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E 13795 ISSN 2198-9575 PARITÄTinform BADEN-WÜRTTEMBERG | Dezember 2018 DIGITALISIERUNG IN DER SOZIALWIRTSCHAFT POTENZIALE UND RISIKEN

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E 13795 ISSN 2198-9575

PARITÄTinform BADEN-WÜRTTEMBERG | Dezember 2018

DIGITALISIERUNG IN DER SOZIALWIRTSCHAFT POTENZIALE UND RISIKEN

I N H A LTImpressum

4 · DIGITALISIERUNG IN DER SOZIALWIRTSCHAFT

■■ SOZIALdigital? Die Digitalisierung wird auch die Sozialwirtschaft verändern■■ Führung für alle – Selbstorganisation als Reaktion auf die digitale Transformation■■ Service Design Thinking: Nutzerorientiertes Arbeiten in Zeiten der Digitalisierung■■ Medienpädagogische Arbeit in der frühkindlichen Bildung■■ Mehr Zeit für Klient*innen – Notwendigkeit zur Digitalisierung

in der Sozialwirtschaft■■ Algorithmen – die besseren Berater?■■ Ein Haus ein Leben lang: Das LebensPhasenHaus in Tübingen■■ Wohlfahrtswerk: Aktiv mit APP, Miro und Pepper –

Digitale Technologien in der Altenhilfe■■ Der passiv konsumierende Homo Digitalis –

Selbsthilfe im Zeitalter der Digitalisierung■■ Mitarbeiterführung 4.0 in der Kinder- und Jugendhilfe■■ Paritätische Akademie Süd: Unterstützung auf dem Weg zur 4.0 Transformation■■ PARI-WIKI: Die paritätische Wissens-, Austausch- und Arbeitsplattform

geht an den Start

27 · SOZIALPOLITIK

■■ YouTube und Suchtprävention■■ Symposium „Staatliches Handeln gegen häusliche Gewalt“■■ Teilhabechancengesetz: Einstieg in den sozialen Arbeitsmarkt■■ Expert*innen Hearing „Leaving Care – Wege in die Selbstständigkeit“■■ Präventive Hausbesuche für Senior*innen■■ PARITÄTISCHER Fachtag „Freiwilligenmanagement“■■ „TAKAA – NIROO“ Bestärkungsprogramm für geflüchtete Frauen und Mädchen

36 · LANDESVERBAND

■■ Mitgliederversammlung unter dem Motto SOZIALdigital■■ WERTarbeit lokal.sozial: Kommunalwahlkampagne des PARITÄTISCHEN■■ Manipulation durch das Netz – Gefahr für unsere Demokratie?■■ Neuer berufsbegleitender Fernstudiengang „Soziale Arbeit“■■ Aktuelles aus dem Aufsichtsrat: Regionale Verbandsarbeit und

der PARITÄTISCHE 2025

40 · NACHRICHTEN UND SCHLAGLICHTER AUS DEM VERBAND

42 · NEUE MITGLIEDSORGANISATIONEN

44 · PARITÄT VOR ORT

■■ Heidelberg: 15 Jahre „Woche gegen Armut“■■ Esslingen: Armut in der Region Mittlerer Neckar■■ Bodensee: „Eat and meet“: Mehr Humor in der sozialen Arbeit■■ Markdorf: Frauen wählen, Frauen zählen – 100 Jahre Frauenwahlrecht

46 · AKTUELLES RECHT

■■ Deutscher Juristentag: Diskussion zum Wegfall des Unmittelbarkeitsgebots gemäß § 57 Abs. 1 AO

PARITÄTinform Das Nachrichtenmagazin des PARITÄTISCHEN ISSN 2198-9575

Herausgeber Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband Landesverband Baden-Württemberg e. V. Hauptstraße 28 · 70563 Stuttgart Tel. 0711 2155-0 · [email protected] www.paritaet-bw.de

Verantwortlich Ursel Wolfgramm, Vorstandsvorsitzende

Redaktion Rolf Schaible (Gesamtredaktion), Ralf Baumgarth, Deborah Castello, Dr. Hermann Frank, Dr. Steffi Hunnius, Dr. Katrin Lehmann, Hina Marquart, Barbara Meier, Ralf Nuglisch, Petra Mosbacher-Dix (MD), Philipp Schwai-ger, Achim Uhl, Nina Wlassow u.v.a.

Satz, Gestaltung und Anzeigenmarketing

Kreativ plus, Gesellschaft für Werbung und Kommunikation mbH, Stuttgart Tel. 0711 2155-105 [email protected]

Druck Druckerei Raisch GmbH + Co. KG Reutlingen

Erscheinungsweise vierteljährlich

Bezugspreis Im Mitgliedsbeitrag enthalten. Jahres abonnement 8 Euro für Nichtmitglieder

Auflage 4.800 Exemplare

Fotos Archiv, Mitgliedsorganisationen, Fotolia, iStockphoto, Shutterstock, Unsplash, Pixabay, Freepik

Bitte beachten Sie die Beilage der Paritätischen Akademie Süd.

| PARITÄTinform | Dezember 2018 | 3

Die digitale Transformation ist definiert als ein Prozess der stetigen Weiter-entwicklung digitaler Technologien, die unsere Wirtschaft und Gesellschaft gleichermaßen nachhaltig prägen. Es entstehen neue Gewohnheiten und Bedürfnisse des täglichen Lebens sowohl bei Jung und Alt als auch im Privat- und Geschäfts-leben. Beispiele digitaler Transformation sind Social Media, Big Data, Cloud Services, Smart Devices, Internet of Things oder Blockchain, die unser Leben beeinflussen und verändern.

Im Zuge der digitalen Transformation ändern sich auch die Erwartungen potenzieller Kunden. Das heißt auch, bestehende Prozesse zu überdenken und durch effizientere, digitale Prozesse abzulösen. Innovative und disruptive Geschäftsmodelle (z.B. Amazon, Ebay, Spotify & Co.), die neue Wünsche unserer Gesellschaft erfüllen, können auch alteingesessene Unternehmen ins Wanken bringen.

Die Digitalisierung entfaltet eine Dynamik, die auch vor dem Sozialwesen nicht halt-macht, dort aber vielfach unterschätzt wird. Denn auch das Kommunikationsverhalten von Bewohner*innen, Patient*innen, Angehörigen und Mitarbeiter*innen ändert sich radikal und stellt bisherige personenbezogene Dienstleistungen und deren Organisationsstrukturen in Frage.

Im fachlichen Teil unserer diesjährigen Mitgliederversammlung haben wir uns intensiv mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf die Sozialwirtschaft auseinandergesetzt und in spannenden Workshops Ansätze kennengelernt, die von der Medienkompetenz in der früh-kindlichen Bildung über webbasierte Beratungsprogramme bis zum digital unterstützten selbstbestimmten Wohnen im Alter und bei Behinderung reichen. Wir können uns dem ra-santen digitalen Wandel nicht entziehen. Wir können uns aber aktiv einmischen und ihn zum Nutzen der Gesellschaft mitgestalten und dafür sorgen, dass alle Menschen unabhängig von sozialer oder kultureller Herkunft, von Einkommen oder Bildungsstand am digitalen Wandel teilhaben können.

Im internen Teil der Mitgliederversammlung konnten wir nach langer und intensiver verband-licher Diskussion eine Neufassung der Kreisverbandsordnung verabschieden, die konkrete Regelungen zur Bildung von Regionalverbünden enthält und den Verband in seiner regio-nalen Präsenz stärken soll.

Ein ereignisreiches Jahr geht zu Ende. Grund genug, unseren Partner*innen im sozialen, poli-tischen und verbandlichen Bereich für die gute und konstruktive Zusammenarbeit zu danken. Mein Dank gebührt aber auch allen, die sich in unserem Verband und in unseren Mitgliedsor-ganisationen an den unterschiedlichsten Stellen freiwillig und ehrenamtlich engagieren. Sie bringen ihre Zeit, ihre Kompetenzen und Ideen in unsere gemeinsame Arbeit ein. Sie zeigen damit ihre Verbundenheit und bringen ihr Interesse an einem lebendigen Mitgliederverband zum Ausdruck. Dafür herzlichen Dank.

Ich wünsche Ihnen eine friedliche Weihnachtszeit und ein gesundes und erfolgreiches Jahr zwo 19.

Ursel WolfgrammVorstandsvorsitzende

DIGITALE TRANSFORMATION

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EDITORIAL

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DIGITALISIERUNG

Festnetz- oder Mobiltelefon, das war gestern. Fast jede/r Deutsche nutzt inzwischen ein Smartphone, das Kinoti-cket wird online gekauft und bezahlt und das Boarding am Flughafen über einen QR-Code legitimiert. Begriffe wie künstliche Intelligenz, Deep Learning, Smart Cities, digitale Transformation, Blockchain und Big Data, disruptive Technologien, sozial Media, Chat-Bots, Self-Tracking und Brainhacking geistern durchs Netz und beleben öffent-liche oder private Debatten. Humanoide Roboter machen sich auf, unsere Arbeitswelt zu verändern. Es gibt kaum eine Konferenz oder Tagung, die sich nicht mit dem Thema Digitalisierung beschäftigt.

Z wei Welten, die analoge und die digitale, er-gänzen sich mehr und mehr, verzahnen sich und verschmelzen miteinander. Aber was hat

das alles mit sozialer Arbeit, mit der Betreuung oder Pflege von Menschen oder mit unseren Kindertagesstätten zu tun?

Zukunft lebenswert gestalten

Zukunft kommt nicht, sie wird gemacht. Von Technikern und Programmierern, von der Finanzwelt und Wirtschaftsunter-nehmen. Doch was können wir tun, um unsere Zukunft selbst und lebenswert zu gestalten? Was tun wir, damit Menschen

nicht wegen ihrer sozialen oder kulturellen Herkunft, ihres Einkommens oder Bildungsstandes, wegen körperlicher, geistiger und seelischer Behinderungen von gesellschaftli-cher, sozialer oder digitaler Teilhabe ausgeschlossen werden?

Mit dem binären Zahlensystem als Grundlage der Com-putertechnologie ist „eine ungeheure, neue Sprache (…) entstanden.“ (Zitat von Ada Lovelace). Doch wer versteht diese Sprache? Wird sie in der Schule unterrichtet? Oder werden die „sprachlosen“ Nutzer*innen, die bequemen Konsument*innen immer weiter abgehängt? Nimmt die Ungleichheit in der Gesellschaft durch die digitale

Die Digitalisierung verändert die

Sozialwirtschaft

| PARITÄTinform | Dezember 2018 | 5

Transformation womöglich noch zu? Schreitet die Einkom-mensspreizung durch das exponentielle Wachstum – aus-gelöst durch die vier großen US-amerikanischen Inter-netkonzerne Google, Apple, Facebook, Amazon – noch schneller voran als befürchtet? Wir leben in einer erneuten Umbruchphase von der Agrargesellschaft zur Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft hin zur digitalen Wissens-gesellschaft. Industrie 4.0. bedeutet auch Arbeit 4.0.

Daten sind das neue Gold. Wir tauschen sie, teilweise recht leichtfertig, gegen ein Mehr an Annehmlichkeiten ein. Wir können kostenlos Informationen und Fotos kommunizie-ren (z.B. bei WhatsApp), bequem bei Amazon einkaufen oder Musik kostenlos downloaden oder streamen. Wir hinterlassen Spuren, Daten, mit denen viel Geld verdient wird und die Politik und Gesellschaft beeinflussen (Beispiel Cambridge Analytica). Forschung und Wissenschaft erleben dank eingesetzter Algorithmen rasante Fortschritte.

Neue Arbeitsformen und Organisationsstrukturen

Durch die Trennung von Kopf- und Handarbeit und in der Folge die Segmentierung bzw. Tailorisierung von Prozessen entwickelten sich meist hierarchische Unternehmensstruk-turen und Managementsysteme mit Verfahrensanweisun-gen, Ablaufplänen, Zertifizierungen und Managementme-thoden wie Budgetverantwortung, Zielvereinbarungen und Beurteilungsgespräche. Die Digitalisierung als Megatrend und Motor fordert exponentielles Denken; Probleme wer-den immer komplexer und erfordern neue Arbeitsformen und Organisationsstrukturen. New Work und selbststeuern-de Teams sind die Buzzwords der neuen Zeit.

Gefahren erkennen und rechtzeitig gegensteuern

Die Soziale Arbeit war schon immer komplex, da sie es mit Menschen zu tun hat. Komplexe Situationen werden mit Methoden der Betriebswirtschaft und der Ökonomie bear-beitet. Hier ist dringend ein Umdenken geboten.

Back to the roots, aber agiler und unter Einbindung der digitalen Möglichkeiten, ohne deren Risiken zu ignorieren. Und Gefahren gibt es viele: Datenmissbrauch, Cyberkrimi-nalität, Überwachung durch Gesichts- und Spracherken-nung, digitales Wettrüsten, autonome Waffen, Ethik der Algorithmen. Deshalb ist es umso wichtiger, dass sich auch der PARITÄTISCHE an den Debatten beteiligt, sich einmischt und Einfluss nimmt. Dafür muss man die technischen

Möglichkeiten kennen und einschätzen lernen. Denn die digitale Transformation lässt sich nicht aufhalten, aber si-cherlich in eine Richtung lenken, die der Gesellschaft, dem Gemeinwohl und dem Individuum nützt.

Digitale Transformation braucht soziale Innovationen

Gleichzeitig gilt es, die eigenen Geschäftsmodelle kri-tisch zu überdenken. Stehen wirklich Klient*innen oder Nutzer*innen im Mittelpunkt der Betrachtung? Das neue BTHG gibt ein neues Paradigma vor: Die Wirkung der In-tervention zählt, nicht das Angebot selbst. Die Digitalisie-rung kann helfen, Abläufe zu straffen und bürokratischen Aufwand zu reduzieren. Der Einsatz von Robotern in der Pflege kann einen Zuwachs an Zeit für mehr persönliche Begegnung bedeuten, für das, was die eigentliche Arbeit ausmacht.

Digitale Assistenzsysteme ermöglichen das Altwerden in der eigenen Häuslichkeit, künstliche Intelligenz wird den Gesundheitsbereich revolutionieren. Disruptive Geschäfts-modelle stellen einige soziale Dienstleistungen in Frage: Algorithmisierte Onlineberatung kann schon jetzt bessere Ergebnisse erzielen als persönliche Beratung, „Lieferando“ ersetzt „Essen auf Rädern“, Sensoren (und nicht der Haus-notruf ) holen im Bedarfsfall Hilfe. Alles Entwicklungen, die nicht ignoriert werden sollten.

Muss sich die Sozialwirtschaft einfach nur auf neue Wettbewerber*innen einstellen? Oder werden Innovati-onsabteilungen gebraucht, die im Sinne von Social Entre-preneurship an Lösungen sozialer Probleme arbeiten? Der Online-TED auf der diesjährigen PARITÄTISCHEN Mitglie-derversammlung hat gezeigt: 90 Prozent derjenigen, die mit abgestimmt haben, werden die Digitalisierung in ihrem Unternehmen (weiter) vorantreiben. Machen wir uns doch gemeinsam auf den Weg.

» KontaktUrsel Wolfgramm Vorstandsvorsitzende [email protected] www.paritaet-bw.de

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Digitalisierung des Aufnahmeverfahrens Der PARITÄTISCHE Baden-Württemberg hat begonnen, seine interner Prozesse über moderne Techniken zu optimieren, um den Verband zukunftsorientiert auszurichten.

Den Anfang machte im Juli ein Workshop zum Aufnahmever-fahren für neue Mitgliedsorganissationen. Vertreter*innen der Bereichsleitungen, der Regionalgeschäftsführung und Prozess-verantwortliche arbeiteten gemeinsam mit Vertreter*innen zweier neu aufgenommener Mitgliedsorganisationen daran, das Verfahren zu analysieren, zu optimieren und für den Digi-talisierungsprozess vorzubereiten.

Begleitet werden die Digitalisierungsprojekte mit Service De-sign Thinking Methoden. Dieser Ansatz ermöglicht, Prozesse wirkungsvoll miteinander zu verzahnen, sodass das Aufnah-meverfahren für alle Beteiligten reibungsloser und schneller ablaufen kann. Um den komplexen Aufnahmeprozess zu ana-lysieren und das nötige Zusammenspiel zwischen den Betei-ligten zu verdeutlichen, führte Katrin Mathis als Instrument Service Blueprint, eine Methode zur Visualisierung von Dienst-leistungsprozessen ein. Im Vorfeld hatte sie sich ausführlich mit der bestehenden Dokumentation des Aufnahmeverfahrens auseinandergesetzt und Interviews geführt, um sich in Proble-matik, Wünsche und Bedürfnisse der einzelnen Akteur*innen hineindenken zu können.

Die im Blueprinting erstellte Grafik zeigt die verschiedenen Phasen eines Dienstleistungsprozesses, sodass die Transparenz von Prozessen speziell im Hinblick auf ihren Kundenbezug dar-gestellt werden kann. Durch das Verfahren wird ein Prozess in seine Einzelbausteine „zerlegt“ und kann so besser analysiert werden. Schnittstellen und Konfliktpotenziale im Ablauf kön-nen lokalisiert und dargestellt werden. Dabei wurde deutlich, an welchen Stellen Optimierungsbedarf besteht, bevor der ge-samte Prozess letztendlich digitalisiert werden kann. An dieser Stelle waren besonders die Erfahrungen der Vertreter*innen der Mitgliedsorganisationen wertvoll. Sie konnten Reibungspunkte, gelungene Abläufe und Gespräche während ihres eigenen Auf-nahmeprozesses benennen.

Im nächsten Schritt wird ein Konzept zur Digitalisierung des Verfahrens ausgearbeitet, in dem auch die technische Umset-zung der Ergebnisse des Workshops berücksichtigt wird. Ziel ist ein für alle Beteiligten gelungener digitaler und kunden-orientierter Aufnahmeprozess. Aktuell sind 875 Organisationen Mitglied im PARITÄTISCHEN Baden-Württemberg.

KontaktAndrea Haid-Plescia, Mitgliederverwaltung [email protected], www.paritaet-bw.de

DIGITALISIERUNG

NEUER INTERNETAUFTRITT Profil statt Struktur, Transparenz über die PARITÄTISCHE Arbeit und ein hohes Maß an benutzerfreund-lichem Service waren die zentralen Ergebnisse eines Workshops zur Neugestaltung der Homepage.

Mit diesen und vielen anderen Vorgaben wurde das Redesign in den letzten Wochen ausgearbeitet und eine kleine Kostprobe auf der diesjährigen Mitgliederversammlung präsentiert. Gemeinsam mit der Agentur Kastanie Eins werden weitere Details erarbeitet; mit der Programmierung wird im Januar 2019 begonnen.

Weitere Ziele und Anforderungen der Website sind unter anderem ein ho-hes Maß an Individualisierbarkeit zur Schaffung eines besonders positiven Nutzererlebnisses sowie Barrierefreiheit und die Vernetzung vorhandener Services im Backend, wie Newsletter, Wiki, Ticketsystem und Umfragetool. Ein weiterer Fokus liegt auf den Mitgliedsorganisationen. Durch eigene Profile, Stellenanzeigen, Termine und News werden diese aktiv in die neue Website des Landesverbandes eingebunden und die Vernetzung untereinander erleichtert und gefördert. Entstehen soll letztendlich eine Plattform mit Inhalten von allen und gleich-zeitig für alle Mitgliedsorganisationen.

» KontaktPhilip Bayer, EDV & Interne Kommunikation [email protected], www.paritaet-bw.de

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DIGITALISIERUNG IN DER MEDIZIN UND PFLEGE Digitale Technologien sollen die Qualität der Versorgung verbessern

Die Digitalisierung umfasst alle Lebensbereiche. Deshalb widmet sich das baden-württembergische Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration in seiner Digitalisierungsstrategie auch der Frage, wie die Digitalisie-rung zum Nutzen der Menschen gestaltet werden kann. PARITÄTinform sprach mit Innenminister Thomas Strobl über die Rolle der Sozialwirtschaft.

Herr Minister, welche Rolle spielt die freie Wohlfahrts­pflege in der Digitalisierungsstrategie des Landes?

Baden-Württemberg ist gut vernetzt im Bereich der Digita-lisierung in Medizin und Pflege. Die Landesregierung hat gemeinsam mit betroffenen Akteur*innen des Gesund-heitswesens und Patientenvertreter*innen eine Strategie zur Digitalisierung in Medizin und Pflege Baden-Württem-berg erarbeitet. Zudem wurde ein Beirat für Digitalisie-rung in Medizin und Pflege eingerichtet, der zum Beispiel Impulse für die weitere Entwicklung der Telemedizin in Baden-Württemberg setzen soll. Als Ergänzung wurde ein Expertenkreis beim Ministerium für Soziales und Integrati-on eingerichtet. In diesem ist schon jetzt die Evangelische Heimstiftung als Teil der Diakonie vertreten.

Welche Anreize bzw. Unterstützung im Hinblick auf Digitalisierung bietet das Land der Sozialwirtschaft?

Im Jahr 2017 hat Baden-Württemberg zum ersten Mal ei-nen Förderaufruf zur Digitalisierung in Medizin und Pflege in Höhe von vier Millionen Euro veröffentlicht. Seit 2017 wurden so 14 Projekte gefördert, 2018 kommen weitere sechs Projekte hinzu. Förderempfänger sind unter anderem Universitäten, Krankenhäuser, Einrichtungen der freien Liga der Wohlfahrtspflege und private Unternehmen. Auch in den kommenden Jahren werden weitere Projekte geför-dert.

Manche Menschen fühlen sich durch die Digitalisierung abgehängt. Was unternimmt das Land, damit es dadurch nicht zu einer weiteren Spaltung der Gesellschaft kommt?

In unserer Digitalisierungsstrategie digital@bw haben wir ein zentrales Versprechen abgegeben: Die Technik

soll den Menschen dienen und nicht umgekehrt. Ziel der Landesregierung ist es, durch die Nutzung digitaler Tech-nologien die Qualität der medizinischen und pflegerischen Versorgung in Baden-Württemberg weiter zu verbessern – ganz konkret für die Bürger*innen. Die Angebote, die im Rahmen der Strategie zur Digitalisierung in Medizin und Pflege in Baden-Württemberg umgesetzt werden, sollen das bestehende Angebot ergänzen – bestehende Ange-bote sollen nicht ersetzt werden.

Darüber hinaus richten wir einen Forschungsverbund „Ge-sellschaft im digitalen Wandel“ ein, der die ethischen, recht-lichen und sozialen Fragestellungen des digitalen Wandels untersucht und erheben damit auch den Anspruch, den digitalen Wandel entsprechend unserer Wertevorstellungen aktiv mitzugestalten.

Die Fragen stellte Hina Marquart Stabsstelle Presse- und Ö[email protected], www.paritaet-bw.de

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Thomas Strobl, stellvertretender Ministerpräsident und Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration.

Selbstorganisation als Reaktion auf die digitale Transformation in sozialen Organisationen

Eine Auswirkung digitaler Transformation zeigt sich in zunehmender Veränderungsgeschwindig-keit, Unsicherheit, Komplexität und Widersprüchlichkeit (VUKA): Organisationen sind heute und in Zukunft nicht mehr in der Lage, Herausforderungen mit bekannten und oftmals „einfachen" Antworten zu bedienen. Die sogenannte „VUKA-Welt" bedarf neuer Herangehensweisen.

F Ü H R U N G FÜR A L L E !

W ie aber kann auf diese Umbrüche re-agiert werden? Unternehmen, die gan-ze Branchen infrage stellen und radikal selbstorganisiert arbeiten (bspw. Buurt-

zorg in den Niederlanden), zeigen, dass neue Arten von Arbeitsmodellen erfolgsversprechend sind. Der Ausbau be-kannter Managementpraktiken, verstärkte Kontrolle oder Do-kumentationspflichten, die Befolgung von Qualitätsmanage-

ment-Vorgaben oder die Einhaltung vorgegebener Prozesse ist hingegen immer weniger zielführend.

Warum Selbstorganisation wesentlich ist

Wie soziale Organisationen auf die Umbrüche durch die digitale Transformation reagieren können, ist nur mit Blick auf die jeweilige Organisation konkret zu beantworten, da

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sie sehr heterogen sind. Deutlich wird aber, dass Unter-nehmen, die „agil“, schnell, flexibel und selbstorganisiert Probleme lösen, erfolgreicher als traditionell organisierte Organisationen sind (vgl. BCG, 2017)1.

Relevanter als der unternehmerische Erfolg ist der für einige Arbeitsfelder (z.B. Pflege oder Kinderbetreuung) existenzge-fährdende Fachkräftemangel. Hier kann der Fokus auf das Potenzial der Menschen nicht nur in Hochglanzbroschüren, sondern in der tagtäglichen Arbeit erfolgsversprechend sein. Das Mitarbeiterwachstum der ambulanten Pflegeorganisa-tion Buurtzorg (Gründung 2006: vier Personen, aktuell etwa 10.000 Beschäftigte) und die wiederholte Wahl zum besten Arbeitsgeber der Niederlande sprechen für sich.

Deutlich wird, dass die Antwort auf eine zunehmende Komplexität in der Umwelt nur eine steigende Komplexi-tät organisationsintern und damit Selbstorganisation sein kann: Nur wenn die Vielfalt interner Reaktionsmöglichkei-ten erhöht wird, kann auf vielfältige externe Anforderungen schnell und flexibel reagiert werden.

Erfolgsfaktoren für das Gelingen von Selbstorganisation

Für das Gelingen von Selbstorganisation gibt es aufgrund der Heterogenität der Organisationen kein Patentrezept. Aber es lassen sich Erfolgsfaktoren erkennen: ■■ Grundlegend ist das Commitment der Führungskraft.

Soziale Organisationen sind keine sich neu gründenden StartUps, sondern existierende, teilweise große Organisa-tionen. Ohne die Verpflichtung der Führungsperson (auch auf Teamebene) wird diese die Bemühungen um Selbstor-ganisation aufgrund ihrer formalen Macht zu verhindern wissen. Da sich die Führungsrolle in Selbstorganisation stark verändert, ist eine zunächst ablehnende Haltung der Führungskräfte dem Konzept gegenüber verständlich.

■■ Es bedarf einer Ausrichtung darauf, was warum gemacht werden soll. Die Vision von Buurtzorg stellt die Selbst-ständigkeit der Patient*innen in das Zentrum aller Orga-nisationsaktivitäten.

■■ Selbstorganisierte Arbeit bedarf der Möglichkeit, Rollen im Team flexibel und selbstbestimmt festzulegen. So ist es möglich, die Aufgaben einer „Teamleitung“ (z.B. Koordina-tion, Kommunikation) an eine Person für eine bestimmte Zeit basierend auf deren Kompetenz zu delegieren (im Gegensatz zu fest vergebenen Ämtern).

■■ Für Zusammenarbeit, Entscheidungsfindung, Konflikt-lösung etc. bedarf es fester Prinzipien, die eher als „Grundgesetz“ denn als Regelwerk zu verstehen sind: Die Prinzipien der Zusammenarbeit sind eindeutig und

1 Vgl. https://innovators-guide.ch/2017/03/bcg-studie-agile-unternehmen-sind-wirtschaftlich-erfolgreicher/.

„zwingen“ dazu, sich in einem weiten, aber klar abge-grenzten Rahmen zu bewegen.

■■ Für die selbstorganisierte Entscheidungsfindung ist der Verzicht auf Wissen als Machtinstrument notwendig. Nur wenn alle wichtigen Informationen transparent zu-gänglich sind, können selbstorganisiert Entscheidungen getroffen werden.

■■ Es ist wichtig, langjährig in klassischen Arbeitsmodellen sozialisierte Menschen und Teams auf dem Weg zu beglei-ten. Die Herausforderungen selbstorganisierter Arbeit sind nicht von der Hand zu weisen und Fragen zum Umgang mit Entscheidungen, mit Konflikten, der eigenen Rolle im Team u.v.a.m. sind nicht einfach zu beantworten.

Logisch und voraussetzungsreich

Es wird deutlich, dass das Konzept der Selbstorganisation theoretisch logisch, in der Praxis jedoch voraussetzungs-reich ist. Die Transformation ist nicht „von heute auf mor-gen“ möglich. Es sind vielmehr kleine Schritte im Sinne von Experimenten auf dem Weg zur Selbstorganisation notwendig, um die Organisation für die Anforderungen der digitalen Transformation zu wappnen.

Zukünftig wird es darauf ankommen, vom „Ich" zum „Wir" zu gelangen: Nicht die Vorgabe von Regeln, die Möglichkeiten und Grenzen aufzeigen, sondern die gemeinsame Suche nach dem besten Weg in die Zukunft ist erfolgsversprechend. Verantwortung liegt nicht mehr bei einer Person allein, die diese per „Befehl" durchsetzt, sondern im Team. Und wenn Selbstbestimmung Ziel sozialer Arbeit ist, ist die Selbstbestim-mung der Mitarbeiter*innen grundlegende Voraussetzung.

» KontaktHendrik Epe IdeeQuadrat – Transforming Social [email protected] www.ideequadrat.org

Leseempfehlung

■■ Laloux, F. (2015): Reinventing Organizations. Ein Leitfaden zur Gestaltung sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit. Vahlen.

■■ Oestereich, B., Schröder, C. (2016): Das kollegial geführte Unternehmen. Ideen und Praktiken für die agile Organisation von morgen. Vahlen.

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DIGITALISIERUNG

H ier ist Service Design Thinking („SDT“) ein guter Begleiter – nicht als hippe neue Me-thode, sondern als neugierige Haltung,

flexibler Prozess und vielseitiges Methodenset. Es hält die Bedürfnisse von Menschen konsequent und dauerhaft im Blick und ermöglicht so nützliche und reibungslose Service-Erlebnisse über alle Berührungspunkte hinweg. Mit dieser individuellen Bedürfnisorientierung können sich die Soziale Arbeit, das Bundesteilhabegesetz (BTHG), die digitale Transformation und Service Design Thinking die Hand reichen, um voneinander zu profitieren. Ent-scheidend an der digitalen Transformation ist nicht das Digitale, sondern die Transformation. Was analog und

was digital sein soll, entscheidet nicht ein Trend, sondern das Nutzerbedürfnis.

In den Schuhen der Nutzer*innen wandeln

Der SDT-Prozess beginnt mit der intensiven Auseinander-setzung mit der Problemstellung. Durch Beobachten, Befra-gen und eigenes Ausprobieren taucht man in die Welt der (potenziellen) Nutzer*innen ein. Durch Vertrauensgewinn und einem tieferen Verständnis ihrer Probleme und Bedürf-nisse entstehen gute Ideen fast automatisch – womit auch der Druck sinkt, brillante innovative Ideen wie aus dem Nichts aus dem Hut zaubern zu müssen.

WIR HABEN UNS KOMPLETT VERLAUFEN, KO M M E N A B E R G U T V O R A N

Service Design Thinking Nutzerorientiertes Arbeiten in Zeiten

der Digitalisierung

Die digitale Transformation hat viele Gesichter: Sie erweitert den technischen Werkzeugkasten und schafft mit ihren Medien und Geräten neue Möglichkeiten – und neue Komplexität. Sie übt auch Druck auf die Entwicklung des Miteinanders aus: Es kann durch die Vernetzung unmittelbarer und authentischer werden und Nutzer*innen mit Unternehmen auf Augenhöhe bringen. Sie verändert das bisherige Wirtschaftsgefüge massiv. Ein komplexes technisches, soziales und wirtschaftliches Gemenge, das viele verunsichert.

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Schnell scheitern, um eher Erfolg zu haben

Statt dem aufwändigen Versuch, ein komplexes System vollständig zu verstehen und die eine perfekte Lösung zu entwerfen, nähert man sich einer Lösung in kurzen Schlei-fen aus Ausprobieren und Lernen an. Durch dieses agile und iterative Arbeiten reduziert sich die Ungewissheit Schritt für Schritt. Mit schnellen Prototypen werden Ideen häufiger getestet, sodass falsche Annahmen früher sichtbar werden. Anpassungen sind so noch leichter möglich, teure Fehlentwicklungen werden vermieden.

Der Blick aufs Ganze

Service ist ein dynamischer Prozess. Die Summe aller Eindrü-cke an den Berührungspunkten mit einer Organisation formt für Nutzer*innen den Gesamteindruck. Wie passt sich das Angebot in das Leben der Nutzer*innen ein, welche Schritte durchleben sie im Vorfeld, welche anderen Angebote nutzen sie und wie schließen sie das Angebot ab. All diese Phasen (vor, während und nach) des eigentlichen Services werden für reibungslose und nützliche Erlebnisse gestaltet. SDT ist ein systemischer Ansatz. Neben den Nutzer*innen gibt es weitere Akteur*innen innerhalb des Service-Systems. Mitar-beitende, Partner*innen und externe Expert*innen werden früh miteinbezogen. Sie sind ein vielfältiges, interdisziplinä-res Team – und fördern damit Kreativität und gemeinsam erarbeitete Lösungen, die alle mittragen.

Die Auswirkungen interner Prozesse und Organisations-strukturen sind ein häufiger Grund für schlechte Erfah-rungen der Nutzer*innen. Als Erklärung von ihnen taugen diese Faktoren nicht – sie interessieren die Nutzer*innen

nicht. Auch die Unternehmenskultur und -prozesse soll-ten geprüft werden. Denn nur zufriedene, befähigte Mitarbeiter*innen sind in der Lage, guten Service zu bie-ten. Dass die internen Prozesse für gute Erfahrungen der Kunden optimiert werden, davon profitieren meist auch die Mitarbeitenden.

Digitale Transformation im Sinne der Nutzer*innen

SDT leidet ironischerweise darunter, dass es so einfach ist und dem gesunden Menschenverstand entspricht. Damit ist es zwar so simpel wie die guten Neujahrsvorsätze, aber ebenso knifflig umzusetzen. Die Herangehensweise bringt neue, herausfordernde Fragen hervor, auch zur eigenen Or-ganisations- und Führungskultur. Teams brauchen Übung im neuen Miteinander, insbesondere im Umgang mit Kritik, dem Loslassen und dem Lernen aus Fehlern.

Gerade bei den ersten Schritten ist daher eine Begleitung sinn-voll. Der Prozess wird individuell für jedes Projekt gestaltet. Mit Methodenkompetenz kann man den Prozess unterwegs anpassen, bevor man sich verläuft. Und Externe bringen einen frischen Blick von außen ein. Gute, nutzer*innenorientierte Angebote sind in deren Sinne ein wichtiger Schritt zur aktiven Gestaltung der digitalen Transformation.

» KontaktKatrin Mathis Benjamin BlankenburgDigitale Konzepte mit mehr [email protected] www.katrin-mathis.de

„Service Design Thinking“ im PARITÄTISCHEN Baden-Württemberg

In diesem Jahr fanden interne Qualifizierungsmaßnahmen statt. Einzelne Workshops der Fachgruppe Sucht- und Drogen-hilfe wurden mit Methoden aus SDT anders gestaltet. Und in einem ersten Teilprojekt wurde der Aufnahmeprozess für neue Mitgliedsorganisationen analysiert und ein Konzept für einen nutzerorientierten, digitalisierten Prozess erarbeitet.

Mit

EMPATHIEErkenntnisse sammeln

rohe, erlebbare

PROTOTYPENbauen

PROBLEMDEFINITION

TESTDEFINITIONder Probleme

LÖSUNGSFINDUNG

„Das Richtige entwickeln“ „Die Dinge richtig entwickeln“

Lösungs-

IDEENentwickeln

Eintauchenin Nutzer

und Thema

KreativeHeraus-

forderung

Validierter,umsetzungs-reifer Service

Service Design Prozess

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DIGITALISIERUNG

MEDIENKOMPETENT M I T S E C H S J A H R E N

Medienpädagogische Arbeit in der frühkindlichen Bildung

Mithilfe Erwachsener lernen Kinder sich Schritt für Schritt in der heutigen digitalen Medienwelt sicher zu bewegen. Der Grundstein dafür wird bereits im Kindergarten gelegt. Kinder erlangen Medienkompetenz, indem sie Infor-mationsprozesse und die daran beteiligten Medien verstehen, diese selber anwenden und darüber reflektieren lernen.

I m Kindergartenalter haben Kinder verstanden, dass es um sie und ihre Familie herum eine Welt gibt, die so viel zu bieten hat, dass man nicht alles per-

sönlich in Augenschein nehmen kann. So erfährt man viel über andere Länder, frühere Zeiten, den Körper oder Tiere in der Tiefsee, ohne dort gewesen zu sein. Die Übermittlung dieses Wissens geschieht durch Medien: Bücher, Fernsehen, Kinofilme, Fotos, Geschichten und das Internet.

Gerade in den sozialen Medien ist die emotionale Aufberei-tung von Informationen von großer Bedeutung. Um Men-schen etwas glauben zu lassen, wird mit psychologischen Tricks gearbeitet, Worte werden bewusst gewählt, Absich-ten verschleiert und visuelle Lockmittel genutzt. Viele Tricks kommen aus der Werbeindustrie und sind inzwischen bis in die Nachrichtenwelt vorgedrungen. Wer sich hier zu Recht finden will, braucht ein gutes Urteilsvermögen. Pädagog*innen müssen Kindern dabei helfen, diese Infor-mationsmaschinerie zu durchschauen.

Medienpädagogische Arbeit im Kindergarten ist heute so wichtig wie nie zuvor. Im Grundschulalter werden die meisten Kinder ein eigenes Smartphone besitzen und da-mit Zugang zu einer Welt haben, die auf den ersten Blick voller interessanter Dinge zu stecken scheint. Erst auf den

zweiten Blick wird deutlich, wie groß die Herausforderun-gen sind, will man sich sicher und kompetent in der digi-talen Informationswelt bewegen. Da ist es nur gut, wenn Kindergartenkinder gelernt haben, welches Innenleben in einem Computer steckt, wie das Internet funktioniert und was ein Algorithmus ist.

Was erzählen Fotografien

Viele Menschen glauben, dass ein Foto ein Beweismittel für einen bestimmten Sachverhalt sei. Mithilfe dieses pädago-gischen Angebotes wird Kindern und auch Erwachsenen klar, wie wenig dies stimmt. Die Erzieherin hat ein Foto mitgebracht. Darauf ist ein Baumstamm zu sehen, dem an einer Stelle die Rinde fehlt. „Was seht ihr?“, lautet nun die Frage. Die Kinder beschreiben, dass sie einen Baum sehen. Ein Junge sagt: „Der Baum ist kaputt.“ „Nein, da wächst ge-rade ein Ast“, sagt ein anderes Kind. „Da war ein Wolf, der hatte Hunger und hat in den Baum reingebissen.“ „Ein Ritter hat mit seinem Schwert in den Baum gehackt, weil er wis-sen wollte, wie scharf es ist.“ Die Thesen der Kinder werden im Verlauf immer wilder.

Die Erzieherin macht die Kinder darauf aufmerksam, dass alle Kinder dasselbe Foto anschauen. Sie bittet die Kinder

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zu überlegen, wie es dazu kommen kann, dass jedes Kind etwas anderes über das Foto denkt. Da in der medialen In-formationswelt viel mit Abbildungen gearbeitet wird, ist es wichtig, dass die Kinder sich mit der Wirkung von Abbildun-gen beschäftigen. Selber Fotos machen, Fotos betrachten und darüber zu sprechen, hilft den Kindern ihr Urteilsver-mögen zu schärfen.

Wie funktioniert das Internet?

Für Kinder ist das Internet eine riesige Wissens- und Wahr-heitsmaschine. Es interessiert sie sehr, wo alle diese Infor-mationen herkommen. Das Internet kann Kindern leicht erklärt werden. Sie können verstehen, dass es auf der Welt viele Computer gibt. Man muss sich vorstellen, dass all die-se Computer miteinander verbunden sind. Diese Verbin-dungen bilden ein großes Netz, das man „Internet“ nennt. Die Kinder können überlegen, welche anderen Netzwer-ke sie kennen. Eine Familie ist ein Netzwerk. Viele Freun-de können als Freundeskreis oder auch als Netzwerk von Freunden bezeichnet werden.

Um das zu verdeutlichen, können sich die Kinder in einen Kreis setzen. Jedes Kind hat vor sich einen Karton mit Din-gen darin. Die Kartons symbolisieren einen Computer. Alle

Kartons werden nun mit Papierklebeband verbunden. Je-des Kind sitzt an seinem Karton-Computer und ist durch eine Linie mit allen anderen Kindern verbunden. Ein rich-tiges Netz aus Klebestreifen ist entstanden. Ein Kind öff-net den Deckel, nimmt eine Sache heraus und gibt diese entlang der Netzwerklinie zu einem anderen Kind. Will das Kind die Sache haben, öffnet es seinen Karton. Ein Kind hat in seinem Karton ein Gruselmonster. Als es dieses he-rausholt, machen alle Kinder ganz schnell ihren Karton zu. Die Erzieherin erklärt, dass manche Computer böse oder gruselige Sachen ins Netz schicken. Die meisten Computer schützen sich davor, indem sie ihre Eingänge zumachen – so wie die Kinder ihren Karton. Trotzdem muss man vorsich-tig sein, wenn man etwas im Internet sucht.

» Kontakt Antje Bostelmann, Geschäftsführerin Erzieherin und bildende KünstlerinKlax Gruppe UG [email protected], www.klax.de Bücher zum Thema: www.bananenblau.de

„Medienpädagogik begleitet und erzieht Heranwachsende, vor allem kleinere Kinder,

zu den Medien hin.“

Baacke, Dieter (1997): Medienpädagogik.

Niemeyer. Tübingen. S. 57

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Klax

M E H R Z E I T F Ü R …Notwendigkeit zur Digitalisierung in der Sozialwirtschaft

Digitalisierung als ein durch technische Innovationen getriebener Prozess ist längst in allen gesell-schaftlichen Bereichen angekommen. Von der Arbeitswelt bis über die Freizeit bis hin zu sozialen Beziehungen stellt sie die Gesellschaft vor einen Wandel, dem man sich weder im privaten noch im beruflichen Bereich entziehen kann. Vor allem in der Sozialwirtschaft werden die Bedeutung und die Herausforderung der Digitalisierung noch unterschätzt. Interne Geschäftsprozesse, die Arbeit mit Klient*innen und die externe Kommunikation werden sich radikal verändern und bisherige Arbeitsformen müssen auf ihre Zukunftsfähigkeit überprüft werden.

H andlungsbedarf besteht dabei in allen Bereichen und auf allen Ebenen der So-zialwirtschaft. So müssen Organisationen

die Digitalisierung zu einer strategischen Führungsauf-gabe machen und Projekt-, Prozess- und IT-Management konsequent zusammenbringen. Digitalisierung soll in der Sozialwirtschaft als eine Möglichkeit der Optimierung von Arbeitsprozessen sowie der Arbeitserleichterung und Ar-beitszeiteinsparung für Mitarbeiter*innen genutzt werden, die das gemeinsame Ziel nachhaltiger Hilfen und mehr Zeit für die direkte Arbeit mit Klient*innen und ihren Angehöri-gen beinhaltet. Hierfür bedarf es einer prozessbewussten Organisation, die erfolgreich die notwendigen Schritte zur Digitalisierung des Unternehmens angeht.

Prozesse überprüfen und digitalisieren

Als Grundlage für einen gelungenen Einstieg in die Digitali-sierung sozialwirtschaftlicher Unternehmen müssen Prozes-se zunächst intern, etwa mit Hilfe von Fachsoftware in der Personaleinsatzplanung oder Klient*innendokumentation, konsequent digitalisiert werden. Ziel ist es, mit den gege-benen Ressourcen effektiv umzugehen und freiwerdende Kapazitäten für die Arbeit mit Klient*innen einzusetzen.

Im folgenden Schritt kann das daraus entstandene Wissen genutzt werden, um neue Prozesse auf einer Ebene mit direkter Beteiligung der Klient*innen in Gang zu setzen. Um ein solches Ziel zu erreichen, muss der Prozess fokus-siert und konsequent zu Ende gedacht werden. Wenn bei-spielsweise eine Klient*innenanfrage über eine Webseite dazu führt, dass die Terminanfrage ausgedruckt und im Anschluss manuell in einen Wandkalender eingetragen wird, dann ist die digitale Prozesskette unnötig unterbro-chen und der gewünschte Erfolg der Zeiteinsparung wird ausbleiben.

Klienten werden zu Kommunikationspartnern

Unternehmen der Sozialwirt schaft betrachten bislang aus alter Tradition oder Gewohnheit ihre Klient*innen sowie de-ren Umfeld nicht als potenzielle Kommunikationspartner*in-nen in den elektronischen Medien. Die bisherigen Nutzer*innen von Fachsoftware-Systemen sind oft ausschließlich Fachkräfte, die das Ange-bot hausintern zur Strukturierung ihrer Verwaltung verwenden. Viele Unterneh-men der Sozialwirtschaft haben keine oder keine ausreichende Strategie entwickelt, auf die veränderten Kommunikationsgewohnheiten, insbesondere bei den jüngeren Menschen, einzugehen und die eigenen Hilfeangebote für alle Nutzer*innengrup-pen attraktiv zu gestalten. Eine Online-Terminplanung oder eine Partizipation der Klient*innen an der Do-kumentation über eine App könnten hierzu ge-hören. Die Verknüpfung von Offline- und Online-Angeboten kann den Be-ratungs- und Hilfeprozess unterstützen, um eine Kon-tinuität zu gewährleisten und Abbrüche zu vermeiden.

Das digitale Potenzial sollte bei der Entwicklung von neuen Hilfe-formen und Angeboten mitbedacht werden. Entscheidend ist, dass sich die

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DIGITALISIERUNG

beteiligten Führungs- und Fachkräfte Wissen über die di-gitale Welt aneignen und in ihrer Organisation umsetzen. Digitalisierung wird keinen Bereich der Sozialwirtschaft auslassen und kann nur als ein bewusst gemeinsamer Teamprozess erfolgreich und positiv gestaltet werden.

Digitalisierung braucht agile Teams

Unternehmensstrukturen und Rahmenbedingungen in der Sozialwirtschaft müssen mit Blick auf die neuen Herausfor-derungen im Kontext der digitalen Gesellschaft umstruk-turiert werden. Bisher sind die Strukturen in der Sozialwirt-schaft eher hierarchisch und zentralistisch geprägt, wobei sie die kreativen und innovativen Ressourcen, wie Enga-gement, Eigeninitiative und Verantwortungsbewusstsein der Mitarbeitenden teilweise ungenutzt lassen. So zeigt ein Blick in die Welt der disruptiv agierenden Technologie-unternehmen und Start-Ups, dass grundlegende Innovatio-

nen und Disruptionen vor allem von stark vernetzten, flexib-

len und kleinen

Teams mit interdisziplinärer Ausrichtung vorangetrieben werden.

Eine erfolgreiche Digitalisierung in der Sozialwirtschaft be-darf eines besonderen Fokus auf die vorhandenen Struk-turen, die Arbeitsprozesse in Unternehmen und auf den stattfindenden digitalen Wandel der Gesellschaft. Grund-lage hierfür sind die Qualifizierung und Weiterbildung der Führungskräfte und Mitarbeitenden mit Hilfe moderner, praxisrelevanter Systeme und Tools des Projekt- und Pro-zessmanagements. In 2019 werden in den Paritätischen Akademien Berlin (www.akademie.org) und Süd (www.aka-demiesued.org) neue und umsetzbare Seminare und Work-shops für die Digitalisierung von Unternehmen angeboten.

» KontaktJoël Dunand, GeschäftsführerSTIBB – Sozial-Therapeutisches Institut Berlin-Brandenburg [email protected] www.stibbev.de

Beispieldarstellung moderner Fachsoftware mit digitaler

Akte im Einsatz.

| PARITÄTinform | Dezember 2018 | 15

Quit the Shit – ein webbasiertes Beratungsprogramm für Cannabiskonsumenten

In unserer digitalisierten Welt haben sich webbasierte Beratungsformen zu einem eigenständigen Beratungsan-gebot in der psychosozialen Versorgung entwickelt. Es ist davon auszugehen, dass sich Beratung und Therapie im kommenden Jahrzehnt nicht ohne den Bezug zu Neuen Medien entwickeln und die zielgruppenspezifische Aus-differenzierung zunehmen werden. Das ist gut so, denn webbasierte Beratungsangebote erreichen Menschen, die niemals eine Beratungsstelle im ambulanten Netz der Hilfsdienste aufsuchen würden.

Mehr Freiheiten in der digitalen Welt

Vieles spricht für eine digitale Beratung, zum Beispiel wenn man in seiner Mobilität eingeschränkt ist, Arbeitszeiten hat, die nicht den üblichen Bürozeiten entsprechen, oder wenn Hemmungen und Scham so groß sind, dass sie den Weg in die Beratungsstelle blockieren. Es sei aber an dieser Stelle angemerkt, dass die digitale Beratung, die face-to-face-Beratung nicht ersetzen will oder wird.

Nicht neu ist: Junge Menschen bewegen sich ganz selbst-verständlich in der analogen wie digitalen Welt. In beiden Welten wird kommuniziert, recherchiert, gelacht, geweint, geflirtet – intensiv gelebt. Für junge Menschen sind beide Welten konkurrenzlos oder zumindest wertemäßig gleich-rangig. Ein weiterer Pluspunkt ist die Anonymität in der webbasierten Beratung. Diese stärkt Offenheit und Ehrlich-keit. Zudem bewirkt die digitale Dokumentation, dass im Prozess des Schreibens Selbsthilfekräfte mobilisiert werden.

Ausstieg übers Netz – Wie funktioniert „Quit the Shit“?

Das Programm „Quit the Shit“ richtet sich an Cannabiskon-sumierende – meist im Alter zwischen 18 und 30 Jahren –, die ihren Konsum einschränken oder einstellen wollen. An-gesprochen sind dabei Personen mit einem regelmäßigen Konsum von Cannabisprodukten. Die Dauer der Teilnahme umfasst einen Zeitraum von 28 bis 50 Tage.

Das Konzept von „Quit the Shit“ orientiert sich an den Prin-zipien der motivierenden Kurzberatung, die von William Miller & Stephen Rollnick (2005) entwickelt wurde. Im Mit-telpunkt dieses Modells steht die Annahme, dass Menschen ihre Verhaltensweisen – zu dem auch das Suchtverhalten zu zählen ist – selbstständig und ohne längerfristige Hilfe-stellungen durch Professionelle ändern können (Prinzip der Selbstmodifikation). Der Veränderungsprozess wird durch Beraterinnen und Berater und deren unterschiedliche In-terventionen unterstützt.

A LG O R I T H M E N – D I E B E S S E R E N B E R AT E R ?

| PARITÄTinform | Dezember 2018 | 1716 | PARITÄTinform | Dezember 2018 |

DIGITALISIERUNG

Die Anmeldung zum Programm erfolgt über ein Eingangs-screening, in dem detaillierte Informationen zur Person, zum Konsum und zu konsumbezogenen Einstellungen er-hoben werden. Im Anschluss erfolgt die Programmaufnahme über ein Chat-basiertes Eingangsgespräch, was aber nicht verpflichtend ist. Die User erhalten dann als nächstes den Zugang zu ihrem persönlichen Onlinetagebuch, in dem sie ihren Cannabiskonsum und alle damit zusammenhängen-de Aspekte (Menge, sozialer Kontext, Gründe, Motive etc.) festhalten können. Wöchentlich erhalten die User eine de-taillierte und auf ihre persönliche Situation zugeschnittene Rückmeldung vom Beratungsteam. Zusätzlich zum Tage-buch können sich die Jugendlichen mit speziellen Übungen, die den Prozess der Reduktion oder Abstinenz unterstützen, auseinandersetzen. Die Berater*innen fokussieren im Verlauf konsequent jene Inhalte, die der Entwicklung von Lösungen dienen. Um Veränderungsprozesse anzuregen, werden vor allem die Ressourcen der Zielgruppe genutzt. Beendet wird das Programm mit einem Abschlusschat.

Wirkung und Nachhaltigkeit

Fast alle „Quit the Shit“-Teilnehmer*innen kiffen zu Beginn der Programmteilnahme täglich und intensiv. 60 Prozent konsumieren durchschnittlich an 26 Tagen im Monat eine Gesamtmenge von ungefähr 18 Gramm. Die Selbstein-schätzung der Teilnehmenden, wie auch das Screening er-geben: Die meisten Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind abhängig (Jahresbericht drugcom 2017).

Studien des delphi-Instituts (Tossmann 2011, 2018) kom-men zum Ergebnis, dass ein Drittel der Teilnehmenden den kompletten Ausstieg aus der Sucht schaffen. Diejeni-gen, die noch konsumieren, reduzieren ihren Konsum von durchschnittlich 24,9 Tagen auf 7,9 Tage. Als Erfolg wird da-rüber hinaus gewertet, dass die Lebenszufriedenheit der Zielgruppe steigt. Die Jugendlichen und jungen Erwach-senen waren nach Programmteilnahme weniger ängstlich und depressiv und sind zudem zuversichtlich, künftig ihre Reduktion oder ihre Abstinenz kontrollieren zu können.

Sicherheit und Datenschutz

„Quit the Shit“ ist ein Angebot der Bundeszentrale für ge-sundheitliche Aufklärung (BZgA) und gewährt eine hohe Garantie an Datenschutz und Sicherheit. Das Programm selbst wurde vom delphi-Institut in Berlin entwickelt und evaluiert. Standards der Onlineberatung werden durch fachlich qualifiziertes Personal gewährleistet. Es erfolgt zudem eine kontinuierliche Weiterentwicklung des Pro-gramms. Damit in Baden-Württemberg möglichst viele jungen Menschen von „Quit the Shit“ profitieren, fördert das Sozialministerium den Baden-Württembergischen Landesverband für Prävention und Rehabilitation mit ei-ner halbe Personalstelle. Dadurch können zirka 150 junge Menschen im Jahr bei ihrem Ausstieg begleitet und unter-stützt werden.

» Kontakt Sabine Lang Referentin für PräventionHans Köpfle, ReferentBaden-Württembergischer Landesverband für Prävention und Rehabilitation Freiburg (bwlv)[email protected] [email protected], www.quit-the-shit.net

| PARITÄTinform | Dezember 2018 | 17

| PARITÄTinform | Dezember 2018 | 1918 | PARITÄTinform | Dezember 2018 |

DIGITALISIERUNG

E I N H AU S E I N L E B E N L A N GDas LebensPhasenHaus in Tübingen ist ein offenes Innovationsökosystem

| PARITÄTinform | Dezember 2018 | 19

Das Verbundprojekt LebensPhasenHaus (LPH) ist ein Ort für Forschung, Demonstration und Wissenstransfer. In Kooperation und Abstimmung zwischen Wissenschaftler*innen der Universität und des Universitätsklinikums Tübingen, der Industrie- und Handelskammer Reutlingen, Wirtschaftsunternehmen der Region, Interessenverbänden sowie Expert*innen aus dem Gesundheits- und Pflegebereich werden barrierefreie Wohn- und Freiraumkonzep-te, altersgerechte Assistenzsysteme und die damit einhergehenden Dienstleistungen, digitale Informations- und Kommunikationstechnologien mit einfacher Steuerungsoberfläche sowie die intelligente Vernetzung der Systeme untereinander getestet, validiert, demonstriert und erlebbar gemacht. Aus Einzelteilen unterschiedlichster Koope-rationspartner entsteht so ein flexibles Gesamtkonzept für selbstbestimmtes Wohnen und Altern, das sich an die spezifischen Anforderungen einzelner Personen individuell anpassen lässt.

L ösungsansätze zu den Themen Sicherheit, Mo-bilität, Unterhaltung und Kommunikation wer-den in der barrierefreien Musterwohnung direkt

im Haus erlebbar gemacht. Das Gebäude bietet zudem Raum für Schulungen, zum Beispiel für und durch Pflege-kräfte und Ärzte, aber auch Unternehmen, Handwerk und andere praxisnahe Akteure. Darüber hinaus sollen sich Inte-ressierte vor Ort über den Einsatz spezifischer Assistenzsys-teme informieren können. Das Angebot richtet sich ebenso an ältere Bauherrschaften mit Renovierungsbedarf wie an Baufamilien, die nach guten Lösungen für „Inklusives Woh-nen“ suchen. Dieses führt Familien mit Kindern, Ältere und Menschen mit Einschränkungen zusammen.

Nutzer*innen sind Ko-Produzierende

Der Ansatz des LebensPhasenHauses ist ein Haus im „Uni-versal Design“, das Menschen in allen Lebensphasen ge-meinsam nutzen und über die Zeit modifizieren können. Universelles Design ist ein Entwurfskonzept, das Produkte, Geräte, Umgebungen, Systeme und Prozesse derart gestal-tet, dass sie für Menschen mit unterschiedlichsten Ansprü-chen und Fähigkeiten nutzbar sind. Das Design verträgt sich darüber hinaus auch mit Unterstützungstechnologien für Menschen mit Einschränkungen.

Die Idee des LebensPhasenHauses resultierte aus der Beo-bachtung, dass in Deutschland und Europa in der Vergan-genheit großer Aufwand betrieben wurde, um den He-rausforderungen des demografischen Wandels vor allem technisch zu begegnen. Der Mensch und seine unterschied-lichen Bedürfnisse wurden dabei häufig nicht ausreichend berücksichtigt. Daher verfolgt das LebensPhasenHaus ein Modell, das die Nutzer*innen und Anwender*innen von Anfang an als Ko-Produzierende miteinbezieht und dabei besonders auf die Verzahnung technischer mit sozialen In-novationen setzt. Es entsteht ein flexibles Gesamtkonzept für selbstbestimmtes Wohnen, das sich an die spezifischen Anforderungen Einzelner individuell anpassen lässt. Auf diese Weise können die zentralen Herausforderungen einer älter werdenden Gesellschaft ganzheitlich und nachhaltig behandelt werden.

Auf dem Weg zu einem Living Lab

Als Kern eines Living Labs wird das LebensPhasenHaus zum Ort des kontinuierlichen Wandels und damit zum Kataly-sator für den Arbeitsmarkt, die Wirtschaftskraft und das Innovationspotenzial Baden-Württembergs. Vom Lebens-PhasenHaus geht ein offenes Innovationsökosystem aus, das auf einen systematischen sogenannten „Co-Creation“ Ansatz mit Anwendern*innen und anderen wichtigen Ak-teuren (u.a. Sozial- und Gesundheitsdienste, Medizintech-nik, Industrie- und Handwerksbetriebe, Bauträger, Versiche-rungen oder Gemeinden) basiert, die so früh wie möglich in die Lösungsentwicklung einbezogen werden sollen. Denn nur mit einer anwenderorientierten Gestaltung können zukunftsfähige anwenderfreundliche Angebote entwickelt werden.

Nicht zuletzt muss gemeinsam daran gearbeitet werden, dass die (europäischen/Bundes/Landes) Sozial- und Ge-sundheitssysteme nicht mehr ausschließlich in den jewei-ligen Säulen agieren, sondern in erweiterten Interaktions-kreisen und mit vernetzten Akteuren neue Möglichkeiten zur Gestaltung von nutzbaren Rahmenbedingungen schaf-fen. Letztendlich bedeutet das, den Schwerpunkt von reiner Wissenswirtschaft zu einer lernenden Wirtschaft zu verla-gern. Multi-Stakeholder-Kooperation und eine aktive Ein-bindung relevanter Nutzer*innen in der kompletten Inno-vations- und Wertschöpfungskette erzeugen wirkungsvolle und nachhaltige Lösungen. Stakeholder müssen lernen, wie man mit Akteuren aus anderen Sektoren und Disziplinen zusammenarbeitet – und das in einer integrativen Art und Weise. Dies ist ein Hauptziel des Teams im LebensPhasen-Haus in Tübingen.

» KontaktProfessor Dr. Udo Weimar Institut für Physikalische und Theoretische Chemie Eberhard Karls Universität Tübingen LebensPhasenHaus Tübingen [email protected] www.lebensphasenhaus.de

W as sonst Program-me sind, nennt man bei Tablets App.“

Sven Unkauf, Verwaltungsleiter des Bil-dungszentrums beim Wohlfahrtswerk für Baden-Württemberg, zeigt auf eine Projektion mit verschiedenen Symbolen. Sie gleichen jenen auf der Oberfläche der Tablet-Computer, die 15 Frauen und Männer vor sich haben. Sie folgen Unkaufs Anweisungen, führen auf dem Touchscreen allerlei Befehle aus. „Bei mir funktioniert der Haken nicht“, bemerkt einer. Tibor Vetter, Medieninformatiker der Abteilung Forschung und Entwick-lung beim Wohlfahrtswerk, nimmt sich der Sache an. Mit Unkauf schult er die 15 im Treffpunkt 50plus am Rotebühl-platz zu sogenannten „KommmiT-Begleiter*innen“.

KommmiT steht für „Kommunikation mit intelligenter Tech-nik“ und bezeichnet ein medienpädagogisches Projekt, das fünf Jahre läuft und sich an ältere Menschen richtet, die allein leben und bisher kaum Erfahrung mit dem Internet

haben. Sie sollen fit in Sachen neue Medien werden, damit sie sich digital über Angebote und Treffpunkte in ihren Stadtvierteln informieren sowie Dienst-leistungen beauftragen können, etwa Hilfe für Haushalt, Pflege und Kehrwo-che oder das Liefern von Mittagessen. Dafür wurde eigens eine spezielle App für Senior*innen entwickelt, bei der sich

Themen nach persönlichen Interessen zusammenstellen lassen. Über weitere Apps können zudem E-Mails und Kurz-nachrichten versendet und mit Bildübertragung telefoniert werden. Das digitale „Schwarze Brett“ ist zum Austausch gemeinschaftlicher Aktivitäten da.

Die KommmiT-Begleiter*innen sind Technikinteressierte, die sich ein bis eineinhalb Stunden in der Woche bür-gerschaftlich engagieren wollen: Nach ihrer kostenfreien Schulung können sie Senior*innen auf ihrem digitalen Weg unterstützen. Beide Gruppen sollen nun die KommmiT-App im Alltag testen, dafür können sie Tablets ausleihen.

A K T I V M I T A P P, M I R O U N D P E P P E RWohlfahrtswerk am Puls der Zeit: digitale Technologien in der Altenhilfe

Mit den Projekten KommmiT und NIKA

wird erforscht, wie digi-tale Technologien ältere

Menschen im Alltag unterstützen und Verein-

samung angehen kön-nen: Das Wohlfahrtswerk

ist einer der Innova-tionstreiber in

diesem Umfeld.

| PARITÄTinform | Dezember 2018 | 2120 | PARITÄTinform | Dezember 2018 |

DIGITALISIERUNG

Digitalisierung kann entlasten und neue Wege eröffnen

Beteiligt an dem Projekt sind neun Partner aus Wissenschaft und Industrie, außerdem das Wohlfahrtswerk für den Bereich Altenhilfe sowie die Stadt Stuttgart. Das Gesamtvolumen von KommmiT beträgt 4,7 Millionen Euro, zu 70 Prozent wird es vom Bundesministerium für Bildung und Forschung ge-fördert. Um in Stuttgart ein stadtteilbezogenes Service-Netz-werk aufzubauen, haben sich bereits Ende 2015 die Projekt-partner zusammengetan. Im „KommmiT-ServiceBüro“, das im Treffpunkt Rotebühlplatz im Herbst 2017 eröffnet wurde, beraten Mitarbeitende, bündeln die Angebote aus Stuttgart-Mitte, -Süd, -West und -Nord und machen sie über die App verfügbar.

„Wir haben gemerkt, dass es einen großen Bedarf gibt, bei digitalen Medien und Technik zu begleiten“, erläutert Iris Weishaupt von der Abteilung Forschung und Entwicklung des Wohlfahrtswerks. „Wir wollen die Schulungen mehrmals im Jahr in den Quartieren anbieten.“ Nach den bisherigen Erfahrungen seien die ehrenamtlichen Begleiter*innen in der Regel zwischen 60 und 75 Jahre alt, die Nutzer*innen etwas älter. Die Statistik zeigt: In Stuttgart ist mittlerweile fast ein Viertel der Bevölkerung 60 Jahre und älter. Viele davon leben alleine und haben nur wenig soziale Kontakte. Hier setzt die KommmiT-App für Tablets an.

Das gefällt Dagmar Öttle, die sich in einer Einrichtung für Betreutes Wohnen mit einbringt. „Ich mache die-sen Begleiterkurs, um das Wissen an die Bewohner weiterzugeben. Sie sollen an den Angeboten ihres Stadtteils teilhaben.“ Rentnerin Jutta Mlynek indes will stetig weiterlernen und Gleichaltrigen die Angst vor digitaler Technik nehmen. Der Ehrenamtliche Uwe Kaschuba betont, dass Digitalisierung, richtig und datenbewusst angewandt, entlasten könne. „24-Stun-den-Banking, di gi tal Zeitung lesen, Recherchieren, das will ich meinem Vater und ande-ren Senioren näher bringen.“ Und KommmiT-Projektmana-gerin Weishaupt bringt einen weiteren Aspekt ins Spiel: „In-telligente Technik kann helfen, dass ältere Menschen länger in den eigenen vier Wänden le-ben können.“

Roboter als intelligente Helfer

Das gilt auch für NIKA. Die Abkürzung steht für „Nutzer-zentrierte Interaktionsgestaltung für Kontextsensitive und Akzeptanzfördernde Roboter“. In dem rund 1,8-Millionen-Euro-Projekt – 88 Prozent kommen vom Bundesministe-rium für Bildung und Forschung von 2018 bis 2021 – sollen Roboter als intelligente Helfer erforscht werden. Sie kön-nen putzen, an Termine erinnern oder Alarm bei Stürzen auslösen. „Weil ältere Menschen bei solchen Technologien oft zurückhaltend sind, wollen wir mit fünf Partnern aus Altenhilfe, Wissenschaft und Wirtschaft herausfinden, bei welchen Problemen Roboter hilfreich sein könnten und wie sie aussehen und handeln sollten, damit Senioren ihre Hilfe auch akzeptieren“, so NIKA-Projektkoordinator Tibor Vetter. Mit Miro, dem niedlichen Roboterhund, und Pepper, dem netten Humanoiden: Die beiden sind keine Neuentwick-lungen, sondern existierende Modelle, die für die Bedürf-nisse Älterer umprogrammiert werden. „Die Informationen bezieht der Roboter aus einer virtuellen ‚Bibliothek’“, so Vetter. „Dort sind positive Interaktionen zwischen Mensch und Roboter, also Interaktionspatterns, systematisch be-schrieben.“ Das bedeutet: Der Roboter erkennt bestimm-te Bedarfe und verknüpft sie mit Anweisungen nach dem

Motto „Wenn Du diese oder jene Situation erkennst, sollst Du so reagieren.“ Der Schwerpunkt liegt neben der Unterstützung und Entlastung im

Haushalt, auch auf dem Training kognitiver und physischer Fitness sowie Kommuni-

kation und Unterhaltung. „Wir erproben NIKA zunächst im Betreuten Wohnen

beim Wohlfahrtswerk.“ MD

» KontaktGregor Senne Abteilungsleitung Forschung & Entwicklung Wohlfahrtswerk für Baden-Württemberg gregor.senne@ wohlfahrtswerk.de www.wohlfahrtswerk.de

| PARITÄTinform | Dezember 2018 | 21

Foto: C&S Computer und Software GmbH

| PARITÄTinform | Dezember 2018 | 2322 | PARITÄTinform | Dezember 2018 |

DIGITALISIERUNG

Die Welt der Selbst-hilfeunterstützung wird sich

durch die Digitalisierung verändern. Aber wie und wohin? Verkümmert der Mensch der

Gegenseitigkeitshilfe zum Homo Digitalis der Infor-mationsmärkte? Beschleunigt die Digitalisierung die Ver-

änderung der Selbsthilfeorganisationen zu Patient*in nen-vertretungen im System? Der Wandel ist voller Ambivalenzen.

D igitalisierung ist keine einfache neue Technolo-gie, sondern eine sprunghafte Veränderung in der Produktivkraftentwicklung der modernen

Gesellschaft. Sie wird das Gesicht bzw. die Gestalt der Ge-sellschaft insgesamt verändern: Institutionen verändern

sich, der kommunikative Alltag der Ordnung des Zu-sammenlebens wird sich ändern, der Mensch

wird sich wandeln.

D E R PA S S I V KO N S U M I E R E N D E H O M O D I G I TA L I S

Selbsthilfe im Zeitalter der Digitalisierung: von

Selbsthilfeorganisationen zu Patientenvertretungen

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| PARITÄTinform | Dezember 2018 | 23

Was verändert die Digitalisierung in Selbsthilfegruppen?

Im Kern geht es um die genossenschaftsartige Selbsthilfe als Gruppengeschehen. Selbstorganisiert und selbstver-waltet leisten Menschen in ihrer Daseinsbewältigung an-gesichts ihres Leidens (chronische Erkrankungen, Formen der Behinderungen, auch als Angehörige) Gegenseitigkeits-hilfe. Hier wird es nicht zum vollkommenen Ersatz erfahrba-rer face-to-face-Gruppen durch virtuelle Welten kommen. Verdrängungsprozesse sind jedoch nicht ausgeschlossen. Es könnte zu Parallelwelten kommen, sodass es im Sinne von Segmentierung neben den herkömmlichen Gruppen-aktivitäten zu virtuellen Netzbildungen kommt. Auch vir-tuelle Netze sind Sozialräume, in denen soziale Unterstüt-zung angeboten wird. Zumal es im Fall der vielen seltenen chronischen Erkrankungen keine Alternative zur digitalen Strategie gibt, da sich die betroffenen Menschen national oder gar transnational weiträumig verteilen.

Zerfall der klassischen Selbsthilfe?

Die Digitalisierung könnte nochmals steigern, was der soziale Wandel und die weitere Modernisierung bereits nachhaltig aus dem Menschen gemacht hat: einen passiven Konsumen-ten. Der betroffene Mensch sammelt seine Informationen und Problemlösungen im Internet. Die erfahrbare Selbsthilfe könnte verkümmern. Die Selbsthilfegruppen können aber die neuen Möglichkeiten auch nutzen, gerade mit Blick auf die Probleme des Generationenwechsels und der Öffnung der Selbsthilfeidee für jüngere Generationen. Vor allem bei Menschen mit starken Mobilitätsbeschränkungen und/oder in strukturschwachen, ländlichen Räumen wird das Grund-recht auf Teilhabe digital gefördert werden können.

Lokale Strukturen der „Hilfe zur Selbsthilfe“

Eine bleibende Aufgabe ist die Selbsthilfeförderung als Teil sozialraumorientierter Daseinsvorsorge im Sinne sorgender Gemeinschaften in regionalen Versorgungslandschaften. So zum Beispiel im AOK PLUS-Projekt zur Förderung der Selbst-hilfe im ländlichen Raum im Kreis Görlitz: In diesem Projekt mit „Soziales Netzwerk Lausitz“ wurden Selbsthilfegruppen-mitglieder zu Lotsen der Selbsthilfeaktivierung weitergebil-det, um sich ehrenamtlich in weiteren Feldern der Hilfe für Dritte zu engagieren: in der Präventionsarbeit in Schulen oder als Alltagsbegleiter*innen bei Krankenhausentlassung im Lichte der Problematik der Versorgungslücken (No Care Zonen). Was bislang nicht so erfolgreich umgesetzt werden konnte, war die niedrigschwellige Erreichbarkeit per Inter-net mit Skype. Sehr gelungen ist in der KISS die Entwicklung

und Einführung einer Selbsthilfe-App. Hier werden vielfältige Informations- und Orientierungshilfen angeboten, auch die virtuelle Partizipation an Selbsthilfetreffen wird ermöglicht.

Digitalisierung beschleunigt: von Selbsthilfeorga-nisationen zu Patient*innenvertretungen

Statt am solidarischen Gruppengeschehen der Gegen-seitigkeitshilfe zu partizipieren, zieht sich der digitalisier-te Mensch seine Informationen von der Homepage der Spitzen-, Bundes- und Landesverbände der Selbsthilfe. Die Verbändebildung innerhalb der Selbsthilfeszene ist Teil der Einbindung von Patient*innenvertretung in das politische System des Governance des bundesdeutschen Gesundheitswesens. So wird die Transformation der Selbst-hilfeorganisationen zu digitalisierten Informationsmärkten für den passiv konsumierenden homo digitalis als externe Nutzer*innen nochmals beschleunigt.

Ambivalenzen

Schon das ältere Telefon hat nicht das Abendessen bei Ker-zenlicht ersetzt, sondern hilft, den Termin und den Ort abzu-sprechen. Mobilfunk kann Leben retten, aber auch suchtar-tig abhängig machen. Der Online-Einkauf kann für häuslich gebundene Menschen das Dasein erleichtern, verstopft aber im Lieferwesen die Quartiere. Man kann leicht ahnen, welche Chancen in bald perfektionierten Sprachcomputern für Men-schen mit diversen Funktionseinschränkungen oder -verlus-ten zu sehen sind. Aber: Alle Dinge haben zwei Seiten. Ganz neue Chancen und Nutzungspotenziale tun sich auf; aber auch Risiken, ja Gefahren im menschlichen Zusammenleben und mit Blick auf die Entfremdung des Menschen. Was zu-nächst neue Freiheitsgrade eröffnen mag, wird auch die Frei-heit untergraben können. Dabei geht es nicht nur um Rechts-fragen mit Blick auf den Schutz der Persönlichkeit und der Privatsphäre. Wie wird die Digitalisierung die Lebenswelten des Menschen verändern? Was passiert mit den Menschen, die nicht zur digitalisierten Mehrheitskultur der Gesellschaft zählen, weil sie nicht wollen oder können (neue Form sozialer Exklusion)? Alles nur eine Frage von Digital Literacy? Digitali-sierung ist nicht nur ein gigantisches Investitionsprogramm, sondern wird auch eine Gesellschaftspolitik der reflektierten Befähigung nach sich ziehen.

» Kontakt Professor Dr. Frank Schulz-Nieswandt Institut für Soziologie und Sozialpsychologie (ISS) Universität Köln [email protected] www.uni-koeln.de

| PARITÄTinform | Dezember 2018 | 2524 | PARITÄTinform | Dezember 2018 |

DIGITALISIERUNG

M I TA R B E I T E R F Ü H R U N G 4.0 Kinder- und Jugendhilfe im PARITÄTISCHEN ist auf dem Weg

Wer vermutet, Mitarbeiterführung 4.0 sei (noch) kein Thema für die Kinder- und Jugendhilfe, der täuscht sich. Welche Relevanz es hat, zeigte sich am 15. November 2018 bei der Herbsttagung der PARITÄTISCHEN Fachgruppe Jugendhilfe. Bei einer TED-Abfrage gaben 83 Prozent der Teilnehmenden an, dass dieses für sie überaus bzw. sehr wichtig sei. Personalgewinnung und -bindung, Motivati-onserhalt, Teamdynamik, Ressourcen, Zeit und Balance sind nur einige Herausforderungen, die sich in diesem Zusammenhang auftun.

Neue Führung – wie geht man damit um?

Was bedeutet „New Work“ und „Vuca-Welt“ und welche Aus-wirkungen hat die Digitalisierung dabei? Und was verbirgt sich hinter der Generation X, Y, Z? Gemeinsam mit Bettina Demmer und Dorothee Abrell von der Unternehmens-beratung Contract KG setzte sich die Fachgruppe mit all diesen Fragen auseinander. In einem Impulsreferat gingen beide Referentinnen nicht nur auf die verschiedenen Be-grifflichkeiten ein, sondern zeigten gerade im Hinblick auf New Work, Digitalisierung und Mitarbeiterführung zentrale Aspekte auf. Danach geht es heute mehr denn je um die Sinnhaftigkeit der Arbeit und die Gestaltung von Zusam-menarbeit, Führung und Steuerungsprozessen. Ermöglicht werden sollen damit Handlungsspielräume, Mitverantwor-tung und Innovationsfähigkeit der Mitarbeiter*innen.

Für Führung bedeutet dies, u.a. den Sinn der Tätigkeit in den Mittelpunkt zu stellen, Rahmen und Leitplanken zu set-zen, Teamentwicklung und -kontrakte in den Blick zu neh-men sowie verschiedene Fortbildungsformate und neue Arbeitsmodelle anzubieten. Auch die Wirksamkeit ist zu prüfen und Erfolge sollten gefeiert werden. Entscheidend ist zukünftig, dass Führung GEMEINSAM entwickelt wird.

Wer zudem Digitalisierungspfade mit dem Ansatz „Mensch-lichkeit im Mittelpunkt“ beschreitet, hat gute Chancen, den neuen Anforderungen gerecht zu werden.

Konkrete Umsetzung und Erfahrungsaustausch

Im Rahmen von Kleingruppenarbeit an fünf verschiedenen Stationen standen neben Informationen und konkreten „Werkzeugen“ für Führung vor allem der Erfahrungsaus-tausch, das Teilen von Wissen sowie die Entwicklung neuer Ideen im Vordergrund. Die Diskussion an den Stationen ge-staltete sich sehr lebendig. In einem anschließenden Rund-gang konnten alle Teilnehmenden von den Ergebnissen an den Stationen der anderen profitieren: Anregend, vonein-ander lernen, interessante Impulse, Informationsvielfalt und Stärken stärken sind nur ein paar spontane Rückmeldungen der Teilnehmenden. Eine wesentliche Erkenntnis zeichnete sich zudem ab: Die Kinder- und Jugendhilfe kann bereits in Teilen den erforderlichen Anforderungen an Rahmenbedin-gungen, Kommunikationsstrukturen und gelebter Partizi-pation gerecht werden und weist in einzelnen Bereichen schon gelebte Mitarbeiterführung 5.0 auf. Dennoch ist es zukünftig im Rahmen der Mitarbeiterführung immer wich-tig, flexibel und offen für Neues zu sein sowie den Mut zu haben, neue Wege zu gehen. Gefördert wurde die Veranstaltung aus Mitteln der GlücksSpirale.

» Kontakt Barbara Meier Bereichsleitung Jugend und BildungDer PARITÄTISCHE Baden-Wü[email protected] www.paritaet-bw.de

| PARITÄTinform | Dezember 2018 | 25

UNTERSTÜTZUNG AUF DEM WEG ZUR 4.0 TRANSFORMATIONDigitalisierung – Chance und Herausforderung für die Soziale Arbeit

Das Wort Digitalisierung ist in aller Munde. Es bezeichnet im ursprünglichen Sinn das Umwandeln von analogen Werten in digitale Formate und stellt eine der größten gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit dar. Die Transformation ist im vollen Gange und sorgt für einen tief-greifenden Wandel in jedem Lebensbereich – auch in der Sozialwirtschaft. Diese nicht aufzuhaltende Entwicklung schlägt sich dabei auf unterschiedlichen Ebenen nieder.

Die Digitalisierung kann in Einrichtungen helfen, Prozesse, Abläufe oder auch die interne, aber auch externe Kommuni-kation effizienter zu gestalten. Hierdurch kann eine Arbeits-erleichterung erreicht werden. Die Herausforderungen sind sehr vielschichtig. Die Umgestaltung dieser Prozesse erfor-dert, die Mitarbeitenden bei diesem „Paradigmenwechsel“ mitzunehmen, d.h. auch deren Vorbehalte und Berührungs-ängste wahrzunehmen und darauf einzugehen. Erst mit dem Bewusstsein, dass die Digitalisierung nicht nur als Bedrohung, sondern auch als Entlastung oder gar Chance angesehen wer-den kann, fördert sie Akzeptanz. Techniken wie Skype Busi-ness ermöglichen Videokonferenzen von Mitarbeitenden an verschiedenen Standorten – eine kostengünstige, umwelt-freundliche und stressfreie Alternative zu Geschäftsreisen.

Digitalisierung im Zusammenhang mit Klient*innen

Information via Facebook Messanger, Kontaktaufnahme via Chat, Austausch über WhatsApp – die digitalen Kom-munikationsmöglichkeiten sozialer Einrichtungen mit ih-ren Klient*innen sind zahlreich. Diese Vielfalt bringt neue Möglichkeiten und Herausforderungen mit sich. Eine der größten ist der Datenschutz. Die Digitalisierung ermöglicht Sozialarbeiter*innen mit den zu begleitenden Jugendlichen via Smartphone, deren alltägliches Kommunikationsmit-tel, ganz einfach in Kontakt zu treten. Da WhatsApp aber

verboten ist, galt es, eine alternative Messenger App für mobile Geräte zu entwickeln, was große Jugendhilfeeinrich-tungen inzwischen auch getan haben, so dass sie weiterhin „instant“ mit den Jugendlichen kommunizieren können.

Unterstützung auf dem Weg zur 4.0 Transformation

Die Paritätische Akademie Süd beantwortet Fragen wie: Was sind die aktuellen Entwicklungen und Potenziale der Digitalisierung, welche Medien und Tools sind für Ihr Un-ternehmen wichtig und wer bzw. was kann Ihnen im Alltag helfen? Den Austausch zu suchen, sich zu vernetzen und über Formate und Tools zu informieren, die zu einer Einrich-tung passen, ist der richtige Weg, um mehr Sicherheit und Know-how zu erlangen – eine Patentlösung dafür gibt es nicht. Ausprobieren ist hier wichtig und warum nicht auch im Bereich Fortbildung: Ein online-Klassenzimmer bietet nicht nur die Möglichkeit für Webinare, sondern kann auch als online-Meetingraum genutzt werden.

Die PAS bietet nicht nur Seminare zur digitalen Kompetenz, sondern neben klassischen Präsenzveranstaltungen auch Online-Seminare und Blended Learning Formate – eine Mischform aus Präsenz- und Online-Seminar und berufs-begleitendes, flexibles Online-Studieren.

Die Digitalisierung hat technische, wirtschaftliche, soziale, kulturelle und ethische Dimensionen und wird die Zukunft der sozialen Arbeit wesentlich mitprägen.

» Kontakt & BeratungMelissa Möhrle Paritätische Akademie Süd gGmbH [email protected] www.akademiesued.org

Foto: Nuchylee / Photocase

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DIGITALISIERUNG

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SOZIALPOLITIK

Y O U T U B E U N D S U C H T P R ÄV E N T I O NNeue Konzepte und alternative Informationsangebote notwendig

MANNHEIM Die Veränderungen durch die Möglichkeiten des Internets erfordern auch Veränderungen im Arbeitsfeld der Suchtprä-vention. Besonders gefragt sind neue Konzepte mit Blick auf das Videoportal YouTube.

Die Digitalisierung unserer Gesellschaft verän-dert viele gewohnte Prozesse. Besonders die derzeit heranwachsenden Kinder- und Jugendli-chen-Generationen nutzen die digitalen Medien umfänglich und mit einer grundlegenden Selbst-verständlichkeit. Eine Auswirkung ist die Verände-rung in der Beschaffung von Informationen. Wissen wird zu einem großen Teil aus dem Internet bezogen. Klassische Informationsquellen wie Bücher, Zeitschriften oder Flyer werden von den Jugendlichen und jungen Er-wachsenen wesentlich weniger genutzt. Das durch die Möglichkeiten des Internets genutzte Mehr an Vielfalt birgt aber auch negative Effekte. So sind zum Beispiel präventive Informationen zum Themengebiet „Drogen und Drogen-konsum“ nicht zwingend wissensgesichert.

Hoher Stellenwert bei Jugendlichen

Hinzu kommt, dass innerhalb der internetbasierten Informa-tionsrecherche von Jugendlichen und jungen Erwachsenen das „youtuben“ einen immer größeren Stellenwert einnimmt. Im Gegensatz zu der Textrecherche im Internet, bei der dem/der Suchenden eine Vielzahl an verifizierten Seiten angebo-ten wird, reduziert sich dies im Videomedium YouTube be-trächtlich. Aufgrund des geringen Angebotes pädagogisch unterstützenswerter Videos wird die Informations- und Mei-nungsbildung der Kinder und Jugendlichen stark den user-nahen Videoproduzent*innen überlassen.

Bei einer Begriffssuche zum Wort „Cannabis“ werden noch Seiten mit einer Meinungsvielfalt angeboten. Je jugend-sprachlicher z.B. „Weed, Ganja, 420 etc.“ die Begriffswahl bei der Suchfunktion wird, desto geringer ist die Auswahl an ausgewogenen Videos, die im Sinne einer ganzheitli-chen Betrachtung auch die negativen Folgen des Konsums beschreiben. Vor allem werden selbst gedrehte Filme an-gezeigt, die Erfahrungsberichte oder Anleitungscharakter zum Inhalt haben. Daneben werden sowohl Musikvideos

als auch von privaten Personen professionell produzier-te Erklärungsvideos angeboten. Bei der Recherche nach Drogen, die einen geringeren Nutzungsgrad aufweisen, nehmen die Videos mit Anleitungscharakter und konsum-verherrlichenden Anteilen zu.

Alternative, präventive Informationen anbieten

Diese Entwicklung bringt den Verlust der Informationsho-heit für die im Bereich der Prävention tätigen Institutionen mit sich. Die daraus resultierenden Auswirkungen sind bereits im Beratungsalltag von Drogenberatungsstellen spürbar. Junge Konsument*innen geben die Videos als Quelle an und zeigen im Vergleich zu früher oftmals eine unkritischere Haltung gegenüber einer durch sie selbst eingeschätzten Abhängigkeit. Eine Veränderung, die nicht ursächlich auf die Videos zurückzuführen ist, aber durch das Angebot sicherlich verstärkt wird.

Um dem entgegenzuwirken und den Jugendlichen alterna-tive Informationen anzubieten, ist es notwendig, dass bei bestimmten Suchbegriffen nach Substanzen Videos mit aus präventiver Sicht sinnvollen Inhalten an der ersten Stelle auf der Suchseite angezeigt werden.

» KontaktPhilip Gerber, Geschäftsführer Inhalte und InnovationDrogenverein Mannheim [email protected], www.drogenverein.de

| PARITÄTinform | Dezember 2018 | 2928 | PARITÄTinform | Dezember 2018 |

SOZIALPOLITIK

G ewalt gegen Frauen ist eine Menschenrechtsverletzung. Trotz aller Errun-genschaften in den letzten Jahren wurde in Deutschland nicht erreicht, dass häusliche Gewalt eingedämmt wurde“, mit diesen Worten eröffnete Ursel

Wolfgramm, Vorstandsvorsitzende des PARITÄTISCHEN, die Fachveranstaltung. Das im Fe-bruar diesen Jahres in Kraft getretene europäische „Übereinkommen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt“, die so genannte Istanbul-Konvention, nimmt den Staat nun in die Pflicht, erheblich mehr zum Schutz von Gewaltbe-troffenen zu tun, häusliche Gewalt angemessen zu sanktionieren und Prävention zu leisten.

STUTTGART Zum siebzigsten Jahrestag der Verabschiedung der allgemeinen Er-klärung der Menschenrechte veranstaltete der PARITÄTISCHE Baden-Württemberg in Kooperation mit dem Ministerium für Soziales und Integration am 10. Dezember 2018 ein Symposium zum Thema „Staatliches Handeln gegen häusliche Gewalt“. Rund 180 Expert*innen des Hilfesystems für Frauen und Kinder, der Polizei, der Täterarbeit und der kommunalen Gleichstellungsstellen folgten der Einladung nach Stuttgart.

S Y M P O S I U M „ S TA AT L I C H E S H A N D E L N G E G E N H ÄU S L I C H E G E WA LT “Umsetzung der Istanbul-Konvention ist Chance und Herausforderung zugleich

| PARITÄTinform | Dezember 2018 | 29

Land baut Hilfesystem deutlich aus

Staatssekretärin Bärbl Mielich wies in ihrer Einführung auf das hohe Ausmaß von Ge-

walt gegen Frauen in Partnerschaften hin: jede vierte Frau erfährt mindes-

tens einmal in ihrem Leben körper-liche Gewalt durch den Partner. Von zentraler Bedeutung ist es daher, für das Thema zu sensibilisieren, betroffenen Frauen und Kindern niedrigschwellig Unterstützung an zubieten und das Hilfesystem im Land deutlich auszubauen. Das Ministerium für Soziales und Integ-ration plant in den Doppelhaushalt

2020/2021 jährlich eine zweistellige Millionensumme einzustellen, um

Frauen- und Kinderschutzhäuser ver-lässlich zu finanzieren, weitere Plätze

zu schaffen und auch den ambulanten Sektor auszubauen. Sie will sich außerdem

für einen Rechtsanspruch auf Schutz und Hilfe einsetzen. Auch der Bund, so Mielich, muss seiner

Verantwortung nachkommen.

Ernüchternde Bestandsaufnahme

Das Forschungsteam der Dualen Hochschule Stutt-gart, Professorin Dr. Ute Koch, Professor Dr. Thomas

Meyer und Daniel Rayment-Briggs, präsentierte die ak-tuelle Versorgungssituation in Baden-Württemberg: Kaum eine Region im Land ist an Schutzplätzen und Beratung bedarfsgerecht aufgestellt. Besonders gravierend ist der Versorgungsnotstand im ländlichen Raum und in der Pe-ripherie von Ballungsräumen. In neun Landkreisen gibt es keine Fachberatungsstelle, bestehende Beratungsstellen sind oftmals zudem personell unzureichend ausgestattet. Die Anzahl vorhandener Schutzplätze in Frauenhäusern er-reicht bei weitem nicht, was die Istanbul-Konvention emp-fiehlt. Und Frauen, deren Bedarf an Schutz besonders hoch ausfällt, finden nur selten angemessene Hilfe, so Frauen mit Suchtproblematik, psychischen Erkrankungen, körperlichen Handicaps und geflüchtete Frauen.

Klare Zielsetzungen und Zeitpläne

Was die Ratifizierung der Konvention für die Bundesrepub-lik bedeutet, erläuterte Professor Dr. Monika Schröttle. Ge-fordert ist ein Konzept, das Prävention, Intervention, Schutz und Beratung sowie die Koordinierung aller Akteur*innen umfasst und für all das eine angemessene Finanzierung

vorsieht. Landesaktionspläne, wie es sie auch in Baden-Württemberg gibt, brauchen konkrete Zielsetzungen mit festgelegten Zeitplänen. Koordinierungsstellen auf Bun-des- und Landesebene sowie auf regionaler Ebene haben gemeinsam mit den NGOs die Ziele festzulegen, die Um-setzung zu überprüfen und Maßnahmen fortzuschreiben. Stets ist zu fragen, welche Wirkung mit der Umsetzung von Einzelmaßnahmen erreicht wird. Eine enge Verknüpfung der Praxiserfahrung mit wissenschaftsbasierter Evaluation und überregionalem Monitoring ist erforderlich.

Gelingende Kooperationen

Wie Kooperation auf regionaler Ebene gelingen kann, skiz-zierte Martina Raab-Heck von der Freiburger Fachstelle „Intervention gegen Häusliche Gewalt“, die für die erkrank-te Professorin Barbara Kavemann einsprang. Die Aufgabe der Fachstelle ist die Sicherung der Kooperation aller Insti-tutionen und Einrichtungen in Freiburg, die mit häuslicher Gewalt befasst sind. Grundlage für eine gelingende Zusam-menarbeit, so Raab-Heck, ist das Verstehen der Komplexi-tät des Handlungsfeldes, die Schaffung einvernehmlicher Handlungskonzepte und die Reflexion der Praxis.

Erfordernisse der Istanbul-Konvention

In einer Talkrunde mit Expert*innen wurden die Erforder-nisse der Istanbul-Konvention zusätzlich spezifiziert: Der Schutz von Frauen und Kindern muss oberste Priorität in gerichtlichen Verfahren in Bezug auf Sorge und Umgang haben, so Annaliese Schmid-Kaufhold vom Deutschen Ju-ristinnenbund. Markus Beck von der Sozialberatung Stutt-gart wies auf die Notwendigkeit des Ausbaus der Täterar-beit und der Hilfe für männliche Opfer hin. Martina Sillmann von der Frauenhilfe Freudenstadt berichtete über den besonderen Handlungsbedarf im ländlichen Raum. Über die Pläne eines strukturierten Gefährdungsmanagements berichtete Karin Stark vom Polizeipräsidium Ludwigsburg.

Die Umsetzung der Istanbul-Konvention ist Chance und He-rausforderung zugleich, bilanzierten die Moderatorinnen Dr. Claudia Schöning-Kalender und Dr. Katrin Lehmann. Das Vorhaben der Landesregierung, die finanziellen Mittel zur Bekämpfung häuslicher Gewalt deutlich zu erhöhen, schafft hierfür gute Voraussetzungen.

» KontaktDr. Katrin Lehmann, Referentin Frauen und Mädchen Bereich Krisenintervention und Existenzsicherung Der PARITÄTISCHE Baden-Württemberg [email protected], www.paritaet-bw.de

| PARITÄTinform | Dezember 2018 | 3130 | PARITÄTinform | Dezember 2018 |

I N D E N S O Z I A L E N A R B E I TS M A R K TVon einer vollwertigen beruflichen Teilhabe ist das Gesetz noch weit entfernt

STUTTGART Im Koalitionsvertrag haben die Regierungsparteien einen sozialen Arbeitsmarkt für 150.000 Men-schen vereinbart. Ab kommendem Jahr sollen bundesweit rund 45.000 Menschen auf Basis des neu eingeführten Instruments „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ gefördert werden, rund 2.400 davon in Baden-Württemberg. Damit ist der Einstieg in einen sozialen Arbeitsmarkt nach vielen Anläufen und zähem Ringen geschafft. Allerdings bleibt das Ergebnis nicht nur zahlenmäßig hinter den Erwartungen zurück.

S chaffung neuer Teilhabechancen für Langzeit-arbeitslose auf dem allgemeinen und sozialen Arbeitsmarkt“, so lautet der Langtitel des soge-

nannten „Teilhabechancengesetzes“. Vierzehn Jahre nach der Einführung der Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) – landläufig bekannt als „Hartz IV“ – trägt das mitt-lerweile zehnte Gesetz zu dessen Änderung damit erstma-lig den Begriff des „Sozialen Arbeitsmarktes“ im Titel. Nun wird mit der „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ im § 16 i SGB II dazu ein neues Regelinstrument eingeführt.

Mehr Teilhabechancen für langzeitarbeitslose Menschen

Unternehmen können ab dem 1. Januar 2019 Lohnkosten-zuschüsse erhalten, wenn sie langzeitarbeitslose Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigen. Dazu müssen die-se allerdings innerhalb der letzten sieben Jahre sechs Jahre Leistungen zur Grundsicherung bezogen haben und ohne

nennenswerte Erwerbszeiten gewesen sein. Für langzeitar-beitslose Menschen mit minderjährigen Kindern oder solche mit einer Schwerbehinderung reduziert sich die Wartefrist auf fünf Jahre. Die Zuschüsse können bis zu fünf Jahre flie-ßen. Sie betragen in den ersten beiden Jahren 100 Prozent des Tariflohns. In den drei Folgejahren wird der Zuschuss jeweils um zehn Prozent reduziert. Alle Unternehmen kön-nen die Zuschüsse erhalten, also auch Kommunen und so-ziale Beschäftigungsunternehmen. Auflagen hinsichtlich der Zusätzlichkeit, des öffentlichen Interesses und der Wettbe-werbsneutralität entfallen. Zur Begleitung der Beschäftigten wird ein „ganzheitliches Coaching“ gefördert. Die anteilige Förderung von erforderlicher Weiterbildung ist möglich.

Mittelaufstockung und Einführung eines Passiv-Aktiv-Transfers

Die Mittel im SGB II wurden bis zum Jahr 2022 um ins-gesamt vier Milliarden Euro aufgestockt, um laut dem

EINSTIEG

| PARITÄTinform | Dezember 2018 | 31

Haushaltsentwurf für 2019, „die Qualifizierung, Vermitt-lung und Reintegration von Langzeitarbeitslosen mit einem ganzheitlichen Ansatz voranzutreiben und Teilhabe sowohl auf dem allgemeinen als auch dem sozialen Arbeitsmarkt zu ermöglichen“. Damit sind diese zusätzlichen Mittel aber nicht exklusiv für die Finanzierung des neuen Instruments vorgesehen, sondern können für alle aktiven Leistungen des SGB II verausgabt werden.

Zusätzlich wird zur Refinanzierung der Förderung nach § 16 i SGB II der sogenannte Passiv-Aktiv-Transfer erst-mals im Bund umgesetzt. Allerdings wird das Arbeitslo-sengeld II nicht für jede*n vormals langzeitarbeitslose*n Beschäftigte*n in einen individuellen Lohnkostenzuschuss umgewandelt. Stattdessen erhalten die Jobcenter für jeden Förderfall Pauschalen, die dann in deren allgemeinen Ein-gliederungshaushalt einfließen.

Zu Viele bleiben außen vor

Vom Ziel der Regierungsparteien, Vollbeschäftigung zu er-reichen und dazu auch allen langzeitarbeitslosen Menschen eine vollwertige berufliche Teilhabe zu ermöglichen, ist das neue Gesetz dennoch weit entfernt. Durch die langen Anwart-schaftszeiten bleibt der größte Teil der langzeitarbeitslosen Menschen in der Förderung schlicht außen vor. Betroffene, die den notwendigen kontinuierlichen Bezug der Grundsi-cherung nicht im entsprechenden Umfang nachweisen kön-nen, bleiben ebenfalls ausgeschlossen. In welchem Umfang es tatsächlich zu einem Aufwuchs der öffentlich geförderten Beschäftigung kommen wird, bleibt abzuwarten. Bestimmte, bereits heute geförderte Beschäftigungsverhältnisse können

in die neue Förderung umgewandelt werden. Durch die Zuweisung der zusätzlichen Mittel in ihren allgemeinen Förderhaushalt, sind die Jobcenter nicht daran gebunden, das neue Instrument umzusetzen.

Sozialer Arbeitsmarkt ist nicht inklusiv

Die begriffliche Aufspaltung in den allgemeinen und den sozialen Arbeitsmarkt macht deutlich, dass letzterer als zweitrangig angesehen wird. Und dies, obwohl Er-fahrungen aus bisherigen Initiativen zur Schaffung von Arbeitsplätzen das begrenzte Integrationspotenzial der Wirtschaft für Betroffene gezeigt haben. Soziale Beschäf-tigungsunternehmen (SBU) bräuchten aber gesicherte Gestaltungsspielräume, um die erforderlichen Strukturen nachhaltig entwickeln zu können. Im Gegensatz dazu kann nun zum Beispiel das begleitende „ganzheitliche Coaching“ nur durch die Jobcenter selbst oder durch Dritte geleistet werden. Damit werden SBU in ihrer Kernkompetenz in der Arbeit für und mit langzeitarbeitslosen Menschen erheblich beschnitten. Arbeitgeber und Gewerkschaften haben ein exklusives Votum im Beirat des Jobcenters, mit dem sie ent-scheidenden Einfluss auf die Einsatzfeldern der geförderten Beschäftigung nehmen können.

Einer nachhaltigen Entwicklung steht nicht zuletzt die Be-fristung des Instruments bis 2024 im Wege, die dann eine erneute Beschlussfassung des Gesetzgebers erforderlich macht. Am Ende muss ein inklusiver sozialer Arbeitsmarkt für alle mit entsprechenden Angeboten durch soziale Be-schäftigungsunternehmen das Ziel bleiben. Noch stehen wir dazu am Anfang.

» KontaktRalf Nuglisch Bereichsleitung Arbeit und Qualifizierung Der PARITÄTISCHE Baden-Württemberg [email protected], www.paritaet-bw.de

| PARITÄTinform | Dezember 2018 | 3332 | PARITÄTinform | Dezember 2018 |

SOZIALPOLITIK

STUTTGART Am 25. September 2018 veranstalteten die Martin-Bonhoef-fer-Häuser Tübingen und das Albert-Schweitzer-Kinderdorf Waldenburg in Kooperation mit dem PARITÄTISCHEN Baden-Württemberg ein Expert*innen-Hearing zum Thema „Leaving Care“ im Hospitalhof Stuttgart.

„Ich dachte, das wird eine Spießerrunde – nein, es ging sehr locker zu und hat echt Spaß gemacht“, so die Wahrneh-mung des Hearings aus Sicht einer Care Leaverin. Der Ein-ladung gefolgt waren zirka 30 Vertreter*innen aus dem Sozialministerium, der Landtagsfraktionen SPD und GRÜNE, des Landkreistages, des Kommunalverbands für Jugend und Soziales, der Ombudschaft Jugendhilfe, aus Wissen-schaft und Forschung sowie öffentliche und freie Jugend-hilfeträger, um sich mit „Care Leavern“ über ihre Lebensre-alitäten und Jugendhilfeerfahrungen auszutauschen. Nach einem Vortrag von Professor Wolfgang Schröer schilderten zehn junge Care Leaver eindrucksvoll die Schwierigkeiten im Übergang – die Teilnehmenden waren beeindruckt.

Anschließend wurde an drei Tischgruppen diskutiert und Verabredungen getroffen, um das Thema inhaltlich wie strukturell auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene voranzutreiben: ■■ (Fach-)Öffentlichkeit weiter für die Lebenslagen von

„Care Leavern“ sensibilisieren: Alle Beteiligten sicher-ten zu, die Lobbyarbeit für und mit „Care Leavern“ vor-anzutreiben (z.B. landespolitisches Hearing, Thematisie-rung in Ausbildung/Lehre).

■■ Rechtliche Rahmenbedingungen weiterentwickeln: Dies betrifft z.B. die SGB VIII-Reform, die einheitliche Rechtsauslegung des § 41 SGB VIII und die Senkung der Kostenheranziehung während der Jugendhilfe.

■■ Hilfen und Netzwerke nachhaltig absichern: Die Vor-bereitung auf ein Leben außerhalb der Jugendhilfe muss sorgfältig gemanagt werden. Deshalb muss „die Jugend-hilfe auch nach Eintritt der Volljährigkeit für Care Leaver

verantwortlich bleiben und für sinnvolle Übergänge in die Selbständigkeit sorgen“, so Andreas Kenner. Struk-turell verankert sollte es „Care Leaver“-Anlaufstellen zur Beratung geben.

■■ Alternative Handlungsansätze zur Zukunftssiche-rung einbeziehen: Dies betrifft Zugänge zu Wohnraum und die „zivilrechtliche Möglichkeit, sich als junger Voll-jähriger von seinen leiblichen Eltern ‚scheiden‘ zu lassen, um weder von deren nicht eingelösten Unterhaltspflich-ten geknebelt zu werden noch eigene Fürsorgepflichten eingehen zu müssen“, so Wolfgang Trede.

Care Leaverin Ruth Seyboldt resümiert: „Das Hearing war nicht einfach nur ein Hearing. Es wurde nicht nur zugehört. Es wurde diskutiert. Ausgehandelt. Auf Augenhöhe.“ Eine aus-führliche Materialsammlung zum Hearing ist unter www.ca-releaver-bw.de/angebote-und-aktivitaeten-in-baden-wuert-temberg/veranstaltungenaktivitaeten/ verfügbar.

Leaving Care – Was ist denn das? – das neue Erklärvideo von Care Leavern ist online: www.careleaver-bw.de

» KontaktUlrike Amann und Nina Wlassow Projekt „Care Leaver – Wege in die Selbstständigkeit“Martin-Bonhoeffer-Häuser Tübingen [email protected] [email protected]

Die Berichte der jungen Menschen in Betreuung der Jugendhilfe haben mich bewegt. Mir wurde klar, wie viel Unterstützung meine Kinder bekommen haben, als sie nicht mehr daheim gewohnt haben, aber noch in Ausbildung und Studium waren. Ohne Elternhaus ist diese Unterstützung nicht vorhanden.

Andreas Kenner, Jugendpolitischer Sprecher der Landtagsfraktion SPD

Die Care Leaver haben uns im Führungsteam des Jugendamts aufgerüttelt, uns konzeptionell mehr mit guten Beendigungen von Volljährigenhilfen, besserem Übergangsmanagement und einer Verbesserung der bislang nur rudimentären Nachbetreuung zu befassen.

Wolfgang Trede, Leiter Jugendamt Böblingen

ZUGEHÖRT, DISKUTIERT UND AUF AUGENHÖHE AUSGEHANDELTErgebnisse des Expert*innen-Hearings „Leaving Care – Wege in die Selbstständigkeit“

| PARITÄTinform | Dezember 2018 | 33

PRÄVENTIVE HAUSBESUCHE FÜR SENIOR*INNENMultidimensionales Aufgabenspektrum in den (Modell-)Kommunen

STUTTGART Am 7. Juni 2018 wurden im Rahmen einer Abschlussveranstaltung die Ergebnisse zum drei-jährigen Landesmodellprojekt „PräSenZ – Prävention für Senioren Zuhause“ vorgestellt.

PräSenZ wurde von 2014 bis Ende 2017 in drei unter-schiedlich großen Kommunen in Baden-Württemberg er-probt. Kernbestandteil waren Präventive Hausbesuche für selbstständig lebende ältere Menschen unter Einbezug des ehrenamtlichen Engagements. Durchgeführt und ausge-wertet wurden mehr als 1.700 Beratungen bei rund 700 Senior*innen. Die Umsetzungsergebnisse und praktische Empfehlungen von PräSenZ wurden vorgestellt und in drei parallelen Workshops diskutiert. Projektträgerschaft und wissenschaftliche Leitung von PräSenZ hatte das Deut-sche Institut für angewandte Pflegeforschung (DIP) inne. Das Modellprojekt wurde finanziell durch das Ministerium für Soziales und Integration aus Mitteln des Landes Baden-Württemberg, aus Mitteln der gesetzlichen und privaten Pflegeversicherung sowie der kommunalen Landesverbän-de gefördert.

Drei unterschiedlichen Modellkommunen

Die drei Modellkommunen in PräSenZ waren die Gemeinde Neuweiler im Landkreis Calw, die Stadt Rheinfelden direkt an der Grenze zur Schweiz sowie die Stadt Ulm. In den drei Kommunen wurden älteren Menschen auf verschie-denen Wegen präventive Hausbesuche angeboten. Die Hausbesuche wurden dann jeweils von eigens geschulten Berater*innen durchgeführt, die aus ihren pflegerischen und sozialen Berufen entsprechende Vorerfahrungen mit-brachten. In allen drei Kommunen sind mit PräSenZ neue Strukturen und Angebote entstanden, die auch nach dem Ende der Projektlaufzeit weitergeführt und sogar ausge-baut werden sollen.

Zentrale Erkenntnis des Projektes: „Das Aufgabenspek-trum rund um präventive Hausbesuche ist multidimensio-nal und hängt davon ab, welche Angebote in Kommunen schon existieren und welche noch nicht.“ So finden neben Informations- und Vermittlungsarbeit in den Hausbesu-chen auch umfassende fachliche Beratungen und bis zu einem gewissen Grad auch praktische Alltagsbegleitun-gen statt. In seltenen Fällen kommt es zu längerfristigen

und intensiveren Begleitungen, so wenn keine geeigneten Stellen vor Ort existieren, die diese Aufgabe übernehmen könnten. Ein Hausbesuch dauert im Schnitt zwischen ein bis zwei Stunden. Die Mehrzahl der Senior*innen benö-tigte einen Hausbesuch, manche sogar zwei bis drei. Das Themenspektrum reicht von Prävention und Vorsorge über Pflegebedürftigkeit und Teilhabe bis hin zu Kontaktaufnah-men mit Ämtern und Versicherungen.

Senior*innen und Kommunen profitieren

Die Projektergebnisse belegen, dass Senioren mit PräSenZ sehr gut erreicht werden können und die Selbstständig-keit im Alter gezielt gestärkt wird. Ehrenamtlich engagierte Menschen konnten gewonnen und einbezogen werden. In einer Modellkommune entstand aus dem Projekt heraus eine bürgerschaftlich getragene Tagespflegeeinrichtung. Die Vernetzungen zwischen den Bedarfen, die sich in den Beratungen gezeigt haben, und kommunale sowie weite-re Angeboten konnten vielfach verbessert werden. In den Modellkommunen war man sich einig, dass neben den Senior*innen die Kommunen die großen Gewinner von PräSenZ sind. Das Leben im Alter zuhause wird gestärkt und zugleich erfahren die Kommunen einen Imagegewinn.

Neben einem Abschlussbericht ist eine praktische Handrei-chung für Kommunen zur Umsetzung präventiver Hausbe-suche unter www.dip.de/materialien verfügbar.

» Kontakt Achim Uhl, Bereichsleitung Ältere Menschen und Pflege Der PARITÄTISCHE Baden-Württemberg [email protected], www.paritaet-bw.de

| PARITÄTinform | Dezember 2018 | 3534 | PARITÄTinform | Dezember 2018 |

SOZIALPOLITIK

PARITÄTISCHER FACHTAG „FREIWILLIGENMANAGEMENT“Verknüpfung vielfältiger Aufgaben und Engagementformen

STUTTGART Ein abwechslungsreiches Programm aus Vorträgen, Interviews und einem World-Café erlebten Teil-nehmende aus den verschiedensten Arbeitsfeldern des PARITÄTISCHEN am 28. November 2018 anlässlich eines Fachtages, bei dem die neue Handreichung zum Freiwilligenmanagement und das neue PARI-Wiki vorgestellt wurden.

Bei der Begrüßung betonte Vorstandsvorsitzende Ursel Wolfgramm, dass für den PARITÄTISCHEN als Verband von 870 bürgerschaftlich initiierten und getragenen Organisa-tionen und Initiativen eine wichtige Aufgabe darin besteht, deren Engagement zu unterstützen und selbst als zivilge-sellschaftliche Organisation wahrgenommen zu werden.

Engagement unterstützen

Professor Dr. Adalbert Evers, Mitautor des 2. Engagement-berichtes der Bundesregierung, zeigte in seinem Vortrag die Mehrdimensionalität und Vielfalt von Engagement auf, plädierte für einen weiten Begriff von den Aufgaben von Organisationen und Engagierten, der auch gesellschafts-politischem Engagement Raum gibt, sowie für ein Freiwil-ligenmanagement, das verschiedenen Mitarbeitsformen Rechnung trägt – vom gelegentlichen Helfen bis zu verant-wortungsvoller Tätigkeit als Partner*in auf Augenhöhe und Mitstreiter*in im politischen Kontext. Zugleich ermutigte er die Wohlfahrtspflege, Engagement zu unterstützen, bei dem sie wieder stärker mit der lokalen Bürgergesellschaft verbunden wird (z.B. Stichwort Zukunft der Stadtgesell-schaft) und die verschiedene Aufgaben und Engagement-formen zu verknüpfen, sodass ein Bezug zwischen „All-tagsarbeit“ und „Politik“, zentralen Anstößen und lokalem Handeln sinnfällig sei.

Katrin Gildner (erzaehldavon.de) erläuterte den Teilneh-menden am Nachmittag in einem pfiffigen Vortrag, wie es nach dem Motto „Suchen Sie nicht nach neuen Freiwilligen, lassen Sie sich finden!“ über das Setzen von Spuren in den sozialen Medien gelingen kann, Freiwillige zu gewinnen. In der Abschlussrunde wurden dezidierte Erwartungen zur Unterstützung durch den PARITÄTISCHEN formuliert:■■ regionale Workshops und ein zentrales Fortbildungs-

angebot zur Umsetzung der Arbeitshilfe, ■■ jährliche Ausrichtung eines Fachtages rund um das

Themenfeld Freiwilligenmanagement,■■ Moderation und Ausweitung des Know-how-Transfers

auf der Austauschplattform.

Mit der durch die Glücksspirale geförderten Veranstaltung konnten wichtige Impulse zum freiwilligen Engagement im PARITÄTISCHEN gesetzt und weitere Schritte für eine verbandliche Engagementstrategie angestoßen werden.Dokumentation und Materialien zum Fachtag im PARI-Wiki: www.pariwiki.paritaet-bw.de

» Kontakt Ralf Baumgarth, Bereichsleitung Bürgerschaftliches Engagement, Selbsthilfe und Gesundheit Der PARITÄTISCHE Baden-Württemberg [email protected], www.paritaet-bw.de

Neue Arbeitshilfe Freiwilligenmanagement

Seit einer Reihe von Jahren vollzieht sich im Ehrenamt/frei-willigen Engagement ein tiefgreifender Wandel, mit dem sich soziale Organisationen auseinandersetzen, die mit Freiwilligen arbeiten wollen. War früher ehrenamtliches Engagement mit altruistischem, pflichterfülltem Handeln verbunden, so suchen Freiwillige heute Selbsterfüllung, Anerkennung, Eigenverant-wortlichkeit und eine zu ihnen passende Tätigkeit. Damit ein-her geht ein verändertes Selbstverständnis, dass freiwilliges Engagement nicht voraussetzungslos ist, sondern passende Rahmenbedingungen und eine wertschätzende Grundhaltung benötigt, die ein gelingendes Engagement erst ermöglichen.

Um solche Rahmenbedingungen zu fördern, hat der PARITÄ-TISCHE in der Regie des Bereichs Bürgerschaftliches Engage-ment gemeinsam mit einer Begleitgruppe aus Vertreter*innen von Mitgliedsorganisationen eine frühere Arbeitshilfe zur Arbeit mit Freiwilligen aktualisiert und weiterentwickelt.

Als ganzheitliches Grundlagenhandbuch behandelt die Arbeitshilfe unter Einbe-ziehung von Praxiserfahrungen alle über-greifenden und grundlegenden Aspekte im Zusammenhang mit dem Freiwilligen-management in sozialen Organisationen. Sie stellt das erforderliche „Handwerkszeug“ für den Prozess der dauerhaften Auseinandersetzung und Weiterentwicklung der Kooperation mit Freiwilligen in sozialen Organisationen in einem strategischen Freiwilligenmanagement praxisbezogen zur Verfügung. Dieses Know-how kann von Mitgliedsorganisa-tionen in allen Arbeitsfeldern des Verbandes genutzt werden.

Zusätzlich zu einer Printversion steht die neue Arbeitshilfe auch als Modul im „PARI-Wiki“ (siehe Seite 26) bereit. Die 68-seitige Arbeitshilfe kann zum Preis von 20,- Euro (inkl. Steuern und Versand) über [email protected] bezogen werden.

DEUTSCHER PARITÄTISCHER WOHLFAHRTSVERBAND LANDESVERBAND BADEN-WÜRTTEMBERG e. V. | www.paritaet-bw.de

E N G A G E M E N T = O R G A N I S I E R E N

F R E I W I L L I G E N M A N A G E M E N T I N S O Z I A L E N O R G A N I S AT I O N E N

– E I N E A R B E I T S H I L F E –

| PARITÄTinform | Dezember 2018 | 35

„TAKAA – NIROO“ Bestärkungsprogramm für geflüchtete Frauen und Mädchen nimmt an 15 Projektstandorten Arbeit auf

STUTTGART Geflüchtete Frauen und Mädchen sind eine besonders vulnerable Gruppe, deren Gesundheit nachhaltig Schaden nimmt, wenn sie keine Unterstützung erhalten, bilanziert eine aktuelle Studie der Charité Berlin. Die Belastungen durch Krieg, Flucht und Migration sind bei weilblichen Geflüchteten hoch. Aufgrund mangeln-der Angebote ziehen sie sich oft in ihren zugewiesenen Wohnraum zurück.

Das Projekt „Takaa – Niroo“ der Werkstatt PARITÄT in Koope-ration mit dem PARITÄTISCHEN Baden-Württemberg setzt an dieser Problematik an. „Wir wollen den Frauen und Mädchen die Möglichkeit geben, über ihre Lebenssituation zu spre-chen, Unterstützung und Gemeinschaft zu erfahren und da-mit zu ihrer Stabilisierung beitragen“, fasst Ursel Wolfgramm, Vorstandsvorsitzende des PARITÄTISCHEN, die Ziele des Pro-jekts zusammen. Durch die Förderung der Baden-Württem-berg Stiftung lässt sich dieses Vorhaben in die Tat umsetzen.

Seit Sommer 2018 bis Ende 2020 wird das Projekt an 15 Standorten in Baden-Württemberg umgesetzt. Für die Teilnahme konnten sich soziale Einrichtungen im Rahmen einer Ausschreibung bewerben. Eine Jury bestehend aus Expert*innen der Fachpraxis und öffentlicher Institutio-nen hat die Standorte ausgewählt. „Wir freuen uns, dass sich in diesem Projekt unterschiedliche Qualitäten bün-deln: Es beteiligen sich Fachstellen der Gewaltprävention, der Familienberatung und der Flüchtlingsarbeit“, erläutert Katrin Lehmann, Koordinatorin des Projekts. Diese Vielfalt an Kompetenz ermöglicht gemeinsames Lernen in diesem sensiblen Arbeitsfeld.

Modulare Settings zu Geschlechterrollen und Gewaltprävention

Jedes Bestärkungsprogramm besteht aus drei Modulen: Das Herzstück bilden die Mädchen- bzw. Frauengruppen. Zentrale Themen sind Frauen- und Männerleben im Hei-matland und in Deutschland, Geschlechterrollen und Fami-lienbilder, Gewalterfahrungen und Gewaltprävention. „Ge-flüchtete Menschen werden hier in Deutschland mit einem

Takaa (arabisch) und Niroo (persisch) sind Bezeichnungen für Kraft. Sie bringen das Ziel des Projektes zum Ausdruck: Die Entwicklung, Rück-gewinnung und Bewahrung der persönlichen Kraft von Mädchen und Frauen mit Fluchterfahrungen.

ganz anderen Verständnis von Geschlechterbeziehungen und Geschlechterrollen konfrontiert“, erklärt Christoph Dahl, Geschäftsführer der Baden-Württemberg Stiftung. Frauen und Mädchen sehen sich häufig widersprüchlichen Erwar-tungen ausgesetzt. Nicht selten geraten sie hier in ein Dilemma, das nicht nur sie selbst, sondern auch ihre familiären Bezüge be-lasten kann.

Daher richtet sich ein zweites Modul des Projekts an männli-che Geflüchtete aus dem sozialen Umfeld der Frauen und Mädchen. Sie erhalten ein Gesprächsange-bot von Männern bzw. Jungen, in dem die genannten The-men ebenfalls aufgegriffen werden. Um eine Verbesserung der Lebenssituation von Frauen und Mädchen zu erreichen, ist die Einbindung von Männern und Jungen notwendig. Das dritte Modul bezieht sich auf die Kooperation mit dem örtli-chen Unterstützungssystem für Geflüchtete. Ehrenamtliche und Hauptamtliche der Flüchtlingsarbeit sind oft die ersten Ansprechpersonen bei familiären Krisen oder Gewaltvor-kommnissen. Eine enge Zusammenarbeit wird im Projekt gepflegt.

» Kontakt Dr. Katrin Lehmann, Projektkoordination Der PARITÄTISCHE Baden-Württemberg [email protected], www.werkstatt-paritaet.de

Projektträger Projektpartner Gefördert von

M I TG L I E D E R V E R S A M M LU N G M I T D E M S C H W E R P U N K T Verbandsthemen: Digitalisierung in der Sozialwirtschaft und Regionalisierung

D as Thema Digitalisierung ist längst in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen, keine und keiner kommt mehr an der digita-

len Transformation vorbei. Vorstandsvorsitzende Ursel Wolf-gramm brachte dies in Ihren einleitenden Worten auf den Punkt: „Was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert“, die-ser Prozess sei unumkehrbar. Aus einer Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie geht jedoch hervor, dass der Sozial- und Gesundheitssektor in Sachen Digitalisierung anderen Branchen gegenüber zehn Jahre zurück liegt. Der PARITÄTISCHE Baden-Württemberg hat dieses Thema daher anlässlich seiner Mitgliederver-sammlung aufgegriffen, um mit seinen Mitgliedsorgani-sationen Chancen und Risiken der Digitalisierung für ihre Arbeitsbereiche zu ergründen.

Hendrik Epe, der als Forschungskoordinator an der Katho-lischen Hochschule Freiburg tätig ist und mit seiner Firma

Idee Quadrat die digitale Transformation sozialer Unterneh-men unterstützt, vermittelte einen ersten impulsgebenden Einblick in das Thema. Epe spannte in seinem Vortrag einen weiten Bogen auf, der von der praktischen Verschlankung von Arbeitsabläufen durch digitalisierte Prozesse bis hin zu einem notwendigen Kulturwandel der Organisationsstruk-turen reichte. Epe: „Durch Flexibilisierung und neue Orga-nisationsstrukturen verändern sich auch Arbeitsbeziehun-gen und es kommt zu einer stärkeren Sinnorientierung.“ Er ermunterte soziale Organisationen, der zunehmend hohen Veränderungsgeschwindigkeit mit der inneren Haltung zu begegnen, Wandel als Normalität zu begreifen. Gerade sozia-le Organisationen, so Epe, sollten die gesellschaftliche Trans-formation nicht nur bewältigen, sondern aktiv mitgestalten.

Diesen Faden konnten die Teilnehmer*innen der Mitglie-derversammlung in den sich anschließenden Workshops wieder aufnehmen. Hier reichte das Themenspektrum

LEINFELDEN-ECHTERDINGEN Die diesjährige Mitgliederversammlung in der Filderhalle in Lein-felden-Echterdingen am 16. November 2018 beschäftigte sich unter dem Titel SOZIALdigital mit dem Thema Digitalisierung in der Sozialwirtschaft. Die rund 200 Mitgliedsorganisationen nutzten die Ge-legenheit, sich mit den Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung in der Sozialwirtschaft zu beschäftigen. Ein weiterer zentraler und zukunftsweisender Tagesordnungspunkt war der Beschluss zur Regionalisierung bzw. zur Neufassung der Kreisverbandsordnung, der mit hoher Zustimmung verabschiedet wurde.

Die Delegierten bei der TED-Abstimmung.

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Die wesentlichen Neuregelungen der Kreisverbandsordnung

■■ Die Kreisverbandsstruktur wird aufrechterhalten, die 36 Kreisverbände bleiben bestehen und die Kreismitglieder-versammlung sowie der gewählte Kreisvorstand werden die Organe des Kreisverbandes bleiben.

■■ Mindestens drei, maximal sechs Kreisverbände schließen sich zu einem Regionalverbund zusammen. Wer sich zusam-menschließt, bleibt relativ frei, Bedingung ist nur, dass die Verbände in räumlicher Nähe sein sollten. Es sollen 8-12 Regio-nalverbünde entstehen, die sich dann auch einen Namen geben, sodass man sie der jeweiligen Region zuordnen kann.

■■ Veränderungen sind nach der dreijährigen Evaluationsphase 2021 möglich.■■ Es werden Regionalbudgets – errechnet nach festgelegten Faktoren – zur Verfügung gestellt. Die Budgets wachsen

mit der Akquirierung neuer Mitglieder und können durch Zuschüsse von den Kommunen oder Spenden aufgestockt werden. Die zur Verfügung gestellten Mittel werden vorrangig für hauptamtliches Personal eingesetzt.

■■ Jede Region wählt sich einen Regionalsprecher*in.

von der Optimierung von Arbeitsabläufen über den Ein-satz von digitalen Medien in der frühkindlichen Bildung bis hin zu Beratungsangeboten, die durch Algorithmen gesteuert werden. Die anschließende Rückmeldung der Workshopteilnehmer*innen war eindeutig positiv: 90 Pro-zent gaben über eine TED-Befragung an, ihre Einrichtung künftig (weiter) digitalisieren zu wollen.

Beschluss zur Regionalisierung

Nach ausführlichen Diskussionen in den vergangenen Jahren über das Thema Regionalisierung der ver-bandlichen Arbeit und einem breit angelegten Beteiligungsprozess konnte der Mitgliederversammlung in diesem Jahr eine Neufassung der Kreisverbandsordnung vorgelegt werden, die auch die Regelungen zu Regionalverbünden enthält. Die

Mitgliederversammlung stimmte dieser Neufassung mit nur sechs Gegenstimmen und 12 Enthaltungen mit großer Mehr-heit zu. Bruno Pfeifle, Aufsichtsratsvorsitzender des PARITÄ-TISCHEN Baden-Württemberg, hatte zuvor noch einmal be-tont, dass die Regionalisierung ein Mittel sein solle, um den Verband voranzubringen und auch zur Reflexion anzuregen, was der Verband tun müsse, um seinen Leitlinien gerecht zu werden. Dr. Christoph Jopen, Vorstand des Kreisverbandes Ortenau, merkte an, dass „die neue Kreisverbandsordnung eine Selbst organisation komplexer Strukturen“ sei. Die Struk-tur der Kreisverbände sei sehr heterogen, was die Ressour-cen betrifft, künftig solle nun auch den ressourcenschwa-chen Kreisverbänden eine Entwicklung ermöglicht werden. „Diese neue Kreisverbandsordnung gibt ein großes Maß an Freiheit und Gestaltungsmöglichkeit“, so Jopen weiter. An vorhandene Strukturen könne trotzdem angeknüpft werden.

Berichte und Abstimmungen

Im vereinsrechtlichen Teil der Mit-gliederversammlung standen wie immer die Verbandsregularien im Vordergrund. So stellte Vorstands-vorsitzende Ursel Wolfgramm im Bericht des Vorstands unter ande-rem die inhaltliche Entwicklung des Verbands dar, stellte erstmals den Entwurf einer neuen Home-page vor und gab die Personal-veränderungen im zurückliegenden Jahr bekannt. Der ebenfalls von Wolfgramm vorgestellte Wirtschaftsplan für 2019 wurde einstimmig von der Mitgliederversammlung angenommen. Der Jahresabschluss 2017 wurde von Maik Scherer (Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Adjuvaris) vorge-tragen und die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung bestätigt. Den Rechenschaftsbericht des Aufsichtsrates trug Aufsichtsratsvorsitzender Bruno Pfeifle vor, den Bericht des Wirtschaftsausschusses hatte Norbert van Eickels übernom-men. Dem Antrag auf Entlastung des Aufsichtsrates wurde mit nur einer Enthaltung zugestimmt.

Hinweis: Mitgliedsorganisationen können die einzelnen Veranstaltungsunterlagen im internen Bereich unserer Homepage ansehen und herunterladen. https://paritaet-bw.de/intern/verband-intern/veranstal-tungen/mitgliederversammlung-2018/einladung.html

» KontaktDeborah Castello, Leitung Stabsstelle Lobbyarbeit Der PARITÄTISCHE Baden-Württemberg [email protected], www.paritaet-bw.de

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WERTARBEIT LOKAL.SOZIAL: KOMMUNALWAHLKAMPAGNE DES PARITÄTISCHEN

STUTTGART Der PARITÄTISCHE Baden-Württemberg hat für die Kommunalwahlen am 26. Mai 2019 eine Kam-pagne konzipiert, die den Wert der sozialen Arbeit in den Fokus rückt. Unter dem Titel WERTarbeit lokal.sozial. sollen zahlreiche Veranstaltungen im ganzen Bundesland stattfinden, die den Fokus auf die in der sozialen Arbeit tätigen Menschen richten.

Um den Kreisverbänden und Regionalgeschäftsstellen eine niederschwellige Teilnahme an der Kampagne zu ermöglichen, wird der Landesverband bis Jahres-ende einen „Kampagnenkoffer“ vorbereiten, der verschiedenes Informations- und Veranstaltungs-material beinhaltet. Hierzu gehören sowohl allge-meine Informationen zur Kommunalwahl und zur Kampagne als auch zum Beispiel eine zum Kam-pagnenthema passende Postkartenserie, die mit Forderungen an die Kandidaten*innen verschickt werden kann. Es werden verschiedene Veranstal-tungsformate vorgestellt, jeweils mit Checklisten zur Vorbereitung der Veranstaltungen, aber auch mit passenden Vorlagen für Einladungen, Pressemitteilungen, etc. Die Bereichsleitungen des Landesverbands bereiten eine Auswahl an „Wahlprüfsteinen“, also Fragenkataloge für Kandidaten*innen vor, die jeder Kreisverband passgenau auf

die örtlichen Gegebenheiten zusammenstellen und an die Kandidaten*innen versenden kann.

Die Forderungen des PARITÄTISCHEN an die Kom-munalpolitik werden gebündelt und an zentraler Stelle veröffentlicht werden. Um eine möglichst hohe Reichweite zu erzielen, geschieht dies über die erste Quartalsausgabe des Verbandsmagazins PARITÄTinform. Alle sind aufgerufen, Gebrauch vom Kampagnenkoffer zu machen und wo mög-lich, Betroffene und Mitgliedsorganisationen ein-zubeziehen.

» KontaktDeborah Castello, Leitung Stabsstelle Lobbyarbeit Der PARITÄTISCHE Baden-Württemberg [email protected], www.paritaet-bw.de

MANIPULATION DURCH DAS NETZ – GEFAHR FÜR UNSERE DEMOKRATIE?

STUTTGART Am 10. Dezember 2018 jährte sich die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte zum 70. Mal. Der PARITÄTISCHE hatte ganzjährig unter dem Motto „Mensch, Du hast Recht!“ eine landesweite Kampagne initiiert, die das Thema Menschenrechte ins Blickfeld rückte. In diesem Kontext fand im Stuttgarter Literaturhaus im Oktober in prominenter Besetzung eine Diskussionsveranstaltung unter dem Titel „Manipulation durch das Netz – Gefahr für unsere Demokratie?“ statt, die einen Spot auf das Recht auf freie Meinungsbildung warf.

Fachlicher Input kam von Professorin Dr. Angelika Beranek, die an der Hochschule München zum Schwerpunt Medienbil-dung und Digitalisierung forscht. Diskussionsgäste waren Dr. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des PARITÄTISCHEN Gesamtverbands und Ursel Wolfgramm, Vorstandsvorsitzende des PARITÄTISCHEN Baden-Württemberg. Andrea Sauermost von der Lebenshilfe Karlsruhe moderierte die Diskussion.

In ihrem fachlichen Impuls erläuterte Professorin Beranek eindrücklich, wie groß die Gefahr virtueller Manipulierbar-keit ist und wie wichtig daher eine frühe Kompetenzbildung beginnend in Schule und Kindergarten sei, um sich das Recht auf freie Meinungsbildung bewahren zu können. Auch Vor-standsvorsitzende Ursel Wolfgramm wies auf die gesamtge-sellschaftliche Bedeutung virtueller Manipulierbarkeit hin. „Sowohl Trumps Wahlkampf als auch die Wahlkämpfe der AfD waren geprägt von algorithmischer Selektion von Inhal-ten“, so Wolfgramm. Um sich wirklich neutral und frei infor-mieren zu können, sei eine große Differenziertheit und Medi-enkompetenz notwendig, welche den meisten Nutzer*innen noch fehle. Dr. Ulrich Schneider wies darauf hin, dass dies auch zu einer Verweigerungshaltung gegenüber sozialen Medien führen könne. Gerade unter den Mitarbeiter*innen in der Sozialwirtschaft sei die Skepsis häufig groß. Der Haupt-geschäftsführer betonte, dass die Digitalisierung insgesamt die Gefahr berge, dass Menschen ausgeschlossen werden. „Die Politik steht vor der Herausforderung, den digitalen Zu-sammenhalt zu gewährleisten“, so Schneiders Fazit.

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AUS DEM LANDESVERBAND

AKTUELLES AUS DEM AUFSICHTSRATREGIONALE VERBANDSARBEIT UND DER PARITÄTISCHE 2025

STUTTGART In seiner zweitägigen Klausur Ende September diskutierte der Aufsichtsrat ausführlich über die Wei-terentwicklung der Regionalen Verbandsarbeit und widmete sich dem Thema DER PARITÄTISCHE 2025.

Am Vormittag des ersten Tages traf sich der Wirtschaftsausschuss des Aufsichtsrates, um unter anderem die Vorlage des Wirtschaftsplans 2019 für den Aufsichtsrat und schließlich die Mitgliederversammlung abzustimmen. Am Nachmittag stand die Weiterentwicklung der Regionalen Verbandsarbeit im Fokus. Vom 4. Juli bis 7. September hatten alle Mitgliedsorga-nisationen und Kreisverbände die Möglichkeit, ihr Feedback zum Konzept und zur Kreisverbandsordnung einzubringen. Diese Möglichkeit wurde rege genutzt, das Feedback für den Aufsichtsrat zusammengestellt und in die Unterlagen einge-arbeitet. Nach Klärung noch offener Punkte konnte der Aufsichtsrat einstimmig eine Beschlussempfehlung verabschieden.

Am Vormittag des zweiten Tages ging es um das Thema DER PARITÄTISCHE 2025. Sabine Brommer und Ralf Nuglisch berichteten aus den Denkwerkstätten des Landesverbandes und die Aufsichtsräte arbeiteten alleine und in Gruppen an Ideen und Fragen zur Zukunft des PARITÄTISCHEN und der sozialen Arbeit im Allgemeinen. Am Nachmittag des zweiten Tages fand schließlich noch eine „reguläre“ Aufsichtsratssitzung statt, unter anderem mit dem Bericht des Vorstands und den Vorbereitungen zur Mitgliederversammlung am 16. November 2018 in Leinfelden-Echterdingen.

Bruno Pfeifle, Vorsitzender des Aufsichtsrates, zog ein positives Fazit der Klausur: „Die Atmosphäre war sehr angenehm und produktiv. Ich denke, wir haben uns viel vor-genommen und sehr viel geschafft. Besonders freut mich, dass wir eine einstimmige Empfehlung an die Mitgliederversammlung abgeben konnten, die Weiterentwicklung der Regionalen Verbandsarbeit zu beschließen. So kann eine jahrelange Diskussion ihren Abschluss finden und wir können unseren Blick in die Zukunft richten.“

NEUER BERUFSBEGLEITENDER FERNSTUDIENGANG „SOZIALE ARBEIT“

STUTTGART Ein neuer berufsbegleitender Fernstudiengang „Soziale Arbeit“ an der SRH Fernhochschule – The Mobile University Riedlingen ist erfolgreich gestartet. Der in Kooperation mit dem PARITÄTISCHEN Landesverband und der PARITÄTISCHEN Akademie Süd entwickelte Studiengang unterstützt soziale Organisationen bei der akademischen Weiterbildung von Mitarbeiter*innen.

Den Anstoß zu diesem Studiengangformat und die Anregung mit der SRH zu kooperieren, ist dem Waldhaus Jugendhilfe in Hildrizhausen zu verdanken. Dort wird auch der Studiengang erprobt – die ersten Studierenden sind begeistert: Sie können ihre Teilzeitarbeit im Waldhaus mit ihrem Studium verzahnen. Mit dem neuen Studiengang bekommen Arbeitgeber in der Sozialbranche ein wichtiges Instrument zur Fachkräftegewin-nung und -bindung an die Hand. Die akademische Weiterbil-dung ermöglicht den Quereinstieg in die Soziale Arbeit, aber auch die Nachqualifizierung zur Führungskraft.

„Der Bedarf an Fachkräften insbesondere Absolvent*innen „Sozialer Arbeit“ wird sich weiter verstärken“, erklärte Hans Artschwager, Geschäftsführer der Waldhaus Jugendhilfe. „Wir sind überzeugt, dass wir auf diese Weise Menschen für sozi-ale Arbeit gewinnen werden, die auf Grund ihrer bisherigen Berufsbiografie diesen Weg nicht eingeschlagen hätten.“

Da der Bedarf an Aus- und Weiterbildung stetig wächst, wird der PARITÄTISCHE im nächsten Jahr ein Stipendi-enprogramm für Mitarbei-tende von Mitgliedsorgani-sationen auflegen, die bei der PARITÄTISCHEN Akade-mie Süd eine akademische Weiterbildung beginnen möch-ten. Mit der SRH-Kooperation verbindet die PARITÄTISCHE Akademie Süd die Hoffnung, Interessierten mit und ohne akademischem Abschluss Weiterbildungsangebote in der sozialen Arbeit in ganz unterschiedlichen Lernformaten, wie Präsenz, Blended Learning oder auch Webinare anzubieten. Derzeit werden mit der SRH-Fernhochschule neue Kursrei-hen mit Hochschulzertifikat entwickelt, die ab 2019 ange-boten werden. Weitere Infos unter www.akademiesued.org.

» KontaktPhilipp Schwaiger Referent der VorstandsvorsitzendenDer PARITÄTISCHE Baden-Wü[email protected]

Die fünf SRH-Studierenden mit dem „Chef“: Danuta Wagner, Waldhaus-Geschäftsführer Hans Artschwager, Youssof Neisi, Carmen Hauser, Maliyka Mbasse, Martin Kleefeldt (v.l.n.r.).

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AUS DEM LANDESVERBAND

» N A C H R I C H T E N U N D S C H L A G L I C H T E R A U S D E M V E R B A N D

» Bereich Kinder, Familie und Migration

FACHDISKUSSION ZUM AKTIONSTAG MIGRANTENBERATUNGSSTELLEN (MBE)

Zum MBE Aktionstag im September veranstalte-te der Liga Fachausschuss Migration in Kooperation mit der Liga Heidelberg und Rhein-Neckar eine Podi-umsdiskussion mit dem Titel „MitWirkung an morgen denken – Strukturen und Wege gelingender Inte-grationsprozesse“. Auf dem Podium diskutieren die Bundestagsabgeordneten Dr. Lars Castellucci (SPD), Dr. Danyal Bayaz (Grüne) und Gökay Akbulut (Linke) sowie Anna Delong, MBE Beraterin vom Verein vbi in Heidelberg. Der Politik konnte verdeutlicht werden,

dass von einem dauerhaft hohen Niveau der Zuzugszahlen von Einwanderer-gruppen auszugehen ist und die Haushaltsmittel für MBE für 2019 deutlich aufgestockt werden müssen. Infos: www.paritaet-bw.de

Neu in der Landesgeschäftsstelle

Stabsstelle Marketing Zum 1. November 2018 übernahm Katrin Joret in Teilzeit die neue Stabstelle Marketing. Die gelernte Diplom-Be-triebswirtin (FH) mit Schwerpunkt Marketing und Tourismus ist Mutter zweier Kinder und war zuletzt langjährig in der Nikolauspflege in Stuttgart als Referentin für Öffentlichkeitsarbeit tätig. Kontakt: [email protected]

Bereich Kinder, Familie und Migration Zum 1. November 2018 begann Meral Saĝdiç in Teilzeit als Referentin für Migration im Bereich Fa-milie, Kinder und Migration. Sie tritt die Nachfolge von Basri Aşkın an, der zum Entwicklungswerk wechselte. Frau Saĝdiç ist Interkulturelle Trainerin und Mastercoach, Social Justice & Diversity-Trainerin sowie Personal- und Organisationsentwicklerin. Sie verfügt über langjährige Erfahrungen in der migrationspädagogischen Arbeit in den Bereichen Sozialberatung, verbandlichen Jugendarbeit und Jugend- und Erwachsenenbildung. Kontakt: [email protected]

» Bereich Arbeit und Qualifizierung

KÜNFTIGE AUSRICHTUNG ARBEITSWELTBEZOGENER SOZIALARBEIT: PARITÄTISCHER SETZT IMPULSE

Die Landtagsfraktion der GRÜNEN ver-anstaltete am 22. Oktober ein Fachgespräch zur Entwicklung eines künftigen Landesar-beitsmarktprogramms ab 2020. Ralf Nug-lisch, Leiter des Bereichs, und Martin Roller, Geschäftsführer der Werkstatt PARITÄT, be-gleiteten gemeinsam mit dem Kernteam und der Fachgruppensprecherin Sabine Neuber die Veranstaltung im Vorfeld und konnten anhand verschiedener PARITÄTISCHER Mo-dellprojekte zur arbeitsweltbezogenen Sozi-alarbeit Erfahrungen und wichtige Entwick-lungsperspektiven einbringen.

» Bereich Selbsthilfe und Gesundheit

BUNDESWEITE AKTIONSWOCHE „SELBSTHILFE“ VOM 18. – 26. MAI 2019

Der PARITÄTISCHE lädt alle Selbsthilfegrup-pen, -organisationen und -kontaktstellen inner-halb und außerhalb des PARITÄTISCHEN ein, sich an der Aktionswoche zur Förderung der Selbsthilfe zu beteiligen. Wir wollen zeigen, wie bunt, vielfältig und modern Selbsthilfe heute sein kann. Alle können sich mit einer Aktion beteilige. Unter www.wir-hilft.de sind ein zen-traler Veranstaltungskalender sowie Druckvor-lagen für Werbematerialien verfügbar.

» Bereich Jugend und Bildung

REGIONALE OMBUDS- UND BESCHWERDESTELLE TÜBINGEN MIT NEUEM THEMENSCHWERPUNKT

Die regionale Ombuds- und Beschwerdestelle wird sich bis zum Ende des Förderzeitraums (31. Dezember 2019) dem Thema „Hilfe für junge Volljährige so-genannte Care Leaver“ widmen. Dabei steht der Zugang von jungen Menschen, die eine Hilfe für junge Volljährige bzw. Jugendhilfeleistung im Übergang in die Selbstständigkeit benötigen, im Vordergrund. Bisher ist für Care Leaver kaum eine Rückkehr ins Jugendhilfesystem möglich. Die Beratung soll hier ansetzen. Die Stelle deckt einen Teil der ombudschaftlichen Beratung in der Jugendhilfe in Baden-Württemberg ab und ist Bestandteil der Ombudsstelle Südwürttem-berg. Gefördert wird sie mit Mitteln der GlücksSpirale. Weitere Informationen unter www.ombudschaft-jugendhilfe.de

» Paritätische Akademie Süd

FORTBILDUNGSKONZEPT ZUR NETZ-WERKKOORDINATION IN DER KOMMUNE

Die PARITÄTISCHE Akademie Süd bietet ab 2019 Fortbildungen für Koordinationskräf-te von Netzwerken auf kommunaler Ebene an. Dort werden Grundlagen vermittelt, wie Netzwerke initiiert, intraorganisational bei den Führungskräften abgesichert, zielgerich-tet koordiniert und evaluiert werden. In drei Fortbildungsmodulen wird vermittelt, wel-che Aufgaben die Koordination übernehmen muss, damit solche Netzwerke als Brücke zwi-schen Administration und Zivilgesellschaft erfolgreich sein können. Weitere Infos unter www.akademiesued.org

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» N A C H R I C H T E N U N D S C H L A G L I C H T E R A U S D E M V E R B A N D

Bereich Regionale Verbandsarbeit

ACHT JAHRE ROTES SOFA OFFENBURGDie Mitgliedsorganisation Buntes Haus Offenburg ver-

anstaltet alljährlich zu den Kommunal-, Landes, Bundes- und Europawahlen das „rote Sofa“. Die Idee geht zurück auf ein Projekt des PARITÄTISCHEN aus dem Jahr 2010. Ziel ist die Stärkung der Partizipation von Kindern- und Jugendlichen und das Interesse an Politik zu wecken. Es ist inzwischen politisches Bildungsprojekt und verstärkt den Dialog und Austausch zwischen Jugend und Politik. Die Jugendlichen bekamen Gelegenheit, den Bundestag in Berlin, den Landtag in Stuttgart, das Europaparlament in Straßburg, aber auch das Rathaus von Offenburg zu besu-chen. Weitere Infos unter www.buntes-haus-offenburg.de.

Verabschiedung von Horst HemberaDer PARITÄTISCHE Kreisverband Mannheim verab-

schiedete den Kreisverbandsreferenten Horst Hembera nach über 23 Jahren in den Ruhestand. Kreisverbands-vorsitzender Thomas Weichert hob seine inhaltliche und sozialpolitische Zuarbeit für die ehrenamtliche Vertre-tungsarbeit in den Gremien der Stadt und des Verban-des hervor. Er lobte sein Engagement als verantwortlicher Organisator für viele sozialpolitische Veranstaltungen, die Teilnahme am Neujahrsempfang der Stadt Mannheim sowie die Herausgabe des regionalen Verbandsmediums „Parität Lokal“. Er bedankte sich für die Kooperationsver-einbarung zwischen dem Kreisverband und der AG Bar-rierefreiheit, bei der Horst Hembera Mitbegründer und hauptamtlich tätig war.

» Bereich Ältere Menschen und Pflege

ERSTE NACHTPFLEGE IN BADEN- WÜRTTEMBERG GEHT AN DEN START

Die gemeinnützige Gesellschaft 3sam Sozialmedizinische Pflegebetriebe in Freiburg feierte am 4. Oktober 2018 gemein-sam mit Bärbl Mielich, Staatssekretärin im Sozialministerium, und Ulrich von Kirchbach, Erster Bürgermeister der Stadt Freiburg, die Eröffnung der ersten Tages- und Nachtpflegeeinrichtung in Baden-Württemberg. Bahnbrechend ist das elfstündige Be-schäftigungs- und Betreuungsangebot für nachtaktive, an De-menz erkrankte Menschen, das eine Versorgungslücke für pfle-gende Angehörige schließt. 3sam ist die erste Einrichtung im Land, die für pflegebedürftige Senior*innen als Pendant zur Ta-gespflege auch eine Nachtpflege anbietet. Infos: www.3sam.de

INTEGRATIVE WOHNFORMEN FEIERN ZEHNJÄHRIGES BESTEHEN

Der PARITÄTISCHE gratuliert der Mitgliedsorganisation In-tegrative Wohnformen e.V. zum zehnjährigen Jubiläum. Die 14 Mitgliedsunternehmen bewirtschaften einen Wohnungs-bestand von rund 30.000 Wohneinheiten in Stuttgart und im Landkreis Esslingen. Mit der Gründung des Vereins sollten vor allem hilfsbedürftige Mieter*innen dabei unterstützt werden, so lange wie möglich zuhause und in ihrem vertrauten Quartier zu wohnen. Flankierend zu den barrierearmen Quartiersprojek-ten, die von multiprofessionellen Pflegedienstleistern betreut werden, setzt Integrative Wohnformen auf WohnCafés. Diese dienen als Nachbarschaftstreff der Förderung ehrenamtlichen Engagements und der Selbstorganisation der Bewohner*innen. Infos: www.integrative-wohnformen.de

» Bereich Menschen mit Behinderung

TEILHABE AM ARBEITSLEBEN WIRD SCHWERPUNKTTHEMA

Im Rahmen der gemeinsamen Fachgruppensitzung der Referate Behindertenhilfe und Sozialpsychiatrie am 22. November 2018 wurde Sven Reutner als Referent für Sozialpsychiatrie und Teilhabe am Arbeits-leben vorgestellt. Dies war Anlass, über das Thema „Die (neue) Arbeits-welt im Zeitalter des BTHGs“ zu informieren und gemeinsam mit Gästen und Teilnehmenden zu diskutieren. In einem noch einzuberufenden Fachzirkel „Teilhabe am Arbeitsleben“ wird eine weitere Vertiefung des Themas stattfinden.

DENKWERKSTATT „WIRKUNGSORIENTIERUNG“ Das Ziel der Denkwerkstatt am 19. November 2018 war eine Ver-

ständigung darüber, was wirkungsorientiertes Arbeiten in der Sozial-wirtschaft für Mitgliedsorganisationen bedeutet und warum das Thema für wichtig erachtet wird. Dazu wurde mit Vertreter*innen von Mitglieds-organisationen und PARITÄTISCHEN Referent*innen unter der Modera-tion von Björn Schmitz eine gemeinsame Position entwickelt. Diese ist Grundlage für den geplanten Wirkungskongress am 7. Mai 2019.

v.l.n.r.: Christa Grünenwald, Geschäftsführerin der LAG WfbM BW, Ruth Weber, Fachgruppensprecherin Sozialpsychiatrie, Sven Reutner, Referent Sozialpsychiatrie und Teilhabe am Arbeitsleben, Cornelia Meyer-Lentl, Leitung Bereich Menschen mit Behinderung, Karl-Friedrich Ernst, Leiter des Integrationsamtes Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg und Dr. Andreas Grünupp, Ministerium für Soziales und Integration Baden-Württemberg.

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» N E U E M I T G L I E D S O R G A N I S AT I O N E N

Cent hinterm Komma e.V. Karlsruhe

ANDERS IST NORMAL

Als „Inklusions-Guerillas“ bezeich-nen sich die Mitglieder des Karlsruher Vereins, der „Inklusion bereits realisiert hat, als es Inklusion noch gar nicht gab“. Schon immer stand das Mitei-nander von Menschen mit und ohne Handicap im Mittelpunkt. Beim Bau des ersten barrierefreien Spielplatzes in Karlsruhe genauso wie beim Para-Climbing des Alpenvereins, Träger des Karlsruher Inklusionspreises 2018. Hier wurde die erste stufenlos absenk-bare Kletterwand installiert, um Menschen mit Handicap das Klettern zu ermöglichen. Impuls- und Ideengeber war hier „Cent hinterm Komma“.

» [email protected] www.cent-hinterm-komma.de

Dystonie-und-Du e.V. (DyD) Karlsruhe

HILFE ZUR SELBSTHILFE BEI DYSTONIE

2017 wurde der Verein „Dystonie-und-Du“ gegründet. Die Selbsthilfeorganisation hat es sich zur Aufgabe gemacht, Menschen mit der Erkrankung Dystonie aufzufangen, sie zu unterstützen und sich unterein-ander auszutauschen. Mitglied kann jeder werden, Betroffene und deren Angehörige, aber auch nicht von der Krankheit

betroffene Menschen. Das Hauptaugenmerk gilt der „THS – Tiefe Hirnstimula-tion“, neben Botulinumtoxin eine effektive Behandlungsmethode. Die Selbst-hilfeorganisation wird von einem internationalen wissenschaftlichen Beirat aus verschiedenen Facharztrichtungen unterstützt. Die Schirm-herrschaft hat Michael Roth MdB, Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, übernommen.

» [email protected] www.dysd.de

Vielfalt Leben gGmbH Gerlingen

IMPULSGEBER FÜR AMBULANTE WOHNPROJEKTE

Mit ambulanten Wohn- und Pflegekonzep-ten, die in Zusammenarbeit mit Städten und Gemeinden geplant und umgesetzt werden, werden Verbindungen geknüpft. Eine feste Einbindung in das Gemeinwesen schafft Räu-me für Begegnungen und bringt Generatio-nen zusammen. Die innovativen, individuellen Konzepte, die an die räumlichen Bedürfnisse oder Anforderungen der Interessent*innen angepasst sind, sind Alleinstellungsmerkmal. Jüngstes Beispiel ist das Annemarie-Griesin-ger-Haus in Gerlingen.

» [email protected] www.vielfaltleben.org

| PARITÄTinform | Dezember 2018 | 4342 | PARITÄTinform | Dezember 2018 |

» N E U E M I T G L I E D S O R G A N I S AT I O N E N

Jugendhilfe Unterland e.V. Heilbronn

MENSCHEN EINE ZWEITE CHANCE GEBEN

Die Jugendhilfe Unterland ist ein gemein-nütziger Verein der Bewährungs- und Straf-fälligenhilfe. Der Verein bietet insgesamt acht Projekte für hilfebedürftige Personen an u.a. Betreutes Wohnen nach § 67 ff. SGB XII und § 41 SGB VIII, Übergansunterkünfte, Schwitzen statt Sitzen, Anti-Gewalt-Training, Nachsorge-projekt Chance, Eltern- Kind-Projekt, Zeugen-begleitung, Psychosoziale Prozessbegleitung. Die Mittel für einzelne Projekte erhält der Ver-ein durch gerichtliche Geldauflagen, Spenden und andere Zuschüsse.

» [email protected] www.jugendhilfe-unterland.de

Kinderbauernhof am Brennlesberg e.V. Gomaringen

DIE LEBENSWELT DER TIERE HAUTNAH ERLEBEN

Der Verein wurde 2014 gegründet. Mit Hilfe von derzeit 47 ehren-amtlichen Mitarbeitenden, von denen der Großteil Pädagog*innen sind, werden vor allem verhaltensauffällige, traumatisierte, geistig und kör-perlich behinderte Kinder und Jugendliche sowie Flüchtlingskinder in Gruppen oder einzeln betreut. Aber auch Kindergartengruppen, Schul-klassen oder Jugendliche aus Wohngruppen sind hier Gäste. 2017 zählte der Kinderbauernhof mehr als 6.000 Gäste, 370 Veranstaltungen und 2.650 Kinderbetreuungen.

Durch die Arbeit auf dem Kinderbauernhof am Brennlesberg erleben die Kinder die Lebenswelt der Tiere auf einem Bauernhof und die damit verbundenen landwirtschaft-lichen Tätigkeiten. So erhalten sie einen Einblick in die ökologischen Prozesse der Land-wirtschaft, wodurch ein Gespür entwickelt werden kann, wie das Leben auf der Erde funktioniert.

» [email protected], www.kibago.de

CONCORDIA Sozialprojekt Stiftung Deutschland, Stuttgart

WIR SETZEN UNS FÜR SÜDOSTEUROPA EIN

CONCORDIA Sozialprojekte wurde 2016 gegründet und setzt sich für hilfe-bedürftige Kinder, Jugendliche und Senior*innen in Rumänien, Bulgarien und der Republik Moldau ein. Die Stiftung und ihre Schwesterorganisationen in den Ländern bieten umfassende Unterstützungsangebote: Von Suppenküchen in Moldau bis hin zur stiftungseigenen Berufsschule in Rumänien.

Mit der Präsenz in Deutschland soll den Menschen die Situation der Länder Südosteuropas näher gebracht und ein Netzwerk an Unterstützer*innen auf-gebaut werden.

» [email protected] www.concordia-sozialprojekte.de

WEITERE NEUAUFNAHME

Verein zur Unterstützung des Netzwerkes LSBTTIQ Baden-Württemberg e.V. Freiburg [email protected] www.netzwerk-lsbttiq.net

| PARITÄTinform | Dezember 2018 | 43

| PARITÄTinform | Dezember 2018 | 4544 | PARITÄTinform | Dezember 2018 |

PARITÄT VOR ORT

HEIDELBERG Armut gibt es auch in Heidelberg: mehr als 12.000 Menschen gelten hier als arm oder von Armut bedroht. Das „Bündnis gegen Armut und Ausgrenzung“ will auf deren Situation aufmerksam machen. Seit 15 Jahren wird eine Aktionswoche organisiert, die vom 14. bis 20. Oktober 2018 stattfand. Von Seiten des PARI-TÄTISCHEN sind im Bündnis rund ein Dutzend Mitglied-sorganisationen aktiv.

Unter dem Motto „Ar-Mut zum Handeln“ sorgten 32 Ver-anstaltungen für Aufmerksamkeit: elf Programmpunkte boten „Rat & Hilfe“ für Menschen mit wenig Geld, an 14 „Treffpunkten“ waren Ärmere und Reichere zu Ausstel-lungen, Theaterstücken und Filmen eingeladen und fünf

politische Veranstaltungen boten Foren zur Diskussionen über Lösungsansätze für mehr Teilhabegerechtigkeit. In diesem Kontext beteiligte sich der PARITÄTISCHE gemein-sam mit dem Verein zur beruflichen Integration und Qua-lifizierung (VbI), der Lebenshilfe und der Volkshochschule mit einer Veranstaltung unter dem Titel „Was verbindet die globalen Nachhaltigkeitsziele (SDG) und die sozialen Ziele vor Ort?“. Intention dabei war: Eine moderne Sozialpolitik, die als Querschnittsaufgabe verstanden wird, kann einen wichtigen Beitrag zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung leistet. Das Thema wird weiter bearbeitet.

» Weitere Informationenwww.das-heidelberger-buendnis.de

ARMUT: MAN SIEHT SIE NICHT UNMITTELBAR IN DER REGION MITTLERER NECKAR – ABER SIE IST DA

ESSLINGEN Die Arbeitslosenquote im Landkreis Esslingen liegt bei 3,1 Prozent, was fast Vollbe-schäftigung bedeutet. Wenn da nicht die anderen Zahlen wären, denn zu den offiziell 5.677 arbeitslos gemeldeten Menschen kommen weitere 8.200 Personen hinzu, die in einer Maßnahme oder länger als sechs Wochen arbeitslos gemeldet sind. Trotz Konjunkturaufschwung ist die Armutsquote im Land-kreis von 11 auf 17 Prozent gestiegen. Weit über 20.000 Menschen beziehen staatliche Unterstützung.

Vor diesem Hintergrund war Dr. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des PARITÄ-TISCHEN, im Rahmen der landesweiten Liga-Aktionswoche „Armut bedroht alle“ im Esslinger Rathaus zu Gast. Eines seiner anschaulichen Beispiele: „Man kann es so sehen, dass Kinder nicht ins Kino gehen müssen oder keine Markenjeans brauchen. Aber wenn alle ins Kino gehen, muss auch ein armes Kind ins Kino können.“ Darum geht es neben der unmittelbaren Armutsbekämpfung: Teilhabe im Alltag und im sozialen Leben. „Nicht mitmachen zu können, ist hart.“ Als skandalös bezeichnete Schneider die Tatsache, dass viele Rentner nach 40 Beitragsjahren nicht mehr als die Grundsicherung erhalten. Gegen Armut hilft nur eins: Geld. Es geht um Umverteilung in der Gesellschaft. Die For-derungen des PARITÄTISCHEN sind: Erhöhung der Regelsätze und des Rentenniveaus,

eine Arbeitslosenversicherung, die einen ausreichenden Mindestsatz beinhaltet. Die Brisanz des Themas hat die anschließende Diskussion gezeigt.

» KontaktKarl-Friedrich Zirkler, DER PARITÄTISCHE, Kreisverband Esslingen c/o Trägerverein freies Kinderhaus Nürtingen, [email protected], www.paritaet-bw.de

„W O C H E G E G E N A R M U T “

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| PARITÄTinform | Dezember 2018 | 45

„EAT AND MEET“ IMPULSVORTRAG ZU MEHR HUMOR IN DER SOZIALEN ARBEITFRICKINGEN Die Kreisvorstände des PARITÄTISCHEN im Bodenseekreis, Renate Hold und Norbert Bruder, sowie Ingo Kanngießer als Vertreter der Regionalgeschäftsstelle haben am 26. Oktober 2018 zum neunten Mal zu „eat and meet“ eingeladen. Gastgeber waren in diesem Jahr die Camphill Ausbildungen in Frickingen.

Michael Falkenbach referierte zum Thema „Mit Humor zu mehr Gelassenheit und Leistungszufriedenheit in der so-zialen Arbeit“. Er begeisterte alle Anwesenden mit seinem Vortrag. „Die Humorstrategie verbindet die scheinbaren Ge-gensätze Professionalität und Menschlichkeit, indem äuße-rer Erfolg und innere Entwicklung gleichermaßen gefördert werden. Einfach und wirkungsvoll werden unsere Lebens-freude und dadurch unsere Selbstheilungskräfte aktiviert. So leben wir befreiter und gesünder. Mit einer humorvollen

Lebenseinstellung lösen wir Konflikte im beruflichen und privaten Zusammenleben auf liebevoll-gewinnende Weise“, so Falkenbach. Witze und Anekdoten brachten die Zuhörer*innen immer wieder zum Lachen. Alle Anwesenden durften in Selbstversuchen testen, wie Humor zu einer besseren Arbeitshaltung führen kann. Es blieb noch genug Zeit, das Gebäude der Camphill Ausbildungen kennenzulernen und sich auszutauschen. Das positive Feedback zu „eat and meet“ bestärkt, das For-mat auch in 2019 anzubieten.

» KontaktPetra Kayser Der PARAITÄTISCHE Kreisverband Bodenseekreis [email protected], www.paritaet-bw.de

FRAUEN WÄHLEN, FRAUEN ZÄHLEN FEIER ZU 100 JAHRE FRAUENWAHLRECHT

MARKDORF Unter dem Motto „Frauen wählen, Frauen zählen“ fand am 25. Oktober 2018 eine Veranstaltung zu „100 Jahre Frauenwahlrecht“, organisiert vom Mehrgenerationenhaus Markdorf, statt. Über 100 Frauen kamen, um die Geburtsstunde des Frauenwahlrechts in Deutschland zu feiern.

Gefördert wurde die Feier vom Ministerium für Soziales und In-tegration Baden-Württemberg. Bei herrlichem Wetter wurden die Frauen von Waltraud Zeller-Fleck und Renate Hold vom MGH bei einem Sektempfang begrüßt und anschließend zu Tisch gebeten. Professorin Irmgard Teske der Hochschule Ravensburg-Weingarten sowie die Frauen- und Familienbeauftragte des Bodenseekreises Veronika Wäscher-Göggerle hielten kurze Ansprachen.

Drei Zeitzeuginnen zwischen 84 und 93 Jahren berichteten von ihren Erlebnissen. Es gab interessante Beiträge zu den Themen Frauen und Berufstätigkeit, damalige Wertvorstellungen in der Gesellschaft und Rollenverteilung in der Ehe. An den Tischen wurde anschließend lebhaft diskutiert. Der Film „Die Suffragetten“ – Taten statt Worte – rundete diesen Abend ab. Während des gesamten Abends war Erleichterung und Dankbarkeit zu spüren, dass der heutige Stand der Frau, auch wenn es noch Verbesserungsbedarf gibt, viel besser als vor hundert Jahren ist.

» KontaktMehrgenerationenhaus Markdorf, [email protected], www.mgh-markdorf.de

Zeitzeuginnen v. l.: Frau Westermann, Frau Emmans, Frau Konzett-Horn, Professorin Irmgard Teske

DEUTSCHER JURISTENTAG BESCHÄFTIGT SICH MIT DRIT TEM SEKTOR Diskussion zum Wegfall des Unmittelbarkeitsgebots gemäß § 57 Abs. 1 AO

LEIPZIG Der Deutsche Juristentag (DJT) ist eine alle zwei Jahre stattfindende Versammlung von Jurist*innen, die die Gesetzgebung in bestimmten Rechtsgebieten aus praktischer und wissen-schaftlicher Sicht mitgestalten wollen. Ihre Beschlüsse haben keinerlei Bindungswirkung, doch nicht selten findet ihre Stimme bei der Bundesregierung und bei Bundestagsabgeordneten Gehör. Erstmalig gab es einen eigenen Ausschuss zum Zivil-, Wirtschafts- und Steuerrecht, der sich mit der Frage auseinandersetzte, ob die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Gründung und Tätigkeit von NPOs übergreifend geregelt werden sollten. Der Ausschuss beschäftigte sich intensiv mit Fragen des Vereins-, Stiftungs-und Gemeinnützigkeitsrechts und kam unter anderem zu dem Entschluss, dass das bisherige Nebeneinander von Gesellschafts- und Steuerrecht beibehalten werden soll.

Außerordentlich wichtig war die Diskussion und Beschluss-fassung zum Wegfall des Unmittelbarkeitsgebots gemäß § 57 Abs. 1 Abgabenordnung (AO), über die an dieser Stelle berichtet werden soll. Die Beratung von Mitgliedsorganisa-tionen zum Thema Kooperation ist alltägliche Praxis. Denn wenn mehrere gemeinnützige Organisationen zusammen ein Projekt oder eine Veranstaltung durchführen, entsteht eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Das hat steu-erliche Konsequenzen, die sich nur durch die Ausgestal-tung der Kooperation im Sinne einer Innen-GbR vermeiden lassen. Die Satzungszwecke der Beteiligten müssen über-einstimmen, da ansonsten ein Satzungszweckverstoß mit der Folge der Mittelfehlverwendung vorliegt. Deshalb ist es zwingend, einen Kooperationsvertrag abzuschließen, in dem die Satzungszwecke der Beteiligten dargestellt und die Notwendigkeit der Zusammenarbeit erläutert werden.

Was ist das Problem beim Kooperationsvertrag?

Man muss einen komplizierten Kooperationsvertrag schlie-ßen, um die steuerlichen Folgen einer Außen-GbR auszu-schließen. Dies gelingt nur über die Ausgestaltung des Ver-trages im Sinne einer Innen-GbR mit allen Konsequenzen. Im Außenverhältnis darf nur einer der Beteiligten als Ver-antwortlicher – im eigenen Namen und nicht als Vertreter der anderen – handeln, was von den Beteiligten grundsätz-lich nie gewollt ist. Denn die Beteiligten legen stets größten Wert auf die gleichrangige Stellung als Projektträger, ins-besondere bei gemeinsamen Veranstaltungen. Auch Einla-dungen und sämtliche Statements der Beteiligten müssen dies berücksichtigen und einen gemeinsamen Außenauf-tritt vermeiden, sonst wird ein schwer zu entkräftendes Indiz für eine Außen-GbR geschaffen. Trotzdem wird der

Abschluss eines Kooperationsvertrages von vielen abge-lehnt, mit der Begründung, dass das viel zu kompliziert sei. Damit besteht ein Risiko, solange das Unmittelbarkeitsge-bot noch nicht entfallen ist.

Wie sieht es aus, wenn § 57 Abs. 1 AO abgeschafft wird?

Der Zusammenschluss mehrerer Organisationen, die eine Personengesellschaft (GBR) bilden, bleibt trotzdem beste-hen. Wie wird der Zusammenschluss dann rechtlich und steuerlich bewertet? Auch im Hinblick auf die Beteiligung und Einbindung von nicht-gemeinnützigen (Sozial-)Unter-nehmen in Kooperationen mit Gemeinnützigen? Deren Ein-bindung ist nach derzeitiger Rechtslage nur als steuerliche Hilfsperson möglich (§ 57 Abs. 1 Satz 2 AO). Weiterhin bleibt das Umsatzsteuerthema bestehen, sofern die Beteiligten Leistungen austauschen.

Fazit

Neue praktikable Regelung könnten in Zukunft Koopera-tionen im gemeinnützigen Bereich erheblich erleichtern. Umso dringlicher ist es auf gesetzlicher Ebene zu einem guten Ergebnis zu kommen.

Die Beschlüsse des 72. Juristentag gibt es unter: www.djt.de/fileadmin/downloads/72/Beschluesse_gesamt_final.pdf

» KontaktDr. Steffi Hunnius, Rechtsanwältin, Servicebereich Recht Der PARITÄTISCHE Baden-Württemberg [email protected], www.paritaet-bw.de

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» A K T U E L L E S R E C H T

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DIE LEISTUNGEN UND DIENSTE FÜR MITGLIEDSORGANISATIONEN

Verbandliche Grundangebote (unentgeltlich)

Information und Beratung

Fach- und Konzeptberatung, fachlicher Austausch

• Fachspezifische Beratung und konzeptionelle Entwicklungen

• Austausch und Qualifizierung in Fachgruppen

Unterstützung bei der Finanzierung / Entgeltberatung

• Erschließung von Finanzmitteln / Fund-raising (z. B. AKTION MENSCH, Glücks-Spirale, Deutsches Hilfswerk; Auskünfte allgemeiner und grundsätzlicher Art zur Finanzierung von Einrichtungen und Diensten

Unterstützung bei Fragen zum Personalmanagement, Arbeits- und Tarifrecht

• Grundberatung zu Themen des Personal-managements, insbesondere in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten

• Tarifberatung (TVÖD VKA/Bund, TV-L, AVB Parität)

• Informationen zu Tarifverhandlungen, Gesetzesänderungen und wichtigen Personalthemen

• Bereitstellung von Vorlagen und Arbeitshilfen

Unterstützung in Rechtsfragen• Grundberatung in rechtlichen

Angelegenheiten (insbesondere in den Bereichen Gemeinnützigkeits-, und Sozialrecht, Vereinsrecht, Stiftungsrecht und GmbH-Recht)

• Informationen zu aktuellen Themen und Gesetzesänderungen

• Bereitstellung von Vorlagen und Arbeitshilfen

Unterstützung bei fachlichen Fragen zur qualitativen und organisatorischen Entwicklung

• Grundberatung zu Qualitätsentwicklung • Grundberatung zu Personal- und

Organisationsentwicklung

Regelmäßig erscheinende Publikationen• Verbandsmagazin „PARITÄTinform“• Newsletter „PARINEWS“

Unregelmäßig erscheinende Publikationen• Newsletter/Rundschreiben der

Kernteams und Servicebereiche• Broschüren mit Fachinformationen /

zu sozialpolitischen Themen• Arbeitshilfen aus den einzelnen Ressorts

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit• Initiierung, Planung und Durchführung

von Pressegesprächen und -konferenzen zusammen mit Mitgliedern

• Beratung und Unterstützung bei Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Vernetzung

• zwischen den Mitgliedsorganisationen auf regionaler und überregionaler Ebene

• mit anderen Verbänden und Interessen-gruppen (Freie Wohlfahrtspflege, Selbst-hilfe, Landesnetzwerk BE, Landesfamili-enrat, Landesseniorenrat usw.)

• Fachveranstaltungen zu Querschnitts- und bereichsüber greifenden Themen mit (vertiefenden) Folgeveranstaltungen, die über die paritätischen Dienstleister angeboten werden.

• Partizipation an verbandlichen und überverbandlichen Projekten

• Gemeinsame Umsetzung von Jahreskampagnen

Sozialpolitische Interessen-vertretung und Mitgestaltung auf Landes- und regionaler Ebene

• Positionierung des Verbandes in der öffentlichen Diskussion

• Mitwirkung in Gremien der öffentlichen freien Wohlfahrtspflege

• Vertretung in Arbeitsgruppen von Behörden und Ministerien

• Vertretung in Kommissionen und parlamentarischen Ausschüssen

• Vertretung in weiteren sozialpolitischen Zusammenhängen (z. B. Sozialversiche-rungsträger, Arbeitsagenturen usw.)

• Kreisverbandsarbeit – regionale Betei-ligungs-, Unterstützungs- und Vertre-tungsstruktur für die Mitglieder

Weitere Angebote

Fort-und Weiterbildung• Bereitstellung einer Angebotsstruktur für

Fort- und Weiterbildung (Mitgesellschaf-ter der Paritätischen Akademie Süd)

Freiwilligendienste• Koordination von Freiwilligendiensten

(FSJ, BFD), Information und Beratung der Mitglieder

• Werbung von Bürgerinnen und Bürgern für ein Engagement in paritätischen (Freiwilligendienste-)Einsatzstellen

Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit• Serviceangebot zum Arbeits- und

Gesundheitsschutz

Günstig wirtschaften• Beschaffungswesen (Rahmenverträge

über den Gesamtverband)• UNION-Versicherungsdienst

(Allg. Versicherungsfragen und Vermittlung günstiger Versicherungen; www.union-verdi.de)

• PariSERVE –Dienstleistungen für soziale Organisationen (www.pariserve.de)

Anerkennungskultur für Ehrenamtliche • verbandliche Ehrenabzeichen,

Anerkennungswettbewerbe

Individuelle Beratungen (gegen Entgelt)

Kostenpflichtige Beratungen zu individuellen Themen sind grundsätzlich alle Serviceleis-tungen der Mitarbeiter*innen des Landes-verbands, die außerhalb der allgemeinen Grundleistungen des Verbandes liegen. Alle individuellen, entgeltpflichtigen Beratun-gen werden zu Vorzugskonditionen von der Landesge schäftsstelle des PARITÄTISCHEN durch deren Mitarbeiter*innen exklusiv nur für die Mitgliedsorganisationen erbracht.

Grundsätzlich können die jeweiligen Referate und Servicebereiche der Landesgeschäfts-stelle in Anspruch genommen werden:

• Servicebereich Entgelt• Servicebereich Recht • Servicebereich Personal• Referate der fachlichen Bereiche• Servicebereich Qualität, Organisations-

und Personalentwicklung über die Paritätische Akademie Süd

Paritätische Dienstleister (Tochter- und Partnerunternehmen)

Werkstatt PARITÄT GmbHFördermittelberatung, Projektberatung und -begleitung Kontakt · Tel. 0711 2155-410

Paritätische Akademie Süd gGmbHFort- und Weiterbildung Kontakt · Tel. 0711 2155-188 www.akademiesued.org

Paritätisches Jugendwerk e. V. Fachverband der freien Kinder- und JugendarbeitFach- und Konzeptberatung, Förderberatung Kontakt · Tel. 0711 2155-203

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Kreativ plus – Gesellschaft für Werbung und Kommunikation mbH

Werbe- und Mediaagentur Kontakt · Tel. 0711 2155-105

Fordern Sie bei Interesse die ausführliche Beschreibung an unter: Tel. 0711 2155-0 Fax 0711 2155-250 oder E-Mail: [email protected]

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LEISTUNGEN UND DIENSTE FÜR MITGLIEDSORGANISATIONEN

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