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Pädagogisches Begleitmaterial

Pädagogisches Begleitmaterial - shortfilm.com · Klippo, Spielstop, Pause! Einmal kurz innehalten. In dem Programm Klip - po geht es um Erfahrungen, persönliche Grenzsituationen

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KLIPPOWeil Film mehr ist, als sich berieseln zu lassen...

Audiovisuelle Medien begleiten unseren Alltag. Schon im frühen Kin-desalter wird man sowohl direkt als auch indirekt mit ihnen konfron-tiert. Das Vermögen, Filme sinnverstehend aufzunehmen, ist daher eine wichtige Kulturtechnik der modernen Gesellschaft. Dieses Vermö-gen ist uns nicht angeboren, sondern muss erst erlernt werden. Folg-lich sind Filme nicht nur eine Ware, welche konsumiert wird, sondern vielmehr ein Element einer Kultur, das der/die Zuschauer*in aktiv ver-arbeitet.Diese aktive Verarbeitung besteht aus teilbewussten kognitiven sowie emotionalen Prozessen, die während und nach dem Filmerlebnis statt-finden und unsere Wahrnehmung der Welt nachhaltig beeinflussen. Deswegen ist gerade bei Kindern und Jugendlichen eine bewusste Auseinandersetzung mit den Medienprodukten, in diesem Falle Kurz-filmen, die über das pure Filmerleben hinausgeht, von großer Bedeu-tung. Die Kurzfilmprogramme des diesjährigen Mo&Friese KinderKurzFilm-Festivals Hamburg eröffnen den jungen Betrachter*innen einen Blick auf unterschiedliche Kulturkreise und/oder zeigen neue Facetten der eigenen Kultur. In den zwölf Kurzfilmprogrammen finden sich 82 Filme aus 36 Ländern, die speziell und mit Bedacht für die Zielgruppe der Kinder ausgewählt wurden. Die internationale Filmauswahl spiegelt die Multikulturalität der Welt wider und lässt unsere jungen Kinobe-sucher*innen in spannende, neue Welten eintauchen. Die internatio-nalen Kurzfilme helfen zu verstehen, werfen Fragen auf und regen so zum Nachdenken und zur Auseinandersetzung mit fremder und eige-ner Kultur an.Die Kurzfilme zeichnen sich jedoch nicht nur durch ihre inhaltliche Vielfalt aus, sondern auch durch die verschiedenen Produktionsarten. So finden sich neben populäreren Formen wie dem fiktionalen (Kurz-)Spielfilm und dem Animationsfilm auch Dokumentar- und Experimen-

19. InternationalesMo&Friese

KinderKurzFilmFestival2017

________________________________________

Begleitmaterialfür Pädagog*innen

Mo&Friese KinderKurzFilmFestival Hamburgc/o KurzFilmAgentur Hamburg

Friedensallee 722765 Hamburg

Festivalleitung: Laura Schubert & Lina PaulsenTel.: 040 39 10 63 29

[email protected]

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talfilme in unseren Programmen. Durch die Bandbreite an unterschied-lichen Filmgattungen wird ein kreativer Umgang mit dem visuellen Medium angeregt und dem jungen Publikum gezeigt, wie groß und bunt die Filmlandschaft sein kann. Kurzfilme stellen zudem eine überaus geeignete Form dar, in kurzer Zeit Einblicke in unterschiedliche Erzählungen und Geschichten zu geben. Die Konzentration der jungen Zuschauer*innen wird folglich nicht überbeansprucht. Durch die altersgerechte Moderation und die teilweise anwesenden Filmemacher*innen bei der Vorführung wird eine weitere Verständnisebene in Bezug auf Film und Filmproduktion geschaffen. Die jungen Zuschauer*innen können so einen Film mit sei-nem Schaffensprozess und seinen Besonderheiten verbinden. Das Mo&Friese KinderKurzFilmFestival fördert einen reflektierten Um-gang mit dem Medium Film, der gleichzeitig Spaß macht und die jun-gen Betrachter*innen dazu auffordert, die audiovisuellen Eindrücke nicht nur auf sich einströmen zu lassen, sondern bewusst zu reflektie-ren und in das eigene Weltverständnis mit aufzunehmen.

Wir wünschen Ihnen und den Kindern ein spannendes, anregendes und unterhaltsames KinderKurzFilmFestival und viel Freude bei der Vor- und Nachbereitung.

Ihr Mo&Friese Team

Rahmendaten• Altersempfehlung: ab 12 Jahren• Gesamtfilmlänge: 70 Min.

1. Die schwarzköpfige Kuh (Engiteng’ Narok Lukunya)Tansania 2016 / Elizabeth NicholsKurzspielfilm / 12 Min.

2. HypertrainSchweiz 2016 / Fella Bellotto und Etienne KompisAnimationsfilm / 3’35 Min.

3. Operation Commando Schweiz 2016 / Jan CzarlewskiKurzspielfilm / 21 Min.

4. Ich liebe Anna (Rakastan Annaa)Finnland 2016 / Joonas RutanenKurzspielfilm / 4’20 Min.

5. Ich war erst 14 (Ik war pas 14)Niederlande 2016 / Froukje van WengerdenDokumentarfilm / 12’19 Min

6. Ain’t Got No Fear Großbritannien 2016 / Mikhail KarikisDokumentarfilm / 13’20 Min.

Kurzbeschreibung des ProgrammsKlippo, Spielstop, Pause! Einmal kurz innehalten. In dem Programm Klip-po geht es um Erfahrungen, persönliche Grenzsituationen. Entschei-dungen die vielleicht zu schnell und zu voreilig getroffen wurden und teilweise nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Es geht aber auch um starke Persönlichkeiten und die Kraft eigene Entscheidungen zu treffen. Die Grenzen zwischen Kindheit und Erwachsenwerden the-matisiert ICH WAR ERST 14 sowie DIE SCHWARZKÖPFIGE KUH, AIN’T GOT NO FEAR und ICH LIEBE ANNA. Innehalten ist wichtig, sich selbst und die Gesellschaft zu hinterfragen. Manchmal gelingt uns das, manchmal nicht. Die Protagonist*innen der sechs Kurzfilme versuchen es zumindest.

BEGLEITMATERIAL „KLIPPO“

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1. Die schwarzköpfige KuhTansania 2016 / Elizabeth Nichols / Kurzspielfilm / 12 Min.

THEMENGeschlecht, Tradition, Bildung, Zwangsheirat, Gesellschaft, Identität,

INHALTNaserian lebt in einem abgelegenen Massai-Dorf in Tansania und gehört zu den besten Schüler*innen in ihrer Klasse. Sie liebt die Schule und ist sehr wissbegierig. Als ihr Vater jedoch eine Hochzeit für sie arrangiert, sieht sie ihre Zukunft stark bedroht. Denn das hieße, dass sie nicht weiter zur Schule gehen dürfte. Auch ihre Mutter ist mit der Entscheidung des Vaters nicht einverstanden. Da sie sich ihm aber nicht offen wiederset-zen kann, verhilft sie Naserian zur Flucht.

FORMDIE SCHWARZKÖPFIGE KUH wurde von Schüler*innen der Orkeeswa School unter Anleitung der Regisseurin Elizabeth Nichols in Tansania re-alisiert und entstand im Rahmen eines zweiwöchigen Filmworkshops. Die Schüler*innen bestimmten das Thema und schrieben auch das Dreh-buch. Der Film ist formal zurückhaltend. Die Kamera ist aus der Hand gefilmt. Das bedeutet, dass die Bilder ohne Stativ gefilmt und dadurch leicht verwackelt sind. Ein Verfahren, das ursprünglich aus dem Doku-mentarfilm stammt und heute oft bewusst als Stilmittel eingesetzt wird, umdem/der Zuschauer*in das Gefühl zu vermitteln, besonders nah am Geschehen zu sein. Trotzdem wirken die Bildausschnitte zumeist wohl überlegt. Auch sonst hat DIE SCHWARZKÖPFIGE KUH einen dokumenta-rischen Charakter. Der Film erzählt Naserians Geschichte stellvertretend

für viele junge Frauen. Die vielen nahen Einstellungen unterstützen die sehr persönliche Geschichte und schaffen eine äußerst intime Atmo-sphäre. Der Film beginnt mit Szenen auf dem Schulhof. Jugendliche spielen Fußball. In mehreren Naheinstellungen wird Naserian, die Protagonis-tin, eingeführt. Wir sehen sie im Schuss-Gegenschussverfahren mit ih-ren Mitschüler*innen. Die Methode eignet sich hervorragend, um die Gleichzeitigkeit einer Situation darzustellen, aber auch um Naserian aus der Gruppe hervorzuheben und sie dem Publikum vorzustellen. Zu-sätzlich erhalten die Zuschauer*innen einen Einblick in die Umgebung und die Verhältnisse, in denen die Schüler*innen leben. In der nächsten Szene sehen wir Naserian mit ihren Schulkamerad*innen im Klassen-zimmer. Der Film arbeitet mit starken Überblendungen, erhält dadurch einen träumerischen Charakter und wirkt teilweise sehr unscharf. Die Nahaufnahmen von Naserian hingegen zeigen deutlich ihre Mimik. Da-nach folgt eine längere Kamerafahrt, die Naserin und ihre Schwester von hinten zeigen. Die Zuschauer*innen begleiten die beiden Schwestern auf dem Weg nach Hause durch die Felder. Das Zuhause besteht aus ein-fachen Hütten, die in der Totalen zu sehen sind. So können sich die Zu-schauer*innen orientieren. In mehreren Nahaufnahmen sehen wir Nase-rians Familie beim Kochen, Hausaufgaben machen, Beisammen sein. Die nahen Einstellungen und Close-ups betonen die Enge bzw. Nähe in den einzelnen Hütten und machen deutlich, wie wenig Privatsphäre jede*r Einzelne für sich hat. Anschließend folgt eine Nahaufnahme von Nase-rians Mutter im traditionellen Gewand. Dieser harte Schnitt verdeutlicht den Kontrast zwischen den Generationen. Als es darum geht, Naserian zu verheiraten, machen die vielen Nahaufnahmen deutlich, das es sich um ein Gespräch zwischen Männern handelt. Die Frauen haben bei dem „Geschäft“ nichts zu melden. In der nächsten Szene ist Naserians Mutter auf dem Feld zu sehen. Sie sieht ihre Klassenkamerad*innen zur Schule gehen. In der Einstellung darauf weckt sie Naserian früh morgens und verhilft ihr zur Flucht. Naserian flieht und dreht sich noch ein letztes Mal um. Die Kamera fängt ihren Blick ein, der den Zuschauer*innen im Un-gewissen lässt.

DISKUSSIONSANSÄTZEDie Schüler*innen der Orkeeswa Schule sind die erste Generation in ih-rer Gemeinschaft, die zur Schule gehen darf. Daher war ihnen das Thema

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der Zwangsheirat so wichtig. Der Film fungiert auch als Lehrfilm für die älteren Bewohner der Gemeinschaft und möchte für Aufklärung sorgen. Die Schüler*innen nutzten den Prozess des Filmemachens um das kom-plexe Thema der Frühverheiratung zu erforschen und greifbarer zu ma-chen. Die Intention hinter dem Projekt war es, einen generationsüber-greifenden Film zu einem äußerst kritischen und fragwürdigen Thema zu realisieren, das die Kommune der Schüler*innen betrifft. Als die Re-gisseurin auf die Schüler*innen zuging, war das Thema also sehr schnell gefunden. Bei der Realisierung lag der Fokus auf der Erzeugung von Empathie. Das Mitfühlen mit der Hauptfigur sollte den Zuschauer*innen verdeutlichen, was eine frühe Ehe für die Kinder und ihr Leben bedeu-tet. Die Schüler*innen wählten dabei einen sehr offenen und direkten Weg der Kommunikation, der auf Verständnis innerhalb ihrer Gemein-schaft hofft. Das offene Ende wirft viele Fragen auf, was den jungen Fil-memacher*innen sehr wichtig war. Ursprünglich wollten sie einen Film drehen, der zeigt, dass Naserian, die in einem Konflikt zwischen Kultur und Bildung gefangen ist, eine Wahl hat bzw. dass sie sich sowohl für Bil-dung als auch für ihre Gemeinde entscheiden kann. Aber sie waren sich schnell einig, dass dies zwar die Botschaft sein sollte, dass es aber nicht dem Denken ihrer Gemeinschaft entspräche. Das offene Ende wirft die Frage auf, wie die Geschichte wirklich endet, aber gleichzeitig auch, wie die Geschichte enden sollte und genau dies schafft einen Anknüpfungs-punkt für Diskussionen. Es schafft Raum für Gespräche, die zuvor nicht stattgefunden haben und den Kindern ihre Stimme zurück geben kann. Mit den Schüler*innen hier in Deutschland kann darüber diskutiert wer-den, wie sich das Recht hier vom Recht in Tansania unterscheidet.Auch wenn Frauen in Deutschland offiziell die gleichen Rechte haben wie Männer gibt es auch hier Unterschiede, bspw. in Bezug auf die Be-zahlung. Fallen den Schüler*innen weitere Bereiche ein?

2. HypertrainSchweiz 2016 / Fela Bellotto & Etienne Kompis / Animationsfilm / 3’35 Min.

THEMENDimension, Zeit, Internet, Formen, Raum

INHALTVini reist durch Raum und Zeit und begegnet dabei einer Katze - aber vor allem auch sich selbst.

FORMEine faltige Katze und eine Figur auf weißem Hintergrund, ein rasender Zug, der beide sofort wieder trennt. Weitere Züge werden zu Streifen auf dem Pullover und leiten eine Verfolgungsjagd ein. Der Film von Fela Bellotto und Etienne Kompis ist mit dreieinhalb Minuten der kürzeste Film des Programms. Er beschäftigt sich mit dem Thema Internet und macht dies nicht auf einer politischen oder sozialkritischen, sondern viel eher auf einer experimentellen Ebene. Dies ist auch das Besonde-re an dem Film, dass er in seinen Motiven und seiner Inszenierung die gängigen Erwartungen der Zuschauer*innen so gar nicht erfüllt. Er be-dient sich stattdessen andersartiger, experimenteller Ausdrucksmög-lichkeiten. Denn in einem Experimentalfilm wie HYPERTRAIN geht es darum, stets filmisch Neues, Ungewohntes zu finden und zu erforschen. Die Filme weichen daher sowohl inhaltlich als auch technisch (Schnitt, Kamera, Ton) von unseren Sehgewohnheiten ab. Was diese Gattung von anderen unterscheidet ist, dass es meistens keine Handlung gibt. Die Strukturen in experimentellen Filmen können durchaus erzählend sein, die Erzählung steht aber nicht im Vordergrund. Dadurch entsteht für die Betrachter*innen häufig ein verwirrender Eindruck, da sie in der Regel sofort nach bekannten Mustern suchen, um Inhalt herzustellen.

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Auch bei HYPERTRAIN ist keine klare bzw. chronologische Handlung zu erkennen. Viel eher geht es um die Dimension von Raum und Zeit. Die Gleichzeitigkeit von verschiedenen Ereignissen und Zuständen ist dabei sehr grafisch dargestellt. Wiederkehrende Elemente sind dabei eine Kat-ze, ein Zug und Vini. Ob Vini ein Junge oder Mädchen ist, bleibt eben-falls den Zuschauer*innen überlassen. Die farbigen Formen setzen sich zu Mustern zusammen und lösen sich wieder auf. Schwarz wird zu weiß und umgekehrt. Die einzelnen Elemente wiederholen sich in sich selbst. Keine Form scheint stabil zu sein. Einzelne Bildschirme bilden das Tor in verschiedene Zonen. Die Zeit scheint völlig außer Kraft gesetzt zu sein. Die Zuschauer*innen befinden sich auf einer permanenten Sinnsuche. Auf diese Art und Weise nähert sich der Film also eher über die Wahrneh-mung dem Internet an, dass ebenfalls schwer zu fassen und abzubilden ist. Ein hohes Tempo, Parallelität, fehlende Chrnologie und Chaos sind Aspeke, die man leicht damit verbinden kann. Die Katze spielt zudem humorvoll auf die häufig zitierte Dichte von Katzenbildern im Netz an... Besonders bemerkenswert ist zudem die Tonspur des Films. Die Bilder scheinen sich perfekt zu der elektrischen Musik zu bewegen, Ge-räusche machen die Bewegungen noch intensiver. Die Betrachter*innen sind einem ständigen Wechsel aus schnellen, dramatischen Tönen aus-gesetzt, die den Film rhythmisch organisieren. Ausgangspunkt der meis-ten Experimentalfilme ist das Ausprobieren und Vermischen verschie-denster technischer Möglichkeiten. Durch den raschen technischen Fortschritt gibt es ständig neue Möglichkeiten und die Digitalisierung liefert Herausforderungen. Alles ist möglich.

DISKUSSIONDie Zuschauer*innen müssen sich von ihren (Film-)Erwartungen lösen und werden dazu eingeladen, eine neue Haltung anzunehmen. Dies kann eine durchaus bereichernde Erfahrung sein, da die Wahrnehmung geschärft wird und viel Raum für die eigene Fantasie bleibt. So ist bei-spielsweise den Zuschauer*innen überlassen, ob Vini ein Junge oder ein Mädchen ist. Dies kann eine gute Einstiegsfrage sein, da sie verdeutlicht, dass jede/r einen Film anders sieht. Auch wenn wir auf der Leinwand alle die gleichen Bilder betrachten, durch unsere Erfahrungen sehen wir unseren ganz eigenen Film. Auch die Gleichzeitigkeit der Ereignisse ist hier sehr grafisch dargestellt. Welche Wirkung hat dies auf die Betrach-ter*innen? Wirkt es eher streng, oder lässt es Raum für eigene Ideen und Gedanken? Worauf könnte der Titel Hypertrain anspielen? Können sich die Schü-ler*innen eine andere Form der Darstellung für das Internet vorstellen?

3. Operation CommandoSchweiz 2016 / Jan Czarlewski / Kurzspielfilm / 21 Min.

THEMENEntwicklung, Erwachsenwerden, Macht, Gruppendynamik, Enttäu-schung, Geschwister

INHALTIm Feriencamp werden die beiden Brüder Milo und Thomas in zwei ver-schiedene Gruppen eingeteilt und müssen sich fortan als Indianer und Kommandant bekriegen. Obwohl sie lieber in einer Gruppe sein möch-ten, bestehen die Betreuer*innen darauf, die beiden zu trennen. Der klei-ne Bruder landet bei den Indianern, der große bei den Kommandanten. Im Geländespiel sollen sich beide Gruppen bekriegen. Der große Bruder verspricht dem Jüngeren, ihn in der ersten Nacht zu besuchen. Aber er kommt nicht.Als die Gruppe des großen Bruders die des kleinen überfällt, erwischt der kleine den großen und ruft nach seinen Indianern, die den „Eindring-ling“ festnehmen und nach den Ritualen des Camps demütigen.

FORMDie Leinwand ist noch schwarz, aber auf der Tonebene sind bereits laute Rufe zu hören, eine Männerstimme feuert an. Kinder oder Jugendliche antworten ihm. Die Stimmung scheint ausgelassen, wirkt aber durch den Befehlston des Erwachsenen auch etwas aggressiv. In der ersten Einstellung sieht der/die Zuschauer*in eine Gruppe gut gelaunter Kin-der im Bus sitzen. Als nächstes folgt eine Nahaufnahme zweier Brüder. Sie scheinen als einzige keine Lust auf das Feriencamp zu haben. Sie sin-

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gen nicht mit, wirken eher abwesend und miteinander beschäftigt. Der jüngere Bruder greift fast verängstigt die Hand des älteren. Auf ästhetischer Ebene vermittelt die Kameraführung im gesamten Film eine starke Unruhe und hat fast etwas Bedrohliches. Viele Nachtszenen sowie schnelle Schuss-und Gegenschussverfahren bestärken dieses Gefühl zusätzlich. Schnelle, harte Schnitte transportieren Unruhe und Chaos. Die Campteilnehmer*innen werden meist von oben gefilmt, die beiden Gruppenleiter*innen hingegen meist von unten. Die Zuschau-er*innen blicken also zu ihnen hinauf, auf die Kinder hingegen blicken sie hinab. Dies betont die Machtverhältnisse zwischen den Kindern und den ErwachsenenAuch die Dunkelheit schürt das Unbehagen. Die vielen unscharfen Ein-stellungen haben eine desorientieret Wirkung auf die Betrachter*innen und lassen sie zusätzlich im Ungewissen, fördern aber gleichzeitig auch die Spannung. Die Szenen wirken dadurch noch bedrohlicher, da man (auch) als Zuschauer*in den Überblick zu verlieren droht. Je emotiona-ler die Situation wird, desto näher kommt die Kamera den Figuren. So kann man die Emotionen in ihren Gesichtern besonders gut lesen und nachvollziehen.Dann wiederum arbeitet der Film mit Überblendungen. Eine Kombination, die sowohl die Härte als auch die Zerbrechlichkeit der Kinder einfängt.

DISKUSSIONSANSÄTZEDie Form betont hier klar den Inhalt. OPERATION KOMMANDO befasst sich mit den Themen Gruppenzwang, Verrat, Geschwisterliebe und Macht. Der Film greift Stereotype und Rollendenken in Form einer Frei-zeit im Feriencamp auf. Es gibt zwei Gruppen, die Zugehörigkeit ist will-kürlich – sie wird gelost. Gleich zu Anfang stellt sich die Frage, ob ein Spiel wie Indianer und Kommandant überhaupt noch zeitgemäß ist und wie klischeebeladen solche Rollenspiele sein können. Die beiden Brüder bilden ein Team und heben sich durch ihre Unlust deutlich von der Grup-pe ab. Es wird ihnen jedoch, fast wie unter Gehirnwäsche, vermittelt, dass sie die Gruppe brauchen – ohne die Gruppe sind sie ein Niemand. Mit Verlassen des Busses treten sie in eine andere Welt. Es gibt plötzlich nur noch Regeln und Vorschriften. Bedürfnisse und Ängste werden ig-noriert, weil sie nicht in die „neue“ Welt zu passen scheinen. Haben die Zuschauer*innen selbst einmal festgestellt, dass sich die Grenzen zwi-

schen Realität und Spiel vermischen? Dass es auf einmal ernst wurde, obwohl doch zuvor alles noch ganz lustig war? Es werden hier ganz klar Bedürfnisse ignoriert und Grenzen nicht akzeptiert. Als die Brüder fra-gen, ob sie nicht doch gemeinsam in eine Gruppe dürfen, folgt ein ganz klares „Nein“ – das aber auch nicht weiter erläutert wird. Die Stimmung verändert sich daraufhin allmählich. Der anfängliche Missmut weicht der gemeinsamen Mission. Als die Kommandanten sich nachts zum An-griff bereit machen, wirkt die Atmosphäre beinahe feierlich. Die Jungen und Mädchen schminken sich gemeinsam und befeuern ihre Mission. Die Gruppendynamik hat sich bereits verändert und Milo scheint nun völlig in der fremden Welt angekommen zu sein. Als Milo Valentin vom Totempfahl befreien möchte, wird er von seinem kleinen Bruder beob-achtet. Die Zuschauer*innen wissen in diesem Moment bereits mehr als Milo. Milo signalisiert, dass er ihn nicht verraten soll, aber Roman gibt den Indianern das entscheidende Signal. Was denken die Zuschauer*in-nen, wie hätten sie sich verhalten? Welches sind die Motive? Auf sehr eindringliche, fast brutale Weise macht der Regisseur deutlich, wie stark so ein erster Verrat den Charakter und auch Beziehungen be-einflussen kann. Für Außenstehende mag so eine Situation vielleicht lä-cherlich wirken aber durch die Nähe und scharfen Schnitte macht der Film die Not der beiden Brüder deutlich und lässt das Publikum an ei-nem sehr intimen und persönlichen Moment teilhaben.

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4. Ich liebe Anna (Rakastan Annaa)Finnland 2016 / Joonas Rutanen / Kurzspielfilm / 10’52 Min. THEMENErste Liebe, Sexualität, Geschwister, Landleben

INHALTSanteri wäre gerne so wie die älteren Jungs auf ihren Motorrädern. Auch weil er heuet seine Freundin Anna trifft.

FORMDas besondere an ICH LIEBE ANNA ist die intensive Bildsprache. Die erste Einstellung zeigt die Nahaufnahme einer Hand die die Zündung am Mo-torrad betätigt. Darauf folgt eine Halbtotale: Jugendliche die rauchen, mit den Mofa Kreise drehen - dazwischen Santeri der nicht ganz dazu-gehörig scheint. Er ist deutlich jünger. Und auch sein weißes T-Shirt hebt ihn stark von den älteren Jungen ab. Nach einem Schnittwechsel sehen die Zuschauer*innen Santeri auf dem Fußboden liegend und mit seiner Kette spielend. Die nächste Szene zeigt, wie er sich vor dem Spiegel zu-recht macht und sich kritisch betrachtet. Anschließend besucht er Anna auf dem Hof, als sie sich gerade um die Kühe kümmert. Die Beziehung der beiden ist auf den ersten Blick nicht eindeutig: Sind sie Freunde? Schulkamerad*innen? Kennen sie sich schon lange? Oder sind sie ein Paar?Detailaufnahmen laden die angespannte Stimmung zwischen den bei-den zusätzlich auf. Eine Nahaufnahme des Kuheuters, danach ein Schnitt auf Santeris verunsichertes Gesicht. Die vielen Nah- und Detailaufnah-men schaffen Intimität. Die Aufnahmen im Kuhstall geben den zärtlichen

Annäherungsversuchen einen unbeholfenen Kontext. Der Ort scheint die Grenze zwischen Kindheit und Erwachsensein aufzulösen oder zu-mindest zu vermischen. Die Schuss- und Gegenschussaufnahmen ver-mitteln aber gleichzeitig auch das respektvolle Abtasten der Situation und transportieren die Unsicherheit auf beiden Seiten. Beide suchen im Blick des anderen immer wieder Rückversicherung.

DISKUSSIONSANSÄTZESanteri fühlt sich nicht ganz zugehörig. Er raucht nicht, er fährt kein Mo-torrad - ist aber eben auch kein kleiner Junge mehr. Ein Gefühl, das viele Jugendliche nur allzu gut kennen. Auffällig ist die Abwesenheit von Er-wachsenen im Film. Die Zuschauer*innen erhalten fast den Eindruck, als würde es sich um Annas Hof handeln. Sie versorgt die Kühe, kümmert sich um die kleine Schwester und greift selbstverständlich zur Minibar. Es wirkt alles etwas unbeholfen, so, als würden sie in einer Erwachsenen-welt „Familie“ spielen. Es ist bereits dunkel, als die beiden ins Haus ge-hen. Anna greift schüchtern nach Santeris Hand. Im Haus ist es dunkel. Anna bietet Santeri etwas aus der Minibar an. Gemeinsam begeben sie sich ins Badezimmer in welchem Anna die Tür abschließt. Ab diesem Mo-ment ist die Situation sehr intim. Das Badezimmer und die abgeschlos-sene Tür unterstreichen deutlich die eigene Privatsphäre. Die Tatsache, dass beide gemeinsam im Bad sind, vermittelt den Zuschauer*innen das Gefühl, die beiden „heimlich“ zu beobachten. Anna und Santeri fordern sich gegenseitig immer wieder heraus, der Duschvorhang gibt ihnen da-bei die nötige Sicherheit und fungiert gleichzeitig als Grenze. Als Santeri fragt, ob er Annas Brüste auch unter dem T-Shirt berühren darf, wirkt der Vorhang sogar als Grenze für die Betrachter*innen. Er bietet Schutz und vermittelt gleichzeitig das Gefühl, voyeuristisch zu sein. Fast sogar stö-rend. Die Situation wirkt unnatürlich und dann werden die beiden auch noch von Annas kleiner Schwester gestört. Erst als Santeri geht und Anna ihn noch einmal einholt, scheinen beide ihre wahren Gefühle zuzulassen

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5. Ich war erst 14 (Ik war pas 14)Niederlande 2016 / Froukje van Wengerden / Dokumentarfilm / 12’19 Min

THEMENFamilie, Flucht, Herkunft, Kindheit

INHALTIm Oktober 1944 wird die Großmutter der Filmemacherin Zeugin davon, wie ihr Vater von Nazis deportiert wurde. Sie berichtet 72 Jahre später vor der Kamera von dieser traumatischen Erfahrung und erzählt ihre persönliche Geschichte.

FORMBei ICH WAR ERST 14 handelt es sich um einen Dokumentarfilm. Dies ist eine Filmgattung, welche versucht, eine authentische Darstellung von einem Ausschnitt der Realität zu schaffen. Sie zeigt somit, im Gegensatz zum Spielfilm, keine fiktive Filmhandlung und kommt ohne Schauspie-ler*innen aus. Als Betrachter*in eines Dokumentarfilms muss bedacht werden, dass die Aufnahmen immer geprägt sind von den Produktions-bedingungen und von der Perspektive der Filmemacher*innen, sowie von filmischen Mitteln, wie Kameraführung und Schnitt oder Musik. Der Film beginnt mit einem Schwarzbild. Auch wenn die Zuschauer*innen noch nichts erkennen, ist auf der Tonspur bereits ein tiefes und schwe-res Atmen zu hören. Es vermischt sich mit Stimmengewirr. Die nächste Einstellung zeigt das Portrait einer älteren Dame. Das Publikum erfährt weder wie die Frau heißt, noch wie alt sie ist. Es folgt eine lange Einstel-lung der Frau mit geschlossenen Augen und daraufhin die gleichen Ein-stellungen mit anderem Licht. Im voice over wird eine sehr persönliche

Geschichte erzählt, die mit folgenden Worten beginnt: „Ich war noch sehr jung“. Danach ein Zwischenschnitt und die Kamera zeigt ein junges Mädchen am Strand. Es folgen weitere Zwischenschnitte und aneinan-dergereihte Portraits junger Frauen, die wie lebendige Gemälde wirken. Tableauartig bebildern sie die Erzählungen der Protagonistin und konst-ruieren so filmischen Raum, der die Zuschauer*innen aus der gewohnten Beobachtungsperspektive heraus holt. Der Film sticht besonders durch seine fast „fotografische“ Machart hervor. Beim Fotografieren wird ein bestimmter Moment eingefroren, während beim Film die Zeit eine we-sentlich größere Rolle spielt. Um diese beiden Eigenschaften zu verbin-den, entschied sich van Wengerden gemeinsam mit dem Kameramann die Mädchen so zu filmen, als würden sie gerade fotografiert werden. Es entsteht der Eindruck, dass der/die Zuschauer*in direkt angesprochen wird, wodurch zusätzlich Nähe vermittelt wird. Für die Zuschauer*innen eine sehr intensive Begegnung Durch die Verknüpfung von Bild und Text (Voice Over) wird das Raumgefühl der Zuschauer*innen jedoch ver-ändert. Die Betrachter*innen nehmen eine völlig neue Perspektive ein und werden gleichzeitig in eine sehr intime Situation versetzt. Auf der Tonebene fällt auf, dass die Geräusche immer realistischer werden und sich nach und nach der Umgebung der Portraits anpassen. Zu Beginn sind die Geräusche noch bei den Erinnerungen der Großmutter, wir hö-ren einen Zug, Kinderstimmen. Am Ende hören wir die Wellen und den Wind, all das, was wir auch wirklich sehen.

DISKUSSIONSANSÄTZEMit 14 Jahren erfuhr die Regisseurin, Froukje van Wengerden, dass ihr Vater nicht ihr biologischer Vater ist. Jahre später, während sie ihren Abschlussfilm zu genau diesem Thema beendete, erfuhr die Filmema-cherin von ihrer eigenen Mutter die Geschichte ihrer Großmutter. Ihre Oma hatte sich das erste Mal geöffnet und die alten Bilder wieder an die Oberfläche gelassen, niemals zuvor hat sie von den traumatischen Ereig-nissen berichtet. Die Regisseurin empfand die Mutter ihrer Mutter im-mer als etwas seltsam. Ihr wurde bewusst, dass die Menschen gerade in ihren Familien wichtige Themen auslassen und nicht über das sprechen, was uns wirklich bewegt. Familie ist manchmal so dicht, dass vieles völlig selbstverständlich wirkt. Viele Dinge sind, wie sie sind, und wir hinterfra-gen sie nicht. Das war der Anlass für van Wengerden ihre Großmutter

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mit den Ereignissen zu konfrontieren. Der Gedanke, dass sie sich nie von ihrem Vater verabschieden konnte, ließ van Wengerden nicht mehr los. Gerade auch in Bezug auf ihren eigenen Vater. Der Film ICH WAR ERST 14 bezieht sich sowohl auf die Geschichte ihrer Großmutter als auch auf ihre eigene - und wahrscheinlich auf die von vielen anderen 14-Jährigen auch. Daher rührte schließlich auch die Idee, nicht nur eine Person zu portraitieren, sondern mehrere. Was denken die Zuschauer*innen: Ist es der Regisseurin gelungen, das Gefühl, ein schlimmes Ereignis ein ganzes Leben lang mit sich herumzutragen, zu übermitteln? Wie schafft sie es auf eine sehr beobachtende Weise zu vermitteln, dass jede*r sein eige-nes Paket zu tragen hat? Die sehr behutsame und eindringliche Machart des Filmes zeigt, dass irreversible Ereignisse zwar äußerst belastend sind, uns aber auch zu den Personen machen, die wir sind. Sie erinnert, ohne dabei den Zeigefinger zu erheben, daran, dass wir nicht hinter die Fas-sade blicken können. Auf ästhetischer Ebene kann diskutiert werden, ob die 14-Jährigen während sie gefilmt wurden die Geschichte der Groß-mutter hörten oder ob sie sich mit ihrer Geschichte auseinandergesetzt haben? Welches Schicksal tragen sie selbst mit sich herum? Und welche Geschichte trage ich mit mir herum? Die einzelnen Portraits fangen un-terschiedliche Stimmungen ein und konfrontieren die Betrachter*innen direkt damit. Welche Emotionen haben die Betrachter*innen erkennen können ? Weil die Filmemacher*innen auf 35 mm gedreht haben, gab es für jede der 14-Jährigen nur einen Drehversuch- welche Auswirkungen hat das auf die Erzählart und Wirkung des Filmes? Es ist völlig klar, dass es sich bei den Portraits um verschiedene Personen handelt. Wie schafft es die Regisseurin dennoch eine Verbindung zu der Geschichte ihrer Groß-mutter herzustellen? Wie sind die einzelnen Bilder montiert? Willkürlich oder aufeinander abgestimmt?

6. Ain’t got no fearGroßbritannien 2016 / Mikhaik Karikis / Dokumentarfilm / 10 Min.

THEMENSehnsucht, Jugend, Industrie, Freundschaft, Freizeit

INHALTAls Antwort auf die Isolation und den Mangel an Platz für Teenager hat sich eine Gruppe von 11- bis 13-jährigen Jungen zusammengeschlossen und rappt in selbstgeschriebenen Songs über ihr Leben, wiederkehren-de Erinnerungen aus ihrer Kindheit und ihre Vorstellungen von der Zu-kunft.

Haben wir es hier mit einem Dokumentarfilm oder einem Musikvi-deo zu tun? AIN’T GOT NO FEAR lässt sich schwer einordnen. Der grie-chisch-englische Künstler Mikhail Karikis hat den Film gemeinsam mit einer Gruppe 11- bis 13-jähriger Jungen gemacht. Die Jugendlichen le-ben auf der Isle of Grain (deutsch: Getreideinsel) in Süd-Ost England. Bis vor kurzem haben die Jugendlichen hier aus Ermangelung anderer Un-terhaltung Raves in den Wäldern veranstaltet, die jedoch von der Polizei verboten wurden. Es fällt auf, dass Text und Beat nicht immer ganz per-fekt sind und nicht immer zueinander passen. Mikhail Karikis zeigt das, was die Jungs können, nicht mehr und nicht weniger. Er widersetzt sich damit auch dem glättenden Trend vieler Musikproduzenten- und Video-regisseure und geht auf die Jugendlichen sowie ihren eigenen Ausdruck ein. Musikalisch ist der Film spannend, weil die Jungs nicht nur ihre eige-nen Texte geschrieben haben, sondern als zusätzlicher Beat auch die Ge-

BESONDERHEITEN

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räusche genutzt werden, die bei der Zerstörung des Kraftwerks zu hören sind, das die Zuschauer*innen oft im Hintergrund sehen. Der geografische und soziale Hintergrund spielt in diesem Film nicht nur als Hintergrundmotiv eine Rolle. Die Isle of Grain besteht fast vollstän-dig aus Marschland. Der Süden ist bis heute ein wichtiges Industriege-biet. Bis 1982 befand sich dort eine große Erdölraffinerie. Heute liegt in diesem Gebiet der Londoner Tiefwasserhafen zum Containerumschlag (Thamesport). Mehrere Kraftwerke befinden sich in dessen Nähe. Die In-sel wurde aber auch als militärischer Übungsplatz genutzt. Die Anlagen sind mittlerweile überwuchert und dienen den Jungen als Spielplatz. Die Jungen rappen vor allem über die Vorstellungen von ihrer Zukunft. Was halten die Schüler*innen von den Zukunftsträumen der Jungen (studieren, Offizierslaufbahn), erkennen sie sich wieder? Und was glau-ben sie , wo sie in 10 oder 20 Jahren sind?Die Jungen nehmen den Regisseur auch zu ihren heimlichen Verste-cken im ehemals militärischen Gebiet mit. Sind solche Orte auch in ei-ner Großstadt wie Hamburg vorhanden? Was macht ein Geheimversteck so attraktiv? Dokumentarfilme wollen uns immer einen Ausschnitt der Wirklichkeit präsentieren. AIN’T GOT NO FEAR wechselt zwischen „in-szenierten“ Rap- Szenen und Beobachtungen. Der Regisseur wollte so die Jungs in ihrem Alltag begleiten und ihnen gleichzeitig die Chance geben sich selbst vorzustellen. Sehen die Schüler*innen Film eher als Dokumentarfilm oder als Musikvideo? Wie unterscheiden sich die beiden Dokumentarfilme AIN’T GOT NO FEAR und ICH WAR ERST 14?

Vorschläge zur Vor- und Nachbereitung

Vor dem KinobesuchDas erste Filmfestival... Wow...!Viele Jugendliche erleben mit dem Mo&Friese KinderKurzFilmFestival ihr erstes Filmfestival. Deswegen ist es besonders wichtig, einen guten Start zu fördern. Es kann darauf hingewiesen werden, dass im Programm „Außer Balance“ Kurzfilme aus ganz unterschiedlichen Gattungen (Spielfilm, Dokumen-tarfilm, Animationsfilm und Experimentalfilm) gezeigt werden. Man kann die Jugendlichen dazu ermuntern, beim Kinobesuch etwas genau-er auf die unterschiedlichen Gattungen achten. Es könnte beispielsweise vorab besprochen werden, welche Filmgattungen es gibt und wodurch sich die verschiedenen Gattungen auszeichnen und voneinander un-terscheiden. Zur visuellen Unterstützung können die Filmkärtchen ge-braucht werden.Weitere Leitfragen, um die Wahrnehmung der Schüler*innen für die ein-zelnen Filme zu schärfen, könnten sich auf den Inhalt, die Figuren, die Bildebene und die Tonebene der einzelnen Filme beziehen. Auch hierzu finden Sie Filmkarten im Anhang. Durch die speziell ausgerichteten Fra-gen kann ein aktiver Kinobesuch gefördert werden.• Worum geht es in dem Film?• Welche Figuren gibt es in dem Film?• Wie ist die Handlung bildlich umgesetzt?• Welche Töne hören wir in den Filmen?Ferner können die Schüler*innen darauf hingewiesen werden, dass möglicherweise Personen anwesend sind, die in der Produktion des Films tätig waren. Welche Fragen könnte man dem Filmteam stellen?

Nach dem KinobesuchDer Besuch eines Filmfestivals stellt immer wieder eine neue Erfahrung dar. Um mit den Eindrücken umzugehen, gibt es zahlreiche pädagogi-sche Möglichkeiten.• Um die erlebten Eindrücke in geordneter Form zu reflektieren, können die Jugendlichen eine Filmkritik über einen der gesehenen Fil-me schreiben. Man kann zum Beispiel darüber schreiben, warum ein Film besonders oder überhaupt nicht sehenswert ist. Ein Kurzfilmprogramm

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Filmkärtchen: „KLIPPO“

Die schwarzköpfige Kuh

Hypertrain

Operation Commando

Ich liebe Anna

Ich war erst 14

Ain’t Got No Fear

bietet sich natürlich auch besonders für vergleichende Kritiken an. Wie wirken die unterschiedlichen Gattungen auf mich? Wie unterscheiden sich Filme der gleichen Gattung? • Eine ähnliche Form der Reflexion bietet das Verfassen eines Ta-gebucheintrages einer Filmfigur. Die Schüler*innen müssen sich in das Gefühlsleben des/der Protagonist*in versetzen. Bei dieser Form der Auf-arbeitung kann man auch Ideen, wie beispielsweise der Film weiterge-hen könnte, einbringen. Was passiert danach? Wie verhält sich die Figur?• Haben die Schüler*innen einen Lieblingsfilm aus dem Programm und können sich vielleicht sogar noch an eine bestimmte Szene erin-nern? Welche Stimmung hat der Film bei ihnen ausgelöst? Und was war ihrer Meinung nach dafür verantwortlich?

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Filmkärtchen: Gattungen

Kurzspielfilm Animationsfilm

Kurzspielfilm Kurzspielfilm

Dokumentarfilm Dokumentarfilm