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Titel 26 Healthcare Marketing 11/2013 Der Umsatz mit OTC-Arzneimitteln und Gesundheitsmitteln, die über sta- tionäre und Online-Apotheken ver- trieben werden, stagniert seit einigen Jahren bei knapp 7 Milliarden Euro p.a. Für das laufende Jahr aber könnte es deutlich nach oben gehen, denn laut IMS Health beläuft sich der Umsatz für die ersten drei Quartale auf rund 5,4 Milliarden Euro, was einem Plus von etwa 10 Prozent gegenüber dem Vor- jahr entspricht. Die Indikationen mit den größten Umsatzanteilen sind Schmerzmittel, Präparate gegen Muskel- und Gelenk- beschwerden und Schnupfenmittel. Wachsen konnten in der jüngsten Ver- gangenheit Nischensegmente, beispiels- weise Mittel zur Gewichtsreduktion. 2009 wurde die Substanz Orlistat re- zeptfrei, was mit dazu beitrug, dass der Umsatz laut IMS Health in der Zeit von 2009 bis 2012 von 67 auf 88 Millionen Euro kletterte. Eine andere wachsende Produktgruppe ist die der Digestiva. Auf sie entfielen 2012 123 Millionen Euro, was einem Plus von 9,3 Prozent zum Vorjahr entspricht (mehr zu den Produktgruppen in der ‚Healthcare Marketing’-Ausgabe 4/2013). Nestlé und andere FMCG- Konzerne auf Vormarsch Auch wenn, wie eingangs erwähnt, die OTC-Umsätze nicht gerade explodie- ren, so ist der weiter gefasste Consumer Healthcare-Markt ein expansiver. Diesen Schluss legen Unternehmensaktivitäten der jüngeren Vergangenheit nahe. Bei- spielsweise gründete der Food-Konzern Nestlé bzw. dessen Gesundheitssparte Nestlé Health Science mit dem chine- sischen Pharmahersteller Chi-Med das Joint Venture Nutrition Science Partners Limited, das u.a. das Ziel der Entwick- lung und Vermarktung von pflanzlichen Magen-Darm-Medikamenten und Nah- rungsmitteln verfolgt. Oder BASF über- nahm den norwegischen Hersteller von Omega-3-Fettsäuren Pronova Biophar- ma, Stada kauft in Russland und Eng- land OTC-Marken hinzu, und Reckitt Benckiser verleibte sich den amerikani- schen Nahrungsergänzungsmittel- und Vitaminhersteller Schiff Nutrition ein. Im stagnierenden Markt der OTC-Arzneimittel sind Rezepte für Umsatzstei- gerungen gefragt. Nicht nur die etablierten Hersteller stehen zueinander im Wettbewerb, sondern ‚fremde‘ Unternehmen wie Nestlé besetzen den Ge- sundheitsmarkt. Wir haben Marketer gefragt, wie richtig geführte Marken Umsätze hoch halten können. OTC-Marken Marken und Kommunikation als Umsatzbeschleuniger Neue rezeptfreie Arzneimittel gegen Erkältung und Durchfall kommen 2013 auf den Markt © Boehringer Ingelheim

OTC-Marken Marken und Kommunikation als Umsatzbeschleuniger · 2009 bis 2012 von 67 auf 88 Millionen Euro kletterte. Eine andere wachsende Produktgruppe ist die der Digestiva. Auf

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Page 1: OTC-Marken Marken und Kommunikation als Umsatzbeschleuniger · 2009 bis 2012 von 67 auf 88 Millionen Euro kletterte. Eine andere wachsende Produktgruppe ist die der Digestiva. Auf

Titel

26 Healthcare Marketing 11/2013

Der Umsatz mit OTC-Arzneimitteln und Gesundheitsmitteln, die über sta-tionäre und Online-Apotheken ver-trieben werden, stagniert seit einigen Jahren bei knapp 7 Milliarden Euro p.a. Für das laufende Jahr aber könnte es deutlich nach oben gehen, denn laut IMS Health beläuft sich der Umsatz für die ersten drei Quartale auf rund 5,4 Milliarden Euro, was einem Plus von etwa 10 Prozent gegenüber dem Vor-jahr entspricht.Die Indikationen mit den größten Umsatzanteilen sind Schmerzmittel, Präparate gegen Muskel- und Gelenk-beschwerden und Schnupfenmittel. Wachsen konnten in der jüngsten Ver-gangenheit Nischensegmente, beispiels-weise Mittel zur Gewichtsreduktion.

2009 wurde die Substanz Orlistat re-zeptfrei, was mit dazu beitrug, dass der Umsatz laut IMS Health in der Zeit von 2009 bis 2012 von 67 auf 88 Millionen Euro kletterte. Eine andere wachsende Produktgruppe ist die der Digestiva. Auf sie entfielen 2012 123 Millionen Euro, was einem Plus von 9,3 Prozent zum Vorjahr entspricht (mehr zu den Produktgruppen in der ‚Healthcare Marketing’-Ausgabe 4/2013).

Nestlé und andere FMCG-Konzerne auf Vormarsch

Auch wenn, wie eingangs erwähnt, die OTC-Umsätze nicht gerade explodie-ren, so ist der weiter gefasste Consumer

Healthcare-Markt ein expansiver. Diesen Schluss legen Unternehmensaktivitäten der jüngeren Vergangenheit nahe. Bei-spielsweise gründete der Food-Konzern Nestlé bzw. dessen Gesundheitssparte Nestlé Health Science mit dem chine-sischen Pharmahersteller Chi-Med das Joint Venture Nutrition Science Partners Limited, das u.a. das Ziel der Entwick-lung und Vermarktung von pflanzlichen Magen-Darm-Medikamenten und Nah-rungsmitteln verfolgt. Oder BASF über-nahm den norwegischen Hersteller von Omega-3-Fettsäuren Pronova Biophar-ma, Stada kauft in Russland und Eng-land OTC-Marken hinzu, und Reckitt Benckiser verleibte sich den amerikani-schen Nahrungsergänzungsmittel- und Vitaminhersteller Schiff Nutrition ein.

Im stagnierenden Markt der OTC-Arzneimittel sind Rezepte für Umsatzstei-gerungen gefragt. Nicht nur die etablierten Hersteller stehen zueinander im Wettbewerb, sondern ‚fremde‘ Unternehmen wie Nestlé besetzen den Ge-sundheitsmarkt. Wir haben Marketer gefragt, wie richtig geführte Marken Umsätze hoch halten können.

OTC-Marken

Marken und Kommunikation als Umsatzbeschleuniger

Neue rezeptfreie Arzneimittel gegen Erkältung und Durchfall kommen 2013 auf den Markt

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27Healthcare Marketing 11/2013

Boehringer führt Neuprodukte ein

Der Pharmahersteller Boehringer In-gelheim, der 2012 im Selbstmedika-tionsgeschäft einen Umsatz von rund 1,5 Milliarden Euro weltweit (plus 7,8 Prozent) erzielte, hat 2013 zwei neue OTC-Präparate eingeführt: Vaprino gegen akuten Durchfall und BoxaGrip-pal gegen Erkältung. Das Unternehmen unterstützt die Neueinführungen mit umfassenden Werbekampagnen. Für BoxaGrippal wirbt die im OTC-Markt viel beschäftigte Agentur Grey. Die Düsseldorfer Werber betreuen bereits Pfizer und GlaxoSmithKline in deren je-weiligen Sparten Consumer Healthcare. Nun ist noch Boehringer Ingelheim hin-zugekommen, denn der Etat für Boxa-Grippal ist der erste Auftrag bei dem Unternehmen. Die Netzwerkagentur unter der Leitung von Geschäftsführer Dickjan Poppema entwickelte eine End-verbraucherkampagne (Claim: Die in-telligente Kombination bei Erkältung), die in reichweitenstarken TV-Sendern und Publikumszeitschriften geschaltet wird (Media: Mindshare). Die Werbung soll laut Grey sympathisch und humorvoll rüberkommen. Um das zu erreichen, sagt der Darsteller im Spot: „Mit einer dicken Erkältung bist du einfach nicht du selbst. Der Kopf ist komplett dicht, Du fühlst dich wie eine schlechte Kopie deiner selbst. Weil der Kopf nicht richtig funktioniert, vergisst man alles Mögliche, lässt dauernd was fallen – man mogelt sich so durch den Tag. Das neue BoxaGrippal kombiniert einen Wirkstoff, der Nase und Neben-höhlen befreit, mit Ibuprofen, das ge-zielt die Entzündung, Schmerzen und Fieber bekämpft. Mit BoxaGrippal bist du schnell wieder du selbst.“

Grey arbeitet derzeit bei Boehringer Ingelheim außerdem an einem Me-dikament in der Indikation Magen-Darm und für das Präparat Dulcolax. Letzteres wurde quasi von der Kölner Schwesteragentur ghg (Grey Healthcare Group) übernommen. Boehringer Ingelheim kooperiert auch bei seinem anderen neuen Medikament Vaprino mit einem neuen Agenturpart-ner. Es ist Serviceplan Health & Life. Die Münchner Werber sind für den Kreativetat verantwortlich und haben einen ersten TV-Spot für das Präparat gegen Durchfall entwickelt. „Mit der Inszenierung einer hochemotionalen Situation – nämlich der Hochzeit der eigenen Tochter, bei der der Brautva-ter von akutem Durchfall überrascht wird, sich dank Vaprino aber schnell erholt – schufen wir einen Rahmen, den jeder Betroffene sofort nachvollziehen kann“, erklärt Florian Bernsdorf, Ge-schäftsführer von Serviceplan Health & Life. Bei Boehringer Ingelheim zeichnet Marc Dötzel als Marketingleiter für Selbstmedikation in Deutschland.

Geringe Wechselbereit-schaft der Konsumenten

Zukäufe und Produktneueinführungen sind freilich ein Mittel, Wachstum zu generieren. Der Markt ist gesättigt, und Wachstumsimpulse können ausgelöst werden durch Innovationen, Switches oder durch hochpreisigere Neupro-dukte im Sortiment. Diese drei Punkte nennt Andreas Niehaus, früher Marke-ting- und Vertriebsleiter bei Boehringer Ingelheim und seit gut einem Jahr mit Niehaus Pharma, Ingelheim, (Produkt: Lioran) sein eigener Chef.

Welche Rolle aber spielen Markenkom-munikation und Werbung im Wettbe-werb unter den Herstellern? Reckitt Benckiser, ein globaler Hersteller von Fast Moving Consumer Goods (FMCG) mit Marken wie Calgon, Air Wick, Sa-grotan und Veet, verstärkt seit einiger Zeit sein OTC-Geschäft (hat aber ge-rade angekündigt, sein Rx-Geschäft zu verkaufen). Der Konzern agiert u.a. mit OTC-Marken wie Dobendan und Gavis-con. Laut Matthias Steimel von Reckitt Benckiser liegt die besondere Herausfor-derung in Deutschland darin, dass die Wechselbereitschaft der Konsumenten bei OTC-Produkten im internationalen Wettbewerb sehr gering sei. Es gebe eine nur sehr geringe Marktdynamik. Der Category Marketing Manager Health des Mannheimer Unternehmens fährt fort: „Aus meiner Sicht haben nur starke Marken eine Chance, dies aufzubrechen, weil sie das Potential haben, den End-verbraucher nicht nur rational, sondern auch emotional für sich zu gewinnen. Im Falle einer echten Innovation kann der Erfolg natürlich über einen rationalen Produktnutzen kommen, wenn er auf ei-nen unerfüllten Bedarf beim Apotheken-kunden trifft. Dies ist allerdings nicht mehr oft der Fall, da Deutschland ein sehr ausgereifter und gesättigter Markt ist. Umso höher ist der Anspruch an emotionale Markenwerte, wenn es um die Kommunikation geht. Darüber hi-naus müssen wir uns immer die Frage stellen, welche angesehenen Botschafter und Experten im Markt uns dabei helfen können, neue Kunden von anderen Kon-kurrenten abzuwerben.“Jörg Wieczorek, Geschäftsführer OTC bei Hermes Arzneimittel, Großhesse-lohe/München, erwartet keine groß-artigen Wachstumssprünge: „Insofern kommt den OTC-Marken – und zwar

„Ich warne vor zu viel Lifestyle und Verspieltheit. Das schädigt auf Dauer dem Ansehen von Arzneimitteln.“

Jörg Wieczorek, Hermes Arzneimittel

Den gesamten Artikel können Sie in unserer aktuellen ‚Healthcare Marketing‘-Ausgabe ab Seite 26 lesen. Wenn sie unser Heft noch nicht beziehen, abonnieren sie jetzt hier!