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Urologe 2007 · 46:40–44
DOI 10.1007/s00120-006-1268-3
Online publiziert: 22. Dezember 2006
© Springer Medizin Verlag 2006
M. Kurosch · S. Buse · J. Bedke · N. Wagener · A. Haferkamp · M. Hohenfellner
Urologische Universitätsklinik, Ruprecht-Karls-Universität, Heidelberg
Palliative und supportive Therapie des Nierenzellkarzinoms
Leitthema
In Anlehnung an die Daten der Gesell-
schaft der epidemiologischen Krebsre-
gister in Deutschland und dem Robert-
Koch-Institut [1] schätzt man die Zahl
der jährlichen Neuerkrankungen an Nie-
rentumoren im Jahr 2002 bei Frauen auf
etwa 6400 und bei Männern auf etwa
10.300. Darin enthalten sind jedoch in et-
wa zu 10% Malignome des Nierenbeckens
und des Harnleiters. Das mittlere Er-
krankungsalter liegt für Männer bei etwa
65 Jahren, für Frauen bei etwa 70 Jahren.
Die geschätzte altersstandardisierte Inzi-
denz für Nierentumoren beträgt dabei für
das Jahr 2002 21,3/100.000 bei Männern
und 10,0/100.000 bei Frauen.
Man schätzt, dass ca. 25–30% aller Pa-
tienten mit einem Nierenzellkarzinom be-
reits zum Zeitpunkt der Diagnose Metasta-
sen haben und dass trotz vollständiger Ent-
fernung des Tumors mittels radikaler Ne-
phrektomie in etwa 20–30% ein Progress
der Erkrankung auftritt. Die durchschnitt-
liche 5-Jahres-Überlebensrate beträgt 60%.
Patienten mit Metastasen zum Zeitpunkt
der Diagnose haben ein medianes Überle-
ben von 6–12 Monaten mit einer 5-Jahres-
Überlebensrate von <10% [2]. Laut Krebs-
atlas des Deutschen Krebsforschungszent-
rums (Becker N, Wahrendorf J Krebsatlas
der Bundesrepublik Deutschland http://
www.dkfz-heidelberg.de) war das Nieren-
zellkarzinom im Jahr 2003 bei Männern
mit einem Anteil von 3,6% die siebthäufigs-
te Krebstodesursache, bei Frauen ist diese
Tumorart mit einem Anteil von 2,5% die
zehnthäufigste Krebstodesursache.
Für Patienten mit metastasiertem Nie-
renzellkarzinom stehen zum jetzigen Zeit-
punkt verschiedene palliative Therapieop-
tionen zur Verfügung.
Operative Therapieoptionen
Zytoreduktive Tumornephrektomie
Zwei prospektive, randomisierte Studien
(SWOG 8949; EORTC 30947, [3, 4]) un-
tersuchten die Frage, ob eine Entfernung
des Primärtumors beim metastasierten
Nierenzellkarzinom zu einer Verbesse-
rung der Prognose führt. Dazu wurden 2
Patientengruppen verglichen: die 1. Grup-
pe wurde tumornephrektomiert und mit
Interferon- (INF-)α2b behandelt, die an-
dere nur mit INF-α2b behandelt. In einer
Metaanalyse beider Studien konnte ein si-
gnifikanter Überlebensvorteil von 5,8 Mo-
naten für die operierten gegenüber den
nicht-operierten Patienten gezeigt wer-
den. Das mediane Überleben der ope-
rierten Patienten betrug hierbei 13,6 Mo-
nate, das der nicht-operierten Patienten
hingegen nur etwa 7,8 Monate [5].
Metastasenchirurgie
Zu den häufigsten Lokalisationen häma-
togener Metastasen eines Nierenzellkarzi-
noms zählen die Lunge, Knochen, Gehirn,
Leber und Nebennieren, seltener kom-
men Metastasen in Pankreas, Harnleiter,
Hoden und der Schilddrüse vor. Grund-
sätzlich sind heutzutage der Metastasen-
chirurgie des Nierenzellkarzinoms kaum
Grenzen gesetzt.
Die Resektion einer solitären oder we-
niger Metastasen nach bereits oder in
Kombination durchgeführter Tumorne-
phrektomie kann bei etwa 30% aller Pati-
enten zu einem höheren Langzeitüberle-
ben führen [6, 7, 8]. Die besten Ergebnisse
beobachtet man dabei bei pulmonalen
metachronen Metastasen mit einem me-
tastasenfreien Intervall nach Tumorne-
phrektomie von >2 Jahren sowie einer R0-
Resektion [9]. Ferner spielen bei pulmo-
nalen Metastasen die Größe und Anzahl
der Metastasen, sowie der Tumorbefall
der intrathorakalen Lymphknoten für die
Prognose eine wichtige Rolle [10, 11]. Hof-
mann et al. [12] konnten zeigen, dass die
Resektion von isoliert pulmonalen Metas-
tasen bei fortgeschrittenem Nierenzell-
karzinom das Gesamtüberleben der Pa-
tienten verbessert. Die 5-Jahres-Überle-
bensrate lag bei komplett (R0-)resezierten
Patienten bei 39,9%; inkomplett resezierte
(R1-, R2-)Patienten lebten nach 5 Jahren
nicht mehr. Zusätzlich konnten die Auto-
ren zeigen, dass mit zunehmender Anzahl
der Metastasen die 5-Jahres-Überlebens-
rate signifikant abnahm: Bei einer Soli-
tärmetastase lag die Überlebensrate bei
54,7%, bei 2–6 Metastasen bei 32,0% und
bei >6 Metastasen bei 0%.
Erfolgversprechende Ergebnisse konn-
ten auch bei der Metastasenresektion der
Leber [13], der Nebenniere [14], des Ge-
hirns ([15, 16] s. dazu auch Buse et al. in
diesem Heft) und der Bauchspeicheldrü-
se [17, 18] erzielt werden.
Sohn et al. [19] berichten beispielswei-
se in ihrer retrospektiven Studie über das
Langzeitüberleben von 10 Patienten, die
zwischen April 1989 und Mai 1999 mittels
Resektion von isolierten Pankreasmetas-
tasen eines Nierenzellkarzinoms behan-
delt wurden. Die Metastasen waren im
40 | Der Urologe 1 · 2007
Median 8,5 Jahre nach Tumornephrekto-
mie aufgetreten und konnten alle kom-
plett (R0) reseziert werden. Bei diesem
Patientenkollektiv betrug die 5-Jahres-
Überlebensrate 75%, einer der Patienten
lebte noch 117 Monate nach durchgeführ-
ter Resektion.
Embolisation
Die Embolisation von Nierentumoren
wurde erstmals im Jahre 1973 von Alm-
gard et al. [20] etabliert. Unter palliati-
ven Gesichtspunkten können Nierentu-
moren oder Metastasen, die einer chir-
urgischen Therapie nicht zugeführt wer-
den können, embolisiert werden. Hierbei
geht es im Wesentlichen um die Beherr-
schung und Verhinderung von tumorbe-
dingten Symptomen und Komplikationen
wie z. B. Schmerzen und Blutungen. Als
Embolisate kommen dabei heute haupt-
sächlich Alkohol-Lipiodol-Gemische und
Ethibloc® zum Einsatz, da diese Substan-
zen eine Okklusion der arteriellen Gefäß-
strombahn auf kapillarer Ebene bewir-
ken und im Vergleich mit anderen Em-
bolisaten die geringste Rate an Komplika-
tionen und Postembolisationssyndromen
zeigen [21, 22]. In aller Regel werden die-
se Substanzen unter Durchleuchtung und
angiographischer Kontrolle über einen
Katheter von der A. femoralis aus in die
entsprechenden tumorversorgenden Ge-
fäße appliziert.
Bei symptomatischen Nierentumoren
konnte gezeigt werden, dass es nach Em-
bolisation zu einem Rückgang der Hä-
maturie, der tumorbedingten Schmerzen
und der paraneoplastischen Syndrome
kam [23].
Zu den häufigsten Komplikationen
und Nebenwirkungen einer Embolisa-
tionstherapie zählt das sog. Postemboli-
sationssyndrom, welches in der Regel 1–
3 Tage nach Embolisation auftritt und mit
Bauch-, Flanken- und Kopfschmerzen,
sowie Übelkeit, Erbrechen, Fieber, Leu-
kozytose, Subileussymptomatik und Hy-
pertonie einhergehen kann. Für die palli-
ative Embolisation beschrieben Lammer
et al. [24] 1985 eine Komplikationsrate von
9,9% und eine Mortalität von 3,3%.
Medikamentöse Therapieansätze
Chemotherapie
Chemo- und Strahlentherapie spielen bei
einem metastasierten Nierenzellkarzi-
nom nur eine untergeordnete Rolle. In ei-
ner Übersichtsarbeit von Amato [25], wel-
che die verschiedenen bislang publizierten
Chemotherapien für das Nierenzellkarzi-
nom bei >3600 Patienten zusammenfass-
te, wurden die höchsten Ansprechraten
bei Einzelsubstanzen für Vinblastin (im
Mittel 6,67% objektive Remissionsrate)
und für Fluorouracil (im Mittel 6,57% ob-
jektive Remissionsrate) angegeben. Kom-
binationen der chemotherapeutischen
Substanzen (Polychemotherapie) zeigten
keine signifikant höheren Ansprechra-
ten als die Monochemotherapien, hat-
ten allerdings im Gegensatz zu den Mo-
notherapien eine höhere Rate an Neben-
wirkungen [25]. Als Ursache für die gerin-
gen Ansprechraten ist wahrscheinlich die
Überexpression von Membranglykoprote-
in P-170 und der Gluthation-S-Transfera-
se sowie die Downregulierung der Topo-
isomerase 2 anzunehmen [26].
Immuntherapie
Laut einer Cochrane-Metaanalyse ist
beim metastasierten Nierenzellkarzinom
eine unspezifische Immuntherapie mit
dem Zytokin IFN-α derzeit am besten
abgesichert [27]. IFN-α hat verschiedene
Wirkungsmechanismen: Es stimuliert ei-
nerseits die lytische Kapazität von „natu-
ral killer cells“, andererseits reguliert es
die Expression von MHC-Klasse-I-Anti-
genen auf Tumorzellen hoch und verbes-
sert so die Erkennung durch zytotoxische
T-Lymphozyten (CTL [28]). Zusätzlich
besitzt die Substanz direkte antiprolifera-
tive Effekte und hemmt in niedriger Do-
sierung die Angiogenese [29].
In größeren Studien (n>40 Patienten)
lagen die Ansprechraten auf IFN-α zwi-
schen 8% und 29%, wobei es sich hierbei
in der Mehrzahl der Fälle nur um partielle
Remissionen handelte [30, 31, 32]. In ei-
ner Übersicht mit 1000 Patienten, welche
mit IFN-α behandelt wurden, wurde eine
Ansprechrate von etwa12% erreicht [33].
In ca. 2–7% wurden komplette Remissi-
onen beschrieben. Die mediane Remis-
Zusammenfassung · Abstract
Urologe 2007 · 46:40–44
DOI 10.1007/s00120-006-1268-3
© Springer Medizin Verlag 2006
M. Kurosch · S. Buse · J. Bedke · N. Wagener ·
A. Haferkamp · M. Hohenfellner
Palliative und supportive Therapie des Nierenzellkarzinoms
Zusammenfassung
Bereits bei Diagnosestellung liegt bei ca. 25–
30% aller Patienten mit einem Nierenzellkar-
zinom eine Metastasierung vor. Bei weiteren
20–30% der Patienten, die sich einer radi-
kalen Nephrektomie mit kompletter Tumor-
entfernung unterzogen haben, kommt es zu
einem Progress.
In diesem Übersichtsartikel wird auf die
aktuellen therapeutischen Optionen beim
metastasierten Nierenzellkarzinom einge-
gangen. Dazu zählen im Einzelnen die opera-
tiven Therapieoptionen wie zytoreduktive Tu-
mornephrektomie oder Metastasenchirurgie
aber auch die Embolisation, medikamentöse
Therapieansätze (Chemotherapie, Immun-
therapie und „targeted therapy“) sowie die
supportive Schmerztherapie.
Schlüsselwörter
Nierenzellkarzinom · Pallative Therapie · Zyto-
kine · „Targeted therapy“
Palliative and supportive therapy in cases of renal cell carcinoma
Abstract
At the time of diagnosis, 25–30% of all pa-
tients with renal cell carcinoma already pres-
ent with metastatic disease. Furthermore,
20–30% of patients with renal cell carcinoma
will have progressive disease despite radical
nephrectomy with complete tumor resection.
In this review, we discuss the current ther-
apeutic options for patients with metastatic
renal cell carcinoma: These include palliative
radical nephrectomy, surgery of metastasis,
tumor embolisation and medical treatment
options (e.g. immunotherapy, chemotherapy
and targeted therapy), as well as supportive
pain treatment.
Keywords
Renal cell carcinoma · Palliative care · Cytoki-
ne · Targeted therapy
41Der Urologe 1 · 2007 |
sionsdauer betrug dabei 10 Monate [34].
Grippeähnliche Symptome (Fieber, My-
algie, Asthenie) traten bei fast allen Pati-
enten während der Behandlung mit INF-
α auf und waren dosisabhängig.
Neben INF wird auch das Zytokin In-
terleukin 2 (IL-2) als Mono- und in Kom-
binationstherapien beim metastasierten
Nierenzellkarzinom eingesetzt. IL-2 ist
ein Wachstumsfaktor und Aktivator der
zellulären Immunantwort, welche für die
Tumorabwehr eine wichtige Rolle spielt.
Die Bindung von IL-2 an aktivierte T-
Lymphozyten führt zu einer antigenspe-
zifischen T-Zell-Klonexpansion. Die zy-
totoxische Aktivität von CD8+-T-Zellen
und Monozyten wird genauso stimuliert
wie die „Lymphozyte activated killer-“
(LAK-) cell-Aktivität sowie die Bildung
anderer Zytokine z. B. Interferone und
Tumornekrosefaktoren [35].
Als Monotherapie konnten mit einer
i.v.-Hochdosisbolusgabe von IL-2 Remis-
sionsraten von etwa 15% erzielt werden,
davon waren ca. 7% komplette Remissi-
onen und 8% partielle Remissionen [36].
Diese Ansprechraten zeigten sich dabei
überwiegend bei Lungen- und Lymph-
knotenmetastasen. Langzeitdaten der i. v.-
IL-2-Monotherapie wiesen auf ein Anhal-
ten insbesondere der kompletten Remissi-
onen hin [37]. Für die Frage nach den An-
sprechraten scheint es jedoch unerheblich
zu sein, ob IL-2 als Bolus i. v. oder sub-
kutan appliziert wird. Die mögliche Toxi-
zität der i. v.-Applikationsform ist jedoch
deutlich höher als die Nebenwirkungen
der subkutanen Gabe [38].
In Kombinationstherapien mit subku-
taner Gabe von IFN-α und IL-2 zeigten
sich höhere Ansprechraten mit kom-
pletten Remissionen bis zu 12% der Fäl-
le, sowie partielle Remissionsraten bis zu
25% [38, 39]. Nach wie vor umstritten ist
jedoch, ob diese höheren Ansprechraten
auch zu einem längeren Gesamt überleben
der Patienten führen. Während 2 Phase-
III-Studien [40, 41] keinen Überlebens-
vorteil nachweisen konnten, fanden Atz-
podien et al. [42] mit einer subkutanen
Kombinationstherapie von IFN-α, IL-
2 und Fluorouracil i. v. gegenüber einer
Therapie mit IFN-α und Vinblastin ein si-
gnifikant längeres Gesamtüberleben von
25 gegenüber 16 Monaten bei einer An-
sprechrate der Dreifachkombination von
31% [42].
Neben dem fraglichen Effekt auf das
Gesamtüberleben muss zudem erwähnt
werden, dass die Toxizität der kombi-
nierten IFN-α-/IL-2-Therapie hoch ist.
Culine et al. [43] berichteten, dass etwa
78% aller Patienten, welche eine Zytokin-
Kombinationstherapie erhielten, mindes-
tens eine Episode einer Grad-3-Toxizität
entwickelten.
Trotz geringer Ansprechraten und
fraglichem Effekt auf das Gesamtüberle-
ben stellt die Zytokin-basierte Immunche-
motherapie bislang die systemische First-
line-Therapie bei metastasiertem Nieren-
zellkarzinom dar.
„Targeted Therapies“
Antikörper und Rezeptor-Tyrosinkinase-
Inhibitoren, welche gegen Wachstums-
faktoren von Tumor und Tumormicroen-
vironment oder Zellmembranantigenen
gerichtet sind, sowie Signalkaskadeinhi-
bitoren sind neue vielversprechende The-
rapieansätze beim metastasierten Nie-
renzellkarzinom. In der Zwischenzeit lie-
gen Studiendaten zu den Monotherapien
mit den Substanzen Sunitinib (SU 11248
[44]), Sorafenib (Bay 43–9006 [45]), Va-
talanib (PTK787 [46]), Bevacizumab [47],
WX G250 [48] und Temsirolimus (CCI-
779 [49]) vor.
In diesem Beitrag gehen wir ausführ-
lich nur auf die Substanzen Sunitinib
(Sutent®, Fa. Pfizer, New York, NY, USA)
und Sorafenib (Nexavar®, Fa. Bayer, Le-
verkusen) ein, da sie seit Endes des Jahres
2005 in der First- und Second-line-The-
rapie durch die FDA und seit Juli 2006
für die Second-line-Therapie durch die
EMEA zugelassen sind.
Sunitinib (Sutent) ist ein oral biover-
fügbarer „Small-molecule-Tyrosinkinase-
inhibitor“ des VEGF-Rezeptors-2 (VEG-
FR-2) und des PDGF-Rezeptors-β (PDG-
FR-β). Zwei Phase-II-Studien, welche Su-
nitinib bei Patienten mit Zytokin-refrak-
tärem metastasiertem Nierenzellkarzinom
einsetzten, wurden durchgeführt [44, 50].
Sunitinib wurde dabei in einer Dosierung
von 50 mg/Tag in den ersten 4 Wochen
eines sich wiederholenden 6-wöchigen
Zyklus verabreicht. Die 1. Studie beinhal-
tete alle histologischen Subtypen, die 2.
nur klarzellige Nierenzellkarzinome. Ei-
ne vollständige Remission und etwa 40%
partielle Remissionen (Studie 1: 40%, Stu-
die 2: 39%) wurden beobachtet. Die me-
diane progressionsfreie Zeit betrug hier-
bei 8,7 Monate [44]. Die in diesen Studien
meist als Grad 1 oder 2 beobachteten Ne-
benwirkungen waren Müdigkeit, Nausea,
Diarrhoe, Stomatitis und Zytopenie.
Stufe 2
Stufe 1
Stufe 3
Nicht-Opioidanalgetika
SchwacheOpioidanalgetika
+ Nicht-Opioidanalgetika
+ unterstützende Massnahmen+ Co-Medikation
+ unterstützende Massnahmen+ Co-Medikation
StarkeOpioidanalgetika
+ Nicht-Opioidanalgetika
Persistierende / steigende Schmerzen
+ unterstützende Massnahmen + Co-Medikation
Abb. 1 8 WHO-Stufenschema zur (Tumor)Schmerztherapie
42 | Der Urologe 1 · 2007
Leitthema
Eine an 750 Patienten durchgeführte
Phase-III-Studie mit Sunitinib als First-
line-Therapie bei Patienten mit metasta-
siertem Nierenzellkarzinom hat im Ver-
gleich zur Therapie mit INF-α ein signifi-
kant längeres medianes progressionsfreies
Überleben der Patienten in der Sunitinib-
Gruppe gezeigt. Dieses betrug in der Su-
nitinib-Gruppe durchschnittlich 47,3 ge-
genüber 24,8 Wochen in der INF-α-Grup-
pe bei einer objektiven Ansprechrate von
24,8% für Sunitinib gegenüber 4,9% für
INF-α [51].
Sorafenib (Nexavar) ist ein oral bio-
verfügbarer Raf-1-Kinaseinhibitor, wel-
cher zur Klasse der Bis-Aryl-Harnstoffe
gehört. Sorafenib hemmt die Raf-Kinase
des Raf/MEK/ERK-Signaltransduktions-
weges und stoppt so das Tumorwachs-
tum. Daneben hemmt es Tyrosinkina-
sen wie die VEGF-Rezeptoren (VEGFR-
2, VEGFR-3) und den PDGF-Rezeptor
(PDGFR-β).
Eine an 903 Patienten mit Zytokin-
refraktärem Nierenzellkarzinom durch-
geführte Phase-III-Studie mit Sorafenib
hat trotz einer nach RECIST-Kriterien
objektiven Ansprechrate von nur 2% ei-
nen Überlebensvorteil von 5 Monaten für
die Therapiegruppe im Vergleich zu Pla-
cebo gezeigt (Sorafenib 19,3 vs. Placebo
14,3 Monate, [52]). Sorafenib wurde hier-
bei in einer Dosierung von 400 mg 2-mal
täglich verabreicht. Die häufigsten Ne-
benwirkungen, hauptsächlich Grad 1 und
Grad 2 (8,2% Grad 3 und 4) waren Di-
arrhoe, Fatigue, Fieber, Hypertonie, Nau-
sea, Hand-Fuß-Syndrom, Hypophospha-
tämie und Anstieg der Lipase [53]. Sora-
fenib wurde zudem in einer Phase-II-Stu-
die als First-line-Therapie in Kombination
mit INF-α untersucht. Die objektive Ge-
samtansprechrate von 19% für die Gruppe
mit der Kombinationstherapie war höher
als mit den Monotherapien, sei es INF-α
oder Sorafenib [54].
Die genannten Einzelsubstanzen (als
auch mögliche Kombinationen) werden
in der Zukunft eine wichtige Rolle spie-
len. Da es in ca. 75–90% aller Nierenzell-
karzinome zu einer Überexpression des
„epidermal growth factor rezeptors“ (EG-
FR) kommt, sollten Inhibitoren von EG-
FR in die Kombinationstherapien mit ein-
bezogen werden. In einer ersten Phase-
II-Studie zur Kombinationstherapie von
Bevacizumab (Antikörper gegen VEGF)
und Erlotinib (EGFR-Inhibitor) konnte
bei 25% der Patienten eine Remission des
Tumors erzielt werden. Eine „stable dis-
ease“ bestand bei 61% der Patienten, die
mediane progressionsfreie Zeit betrug da-
bei 11 Monate [55]. In anderen Kombina-
tionstherapien werden zusätzlich Zytoki-
ne eingesetzt [54].
Supportive Therapie
Schmerztherapie
Tumorbedingte Schmerzen werden bei
etwa 60–80% aller Tumorpatienten beob-
achtet [56]. Verursacht werden sie haupt-
sächlich durch ossäre Metastasen aber
auch durch Tumorinfiltration von Ner-
venplexus ggf. mit Nervenkompression
sowie Infiltration von Weichteilen und
inneren Organen. Vor einer medika-
mentösen symptomatischen Schmerzbe-
handlung sollten die Möglichkeiten der
kausalen Therapiemaßnahmen, wie bei-
spielsweise die palliative Strahlentherapie
von Knochenmetastasen, Chemotherapie
oder operative Eingriffe ausgeschöpft sein
[57]. Daneben können additive Verfahren
wie die Anwendung physikalischer Maß-
nahmen (Massagen, Krankengymnas-
tik, Wärme- bzw. Kältebehandlung und
Lymphdrainagen) zur Schmerzbehand-
lung sinnvoll sein.
Ziel der Schmerztherapie bei Patienten
mit metastasiertem Nierenzellkarzinom ist
die weitgehende Schmerzfreiheit und da-
mit eine Erhaltung oder die Verbesserung
der Lebensqualität. Die Schmerztherapie
richtet sich in der Regel nach dem WHO-
Stufenschema für die Behandlung von Tu-
morschmerzen [57, 58], (. Abb. 1).
Die orale oder transdermale Appli-
kation von Analgetika gilt dabei als Zu-
gangsweg der Wahl, da sie für den Pati-
enten einfach und unkompliziert anwend-
bar ist. Bei Analgetika mit kurzer Wirk-
dauer haben sich Retardpräparate als vor-
teilhaft erwiesen, da sie eine gleichmä-
ßige Konzentration des Wirkstoffs über
24 h ermöglichen. Zur Kupierung akuter
Schmerzspitzen sind sie jedoch ungeeig-
net. Hierzu sollte man nach Möglichkeit
denselben Wirkstoff in einer schnell wir-
kenden Darreichungsform verordnen [57,
58]. Eine Übersicht über die Einteilung
der heute verfügbaren Analgetika sowie
Koanalgetika und ihrer klassischen Ver-
treter ist in . Tab. 1 zusammengestellt.
Neben der oralen und transderma-
len Applikationsform von Analgetika be-
steht zudem die Möglichkeit der Anwen-
dung von Pumpsystemen/Ports, peridu-
rale Verfahren z. B. Periduralkatheter,
ferner die patientenkontrollierte Analge-
sie (PCA-Systeme) und intrathekale Ver-
fahren [59].
Korrespondierender AutorDr. M. KuroschUrologische Universitätsklinik, Ruprecht-Karls-UniversitätIm Neuenheimer Feld 110, 69120 [email protected]
Interessenkonflikt. Es besteht kein Interessenkon-
flikt. Der korrespondierende Autor versichert, dass kei-
ne Verbindungen mit einer Firma, deren Produkt in
dem Artikel genannt ist, oder einer Firma, die ein Kon-
kurrenzprodukt vertreibt, bestehen. Die Präsentation
des Themas ist unabhängig und die Darstellung der In-
halte produktneutral.
Tab. 1 Auflistung der heute verfügbaren Schmerzmittelkategorien mit ihren zugehö-
rigen Vetretern bzw. Wirkstoffen
Kategorie Vertreter
Nicht-opioide (peripher wirkende Analgetika) Paracetamol, Acetylsalicylsäure, nicht-steroidale
Antirheumatika (Coxibe), Metamizol
Schwache Opioide (schwache zentral wirkende
Analgetika)
Codein, Dihydrocodein, Tramadol, Tilidin/
Naloxon
Starke Opioide (starke zentral wirkende
Analgetika)
Morphin, Oxycodon, Hydromorphon, Fentanyl,
Levomethadon, D,L-Methadon, Buprenorphin
Koanalgetika Antidepressiva, Antikonvulsiva, Kortikosteroide,
Muskelrelaxanzien, Bisphosphonate
Begleitmedikation Neuroleptika, Anxiolytika, Hypnotika
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44 | Der Urologe 1 · 2007
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