fast alles im Leben.« Es ist diese beim Lesen spürbar ehrliche und aufrichtige Anteilnahme Rakusas gegenüber den kleinsten Dingen des Lebens – Momente der Stille, der Ruhe, der Langsamkeit – sowie ihre Gabe der genauen Wahrnehmung und Beschreibung, womit sie es schafft, ihr bejahendes Interesse am Leben auch auf ihre Leser zu übertragen. Damit nicht genug. In seinem Buch Sechs Vorschläge für das nächste Jahrhundert benennt Italo Calvino die Qualitäten, die einzig die Literatur in der Lage ist, bereitzustellen, um zukunftsweisend dem Lärm der Zeit auch im 21. Jahrhundert standzuhalten: Es sind dies Leichtigkeit, Genauigkeit, Anschaulichkeit und Vielschichtigkeit, genau jene Qualitäten, die das Schreiben Ilma Rakusas ausmachen, bei der jedoch zusätzlich eine Musika-lität und Schönheit in der Sprache dazukommen. »Ich sehe meine Rolle, und die ist wirklich be-scheiden […], auf meine Art auf die Welt zu schauen und nicht Aggressivität, Unzufriedenheit und Hass zu schüren, sondern zu sensibilisieren für das, was ist, genau zu sein und auch mal dem Guten, Schönen und Wahren eine Hommage zu bereiten«, schreibt sie über ihre Arbeit. Geboren 1946 als Tochter eines Slowenen und einer Ungarin in Rimavská Sobota [Slowakei], verbrachte Rakusa ihre frühe Kindheit in Budapest, Ljubljana und Triest. 1951 übersiedelte sie mit den Eltern in die Schweiz. Bis heute lebt sie in Zürich, wo sie als Schriftstellerin, Literaturkritikerin, Publizistin und Übersetzerin arbeitet. »Einen Text, einen Raum mit Ilma Rakusa zu teilen, garantiert einem Schönheit und, was noch viel wichtiger ist, eine Verbindung zwischen Teilen, die sonst auseinanderfallen würden, und das, obwohl bzw. weil ihr Schreiben mit der Auslassung und der Verknappung arbeitet. Sie nimmt dich bei der Hand und führt dich hindurch.« [Terézia Mora, Neue Zürcher Zeitung]

26

24.08. 18:00

© Giorgio von Arb

Tischgespräch I

Tischgespräch I

Page 16: osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico ... · osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico Italiano o aˇc r eb esinjac ler o Dini´c v Rudiˇs el Rui Zink

24.08. 20:00

Auf den Schultern von Riesen Mit: Maike Albath, Roberto Cotroneo, Annette Knoch und Michael Scholz Moderation: Jürgen Keimer Ausgangspunkt der dritten Autorenbegegnung bei den Poetischen Quellen ist der berühmte, dem mittelalterlichen Denker Bernhard von Chartres zugeschriebene Ausspruch: »Wir sind wie Zwerge, die auf den Schultern von Riesen sitzen.« Jeder von uns hat seine Riesen, Meister aus der Vergan-genheit und der Gegenwart. Von Ihnen lassen wir uns inspirieren und anregen. Beflügelt davon, auf ihren Schultern sitzen zu können, erhalten wir die Möglichkeit, weiter zu sehen als ohne sie. Wie unser Kulturpartner, das Literaturfest Eventi Letterari Monte Verità in Ascona im schwei-zerischen Tessin, gehen wir davon aus, dass es irgendwann ein Schlüsselproblem unserer Zivilisation darstellen wird, wenn unsere Beziehungen zur Tradition, zu Meistern und Klassikern in dieser Welt nicht mehr für bedeutsam erachtet werden, eine Welt also, die scheinbar vorhat, ohne diese Riesen auszukommen und auf Veränderungen und Erneuerungen ohne jeden kulturellen Hintergrund, ohne Grundsätze und Haltungen setzt. Es gibt keinen großen Geist, dem nicht bewusst ist, dass er in einer Reihe anderer steht, einer Reihe von ideellen Müttern und Vätern, denen gegenüber er Achtung und Dankbarkeit zeigt und die er bewundert, wenigstens aber zutiefst schätzt. Indem wir unsere Beziehung zu den Riesen der Vergangenheit – Schriftstellern, Philosophen, Wissenschaftlern, Künstlern und Musikern – nachspüren, spüren wir uns selbst nach und befragen uns nach unserer Rolle in dieser Welt, nach unserem Schaffen und nach unserer Zukunft als Bürger, Intellektuelle, Künstler und ganz einfach auch als Mensch im Zusammenleben mit anderen Menschen und Lebewesen auf dieser Erde. In einer Zeit, in der »die Koordinaten fehlen und man nicht sehr gut in die Zukunft sieht, weshalb man die Listen der Vernunft und die unmerklichen Komplotte des Zeitgeists noch nicht versteht« [Umberto Eco], ist es gerade eine vielschichtige Auseinandersetzung mit den Riesen, die uns auf ihren Schultern sitzend ermöglicht, weiter zu sehen, um neue Wege, Ideen und Gedanken zu entdecken. Unseren Gästen stellen wir Fragen danach, welche Werke und welche Gedanken über das Schreiben ihr eigenes Schreiben beeinflusst haben. Mit welchen Meistern aus der Vergangenheit und Gegenwart sie sich immer wieder oder erstmals auseinandersetzen? Wer auf intellektuelle, ethische und praktische Weise Einfluss auf sie ausgeübt hat und schließlich auch, wen oder was sie heranwachsenden Generationen heute ans Herz legen würden?

29

»Also sprach Bernhard von Chartres, wir sind wie Zwerge, die auf den Schultern von Riesen sitzen, sodass wir mehr als sie und weiter sehen können, nicht weil wir scharfsichtiger oder größer wären, sondern weil die Größe der Riesen uns hochhebt und über sie hinausschauen lässt.« Umberto Eco, Auf den Schultern von Riesen

Kulturpartner des Internationalen Literaturfestes Poetische Quellen:

Autorenbegegnung III

Page 17: osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico ... · osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico Italiano o aˇc r eb esinjac ler o Dini´c v Rudiˇs el Rui Zink

Auf den Schultern von Riesen Roberto Cotroneo Bücher u.a.: Wenn ein Kind an einem Sommermorgen [1998], Diese Liebe [2008], Die Jahre aus Blei [2010] Gesprächsübersetzung: Annette Kopetzki [s. S. 50] »Heute, lieber Francesco, vermisse ich Leute wie ihn, die von einem Thema zum anderen schweifen können, ohne dabei das geistige Niveau absinken zu lassen. Ich hoffe, dass Du auch solch ein Glück haben wirst, denn nur Leute wie er können Dir begreiflich machen, dass die Literatur, […], nicht nur ein intellektuelles Spiel ist, sondern das einzige Mittel, die Welt zu verstehen, das einzige, sie durch die Brille der Mehrdeutigkeit zu sehen, die heute außer Gebrauch gekommen ist.« Roberto Cotroneo, Wenn ein Kind an einem Sommermorgen Nein, der 1961 in der piemontesischen Stadt Alessandria geborene Roberto Cotroneo ist kein an der Gegenwart verzweifelnder Mensch. In Italien war er längst als Journalist und unbarmherziger Literaturkritiker bekannt, bevor er mit seinem 1994 erschienen Buch Wenn ein Kind an einem Som-mermorgen zum Schriftsteller wurde. Wie in seinen Artikeln zuvor, zeigte er sich auch in diesem langen Brief an meinen Sohn über die Liebe zu Büchern – so der Untertitel – als ein genauer Beob-achter und widerspenstiger Kritiker seiner Zeit. In sechs wunderbaren, autobiografisch gefärbten Kapiteln erzählt ein Vater seinem Sohn auf ebenso spielerische wie zärtliche und leidenschaftliche Weise von der Welt der Bücher und davon, welche Schriftstellerriesen prägend für ihn und seine Beziehung und Haltung zur Welt waren. Damit eröffnet Cotroneo auch den Lesern ein Panorama-fenster auf die Welt der Literatur und Kultur, von der er genau weiß, dass nur in der Auseinander-setzung mit ihr die Zauberkräfte der Kreativität und Phantasie entstehen können, die letztlich notwendig sind, um den Menschen und die Menschheit im Prozess ihrer Zivilisierung voranbringen zu können. Die Warnung, die er im Buch seinem Sohn gegenüber ausspricht, richtet sich auch an die Leser: »Deshalb mußt Du Angst vor dem Mangel an Kultur haben und vor denen, die keine Sprache finden wollen, um mit anderen zu kommunizieren. Deshalb mußt Du denen mißtrauen, die ihre eigene Vergangenheit nicht kennen wollen, …« Die unerträgliche Welt des Egoismus und des Mittelmaßes, die nur noch aus Marketing zu bestehen scheint, beschreibt Cotroneo auch in seinem jüngsten Roman Niente di personale [Nichts persönliches] der dringend darauf wartet, ins Deutsche übersetzt zu werden. Am Beispiel Italiens erzählt Cotroneo hier von einer Zivilisation, die es nicht mehr gibt. Der Erzähler schaut auf die vergangenen dreißig Jahre und fragt sich, wie es passieren konnte, dass all das verschwunden ist, was es früher einmal gab: die Kultur der Zeitungen, die Einsprüche der Intellektuellen, die Neugier zwischen den Generationen, die Beziehungen zwischen Vergangenheit und Gegenwart, …

31

© privat

Auf den Schultern von Riesen

Maike Albath Bücher: Der Geist von Turin [2010], Rom, Träume [2013], Trauer und Licht [2019] »Einaudi war viel mehr als die Suhrkamp-Kultur in Deutschland, Einaudi bildete bis weit in die siebziger Jahre hinein den Nukleus des italienischen Geisteslebens. Neben der sagenumwobenen Fiat-Dynastie der Agnellis,

[…]entwickelte sich in Turin unter der Hand eine weitere Dynastie: die der Einaudianer, der Kontrapunkt im christdemokratischen Italien. Der Verlag stand für eine bestimmte Kultur der Schrift. Und er stand für eine moralische Haltung.« Maike Albath, Der Geist von Turin Maike Albath, 1966 in Braunschweig geboren, ist eine der renommiertesten deutschen Literaturkriti-kerinnen und eine ebenso ausgezeichnete Autorin wie Journalistin, deren Stimme vor allem Radiohö-rern bekannt ist aus der Sendung Büchermarkt oder als Moderatorin des Studio LCB beim Deutsch- landfunk. Nach ihrem Studium der Romanistik und Germanistik promovierte sie mit einer Arbeit über den italienischen Dichter Andrea Zanzotto. Sie lebte mehrere Jahre in Turin und Padua und ist eine exzellente Kennerin der italienischen Literatur und Gegenwartskultur. Für Veröffentlichungen italie-nischsprachiger Literatur in Deutschland ist es zumeist eine Auszeichnung, wenn sie von Albath auf den Kulturseiten der überregionalen Tages- oder Wochenzeitungen oder im Rundfunk kritisch besprochen werden. Dafür wurde sie 2002 bereits mit dem Alfred-Kerr-Preis für Literaturkritik ausgezeichnet. Darüber hinaus, und das darf hoch genug eingeschätzt werden, ist Albath eine von wenigen Kritikern, denen die Bedeutung der Arbeit von Übersetzerinnen und Übersetzern als wichtige Kul-turvermittler bewusst ist. Vom Verband der deutschsprachigen Übersetzer wurde sie deshalb 2006 mit der Übersetzerbarke ausgezeichnet. In der Laudatio über sie hieß es: »Maike Albath, und das ist das Besondere an dieser Kritikerin, bleibt immer fair, auch dann, wenn sie an einer Übersetzung etwas zu beanstanden hat. Und sie beherrscht […] ebenso das Allegro des Lobens, das jeden Über-setzer freut, etwa, wenn sie über Alessandro Manzonis Brautleute schreibt: ›Für den deutschen Leser ist Kroebers Übersetzung ein Glücksfall …‹ «. Ein ebensolcher Glücksfall für alle Leserinnen und Leser sind ihre drei oben genannten Bücher. In ihnen zeigt Albath, dass es für ein ganzes Land möglich war, sich eine neue Zukunft zu erarbeiten, wenn man auf den »Schultern von Riesen« sitzt und erwartungsfroh dem Horizont entgegenblickt. Das Zitat zu Beginn beschreibt sehr genau, wie Italien nach dem Faschismus Mussolinis durch seine Kultur, namentlich der Einaudi-Kultur, auf viel vitalere Art modernisiert wurde als es Deutschland in der Nachkriegszeit gelungen ist. Welches die Riesen für Maike Albath selbst sind, kann man eben-falls erahnen, wenn man ihre Bücher liest.

30

© Leipziger Buchmesse

24.08. 20:00

Autorenbegegnung III 24.08.

20:00

Autorenbegegnung III

Page 18: osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico ... · osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico Italiano o aˇc r eb esinjac ler o Dini´c v Rudiˇs el Rui Zink

Auf den Schultern von Riesen Michael Scholz Künstlerischer Leiter »Ich las und las immer weiter, was mich nicht vom Leben ab-hielt. Ganz im Gegenteil hatte ich den Eindruck, den ich im Übrigen immer wieder erfahre, dass sich mein Leben durch das Lesen der unterschiedlichsten Bücher vervielfacht hat, ich das Leben ausgeprägter wahrnehme, weil ich selbst viel mehr Aus-drücke und Beschreibungen durch das Lesen für das Leben gewinne.« Michael Scholz in der Eröffnungsrede zu den Poetischen Quellen 2018 Michael Scholz, 1966 in Bad Oeynhausen geboren, studierte von 1988 bis 1990 Germanistik und Italienisch in Münster und von 1990 bis 1994 in Bielefeld für das Lehramt an der Primarstufe. Nach dem ersten und zweiten Staatsexamen und einer Lehrertätigkeit in Greifswald, absolvierte er 1999 ein Volontariat beim Hanser Verlag in München. Seit 2001 ist er künstlerischer Leiter der von ihm auch konzipiertem Poetischen Quellen, welche er ab 2004 zu einem internationalen Literaturfest weiterentwickelt hat. Mit den Poetischen Quellen, die Partner der Netzwerkinitiative literaturland westfalen sind, ist er zudem Mitglied im LiteraturRat NRW. Darüber hinaus ist er Mitglied der Stiftung Lyrik-Kabinett in München, Gründungsmitglied der Literarischen Gesellschaft Ostwestfalen-Lippe/Literaturhaus Bielefeld e.V., war lange Vorsitzen-der des Literarischen Vereins e.V. Minden und ist Vorsitzender des Vereins AGORA – Gesellschaft für Literatur, Kunst und Kultur e.V. Mehrfach nahm er an der Universität Bielefeld eine Gastdozentur in der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft an, in deren Mittelpunkt die Entstehung, Konzeption und Organisation eines internationalen Literaturfestes stand. 2011 gehörte Michael Scholz der Jury des Candide- Literaturpreises an.

33

© Antonio Maria Storch

32

Auf den Schultern von Riesen

Annette Knoch Verlegerin, Literaturverlag Droschl »Wir machen Bücher, weil wir sie in die Welt bringen wollen und weil wir für diese Inhalte Leser finden möchten und nicht, weil wir damit Geld verdienen wollen. Dabei sind wir in einer Spagatsituation zwischen Kunst und Wirtschaft. Mich persönlich interessiert das Formale: Ein Autor muss seine eigene Sprache und seinen eigenen Stil haben.« Annette Knoch

Im Mai 2003 übernahm Annette Knoch den Literaturverlag Droschl von ihrem Vater Maximilian Droschl, der den Verlag auf Anregung von Günter Grass 25 Jahre zuvor, 1978 in der steirischen Lan-deshauptstadt Graz gegründet hatte. »Geist ist nicht gratis« war das Programm in den Anfangsjahren überschrieben und auch wenn sich das Motto inzwischen verändert hat, steht der kleine unabhän-gige Literaturverlag nach wie vor für ein Programm, das für geistige Originalität, denkerische Of-fenheit und Mut zur Widerspenstigkeit steht. Anette Knoch beschreibt ihren Verlag als einen »Verlag für Neugierige, die wegwollen von abgetretenen Pfaden und Literatur nicht nur als Zeitvertreib, sondern auch als Kunst sehen.« Mit einer konsequenten Publikation von sechzehn Neuerscheinungen pro Jahr – je acht Titel im Frühjahr und im Herbst – gelingt es Knoch, dieser schon von ihrem Vater verfolgten überzeugenden Programmausrichtung auch unter den Bedingungen eines sich immer mehr verändernden Buchmarktes gerecht zu werden. Das Publikum der Poetischen Quellen konnte sich davon in den vergangenen Jahren bei den Auftritten der Schriftsteller Thomas Stangl, Monique Schwitters, Olga Martynova, Georgi Gospodinov und Ilma Rakusa, allesamt Droschl-Autoren, ein Bild machen. Annette Knoch, 1968 in Graz geboren, studierte hier auch Kunstgeschichte und Germanistik an der Karl Franzens Universität. Von 1995 bis 1998 arbeitete sie im Literaturhaus Hamburg. Danach, davor und währenddessen war sie natürlich immer auch für den eigenen Verlag tätig, dessen ge-schäftsführende Verlegerin sie heute ist.

© Helmut Lunghammer

24.08. 20:00

24.08. 20:00

Autorenbegegnung III

Autorenbegegnung III

Page 19: osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico ... · osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico Italiano o aˇc r eb esinjac ler o Dini´c v Rudiˇs el Rui Zink

25.08. 10:00

Von unantastbarer Freiheit und Würde Lebensbücher: Janne Teller, Nichts. Was im Leben wichtig ist Der 42. Literaturgottesdienst bezieht sich mit dem Buch Nichts. Was im Leben wichtig ist auf ebenso provokante wie unerbittliche Weise auf das Schwerpunktthema des diesjährigen Literaturfestes, weil es den Sinn vom Leben und damit auch den Sinn von einem Verständnis für die Welt hinterfragt. Durch Lesungen und Erzählungen wird eine Verbindung zu aktuellen Glaubens- und Lebensthemen hergestellt und damit ein Angebot für Menschen eröffnet, die auf der Suche nach Inspiration und Impulsen für ihr Leben sind. Der Literaturgottesdienst in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Altstadtgemeinde von Bad Oeynhausen ist seit 2008 fester Bestandteil der Poetische Quellen. Vorbereitet und präsentiert wird er von Pfarrer Lars Kunkel, Heidi Swietlik, Ute Lindemann-Treude, Herbert Lindemann, Birgit Kuhlmeier, Dirk Schormann, Ingrid Seidel, Dr. Achim Rehlaender und Britta Weber. Das Buch Janne Tellers Buch Nichts. Was im Leben wichtig ist wurde in Dänemark mit dem höchsten Jugend-literaturpreis ausgezeichnet, stieß gleichzeitig auf große Begeisterung und energische Ablehnung. Das Buch glaubt an seine Leserinnen und Leser – egal welchen Alters –, weil es sich traut, ihnen etwas zuzumuten: Es stellt die kritische Frage, welche Werte in einer durch Egoismus, Gewalt und Profitgier verrohten Gesellschaft standhalten, um die Zivilisation nicht untergehen zu lassen. Es stellt die unbequeme Frage nach dem Sinn des Lebens in einer von immer mehr Zweifeln und Un- sicherheiten geprägten Welt, die nach ihrer radikalen Entzauberung durch die technokratische und naturwissenschaftliche Entmächtigung des Lebens jede Freiheit, Neugier und Lust auf das Uner-wartete und auf Entdeckungen auszulöschen droht. Die Autorin Die Bücher der 1964 in Kopenhagen geborenen Schriftstellerin und Essayistin Janne Teller, die vielfach zu internationalen Bestsellern avancierten, wurden in über 25 Sprachen übersetzt. »Es ist schon erstaunlich, dass ein Buch heutzutage in Westeuropa derart bekämpft werden kann. Nicht wegen brutaler oder sexisti-scher oder verhetzender Inhalte, sondern nur wegen der Fragen, die es aufwirft«, schrieb Teller in der ZEIT über die Reaktionen, die Nichts. Was im Leben wichtig ist hervorriefen. Mehr zur Autorin: siehe Seite 38. Musik Tim Gärtner, geboren 1992 in Wuppertal, studiert seit 2011 an der Hochschule für Kirchenmusik Herford. Nach Bachelor- und Master-Abschluss der Evange- lischen Kirchenmusik 2015 und 2018 studiert er Chorleitung im künstlerischen Aufbaustudiengang. Bis zum Masterexamen war Gärtner Stipendiat der Konrad-Adenauer-Stiftung.

35

Literaturgottesdienst

© Annette Pohnert

© privat

Page 20: osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico ... · osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico Italiano o aˇc r eb esinjac ler o Dini´c v Rudiˇs el Rui Zink

25.08. 11:30

Vielleicht muss man Kultur als ein Gespräch zwischen Menschen über Grenzen hinweg verstehen, dass sich aus vielfältigen Geschichten über die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zusammensetzt, die sich manchmal ergänzen und manchmal im Widerstreit zueinander stehen. Grundlage der Kultur ist dabei die Neugier aufeinander und das Interesse füreinander, also die Anerkennung der Würde seines Gegenübers, damit das Gespräch überhaupt eröffnet werden kann. Vor der Wahl zum Europäischen Parlament am 26. Mai 2019 schien diese im Kern spezifisch euro-päische Kultur zwischen zwei Lagern untergegangen zu sein: Einem Lager, in dem die Grenzen des rechten Nationalismus wieder hochgezogen wurden und einem Lager, dass durch die jahrelange ständige Wiederholung der europäischen Werte wie Menschenwürde, Humanismus, Freiheit und Gleichheit diese Begriffe vor allem deshalb in inhaltslose Worthülsen verwandelte, weil gleichzeitig ihre Handlungen auf politischer Ebene keinerlei Übereinstimmung zu den vielzitierten Werten mehr erkennen ließ und die entscheidenden Bereiche eines demokratisch organisierten Gemeinwesen – vor allem das Bildungswesen und den Sozialstaat – immer weitgehender den Bedürfnissen einer globalkapitalistischen Ökonomie unterwarf. Nicht zuletzt wird der Begriff der Menschenwürde vor jedem Toten im Mittelmeer zu einem seelenlosen Hirngespinst – ein Zustand, der auch nach der Europawahl nichts an seiner Ausdrücklichkeit verloren hat.

37

Das Sonntagsgespräch

Forum für Demokratie

36

Das Sonntagsgespräch

Forum für Demokratie 25.08. 11:30

Wie halten wir es mit Europa? Über die Zukunft einer offenen Gesellschaft zwischen solidarischem Miteinander und ethnischem Nationalismus Mit: Janne Teller, Géraldine Schwarz und Thomas Schmid Moderation: Jürgen Keimer »Europäisches Bewusstsein lebt von einer hohen Toleranz für Komplexität und Vielfalt. […]. Europäisch Denken bedeutet, auf der Basis der bestehenden Unterschiede das Gemeinsame und Einigende zu entdecken.« Iso Camartin, Bin ich Europäer? Eine Tauglichkeitsprüfung »Die Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts hat die europäischen Nationen gespalten, die dialogische Erinnerung könnte sie an den verbliebenen spannungsvollen Grenzen enger zusammenführen. In dem Maße, wie die Europäer Bewohner ihrer gemeinsamen Geschichte werden, festigt sich das Haus Europa. Genau das ist die unvollendete Utopie Europas.« Aleida Assmann, Auf dem Weg zu einer europäischen Gedächtniskultur »Doch wenn junge Menschen nicht in einer Werte erhaltenden pluralistischen Gemeinschaft aufwachsen, können sie nicht in die Gesellschaft integriert werden, auch nicht als deren Kritiker. Heute bin ich der Ansicht, dass dies zu einem der Hauptprobleme für die europäischen Gesellschaften geworden ist. Für manche europäische Jugendliche haben Freiheit, Demokratie und sogar Arbeit keinen inneren Wert mehr.« Ágnes Heller, Eine kurze Geschichte meiner Philosophie

Kult-Faktor: Das Sonntagsgespräch

Page 21: osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico ... · osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico Italiano o aˇc r eb esinjac ler o Dini´c v Rudiˇs el Rui Zink

3938

Wie halten wir es mit Europa? Ausgezeichnet mit dem Prix du livres européen 2018 Géraldine Schwarz Buch: Die Gedächtnislosen. Erinnerungen einer Europäerin [2018] »Schwer zu bezwingen sind die Manipulatoren der Erinnerung, die Verfälscher der Geschichte, die Konstrukteure falscher Iden-titäten, die Schürer von Hass und die Züchter nazistischer Fantasien. […] Ich will verstehen, was war, um zu wissen, was ist, Europa seine Wurzeln zurückgeben, die die Gedächtnis-losen versuchen, ihm zu entreißen.« Géraldine Schwarz, Die Gedächtnislosen In der Süddeutschen Zeitung wurde Géraldine Schwarz’ Erinnerungsbuch als ein »emphatischer Appell« gefeiert, der sich in »Vorahnung eines Gewitters« gegen das Vergessen der Geschichte an eine »zusehends disparate europäische Öffentlichkeit richtet.« Die 1974 in Straßburg als Tochter eines französischen Vaters und einer deutschen Mutter ge-borene Schwarz sieht sich selbst als »Kind Europas«. Erinnerung ist für die deutsch-französische Journalistin, die bereits viele Jahre als Deutschlandkorrespondentin der Agence France-Presse ar-beitet und in Berlin lebt, das entscheidende Wort. Ihr Buch, in dem sie die Wurzeln ihrer Familien-geschichte mit der großen Geschichte Europas im 20. Jahrhundert vermischt, entstand nach eigener Aussage vor dem Hintergrund ihrer anwachsenden Skepsis gegenüber einer europäischen Demokra-tie, die sich in den vergangenen Jahren immer stärker gegen die national- und rechtspopulistischen Einflüsse zur Wehr setzen musste, worunter die gemeinsame Solidarität extrem gelitten hat. »Wir erleben gerade einen Perspektivbruch, auch aufgrund des Generationenwechsels«, sagte Schwarz dem SPIEGEL. »Wir befinden uns jetzt in der Ära des Post-Antifaschismus. Der Antifaschis-mus, der Europa seit der Nachkriegszeit prägt, ist keine Selbstverständlichkeit mehr. Für jüngere Generationen rücken der Krieg und der Holocaust immer weiter in die Ferne. Man kann sich nicht vorstellen, dass es sich wiederholen könnte, und so lässt die Wachsamkeit nach. Wenn es aber keine Erinnerung gibt, entsteht ein Vakuum, das mit jeglichen Mythen gefüllt werden kann.« So gelangt sie zu dem Schluss, dass die Demokratie ohne Erinnerung zutiefst gefährdet sei, weil die scheinhei-ligen Agitatoren der AfD und die Salvinis, Le Pens und Orbáns Europas genau in diesen luftleeren Raum hineinkriechen, die Ängste von Menschen schüren, Flüchtlinge und Migranten zu Sündenbök-ken stempeln und mit diesen Mitteln wieder eine vermeintliche Volksgemeinschaft suggerieren wol-len. Erinnerung ist dabei ihre Sache nicht, denn Erinnerung fördere kritisches Denken und den Sinn dafür, individuelle Verantwortung für ein Gemeinwohl mitzutragen. Deshalb besteht die Identität Europas für Schwarz auch vor allem in der Erinnerung, zwei Totalitarismen besiegt zu haben: den faschistischen und den kommunistischen.

© Mathias Bothor

Wie halten wir es mit Europa?

Janne Teller Bücher u.a.: Europa. Alles was die fehlt [2011], Alles – worum es geht [2013] »…, wo liegt das andere Europa, das, von dem du sprichst, von dem alle anderen sprechen? Das, in dem die Zivilisation sich durchgesetzt hat? Das Europa, das an einen Huma- nismus glaubt, der alle Menschen umfasst? Das Europa, das die Gedanken der Philosophen zu den Grundpfeilern

der Gesellschaft gemacht hat? Für alle? Das mehr an die Menschen und die Demokratie glaubt als an das Geld? Das Europa, in dem Logik und Mitmenschlichkeit herrschen und nicht Gier?« Janne Teller, Europa. Alles, was dir fehlt Die Schriftstellerin und Essayistin Janne Teller wurde 1964 in Kopenhagen geboren. Sie stammt aus einer deutsch-österreichischen Familie. Lange Jahre arbeitete sie für die EU und für die UNO als Konfliktberaterin in aller Welt, vor allem in Afrika, und setzte sich in Krisengebieten für die Bewah-rung der Menschenrechte ein. Seit 1995 widmet sie sich ganz der Arbeit als Schriftstellerin, fühlt sich aber weiterhin als reisende Kosmopolitin überall zuhause. Ihr Herz gehört jedoch Europa und seiner Vielfalt, als deren Bürgerin sie sich empfindet, die lieber einen europäischen Pass besäße als einen dänischen: »Egal, was unsere individuelle Nation, unsere lokale Stadt oder unser Dorf ist, egal, woher wir kommen, wenn wir jetzt in Europa leben, ist Europa unser gemeinsames kulturelles Erbe. Also, lasst uns gut für Europa sorgen«, schrieb sie im vergangen Jahr, welches unter dem Titel Sharing Heritage als Jahr des Europäischen Kulturerbes gefeiert wurde. Janne Teller wurde zur of-fiziellen Botschafterin dieses Jahres gewählt. In einem Gespräch über ihre Rolle als Botschafterin erläutert sie die Problematik, das die Menschen in Europa zuallererst mit den Symbolen ihres je-weiligen Nationalstaates aufwachsen. Tellers Vorstellung von Europa ist eine andere: »Wenn wir al-lerdings beigebracht bekämen, Europäer zu sein, wenn wir lernen würden, den gleichen Stolz und die gleiche Freude gegenüber europäischen Symbolen zu empfinden – für Europas Kulturgeschichte, für seine Wahrzeichen, seine Kunst, Literatur und Musik –, wenn uns bewusst werden würde, wie eng wir auf dem Kontinent miteinander kulturell verknüpft sind, dann würde es überhaupt keine Platz geben für die absurde und gefährliche Idee des Nationalismus, […], dann würde extremer Nationalismus sich als das entlarven, was er eigentlich bedeutet: Sich die Beine abschneiden zugunsten seiner Arme.« Vor allem die Wertschätzung der »diskreten Qualität« ist für Janne Teller eine wesentliche Charaktereigenschaft der Europäer und der Jugend Europas wünscht sie, dass sie aufhört „zu ober-flächlichen, leeren Idealen aufzuschauen« und begreift, »dass das Leben nicht nur aus kapitalisti-schem Wettbewerb besteht«, weil das heutige System nicht auf Dauer aufrechterhalten werden könne.

© Annette Pohnert /Carl Hanser Verlag

25.08. 11:30

Das Sonntagsgespräch

Forum für DemokratieDas Sonntagsgespräch

Forum für Demokratie 25.08. 11:30

Page 22: osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico ... · osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico Italiano o aˇc r eb esinjac ler o Dini´c v Rudiˇs el Rui Zink

41

Jürgen Keimer »Stimme« der Poetischen Quellen, s. Seite 48

Wie halten wir es mit Europa?

Thomas Schmid Bücher u.a.: Europa ist tot, es lebe Europa! [2016], Gegenverkehr. Demokratische Öffentlichkeit neu denken [als Herausgeber zus. mit Ralf Fücks; 2018] »Kann die Europäische Union in Frieden und im Einklang mit dem Prinzip der Nation leben? Sie kann es nicht. […] Die ethnisch angeblich ›reinen‹ Nationen gab es nicht, sie wären wie die dazugehörenden Sagen, Mythen und

Geschichten erfundene Gemeinschaften. Wo doch versucht wurde, Staaten auf ethnischer Grundlage zu schaffen, ging es fast immer aggressiv und dann gewalt- tätig zu. Auf Kosten derer, die die Mehrheit am Genuss ihrer angeblichen ethnischen Reinheit angeblich hinderten.« Thomas Schmid, Europa ist tot, es lebe Europa! Am Ende seines Buchs weist der 1945 in Leipzig geborenen Publizist und Herausgeber Thomas Schmid darauf hin, dass er es vor dem Hintergrund des britischen Referendums zum Verbleib in der EU mit der Überzeugung geschrieben habe, dass die EU auch in der Zukunft genug Überlebenskraft für die Aufrechterhaltung ihrer Föderation besitzen werde. Dieser Überzeugung verleiht er mit vielen kritischen Gedanken zur EU Ausdruck. So hält Schmid zum Beispiel überhaupt nichts von der Über-bürokratisierung der EU und spricht sich offen dafür aus, das weniger Europa häufig mehr Europa bedeutet: Viel dringlicher als die Durchregulierung der Lebensverhältnisse bis in kleinste bürgerliche Verhaltensweisen, wäre es für Schmid, wenn sich die Verantwortlichen der EU endlich aufmachten, um eine gemeinsame Außen-, Verteidigungs- oder Klimapolitik zu formulieren. Kurz nach der Europawahl analysierte Schmid auf seinem Blog zwei Pole, die sich für ihn nach der Wahl abgezeichnet hätten und auf die eine Europapolitik nun eine Antwort finden müsse: Dem Wunsch nach einer radikal veränderten Klimapolitik, der vor allem von jungen Menschen vorgetragen worden sei, stehe das Erstarken rechtspopulistischer Kräfte gegenüber, »die nicht willens sind, über Staatsgrenzen hinweg zu denken und zu handeln.« Schmid, dem man vor dem Hintergrund seiner Biografie einen politischen Instinkt für die Bedürfnisse der Bevölkerung durchaus zutraut – in den 1960er Jahren war er Aktivist der Frankfurter Studentenbewegung, in den 1970er Jahren gehörte er zur Sponti-Szene, in den 1980er Jahren zu den Grünen, bis 1986 war er Lektor im Klaus Wagenbach Verlag, 1993 machte er den Journalismus zu seinem Hauptberuf und war bis 2014 Herausgeber der WELT-Gruppe – sieht die Identität Europas vor allem in einer »Staatlichkeit ohne Staat« begründet. »Nicht der Sieg der Volkssouveränität löst die vertrackten Probleme der EU. Die Lösung liegt vielmehr in der Balance zwischen Rat, Parlament und Kommission. Alle drei müssen ihren Hang zur Hybris zähmen. In solcher Bescheidung liegen die Kraft und die Macht der Europäischen Union«, schrieb er vor kurzem auf seinem Blog.

40

© C. Bertelsmann Verlag

Das Sonntagsgespräch

Forum für Demokratie 25.08. 11:30

»Der Park, die nicht literaturtypische Umgebung, macht viel aus. Ich erinnere mich an Samstag- und Sonntagnachmittage, wenn die Leute auf der Naturbühne sitzen: Das ist dann für viele mehr wie ein Ausflug und hat gar nicht die Schwere eines Bildungs- erlebnisses. Das hat etwas Heiteres ...« Jürgen Keimer »Stimme« der Poetischen Quellen, s. S. 48

Page 23: osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico ... · osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico Italiano o aˇc r eb esinjac ler o Dini´c v Rudiˇs el Rui Zink

4342

25.08. 15:00

Die Lesbarkeit der Welt Marica Bodrozic stellt ihr Buch Poetische Vernunft im Zeitalter gusseiserner Begriffe [2019] vor. »Man bricht auf, um sich zu suchen, man kehrt zurück, um sich zu finden«, schreibt der französische Dichter Saint-Pol-Roux. Der neue Essayband von Marica Bodrozic ist auch große Literatur, denn die Leser tauchen ein in diese vier Essays über Frieden und Welt, über das Älterwerden, über Kunst, Freundschaft und Liebe und über das In-Bewegung-Sein und werden sich nach jedem Lesestück mehr gefunden haben. Das liegt daran, das Marica Bodrozic es mit ihrer ge-radezu zärtlichen Sprache schafft, eine mitfühlende Verbindung zwischen ihrem Schreiben, dem Leser und der Welt herzustellen. Es geht ein Staunen aus von ihrer Sprache, welches sich überträgt, ein Staunen über die Möglichkeiten, die in der Sprache verborgen liegen und aufgedeckt werden können – beim Schreiben und beim Lesen – und uns dadurch Funken von Wahrheit und Freiheit empfinden lassen und ein Stück menschlicher Unbestechlichkeit zurückschenken. Bedroht wird diese Integrität heute durch die »gusseisernen Begriffe unserer Zeit, die sich so sehr auf der Seite des Guten wähnen«, die aber nur aus Luft gebaut und inhaltsleer sind, weshalb sie schwer wie eine an-gekettete Freiheit auf den Gedanken und dem Denken lasten. Zu schwer, um den Empfängern dieser Begriffe neue und unerwartete Sichten auf die Welt zu gewähren. Zu schwer auch, um noch Geste sein zu können, ein Wort oder Satz, der auf sein Gegenüber zugeht und es in seinen Ausdruck und seinen beginnenden Dialog mit einbezieht. »Das entleerte Wort«, dazu gehören Begriffe wie Gleich-berechtigung und Solidarität, »wird mit jeder Wiederholung nur noch leerer ins Gedächtnis einge-pflanzt, bis es gänzlich im Einzelnen in die Lüge kippt«, schreibt Bodrozic. Die Hässlichkeit, die in der Leere der gusseisernen Begriffe deutlich wird, lässt sich nicht mehr verdecken. Um ihr zu entgehen, muss man die Begriffe erneut mit Inhalt füllen, was nur ge-lingt, wenn dieser Inhalt auf Aufrichtigkeit und Wahrheit gebaut ist. Nur dadurch kann die Häss-lichkeit zurück in Schönheit verwandelt werden, eine Schönheit, die die Sprache wieder ergreift und ins Gespräch der Menschen zurückkehrt. Eine Schönheit, die aufgrund ihrer körperlichen und sinnlichen Sprache als Literatur wieder Verbindung zum Leben und zur Welt herstellt, die durch ethische Integrität geprägt wird und dem freien und bis zum Ungehorsam mutigen Menschen seine Sprache und Empfindungen zurückgibt: Das ist die poetische Vernunft. Marica Bodrozic, 1973 im heutigen Kroatien geboren, kam 1983 nach Deutschland. Für ihr schriftstellerisches Werk erhielt sie 2015 den Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung. »Die Freiheit des Wortes ist der Weg, der uns zu größerer Aufrichtigkeit drängt und ins Gleichgewicht bringt, in jenen Zustand der Schönheit, der uns von der Kommodität des Bürokratischen befreit und zu einer unverwechselbaren Stimme verhilft.« [Marica Bodrozic in ihrer Dankesrede zum Konrad-Adenauer-Literaturpreis]

Lesungen und Gespräche

am Nachmittag

© Peter von Felbert

Die Lesbarkeit der Welt

Ulrike Draesner stellt ihren neuen Roman Der Kanalschwimmer [2019] vor. »Kanalschwimmer ist ein Buch über einen 62jährigen Mann, der ein unerhörtes Angebot erhalten hat – von seiner Frau. Er sucht nach einer Lösung, schwimmt durch den Ärmelkanal. Das war ein alter Traum. Träumt er ihn noch? Kanalschwimmer ist ein Buch über den Wunsch, gefüttert und gerettet zu werden. Über Wut, Hingabe und

Verantwortung. Über einen Mann in seinem Meer, ohne Fisch. Mit Quallen, Drohnen, Müll – und einem Ziel«, beschreibt Ulrike Draesner ihren neuen Roman selbst. Die 1962 in München geborene Ulrike Draesner hat in den vergangenen zwanzig Jahren etliche Gedichtbände, fünf Romane, Erzähl- und Essaybände und Hörspiele veröffentlicht. Daneben be- teiligte sie sich an zahlreichen intermedialen Projekten und übersetzt aus dem Französischen und vor allem aus dem Englischen. Seit letztem Jahr ist sie als Nachfolgerin von Hans-Ulrich Treichel als leitende Professorin am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig tätig. Zwölf Jahre, sagt sie, hätte es gedauert, ihren neuesten Roman zu schreiben. Das mag auch daran liegen, dass sie neben dem Schreiben Vorlesungen hält, Schreibworkshops gibt und immer wieder auch Gast- und Poetikdozenturen im In- und Ausland annimmt. Zuletzt hatte sie im Winter-semester 2016/2017 die Frankfurter Poetikvorlesungen inne. »Ich möchte darüber sprechen, wie wir Leben schreiben«, erklärte sie den Studierenden zu Beginn der Vorlesungen, in denen sie bereits Auszüge aus dem Kanalschwimmer mit einarbeitete, um ihr eigenes Schreiben zu reflektieren: »Ich denke über Grammatik nach. Sie, die Person; sie, meine Figur; er, der ältere Mann. Warum will er sich durch die Enge des Meeres treiben? In welcher Form könnte dies erzählbar sein?« Der ältere Mann ist Charles, die Hauptfigur bzw. der Kanalschwimmer, der in einer nur noch auf Problemlö-sungen ausgerichteten Welt auf einmal das Wort »Erlösung« findet. Und so handelt der Kanal-schwimmer auch vom Alter, von der Erinnerung an frühere Ideale und der Frage, ob sie noch gelten, von äußeren wie inneren Grenzen. Dabei schreibt Ulrike Draesner in eine Welt hinein, die sie ohne Ende denken möchte, weil auch Grenzen nichts Feststehendes sind, sondern am Horizont verfließen wie Erinnerungen, die sich mit jeder Erzählung wieder neu verändern und uns deshalb manchmal unheimlich wie Gespenster vorkommen. Grammatik der Gespenster betitelte Ulrike Draesner auch ihre Poetikvorlesungen in Frankfurt, wobei sie unter »Grammatik« nicht die eng gefasste Bedeutung von Sprach-, Satz- und Formenlehre versteht, sondern vielmehr »die artikulierte Organisierung von Wahrnehmung, Reflexion und Erfahrung […], die Nervenstrukturen des Bewusstseins, wenn es mit sich selbst und mit anderen kommuniziert«, wie es der bekannte amerikanische Literaturprofessor George Steiner ausgedrückt hat. »Ich schreibe, um hörbar zu machen, in Sprache zu übersetzen, was gemeinhin nicht gesprochen wird, nicht sprechbar scheint.« [Ulrike Draesner]

Lesungen und Gespräche

am Nachmittag 25.08. 14:00

© Dominik Butzmnann/laif

Page 24: osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico ... · osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico Italiano o aˇc r eb esinjac ler o Dini´c v Rudiˇs el Rui Zink

4544

25.08. 16:30

»Salam Yamen – Lieber SAID« – Über das Gehen, das Suchen und das Ankommen

SAID und Yamen Hussein im Gespräch

unddas Ankommen

Yamen Hussein Buch: SAID/Yamen Hussein, Salam Yamen – Lieber SAID [2017] Gesprächsübersetzung: Leila Chammaa [s. S. 51] Deutsche Lesung: Mareike Greb [s. S. 49] »Lieber SAID, ich hoffe, der Schmerz ist nicht umsonst. […] Wir sind keine Politiker, und das heißt, dass wir Unrecht und Brutalität eben nicht widerspruchslos hinnehmen. Sprache, Kunst und Musik müssen zur Brücke werden im Zeitalter der Grenzen. Sie müssen den Tod zur Ausnahme und das Leben zur Regel machen.« Yamen Hussein, Salam Yamen – Lieber SAID Der Dichter und Journalist Yamen Hussein wurde 1984 in Homs geboren, der drittgrößten Stadt in Syrien nach Damaskus und Aleppo. Schon früh geriet er durch regimekritische Äußerungen ins Visier der Sicherheitsbehörden. Bereits 2006 mockierte sich Hussein, der selbst Alevit ist, öffentlich über das sektenähnliche System an der Universität von Homs und beschuldigte die Regierung der Teilhabe an dem diskriminierenden System. Daraufhin wurde er der Universität verwiesen und kam für drei Monate in Gewahrsam. Aufgrund einer kritischen Berichterstattung über die repressiven Eingriffe des Staates in die Pressefreiheit wurde er 2008 erneut verhaftet. 2011 berichtete er als leitender Reporter bei Al Dunia TV vor Ort von den Protestbewegungen gegen das Assad-Regime in Homs und Hama, dem Beginn des syrischen Bürgerkrieges. Die Anhänger Assads vertrieben ihn kurz darauf aus seiner Wohnung in Al Zahra bei Homs. Da die Hetze gegen ihn immer bedrohlichere Ausmaße annahm, begann er unter Pseudonym zu publizieren. Als Mitgründer des Nabd Bündnis für die Jugend Syriens, einer friedlichen Protestbewegung, die durch mediale Berichterstattung ihren Widerstand zum Ausdruck brachte, wurde der Geheimdienst erneut auf ihn aufmerksam. Nachdem Morddrohungen gegen ihn häufiger wurden, entschloss er sich 2013 zur Flucht. Über den Libanon und die Türkei kam er 2014 nach Deutschland. »Ich habe die Flucht von meinem Großvater geerbt. Ich glaube, ich beherrsche sie gut. Er flüchtete nach Syrien, ich aus Syrien«, äußerte er sich im Berliner Tagesspiegel. Von 2014 bis 2017 wohnte Hussein als Stipendiat des Writers-in-Exile-Pro-gramms des deutschen PEN-Zentrums in München. 2018 zog er nach Leipzig, wo er heute lebt. Bereits als Kind begann er zu schreiben. Aber auch, wenn er es als positiv empfindet, in seiner jetzigen Situation eine neue Sprache, Kultur und neue Menschen kennen zu lernen, so bedeutet für ihn das Schreiben von Literatur und insbesondere Poesie, den Glauben an eine Hoffnung auf eine Zukunft nicht zu verlieren, die ihm eines Tages auch eine Rückkehr in ein friedliches Syrien erlaubt. Was Yamen Hussein und SAID miteinander verbindet, ist der unbedingte Wille, mit der Freiheit des Wortes gegen die Zersetzung der Gesellschaft durch ideologische oder religiöse Gewalt und Repression anzuschreiben.

© privat

»Salam Yamen – Lieber SAID« – Über das Gehen, das Suchen und das Ankommen SAID und Yamen Hussein im Gespräch

BuchD/Yamen Hussein, Salam Yamen – Lieber SAID [2017] SAID Buch: SAID/Yamen Hussein, Salam Yamen – Lieber SAID [2017] »salam yamen, ich habe keinen zweifel: unsere korrespondenz tut gut – zumindest mir. du bist ja erheblich jünger und erst seit kurzem im exil; genau deswegen kann ich viel von dir lernen. ich lerne neue fragen. sind sie nicht die voraussetzung

für neue einsichten? und die brauchen wir heute dringender denn je. […] unsere pflicht ist es, gegen die macht zu schreiben – für eine bessere zukunft« SAID, Salam Yamen – Lieber SAID Es ist einige Jahre her, dass mir SAID seine Visitenkarte überreicht hat. Darauf findet sich nicht viel. Auf der Rückseite wird seine Homepageadresse angegeben. Auf der Vorderseite aber befindet sich nur ein Wort: »Schweigen«. Dieses Wort bedeutet für SAID jedoch keinesfalls ein Schweigen gegenüber der Bedrohung der Freiheit durch Ideologien, Ungerechtigkeiten und Lügen in der Welt. Diese nicht zu verleugnen und gleichzeitig der Schönheit, die das Leben bereichert und mit Mut er-füllt, ein stilles Lied in den Zeilen seiner zumeist kurzen und in klarer Sprache verfassten Gedichte zu singen, ist das Geschenk, welches SAID der deutschen Sprache mit jedem neuen Buch nun schon seit über fünfzig Jahren macht. Es ist der Gegensatz zwischen seinen beiden Lebenszeiten und Kul-turräumen – SAID wurde 1947 in Teheran im Iran geboren und kam 1965 zum Studieren nach Deutschland, wo er aufgrund seiner politisch-oppositionellen Tätigkeit zunächst gegen das Schah-System und später dann auch gegen das Mullah-Regime erst zum Exilanten wurde – mit denen er seit Anfang der 1980er Jahre, seitdem er angefangen hat, in Deutschland Bücher zu veröffentlichen, seine neue »Behausung« erfüllt: die deutsche Sprache. In ihr verbindet SAID die Welt seiner verlo-renen Heimat mit der Welt der Fremde, dem Westen und insbesondere Deutschland, das für ihn ein Provisorium geblieben ist in dem er der immer Suchende und also auch der immer Fragende bleibt, wie ein dauerhaft vibrierendes Kind. Dahinter öffnet sich für den Leser und die Leserin eine lebens-bedingende Universalität und Nähe in den Arbeiten dieses Schriftstellers, die ihre Zeitlosigkeit und allgemeine Gültigkeit aus der unbedingten Unabhängigkeit sowohl des Autors als auch des Menschen SAID vor jedweder kurzlebigen Mode und Gleichschaltung im Leben wie im Denken bezieht. Der Dialog aus Briefen und Gedichten, den SAID und Yamen Hussein von Ende 2016 bis ins Frühjahr 2017 miteinander führten, ist ein existentieller Austausch über den Verlust von Heimat, über die Kraft der Erinnerung und Schönheit, über Sprache und Poesie, über Zerstörung und Gewalt, über Flucht und den Versuch des Ankommens. Es ist ein Dialog, vor dem wir nicht wegsehen dürfen, wenn wir nicht wollen, dass »der frieden / ein lidschlag der geschichte« bleibt, denn das darin Ausgesprochene ist auch unsere Lebenswirklichkeit.

25.08. 16:30

© Armin Kühn

Tischgespräch II

Tischgespräch II

Page 25: osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico ... · osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico Italiano o aˇc r eb esinjac ler o Dini´c v Rudiˇs el Rui Zink

4746

Zum Schluss Autorenbegegnung IV 25.08.

18:3025.08. 18:30

Zum Schluss Autorenbegegnung IV

»Salam Yamen – Lieber SAID« – Über das Gehen, das Suchen und das Ankommen

SAID und Yamen Hussein im Gespräch

unddas Ankommen

Nick Thorpe stellt sein Buch Die Donau. Eine Reise gegen den Strom [2017] vor. Gesprächsübersetzung: Timea Tankó [s. S. 51] Deutsche Lesung: Thomas Streipert [s. S. 49] »Einerseits wollte ich dem westeuropäischen Leser zeigen, wie Osteuropa aussieht. Andererseits wollte ich erreichen, dass die Leute der ost- und südosteuropäischen Donauländer mehr vonein-ander erfahren und mehr Verständnis füreinander aufbringen. Die meisten kennen nur ihr eigenes Stückchen des Flusses. Die Donau soll als ein Fluss dargestellt werden, der Nationalitäten verbindet …« Nick Thorpe über sein Buch Die Donau Der britische Journalist, Dokumentarfilmer und Publizist Nick Thorpe wurde 1960 in Upnor in der englischen Grafschaft Kent geboren. 1986 kam er als Korrespondent zur BBC und wurde zum ersten westlichen Berichterstatter mit Sitz in Osteuropa, in der ungarischen Hauptstadt Budapest. Seine Faszination für Osteuropa entdeckte er bereits früher: »Als ich zum ersten Mal nach Budapest kam, in einer sehr heißen Nacht im Juli 1983, bemerkte ich am Ostbahnhof, dass alle Menschen Blumen trugen. Das war eine wunderschöne erste Erfahrung. Ich bin nach Ungarn aufgebrochen, um den Osten Europas zu finden und nicht die Mitte Europas«, erzählt er im Gespräch mit seinem deutsch-sprachigen Verlag Zsolnay in Wien. 1989 wechselte Thorpe vorübergehend zur Zeitung und schrieb unter anderem für den Ob-server, den Guardian und den Independent, bevor er 1996 zurück zur BBC ging. Hier ist er verant-wortlich für Ungarn, Rumänien, Bulgarien und andere Länder der Region, einschließlich des Balkans. Er berichtete über den Fall des Kommunismus, den Zusammenbruch Jugoslawiens und den EU- Mitgliederprozess vieler Länder der Region. Im Gegensatz zu vielen anderen reiste Thorpe die Donau stromaufwärts, »gegen den Strom«, von der Mündung des Donaudeltas ins Schwarze Meer zur Quelle nach Donaueschingen in Baden-Württemberg. Dies ist nicht nur die Richtung – von Ost nach West – aus der die ersten Siedler Europa in der Steinzeit die Zivilisation brachten, sondern auch die Richtung, aus der nach wie vor viele Migranten nach Europa einwandern. Mit seiner Reise gelingt es Thorpe, »die marginalisierten und wegen ihrer wirtschaftlichen Probleme oft verspotteten Menschen und Länder Südosteuropas in den Mittelpunkt« zu rücken, schreibt die Süddeutsche Zeitung. Im Gespräch mit den unterschied-lichsten Menschen vor Ort erfährt der Journalist viel über deren Probleme, Träume und Lebensweisen und lässt uns Leser daran teilhaben. »Ich mag das Wort Zuwanderung, ich mag aber auch Auswan-derung und Durchwanderung. Wir wandern alle heutzutage. Arm ist der Mensch, der nicht wandert, aber arm auch der, der nur wandert und sein Heim nie findet«, sagt Thorpe. Sein jüngstes, in England bereits erschienenes Buch handelt genau davon: von denjenigen, die täglich auf den Flücht-lingswegen durch Europa ziehen müssen.

© Gabor Mate/Zsolnay

Wirklichkeiten und Identitäten im europäischen Strom der Geschichte

András Forgách trifft Nick Thorpe

András Forgách stellt sein Buch Akte geschlossen. Meine Mutter, die Spionin [2019] vor. Gesprächsübersetzung: Timea Tankó [s. S. 51] Deutsche Lesung: Thomas Streipert [s. S. 49] »Es gibt Dinge, die können wir nur verstehen, wenn sie uns selbst widerfahren. Es gibt keine andere Möglichkeit, sie zu erfassen. Nur das Geschehen selbst gibt uns

Aufklärung darüber, was in Wirklichkeit geschehen ist. Wenn wir über eine hin- reichend mutige und wilde Phantasie verfügen, können wir uns eine Vorstellung davon machen, aber verstehen können wir es erst, wenn es wirklich passiert. András Forgách, Akte geschlossen Dieses Buch, welches in Ungarn ein Sensationserfolg war, inzwischen in 14 Sprachen übersetzt wurde und dessen Filmrechte bereits verkauft sind, begann 2013 mit dem Anruf eines Bekannten bei András Forgách. Dieser teilte ihm mit, dass er im Archiv des Innenministeriums in Budapest auf eine Akte gestoßen sei, aus der hervorging, dass Forgáchs Mutter für den Geheimdienst gearbeitet habe. Für den 1952 geborenen Forgách, der bereits 2007 ein umfangreiches Buch über seine Familie geschrieben hatte, brach eine Welt zusammen, weil er erkennen musste, dass diese Familienerzäh-lung auf einer Lüge beruhte, da er sich absolut sicher war, dass seine Eltern nicht Teil der Geheim-organisation waren: »Aber ich lag falsch. Ich musste all meine Überzeugungen über das System, über meine Familie […] neu bewerten. […] Diese ›Neubewertung‹ ist auch für die gesamte ungari-sche Gesellschaft wichtig, da das Vokabular und das Wissen über dieses ganze Phänomen in meinem Land nicht sehr entwickelt ist – wenn jemand als ›Informant‹ gebrandmarkt und stigmatisiert wird, ist er einfach ein ›Verräter‹; es ist fast das Ende der Geschichte«, sagte Forgách in einem Interview. »Frau Papai« – so lautete der Deckname von Forgáchs Mutter Bruria, die 1922 geboren wurde und in Jerusalem als Tochter des namhaften jüdisch-ungarischen Dichters und Übersetzers Mordechai Avi-Shaul aufwuchs. Wie durch ein Wunder überlebten die Verwandten in Ungarn den Terror der faschistischen Pfeilkreuzler. Forgachs Vater Marcell entkam hingegen als einziger Über-lebender seiner Familie der Ermordung der ungarischen Juden. Beide lernten sich in Palästina kennen. Hier waren sie im Unterschied zu vielen anderen ausgewanderten Holocaust-Überlebenden überzeugte antizionistische Kommunisten und kehrten kurz nach Kriegsende nach Budapest zurück, in ein Land, das seinen Judenhass nicht verbarg. Forgách war wie seine drei Geschwister ab Ende der 1970er Jahre in Ungarns dissidentischen Künstler- und Literatenkreisen unterwegs und gehört heute zu den prägenden Gestalten des kultu-rellen Lebens in Ungarn. Akte geschlossen, betont er zuversichtlich, muss mehr sein »als nur ein bestimmtes Fragment der ungarischen Geschichte; es muss einen universellen Reiz haben«, der, so hofft er, einen Dialog auslösen wird.

© Andras Eberling

Page 26: osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico ... · osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico Italiano o aˇc r eb esinjac ler o Dini´c v Rudiˇs el Rui Zink

Thomas Streipert Geboren 1978 in Thüringen, studierte Thomas Streipert nach dem Abitur zunächst Italianistik und Philosophie an der Universität Leipzig, bevor er von 1999 bis 2005 an der Hochschule für Musik und Theater Felix-Mendelssohn-Bartholdy ein Klassi-sches Gesangsstudium absolvierte, das durch Meisterkurse bei Prof. Horst Günther und Prof. Peter Sefcik ergänzt wurde. Von 2005 bis 2008 war er an der Neuen Werk-bühne München engagiert, wo er zum Schauspieler ausgebildet wurde und in zahl-reiche Rollen auftrat. 2009 kehrte er zurück nach Leipzig und arbeitet seitdem als freischaffender Schauspieler und Sänger. Im selben Jahr erhielt er an der Uni-versität Leipzig einen Lehrauftrag für Rede – Präsentation – Wirkungsbewusstsein. Seit 2010 ist er als Theaterautor und Regisseur tätig. Zusammen mit Mareike Greb gründete er 2012 das freie Theaterprojekt WerkEnsembL.E. Seit 2015 ist Thomas Streipert als Sprecher wiederkehrend bei den Poetischen Quellen zu erleben. Er lebt seit 2018 in Löhne. Mareike Greb Mareike Greb wurde 1981 in Saarbrücken geboren. Mit 16 Jahren begann sie, sich nach einer Ballettausbildung am Theater der historischen Tanzkunst und Auffüh-rungspraxis zu widmen. An der Universität in Leipzig studierte sie Theaterwissen-schaften, Musikwissenschaften, Allgemeine und Vergleichende Literaturwissen- schaften. Sie lebt in Leipzig, wo sie als freie Tänzerin, Tanzlehrerin, Choreographin, Musikerin, Schauspielerin und Sprecherin für Hörbücher, Hörspiele, Features und Essays arbeitet. 2012 gründete sie zusammen mit Thomas Streipert das WerkEn-sembL.E., ein freies Schauspielensemble mit kleiner eigener Spielstätte. Im Jahr 2017 war Mareike Greb erstmals als Sprecherin bei den Poetischen Quellen engagiert und trug bei der damaligen Auftaktveranstaltung eindrucksvoll Passagen aus dem Buch Briefe nach Sarajevo der bosnischen Schriftstellerin Dragana Toma evi vor.

49

Sprecherinnen und Sprecher

Jürgen Keimer Moderator der Poetischen Quellen

Jürgen Keimer, 1943 in Kleve geboren, studierte von 1962 bis 1966 Katholische Theologie in Pader- born, Tübingen, Bonn und am Pariser Institut Catholique und anschließend Geschichte und Kunst-geschichte in Köln. Seit 1974 arbeitete er als freier Journalist. 1977 wurde er festangestellter Redakteur beim WDR-Hörfunk. Bis März 2005 war er Leiter der Redaktionsgruppe »Aktuelle Kultur« beim WDR 5. In sein Aufgabenbereich gehörte u.a. Scala – Das Kulturmagazin. Er moderierte regel-mäßig Das Tischgespräch und die Funkhausgespräche. Dabei ging es ihm nie um das konfrontative Gespräch, sondern darum, »ein Thema gemeinsam plastisch zu machen«. Ein Kulturprogramm muss für ihn in der Lage sein dürfen, Dinge neu zu denken und das Publikum auf neue Wege zu führen. Seit Beginn des Internationalen Literaturfestes im Jahr 2002 ist Keimer Moderator der Poeti-schen Quellen. Er führt das Publikum sicher von Autor zu Autor, von Gesprächsrunde zu Gesprächsrunde, darauf bedacht, neue Gedanken anzuregen und auf Geschichten und Themen aufmerksam zu machen. »… als wäre Jürgen Keimer in die ›Poetischen Quellen‹ hineingeboren. Zumindest aber muss er sein halbes Leben auf dieses Literaturfest gewartet haben – so sehr verschmilzt seine alljährliche Mode-ration mit der Umgebung, mit Autoren und Publikum. Kritik vernimmt man über ihn nicht. Im Gegenteil reichen die Beschreibungen seiner Moderation von bedacht und ausgeglichen über pointiert und scharfsinnig bis hin zu einfühlsam und sogar anregend – zumindest zum Nachdenken. Und so ist es kein Wunder, dass Jürgen Keimer am Ende der ›Poetischen Quellen‹ in schöner Regelmäßigkeit den größten Applaus einheimst. Als gar nicht mehr so heimlicher Star des Festivals.« [Felix Eisele, Neue Westfälische]

48

© Antonio Maria Storch

© Marc Maßhoff

© Frieder-Krenzlin

Moderationen

Page 27: osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico ... · osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico Italiano o aˇc r eb esinjac ler o Dini´c v Rudiˇs el Rui Zink

Michael Kegler Michael Kegler, geboren 1967, wuchs in Liberia, Brasilien und Oberhessen auf. Die portugiesische Sprache lernte er als kleines Kind in Brasilien, wo sein Vater in Minas Gerais, dem größten Bergbauzentrum des Landes, als Geologe arbeitete. Sein brasilianisches Alltagsportugiesisch verfeinerte er während des Studiums und arbeitete nebenbei im »Centro do Livro«, dem portugiesischen Buchladen in Frank-furt am Main. Seit Ende 1990 ist Kegler als Literaturübersetzer tätig und hat u.a. die Bü-cher von Paulina Chiziane [Mosambik], José Eduardo Agualusa [Angola], Luiz Ruf-fato, João Paulo Cuenca, Michel Laub [Brasilien], Manuel Jorge Marmelo und Rui Zink [Portugal] ins Deutsche übertragen. 2001 gründete er das Internetportal nova cultura, das über Literatur und Musik aus den Ländern des portugiesischen Sprachraumes informiert. In Frankfurt am Main ist er regelmäßiger Moderator der Lesereihe BrasiLesen. 2009 erschien die von ihm herausgegebene Lyriksammlung Hotel Ver Mar, in der Werke von 22 jüngeren portugiesischsprachigen Autoren vor-gestellt werden. Zusammen mit Marianne Gareis wurde Michael Kegler 2014 mit dem Straelener Übersetzerpreis der Kunststiftung NRW ausgezeichnet. 2016 erhielt er zusammen mit dem von ihm übersetzten brasilianischen Schriftsteller Luiz Ruffato den Internationalen Hermann-Hesse-Preis. Kegler, der neben der Arbeit als Übersetzer auch als Literaturkritiker und Herausgeber por-tugiesischsprachiger Literatur tätig ist, lebt mit seiner Familie in Hofheim im Taunus. Leila Chammaa Leila Chammaa wurde 1965 in Beirut, Libanon, geboren. Seit 1975 lebt sie in Deutschland. In Berlin studierte sie an der Freien Universität Islamwissenschaft, Arabistik und Politologie. Seit 1990 ist sie als Übersetzerin arabischer Prosa und Lyrik ins Deutsche und Beraterin und Gutachterin für Verlage und Institutionen im Bereich arabischer Literatur tätig. 2004 war sie Koordinatorin und dramaturgische Organisatorin der literarischen Lesungen im arabischen Ehrengastprogramm auf der Frankfurter Buchmesse. 2002 gründete sie die Agentur »Alif« zur Vermittlung arabischer Literatur im deutschsprachigen Raum. Darüber hinaus ist sie Dozentin für Arabisch im Auswärtigen Amt. Timea Tankó Timea Tankó, 1978 in Leipzig geboren, wuchs in Ungarn und Deutschland auf. Sie studierte Französisch und Spanisch, sowie Kulturwissenschaften an der Universität Leipzig und schloss das Studium 2004 als Diplom-Übersetzerin ab. Von 2001 bis 2010 unterrichtete sie Ungarisch an der Universität Leipzig. Seit 2003 arbeitet sie freiberuflich als Literaturübersetzerin und Dolmetscherin für Ungarisch. Tankò übersetzte so bekannte ungarische Autoren wie Péter Nádas, István Kemény, Antal Szerb und Iván Sandór ins Deutsche. Umgekehrt überträgt sie auch deutsche Schriftsteller ins Ungarische. Ihre vielgelobte Übersetzung von Andor Endre Gelléris Novellenband Stromern, die im vergangenen Jahr im Guggolz Verlag erschienen sind, stand auf der SWR-Bestenliste. Tankó lebt in Berlin.

51

Übersetzerinnen und Übersetzer

Annette Kopetzki Die Übersetzerin Annette Kopetzki, 1954 in Hamburg geboren, studierte Germa- nistik, Philosophie und Pädagogik. Sie promovierte 1995 mit einer Arbeit zu sprachtheoretischen und ästhetischen Problemen der literarischen Übersetzung. Seit 1998 arbeitet sie freiberuflich als Übersetzerin. Ausgezeichnet mit dem Förderpreis für literarische Übersetzung der Hamburger Kul-turbehörde, ist sie Ständiges Mitglied der Jury des Erlanger Literaturpreises für Poesie als Übersetzung. Kopetzki ist zudem Gründungsmitglied des Vereins Weltlesebühne e.V., für den sie zahlreiche Moderationen, Veranstaltungen und Fortbildungsseminare

durchgeführt hat. Ihre Übersetzungen aus dem Italienischen umfassen so bekannte Namen wie Erri De Luca, Pier Paolo Pasolini, Andrea Camilleri, Alessandro Baricco, Roberto Saviano und Edmondo De Amicis. Im Oktober dieses Jahres wird Annette Kopetzki auf der Frankfurter Buchmesse mit dem Paul-Celan-Preis für herausragende Literaturübersetzungen ins Deutsche ausgezeichnet. Besonders würdigt die Jury ihre Übersetzung des 2018 erschienenen Romans Am Hügel von Capodimonte von Wanda Marasco, den sie zusammen mit der italienischen Autorin erstmals in einer deutschlandweiten Premiere im vergangenen Jahr bei den Poetischen Quellen vorgestellt hat.

Ivana Nevesinjac Ivana Nevesinjac, geboren 1984 in Sarajevo, Bosnien-Herzegowina, studierte Germanistik und Anglistik in Sarajevo. An der dortigen Universität unterrichtete sie Neuere Deutsche Literatur am Institut für Germanistik. Ihre Interessensgebiete sind moderne und zeitgenössische Literatur, Intermedia-lität, Interkulturalität und Übersetzen in interdisziplinärer und kulturwissenschaft-licher Perspektive. Sie arbeitet als Konferenzdolmetscherin und Literaturüber- setzerin für Deutsch, English, Bosnisch, hat u.a. Werke von Georg Büchner [Der Hessische Landbote), Frank Wedekind [Die Büchse der Pandora] und Max Dauthendey

[Die acht Gesichter am Biwasee, Geschichten aus den vier Winden] ins Bosnische übertragen und übersetzt für unterschiedliche Literaturzeitschriften und Literaturlesungen. Seit 2006 führten sie zahlreiche Stipendienaufenthalte nach Deutschland [u.a. als DAAD- und Erasmus-Stipendiatin]. Sie ist Mitglied des Südosteuropäischen Germanistenverbandes [SOEGV] und seit 2018 Präsidentin des bosnisch-herzegowinischen Übersetzer- und Dolmetscherverbandes [UPBH].

Verena von Koskull Verena von Koskull, Jahrgang 1970, studierte Italienisch und Englisch für Über-setzer sowie Kunstgeschichte in Berlin und Bologna. Nach dem Diplom an der Ber-liner Humboldt-Universität 1997 übernahm sie die Abteilung Rechte und Lizenzen des italienischen Verlages Fazi Editore in Rom. Von 2000 bis 2002 arbeitete sie im Berliner Alexander Fest Verlag im Sachbuchlektorat und in der Presseabteilung sowie als Assistentin des Verlegers. Seit 2002 ist sie als Literaturübersetzerin tätig und übersetzt außerdem für die Wochenzeitung DIE ZEIT.

50

Übersetzerinnen und Übersetzer

© privat

© privat

© Ebba D. Drolshagen © Markus Kirchgessner

© Santiago Engelhardt

© literaturport

Page 28: osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico ... · osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico Italiano o aˇc r eb esinjac ler o Dini´c v Rudiˇs el Rui Zink

Programm Samstag, 24. 08. / im Erzählzelt 14:00 Märchen aus aller Welt Das schneeweiße Steinchen Der Büffel, der nur ein Horn hatte 15:00 Als das Wünschen noch geholfen hat Das Eselein Das Boot, das zu Wasser und zu Lande fahren konnte Der Zauberfisch 16:00 Kinderbuchpräsentation Ebi Naumann Das rote Ding; eine Bilderbuchgeschichte für Kinder von 4–6 Jahren 17:00 Zauberhafte Welt der Märchen Der kleine Prinz, der sich im Wald verirrte Die Sterne im Himmel Sonntag, 25. 08. / im Erzählzelt 14:00 Märchen aus aller Welt Der Kater Wiljiki [russisch] Das Töpfchen [türkisch] Jack und die Bohnenranke [englisch] 15:00 Kinderbuchpräsentation Die Bremer Stadtmusikanten von den Brüdern Grimm; Illustrator: Markus Lefrançois Für Kinder ab 4 Jahren 16:00 Östlich der Sonne – Westlich vom Mond Vom tapferen klugen Schneiderlein [ungarisch ] Des Kaisers neue Kleider [nach H. Ch. Andersen] Rotkäppchen [nach den Gebr. Grimm] 17:00 Kunterbunte Märchenwelt Vom verschollenen Prinzen [isländisch] Die Prinzessin mit dem dicken Po [deutsches Kunstmärchen] Wilde Schwäne [russisch]

53

KinderBuchLand

Für Kinder zwischen 4 bis 11 Jahren bietet das KinderBuchLand der Poetischen Quellen 2019 am Samstag- und Sonntagnachmittag zwischen 13.30 Uhr und 17.30 Uhr ein durchgängiges Programm aus Märchenerzählungen, Kinderbuchvorstellungen und Kinderbetreuung an. Dabei werden die Kinder zu einer kreativen Auseinandersetzung und Beschäftigung mit dem Thema Literatur und Märchen in Form von unterschiedlichen Bastel- und Gestaltungsangeboten angeregt. Das Team Die Märchenerzählungen im KinderBuchLand werden von Ariane Höpker und Erika Frohne angebo-ten. Beide sind Mitglieder des Erzählkreises am Deutschen Märchen- und Wesersagenmuseum von Bad Oeynhausen. Die Betreuung im KinderBuchLand übernimmt die Pädagogin Lara Oberdieck. Anette Gohlke von der Buchhandlung Fritz Scherer stellt verschiedene Kinderbücher vor. Aktivitäten bei der Betreuung Bei der Betreuung dreht sich alles rund um das Thema Geschichten, Märchen, Bücher und Lesen. Dabei stehen der kreative Umgang, spielerische Aktivitäten und die Möglichkeit zur Ruhe und Muße gleichbedeutend nebeneinander. Alte Bücher können recycelt werden. Es können Umschläge für die eigenen Lieblingsbücher und auch Lesezeichen dazu gebastelt werden. Ausmalbilder zum freien Malen stehen zur Verfügung, und ein »Rapunzelturm« soll gebastelt werden. Bei spielerischen Aktivitäten werden altbekannte Spiele wie Wer hat Angst vorm bösen Wolf? angeboten und andere Spiele, die sich eng an Märchen anlehnen. In der Leseecke geht es leise und ruhig zu: Hier stehen Bücher zur Auswahl, die man sich anschauen und durchlesen kann. Und wer selber eine Geschichte schreiben möchte, kann das hier natürlich auch machen. Kinderbuchberatung für Eltern und Kinder [am Büchertisch] Die Buchhandlung Fritz Scherer bietet an ihrem Büchertisch Beratungs- und Informationsgespräche mit Lesetipps dazu an, welche Bücher für Kinder in den unterschiedlichsten Altersstufen geeignet sind, und wie man das Leseinteresse wecken kann.

52

KinderBuchLand

Erika FrohneAriane Höpker Lara Oberdieck Anette Gohlke

© Sandra Kreutzer

Page 29: osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico ... · osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico Italiano o aˇc r eb esinjac ler o Dini´c v Rudiˇs el Rui Zink

55

00.08. 00:00

Hotelangebote Die folgenden Partnerhotels in Bad Oeynhausen bieten während des Zeitraums der Poetische Quellen 2019 [21.–25. 08.2019] unterschiedliche Übernachtungsangebote als Pauschalarrangements an, in denen pro Übernachtung eine um 3 Euro vergünstigte Eintrittskarte zur jeweiligen Abendveran-staltung enthalten ist! Vienna House Easy Bad Oeynhausen Morsbachallee 1 32545 Bad Oeynhausen Tel.: +49 [0]5731 257-0 // Fax: +49 [0]5731 2574-44 Email: [email protected] www.viennahouse.com Fußweg zum Literaturfest im AQUA-MAGICA-Park: ca. 10 Minuten Mercure Hotel Bad Oeynhausen City Königstraße 3–7 32545 Bad Oeynhausen Tel.: +49 [0]5731 25890 // Fax: +49 [0]5731 258999 Email: [email protected] www.mercure-oeynhausen-city.de Fußweg zum Literaturfest im AQUA-MAGICA-Park: ca. 20 Minuten Hotel Wittekind Am Kurpark 10 32545 Bad Oeynhausen Tel.: +49 5731 30600 // Fax: +49 5731 306037 Email: [email protected] www.hotel-wittekind.de Fußweg zum Literaturfest im AQUA-MAGICA-Park: ca. 16 Minuten Impressum Veranstalter und Herausgeber: AQUA MAGICA Bad Oeynhausen & Löhne GmbH Gesamtleitung, Konzept und Programm: Michael Scholz Redaktion: Michael Scholz Fotonachweis: Antonio Maria Storch [Impressionen], übrige Fotos s. Copyright Gestaltung: Patricia Ludwig Produktion: Druckerei Junggebauer, Bad Oeynhausen

Übernachtungen Impressum

Page 30: osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico ... · osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico Italiano o aˇc r eb esinjac ler o Dini´c v Rudiˇs el Rui Zink

56

Partner und Förderer der Poetischen Quellen 2019 Hauptförderer Förderer/Sponsoren

Kooperationspartner Medienpartner Gastronomie Das Internationale Literaturfest Poetische Quellen ist Mitglied im:

Partner und Förderer

Partner und Förderer

Page 31: osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico ... · osso r ott trässle do Albinati on Koskull t Federico Italiano o aˇc r eb esinjac ler o Dini´c v Rudiˇs el Rui Zink

Ein besonderer Dank für ihre Unterstützung geht an: Kunststiftung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf – Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW – Stiftung der Sparkasse Herford – WDR 5, Köln – Portugiesische Botschaft und Camões Institut, Berlin – Gauselmann AG, Espelkamp – Ludwig Weinrich Schokoladenfabrik, Herford – Westfalica GmbH, Bad Oeynhausen – Senger Ostwestfalen GmbH & Co. KG, Bad Oeynhausen – Vienna House Easy Bad Oeyn-hausen – Mercure Hotel Bad Oeynhauen City – Hotel Wittekind, Bad Oeynhausen – Wirtschaftsclub Bad Oeyn-hausen – Podufal-Wiehofsky Generalplanung, Löhne – Gneuß GmbH, Bad Oeynhausen – Creditreform Herford & Minden Dorff GmbH & Co. KG – Rotary Club Bad Oeynhausen-Minden – Literarischer Verein Minden e.V. – Förderverein AQUA MAGICA Bad Oeynhausen & Löhne e.V. – Immobilien-Service Falco Buller KG, Bad Oeynhausen – Blanke-Art, Löhne – GTS Thielen Service für Sicherheit GmbH, Löhne – First Reisebüro TUI Deutschland GmbH, Bad Oeynhausen – Provinzial Versicherungen, Thomas Stürmer, Löhne – Initiative Bad Oeynhausen e.V. – AGORA Gesellschaft für Literatur, Kunst und Kultur e.V., Bad Oeynhausen/Löhne – Ristorante »Paradiso«, Bad Oeynhausen – Brohler Mineral- und Heilbrunnen GmbH, Brohl-Lützing – Grätz GartenPark, Hüllhorst – SMV Sitz- und Objektmöbel GmbH, Löhne – Stadtwerke Bad Oeynhausen – Aktuelle Werbung, Bad Oeynhausen – Herz- und Diabeteszentrum NRW, Bad Oeynhausen – Patricia Ludwig Grafikdesign, Herford – Druckerei Junggebauer Entwurf & Druck GmbH, Bad Oeynhausen – Kulturreferat »KuK!«, Kirchenkreis Vlotho – Ev. Kirchengemeinde, Bad Oeynhausen-Altstadt – Deutsches Märchen- und Wesersagenmuseum Bad Oeynhausen sowie an alle weiteren privaten Sponsoren und an die Helferinnen und Helfer der Poetischen Quellen 2019 Karten-Vorverkauf: – Telefon +49 [0]160 6103535 oder [email protected] – Tourist-Info/Haus des Gastes im Kurpark, Bad Oeynhausen – Kulturbüro Löhne – Buchhandlung Fritz Scherer, Bad Oeynhausen – Buchhandlung Dehne, Löhne – Mayersche Buchhandlung, Herford – Buchhandlung Kafka & Co, Detmold – Buchhandlung Eulenspiegel, Bielefeld – Buchhandlung Emil Maschke, Bad Salzuflen – Bücherstube Andreas Oelschläger, Lübbecke – Thalia Buchhandlung im Kaufhaus Hagemeyer, Minden – Der Bücherwurm, Minden Der weitere Kartenverkauf findet an der Abendkasse statt. Offizieller Fahrdienst der Poetischen Quellen 2019: Senger Ostwestfalen GmbH & Co. KG Das 19. Internationale Literaturfest Poetische Quellen findet vom 26. bis 30. August 2020 statt. Thema: »Literatur und Widerstand « poetischequellen.de

Veranstalter:

AQUA MAGICALandschaf t s - und Ku l tu rpark

B a d O e y n h a u s e n & L ö h n e