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Physikalisches Grundpraktikum für Studierende der Chemie (Bachelor) SS 2013 Fachrichtungen der Physik WWW-Adresse Grundpraktikum Physik: http://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/ Praktikumsleiter: PD Dr. Manfred Deicher Zimmer: 1.11, Gebäude E 2.6 e-mail: [email protected] Telefon: 0681/302-58198 Dr. Herbert Wolf Zimmer: 1.13, Gebäude E2.6 e-mail: [email protected] Telefon: 0681/302-2038 UNIVERSITÄT DES SAARLANDES

Physikalisches Grundpraktikum für Studierende der Chemie ... · weichung vom wahren Wert durch die Division durch n-1 statt durch mitbn erücksichtigt ist. Das Quadrat des Fehlers

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Page 1: Physikalisches Grundpraktikum für Studierende der Chemie ... · weichung vom wahren Wert durch die Division durch n-1 statt durch mitbn erücksichtigt ist. Das Quadrat des Fehlers

Physikalisches Grundpraktikum für Studierende der Chemie

(Bachelor)

SS 2013

Fachrichtungen der Physik

WWW-Adresse Grundpraktikum Physik: 0Hhttp://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/

Praktikumsleiter: PD Dr. Manfred Deicher Zimmer: 1.11, Gebäude E 2.6 e-mail: [email protected] Telefon: 0681/302-58198

Dr. Herbert Wolf Zimmer: 1.13, Gebäude E2.6 e-mail: [email protected] Telefon: 0681/302-2038

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Inhalt

• Fehlerrechnung

• Mechanische Schwingungen

• Mechanische Materialkonstanten

• Gleichstrom

• Wechselstrom

• Spezifische Wärmekapazität

• Wärmeleitung

• Emission von Licht (Spektralanalyse)

• Beugung und Interferenz elektromagnetischer Wellen

• Photometrische Analyse

• Radioaktivität

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Physikalisches Grundpraktikum

Fehlerrechnung

Fachrichtungen der Physik

WWW-Adresse Grundpraktikum Physik: 0Hhttp://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/

Kontaktadressen der Praktikumsleiter: PD Dr. Manfred Deicher Zimmer: 1.11, Gebäude E 2.6 e-mail: [email protected] Telefon: 0681/302-58198

PD Dr. Patrick Huber Zimmer: 3.23, Gebäude E2.6 e-mail: [email protected] Telefon: 0681/302-3944

UNIVERSITÄT DES SAARLANDES

Version 3 (3/2010)

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2 Fehlerrechnung

1. Grundlagen

1.1 Einleitung

Im Rahmen des Grundpraktikums soll der Studierende das Experimentieren erlernen. Dazu gehört das Kennenlernen der Messtechnik und der Technik des Messens, aber auch das Erler-nen der Bewertung eines Messergebnisses. Denn um aus den Ergebnissen eines Experimentes schließen zu können, ob ein theoretisches Modell gültig ist oder nicht, muss die Qualität und Aussagekraft der Messung bekannt sein. Alle Messungen, wie sorgfältig sie auch geplant und durchgeführt werden, unterliegen Messunsicherheiten. Diese zu untersuchen, ihre Größe und Ursachen zu bestimmen, sind Gegenstand der Fehleranalyse.

Die Angabe eines Messwertes allein reicht nicht aus. Die Angabe der Messunsicherheit ist unbedingt notwendig, um auf die Aussagekraft der Messung zu schließen. Vereinfacht gilt:

Die Messung einer physikalischen Größe ohne Angabe der Messunsicherheit ist wertlos.

Grobe Fehler und Irrtümer, z.B. falsche Bedienung der Messapparatur, falsche Protokollie-rung von Messdaten oder Programmfehler in Auswerteprogrammen, werden nicht als Mess-unsicherheiten betrachtet. In diesem Fall sind die Messungen oder die Auswertung falsch und müssen wiederholt werden. Das Vorhandensein grober Fehler erkennt man nur durch kriti-sches Überprüfen und Kontrollieren der Messergebnisse.

Eine physikalische Größe wird durch Zahlenwert und Maßeinheit beschrieben. Jede physika-lische Größe lässt sich experimentell nur näherungsweise bestimmen. Die Zahlenwerte liegen innerhalb eines von dem Messverfahren abhängigen Fehlerintervalles, das gesondert abge-schätzt werden muss. Die Schwankungen können ihre Ursache in der Messgröße oder in der Messapparatur haben. Die mathematische Formulierung physikalischer Gesetzmäßigkeiten ist daher nur als ein Grenzfall verschwindend kleiner Fehlerbereiche anzusehen.

Zwei unbedingt zu unterscheidende Begriffe beim Bewerten von Messergebnissen sind Präzi-sion und Genauigkeit. Die Präzision beschreibt, wie gut eine Messung durchgeführt wurde, d.h. wie reproduzierbar der Messwert ist, die Genauigkeit gibt dagegen an, wie nahe der Messwert dem „wahren“ Wert ist. Durch eine falsche Anlage des Experiments oder ein defek-tes Messgerät kann mit hoher Präzision ein völlig unsinniger Messwert bestimmt werden. Man muss bei einer Messung sowohl nach Präzision als auch nach Genauigkeit streben.

Diese beiden Eigenschaften werden durch zwei unterschiedliche Arten von Messabweichun-gen oder Fehlern bestimmt: Systematische und zufällige (statistische) Fehler. Die Grenze zwi-schen beiden ist nicht immer eindeutig zu ziehen. Die systematischen Fehler werden z.B. durch Ungenauigkeit der Eichung eines Messgerätes und der Anzeige des Gerätes infolge von fehlerhafter Funktion verursacht. Sie sind oft dadurch gekennzeichnet, dass sie den Messwert meist stes in eine Richtung verfälschen. (Beispiel: der verbogene Zeiger eines Messgerätes).

Systematische Fehler erkennt man durch geeignete Kontrollmessungen der Messapparatur an bekannten Messobjekten, d.h. durch Eichung des Messgerätes. Obwohl die systematischen Fehler ebenso wichtig sind wie die zufälligen, spielen letztere bei der üblichen Fehlerabschät-zung eine größere Rolle. Das liegt u.a. daran, dass sie durch eine einfache Statistik leicht zu erkennen und abzuschätzen sind und ohne Änderung der Messapparatur auch meist durch Wiederholung des Messvorganges verringert werden können. Zufällige Fehler können ein Messergebnis mit ähnlicher Wahrscheinlichkeit zu höheren oder zu niedrigeren Werten hin verfälschen. Diese Symmetrie unterscheidet sie von den systematischen Fehlern. Beispiele für Ursachen zufälliger Fehler sind ein schwankender Zeigerausschlag oder das Abschätzen von Zwischenwerten auf einer Skala. Die im folgenden angegebenen Methoden der Fehlerab-schätzung beschränken sich auf den Anteil der zufälligen Fehler am Gesamtfehler. Allerdings

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Fehlerrechnung 3

muss die Möglichkeit systematischer Fehler, die die zufälligen Fehler überwiegen könnten, immer bei der Auswertung einer Messung berücksichtigt werden.

1.2 Darstellung von Messergebnissen

Bei der Messung einer physikalischen Größe wird experimentell für diese Größe die Maßzahl zu einer gegebenen Einheit zu ermitteln. Eine korrekte Angabe von Messergebnissen beinhal-tet daher Messwert, Messunsicherheit (Fehler) und Maßeinheit. Benutzt man die absolute Messunsicherheit, so gibt man den besten Schätzwert (Bestwert) der Messgröße und ihre Un-sicherheit an:

Messwert = (Bestwert ± Unsicherheit) [Maßeinheit]

Die Angabe der Unsicherheit zeigt zwar die Zuverlässigkeit des Messergebnisses an, doch lässt sich die Qualität der Messung schneller an dem Quotienten aus Unsicherheit und Best-wert, der relativen Messunsicherheit, erkennen:

Messwert = (Bestwert) [Maßeinheit] ± (Unsicherheit/Bestwert) [%]

Für die Angabe der Messunsicherheit wird die Messunsicherheit auf eine signifikante Stelle gerundet. Für die Angabe des Messwertes soll die letzte signifikante Stelle dieselbe Größen-ordnung besitzen wie die Messunsicherheit.

Beispiel: Eine Messung der Erdbeschleunigung liefert das rechnerische Ergebnis 9,8243 m/s2 und die Berechnung der Messunsicherheit ergibt ± 0,02385 m/s2. Dann wird das Ergebnis für die Messunsicherheit auf ± 0,02 m/s2 gerundet. Für das Beispiel bedeutet dies:

g = (9,82 ± 0,02) m/s2

Wäre die Messunsicherheit 0,2 m/s2, so lautete die sinnvolle Angabe des Messergebnisses

g = (9,8 ± 0,2) m/s2

Werden allerdings Messwerte benützt, um die gesuchte Größe zu berechnen, so müssen min-destens zwei signifikante Stellen der Messunsicherheit mitgeführt werden, um Rundungsfeh-ler möglichst klein zu halten.

2. Messfehler der Einzelgröße 2.1 Mittelwert

Zur Verkleinerung des Anteils der zufälligen Fehler am Gesamtfehler misst man dieselbe Größe x mehrfach unter unveränderten Versuchsbedingungen. Aus n Einzelmessungen xi be-stimmt man den Mittelwert x durch arithmetische Mittelung:

1

1 n

ii

x xn =

= ∑ (1)

Die Mittelwertbildung führt zu einer genaueren Aussage als der Einzelmesswert, da sich die Schwankungen der Messgröße, soweit es sich um zufällige Fehler handelt, teilweise kompen-sieren. Systematische Fehler werden dagegen durch eine Mittelwertbildung nicht verringert, da sie jeden Einzelmesswert normalerweise in derselben Richtung verfälschen. Zu unterschei-den ist der Mittelwert vom „wahren Wert“ (bezüglich der zufälligen Fehler). Beide werden erst dann übereinstimmen, wenn die Zahl n gegen Unendlich geht.

Der arithmetische Mittelwert x ergibt sich aus der Forderung, dass die Summe der Quadrate aller Abweichungen der Einzelmesswerte xi vom Mittelwert minimal sein soll:

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4 Fehlerrechnung

2

1( ) Minimum

n

ii

f x x=

= −∑ (2)

Fassen wir f als Funktion von x auf, so ist das Minimum durch die Nullstelle der ersten Ab-leitung gegeben

1

2 ( ) 0n

ii

df x xdx =

= − − =∑ (3)

und daraus folgt

1 1

1n n

i ii i

nx x x xn= =

= ⇒ =∑ ∑

2.2 Gauß-Fehler der Einzelmessung

Das Ausgleichsprinzip, das auf das arithmetische Mittel führt, nennt man Gaußsches Aus-gleichsprinzip oder die Methode der kleinsten Quadrate. Bei dieser Methode wird das Mini-mum von Gl. (2) als Maß für die Schwankung der xi um den Mittelwert, d.h. für den Fehler genommen. Freilich wächst das Minimum mit wachsender Zahl von Messungen, daher muss man durch die Zahl der Messungen dividieren, genauer durch die Zahl der Kontrollmessun-gen, denn nur diese können eine Aussage über den Fehler geben. Ist der wahre Wert bereits vor der Messung bekannt (z.B. die Winkelsumme in einem Dreieck), so stellen alle n Mes-sungen Kontrollmessungen dar. Häufig aber ist der wahre Wert unbekannt, so dass von den n Messungen nur n-1 Kontrollmessungen sind. Damit das Fehlermaß von der Dimension der Messgröße ist, muss noch die Wurzel gezogen werden, und wir erhalten

2

1

( )1

ni

Gi

x xxn=

−∆ =

−∑ (4)

Dieser Fehler trägt die Bezeichnung „mittlerer Fehler der Einzelmessung“, „Gaußscher Fehler der Einzelmessung“ oder „Standardabweichung“. Er ist ein Maß für die Streuung der Einzel-werte um den Mittelwert, wobei die Unsicherheit des Mittelwertes, d.h. dessen mögliche Ab-weichung vom wahren Wert durch die Division durch n-1 statt durch n mitberücksichtigt ist. Das Quadrat des Fehlers wird auch „Varianz“ genannt.

In der Statistik bezeichnet man die Gesamtheit aller unter gleichen Bedingungen aufgenom-menen Messungen als Grundgesamtheit, die durch eine Grenzverteilung beschrieben wird. Da die dazu erforderliche Datenmenge unendlich groß ist, kann man nie eine Realisierung der Grenzverteilung erreichen, sondern man muss sie durch eine Stichprobe vom Umfang n annä-hern.

Unterschiedliche Messgrößen haben oft auch unterschiedliche Grenzverteilungen. So werden z.B. Messungen, die vielen kleinen und zufälligen Abweichungen unterliegen, durch eine Gauß- oder Normalverteilung beschrieben. Andere Beispiele für physikalische Verteilungen sind in der Theorie der Wärme die Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilung oder beim Zäh-len von Ereignissen aus dem radioaktiven Zerfall die Poissonverteilung.

Folgt die Verteilung der Messwerte um den Mittelwert herum einer Gaußschen Normalvertei-lung (s. Bild des 10 DM-Scheins auf der Titelseite), so gibt der Fehler ∆xG den Abstand ihrer Wendepunkte vom Mittelwert an, und im Fehlerintervall befinden sich 68% aller gemessenen Einzelwerte. Die Breite der Gauß-Verteilung entspricht der Standardabweichung. Liegt keine

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Fehlerrechnung 5

Gauß-Verteilung vor, so lässt sich ein genauer Zahlenwert für die Wahrscheinlichkeit, dass ein weiterer zu messender Wert in das Fehlerintervall fällt, nicht genau angeben. Man kann aber sagen, dass er mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in dieses Intervall fallen wird.

Mit dem Mittelwert x und dem Fehler ∆xG wird das Ergebnis einer Messung angegeben in der Form:

Gx x x= ± ∆ (5)

2.3 Durchschnittlicher Fehler

Häufig wird auch ein anderes Streumaß verwendet, die durchschnittliche absolute Abwei-chung der Einzelergebnisse vom Mittelwert

1

1 n

d ii

x x xn =

∆ = | − |∑ (6)

Obwohl er vom statistischen Standpunkt aus eine etwas unsaubere Definition darstellt, ist sein Gebrauch weit verbreitet.

2.4 Gaußscher Fehler des Mittelwertes

Meist interessiert nicht so sehr die Streuung der xi um x , sondern die Zuverlässigkeit des aus der Messreihe als Bestwert gefundenen Mittelwertes, d.h. dessen Fehler bezüglich des wahren Wertes, der bei n →∞ erreicht wird. In der Gaußschen Fehlertheorie ergibt sich dieser ‚mitt-lere Fehler des Mittelwertes‘ oder „Gaußsche Fehler des Mittelwertes“ zu

2

1( )

( 1)

n

ii

G

x xx

n nδ =

−=

∑ (7)

Er sagt aus, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit der wahre Wert der Messgröße xw innerhalb des Intervalls

G w Gx x x x xδ δ− ≤ ≤ +

liegt.

2.5 Absoluter und relativer Fehler

Die bisher besprochenen Fehler sind absolute Fehler. Damit bezeichnet man das Fehlerinter-vall der Messgröße. Absolutfehler der Größe und die Größe selbst haben dieselbe Maßeinheit. Dividiert man den Absolutfehler durch den Absolutbetrag des Mittelwertes der Messgröße, so erhält man den relativen Fehler; er ist dimensionslos und wird häufig in Prozent angegeben.

2.6 Größenordnungsmäßige Angabe von Messfehlern

Zur exakten Angabe eines Messergebnisses muss der Fehler hinzugefügt werden. Dabei ist es sinnlos, das Messergebnis oder dessen Fehler mit einer übermäßigen Stellenzahl anzugeben. Messfehler rundet man, da sie im allgemeinen nur grobe Wahrscheinlichkeitsaussagen dar-stellen, auf ein oder zwei Stellen ab. Das Messergebnis soll dann so viele Stellen enthalten, dass in der letzten (bzw. den letzten beiden) der Fehler liegt, die übrigen aber als zuverlässig anzusehen sind. Entsprechendes gilt für mittelbare Resultate, die man durch Rechnung aus verschiedenen Messwerten erhält. Eine, nur durch die Rechnung bedingte, zu große Stellen-

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6 Fehlerrechnung

zahl ist gemäß dem Gesamtfehler des mittelbaren Resultates abzurunden. Bei geringeren An-forderungen an die Genauigkeit von Messungen genügt es oft zu wissen, in welcher Dezimal-stelle der Maßzahl der Fehler liegt, ohne dessen genaue Größe zu kennen. Für diesen Fall ist man übereingekommen, Messergebnisse in Dezimalzahlen so anzugeben, dass die vorletzte Ziffer noch zuverlässig ist, und in der letzten der Fehler liegt. Eine an letzter Stelle stehende Null muss dann mit angeschrieben werden; würde man sie fortlassen, so würde dies einen um eine Zehnerpotenz zu großen Fehler vortäuschen.

3. Fehlerfortpflanzung Die bisher angegebenen Fehler charakterisieren die Streuung einer direkt gemessenen Größe. Häufig ist man aber an einer mittelbaren Größe Z(x,y,z,…) interessiert, die sich über eine Formel aus verschiedenen Messwerten x, y, z, … ergibt. Infolge der Fehler der direkten Messwerte hat auch Z einen Fehlerbereich. Als Fehlerfortpflanzung bezeichnet man die Aus-wirkung der Einzelfehler δx, δy, usw. auf Z. Je nach Art der Funktion Z kann diese Auswir-kung völlig unterschiedlich sein, z.B. kann ein winziger Fehler δx einen gewaltigen Fehler für Z bedingen. Daher ist es angebracht, die Fehlerfortpflanzung schon vor der Messung der Ein-zelgrößen abzuschätzen, um zu wissen, welche Messungen besonders sorgfältig durchgeführt werden müssen und bei welchen ein großer Messaufwand überflüssig ist.

Zur Herleitung des Fehlerfortpflanzungsgesetzes wollen wir uns der Einfachheit halber auf eine Funktion Z = Z(x,y) mit 2 Messgrößen x und y beschränken. Setzen wir einmal die Mit-telwerte x , y und dann die Werte ,x x y yδ δ+ + in Z ein, so gibt uns der Unterschied der zugehörigen Z-Werte die Auswirkung der Fehler δx und δy auf Z. Allgemein erhält man den Wert ( )Z x x y y+ ∆ , + ∆ einer (vernünftigen) Funktion Z, indem man Z in eine Taylor-Reihe um Z(x,y) herum entwickelt:

2 2

22( ) ( ) Z Z Z ZZ x x y y Z x y x y x x y

x y x x y∂ ∂ ∂ ∂

+ ∆ , + ∆ = , + ∆ + ∆ + ∆ + ∆ ∆ + ...∂ ∂ ∂ ∂ ∂

(8)

Sofern die höheren Reihenglieder rasch kleiner werden, kann man diese Reihe nach den linea-ren Gliedern abbrechen, und wir erhalten für die Differenz der Z-Werte

( ) ( ) Z ZZ x x y y Z x y x yx y

∂ ∂+ ∆ , + ∆ − , ≅ ∆ + ∆

∂ ∂ (9)

Für die Größen x und y können wir nun die Mittelwerte x und y wählen und für die Größen ∆x und ∆y die Fehler der Mittelwerte δx und δy einsetzen.

Zur Berechnung der oberen Grenze des Schwankungsintervalls von Z bei Schwankungen von x und y innerhalb ihrer Fehlerintervalle müssen wir den pessimistischen Fall annehmen, dass die Beiträge aller Einzelfehler dasselbe Vorzeichen haben, d.h. wir nehmen die Absolutbeträge der Einzelfehler. Die Summe dieser Absolutbeträge liefert dann den Fehler von Z, der konsequenterweise als der absolute Größtfehler bezeichnet wird. Die Vorschrift zur Bildung von ∆Z heißt Fehlerfortpflanzungsgesetz:

Z ZZ x yx yδ δ∂ ∂

∆ ≤ +∂ ∂

(10)

Dabei bedeuten Z x∂ ∂ und Z y∂ ∂ die partiellen Ableitungen. Eine partielle Ableitung einer Funktion f von n Variablen wird gebildet, indem man n-1 Variablen als Konstante ansieht.

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Fehlerrechnung 7

Dadurch wird f eine Funktion nur einer Variablen und nach dieser wird dann entsprechend den Regeln für Funktionen einer Variablen differenziert.

Wenn die Fehler unendlich klein werden, so stellt Gl. (9) das totale Differential der Funktion Z dar. Man kann also das Fehlerfortpflanzungsgesetz auch dadurch herleiten, dass man in der Formel für das totale Differential einer Funktion die Differentiale der Variablen durch die endlich großen Fehlerintervalle ersetzt. Dieser Näherungsschritt ist erlaubt, da es sich bei der Fehlerrechnung im allgemeinen nur um grobe Wahrscheinlichkeitsaussagen handelt.

Wir haben Gl. (10) für eine Funktion von 2 Variablen angegeben. Entsprechend kann man den Größtfehler einer Funktion f von n Variablen y1,…,yn angeben:

1

n

ii i

ff yyδ

=

∂∆ ≤

∂∑ (11)

Dieser Fehler hat Ähnlichkeit mit dem durchschnittlichen Fehler der Einzelmessung, man addiert Absolutbeträge. In der Gaußschen Fehlertheorie tritt an dessen Stelle wieder die Wur-zel aus der Summe der Quadrate. Das Gaußsche Fehlerfortpflanzungsgesetz lautet

2

1

n

G ii i

ff yyδ

=

∂∆ =

∂∑ (12)

Für einige häufig auftretende Typen von Funktionen lässt sich das Fehlerfortpflanzungsgesetz Gl. (10) vereinfachen.

a) Funktionen, die ausschließlich aus Summen und/oder Differenzen der Variablen beste-hen:

1 1 2 21

0n

n n i i ii

f a y a y a y a y a=

= + + ... + = ; ≠∑

Dann erhält man durch Differentiation den Fehler

1 11

n

n n i ii

f a y a y a yδ δ δ=

∆ ≤| | +...+ | |= | |∑ (13)

Regel: Der absolute Größtfehler ist gleich der Summe der Beträge der absoluten Einzel-fehler, multipliziert mit den Konstanten ai.

b) Funktionen, die ausschließlich aus Produkten und/oder Quotienten der Variablen yi mit beliebigen Potenzen mi bestehen:

1 21 2 0n im mm m

n i if Ay y y A y m= ... = ; ≠∏

Dann erhalten wir durch partielle Differentiation und Division durch den Funktionswert

11

11

nn i

n iin i

y yyf m m mf y y y

δ δδ=

∆≤ + ...+ =∑ (14)

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8 Fehlerrechnung

Regel: Der relative Größtfehler ist gleich der Summe der Beträge der relativen Einzel-fehler, jeder multipliziert mit dem Exponenten der Variablen. Gl. (14) nennt an auch den Produktfehler.

Übrigens ist nicht festgelegt, wie die Fehler δyi für das Fehlerfortpflanzungsgesetz zu bilden sind; wir haben hier den mittleren Fehler des Mittelwertes gewählt.

4. Fehler einer Funktion Die angegebene Fehlerfortpflanzungs-Formel erlaubt, für einen mit vorgegebenen Zahlenwer-ten der Variablen berechneten Funktionswert den Fehler zu bestimmen. Dazu muss die Funk-tion bereits bekannt sein. Viele Experimente dienen jedoch dazu, die Funktion selbst erst zu finden. Dazu müssen nicht feste Werte der Variablen nachgemessen werden; es interessiert auch nicht der Fehler eines einzelnen Funktionswertes, sondern es stellt sich die Frage nach der aus den Messfehlern resultierenden Ungenauigkeit des funktionalen Zusammenhanges selbst. Einen funktionalen Zusammenhang misst man, indem man Variable schrittweise än-dert.

Abb. 1: Messpunkte mit Anpassung (rote Gerade) einer Bestgerade f(x) = a + bx nach der Methode der kleinsten Quadrate mit dem Programm Origin. Die Ergebnisse sind a = 0,25 ± 0,08 und b = 0,43 ± 0,01.

Am Beispiel einer Geraden f = a +bx soll der Fehler einer Funktion untersucht werden. Die Variable x wurde in vorgegebenen Schritten geändert, und die zugehörigen Funktionswerte f(x) wurden gemessen. Dabei sind xi mit einem Einstellfehler und die fi mit einem Messfehler beaufschlagt. In einer grafischen Darstellung (Abb. 1 und 2) erkennt man, dass die Punkte (x, f(x)) ungefähr einem linearen Zusammenhang gehorchen, wobei aber durch die Fehler beding-te Abweichungen auftreten. Gesucht werden nun die Bestwerte der Konstanten a und b der durch die Punkte verlaufenden Ausgleichsgeraden f = a +bx, sowie die Zuverlässigkeit der Konstanten, d.h. deren Fehlerintervall. Die exakte, allerdings aufwendige Methode ist, einen Ausgleich nach der Methode der kleinsten Quadrate vorzunehmen, d.h. die Gerade so zu be-stimmen (zu „fitten“), dass die Summe der Quadrate der Abweichungen vi aller Messpunkte von der Geraden ein Minimum wird. Diese Gerade nennt man dann „Bestgerade“. Als Maß

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 100

1

2

3

4

5Equation f(x) = a + bx

Value Standard Error

f(x)Intercept 0.251 0.07881Slope 0.42853 0.01388

f(x)

x

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Fehlerrechnung 9

für den Fehler von a und b kann man den Verlauf des Minimums bei Variation von a und b um die Bestwerte herum heranziehen. Abb.1 zeigt eine solche Anpassung unter Benutzung des Programms Origin.

Es gibt jedoch eine grafische Methode (Abb. 2), die ohne PC auskommt, allerdings auch nur die Größenordnung der Fehler der Konstanten liefert.

Abb. 2: Messpunkte mit eingezeichneten Best- (rot) und Streugeraden (blau). Die Kon-struktion der Streugeraden erfolgte mit einem Hilfsrechteck (gestrichelte Linien).

Dazu zeichnet man die Bestgerade (auch Ausgleichsgerade genannt) nach Augenmaß durch die Messpunkte. Die Konstruktion der Bestgeraden stellt eine Mittelung der Messwerte dar, die mit geeigneten Hilfsmitteln (z.B. ein durchsichtiges Lineal) mit gutem Ergebnis durchge-führt werden kann. Aus zwei Punkten (x1, f(x1)) und (x2, f(x2)) auf der Bestgeraden bestimmt man die Konstanten a und b und damit die Geradengleichung der Bestgerade.

Zusätzlich zeichnet man - ebenfalls nach Augenmaß - zwei weitere Geraden, die Streugeraden oder Fehlergeraden. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass sie die Geraden maximaler und minimaler Steigung sind, die sich gerade noch mit den Messpunkten vereinbaren lassen (Abb. 2). Wesentlich ist, dass sich Streugeraden und Bestgerade in einem Punkt im Innern des Messintervalls schneiden. Ein Mittel zur Konstruktion der Streugeraden ist ein „Hilfsrecht-eck“. Dazu konstruiert man ein Rechteck, dessen Seiten parallel und etwa im gleichen Ab-stand zur Bestgeraden liegen. Das Rechteck sollte möglichst alle Messpunkte umschließen. Die Streugeraden sind dann die Diagonalen des Hilfsrechtecks.

Ein anderes Verfahren zur Bestimmung der Bestgeraden und der Streugeraden geht vom Schwerpunkt der Messwerte aus. Zunächst schätzt man die Lage des Schwerpunktes ab (z.B. nimmt man die Mittelwerte der xi und der yi) und markiert ihn in der Zeichnung. Dann sticht man einen Bleistift in den Schwerpunkt und legt das Lineal an die Bleistiftspitze. Nun dreht man das Lineal um die Bleistiftachse, bis die Datenpunkte beidseitig der Lineallinie statistisch gleichmäßig verteilt sind. Damit ist die Bestgerade festgelegt und wird eingezeichnet. Die erste Streugerade erhält man durch weiteres Drehen des Lineals bis auf der einen Seite der Drehachse alle Datenpunkte oberhalb und auf der anderen Seite unterhalb des Lineals liegen. Für die zweite Streugerade vertauscht man ‚oberhalb‘ und ‚unterhalb‘. Da der Schwerpunkt

f(x)

f(x )2

f(x )1

x1 x2 x

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10 Fehlerrechnung

innerhalb des Datenbereichs liegt, kreuzen sich auch Bestgerade und Streugeraden innerhalb des Datenbereichs.

Nun kann man von den Streugeraden die Konstanten amax, bmax bzw. amin, bmin bestimmen und die Differenzen dieser Werte geben uns ein Maß für die Genauigkeit der Werte der Bestgera-den mit abest, bbest. Als Streumaße für die Konstanten der Bestgeraden führen wir ein:

2 2

max min max mina a b ba b− −∆ = ; ∆ = (15)

Der Faktor 1/2 ergibt sich daraus, dass die Fehler als ± halbe Fehlerintervallbreite angegeben werden. Dieses grafische Verfahren ist wegen der ziemlich willkürlichen Wahl der Streugera-den ziemlich ungenau, liefert aber die richtige Größenordnung des Anteils der zufälligen Feh-ler auf besonders einfache Weise.

Sein besonderer Wert liegt darin, dass man es auf andere Funktionstypen erweitern kann. Zwar lassen sich Best- und Streugeraden nur bei einer linearen Funktion zeichnen, man kann aber durch geeignete Variablentransformationen andere Funktionen, etwa Parabeln oder Ex-ponentialfunktionen in lineare Funktionen umformen. Will man überprüfen, inwieweit zwi-schen den Messgrößen y und x ein bestimmter, nicht linearer, analytischer Zusammenhang y = f(x) besteht, so muss man die Messgrößen so transformieren, das zwischen den transformier-ten Größen ( )X xϕ= und ( )Y yψ= ein linearer Zusammenhang besteht. Transformiert man die Messwerte in dieser Weise, so zeigt die Streuung der transformierten Größen X, Y um die Bestgerade, wie gut der Zusammenhang y = f(x) erfüllt ist. Dabei ist zu beachten, dass die Konstanten der Geraden und ihre Fehler in die Konstanten der ursprünglichen Funktion rück-transformiert werden müssen.

Beispiel: Die Exponentialfunktion y = AeBx wird durch folgende Variablentransformation in eine Gerade überführt:

X = x ; Y = ln y

Damit ergibt sich

ln( ) lnBxY Ae A BX a bX= = + = +

und a = ln A sowie b = B.

Um die zeitraubende Transformation der Messwerte zu ersparen, sind „Millimeterpapiere“ im Handel, deren Koordinaten bereits nach bestimmten mathematischen Funktionen transfor-miert sind. So gibt es für die Exponentialfunktion das Semilogarithmenpapier, dessen Abszis-se linear geteilt ist, die Ordinate aber so, dass die einzutragenden Werte an die ihren Loga-rithmen entsprechenden Stellen kommen. Man erspart sich so das Logarithmieren der Mess-werte; auf einem solchen Papier aufgezeichnet, ergibt eine Exponentialfunktion also eine Ge-rade.

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Physikalisches Grundpraktikum

Mechanische Schwingungen

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MS 2 Mechanische Schwingungen

1. Stoffgebiet

• Mechanik des starren Körpers

• Harmonische Schwingungen

• Erzwungene Schwingungen

• Resonanz

• Trägheitskräfte

• Physikalisches Pendel

• Schwebung

• Allgemeine Schwingungslehre

2. Literatur

• D. Meschede, Gerthsen Physik 23. Auflage (Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2006) Kap. 4

Version 2 (3/2009 MD

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Mechanische Schwingungen MS 3

3. Fragen

1. Eine Person der Masse m steht in einem Aufzug auf einer Waage. Der Aufzug wird mit der Beschleunigung b bzw. Verzögerung -b bewegt. Welche Gewichtskraft wird in beiden Fällen von der Waage angezeigt ?

2. Eine Raumkapsel der Masse M taucht in die Erdatmosphäre ein und erfährt dort eine (hier als konstant angenommene) Reibungskraft R. Welche Trägheitskraft wirkt auf einen Insassen der Masse m

3. Geben Sie eine Erklärung dafür, dass sich ein metallischer Stab, der aus einer gewis-sen Höhe in Längsrichtung fallend auf dem Erdboden aufschlägt, im Moment des Aufschlags am oberen Ende positiv auflädt.

4. Man formuliere für ein mathematisches Pendel die Energiebilanz für einen Zeitpunkt t, der weder mit dem Zeitpunkt des Durchgangs durch die Ruhelage, noch mit dem Zeitpunkt des maximalen Ausschlags zusammenfällt (kleine Skizze mit Bezeichnun-gen).

5. Man formuliere für ein physikalisches Pendel die Energiebilanz für einen Zeitpunkt t, der weder mit dem Zeitpunkt des Durchgangs durch die Ruhelage, noch mit dem Zeitpunkt des maximalen Ausschlags zusammenfällt (kleine Skizze mit Bezeichnun-gen).

6. Ein mathematisches Pendel der Länge l und der Masse m hängt an der Decke eines Aufzugs, der sich mit der Beschleunigung b nach oben bewegt. Man stelle die Bewe-gungsgleichung im Fahrzeug für diesen Fall auf (kleine Skizze). Hinweis: Träg-heitsmoment × Winkelbeschleunigung = Σ Drehmomente.

7. Ein Schwinger der Eigenfrequenz ω0 wird mit der Frequenz ω zu erzwungenen Schwingungen angeregt. Welche Phasendifferenz besteht zwischen erzwungener und erregender Schwingung in folgenden Fällen: a) ω << ω0 , b) ω = ω0 , c) ω >> ω0? Wie lassen sich die Fälle a) und c) anschaulich deuten?

8. Was versteht man unter einer „Schwebung“? (Skizze; Beispiel)

9. Lässt man auf einen schwach gedämpften Schwinger der Eigenfrequenz ω0 eine Er-regerkraft der Frequenz ω ≅ ω0 wirken, so sieht man zunächst eine Schwebung, de-ren Amplitude langsam abnimmt. Erklären Sie diesen Vorgang.

10. An einer Stahlfeder der Federkonstanten k schwingt eine Masse m. Stellen Sie die Bewegungsgleichung für die Masse m auf. Durch welchen einfachen Ansatz kann sie gelöst werden, und welche Eigenfrequenz folgt daraus ?

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MS 4 Mechanische Schwingungen

4. Grundlagen

4.1 Allgemeines Die erzwungene Pendelschwingung wird nachstehend mit Hilfe der Gesetze der Relativbewe-gung behandelt. Deshalb sollen diese Gesetze kurz besprochen werden. Wir unterscheiden zwei Systeme (Abbildung 1):

1. Ein raumfestes Bezugssystem (Koordinatensystem O(x,y), genannt Laborsystem).

2. Ein gegen das raumfeste System bewegtes Bezugssystem (Koordinatensystem O´(ξ,η), genannt Fahrzeug).

Abb. 1: Laborsystem und bewegtes Bezugssystem.

Das Laborsystem sei ein Inertialsystem bezüglich der hier betrachteten Kräfte, d.h. ein Sys-tem, in dem die drei Newtonschen Axiome gelten. Die Bewegung eines Massenpunktes m kann auf irgendeines dieser Systeme bezogen werden, je nachdem welchen Standpunkt der Beobachter hat; er kann die Bewegung vom Laborsystem aus studieren, er kann sich aber auch mit dem Fahrzeug bewegen. Wir wollen der Einfachheit halber und im Hinblick auf un-ser Pendelproblem annehmen, dass das Fahrzeug gegenüber dem Laborsystem keine Drehun-gen, sondern nur Translationen ausführt.

Die zeitliche Änderung des Vektors 0'r , von O´ nach P, beschreibt die Bahn des Massenpunk-tes, die vom mitbewegten Beobachter verfolgt wird. Entsprechend beschreibt die zeitliche Änderung von 0r

die Bahnkurve, die ein ruhender Beobachter sieht (Abbildung1).

Wenn sich das Fahrzeug gegenüber dem Laborsystem nicht dreht, gilt:

0 0 0 + r s r ′= (1)

(Berücksichtigt man auch Drehungen, so tritt an die Stelle von Gl. (1) die Beziehung 0 0 0 + r s r ′= Ω , wobei Ω die Matrix der Drehung ist. Dann treten zusätzliche Trägheitskräfte, nämlich Zentrifugalkraft und Corioliskraft auf).

Die Bewegungsgleichung des Massenpunktes im Laborsystem lautet mit der eingeprägten Kraft K0:

0 0 0 0 , mit ( , ) und ( , )mr K r x y r x y= = =

(2)

Ersetzt man nach Gl. (1) 0r durch 0 0's r+

, so ergibt sich:

0 0 0-mr K ms′ =

(3)

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Mechanische Schwingungen MS 5

d.h. der mitbewegte Beobachter stellt fest, dass auf die Masse m nicht nur die Kraft 0K

(ein-geprägte Kraft), sondern auch die Scheinkraft 0-ms , die man als Trägheitskraft bezeichnet, wirkt.

Beispiel:

An der Decke eines Wagens sei ein Fadenpendel aufgehängt (Abbildung 2). Der Wagen wird gegenüber dem Laborsystem mit der Beschleunigung b beschleunigt.

Abb. 2: Fadenpendel an der Decke eines Wagens.

Das entspricht in unserer Darstellung dem Vektor 0s . Auf die Pendelmasse wirkt die einge-prägte Kraft mg und die Trägheitskraft mb. Diese Kräfte erzeugen die Drehmomente

cosmbl φ und sinmgl− φ .Das Pendel ist im Gleichgewicht, wenn diese Drehmomente be-tragsmäßig gleich sind, also tan /b g=φ ist. Natürlich spürt auch der Beobachter die auf ihn wirkende Trägheitskraft Mb.

4.2 Die erzwungene Pendelschwingung Das für den Versuch verwendete Resonanzpendel ist in Abbildung 3 skizziert. Ein Schlitten Sch wird über eine Pleuelstange (annähernd) sinusförmig hin und her bewegt. Der Schlitten wird durch die Stange St geführt. Das Pendel kann sich um eine fest mit dem Schlitten ver-bundene Achse A drehen. Die Kurbelscheibe K wird durch einen Elektromotor angetrieben, dessen Frequenz regelbar ist. Außerdem ist das Pendelsystem mit einer variablen Dämpfung versehen, die nach dem Prinzip der Wirbelstromdämpfung arbeitet.

Abb. 3: Resonanzpendel.

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MS 6 Mechanische Schwingungen

Zur Behandlung des Problems wählen wir ein starr mit dem Laborsystem verbundenes Koor-dinatensystem und ein fest mit dem Schlitten Sch verbundenes System als Fahrzeug (Abbil-dung 4).

Abb. 4: Laborsystem und Fahrzeugsystem des Resonanzpendels.

Im Fahrzeug ist die Lage des Schwerpunktes S des Pendels (Pendelstange und Pendelmasse m) durch den Schwerpunktabstand s und den Winkel φ festgelegt (ebene Polarkoordinaten). Im Fahrzeug beobachtet man eine reine Pendelschwingung, während die Bewegung, vom Laborsystem aus beurteilt, sich aus einer Translations- und einer Schwingungsbewegung zu-sammensetzt, also komplizierter ist. Deshalb ist es vorteilhaft, die Bewegung im Fahrzeug zu studieren.

In S wirkt als eingeprägte Kraft die Komponente sinmg φ der Schwerkraft mg . Sie erzeugt ein Drehmoment sD s mg= ×

mit dem Betrag sinsD mgs= − φ , das negativ zu rechnen ist, da es nach Abbildung 4 den Winkel φ zu verkleinern sucht. Zusätzlich wirkt in S die Trägheits-kraft mz , die ein Drehmoment vom Betrag cosTD mzs= − φ erzeugt. Die Dämpfung erzeugt ebenfalls ein dämpfendes Drehmoment, das bei Wirbelstromdämpfung proportional zur Win-kelgeschwindigkeit gesetzt werden kann, sodass man für dessen Betrag erhält: dD = − ρφ .

Die Bewegungsgleichung für Drehbewegungen lautet:

Trägheitsmoment × Winkelgeschwindigkeit = Σ(Drehmomente).

Da alle Drehmomente in dieselbe Richtung weisen, können wir ihre Beträge addieren und erhalten:

0 cos sin

oder sin / / cos /

mzs mgs

mgs msz

Θ = − − −

+ Θ + Θ = − Θ

φ φ ι ρφ

φ φ ρφ φ (4)

Der Ausschlag φ sei so klein, dass annähernd sinφ ≅ φ und cosφ ≅ 1 gilt. Dann lautet Gl. (4), wenn man noch 2

0/ und /mgs Θ ≡ Θ ≡ω ρ γ setzt, wobei ω0 die Eigenfrequenz des Pendels und γ ein Maß für den Einfluss der Dämpfung ist:

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Mechanische Schwingungen MS 7

2 20 0 /z g+ + = −

φ ω φ γ φ ω (5)

Gl. (5) ist die typische Bewegungsgleichung für eine erzwungene Schwingung (inhomogene Differentialgleichung zweiter Ordnung). Auf der rechten Seite steht der antreibende Term (Inhomogenität), der hier von einer Trägheitskraft herrührt.

Ruht das Fahrzeug im Laborsystem, so ist 0z = , und Gl. (5) stellt die Bewegungsgleichung für die freie gedämpfte Schwingung des Pendels dar (homogene Differentialgleichung zweiter Ordnung). Ihre Lösung ist für hinreichend kleine Dämpfung ( 2 2

0 4>ω γ ):

2 2 20 0( ) sin( ) mit = 4tt e t− ′ ′= −γφ φ ω ω ω γ (6)

Sie stellt eine Sinusschwingung der Frequenz ω´ dar, deren Amplitude exponentiell mit der Zeit abklingt (Abbildung 5).

Abb. 5: Freie gedämpfte Schwingung des Pendels.

φ1 und φ2 seien zwei Auslenkungen, die den zeitlichen Abstand T = 2π/ω´ haben:

1

1

21 1 0 1

2 ( )2 2 0 1

( ) sin( )

( ) sin( ( )

t

t T

t e t

t e t T

− ⋅ +

′=

′= +

γ

γ

φ φ ω

φ φ ω

Wegen 21 1 1 2sin( ) sin( ( )) folgt Tt t T e′ ′= + = γω ω φ φ . Das logarithmische Dekrement ist defi-

niert als

1

2

ln2

T

= =

φ γδφ

Ist also die Dämpfung proportional zur Winkelgeschwindigkeit φ , so ist das Verhältnis zwei-er aufeinanderfolgender Maximalauslenkungen (gleicher Phase, vgl. Abbildung 5) konstant. Umgekehrt kann man prüfen, ob die Dämpfung proportional zu φ ist, denn dann sind die Verhältnisse aufeinanderfolgender Maximalauslenkungen konstant.

Wird der Aufhängepunkt A harmonisch hin und her bewegt, also z = z0sin(ωt), so lautet Gl. (5):

2

2 200 0 sin( )z t

g+ + =

ωφ γφ ω φ ω ω (7)

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MS 8 Mechanische Schwingungen

Die stationäre (d.h. für den eingeschwungenen Zustand gültige) Lösung lautet (Lösungsme-thode z.B. Variation der Konstanten):

2 2

0 002 2 2 2 2

0

( ) sin( ) ( )sin( )( )

zt t tg

= ⋅ − = −− +

ω ωφ ω α φ ω ω αω ω γ ω

(8)

mit

2 20

tan =−

ω γαω ω

(9)

α ist die Phasendifferenz zwischen erzwungener und erregender Schwingung. Die Funktion 0 0 ( )=φ φ ω stellt eine typische Resonanzkurve dar (Abbildung 6).

Abb. 6 (links): Resonanzzkurve, Abb. 7 (rechts): Resonanzzkurve nach Gl. (11).

Die Resonanzfrequenz ist dabei gegeben durch:

20

max 2 20 2

=+

ωωω γ

(10)

Achtung: In den Lehrbüchern der Physik wird für die normale erzwungene Schwingung der Erregerterm auf der rechten Seite von Gleichung (8) als const × sin(ωt-α) geschrieben, wäh-rend er sich bei unserer experimentellen Anordnung zu const × ω2 × sin(ωt-α) ergibt. Das bedeutet keinen prinzipiellen Unterschied im Resonanzverhalten, aber die Lösungen des Prob-lems sehen etwas anders aus; so ist bei unserer Lösung noch ein zusätzliches ω2 im Zähler, was zu einer Asymmetrie der Resonanzkurve führt. Auch die Ausdrücke für ωmax unterschei-den sich.

Zeichnet man das Quadrat des durch die Amplitude der erregenden Kraft 2 20 0 0K z g= ω ω

dividierten Amplitudenwertes

2

02 2 2 2 2

0 0

( ) 1( )K

= − +

φ ωω ω γ ω

(11)

so erhält man den in Abbildung 7 skizzierten symmetrischen Verlauf.

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Mechanische Schwingungen MS 9

Eine wichtige Größe ist der sogenannte Q-Faktor (Qualitätsfaktor) eines schwingenden ge-dämpften Systems: Als Q-Faktor bezeichnet man das mit 2π multiplizierte Verhältnis der Ge-samtenergie zum mittleren Energieverlust während einer Schwingungsperiode T. Für unseren Fall ergibt sich der Q-Faktor zu

0Q =ωγ

(12)

Wenn 2 20/ 2γ ω ist, dann wird ωmax ≅ ω0. Die Breite der Resonanzkurve an derjenigen Stel-

le, an der die Amplitude auf den Wert max / 2φ gefallen ist, soll Halbwertsbreite ∆ω genannt werden. Mit der Näherung ωmax ≅ ω0 ergibt sich nach einer kleinen Rechnung:

∆ =ω γ (13)

Demzufolge lässt sich γ außer aus dem logarithmischen Dekrement auch aus der Halbwerts-breite ∆ω bestimmen.

Anmerkung: Der Ausdruck Gl. (8) ist nicht die allgemeine Lösung der Differentialgleichung (7). Die Theorie der linearen Differentialgleichung lehrt, dass die allgemeine Lösung einer inhomogenen linearen Differentialgleichung (inhomogen heißt: rechte Seite ≠ 0) sich als Summe der allgemeinen Lösung der homogenen Differentialgleichung (homogen heißt: rechte Seite = 0) und einer speziellen Lösung der inhomogenen Gleichung zusammensetzt. Die Lö-sung der homogenen Differentialgleichung beschreibt aber gedämpfte Schwingungen, die zeitlich exponentiell abklingen. Solche Schwingungen treten bei dem Einschwingvorgang auf. Im Experiment lässt sich das gut beobachten. Es dauert eine gewisse Zeit, bis der Ein-schwingvorgang beendet ist und sich die Amplitude, die der Lösung (8) entspricht, eingestellt hat. Je größer die Dämpfung, umso schneller ist der Einschwingvorgang abgeklungen. Des-halb lässt man ihn meist unberücksichtigt und betrachtet nur den eingeschwungenen Zustand.

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MS 10 Mechanische Schwingungen

5.Versuchdurchführung

Aufgabe 1

Zunächst wird die Frequenz ω0 des ungedämpften Pendels bestimmt. Dann bestimme man für eine eingestellte Dämpfung die Eigenfrequenz des Pendels. Dazu messe man die Zeit für 10 Schwingungen.

Aufgabe 2

Man prüfe, ob die Dämpfung annähernd geschwindigkeitsproportional ist, indem man das Verhältnis aufeinanderfolgender Maximalauslenkungen (natürlich auf derselben Seite der Skala ablesen) misst. Der Versuch ist mehrmals durchzuführen, und die erhaltenen Maximal-auslenkungen sind zu mitteln. Aus dem Mittelwert wird die Dämpfungskonstante γ bestimmt.

Aufgabe 3

Man nehme eine Resonanzkurve auf, indem man, bei niedrigen Erregerfrequenzen beginnend, die Frequenz des den Schlitten treibenden Motors langsam erhöht und die sich nach der Ein-schwingzeit einstellenden Amplituden 0 ( )φ ω auf der Winkelskala abliest. (Vorsicht im Reso-nanzgebiet: dort verursachen geringe Frequenzänderungen große Amplitudenänderungen!)

Aufgabe 4

Aus der Halbwertsbreite der Resonanzkurve bestimme man die Dämpfungskonstante und vergleiche sie mit der in Aufgabe 2 bestimmten. Geben Sie den Q-Faktor an.

Die Aufgaben 1 bis 4 sind für zwei verschiedene Dämpfungen durchzuführen.

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Physikalisches Grundpraktikum

Mechanische Materialkonstanten

Fachrichtungen der Physik

WWW-Adresse Grundpraktikum Physik: 0Hhttp://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/

Kontaktadressen der Praktikumsleiter: Dr. Manfred Deicher Zimmer: 1.11, Gebäude E 2.6 e-mail: [email protected] Telefon: 0681/302-58198

Dr. Patrick Huber Zimmer: 3.23, Gebäude E2.6 e-mail: [email protected] Telefon: 0681/302-3944

UNIVERSITÄT DES SAARLANDES

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MK 2 Mechanische Materialkonstanten

1. Stoffgebiet

• Aufbau des festen Körpers

• Kristallstruktur

• Bindungskräfte

• Elastische und nichtelastische Verformung

• Hysterese

• Eigenschaften des deformierbaren festen Körpers

• Elastizität des festen Körpers

• Kräfte zwischen Atomen

• Elastizitätsmodul

• Torsionsmodul

• Schubmodul

Version 2 (3/2009)

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Mechanische Materialkonstanten MK 3

2. Fragen

1. Welche Kräfte wirken zwischen den Gitterbausteinen eines Festkörpers? Zählen Sie die wesentlichen Bindungskräfte auf und geben Sie als Beispiel je einen Stoff an, bei dem einer dieser Bindungstypen überwiegt.

2. Was versteht man a) unter einem Einkristall, b) unter einem polykristallinen Festkör-per und c) unter einem amorphen Festkörper? Geben Sie zu jedem ein Beispiel.

3. Was versteht man unter der thermischen Bewegung der Gitterbausteine eines Fest-körpers?

4. Was versteht man unter Gitterfehlern? Geben Sie 3 Beispiele für Gitterfehler.

5. Geben Sie die Definitionsgleichungen für E, G, µ und κ an. Skizzieren Sie, wie die äußeren Kräfte in den verschiedenen Fällen angreifen.

6. Wie groß ist der Torsionsmodul von Flüssigkeiten und Gasen? Geben Sie eine Be-gründung.

7. Wie verhält sich ein Festkörper bei Verformungen außerhalb des Elastizitätsberei-ches? Skizzieren Sie die Abhängigkeit der Dehnung von der Zugspannung.

8. Skizzieren Sie die mechanische Hysteresekurve. Welche Dimension hat die von ihr eingeschlossene Fläche? Welche physikalische Bedeutung hat sie?

9. Begründen Sie am Beispiel eines Würfels, wieso der Zahlenwert von µ stets zwi-schen 0 und 0,5 liegt.

10. Aus dem Verdrillungswinkel eines Stabes ϕ ergibt sich der Torsionsmodul G nach

der Formel 4

2lG DRπ ϕ

= (siehe Gl. (6)). Begründen Sie, wieso der Radius R in der 4.

Potenz auftritt.

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MK 4 Mechanische Materialkonstanten

3. Grundlagen

Zwischen benachbarten Atomen oder Ionen eines Festkörpers herrschen anziehende und ab-stoßende Kräfte. Die auf ein Teilchen wirkenden Kräfte heben sich bei bestimmten Abständen zu benachbarten Teilchen gegenseitig auf. Die Teilchen ordnen sich daher in den meisten Festkörpern in diesen Abständen an und bilden so eine regelmäßige (periodische) Gitterstruk-tur, das Kristallgitter. Die Periode dieses Aufbaues wird durch die Gitterkonstante beschrie-ben. (Von den thermischen Bewegungen der Gitterteilchen um ihre Ruhelage sei hier abgese-hen.)

Da sich der Kristall bezüglich der Abstände zwischen den Gitterteilchen im stabilen Gleich-gewicht befindet, muss man durch äußere Kräfte Arbeit leisten, wenn man das Kristallgitter verformen, d.h. die Abstände zwischen den Gitterteilchen verändern will. Greift eine äußere Kraft senkrecht an einer Oberfläche eines eingespannten Festkörpers an, so tritt eine Längen-änderung ein (Dehnung). Allseitiger Druck bewirkt eine Volumenänderung (Kompression). Wirkt die Kraft jedoch tangential auf eine Oberfläche, so entsteht eine Winkeländerung (Scherung, Torsion).

Wenn der Festkörper nach einer Verformung seine ursprüngliche Form annimmt, sobald die äußeren Kräfte wieder zu Null werden, so bezeichnet man die Verformung als elastisch. Bleibt jedoch eine dauernde Verformung zurück, so nennt man die Verformung unelastisch oder plastisch. Das elastische bzw. unelastische Verhalten eines Festkörpers wird übrigens wesentlich auch von den Störungen des Kristallgitters (Gitterfehler) mitbestimmt.

Die Größe der elastischen Verformung, die eine vorgegebene mechanische Kraft hervorruft, hängt außer von der Geometrie des Körpers auch von den Eigenschaften seiner Gitterteilchen und seiner Gitterstruktur ab. Diese Abhängigkeit vom Material kann durch die elastischen Materialkonstanten beschrieben werden.

Bei einem Einkristall hängt die durch eine bestimmte Kraft hervorgerufene Verformung i.a. von der Richtung der Kraft bezüglich der Kristallachsen ab: Die elastischen Konstanten sind dann tensorielle Größen. Häufiger sind Festkörper jedoch polykristallin, und meist ist die Ver-formung dann isotrop. In diesem Falle reduzieren sich die elastischen Konstanten auf skalare Größen. Im folgenden sollen diese zusammengestellt werden.

3.1 Dehnung, Dehnungsmodul Greift an einem fest eingespannten zylindrischen Festkörper eine Normalspannung σ an (Normalspannung = Kraftkomponente Knormal senkrecht zur Oberfläche, dividiert durch die Flächengröße F), so wird er gedehnt. Im Bereich elastischer Verformung lässt sich seine da-durch veränderte Länge l(σ) in eine Taylorreihe um die Länge des unbelasteten Festkörpers l(0) entwickeln

( ) ( )2 2 3 3

2 301! 2! 3!

dl d l d ll ld d d

σ σ σσσ σ σ

= + ⋅ + ⋅ + ⋅ + (1)

oder mit leicht verständlichen Abkürzungen:

( ) ( ) 2 31 2 30l l lσ α σ α σ α σ∆ = − = + + + (1b)

Die Koeffizienten αi beschreiben, wie der Festkörper der Länge l auf die Zugbelastung σ rea-giert.

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Mechanische Materialkonstanten MK 5

Ist die Zugspannung σ hinreichend klein, so zeigt der Festkörper eine lineare elastische Reak-tion, d.h. die höheren Glieder der Reihe in Gl. (1b) sind vernachlässigbar klein. In diesem Proportionalitätsbereich gilt:

1l α σ∆ =

bzw. auf die Längeneinheit des Körpers bezogen:

( ) ( )

1 1 Hooksches Gesetz0 0

normalKll l E F

α σ∆= = (2)

E bezeichnet man als Elastizitätsmodul oder Dehnungsmodul.

3.2 Querkontraktion, Poissonsche Zahl Die durch die Dehnung ∆l verursachte Volumenvergrößerung wird vom Körper teilweise durch eine Querschnittsverringerung rückgängig gemacht. Das Verhältnis aus relativer Di-ckenänderung ∆d/d zu relativer Längenänderung ∆l/l ist weitgehend unabhängig von der Be-lastung und wird als Querzahl, Querkontraktionszahl oder Poissonsche Zahl µ bezeichnet:

( ) ( )d d l l µ∆ ∆ = (3)

µ ist ebenfalls eine Materialkonstante. Sie hat Werte zwischen 0 und 0,5.

3.3 Scherung, Schubmodul Greift eine Tangentialspannung τ an einem einseitig festgehaltenen Quader an, so erhält man im Bereich linearer elastischer Verformung analog folgenden Zusammenhang zwischen der Spannung τ und dem Schub- oder Torsionswinkel β:

tangential1 1 KG G F

β τ= = (4)

Dabei wird G als Schub- oder Torsionsmodul bezeichnet.

3.4 Kompression, Kompressionsmodul Wirken allseitig Normalkräfte mit konstantem Druck K/F auf einen Festkörper ein, so wird er komprimiert. Zur Beschreibung seiner relativen Volumenänderung ∆V/V dient dann der Kompressionsmodul κ :

1V KV Fκ

∆= − (5)

3.5 Zusammenhang zwischen den elastischen Konstanten Da alle elastischen Konstanten letztlich durch die Kräfte zwischen den Gitterteilchen bedingt sind, sind sie nicht unabhängig voneinander; vielmehr sind durch je zwei der Konstanten die übrigen mitbestimmt.

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MK 6 Mechanische Materialkonstanten

4. Versuche 4.1 Dehnungsmodul aus der Dehnung von Drähten

Methode: Ein Draht aus dem zu untersuchenden Material wird auf der linken Seite der Apparatur ein-gespannt, indem die Öse des Drahtes in den Haken eingehängt wird. Dann wird der Draht über die linke Rolle zu der drehbaren rechten Rolle geführt, wo er entsprechend befestigt wird. Er soll auf den Oberseiten von linker und rechter Rolle in den Rillen liegen. Die Vorbe-lastung bewirkt, dass der Draht straff gespannt ist. Zwischen linker und rechter Rolle wird dann der Reiter so auf den Draht aufgesetzt, dass seine Skala mit dem Messmikroskop beo-bachtet werden kann. Zur besseren Ablesung kann die Skala beleuchtet werden. Das Mess-mikroskop kann an Einstellschrauben nach allen Richtungen verschoben werden, wobei zu beachten ist, dass bei Verschiebungen längs des Drahtes die beiden seitlichen Feststellschrau-ben zu lockern sind. Zur Justierung wird das Fadenkreuz des Okulars auf den Nullpunkt der Skala eingestellt.

Legt man nun Zusatzgewichte auf die obere Gewichtsschale, so wird der Draht gedehnt, und die Skalenverschiebung im Okular ergibt die Längenänderung l des Drahtstückes zwischen der Auflagestelle des Drahtes auf der festen Rolle und dem Skalenreiter. Man misst also ge-nau genommen nicht ( ) ( )0l l lσ∆ = − , sondern ( ) ( )0 0l l lσ σ σ∆ = + − , wenn σ0 die durch die Vorbelastung und σ die durch die Zusatzbelastung hervorgerufenen Zugpannungen sind.

Die Fehler, die durch Veränderungen der Drahtbefestigung an der festen Rolle bei Belastung entstehen können, sind in unserem Versuch vernachlässigbar klein.

Die Be- und Entlastung erfolgt, indem Gewichte von 100 g bis maximal 1 kg aufgelegt wer-den. Zu beachten ist, dass die am Draht angreifende Kraft nicht mit der Gewichtskraft der aufgelegten Gewichte übereinstimmt. Die Skala auf dem Reiter ist 10 mm lang und in 100 Teile geteilt.

Aufgabe 1: Man leite die Beziehung zwischen der Gewichtskraft der aufgelegten Gewichte und der da-durch am Draht angreifenden Zugspannung σ her.

Hinweis: Die Durchmesser der schwarzen Kunststoffscheibe und der Metallrolle, auf der der Draht auf-gewickelt ist, betragen 200 mm bzw. 40 mm.

Aufgabe 2: Man messe ∆l als Funktion der Be- und Entlastung an drei Drähten und stelle die Abhängig-keit grafisch dar.

Hinweis: Die am Draht angreifende Vorbelastung soll 1,5 kg betragen. Wie groß muss also das Ge-wicht sein, das hierzu auf den Gewichtsträger gelegt wird?

Legen Sie die Gewichtsstücke stets sehr vorsichtig auf die Gewichtsschale, da sonst u.U. der Draht beim Auflegen plastisch verformt wird. Die mittlere Dicke der Drähte wird als Mittel-wert aus 10 mit der Mikrometerschraube an verschiedenen Stellen durchgeführten Messungen bestimmt (Achtung: Mikrometerschrauben werden nur am äußersten Ende der Drehspindel gedreht). Falls bei Be- oder Entlastung die Skala im Mikroskop unscharf wird, kann man das Mikroskop am Feintrieb nachjustieren. Achten Sie darauf, dass die Drähte niemals geknickt werden, da sie sonst unbrauchbar werden.

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Mechanische Materialkonstanten MK 7

Aufgabe 3: Man bestimme die Dehnungsmoduln der drei Drahtmaterialien.

Hinweis: Dazu bestimme man die Steigung der aus Be- und Entlastungskurve gebildeten Mittelwerts-geraden. Falls Be- und Entlastungskurve eine deutliche Hysterese zeigen, ist die Steigung desjenigen Teils der Belastungskurve zu nehmen, der linear ist (d.h. bei kleinen Belastungen).

Aus der Steigung und der in Aufgabe 1 abgeleiteten Beziehung berechne man die Elastizi-tätsmoduln mit Hilfe von Gl. (2) und gebe sie in den Einheiten N/m2 und kp/mm2 an (Fehler-rechnung).

Aufgabe 4: Man berechne aus den gemessenen E-Moduln und den zugehörigen Poissonschen Zahlen die Torsionsmoduln der Drahtmaterialien.

Hinweis: Die Zahlenwerte der Poissonschen Zahl nennt Ihnen der/die Betreuer/in des Versuchs.

4.2 Dehnungsmodul aus der Biegung von Stäben

Methode: Ein Rundstab ist auf zwei um die Länge L voneinander entfernte Schneiden aufgelegt. Durch die Gewichtskraft K einer in der Mitte zwischen den Schneiden aufgelegten Masse m wird er um die Höhe s durchgebogen.

Stellen wir uns vor, der Stab bestehe aus einem dichten Bündel sehr dünner Einzelfasern, de-ren Querschnittsfläche df sei, so können wir diese Fasern einzeln untersuchen. Bei der Durch-biegung werden die unten liegenden Fasern gedehnt; ihre Längenänderung wird im Proportio-nalitätsbereich durch den Elastizitätsmodul E beschrieben. Entsprechend werden die oben liegenden Fasern des Stabes gestaucht, und ihre Längenänderung wird ebenso durch E be-stimmt. Im Innern des Stabes gibt es einen Bereich von Fasern, deren Länge bei der Durch-biegung nicht verändert wird; man bezeichnet diese als „neutrale Fasern“.

Die Theorie liefert im Proportionalitätsbereich für den Zusammenhang zwischen Gewichts-kraft K und Durchbiegung s der Stabmitte folgende Beziehung:

3

4

1 R: Radius des Rundstabes12

Ls KR Eπ

= (6)

In unserem Versuch wird die Durchbiegung s mit einer Messuhr gemessen, deren Skala in 1/100 mm-Schritten geteilt ist. Eine volle Umdrehung des großen Zeigers entspricht daher der Durchbiegung s = 1 mm. Auf den am Stab hängenden Gewichtsträger werden die jeweils 200 g wiegenden Gewichtsstücke geschoben.

Die Messung besteht darin, für jeden der Stäbe das Gewicht in Schritten von 200 g bis zu ei-ner maximalen Belastung von 2 kg zu erhöhen und die zugehörigen Werte von s abzulesen. Anschließend wird der Gewichtsträger in Schritten von 200 g wieder entlastet. Die Funktio-nen s = s(K) werden grafisch als Belastungs- und Entlastungskurve auf mm-Papier dargestellt.

Hinweis: Da die Stäbe infolge vorausgegangener Versuche i.a. leicht verbogen sind, dreht man den Stab, nachdem man ihn auf die Schneiden aufgelegt hat, solange um seine Längsachse, bis die

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MK 8 Mechanische Materialkonstanten

Messuhr den größten Ausschlag zeigt. Damit ist gesichert, dass die bereits vorhandene Durchbiegung nach unten weist und sich der Stab während der Belastungen nicht dreht.

Es empfiehlt sich nicht, die Skala der Messuhr auf den Nullpunkt einzujustieren. Nachdem der Gewichtsträger eingehängt ist, liest man die Anzeige der Uhr ab und subtrahiert diesen Wert von allen während der Versuchsdurchführung an diesem Stab abgelesenen Messwerten.

Aufgabe 1: Man nehme für 3 Rundstäbe die Be- und Entlastungskurve auf und stelle sie grafisch dar.

Aufgabe 2: Man berechne aus der Steigung der aus Be- und Entlastungskurve gebildeten Mittelwertsge-raden die Elastizitätsmoduln der 3 Stabmaterialien. Falls Be- und Entlastungskurve eine Hys-terese zeigen, ist nur die Steigung desjenigen Teils der Belastungskurve zur Auswertung he-ranzuziehen, der linear ist (d.h. bei kleinen Belastungen). Man gebe E in den Einheiten N/m2 und kp/mm2 an (Fehlerrechnung).

Hinweis: Man bestimme die mittlere Dicke der Stäbe, indem man mit der Mikrometerschraube an 10 verschiedenen Stellen die Durchmesser misst und daraus den Mittelwert bildet (Achtung: Mikrometerschrauben werden nur am äußersten Ende der Drehspindel gedreht). Die Länge L des zwischen den Schneiden liegenden Teiles der Stäbe wird mit dem Bandmaß bestimmt.

Aufgabe 3: Man berechne aus den gemessenen E-Moduln und den zugehörigen Querzahlen der 3 Stäbe die Torsionsmoduln.

Hinweis: Die Zahlenwerte der Querzahlen nennt Ihnen der/die Betreuer/in des Versuchs.

Anhang: Herleitung der Formel (6): Zur Vereinfachung der Herleitung beachten wir, dass die Durchbiegung unseres Stabes so erfolgt, als sei der Stab am Angriffspunkt der Gewichtskraft in der Mitte fest eingespannt, und die beiden Enden würden durch zwei aufwärts gerichtete, an den Auflagestellen angreifenden Kräfte mit dem Betrag K/2 gebogen (Abb. 1). Dann brauchen wir nur eine Hälfte des Stabes zu betrachten. Beachten Sie, dass die Durchbiegung in Abb. 1 der Deutlichkeit halber stark übertrieben gezeichnet ist. Dadurch weicht die Richtung der Stabachsen erheblich von der x-Richtung ab. Tatsächlich stimmen beide Richtungen in guter Näherung überein.

Bei der Durchbiegung wird z.B. das (beliebig klein zu wählende) Volumenelement EFGH so verformt, dass die Unterseite EF statt der Länge dx die Länge dx + δ und die Oberseite GH statt der Länge dx die Länge dx - δ erhält.

Sei CD eine beliebig herausgegriffene Faser im Abstand z von der neutralen Faser AB. Diese Faser wird dann im Bereich dieses Volumenelementes um den Betrag δx gedehnt. Da δx, dϑ und ds kleine Größen sind, gilt:

0undx zd d x d dsδ θ ϑ ϑ≅ ≅

Das Hookesche Gesetz liefert

*1x dK

dx E dfδ

=

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Mechanische Materialkonstanten MK 9

wobei df die Querschnittsfläche der betrachteten Faser und dK* den Betrag der an der Faser angreifenden Kraft bedeuten.

Abb. 1: Zur Herleitung von Gl. (6).

Auflösen nach dK* liefert

*

0

1dK z df E dsx dx

=

Durch diese Kraft, die im Abstand z von der neutralen Faser angreift, entsteht ein Drehmo-ment mit dem Betrag

dD z dK∗ ∗=

Nun gehen wir von der Einzelfaser CD zu dem gesamten Rundstab über, indem wir über die Querschnittsfläche mit dem Radius R integrieren (Querschnittskoordinate ist z). Dann erhalten wir an der Stelle x0 infolge der Verzerrungskräfte im Stab ein Drehmoment mit dem Betrag

* 4 4

0 0

1 (mit )4 4

R

D R E ds z df Rx dx

π π= =∫

Damit die Durchbiegung einen Gleichgewichtszustand darstellt, muss dieses innere Drehmo-ment entgegengesetzt gleich dem äußeren Drehmoment sein, das durch die von außen angrei-fende Kraft K/2 bewirkt wird. Da dieses im Abstand x0 gerade den Betrag

02KD x=

hat, können wir in der obigen Gleichung die Größe D* eliminieren und erhalten nun nach ds aufgelöst:

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MK 10 Mechanische Materialkonstanten

204

2Kds x dxR Eπ

=

Dies ist der Beitrag, den das bei x0 gelegene Volumenelement der Dicke dx zur Durchbiegung beisteuert.

Um die gesamte Durchbiegung s zu erhalten, müssen wir zuletzt noch über die Längskoordi-nate x von 0 bis L/2 integrieren und erhalten endgültig:

3

4

112

Ls KR Eπ

=

4.3 Schubmodul

Methode: Der Torsionsmodul verschiedener Metallstäbe wird hier mit einer statischen Methode be-stimmt. Dazu werden die Metallstäbe folgendermaßen in die Apparatur eingespannt: Man schiebt das eine Stabende ganz in die feststehende Klemmvorrichtung ein und zieht die Flü-gelschraube fest an. Dann schiebt man den Metallring der drehbaren Klemmvorrichtung zu-rück, so dass das abgeflachte Ende der drehbaren Achse freiliegt. Auf dieses wird nun die abgeflachte Seite des 2. Stabendes gelegt. Liegen beide richtig aufeinander, so kann der Me-tallring bis zum Anschlag darüber geschoben werden. Mit seiner Flügelschraube werden zu-letzt Stabende und Achse fest aufeinander gepresst.

An einer auf der Drehachse befestigten Rolle (Durchmesser d = 100 mm) hängt ein Faden mit einer Gewichtsschale. Belastet man diese, so entsteht ein Drehmoment, das zur Verdrillung des eingespannten Stabes führt.

Der durch eine bestimmte Belastung der Gewichtsschale erzeugte Verdrillungswinkel ϕ wird mittels des Zahnriemens auf die Aluminiumscheibe übertragen und dabei im Verhältnis 1:9 vergrößert. Eine ganze Umdrehung der Aluminiumscheibe entspricht also einem Verdril-lungswinkel des Stabes von 360°/9 = 40° . Die Skala der Scheibe zeigt direkt den Verdril-lungswinkel des Stabendes an und ist in Schritten von 10 zu 10 Winkelminuten unterteilt.

Vor Beginn der Messung dreht man die Zeigerscheibe so, dass der Zeiger auf den Nullpunkt der Skala weist. Belastet man nun die Gewichtsschale, so kann man am Zeiger direkt den Verdrillungswinkel ϕ ablesen. Um etwaige Fehler infolge der Lagerreibung zu vermeiden, ist zu empfehlen, die Gewichtsschale jedesmal kurzfristig leicht hinunter zudrücken, wenn man ein Gewichtsstück auflegt oder entfernt. Aus dem Verdrillungswinkel ϕ ergibt sich der Torsi-onsmodul G nach der Formel

4

2lG DRπ ϕ

= (7)

Dabei steht D für das am Stab angreifende Drehmoment, l für die Stablänge und R für den Radius des Stabes. ϕ wird im Bogenmaß eingesetzt.

Aufgabe 1: Man nehme für 3 Metallstäbe die Belastungskurve ϕ = ϕ(K), wobei K die Gewichtskraft der aufgelegten Massen bedeutet, in Schritten von 100 g bis zu einer Gesamtmasse von 1 kg auf uns stelle sie grafisch dar. (Geeigneter Ordinatenmaßstab ist z.B. 2 mm pro Skalenteil (d.h. 10 Winkelminuten)). Dann verringere man die Belastung in gleichen Schritten wieder und zeich-ne entsprechend die Entlastungskurve.

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Mechanische Materialkonstanten MK 11

Aufgabe 2: Man berechne aus der Steigung der aus Be- und Entlastungskurve gebildeten Mittelwertsge-raden die Torsionsmoduln der drei Stabmaterialien. Man gebe sie in den Einheiten N/m2 und kp/mm2 an (Fehlerrechnung).

Falls Be- und Entlastungskurve eines Stabes eine Hysterese zeigen, ist nur die Steigung des-jenigen Teils der Belastungskurve zu nehmen, der linear ist (d.h. bei kleinen Belastungen).

Hinweis: Man bestimme die mittlere Dicke der Stäbe, indem man an 10 verschiedenen Stellen die Di-cke mit der Mikrometerschraube misst und den Mittelwert bildet (Achtung: Mikrometer-schrauben werden stets nur am äußersten Ende der Drehspindel gedreht). Die Länge der Stäbe wird mit dem Bandmaß ermittelt. Wieso darf diese Messung ungenauer als die des Radius sein?

Man berechne das infolge der Belastung der Gewichtsschale am Stab angreifende Drehmo-ment.

Aufgabe 3: Man berechne aus den gemessenen Torsionsmoduln und den Querzahlen der drei Stäbe ihre Elastizitätsmoduln.

Hinweis: Die Zahlenwerte der Querzahlen nennt Ihnen der/die Betreuer/in des Versuchs.

Aufgabe 4: Man nehme Be- und Entlastungskurve eines Metallrohres (Blei oder Zinn) bei Raumtempera-tur und bei ungefähr 90 K. Bei welcher Belastung liegt die Fließgrenze bei Raumtemperatur?

Geben Sie Proportionalitäts- und Elastizitätsgrenze bei beiden Temperaturen an. Wie kommt die zu beobachtende Temperaturabhängigkeit zustande?

Anmerkung: Auch aus den Messungen an dem Rohr könnte man den Torsionsmodul im Prin-zip leicht ermitteln. Dabei ist nur zu beachten, dass man bei der Herleitung von Gl. (7) nicht von 0 bis R, sondern von R1 bis R2 integriert, wobei R1 und R2 der innere bzw. äußere Radius des Rohres sind.

Hinweis: Man spanne das Rohr ein und nehme die Belastungskurve in Schritten von 100 g auf. Dabei achte man darauf, bei welcher Belastung das Material deutlich zu fließen beginnt. An der Fließgrenze breche man die Belastungsmessung ab.

Für die Abkühlung des Rohres auf 90 K mit Hilfe von flüssigem Stickstoff hilft Ihnen der/die Betreuer/in. Ist das Rohr genügend abgekühlt, so messe man Be- und Entlastungskurve in Schritten von 500 g bis zu einer maximalen Belastung von 2,5 kg.

Vorsicht: Flüssiger Stickstoff kann zu Hautverletzungen führen. Tragen Sie Schutzhandschu-he und Schutzbrille.

4.4 Torsionsschwingungen

Methode: Hier wird der Torsionsmodul mit einer dynamischen Methode bestimmt. Aus der Definitions-gleichung (4) berechnet man, dass für die Verdrillung eines Stabes der Länge l und des Ra-dius R seines kreisförmigen Querschnitts um den Winkel ϕ folgendes Drehmoment D erfor-derlich ist:

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MK 12 Mechanische Materialkonstanten

4

2 rRD G Dl

π ϕ ϕ= = (8)

Dr ist das Direktionsmoment (Richtmoment).

Befestigt man das obere Ende eines dünnen Stabes in einer Halterung und bringt an dem unte-ren Ende eine Kreisscheibe an, deren Trägheitsmoment Θ sei, so wirkt bei Verdrillung um den Winkel ϕ das rücktreibende Drehmoment (Gl. (8)), und es können Torsionsschwingungen um den Stab als Achse entstehen, für deren Schwingungsdauer gilt:

2r

TD

π Θ=

Mit Gl. (8) folgt:

4

22 lTGR

ππΘ

= (9)

Aufgabe 1: Man bestätige experimentell, dass T2 ∼ l ist.

Hinweis: Dazu spanne man den dünnsten der 3 Stäbe gleichen Materials mit angeschraubter Kreis-scheibe in 5 verschiedenen Längen in die Halterung ein (Längen mit dem Bandmaß messen) und bestimme jeweils T als Mittelwert aus 20 Schwingungen. Die Proportionalität wird ent-weder rechnerisch oder grafisch gezeigt.

Aufgabe 2: Man zeige entsprechend, dass T ~ 1/R2 ist.

Hinweis: Bei gleicher, maximal möglicher Länge benutze man hierzu die 3 Stäbe von verschiedenem Radius. R bestimme man mit der Mikrometerschraube, indem man mindestens 10 verschiede-ne Stellen jeden Drahtes ausmisst und den Mittelwert bildet. Man beachte dass die Mikrome-terschraube nur am äußersten Ende gedreht werden darf.

Aufgabe 3: Man bestimme den Torsionsmodul G des Stabmaterials und gebe ihn in den Einheiten N/m2 und kp/mm2 an.

Hinweis: Die Schwingungsdauer wird wieder aus 20 Schwingungen ermittelt, wobei man den dünnsten Stab benutzt. Das Trägheitsmoment der Kreisscheibe berechnet man aus ihrer Masse und ih-rem Radius. Masse und Radius werden zu diesem Zweck gemessen. Der Torsionsmodul er-gibt sich dann aus Gl. (9) (Fehlerrechnung).

Aufgabe 4: Man berechne aus dem gemessenen Torsionsmodul und der zugehörigen Poissonschen Zahl (die Ihnen der/die Betreuer/in nennt) den Elastizitätsmodul E des Drahtmaterials.

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Physikalisches Grundpraktikum

Gleichstrom

Fachrichtungen der Physik

WWW-Adresse Grundpraktikum Physik: 0http://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/

Kontaktadressen der Praktikumsleiter: Dr. Manfred Deicher Zimmer: 1.11, Gebäude E 2.6 e-mail: 1H [email protected] Telefon: 0681/302-58198

Dr. Patrick Huber Zimmer: 3.23, Gebäude E2.6 e-mail: 2H [email protected] Telefon: 0681/302-3944

UNIVERSITÄT DES SAARLANDES

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GL 2 Gleichstrom

1. Stoffgebiet - Stationäre Ströme und Spannungen - Elektrische Netzwerke - Kirchhoff'sche Regeln - Spannungsquellen - Gleichstrommeßwerke - Ersatzschaltbilder - Elektrische Leistung - Energieumwandlung 2. Literatur - Gerthsen-C. ,Meschede, D. Physik 21. Auflage, Springer-Verlag, 2002 - Bergmann-Schäfer Lehrbuch der Experimentalphysik, Band 2, Elektromagnetismus 8. Auflage, W. de Gruyter-Verlag, 1999 - Trautwein-Kreibig-Oberhausen Physik für Mediziner 4. Auflage, de-Gruyter-Verlag, 1986

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Gleichstrom GL 3

3. Fragen 1. Wie sind Strom und Spannung definiert? Man leite das Ohmsche Gesetz aus der diffe-

rentiellen Form j E= ⋅σ her. 2. Wie ändert sich ein metallischer Widerstand, wie ein Halbleiterwiderstand mit der

Temperatur? Wie sieht die Kennlinie einer Glühbirne, eines NTC’s oder PTC’s aus? 3. Welche Wirkungen des elektrischen Stromes können zur Messung der Stromstärke he-

rangezogen werden und wie sind diese Größen mit der Stromstärke verknüpft? Wie nennt man die entsprechenden Meßgeräte?

4. Welche Anforderungen werden an ein ideales Strommeßgerät bezüglich seines Innen-

widerstandes gestellt? Erläutern Sie anhand einer Schaltskizze, wie ein Strommeßgerät in den Schaltkreis eingefügt wird. Überlegen Sie sich wie die obigen Anforderungen durch das Power/Sensor Cassys erfüllt wird.

5. Welche Anforderungen werden an einen idealen Spannungsmesser bezüglich seines

Innenwiderstandes gestellt? Welche Spannungsmeßgeräte kennen Sie und welches von diesen kommt dem idealen am nächsten? Wie wird die Spannung an einem Widerstand gemessen (Schaltskizze!)? Wie sieht das Ganze beim Power/ Sensor Cassy aus?

6. Was versteht man unter elektrischer Arbeit und elektrischer Leistung? Wie sind diese

mit Strom, Spannung und Widerstand verknüpft? Wie läßt sich elektrische Energie in Wärme, Licht, mechanische Energie und in chemische Energie umwandeln (Beispiele)?

7. Wie kann man Gleichspannung erzeugen? Welche Gleichspannungsquellen kennen Sie? 8. Was versteht man unter dem inneren Widerstand einer Spannungsquelle, z.B. eines gal-

vanischen Elementes? 9. Man formuliere die Knoten- und die Maschenregel (1. und 2. Kirchhoff'sches Gesetz)

und gebe je ein Beispiel an. 10. Wie groß muß man den Widerstand Ra eines Verbrauchers wählen, um aus einer Span-

nungsquelle mit dem Innenwiderstand Ri a) die größtmögliche Spannung, b) den größtmöglichen Strom, c) die größtmögliche Leistung zu entnehmen?

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GL 4 Gleichstrom

4. Grundlagen Wird an einem Stoff ein elektrisches Feld E angelegt, fließt ein Strom (1) j E= ⋅σ , wobei j die Stromdichte und σ die Leitfähigkeit sind. Die Leitfähigkeit σ hängt mikroskopisch betrachtet von der Ladung e der freien Ladungsträ-ger, deren Anzahl n sowie deren Beweglichkeit μ im Kristallgitter ab: (2) σ μ= ⋅ ⋅e n . In einem Metall sind freie Ladungsträger stets vorhanden; in einem Halbleiter werden sie durch thermische Energie erzeugt, d.h. die Leitfähigkeit eines Halbleiters wächst stark mit der Temperatur. Aus obiger Gleichung läßt sich leicht das bekannte Ohmsche Gesetz für einen homogenen Leiter, dessen Widerstand R nicht von der Spannung abhängt, herleiten: (3) U R I= ⋅ , wobei I der elektrische Strom durch den Leiter und U der Spannungsabfall längs des Leiters sind. Sind Spannung und Strom nicht von der Zeit abhängig, spricht man von Gleichspannung. Die im Widerstand erzeugte elektrische Leistung ist

(4) P U I R I UR

= ⋅ = ⋅ =22

.

Diese wird im Widerstand R komplett in Wärme umgewandelt. Elektrische Energie hat den Vorteil, daß sie sich mit hohem Wirkungsgrad in andere Energie-arten umwandeln läßt und einfach und umweltfreundlich zu transportieren ist. Ein entschei-dender Nachteil ist die geringe Speichermöglichkeit (Akku, Pumpspeicherwerk). Nachste-hend sind die wichtigsten Energieumwandlungs-möglichkeiten aufgeführt:

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Gleichstrom GL 5

Umwandlung von

mechan. Energie Wärme Licht chemischer Ener-gie

mittels Dynamo, Mikro-fon, Reibungs-elektrizität

Seebeck-Eff. (in-direkt: KKW, Kernreaktor)

Photozelle, (So-larzelle)

Galvanisches Element, Brenn-stoffzelle

in elektrische Energie. Umwandlung von elektrischer. Energie mittels Elektromotor,

Lautsprecher Joule'sche Wär-me, Peltiereffekt

Leuchtstoffröhre (indirekt: Glüh-birne)

Elektrolyse

in mechan. Energie Wärme Licht chemische Ener-gie

Die Messung eines elektrischen Stromes geschieht durch geeignete Ausnutzung seiner Wir-kungen, z.B. durch Messung einer bei Elektrolyse abgeschiedenen Stoffmenge, durch Mes-sung der Temperaturerhöhung infolge Joule'scher Wärme (Thermokreuz, Hitzdraht-Ampèremeter), durch seine magnetischen Wirkungen (Drehspulinstrumente) oder durch e-lektronische Verstärkung und anschließende Digitalisierung der an einem Präzisionswider-stand abfallenden Spannung. Bei der letztgenannten Methode verwendet man ein (leicht abzu-lesendes) Digitalmultimeter mit einem Operationsverstärker (sehr hoher Eingangswiderstand von 100 MΩ und mehr) und einem Analog-Digital-Wandler (hohe Auflösung und Geschwin-digkeit siehe hierzu das Kapitel über AD/DA Wandler). Zur Funktion eines Drehspulmeß-werks sei auf die Literatur bzw. auf den Versuch "Magnetismus" (Teil: Galvanometer) ver-wiesen. Wir wollen uns im folgenden auf die Schaltung von Meßinstrumenten in Stromkrei-sen beschränken. Das Meßwerk eines Drehspulinstruments liefert einen dem hindurchfließen-den Strom proportionalen Ausschlag. Der Maximalausschlag ist die Grundkonstante Im. Als Amperemeter muß das Instrument direkt in den Stromkreis geschaltet werden. Es ist zu be-rücksichtigen, daß jedes Meßwerk einen von Null verschiedenen Innenwiderstand (Grund-konstante Ri) besitzt und somit selbst den zu messenden Strom beeinflußt.

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GL 6 Gleichstrom

Meßbereichserweiterung:

I

R

Ri

U

Abb. 1: Stromkreis mit Meßwerk Durch Änderung des Innenwiderstandes läßt sich der Meßbereich des Ampèremeters erwei-tern. Schaltet man parallel zum Ampèremeter nochmals den Widerstand Rp= Ri, so fließt durch das Meßwerk nur noch der halbe Strom; d.h. mit dem Parallelwiderstand Ri kann man maximal die Stromstärke 2 ⋅ Im messen. Allgemein ergibt sich für eine Erweiterung des Meßbereichs um den Faktor n für den Parallelwiderstand:

(5) Rn

Rp i=−

⋅1

1 (Strommessung-Meßbereichserweiterung).

R

Rp

Ri

U

Abb. 2: Meßbereichserweiterung des Amperemeters

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Gleichstrom GL 7

Als Voltmeter wird das Instrument in den Nebenschluß gelegt (Abb. 3).

U

Rv

R Ri

Abb. 3: Meßbereichserweiterung des Voltmeters Die Maximalspannung, die das Meßwerk messen kann, ergibt sich aus den Grundkonstanten zu (6) U R Im i m= ⋅ . Da jetzt ein Strom durch den Nebenschluß fließt, werden die Verhältnisse im Hauptkreis e-benfalls verändert. Man beachte, daß bei Messung von Strom und Spannung mit Drehspulin-strumenten die zu messenden Ströme und Spannungen beeinflußt werden. Um bei Messung von Strom und Spannung die Verhältnisse im Kreis nicht wesentlich zu verändern, muß der Innenwiderstand des Amperemeters klein gegen die Kreiswiderstände sein. Der Innenwider-stand des Voltmeters soll andererseits sehr groß sein. Schaltet man beim Voltmeter den Widerstand RV in Serie zu, so wird der Meßbereich um den Faktor

(7) n R RR

v i

i=

+ (Spannungsmessung-Meßbereichserweiterung)

größer. Mißt man mit einem Voltmeter die Klemmenspannung Uk einer Batterie, so ist folgendes zu beachten: Durch den inneren Widerstand RB der Batterie und den Widerstand Ri des Voltme-ters entsteht ein Spannungsteiler.

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GL 8 Gleichstrom

RRB

U0

Ri

AV

Uk

S

Batterie

Abb. 4: Klemmenspannung Uk und Leerlaufspannung U0 einer Batterie

Dann ist (8) U U I Rk B0 = + ⋅ , d.h. die Klemmenspannung U U I Rk B= − ⋅0 ist kleiner als die Leerlaufspannung U0 (auch Urspannung, früher elektromotorische Kraft (EMK) genannt). Ist aber Ri sehr groß, so wird der Strom vernachlässigbar klein und Uk U≈ 0 . Schließt man in Abb. 4 den Schalter S und mißt mit dem Ampèremeter den Strom, der über R fließt, so ist der innere Widerstand RB bestimmt durch

(9) R U UIB

k=−0 .

Betrachtet man die Leistungsaufnahme im Verbraucher el(P = )kR U I⋅ , so stellt man fest, daß bei (10) R Ri= die Batterie die maximale Leistung abgibt (Leistungs-Anpassung). Will man die Leerlaufspannung exakt messen, darf der Batterie kein Strom entnommen wer-den. Eine solche Möglichkeit besteht bei der Kompensationsmethode nach Poggendorf (Abb. 5).

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Gleichstrom GL 9

Abb. 5: Kompensationsmethode nach Poggendorf An dem Meßdraht AB der Länge L, an dem die Hilfsspannung Uh0 > Ux0 liegt, greift man eine Spannung zwischen A und C ab, die gleich Ux0 ist. In diesem Fall fließt durch das Gal-vanometer G kein Strom. Die gesuchte Leerlaufspannung Ux0 ist dann:

(11) U aL

Uxx

h0 0= ⋅

Uh0

CA

G Ux0

L

B ax

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GL 10 Gleichstrom

5. Versuchsdurchführung Leiten Sie die Gleichungen (5), (7) und (10) her. Versuch A: Innenwiderstand einer Spannungsquelle

Aufgabe 1: a) Man bestimme den Innenwiderstand RB und die Leerlaufspannung U0 der Batterie ohne Zusatzwiderstand für verschiedene Lastwiderstände R = 10, 20, 30, 40, 50, 60 Ω. Messen Sie die Klemmenspannung Uk an R, berechnen Sie daraus den Strom I und tragen Sie die Meß-punkte in einem Uk=Uk(I)-Diagramm auf. Aus der Steigung und dem y-Achsenabschnitt der Bestgeraden erhält man nach Gleichung (8) U0 und RB .

b) Bestimmen Sie ebenso den Innenwiderstand und die Leerlaufspannung der Batterie mit Zusatzwiderstand.

c) Wie groß sind die Kurzschlußströme der Batterie für a) und b)?

Vorsicht: Drücken Sie den Taster stets nur kurzzeitig, um die Batterie nicht zu sehr zu be-lasten! Aufgabe 2: Die Anpassung eines Verbrauchers R an die Spannungsquelle ist experimentell zu bestim-men: Es wird die Batterie mit dem größten Innenwiderstand (Aufgabe 2.1b)) benutzt. Der Lastwiderstand R wird zwischen 10 kΩ und 0 Ω variiert. Man zeichne die Funktion P = P(R). Versuch B,C: Poggendorf-Kompensator In Abweichung der Basisschaltung in Abb. 5 wird zur Durchführung der Messung folgende Schaltung benutzt:

Abb. 6: Meßanordnung Poggendorf Kompensator

Uh0

CA

UN0

L

B ax,N

Ux0S

G

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Gleichstrom GL 11

Die Normalspannung UN0 (Eichnormal) wird benötigt, um die Hilfsspannung Uh0 zu elimi-nieren, da dieser laufend Strom entzogen würde, und sie somit nicht konstant bliebe.

Aus U aL

UNN

h0 0= ⋅ und

U aL

Uxx

h0 0= ⋅ folgt dann

(12) U aa

Uxx

NN0 0= ⋅

Aufgabe 1: Man bestimme die Leerlaufspannungen dreier verschiedener Batterien. Aufgabe 2: a) Man messe die Summenspannung der am stärksten differierenden Elemente.

b) Man messe deren Differenzspannung. Bei jeder Messung ist aN neu zu bestimmen. Vorsicht: Man drücke die Taste S stets nur kurzzeitig, um den Elementen im unabgegliche-nen Zustand nicht zu schaden. Versuch D,E: Messbereichserweiterung Als Spannungsquelle dient ein Netzgerät in Verbindung mit zwei zugeschalteten Widerstän-den Ri1 und Ri2

. Die Spannung U0 (6 V), die das Netzgerät liefert, wird als eine Spannungs-quelle ohne Innenwiderstand betrachtet. Die Widerstände Ri1 und Ri2

sollen als Innenwi-derstände zweier Spannungsquellen mit den Klemmenspannungen Uk1

und Uk2 angesehen

werden.

Abb. 7: Versuchsanordnung Meßbereichserweiterung Aufgabe 1:

Netzgerät

R i1

Rx R i2

Uk1

Uk 2

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GL 12 Gleichstrom

Man gebe die Grundkonstanten Ri, Im, Um des am Arbeitsplatz befindlichen Meßwerks an. Aufgabe 2: Man bilde durch Zuschalten eines passenden Widerstandes ein Voltmeter mit dem Meßbe-reich 6 Volt, messe damit die Spannungen Uk1

und Uk2 und berechne den zugehörigen Leis-

tungsverbrauch des Voltmeters. Aufgabe 3: Man erweitere den Meßbereich des Voltmeters auf 30 V, messe wieder Uk1

und Uk2 und

berechne den Leistungsverbrauch dieses Voltmeters. Aufgabe 4: Wie erklären sich die Unterschiede der Meßergebnisse von Aufgabe 2 und Aufgabe 3? Aufgabe 5: Durch Zuschalten eines geeigneten Widerstandes bilde man ein Amperemeter mit dem Meß-bereich 60 mA. Dieses schalte man in Serie mit dem unbekannten Widerstand Rx, lege die Spannung Uk2

an und messe die Stromstärke. Aufgabe 6: Aus dem Meßergebnis von Aufgabe 5 berechne man Rx, die Leistungsaufnahme des Ampe-remeters bei dieser Messung und vergleiche sie mit der Leistungsaufnahme des gesamten Kreises.

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Gleichstrom GL 13

6. Versuchsausstattung

Versuch A

- 1 Batterie mit umschaltbarem Innenwiderstand und Taster - 1 Widerstandsdekade 0 . . . 111 Ω - 1 Widerstandsdekade oder 1 veränderlicher Widerstand 0 . . . 10 kΩ - 1 Multimeter

Versuche B, C - 1 Eichnormal (Standard Cell) - 3 Batterien mit Ein-Aus-Schalter - 1 Schaltbrett mit Umschalter und Taster - 1 Schiebewiderstand mit Schleifer - 1 Nullindikator - 1 Spannungsquelle

Versuche D, E - 1 Meßwerk - 1 Spannungsquelle (6V) - 1 Schaltbrett mit 3 Widerständen - 1 Widerstandsdekade

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Physikalisches Grundpraktikum

Wechselstrom

Fachrichtungen der Physik

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Kontaktadressen der Praktikumsleiter: Dr. Manfred Deicher Zimmer: 1.11, Gebäude E 2.6 e-mail: 1H [email protected] Telefon: 0681/302-58198

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UNIVERSITÄT DES SAARLANDES

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WS 2 Wechselstrom

1. Stoffgebiet

- Darstellung von Wechselspannungen und -strömen - Zeigerdiagramm von Wechselstromwiderständen - Wechselstromnetzwerke - Elektrische Resonanzen - Wechselstromleistung - Freie Ladungsträger - Oszillograf

2. Literatur Gerthsen-C. ,Meschede, D. Physik 21. Auflage, Springer-Verlag, 2002 W. Walcher:

Praktikum der Physik 9. Auflage, Teubner, 2006

H.-J. Eichler,H.-D. Kronfeldt, J. Sahm: Das Neue Physikalische Grundpraktikum 2. Auflage, Springer, 2006

Version: Nebenfach 1 semestrig

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Wechselstrom WS 3

3. Fragen 1. In einem Stromkreis befindet sich eine Gleichspannungsquelle, ein ohm'scher Wider-

stand und eine Induktivität. Man diskutiere den Verlauf von Stromstärke und Spannung an der Spule, wenn der Gleichstrom eingeschaltet wird.

2. Ein Kondensator wird über einen Widerstand von einer Gleichspannungsquelle aufge-

laden. Man diskutiere die Strom- und Spannungsverhältnisse am Kondensator bei dem Aufladevorgang.

3. Wie kann man Wechselströme erzeugen? Durch welche Größen ist der Wechselstrom

bestimmt? 4. Wie werden die Impedanz und die Phasenverschiebung experimentell ermittelt?

5. Welche mittlere Leistung wird in einer Impedanz 2

2 1Z R LC

ww

⎛ ⎞= + −⎜ ⎟⎝ ⎠

, welche in

einer Kapazität und welche in einer Induktivität erzeugt? 6. Skizzieren Sie die Impedanz und die Phasenverschiebung a) bei Serienresonanz und b) bei Parallelresonanz als Funktion der Frequenz. Zu welchen Zwecken kann man diese Schaltkreise gebrau-

chen? 7. Welche Kräfte wirken auf ein Elektron, das sich in einem elektrischen Feld bewegt?

Welche kinetische Energie gewinnt es beim Durchlaufen des Feldes? 8. Erklären Sie an Hand einer Skizze kurz die Funktionsweise des Oszillografen. Wie

kann man mit dem Oszillografen den zeitlichen Verlauf von Spannungen messen? 9. Wie lassen sich mit dem Oszillografen Ströme messen? 10. Welche Strom- und Spannungsmeßgeräte kennen Sie? Erläutern Sie die Verwendungs-

möglichkeiten.

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WS 4 Wechselstrom

4. Grundlagen 4.1. Oszillograf Der zeitliche Verlauf elektrischer Wechselspannungen läßt sich mittels eines Oszillografen sichtbar machen.

1) Kathodenheizung 5) Y-Ablenkplatten 2) Kathode 6) X-Ablenkplatten 3) Fokussiereinrichtung 7) Nachbeschleuniger 4) Anode 8) Leuchtschirm

Abb. 1: Schnittbild einer Oszillografenröhre

Die im Hochvakuum von der Glühkathode ausgehenden Elektronen werden durch den als elektrische Linse wirkenden Hohlzylinder und die durchbohrte Anode auf den Leuchtschirm abgebildet, wo sie durch Fluoreszenzanregung einen Lichtfleck erzeugen. Auf dem Weg zwischen Anode und Leuchtschirm passieren die Elektronen nacheinander zwei um 90° gegeneinander versetzte Plattenkondensatoren, durch deren elektrische Felder die Elektronen abgelenkt werden. Beide Ablenkungen sind den Feldstärken xE und yE proportional, die die an den Kondensatorplatten angelegten Spannungen Ux und Uy erzeugen. Für den Ablenkungsweg gilt (siehe Abb. 2):

(1) 2

2

12

e lx Em v

= ,

e = Elementarladung, m = Elektronenmasse, v = Geschwindigkeit der Elektronen.

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Wechselstrom WS 5

Abb. 2: Geometrie der Ablenkplatten Ist das elektrische Feld in den Ablenkkondensatoren homogen, dann ist es dort der angelegten Spannung U proportional: (2) U E d Ed= = Sei s der Abstand zwischen der Mitte des Kondensators und dem Leuchtschirm, dann ist die Ablenkung D auf dem Leuchtschirm :

(3) 2 2

2xs e sl e U slD El m v m d v

= = =

Ein Elektronenstrahloszillograf besteht aus der Bildröhre mit Spannungsversorgung, den Ver-stärkern für Horizontal- und Vertikalablenkung, der Zeitbasis und der Synchronisation (Trig-ger). Die Zeitabhängigkeit eines an dem Y-Eingang angelegten periodischen Signals läßt sich ver-folgen, wenn an dem X-Kondensator eine mit der Zeit linear anwachsende Spannung liegt. Hat diese den Elektronenstrahl bis zum rechten Bildrand abgelenkt, muß sie auf den An-fangswert zurückkippen, damit der Elektronenstrahl wieder vom linken Bildrand loslaufen kann. („Kipp-„ oder „Sägezahn“-Spannung). Ein zeitlich konstantes Kurvenbild eines periodischen Y-Spannungsverlaufs ergibt sich nur dann, wenn die Kippfrequenz der von der Zeitbasis gelieferten Sägezahnspannung ein ganzes Vielfaches der Frequenz am Y-Eingang ist. Dies erreicht man durch die Synchronisation (trig-gern). Speist man die X-Platten nicht mit einer Sägezahn-, sondern ebenso wie die Y-Platten mit einer sinusförmig- gen Wechselspannung, so zeichnet der Lichtfleck dann ein stehendes Bild, wenn die Frequenzen an X-und Y-Eingang in rationalem Verhältnis zueinander stehen (Lissa-jous-Figuren).

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WS 6 Wechselstrom

4.2. Wechselstromkreise Unter Wechselstrom versteht man einen periodisch das Vorzeichen wechselnden Strom. Im folgenden beschränken wir uns auf sinusförmige Wechselströme und -spannungen. An einem Wechselstromkreis sei die Wechselspannung (4) 0( ) sin( )U t U tw=

(ω: Kreisfrequenz, 12 2fT

w p p= = ,

f: Frequenz, T: Periode, U0: Amplitude) angelegt. Sie verursacht einen Wechselstrom I(t), der im allgemeinen Fall gegenüber U(t) eine Phasen-verschiebung hat: (5) 0( ) sin( )I t I tw j= − (I0: Amplitude)

Abb. 3: Zeitlicher Verlauf einer sinusförmigen Wechselspannung und eines sinusförmigen Wechselstroms

An einem ohm'schen Widerstand ist 0j = , an einem Kondensator C eilt I(t) der

Wechselspannung U(t) um 90° voraus (2pj = − ), an einer Spule L um 90° (

2pj = + ). Ideale

Kondensatoren und ideale Spulen sind Blindwiderstände, die als Speicher für

elektromagnetische Energie dienen und diese Energie mit einer Phasenverschiebung von 2p

±

an die Stromquelle zurückgeben. Gesucht sind nun Aussagen über die im Wechselstromkreis erbrachte Leistung und Bezie-hungen zwischen I(t), U(t) sowie zwischen I0 und U0.

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Wechselstrom WS 7

4.3. Leistung im Wechselstromkreis Die Leistung eines Wechselstromes ist in jedem Augenblick durch das Produkt aus den Mo-mentanwerten der Spannung und des Stromes gegeben. Für die über eine Periode T erzeugte Leistung gilt dann:

(6) 0

1 ( ) ( )T

P U t I t dtT

= ∫

Mit (4) und (5) folgt:

0 00

1 sin( )sinT

P U I t t dtT

w j w= −∫

Die Additionstheoreme für trigonometrische Funktionen liefern mit

1sin sin (cos cos )2 2 2

a b a b b a+ −= −

1sin( )sin (cos cos(2 ))2

t t tw j w j w j− = − −

0 0

0

1 (cos cos(2 ))2

TU IP t dtT

j w j= − −∫

0 01 cos2

P U I j=

Unter den Effektivwerten von Wechselstrom bzw. -spannung verstehen wir nun diejenigen Größen, die ein Gleichstrom besitzen muß, um in einem ohm'schen Widerstand ( cos 1j = ) die gleiche Leistung hervorzubringen:

(7) 0

2effII = ; 0

2effUU =

Es folgt für die in Wärme umgewandelte Leistung in einem beliebigen Wechselstromkreis: (8) coseff effP U I j= Hitzdraht- sowie Weicheisenamperemeter und Drehspulinstrumente zeigen Ieff und Ueff an.

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WS 8 Wechselstrom

4.4. Wechselstromkreis mit Kapazität, Induktivität und Widerstand in Serie

R: 111

Ω =VA

, C: 11 1

1F

A sV

=⋅

, L: 11 1

1H

V sA

=⋅

Abb. 4: RLC-Serienschaltung an einer Wechselspannungsquelle

Es sei 0( ) sinU t U tw= an C, L und R in Serie angelegt und rufe einen Wechselstrom

0( ) sin( )I t I tw j= − hervor. Es gilt: ( ) ( ) ( ) ( )C L RU t U t U t U t= + + Mit 0( ) ( ) sin( )RU t RI t RI tw j= = −

0( )( ) cos( )CIQ tU t t

C Cw j

w= = − − , da: ( ) ( )Q t I t dt= ∫

0( )( ) cos( )L

Ldl tU t L I tdt

w w j= = −

erhalten wir:

00 0 0

0 0

sin sin( ) cos( ) cos( )

1sin( ) ( ) cos( )

IU t RI t L I t tC

RI t L I tC

w w j w w j w jw

w j w w jw

= − + − − −

= − + − −

Mit den wohlbekannten trigonometrischen Additionstheoremen: sin( ) sin( ) cos( ) cos( )sin( )a b a b a b± = ± cos( ) cos( ) cos( ) sin( )sin( )a b a b a b± = ∓

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Wechselstrom WS 9

läßt sich die Gleichung weiter umformen zu:

0 0 0

0 0

10 sin ( cos ( ) sin )

1cos ( sin ( )cos )

t U I R L IC

t I R LC

w j w jw

w j w jw

= − + + −

− − −

Nun können wir die gesuchten Größen I0 und ϕ berechnen. Soll nämlich diese Gleichung zu jeder Zeit t erfüllt sein, müssen die Faktoren von sin tw und cos tw einzeln Null sein.

(9) 0 0 01cos ( ) sinU I R L IC

j w jw

= + −

(10) 0 010 sin ( ) cosI R LC

j w jw

= − −

Aus Gl. (10) ergibt sich unmittelbar die Phasenverschiebung ϕ

(11)

1

tanL

CR

wwj

−=

Unter Ausnutzung von 2 2sin cos 1j j+ = ergibt sich aus Gl. (11):

2

2

1

sin1

LC

R LC

wwj

ww

−=

⎛ ⎞+ −⎜ ⎟⎝ ⎠

; 2

2

cos1

R

R LC

j

ww

=⎛ ⎞+ −⎜ ⎟⎝ ⎠

Eingesetzt in Gl. (9) erhält man:

(12) 00 2

2 1

UI

R LC

ww

=⎛ ⎞+ −⎜ ⎟⎝ ⎠

In Analogie zum Ohm'schen Gesetz definieren wir die dem Gleichstromwiderstand entspre-chende Größe „Impedanz“ Z:

(13) 2

2 1Z R LC

ww

⎛ ⎞= + −⎜ ⎟⎝ ⎠

Diese Definition für Z legt nahe, die Einzelwiderstände als Vektoren aufzufassen. Fehlt im Stromkreis einer der Wechselstromwiderstände, so wird die entsprechende Komponente in der obigen Betrachtung weggelassen.

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WS 10 Wechselstrom

R-C-Serienkreis:

22 2

1Z RCw

= + und

1

tan CRwj

−=

R-L-Serienkreis:

2 2 2Z R Lw= + und tan LRwj =

Abb. 5: Zeigerdiagramm für Wechselstromwiderstände mit Wirkwiderstand R und Blindwi-

derstand 1LC

ww

− .

Wesentlich einfacher ist es aber, mit Hilfe von komplexen Zahlen die Berechnung von Wech-selstromkreisen auf das Ohm'sche Gesetz und die Kirchhoff'schenRegeln zurückzuführen. Man trifft dazu die folgenden Zuordnungen: ohm'scher Widerstand RΩ= R induktiver Widerstand RL= iωL ( 2 1i = − )

kapazitiver Widerstand 1C

iRi C Cw w

= = −

Ebenso wird dann eine sinusförmige Wechselspannung (mit der Phasenverschiebung ϕ ) wie folgt definiert: ( )

0( ) i tU t U e w j−= Aus dem komplexen Widerstand R a ib= + erhält man die reellen und daher meßbaren Grö-ßen

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Wechselstrom WS 11

2 2R Z a b= = + (Impedanz);

tan ab

j = (Phasenverschiebnung zwischen Strom und Spannung).

Man kann die Impedanz nach Gl. (7) und Gl. (12) durch die einfach meßbaren Größen Ueff, Ieff bestimmen:

(14) 0

0

eff

eff

U UZI I

= =

4.5 Bestimmung der Phasenverschiebung ϕ (i) Den Phasenwinkel j kann man mit einem Leistungsmeßgerät (Wattmeter) bestimmen,

wenn man Ueff und Ieff bestimmt und mit P in Gl. (8) einsetzt.

(ii) Die Phasenverschiebung j kann auch mit einem X-Y-Oszillografen aus einer Lissa-jousfigur bestimmt werden:

Abb. 6: Messung nach der Ellipsenmethode

Legt man an die X-Platten eines Oszillografen die Spannung (15a)

0( ) sin( )x xU t U tw=

und an die Y-Platten (15b)

0( ) sin( )y yU t U tw j= −

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WS 12 Wechselstrom

so entsteht auf dem Bildschirm eine Ellipse, deren Bahnkurve man aus Gl. (15a) und Gl. (15b) erhält, indem man die Zeit eliminiert:

(16) 0 0 0 0

222

2 2 2 cos sin 0y yx x

x y x y

U UU UU U U U

j j+ − − =

Aus Gl. (16) gehen die Schnittpunkte a und b der Ellipse mit der x- und y-Achse her-vor:

(17) 0

0 0 0

sinsin

sinx

y x y

a U a bb U U U

jj

j= ⎫⎪⇒ = =⎬= ⎪⎭

Mißt man a,

0xU oder b, 0yU , so kann man j bestimmen.

(iii) Mit einem Zweistrahloszillografen, der zwei Y-Ablenkteile (Y1- und Y2-Eingang)

enthält, lassen sich die Zeitabhängigkeiten von Strom und Spannung simultan darstel-len. Aus dem Abstand der Nulldurchgänge ergibt sich j (siehe Abb. 3).

4.6. Elektrische Resonanz Wählt man in einer Serienschaltung von Kondensator, Spule und ohm'schen Widerstand, d.h. mit

2

2 1Z R LC

ww

⎛ ⎞= + −⎜ ⎟⎝ ⎠

die Frequenz der angelegten Wechselspannung so, daß 1LC

ww

= ist, wird die Impedanz mi-

nimal, d.h. Z = R, und die Phasenverschiebung wird Null (j = 0). Strom und Spannung sind jetzt in Phase. Diesen Fall bezeichnet man mit Resonanz, die zugehörige Frequenz fr als Resonanzfrequenz. Es gilt:

(18) 1r LC

w = bzw 1 12rf LCp

= (Thomson-Gleichung).

Im Fall der Serienschaltung wird der Strom maximal, und an der Spule und dem Kondensator können Spannungen auftreten, welche die Generatorspannung um ein Vielfaches übersteigen. Die Spannungserhöhung ist

(19) 0 0

1 CL UU LU R RC U

ww

= = =

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Wechselstrom WS 13

Bei Parallelschaltung von R, L und C braucht man die Ausdrücke für den Serienkreis nur zu übersetzen, indem man Ströme durch Spannungen und Widerstände durch Leitwerte ersetzt. Hier wird in der Resonanz der Strom minimal. Resonanzkreise finden Anwendung bei Antennen, Frequenzmessern, Filtern, Sperr- und Schwingkreisen (Sender, Verstärker, Empfänger). 5. Versuchsdurchführung

Abb. 7: Zur Versuchsdurchführung wird dieses Schaltbild benutzt (hier als Beispiel für Aufgabe 3)

Aufgabe 1: In einem R-C-Serienkreis ist die Phasenverschiebung j als Funktion der Kapazität ( )Cj j= zu bestimmen und grafisch darzustellen. f = 10 kHz, 200ΩR ≈ . C variiere man in 10 Schrit-ten von 0 - 200 nF auf der Kapazitätsdekade. Messung: Ellipsenmethode Nach Abb. 7 greife man an R die Spannung UR(t) ab, die mit I(t) in Phase ist (UR(t) ~ I(t)) und gebe sie an den X-Eingang des Oszillografen. Uges(t) wird an einen der beiden Y-Eingänge gegeben, man erhält eine Lissajousfigur. Die Generatorspannung und die jeweilige Empfind-lichkeit am Oszillografen sind aus Genauigkeitsgründen so zu wählen, daß die Ellipse an das Rechteck x = 8 E und y = 6 E (1 E = 1 cm auf dem Oszillografenschirm) grenzt.

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WS 14 Wechselstrom

Aufgabe 2: In einem R-L-Serienkreis ist die Phasenverschiebung j als Funktion der Frequenz ( )fj j= zu bestimmen und tan ϕ grafisch darzustellen und zu deuten. f = (0,1; 1; 3; 5; 10; 20; 60; 100) kHz; L = 10 mH; 200ΩR ≈ . Messung: Direkt mit dem Zweistrahloszillografen UR(t)~I(t) wird an einen der Y-Eingänge gegeben, Uges(t) an den anderen Y-Eingang. Die Zeitbasis des Oszillografen wird so eingestellt, daß eine Periode eines Signals auf genau x = 10 E kommt (Anfangspunkt mit X-Shift korrigieren, Endpunkt mit Zeitbasisschalter oder Zeit-Shift einregulieren und evtl. wiederholen). Die Amplitude soll mindestens 3 E betragen, um Ablesefehler zu vermeiden. Dabei ist besonders auf die Symmetrie der Amplituden zur Zeitachse zu achten. Aufgabe 3: In einem R-L-C-Serienkreis ist die Impedanz Z als Funktion der Frequenz Z = Z(f) grafisch aufzutragen. f = (0,1; 1; 2; 3; 4; 5; 6; 8) kHz; C = 30 nF; L = 100 mH; 600ΩR = . Messung: Man benutze die gleiche Meßmethode wie in Aufgabe 2, lese U0, I0 ab. Mit Gleichung (14) ergibt sich Z. (Achten Sie auf die Eichung der Y-Skalen!) Ermitteln Sie aus der Auftragung die Resonanzfrequenz fr und vergleichen Sie diese mit dem theoretisch zu erwartenden Wert. 6. Versuchsausstattung

- 1Oszillograf - 1Funktionsgenerator - 1Schaltbrett mit Widerstand - 1Induktivitätsdekade - 1Kapazitätsdekade - Adapter BNC-Banane - Kabel

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Physikalisches Grundpraktikum

Spezifische Wärmekapazität

Fachrichtungen der Physik

WWW-Adresse Grundpraktikum Physik: http://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/

Kontaktadressen der Praktikumsleiter: Dr. Manfred Deicher Zimmer: 1.11, Gebäude E 2.6 e-mail: [email protected]: 0681/302-58198

Dr. Patrick Huber Zimmer: 3.23, Gebäude E2.6 e-mail: [email protected]: 0681/302-3944

UNIVERSITÄT DES SAARLANDES

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WK 2 Spezifische Wärmekapazität

1. Stoffgebiet

• Hauptsätze der Wärmelehre

• Wärmekapazität

• Kalorimeter

• Joule'sche Wärme

• Gleichverteilungssatz

• Spezifische Wärmekapazität von Gasen

• Festkörperphysik

• Gitterschwingungen

• Spezifische Wärmekapazität eines Festkörpers

• Dulong-Petit’sches Gesetz

2. Literatur

• W. Walcher: Praktikum der Physik 9. Auflage, Teubner, 2006

• H.-J. Eichler,H.-D. Kronfeldt, J. Sahm: Das Neue Physikalische Grundpraktikum 2. Auflage, Springer, 2006

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Spezifische Wärmekapazität WK 3

3. Fragen

1. Wie sind die spezifischen Wärmekapazitäten cV und cp definiert? Warum ist bei einem

Körper der Masse m 1V

V

dUcm dT

⎛ ⎞= ⎜ ⎟⎝ ⎠

?

2. Warum ist beim idealen Gas cp > cV ? Berechnen Sie die Differenz der Molwärmen cp' - cV'.

3. Leiten Sie die Bestimmungsgleichung für die Wärmekapazität eines unbekannten Stof-fes nach der Mischungsmethode her. Benötigt man dazu die Hauptsätze der Wärmeleh-re?

4. Was versteht man unter dem Wasserwert (Leerkapazität) eines Kalorimeters und wie kann er gemessen werden?

5. Geben Sie in einer Schaltskizze an, wie man Strom und Spannung an einem Widerstand messen muss, wenn man die erzeugte Heizleistung bestimmen will?

6. Wie ist ein Festkörper (Kristall) aufgebaut? Was versteht man unter Gitterschwingun-gen?

7. Wie lautet der Gleichverteilungssatz? Wie teilt sich die Zahl der bei Zimmertemperatur angeregten Freiheitsgrade in einem ein- oder zweiatomigen Gas auf, wie in einem Fest-körper?

8. Erklären Sie das Dulong-Petit’sche Gesetz mit Hilfe des Gleichverteilungssatzes. Erläu-tern Sie die Neumann-Kopp’sche Regel.

9. Leiten Sie unter Annahme der Gültigkeit der elementaren kinetischen Gastheorie die Molwärmen von idealen Gasen her.

10. Man skizziere den Verlauf der Atomwärme eines einatomigen Festkörpers in Abhän-gigkeit von der Temperatur!

11. Wenn man einen Eisblock von T = -20 °C mit pro Zeiteinheit konstanter Wärmemenge dQ/dT erwärmt, bis man Dampf von T = 120 °C hat, hat das T(t)-Diagramm ein charak-teristisches Aussehen. Zeichnen Sie das Diagramm und geben Sie eine Deutung. Wel-che Größe ist ein Maß für die Wärmekapazität? Wie groß sind die spezifischen Wärme-kapazitäten bei 0 °C und 100 °C?

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WK 4 Spezifische Wärmekapazität

4. Grundlagen

4.1 Phänomenologie

Führt man einem Körper eine Wärmemenge ΔQ zu, erhöht sich seine Temperatur T um ΔT, wenn nicht gerade ein Phasenübergang 1. Ordnung vorliegt; dann ist ΔT = 0. Die Wärmezu-fuhr kann unter verschiedenen Randbedingungen erfolgen, z. B. bei konstant gehaltenem Vo-lumen oder Druck. Dementsprechend wird ΔT verschieden groß werden, und man definiert als Wärmekapazität des Körpers bei konstantem Volumen

VV

QCT

∂⎛ ⎞= ⎜ ⎟∂⎝ ⎠ (1)

bzw. als Wärmekapazität bei konstantem Druck

pp

QCT

∂⎛ ⎞= ⎜ ⎟∂⎝ ⎠ (2)

Die Dimension der Wärmenge ist J (Joule), die der Temperatur K (Kelvin - siehe auch Ver-such „Temperaturmessung“). Oft findet man jedoch noch für die Wärmemenge die veraltete Dimension cal (Kalorie: Umrechnung: 1 cal = 4,1868 J).

Die spezifische Wärmekapazität ist die Wärmemenge der Masse 1 g eines Stoffes, also

,,

Jg K

V pV p

Cc

m⎛ ⎞

= ⎜ ⎟⎝ ⎠

,V p

(3)

m ist die Masse des Körpers. Unter der molaren Wärmekapazität c′ (auch Atom- oder Molwärme genannt) versteht man die Wärmekapazität eines Mols eines Stoffes. Für einen Stoff von Mol ergibt sich also ν

,,

Jmol K

V pV p

Cc

⎛ ⎞′ = ⎜ ⎟ν ⎝ ⎠

, M

bzw.U Q p V

Q U p V

D D D

D D D

. (4)

Die spezifische und die molare Wärmekapazität sind über das Atomgewicht M mit verknüpft. '

,V p V pc c=

Aus dem 1. Hauptsatz der Wärmelehre = −

= +

p Vc c>

(5)

lässt sich abschätzen, dass stets gilt

(6)

Betrachten wir z. B. den Fall des idealen Gases, wo die innere Energie U vom Volumen unabhängig ist, so finden wir, dass die bei konstantem Volumen (dV = 0) in das System ge-steckte Wärmemenge nur der Erhöhung der inneren Energie U dient; führt man dagegen die

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Spezifische Wärmekapazität WK 5

Wärme bei konstantem Druck p zu, dehnt sich das Gas mit steigender Temperatur aus, und ein Teil der Wärmemenge wird zum Verrichten der Ausdehnungsarbeit +pdV benötigt.

Beim Festkörper unterscheiden sich cp und cV nur wenig, da die thermische Dehnung und der Kompressionsmodul klein sind.

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WK 6 Spezifische Wärmekapazität

4.2 Atomistische Theorien Für die Thermodynamik ist vor allem die Atom- oder Molwärme von Interesse. Bezogen auf 1 Mol folgt aus Gl. (5)

MolV

V V

UQcT T

∂∂ ⎛ ⎞⎛ ⎞′ = =⎜ ⎟ ⎜ ⎟∂ ∂⎝ ⎠ ⎝ ⎠ (7)

Hier wird die messbare Größe cV’ mit der molaren inneren Energie UMol verknüpft, die sich aus theoretischen Modellen errechnen lässt. Dadurch bietet sich eine wichtige Möglichkeit, atomistische Modelle experimentell zu überprüfen.

Dazu zwei Beispiele:

1. Ideales Gas mit f Freiheitsgraden: nach dem Gleichverteilungssatz besitzt ein Gasteil-chen im Mittel die Energie ( 2) BE f= k T (kB: Boltzmannkonstante): 1 Mol enthält N Teilchen (N: Loschmidt’sche Zahl) und damit wird die innere Energie zu

( 2) ( 2)Mol BU N f k T f= = RT (R: Gaskonstante). Daher wird ( 2)Vc f R′ =

ong-Petit'sches Gesetz)

, was auch für viele reale Gase gut erfüllt ist.

2. Einatomige Festkörper: In der harmonischen Näherung (Der Potentialansatz enthält Glieder bis zur quadratischen Ordnung) hängt die Schwingungsenergie der Gitterteil-chen im Festkörper nur von der Temperatur ab. Da die Teilchen zu 3-dimensionalen Gitterschwingungen (vgl. Phononenbegriff) angeregt werden können, entfällt nach dem Gleichverteilungssatz auf die mittlere kinetische Energie eines Teilchens der Anteil <Ekin> = (3/2)kBT. Da die potentielle Energie im Mittel gleich der kinetischen Energie ist, wird die Gesamtenergie des Teilchens zu Ekin = 3kBT.

Dann ist UMol = 3RT und

(8) 3 (DulVc R′ =

Dieses Gesetz ist jedoch nur für höhere Temperaturen und abseits von Phasenumwand-lungen richtig; bei tieferen Temperaturen (≤ 250 K) verliert der Gleichverteilungssatz seine Gültigkeit, da dann gewisse Schwingungstypen wegen der geringeren thermischen Anregungsenergie ausfallen (Quantentheorie des Festkörpers ). Die Atomwärme nimmt daher mit fallender Temperatur ab und geht nahe dem absoluten Nullpunkt mit T3 gegen 0 (Debye'sches T3-Gesetz). Bei Metallen ist außerdem der thermische Energieanteil der Elektronen zu berücksichtigen, der jedoch bei höheren Temperaturen vernachlässigt werden kann.

Eine leicht abzuleitende Folge des Dulong-Petit'schen Gesetzes ist die Neumann-Kopp'sche Regel:

Die Molwärme eines mehratomigen Festkörpers ist gleich der Summe der Atomwärmen der Einzelkomponenten.

4.3 Kalorimeter Ein Gerät zur Messung der Wärmekapazität heißt Kalorimeter. Eine ziemlich ungenaue aber einfache Bestimmung lässt sich mit dem Mischungskalorimeter durchführen: Wenn zwei Körper mit den (in etwa) temperaturunabhängigen Wärmekapazitäten C1 und C2 und den An-fangstemperaturen T1 und T2 (T1 > T2) in Wärmekontakt gebracht werden, gleichen sie nach dem 2. Hauptsatz ihre Temperatur einander an. Die entstehende Mischungstemperatur sei TM (siehe auch 1. Hauptsatz). Für sie gilt nach dem Energieerhaltungssatz:

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Spezifische Wärmekapazität WK 7

Abgegebene Wärmemenge = Aufgenommene Wärmemenge also

1 1 2 2( ) (M MC T T C T T )− = − (9)

Zur Messung der spezifischen Wärmekapazität cK eines wasserunlöslichen Körpers (Masse mK), den man auf die Temperatur TK gebracht hat, benutzt man als zweiten Körper zweckmä-ßig eine Wassermenge der bekannten spezifischen Wärmekapazität cw, der Masse mw und der Temperatur Tw, die sich in einem Dewargefäß (Thermosflasche) befindet, damit die Wärme-verluste möglichst gering gehalten werden. Die Messung wird dadurch kompliziert, dass der das Wasser enthaltene Innenteil des Dewargefäßes sowie Rührer und Thermometer am Wär-meaustausch mitbeteiligt sind, und deren Gesamtwärmekapazität CKal berücksichtigt werden muss. Dann wird Gl. (13) zu

(10) ( ) ( )(K K K M W W Kal M Wc m T T c m C T T− = + − )

Eine genauere und direktere Methode, die Wärmekapazität zu messen, lehnt sich eng an die Definitionsgleichungen (1) und (2) an: Dem thermisch ideal isolierten Versuchskörper wird durch eine elektrische Heizung (Spannung U und Strom I während der Zeit Δt) die Wärme-menge

Q UI tD D= (11)

zugeführt. Aus der Temperaturerhöhung des Körpers ergibt sich dann seine Wärmekapazität CK:

KQCT

DD

= (12)

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WK 8 Spezifische Wärmekapazität

5. Versuchsdurchführung

Aufgabe 1: Messen Sie mit dem Mischungskalorimeter die spezifischen Wärmekapazitäten von Alumi-nium, Kupfer und Flußspat (CaF2).

Anleitung: Dazu werden die Versuchskörper gewogen und an einem Metallstab mit Drahtha-ken in kochendes Wasser gehängt (Temperatur TK) Dabei dürfen diese den Topfboden nicht berühren (warum?)! In das Dewargefäß wird abgemessenes Leitungswasser gefüllt (Tempera-tur (TW)) . Nach etwa 10 min wird jeweils ein Probenkörper schnell in das Dewargefäß ge-bracht; unter ständigem Rühren wird dort die Einstellung der Mischungstemperatur abgewar-tet. Nach Gl. (10) wird mit Hilfe der unten angegebenen Daten cK berechnet. Für jede Subs-tanz werden insgesamt drei Messungen durchgeführt und die Ergebnisse gemittelt.

Vorsicht: Die Dewargefäße sind sehr stoßempfindlich! Man prüfe, dass die Probekörper nicht an den Gefäßboden anschlagen können. Gegebenenfalls Aufhängung kürzen!

Aufgabe 2: Berechnen Sie die relativen Fehler von cK.

Anleitung: Die größten Fehler treten bei den Temperaturmessungen und bei der Angabe von CKal auf. Die anderen Fehler können vernachlässigt werden.

Aufgabe 3:

Überprüfen Sie die Gültigkeit des Dulong-Petit’schen Gesetzes und der Neumann-Kopp’schen Regel. Begründen Sie die Anwendbarkeit der Theorie und vergleichen Sie deren Ergebnisse mit Ihren Messwerten.

Anleitung: Berechnen Sie die Atom- und Molwärmen. Drücken Sie diese in Einheiten von R aus.

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Spezifische Wärmekapazität WK 9

Daten:

Wasserwert (Leerkapazität) des Kalorimeters: J(42 8)K

= ±KalC

Spezifische Wärmekapazität des Wassers: J4,19g KW =c

Siedetemperatur des Wassers: TK siehe Dampfdruckkurve im Praktikum

Gaskonstante: J8,31mol K

R =

Atomgewichte:

MAl = 26,98 g/Mol

MCu = 63,54 g/Mol

MCa = 40,08 g/Mo1

MF = 19,00 g/Mol

5. Versuchsdurchführung

• 1 Kocher

• 1 Dewar-Gefäß

• 1 Stange mit Griff

• 1 Aluminium-Probe

• 1 Kupfer-Probe

• 1 Flußspat-Probe

• Thermometer

• 1 Messbecher

• 1 Stab zum Rühren

• 1 Waage (gemeinsam für alle Versuche)

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Physikalisches Grundpraktikum

Wärmeleitung

Fachrichtungen der Physik

WWW-Adresse Grundpraktikum Physik: 0Hhttp://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/

Kontaktadressen der Praktikumsleiter: PD Dr. Manfred Deicher Zimmer: 1.11, Gebäude E 2.6 e-mail: [email protected] Telefon: 0681/302-58198

PD Dr. Patrick Huber Zimmer: 3.23, Gebäude E2.6 e-mail: [email protected] Telefon: 0681/302-3944

UNIVERSITÄT DES SAARLANDES

Version NF (3/2010)

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WL 2 Wärmeleitung

1. Stoffgebiet

• Wärmeleitung

• Elektrische Leitung

• Diffusion

• Temperaturmessung

2. Literatur

• P.A. Tipler, G. Mosca, Physik 2. Auflage (Elsevier, München 2004) Kap. 20.4

• Bergmann-Schaefer, Lehrbuch der Experimentalphysik Band 1 Mechanik Akustik Wärme, 10.Aufl. (Walter de Gruyter, Berlin 199) S. 657

• D. Gerschke, Physikalisches Praktikum 12. Auflage (Teubner, Stuttgart 2001) S. 139

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Wärmeleitung WL 3

3. Fragen

1. Welche Arten von Wärmeübertragung gibt es? Welche treten im Vakuum, welche in Gasen und welche in Festkörpern auf? Erklären Sie die Wärmeisolation einer Ther-mosflasche.

2. Warum sind Metalle bei Zimmertemperatur bessere Wärmeleiter als Isolatoren? Wie lautet das Wiedemann-Franz-Gesetz?

3. Erklären Sie die Begriffe: Wirkung, Leistung, Energiestrom, Energiestromdichte und Energiedichte.

4. Erläutern Sie die Analogien der Gesetze, die die Wärmeleitfähigkeit und die die elektrische Leitfähigkeit beschreiben.

5. Die Transportphänomene werden mittels der abstrahierten schematischen Gleichung gradj Vσ= −

beschrieben ( j

: verallgemeinerte Stromdichte, σ: Transportkoeffi-zient, V: verallgemeinertes Potential). Wie heißen die auftretenden Größen im kon-kreten Fall der elektrischen Leitung, der Wärmeleitung und der Diffusion?

6. Längs eines 50 cm langen Stabes (λ = 150 Wm-1K-1) besteht folgendes Temperatur-gefälle: T(x) = a/(x + b) + c mit a = 300 Km, b = 1 m und c = 73,16 K. Zeichnen Sie quantitativ das Temperaturgefälle T = T(x) längs des Stabes und berechnen Sie die Wärmestromdichte in der Mitte des Stabes.

7. Was versteht man unter Anisotropie? Zählen Sie einige anisotrope Eigenschaften von Festkörpern auf.

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WL 4 Wärmeleitung

4. Grundlagen

Der Transport von Wärme kann durch Wärmeleitung, durch elektromagnetische Strahlung und durch Transport von „warmer“ Materie erfolgen. Den Wärmetransport, der mit Materie-transport verknüpft ist, nennt man in Gasen und Flüssigkeiten Konvektion. Die Wärmeüber-tragung durch Strahlung ist nicht an Materie gebunden; sie beruht darauf, dass jeder Körper ein für seine jeweilige Temperatur charakteristisches Strahlungsspektrum (vom Infraroten bis zum Ultravioletten) emittiert, das von Körpern in der Umgebung absorbiert wird. Die Wärme-leitung schließlich ist an Materie gebunden und geschieht dadurch, dass Energieträger (z. B. Atome, Elektronen) Energie aufnehmen und wieder abgeben, dabei aber (im Gegensatz zur Konvektion) nicht selbst mittransportiert werden. In Gasen sind die Energieträger die Gasmo-leküle oder -atome. In Festkörpern wird die Wärme durch Gitterschwingungen (Phononen) übertragen; in Metallen tritt ein zusätzlicher oft dominierender Energietransport durch die freien Elektronen auf. Da die freien Elektronen auch für die elektrische Leitung verantwort-lich sind, besteht für Metalle ein proportionaler Zusammenhang zwischen Wärmeleitfähigkeit und elektrischer Leitfähigkeit (Wiedemann-Franzsches Gesetz).

In einem abgeschlossenen System verläuft der Wärmetransport stets so, dass eine Gleichver-teilung der Temperatur angestrebt wird. Tritt also in einem Körper ein Temperaturgefälle (Temperaturgradient) auf, so fließt ein Wärmestrom von dem Ort höherer Temperatur zu dem Ort geringerer Temperatur. Die Wärmestromdichte ist der Wärmestrom, der durch ein Flä-chenelement dA hindurchtritt. In einem isotropen Körper ist die Wärmestromdichte j

dem negativen Temperaturgradienten -gradT proportional:

gradj Tλ= −

(1)

gradT ist ein Vektor, der sich in z.B. kartesischen Koordinaten darstellen lässt als:

grad , ,T T TTx y z

∂ ∂ ∂= ∂ ∂ ∂

(2)

Die Proportionalitätskonstante λ heißt Wärmeleitfähigkeit. Das negative Vorzeichen in Gl. (1) berücksichtigt die Richtung des Wärmestromes von höheren zu tieferen Temperaturen. Die Dimension von λ ist Wm-1K-1. In vielen Kristallen ist die Wärmeleitfähigkeit anisotrop, also von der Kristallrichtung abhängig. In einem isolierten Stab der Länge L mit dem Querschnitt A, zwischen dessen Enden die Temperaturdifferenz ∆T anliegt, ist der Temperaturgradient im stationären Zustand konstant,

T Tx L

∂ ∆=

∂ (3)

und damit ist auch die Wärmestromdichte konstant:

TjL

λ ∆= − (4)

Für den gesamten Wärmestrom

ddWQ TI jA At L

λ ∆= = = − (5)

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Wärmeleitung WL 5

gilt daher eine dem Ohmschen Gesetz analoge Gleichung:

Δ W WT R I= (6)

wobei RW der Wärmewiderstand des Stabes

1W

LRAλ

= (7)

ist. Aus einer Messung von ∆T und IW lässt sich bei bekannter Geometrie des Stabes die Wärme-leitfähigkeit λ absolut bestimmen. Analog zur elektrischen Leitfähigkeit lässt sich auch eine thermische Leitfähigkeit für ein Material der Dichte ρ und der spezifischen Wärmekapazität c definieren

W cλσρ

= (8)

Es lässt sich zeigen, dass für die Ausbreitung der Temperatur eine Differentialgleichung gilt, die dem 2. Fickschen Gesetz für die Diffusion von Atomen in einem Kristall entspricht:

2

2

dd WT Tt x

σ ∂=

∂ (9)

In Metallen wird sowohl die thermische als auch die elektrische Leitfähigkeit durch die Lei-tungselektronen bestimmt. Im Rahmen des Modells eines „freien Elektronengases“ in Metal-len ergibt sich ein universeller Zusammenhang zwischen Wärmeleitfähigkeit λ und elektri-scher Leitfähigkeit σ herstellen:

22

82

WΩ2,45 103 K

BkLT eλ πσ

− = = = ×

(10)

Für viele Metalle ist diese Beziehung trotz der vereinfachenden Annahmen des Modells des „freien Elektronengases“ gut erfüllt. Die Größe L wird als Lorenz-Zahl bezeichnet.

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WL 6 Wärmeleitung

5. Versuchdurchführung

Die Apparatur dient zur Messung der Wärmeleitfähigkeit von Kupfer und von Aluminium. Sie besteht aus zwei Kalorimetertöpfen, die als Wärmespeicher mit Eiswasser (unten) und siedendem Wasser (oben) gefüllt sind (siehe Abb. 1). Der obere Kalorimetertopf besitzt im Boden einen Wärmeleitanschluss, d.h. eine zylindrische Aussparung zur Aufnahme des zu untersuchenden Wärmeleitstabes.

Die Wärmeleitstäbe bestehen aus massivem Kupfer bzw. Aluminium und sind mit Kunststoff ummantelt, um die seitlichen Wärmeverluste zu vermindern. Zum Einschieben des Stabes in den Wärmleitanschluss des oberen Kalorimeters ist ein Stabende etwa 2 cm isolierungsfrei. Zur Messung des Temperaturverlaufs sind längs der Stäbe 10 äquidistante Messpunkte ange-bracht.

5.1 Bestimmung der Wärmekapazität des Kalorimeters

Zur Bestimmung der Wärmekapazität des unteren Kalorimeters führen Sie folgende Messun-gen durch:

• Bestimmen sie das Gewicht des Kalorimeters.

• Bringen Sie Wasser in einem Kocher zu Sieden und messen Sie die Temperatur des Wassers und die Raumtemperatur .

• Füllen Sie das Kalorimeter mit dem heißen Wasser und bestimmen Sie die Temperatur.

• Wiegen Sie das Kalorimeter mit dem Wasser zur Bestimmung der Masse des Wassers.

• Füllen Sie nun das Kalorimeter mit Eiswasser (0 °C) ohne Eisstückchen und bestimmen Sie die Temperaturerhöhung des Wassers für etwa 30 min in Zeitintervallen von 1 min. Damit erhalten Sie den Einfluss der Umgebung auf die Erwärmung des unteren Kalo-rimeters bei der Bestimmung der Wärmeleitfähigkeit.

• Vergessen Sie nicht, die Raumtemperatur zu bestimmen.

5.2 Messung der Wärmeleitfähigkeit

Bauen Sie den Versuch entsprechend Abb. 1 zunächst für den Kupferstab auf:

• Vor dem Aufbau: Messen Sie den Abstand L zwischen den beiden äußeren Tempera-tur-Messstellen des Stabes und bestimmen Sie die Querschnittsfläche A des Stabes.

• Sorgen Sie für guten Wärmekontakt zwischen dem oberen Topf und der Stirnfläche des Wärmeleitstabes durch Verwendung von Wärmeleitpaste (nur dünn auftragen).

• Tauchen Sie das untere Ende des Stabes in das mit Wasser gefüllte Kalorimeter.

• Bringen Sie das Wasser im unteren Kalorimeter mit Eisstückchen auf 0 °C. Rühren Sie das Wasser mit Hilfe des Magnetrührers.

• Bringen Sie Wasser im oberen Kalorimeter mit dem Tauchsieder zum Sieden und hal-ten Sie es am Sieden. Achten sie darauf, dass der Tauchsieder immer mit Wasser be-deckt ist, sonst brennt er durch.

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Wärmeleitung WL 7

Abb. 1: Messaufbau zur Bestimmung der Wärmeleitfähigkeit.

Zur Bestimmung der Wärmeleitfähigkeit muss der Wärmestrom durch den Stab im stationä-ren Zustand sein, d.h. entlang des Stabes muss sich ein konstanter Temperaturgradient einstel-len:

• Warten Sie nach dem Einsetzen des Siedens ca. 5 Minuten und messen Sie dann die Temperaturen T1...T10 an den 10 äquidistanten Messstellen des Stabes. Bei denTemperaturmessungen ist ein guter Wärmekontakt zwischen Messsensor und Me-tallstab mit Hilfe von Wärmeleitpaste sicherzustellen.

• Tragen Sie die Messwerte als Funktion der Messstellennummer auf. Die Messpunkte sollten annähernd auf einer Geraden liegen. Ist dies nicht der Fall, so war der stationäre Zustand noch nicht erreicht und die Messung muss wiederholt werden.

Nun kann der Wärmestrom zwischen den beiden Wärmereservoiren bestimmt werden:

• Messen Sie die Siedetemperatur im oberen Kalorimeter.

• Nehmen Sie die Eisstückchen aus dem unteren Kalorimeter. Messen Sie nun unter ständigem Rühren den Temperaturanstieg Δ T des Kalorimeters für etwa 5 Minuten in Intervallen von 30 Sekunden.

• Parallel dazu messen Sie die Temperaturdifferenz des Stabes zwischen den beiden äu-ßeren Messpunkten im Abstand L.

• Beenden Sie das Experiment durch Abschalten des Tauchsieders.

• Bestimmen Sie die Masse des Wassers im unteren Topf.

Führen Sie diese Messung nun noch für den Aluminium-Stab durch.

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WL 8 Wärmeleitung

6. Auswertung

6.1 Wärmekapazität des Kalorimeters und Umgebungseinfluss Die Wärmekapazität des Kalorimeters erhalten Sie aus dem Mischexperiment (siehe 5.1)

W MKalorimeter W w

M R

T TC c mT T

−=

− (11)

mit

cW : Spez. Wärmekapazität von Wasser (4,18 kJ kg-1 K-1) mw: Masse Wasser TW: Temperatur des heißen Wassers TM: Mischtemperatur TR: Raumtemperatur

Die Wärme, die durch die Umgebung dem Kalorimeter zugeführt wird, kann aus dem Tempe-raturanstieg ohne Metallstab als Funktion der Zeit T(t) beginnend mit der Temperatur T0 be-stimmt werden:

0( )( ( ) )U W W KalorimeterQ c m C T t T= + − (12)

Tragen Sie in einem Diagramm QU als Funktion der Zeit auf.

6.2 Wärmeleitung für Kupfer und Aluminium

Tragen Sie für Kupfer und Aluminium die gemessenen Temperaturdifferenzen ∆T zwischen den beiden äußeren Messpunkten der Stäbe als Funktion der Zeit auf. Dies sollte einen nähe-rungsweise zeitlich konstanten Verlauf von ∆T ergeben, d.h. bei der Messung war der statio-näre Zustand erreicht.

Berechnen Sie nun die durch den Kupfer- bzw. Aluminiumstab transportierte Wärmenergie als Funktion der Zeit

0( )( ( ) )gesamt W W KalorimeterQ c m C T t T= + − (13)

und stellen Sie sie in einem Diagramm dar.

Die durch die Metallstäbe in das Kalorimeter transportierte Wärmeenergie muss auf die durch die Umgebung in das Kalorimeter eingebrachte Wärme korrigiert werden:

dd d

d d dgesamtStab UQQ Q

t t t= − (14)

Der Beitrag dQU/dt können Sie aus der Steigung des in 6.1 erstellten Diagramms entnehmen, den Beitrag dQgesamt/dt entnehmen Sie aus den Steigungen der Graphen für Kupfer bzw. Alu-minium.

Mit dem so bestimmten Wärmestrom dQStab/dt und der gemittelten Temperaturdifferenz zwi-schen den beiden äußeren Messpunkten der Stäbe kann nun die Wärmeleitfähigkeit mit Gl. (5) berechnet werden:

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Wärmeleitung WL 9

ddΔ

StabQtTAL

λ = (15)

Suchen Sie in einem Lehrbuch oder im Internet die „Literaturwerte“ für die Wärmeleitfähig-keit von Kupfer und Aluminium und vergleichen Sie diese mit den von Ihnen gemessenen Werten.

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Physikalisches Grundpraktikum Emission von Licht (Spektralanalyse)

Fachrichtungen der Physik

WWW-Adresse Grundpraktikum Physik: 0H0Hhttp://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/

Kontaktadressen der Praktikumsleiter: Dr. Manfred Deicher Zimmer: 1.11, Gebäude E 2.6 e-mail: [email protected] Telefon: 0681/302-58198

Dr. Patrick Huber Zimmer: 3.23, Gebäude E2.6 e-mail: [email protected] Telefon: 0681/302-3944

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EL 2 EMISSION VON LICHT

EMISSION VON LICHT (SPEKTRALANALYSE)

Stoffgebiet Bohrsches Atommodell Bohrsche Postulate Elektronenwellen Unbestimmtheitsrelationen Spektralserien des H-Atoms Balmersches Seriengesetz für das H-Atom Wasserstoffähnliche Spektren Gitter- und Prismen-Spektralapparat (Aufbau, Funktion und Auflösungsvermögen )

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SPEKTRALANALYSE EL 3 Fragen: 1. Wie lauten die Heisenbergschen Unschärferelationen für a) Ort und Impuls? b) Energie und Zeit? 2. Ein auf einer Kreisbahn um den Kern laufendes Elektron ist

beschleunigt. Nach der klassischen Elektrodynamik gibt ein beschleunigtes Elektron Energie in Form elektromagnetischer Strahlung ab. Warum widerspricht das Rutherfordsche Atommodell der klassischen Elektrodynamik?

3. Welcher Zustand des Wasserstoffatoms ist energetisch höher? a) Kern und Elektron getrennt. b) Elektron in stationärem Zustand in Kernnähe. Geben Sie eine physikalische Begründung an! 4. Welche physikalische Bedeutung haben Haupt-, Neben- und

magnetische Quantenzahl? Nennen Sie die physikalischen Größen, deren Quantisierung sie beschreiben.

5. Was versteht man unter den Begriffen Seriengrenze und Ionisation? 6. Was besagt das Bohrsche Korrespondenzprinzip? 7. a) Was ist ein Spektrum? b) Wodurch unterscheidet sich das Spektrum einer Glühlampe von dem

einer Na-Dampf-Lampe? Erläutern Sie Ihre Meinung. 8. Skizzieren Sie den Aufbau und die Wirkungsweise eines Prismen-

Spektralapparates. 9. Skizzieren Sie den Aufbau und die Wirkungsweise eines Gitter-

Spektral-apparates. 10.Wodurch ist das Auflösungsvermögen der oben genannten Spektral-

apparate bestimmt?

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EL 4 EMISSION VON LICHT Grundlagen: Elektromagnetische Strahlung des optischen Bereiches entsteht meistens durch Übergänge von äußeren Atomelektronen zwischen deren stationären Energiezuständen. Diese Zustände sind bei freien Atomen und Molekülen diskrete Energiewerte. In Flüssigkeiten und Festkörpern jedoch bilden sie breite Energiebänder. Das einfachste Spektrum stammt vom einfachst aufgebauten Atom, dem Wasserstoff-Atom! Es besteht aus einem Proton, welches klassisch gesehen von einem Elektron umkreist wird. In diesem Versuch wird das Spektrum dieses Atoms untersucht. Seine historisch erste Deutung erfolgte mit dem auf den Gesetzen der klassischen Mechanik aufgebauten Atommodell von Rutherford, Haas, Bohr, Sommerfeld und anderen. Dieses Bohrsche Atommodell beruht auf dem Modell eines extrem verkleinerten Planetensystems. Ein Elektron soll wie ein Planet um die Sonne um den Kern kreisen. Nach heutiger Kenntnis ist diese Vorstellung in wesentlichen Punkten falsch, obwohl das Bohr-Modell das Spektrum des vom H-Atom emittierten Lichtes auf sieben Stellen der Frequenzen wiedergibt. Um Atomspektren zu verstehen, benötigt man die Quantentheorie. Ein Teil ihrer Voraussetzungen ist bereits im Bohrschen Atommodell enthalten, so daß dieses als ein erster Schritt zum Verständnis des Atombaus dienen kann, wenn, wie im folgenden, zugleich auf die unrichtigen Seiten des Modells hingewiesen wird. Das Elektron des H-Atoms wird vom Kern durch elektrische Anziehung gebunden. Das Potential des Kernes ist dabei das Coulomb-Potential einer Punktladung:

V re

ro( ) =

−4πε (1)

wobei r der Abstand zwischen Elektron und Kern, e die Elementarladung und o elektrische Feldkonstante bedeuten.- Das Elektron soll auf Kreisbahnen um den Kern laufen. Nach den Gesetzen der Elektrodynamik sollte es dabei jedoch wie eine Antenne dauernd elektromagnetische Strahlung emittieren, wodurch die Bewegungsenergie verringert würde. Ein stationärer Bewegungszustand wäre klassisch nicht möglich, und damit auch nicht die Existenz von Linienspektren. Daher postulierte Bohr, daß Elektronen im Atom nicht den Gesetzen der klassischen Physik gehorchen. Die Begründung dazu lieferte erst später die Quantentheorie.

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SPEKTRALANALYSE EL 5 1.Bohrsches Postulat: Die Elektronen von Atomen können sich dauernd, d.h. stationär, auf bestimmten Energieniveaus befinden, in denen sie weder elektromagnetische Energie emittieren, noch von außen absorbieren. Diese Energieniveaus bilden eine diskrete Folge von Energien, welche als Summe aus Bewegungs- und potentiellen Energien der Elektronen zu verstehen sind. Bohr ordnete nun jedem Energieniveau - im Sinne seines Planeten- modelles - einen bestimmten Abstand r der Kreisbahn vom Kern zu, da er voraussetzte, die Elektronen seien innerhalb des Atoms jederzeit lokalisierbar, d.h. die Momentanorte seien jederzeit meßbar. Mit dieser Annahme läßt sich die Bewegung beschreiben aus dem Gleichgewicht zwischen Zentripetalkraft und Coulomb-Kraft:

(2) e

rm r

o

2

22

4π εω=

wobei m die Elektronenmasse und die Kreisfrequenz bedeuten.

Anmerkung: Bohr wußte noch nichts von der Wellennatur der Elektronen, die beispielsweise an einem Kristallgitter in gleicher Weise gebeugt werden wie Röntgen-strahlung. Bewegen sich Elektronen geradlinig gleichförmig, so ist die Wellenlänge durch die deBroglie-Beziehung gegeben:

(3) λ =hp

h ist hier das Plancksche Wirkungsquantum; p der Impulsbetrag des Elektrons. Im Wasserstoffatom nehmen die Elektronenwellen ausgedehnte, dreidimensionale Bereiche um den Atomkern ein. Sie werden durch Wellenfunktionen beschrieben, deren Quadrat an einem herausgegriffenen Ort ein Maß für die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Elektrons an diesem Ort ist. Stationäre Zustände entstehen dann, wenn Wellenlänge und Lage der Wellen gerade so zusammenpassen, daß sich stehende Wellen ausbilden. Diese stehenden Wellen sind der Symmetrie des Atoms angepaßt, und die Bereiche, in denen sich die Elektronen bevorzugt aufhalten, haben wenig Ähnlichkeit mit den Bohrschen Kreisbahnen der als klassische Partikel gedachten Elektronen. Um die räumliche Verteilung hervorzuheben, spricht man auch von „Elektronenwolken“.

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EL 6 EMISSION VON LICHT

Fig. 1 In Fig.1 sind die Elektronen-Dichteverteilung für s-, p- und d-Elektronen (s.u.) qualitativ dargestellt (mit der üblichen Nomenklatur). Die Zustände unterscheiden sich sowohl im Abstand der Maxima der Dichteverteilung vom Kern, als auch in der Symmetrie der Verteilung. Beschreibt man die Elektronenzustände durch stehende Wellen, dann kann man den Ort eines Elektrons zu einer bestimmten Zeit nicht mehr angeben. So ist die Elektronendichte des Elektrons im Grundzustand des H-Atoms zu allen Zeiten kugelsymmetrisch, d.h. auf jeder beliebig herausgegriffenen Kugelschale um den Kern konstant. Von einem umlaufenden Elektron, wie Bohr es sich vorstellte, kann man nicht sprechen. Diese Unbestimmtheit der Elektronenbewegung wird allgemein durch die Heisenbergsche Unschärferelation begründet. Allerdings stimmt die Ausdehnung der Elektronenwolken der verschiedenen stationären Zustände einigermaßen mit den Radien der zugehörigen Bohrschen Bahnen überein.

Um die Spektren des H-Atoms erklären zu können, postulierte Bohr weiter, daß die Radien rn der stationären Bahnen gegeben seien durch

rme

nn =4 0

2

22πε

, n=1,2,3,... (4)

wobei (sprich h quer) eine Abkürzung für h/2π ist.

x

y

z

s

px

py

pz

d z2

dxz

d yz

dx -y2 2d xy

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SPEKTRALANALYSE EL 7 Die dazugehörigen Gesamtenergien sind

(5) E E Em r e

rn kin potn

o n= + = +

−ωπε

2 2 2

2 4

Dabei wurde angenommen, daß der Nullpunkt der potentiellen Energie bei unendlich großem Abstand r liegt. Dann sind Elektron und Kern vollständig voneinander getrennt. Aus dieser (willkürlichen) Festlegung folgt, daß Epot für gebundene Zustände negativ ist. Wie bei den Kepler-Gesetzen, ist im Bohrschen Planetenmodell im Gleichgewicht E Ekin pot= − 2, und mit Gleichung (4) ergibt sich damit die Gesamtenergie zu

(6) Ee

rme

h nn

o n o=

−=

−2 4

2 2 28 8πε ε , mit n=1,2,3,...

Anmerkung: Bohr leitete Gleichung (4) dadurch ab, daß er für den Betrag des Drehimpulses des Elektrons voraussetzte, er könne nur Vielfache der Größe h/2π annehmen:

(7) m r nnω 2 = , mit n=1,2,3,... Heute weiß man, daß zwar der Betrag des Drehimpulses gequantelt ist, wie in Gleichung (7) angegeben, nur ist die Quantenzahl nicht die Energie-quantenzahl n der Gleichung (6), sondern die Nebenquantenzahl l. l kann ganzzahlige Werte zwischen 0 und (n-1) annehmen. Auch die Richtung des Drehimpulses ist gequantelt, und zwar mit der magnetischen Quantenzahl m. Zusätzlich gibt es noch die Spinquanten- zahl s, welche die Orientierung des Eigendrehimpulses des Elektrons angibt. Trotz der Zugehörigkeit zur selben Hauptquantenzahl n haben die Elektronenwolken für l=0 und l=1 völlig unterschiedliches Aussehen. Wenn n=2 beträgt, dann ist z.B. die l=0 Wolke im Dreidimensionalen kugelsymmetrisch, die l=1 Wolke dagegen hat die Form eines Kreisringes. Es ist eine ganz spezielle Eigenschaft des reinen Coulomb-Potentials, daß die Gesamtenergie auch nach der Quantentheorie zur Gleichung (6) führt, also nur von der Hauptquantenzahl n, nicht aber von der Nebenquanten-zahl l abhängt. Bei komplizierteren Atomen ist das Potential nicht mehr rein Coulombsch. Dort hängt die Gesamtenergie sowohl von n, als auch von l ab. Für die Nebenquantenzahl l gibt es eine weitere Numerierung: l=0 wird auch mit dem Buchstaben s bezeichnet, l=1 mit p, l=2 mit d. Der Grundzustand (n=1, l=0) des H-Atoms ist demnach der 1s-Zustand.

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EL 8 EMISSION VON LICHT Bohr stellte sich die Emission und Absorption elektromagnetischer Strahlung so vor, daß die Elektronen plötzlich von einer Bahn auf eine andere springen: 2.Bohrsches Postulat: Das Elektron des H-Atoms kann seine Energie nur ändern, indem es von einem stationären Energiezustand E1 zu einem anderen, E2, wechselt. Wird die Energiedifferenz als elektromagnetische Strahlung emittiert, so ist n2 kleiner als n1. Umgekehrt ist es bei der Absorption. Es wird also ein Energiequant der Strahlung emittiert oder absorbiert. Die zugehörige Frequenz ν ergibt sich aus dem Energiesatz:

E E h1 2− = ⋅ ν (8) Setzt man Gleichung (6) in Gleichung (8) ein, so sieht man, daß nur diskrete Frequenzen möglich sind. Emissions- und Absorptionsspektren sind Linienspektren. Man erhält:

hme

h n nR

n nν

ε= −

⎝⎜

⎠⎟ = −

⎝⎜

⎠⎟

4

02 2

12

22

12

228

1 1 1 1 (9)

R ist eine nur durch universelle Konstanten bestimmte Energie, sie wird als Rydberg-Konstante bezeichnet. Ihr Zahlenwert beträgt: R eV J= = ⋅ −136 2178 10 18. . .

Anmerkung: Gleichung (8) ist eine grundlegende Beziehung der Quantentheorie. Die Änderung des Energiezustandes wird heute interpretiert als eine Änderung der Aufenthaltswahrscheinlichkeit der Elektronen, d.h. der Form und Größe der Elektronenwolken. Dies stimmt grob mit der Bohrschen Vorstellung überein, daß bei Absorption bzw. Emission die Elektronenwolke vom Kern weg- bzw. heranrückt. Ursprünglich wurde die Rydbergkonstante in einer anderen Einheit angegeben, die der Energie proportional ist, nämlich in Wellenzahlen. Die Wellenzahl k ist definiert durch k=2π/λ. Die Wellenlänge λ der Strahlung wurde in cm gemessen. Die Rydbergkonstante beträgt dann

′ = −R cm109737 1 ( =R/(hc) ). Die Rydbergkonstante hat eine anschauliche Bedeutung. Hebt man das Elektron des H-Atoms vom Grundzustand (n=1) zu einem Zustand beliebig hoher Quantenzahl (n→∞), so ist gemäß Gleichung (9) die dazu nötige Energie hν = R. R ist also gleich der Ionisierungsenergie des H-Atoms, die erforderlich ist, das Elektron vom Atom abzulösen.

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SPEKTRALANALYSE EL 9 Gleichung (9) ist die berühmte Balmersche Serienformel des Wasserstoff-spektrums. Sie beschreibt die Frequenzen aller am H-Atom beobachteten Spektrallinien quantitativ und war bereits 20 Jahre vor Bohrs Modell von Balmer gefunden worden. Das Spektrum läßt sich in Serien zusammengehöriger Linien gliedern, wobei jeder Serie ein fester Wert von n1 zukommt, während n2 alle ganzen positiven Zahlen durchläuft. Nach ihren Entdeckern wurden diese Serien als

Lyman-Serie (n1=1) im fernen Ultraviolett (UV) Balmer-Serie (n1 =2) im Sichtbaren und nahen UV Paschen-Serie (n1 =3) im nahen Infrarot (IR) Brackett-Serie (n1 =4) im fernen IR, und Pfund-Serie (n1 =5) im fernen IR

bezeichnet. Die Serien für n1 >5 tragen keine besonderen Namen. Unten sind die zugehörigen Übergänge im Bohrschen Atommodell skizziert. Üblicher ist es, die Spektrallinien als Übergänge im Energie-Niveau-Diagramm einzuzeichnen.

Die Leistung des Bohrschen Atommodells war es, die Gleichung (9) modellmäßig zu deuten, wobei n als Hauptquantenzahl stationärer Zustände interpretiert, und das von Balmer als Konstante eingeführte R auf die Naturkonstanten m, e und h zurückgeführt wurde. Eine Verfeinerung des Modells gelang, indem man die Kreisbahnen durch Ellipsenbahnen ersetzte (im Sinne des Planetenmodells also vom Kopernikanischen zum Keplerschen Bild überging). Durch die Annahme, daß die Exzentrizität dieser Ellipsen gequantelt sei, konnte eine weitere

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EL 10 EMISSION VON LICHT Quantenzahl eingeführt werden, die der Nebenquantenzahl l entspricht. Damit konnten auch winzige Feinstrukturen im H-Spektrum gedeutet werden, und es gelang, die Spektren anderer Elemente mit niedriger Ordnungszahl weitgehend zu erklären. Weniger erfolgreich war das Modell jedoch bei schwereren Atomen. Heute weiß man, daß das Bohrsche Modell falsche Annahmen enthält. Erst die Quantentheorie ermöglichte es, die Spektren aller Atome zu verstehen. Aufgabe 1: Berechnen Sie explizit die Quantenenergien, Wellenlängen und Frequenzen für die Balmerserie und geben Sie an, welche Linien im sichtbaren Bereich liegen. Geben Sie die zugehörigen Atomradien an. Aufgabe 2: Bestimmen Sie mit einem Gitterspektrometer (Gitter mit 600 Strichen/mm) experimentell das Spektrum der Wasserstofflampe und vergleichen Sie das Resultat mit den in Aufgabe 1 gewonnenen Ergebnissen. Durchführung: Messen Sie die Beugungswinkel und rechnen Sie mit Hilfe von Gl.(13) die zugehörigen Wellenlängen aus. Stellen Sie den Zusammenhang λ(sinα) als Eichkurve des Spektrometers graphisch dar. Aufgabe 3: Nehmen Sie das Spektrum 1. Ordnung eines Gitters mit der Strichzahl 100 Striche/mm mit einem Fotoapparat auf. Holen Sie dazu den Betreuer zu Hilfe. Aufgabe 4: Bestimmen Sie mit dem Gitterspektrometer die Wellenlängen einer Hg-, einer Na- und einer Ne-Lampe. Benutzen Sie dazu die Eichkurve aus Aufgabe 2. Aufgabe 5: Ersetzen Sie das Gitter durch das Glasprisma und nehmen Sie für das aus Aufgabe 4 bekannte Hg-Spektrum die Eichkurve λ(sinα) des Prismen-spektrometers auf. Erklären Sie die Unterschiede zwischen den beiden Eichkurven.

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SPEKTRALANALYSE EL 11 Hinweise: Von der Balmerserie mit n1=2 liegen vier Linien im Sichtbaren. Sie können im Versuch beobachtet werden. Die rote und die blaugrüne Linie (Wellenlängen λ1 und λ2 ) lassen sich sehr gut identifizieren. Der roten Linie entspreche der Index n2=m. Dann hat die darauffolgende blaugrüne Linie den Index m+1. Damit hat man, wenn man aus Gleichung (9) die Rydberg-Konstante in Wellenzahlen ausrechnet:

R

m m

′ =−

⎛⎝⎜

⎞⎠⎟

=−

+

⎝⎜

⎠⎟

11

2

11

1

2

1

11 2 2 2 2 2

λ λ( )

(10)

oder

(11) λ λ λ λ1 2 1

22

24 1

−= −

+m m( )

λ1 und λ2 werden im Versuch bestimmt. Durch Probieren (m ist größer als 2) kann m aus Gleichung (11) gefunden werden, und mit Gleichung (10) erhält man dann die Rydbergkonstante als Mittelwert aus zwei Werten. Bei allen Versuchen werden Spektralapparate benutzt, deren Aufgabe es ist, ein Lichtbündel, das verschiedene Wellenlängen enthält, in mehrere räumlich getrennte Teilbündel aufzuspalten, wobei jetzt jedes Teilbündel nur eine Frequenz enthält. Zur Analyse der Spektren werden Prismen- oder Gitterspektralapparate benutzt. 1. Prismenspektralapparate Infolge der Wellenlängenabhängigkeit des Brechungsindex n läßt sich mit Hilfe eines Prismas eine Wellenlängenanalyse des Lichtes durchführen. Hierbei ergibt sich der Ablenkungswinkel als Funktion des Brechungsindex sowie der geometrischen Form des Prismas. Die Fähigkeit, zwei Spektrallinien zu trennen, bezeichnet man als Auflösungsvermögen A. Wenn S die wirksame Basislänge eines Prismas ist, dann ist A bestimmt durch:

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EL 12 EMISSION VON LICHT

(12) A Sdnd= = ⋅

λλΔλ

Δλ ist der Abstand der beiden Linien, die gerade noch getrennt erscheinen, dn/dλ die Dispersion des Prismenmaterials. In dem bei Versuch A und B (erster und zweiter Arbeitsplatz) benutzten Spektrographen ist ein Prisma konstanter Ablenkung nach Abbe eingebaut. Man kann es sich zusammengesetzt denken aus zwei 30o-Prismen, die mit einem 90o-Prisma kombiniert sind. Die Ablenkungen - nicht die Dispersion - der 30o-Prismen heben einander auf. An der Fläche a-b wird der Strahl totalreflektiert.

Dieses Prisma gestattet den Bau eines Spektrometers mit konstanter Ablenkung des Lichtbündels um 90o zwischen Kollimator und Fernrohr. Unterschiedliche Wellenlängen werden einfach durch Drehung des Prismas in das Gesichtsfeld des Fernrohrs gebracht. Bei den Versuchen C und D werden statt dessen Spektrometer mit normalen 60o-Prismen verwendet, die auf dem Drehtisch eines Goniometers montiert sind. Hier wird zur Einstellung der verschiedenen Wellenlängen auf das Fadenkreuz des Fernrohres der Winkel zwischen Kollimator und Fernrohr verändert. Durch eine Hebelanordnung wird dabei erreicht, daß der Prismentisch zugleich um den halben Winkel gedreht wird. Dadurch bleibt das Prisma für alle Wellenlängen im Winkel der minimalen Ablenkung (lassen Sie sich dies vom Betreuer näher erläutern!). Zur Einstellung und Ablesung der Drehung (die zur Kalibrierung des Gerätes in Aufgabe 1 erforderlich ist), dient eine Mikrometerschraube.

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SPEKTRALANALYSE EL 13 2. Gitterspektralapparate Fällt paralleles, monochromatisches Licht (Wellenlänge λ) senkrecht auf ein Strichgitter, so beobachtet man in der Brennebene einer Linse scharfe Intensitätsmaxima (Spektrallinien) unter Beugungswinkeln α, die der Beziehung (13) d · sinα = z · λ genügen. Dabei bedeuten d = Gitter-konstante und z = die Ordnung des betreffenden Maximums. Wegen (13) ist bei festem d und z jeder Wellenlänge λ ein bestimmter Winkel α zugeordnet, unter dem die dieser Wellenlänge entsprechende Spektral-linie erscheint. Enthält das Licht verschiedene Wellenlängen, so findet durch das Gitter eine Spektralzerlegung statt. Durch Aus-messen der Winkel α, unter denen die Linien des Spektrums erscheinen, kann dann, bei bekanntem d und z, aus (13) die zugehörige Wellenlänge errechnet werden. Das Auflösungsvermögen eines Gitterspektralapparates mit N beleuchteten Spalten und der Gitterkonstante z lautet:

A N z= = ⋅λ

Δλ Versuchsdurchführung: Zunächst wird das Spektroskop geeicht, das heißt der Zusammenhang zwischen Wellenlänge und Prismen- bzw. Gitterdrehung gesucht. Zur Eichung wird hier ein Hg-Spektrallampe benutzt, in deren Lampenkolben die Atome des Hg-Dampfes zur Aussendung seines charakteristischen Linienspektrums angeregt werden. Die Wellenlängen dieses Spektrums sind bekannt und am Arbeitsplatz angegeben. Durch Drehen des Prismas können die einzelnen Spektrallinien, die mit einem Fernrohr beobachtet werden, über ein Fadenkreuz im Okular des Fernrohres geschoben werden. Die Eichung wird so durchgeführt, daß die Linien nacheinander ins Fadenkreuz gedreht werden, und die dazugehörige Prismenstellung an einer Skala abgelesen wird. Man erhält so einzelne Punkte, die sich durch

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EL 14 EMISSION VON LICHT Interpolation zu einer Eichkurve verbinden lassen. Diese ist für ein Gitterspektrometer linear, nicht aber für ein Prismenspektrometer. Mit Hilfe der Eichkurve lassen sich jetzt beliebige Spektren (deren Linien in diesen Eichbereich fallen) analysieren. Dies wird im Versuch durchgeführt, indem die Wellenlängen der Linienspektren einiger Elemente (Na, He, Ne) bestimmt werden. Diese Linienspektren werden in Spektrallampen mit Na-, He- bzw. Ne-Füllung angeregt. Im letzten Teil des Versuchs wird eine sogenannte Geisslerröhre (gefüllt mit H2) eingeschaltet. Sie sendet neben den charakteristischen Linienspektren des H-Atoms noch das Molekülspektrum des H2-Moleküls aus, welches dem Atomspektrum überlagert ist und die Identifizierung des letzteren etwas erschwert.

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Physikalisches Grundpraktikum

Beugung und Interferenz elektromagnetischer Wellen

Fachrichtungen der Physik UNIVERSITÄT DES SAARLANDES

Version 5 (6/2013 PF, MD)

Grundpraktikum Physik: 0Hhttp://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/

Kontaktadressen der Praktikumsleiter: PD Dr. Manfred Deicher Zimmer: 1.11, Gebäude E 2.6 e-mail: [email protected] Telefon: 0681/302-58198

Dr. Herbert Wolf Zimmer: 1.13, Gebäude E2.6 e-mail: [email protected] Telefon: 0681/302-2038

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BI 2 Beugung und Interferenz

Stoffgebiet

• Eigenschaften von Lichtwellen

• Ausbreitung von Wellen

• Interferenz von Wellen

• Beugung an Einfachspalt, Doppelspalt und Lochblende

• Kohärenz von Licht

• Laser und thermische Lichtquellen

1. Literatur

• P.A. Tipler, G. Mosca, Physik 2. Auflage (Elsevier, München 2004)

• W. Demtröder, Experimentalphysik 2 - Elektrizität und Optik 6. Aufl. (Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2013)

• D. Gerschke, Physikalisches Praktikum 12. Auflage (Teubner, Stuttgart 2001)

2. Fragen

1. Was versteht man unter dem Huygensschen Prinzip?

2. Was versteht man unter Interferenz?

3. Was versteht man unter Kohärenz (Kohärenzlänge, Kohärenzzeit)?

4. Was versteht man unter Beugung und wie lauten die Bedingungen für Maxima und Mi-nima der Beugungsfigur am Einfachspalt?

5. Warum ist der Einfachspalt als Spektrometer ungeeignet (Erklärung mit Hilfe des Beu-gungsbilds des Einfachspalts)?

6. Welche Annahmen macht man speziell bei der Frauenhoferschen Beugung? Wie sieht das Fraunhofersche Beugungsbild eines Doppelspalt aus wenn

• die Spaltbreite sehr klein gegen den Abstand ist? • Spaltbreite und Abstand übereinstimmen?

7. Wie sieht das Beugungsbild eines Strichgitters aus?

8. In welche Bildfigur wird eine unendlich entfernte Punktlichtquelle in der Brennebene eines Fotoapparates oder Fernrohres abgebildet?

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Beugung und Interferenz BI 3

3. Grundlagen

3.1 Typischer Aufbau eines Beugungsexperimentes Im vorliegenden Versuch wird die Aufgabe gestellt, die Auswirkungen seitlicher Begrenzun-gen (endliche Größe der Spalte, Linsen, Lichtquellen etc.) auf das reale optische Experiment zu untersuchen. Hierzu ist ein Strahlengang geeignet, der in abgewandelter Form in sehr vie-len optischen Instrumenten (z.B. Gitter- oder Prismenspektrograph) wiederkehrt (Abb.1a).

Abb. 1a: Typischer Aufbau eines optischen Experimentes mit Apertur.

Mit Hilfe der Linse L1 wird die Lichtquelle LQ auf den Spalt S1 abgebildet. S1 dient als Se-kundärlichtquelle, die in einer Richtung praktisch punktförmig ist (die Erweiterung auf zwei Dimensionen verläuft dann analog dazu). Dies ist die notwendige Voraussetzung für die Er-zeugung parallelen Lichtes durch L2. L2 macht alle Strahlen, die von dem „punktförmigen“ Spalt S1 ausgehen, parallel. Diese werden dann nach Durchgang durch den Spalt A (der die Apertur simulieren soll und in einem optischen Experiment durch ein Prisma oder Gitter er-setzt wird) durch die Linse L3 auf den Schirm abgebildet.

Im Idealfall unendlich großer Lichtbündel, d.h. unter Vernachlässigung der seitlichen Begren-zung in A, erscheint auf dem Schirm ein beliebig scharfes Bild des Spaltes S1. Da die Aus-dehnung von A jedoch immer endlich ist, wird das Licht am Spalt A gebeugt und das Bild von S1 erscheint auf dem Schirm infolge dieser Beugungsfigur unscharf. In einem realen Versuch erscheinen natürlich, bedingt durch die Begrenzungen der Linsen, immer Beugungsfiguren auf dem Schirm, es soll nur hier der Einfachheit halber davon ausgegangen werden, dass die Größe des Spaltes A kleiner ist als die Größe der Linsen.

Abb. 2: Aufbau einer ebenen Wellenfront nach dem Huygensschen Prinzip aus Elementarwellen.

Zur Beschreibung des in Abb. 1a skizzierten Experimentes machen wir folgende Vorausset-zungen:

LQ L1 S1 L2 ASp

L3 Schirm

x=0

x

Θ

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BI 4 Beugung und Interferenz

1. Die einfallende Lichtwelle ist eben, d.h. die Welle besitzt in allen Punkten der Beugungs-ebene die gleiche Phase.

2. Betrachten wir einen Punkt P auf dem Schirm, so überlagern sich in diesem alle Wellen, die den Spalt (die Beugungsebene) unter dem gleichen Winkel verlassen (parallele Strah-len, Abb. 1b).

Abb. 1b: Darstellung der Voraussetzun-gen 1. und 2.

Letzteres bedeutet, dass sich der Aufpunkt P weit entfernt vom Spalt befindet, d.h. in der so-genannten „Fernzone“. Diese ist dadurch bestimmt, dass das Produkt aus der Entfernung d und der Wellenlänge des Lichtes sehr groß sein muss gegen die Größe des Spaltes, projiziert auf die Beobachtungsrichtung (Beobachtungwinkel Θ):

2 21 cos

2 4bd bλ >> Θ ≥

(1)

Beugung, die unter den Voraussetzungen 1. und 2. beobachtet wird, heißt Fraunhofer-Beugung.

Da die Voraussetzung 2. nicht immer erfüllt ist, kann man die Superposition paralleler Strah-len durch eine weitere Sammellinse gewährleisten. Diese bildet alle Strahlen, die parallel zu-einander unter einem Winkel Θ auf die Linse treffen, in einen Punkt in ihrer Brennebene ab.

Die erste Voraussetzung wird immer in sehr guter Näherung erfüllt, wenn Laser als Lichtquel-le verwendet werden. Man muss allerdings beim Versuchsaufbau immer darauf achten, dass auch die zweite Voraussetzung in Form obiger Ungleichung erfüllt ist.

Abb. 3: Huygenschen Prinzip für einen mit einer ebenen Welle von oben be-leuchteten Spalt. Die Anteile der Kugelwellen, deren Ausbreitungsrich-tung nicht mit der Fortpflanzungsrichtung der Primärwelle zusammen-fällt, löschen sich nicht mehr alle durch Interferenz aus.

SpaltP

b

d

Θ

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Beugung und Interferenz BI 5

Nach dem Huygensschen Prinzip stellt jeder von einer beliebigen Welle getroffene Raum-punkt selbst eine Quelle einer sekundären Kugelwelle („Elementarwelle“) dar, die solange emittiert wird, wie die Primärwelle einfällt. Die weiterlaufende ebene Welle ergibt sich als Überlagerung solcher Kugelwellen. Wegen der auslöschenden Interferenzen in allen Richtun-gen, die von der Ausbreitungsrichtung der ebenen Welle abweichen, bleibt diese Wellenform bei der Ausbreitung erhalten.

Anders ist dies, wenn durch einen Spalt ein eng begrenzter Bereich der ebenen Welle ausge-blendet wird (Abb. 3). Denkt man sich den mit einer ebenen Welle beleuchteten Spalt mit unendlich vielen Ausgangspunkten Huygensscher Elementarwellen belegt, die kohärent aus-laufen, so löschen sich die Anteile der Kugelwellen, deren Ausbreitungsrichtung nicht mit der Fortpflanzungsrichtung der Primärwelle zusammenfällt, nicht mehr alle durch Interferenz aus.

Die Intensitätsverteilung hinter dem Spalt in der Brennebene der Linse L3 (Abb. 1) in x-Richtung wird in guter Näherung wie folgt beschrieben:

( )

22

2sin ( / ( ))( ) ( )

/ ( )bx fI x Ab

bx fπ λ

π λ= (2)

Hierbei ist A eine Konstante, b die Breite des Spaltes und f die Brennweite der Linse. Die Nä-herung liegt darin, dass sinΘ = x/f gesetzt wurde (Abb. 1).

Abb.4: Intensitätsverteilung hinter dem Spalt.

Die periodische Funktion (2) hat an verschiedenen Orten x Maxima und Minima (Abb. 4). Die Minima liegen an den Stellen bx/(λf) = n, wobei n eine ganze Zahl (außer der Null) ist. Die Intensität ist an diesen Stellen Null. Die Maxima liegen an den Orten x, für die gilt: bx/(λf) = 0 oder bx/(λf) = (2m+1)/2, wenn m ebenfalls eine ganze Zahl ist. Die Zahlen n bzw. m be-zeichnet man als Ordnung der Minima respektive Maxima. Der zusätzliche Fall x = 0 (d.h. Θ = 0, ungebeugter Strahl) heißt das Maximum 0-ter Ordnung.

0,0

0,2

0,4

0,6

0,8

1,0

Nebenmaxima

-4. -3. -2.-1.

4.3.2.1.

rel. In

tensit

ät (zu

r Inten

sität

des H

auptm

axim

ums)

bx / (λf)

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BI 6 Beugung und Interferenz

Interessiert man sich nicht für die Intensitäten, sondern nur für die Lage der Extrema, so ist eine einfache Berechnung möglich. Man benötigt nur die Kenntnis der Gangdifferenzen zwi-schen den einzelnen Bündeln, die von verschiedenen Orten der Spaltöffnung ausgehen. Aus-löschung tritt in den Richtungen ein, in denen die Randstrahlen die Phasendifferenz nλ haben, Maxima bei Phasendifferenzen (2m+1)λ/2. Dies kann man sich einfach geometrisch oder an-hand der Intensitätsverteilung klarmachen: Da der Sinusterm im Zähler die Extrema be-stimmt, geben seine Nullstellen die Lage der Minima und seine Maxima die Lage der entspre-chenden Maxima an.

Somit ergibt sich für die Beugungswinkel, unter denen man Minima beobachten kann:

sinn bλ = Θ (3)

und für die Orte auf dem Schirm in der Näherung sinΘ = x/f:

xn bf

λ = (4)

Entsprechend gilt für die Beugungswinkel der Maxima

(2 1) sin2

m bλ+= Θ (5)

und für die Orte auf dem Schirm:

(2 1)

2m xb

fλ+= (6)

Aufgabe 1: Man zeige, dass Gl. (2) für x = 0 ein Maximum annimmt.

Aufgabe 2: Man berechne die relativen Intensitäten der Maxima 1., 2. und 3. Ordnung, bezogen auf die des Hauptmaximums I (x = 0) nach Gl. (2).

Hierzu setze man 3 5 7 mit , ,2 2 2

bxf

π απ αλ

= = .

Gleichung (2) erhält dann die Form

2

2

( ) sin ( )( 0) ( )I x

I xαπ

απ=

= (7)

Die Aufgaben 1. und 2. sind Hausaufgaben, die bei der Versuchsvorbereitung zu bearbeiten sind.

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Beugung und Interferenz BI 7

4. Versuche Aufgabe 3: prüfen Sie experimentell für den Einfachspalt:

1) Gl. (7): 2

0 2

sin ( )( )( )

I x I απαπ

=

2) Gl. (4): n = α für n = 1,2,3,…

3) Gl. (6): 2 12

m α+= für m = 1,2,3,…

Versuchsdurchführung: Verwendet man als Lichtquelle LQ eine räumlich ausgedehnte thermische Lichtquelle, so wird der Spalt S1 in Abb. 1 von verschiedenen Punkten von LQ aus beleuchtet. Als Effekt hiervon tritt durch ihn kein völlig kohärentes Licht mehr hindurch, wodurch Gl. (2) nicht mehr exakt gilt, und der Kontrast der Beugungsfigur herabgesetzt wird. Man überschreitet in solch einem Fall die Kohärenzlänge des verwendeten Lichtes. Als Folge dieser Überschrei-tung addieren sich nicht mehr die Amplituden der superponierenden Wellen (da sie keine fe-ste Phasenbeziehung zueinander besitzen), sondern ihre Intensitäten. Das Auftauchen von Interferenzerscheinungen setzt aber eine feste Phasenbeziehung der Teilwellen voraus, so dass thermische Lichtquellen im allgemeinen für Interferenzexperimente in dieser geometrischen Größenordnung, d.h. mit Gangunterschieden im cm-Bereich, ungeeignet sind. Hinzu kommt, dass die Linse L1 aufgrund der endlichen Breite des Spaltes S1 kein exakt paralleles Licht erzeugt.

Diese Schwierigkeiten kann man vermeiden, wenn man bei der Durchführung solcher Expe-rimente Laser als Lichtquellen verwendet. Laser-Licht erzeugt man in einem optischen Re-sonator hoher Güte. Es ist zu einem hohen Grade parallel und besitzt große Kohärenzlängen (bis zu mehreren Metern).

Da sich dadurch zusätzlich noch die Verwendung des Spaltes S1 erübrigt, vereinfacht sich der Strahlengang der Abb. 1 zu dem in Abb. 5 gezeigten. Die Wellenlänge des hier verwendeten Lichtes (aus einem He-Ne-Laser) beträgt λ = 632,8 nm.

Abb. 5: Strahlengang bei der Durchführung des Beugungsexperimentes mit La-ser-Licht.

LASER

Sp L3 Schirm

x=0

x

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BI 8 Beugung und Interferenz

Noch weiter vereinfachen lässt sich der Aufbau von Abb. 5, wenn der Schirm sehr weit vom Spalt entfernt ist. Dann treten auch ohne Fokussierung durch L3 einzelne voneinander ge-trennte Teilbündel auf (Fernfeld). Die Brennweite f muss dann in den Formeln durch den Ab-stand d zwischen Spalt und Schirm ersetzt werden (Abb. 6).

Abb. 6: Skizze der Versuchsanordnung.

Ihre Aufgabe ist es nun, das Fraunhofersche Beugungsdiagramm eines Spaltes der Breite b1 = 0,5 mm und b1 = 0,2 mm aufzunehmen. Die folgende Skizze der Versuchsanordnung (Abb. 5) dient der Definition der Messgrößen.

Die Intensität wird mit einem Photowiderstand in Abhängigkeit von dessen Position x gemes-sen. Er befindet sich daher in einem Gehäuse, das mittels einer Drehspindel in x-Richtung bewegt werden kann. Optional kann vor dem Detektorgehäuse ein weißer Schirm angebracht werden, damit die Intensitätsverteilung direkt beobachtet werden kann. Der Abstand der De-tektor- bzw. Schirmebene d ist so groß zu wählen, dass auf eine Linse verzichtet werden kann. Der Ort x des Detektors ist an einer mm-Skala und für die mm-Bruchteile an der Mikrometer-schraube abzulesen.

Abb. 7: Justierung des Detektors.

Justieren Sie zunächst den Spalt so, dass er vom Laser-Licht symmetrisch beleuchtet wird. Beobachten Sie dann das Beugungsbild auf dem Schirm und justieren Sie das Detektorgehäu-se in der Höhe so, dass bei Verschiebung über die ganze x-Skala das gebeugte Licht stets durch das Loch im Schirm auf den Photowiderstand fallen kann (Abb. 7).

d

Detektor

Spalt (b)

gebeugtes Licht(schematisch)

Laserlicht (λ)

x=0 x

0 x

GehäusePhotowiderstand

Beugungs-diagramm

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Beugung und Interferenz BI 9

Der Photowiderstand darf aber nie in den direkten Laser-Strahl gebracht werden, da er sonst zerstört wird!

Sowohl Intensität als auch die Position des Detektors auf der x-Skala werden elektrisch ge-messen und mit einen Sensor-CASSY auf einem PC aufgezeichnet: Zur elektrischen Erfas-sung der x-Position ist am Detektor ein Linearpotentiometer angebracht, an dem eine zur Ver-schiebung proportionale Spannung abgegriffen wird (Abb. 8).

Abb. 8: Prinzip des Versuchsaufbaus.

Abb. 9: Elektrischer Schaltplan des Versuchsaufbaus.

Über das CASSY wird als „x-Position“ die Spannung über den Mittelabgriff des Linearpo-tentiometers erfasst, die proportional zur Position des Detektors ist. Über den 2. Eingang des

Sensor-CASSY

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BI 10 Beugung und Interferenz

CASSY wird der Spannungsabfall über den Photowiderstand erfasst, der ein Maß der gemes-senen Lichtintensität ist. Abb. 9 zeigt die Verdrahtung des Messaufbaus. Eine vom CASSY ausgegebene Spannung (maximal 16 V) versorgt sowohl den Schiebewiderstand als auch (über einen Vorwiderstand von 500 Ω) den Photowiderstand.

Nach Justierung des Aufbaus sollen mit dem Programm „CASSY LAB 2“ die ersten 10 Ma-xima und Minima auf beiden Seiten des Hauptmaximums gemessen werden. Dazu muss der Detektor in die Position des Hauptmaximums gefahren und der Messbereich des CASSY in y-Richtung so angepasst werden, dass der Ausschlag im Hauptmaximum gerade dem Vollaus-schlag entspricht. Zur Optimierung kann auch die vom CASSY ausgegebene Spannung ver-ändert werden.

Zur Umrechnung der Spannung am Schiebewiderstand in eine x-Position müssen Sie zu-nächst eine Eichung der Detektorposition durchführen. Messen Sie dazu in 5 mm Schritten über den gesamten Bereich des Schiebewiderstands den entsprechenden Spannungsabfall. Mit diesen Wertepaaren können Sie im Programm „Origin“ eine Ausgleichgerade berechnen, die Sie später für die Umrechnung der gemessenen Spannungen in Positionen benutzen können. Vorsicht: Da der Schiebewiderstand und der Photowiderstand über eine gemeinsame Span-nungs-versorgung angeschlossen sind, erfordert jede Änderung dieser Spannung eine erneute Kalibrierung der x-Position. Ein „ideales“ Messergebnis ist in Abb. 10 dargestellt.

Abb. 10: Messergebnis dargestellt mit verschiedenen Verstärkungsfaktoren.

Auswertung: Prüfen Sie den Intensitätsverlauf der Gl. (2) für den Spalt mit b2 = 0,2 mm. Die Intensitäten Im(xm) der Maxima werden, wie in Abb. 10 gezeigt, bestimmt. Der inkohärente Untergrund muss vor der Bestimmung der einzelnen Intensitäten durch lineare Interpolation abgezogen werden (gestrichelte Kurve bei I3 rechts in Abb. 10). Führen Sie dies für alle Ordnungen von -10 bis +10 durch und bilden Sie für jedes |m| den Mittelwert

2

m mm

I II + −+

=

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Beugung und Interferenz BI 11

Stellen Sie dann graphisch 0lnm

II

als Funktion von 2 1

ln2

m +

für 1 10m≤ ≤ dar.

Zeichnen Sie gestrichelt die theoretisch zu erwartende Kurve nach Gl. (2) für die Maxima in das Diagramm. Vergleichen Sie Messung und Theorie und diskutieren Sie das Ergebnis.

Prüfen Sie die Positionen der Minima und Maxima. Dazu bestimmen Sie die Orte der Minima und Maxima für |m|=1...10 als Mittelwerte der Positionen der Extrema positiver und negativer Ordnung:

( 0) Position des Hauptmaximums

Minima: 2

Maxima: 2

n nn

m mm

xx x

x

x xx

+ −

+ −

= =−

=

−=

Fertigen Sie eine Tabelle an und stellen Sie dann die Orte als Funktion der Ordnungszahlen |n| bzw. |m| graphisch dar. Bestimmen Sie die Steigungen und Achsenabschnitte der Geraden durch die Messpunkte. Berechnen Sie die theoretischen Steigungen und Achsenabschnitte (Gln. (4) und (6)) und vergleichen Sie diese mit den experimentell erhaltenen Messpunkten.

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Physikalisches Grundpraktikum

Photometrische Analyse

Fachrichtungen der Physik

WWW-Adresse Grundpraktikum Physik: 0Hhttp://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/

Kontaktadressen der Praktikumsleiter: PD Dr. Manfred Deicher Zimmer: 1.11, Gebäude E 2.6 e-mail: [email protected] Telefon: 0681/302-58198

PD Dr. Patrick Huber Zimmer: 3.23, Gebäude E2.6 e-mail: [email protected] Telefon: 0681/302-3944

UNIVERSITÄT DES SAARLANDES

Version 8 (6/2012)

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PA 2 Photometrische Analyse

1. Stoffgebiet • Ausbreitung elektromagnetischer Wellen

• Optische Spektroskopie

• Absorption

• Lambert-Beersche Gesetz

• Reflexion

• Emissions- und Absorptionsspektren

2. Fragen 1. Was versteht man unter der Stoffmengenkonzentration? Wie hängt sie mit der Mol-

masse und der Masse zusammen? Überlegen Sie sich, wie man eine Lösung einer ge-wünschten Konzentration herstellt.

2. Was ist eine gesättigte, eine ungesättigte und eine echte Lösung?

3. Was ist ein kolloidales System?

4. Was ist ein Spektrum?

5. Was versteht man unter einem Emissionsspektrum und einem Absorptionsspektrum?

6. Wie unterscheiden sich Atom-, Molekül- und Festkörperspektren?

7. Was versteht man unter der spektralen Bandbreite des Lichts?

8. Im Innern eines absorbierenden Stoffes ist die relative Abnahme der Intensität /dI I Kdx= − , wenn sich das Licht in x-Richtung ausbreitet. Man leite daraus das Ab-

sorptionsgesetz Gl. (1) her.

9. Beschreiben Sie den Entfärbungsprozess von Kristallviolettlösung bei Zugabe von Na-tronlauge.

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Photometrische Analyse PA 3

3. Grundlagen Bei der Untersuchung von Stoffen sind zwei Fragestellungen wichtig:

• Welche Substanzen sind enthalten? (qualitative Analyse)

• In welcher Konzentration sind sie enthalten? (quantitative Analyse)

Die zahlreichen Analysemethoden kann man in überwiegend chemische (Fällungs-, Färbungs-reaktionen, Titrationen etc.) und überwiegend physikalische (Absorptions- und Emissions-spektralanalyse, Chromatographie, Massenspektrometrie, Spinresonanzspektroskopie, Möß-bauer-Spektrometrie usw.) einteilen, wenngleich eine solche Einteilung keine scharfe Ab-grenzung liefert. Dabei ist beispielsweise von Interesse, welche Elemente in einer Verbin-dung, welche Verbindungen in einer Lösung enthalten sind, oder welche Substanzen bei che-mischen Reaktionen entstehen.

In der medizinischen Diagnostik beschränkt man sich meist auf den quantitativen Nachweis von organischen Verbindungen in Lösungen (z.B. Blut). In vielen Fällen eignet sich hierzu die Absorptionsspektralanalyse, die nur eine geringe Messzeit beansprucht. Diese Tatsache ist für instabile Lösungen wichtig. Da diese Methode ohne chemische Umwandlungen aus-kommt, stehen die Messproben für weitere Untersuchungen zur Verfügung. Heutzutage gibt es auf dem Markt spezielle Messgeräte, mit deren Hilfe komplette Messspektren in Bruchtei-len von Sekunden aufgezeichnet werden, so dass man auch den Verlauf chemischer Reaktio-nen schrittweise verfolgen kann.

3.1 Die Spektralanalyse

Der Spektralanalyse liegt die von dem Chemiker Bunsen und dem Physiker Kirchhoff ge-wonnene Erkenntnis zugrunde, dass jedes chemische Element durch sein Absorptions- und Emissionsspektrum (Atomspektrum) eindeutig charakterisiert ist. Dies gilt nicht in gleicher Allgemeinheit für chemische Verbindungen oder Zusammenlagerungen gleichartiger Atome (Festkörper, Flüssigkeiten), jedoch lassen sich auch viele Verbindungen, Flüssigkeiten und Festkörper durch ihre Spektren analysieren. Grund für diese Einschränkung ist, dass die Spek-tren umso komplizierter werden, je mehr Atome sich im engen Verband befinden (Moleküle, Festkörper) und sich gegenseitig beeinflussen. Die gegenseitige Beeinflussung benachbarter Atome bewirkt, dass deren Elektronenspektren verändert werden und zusätzliche Absorpti-ons- und Emissionsprozesse entstehen (beim Molekül etwa die Anregung von Schwingungen und Rotationen). An die Stelle der Atomlinien tritt beim isolierten Molekül eine Vielzahl von Liniengruppen (Molekülbanden). Bringt man Moleküle in Lösung, so findet man ähnlich wie bei den Festkörpern breite Absorptionsbereiche, die oft unterbrochen sind durch Bereiche ohne Absorption. Je größer die Zahl der miteinander in Wechselwirkung stehenden Atome ist, desto verwaschener und uncharakteristischer werden die Strukturen ihrer Spektren. Infolge solcher Wechselwirkungen hat z.B. das Spektrum metallischen Natriums keinerlei Ähnlich-keit mehr mit dem des Gases. Atomares Natrium kann durch das Liniendublett im Gelben leicht identifiziert werden. Im gesamten sichtbaren Spektralbereich ist das Spektrum metalli-schen Natriums dagegen so uncharakteristisch, dass es sich z.B. von dem des metallischen Aluminiums kaum unterscheidet. Auch die Moleküle eines Lösungsmittels stellen eine solche störende Umgebung dar, sodass die Spektren gelöster Atome und Moleküle auch von der chemischen Natur des Lösungsmittels beeinflusst werden. Dies muss bei der Analyse von Spektren gelöster Stoffe beachtet werden. An sich sind Absorptions- und Emissionsspektren zur Analyse gleich brauchbar; bei Atomen im Gas wird meist letztere angewendet (z.B. Flammenfärbung in der chemischen Analyse). Moleküle untersucht man dagegen meist in Absorption, da sie sich oft bei der für Emission

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PA 4 Photometrische Analyse

notwendigen Erwärmung zersetzen. Auch bei flüssigen Lösungen kommt nur die erste Me-thode in Betracht. Absorptionsspektren von Lösungen bestehen aus Absorptionsbereichen (Absorptionsbanden) und Bereichen, in denen die Lösung durchsichtig ist. Liegt keine Absorptionsbande im sicht-baren Spektralbereich, so erscheint die Lösung farblos. Dann muss man zur Analyse die im Ultravioletten (UV) und Infraroten (IR) liegenden Absorptionsbereiche ausmessen. Die Absorptionsspektren von Lösungen setzen sich zusammen aus der Absorption der gelös-ten Stoffe und der Absorption des Lösungsmittels. Angenehmerweise liegen bei üblichen Lö-sungsmitteln wie Wasser oder Alkohol, die Eigenabsorptionen weit entfernt vom sichtbaren Spektralbereich im Ultravioletten und Infraroten, so dass sie im Sichtbaren farblos sind. Ist man aber z.B. bei gelösten Substanzen, die im Sichtbaren selbst nicht oder nur uncharakteris-tisch absorbieren, auf Messungen im UV oder im IR angewiesen, so muss man gesondert eine evtl. Eigenabsorption des Lösungsmittels prüfen. Wir werden darauf im Folgenden näher ein-gehen. Mit kommerziellen Absorptionsgeräten (Photometer) kann man heute üblicherweise den Spektralbereich vom nahen Ultravioletten bis zum nahen Ultraroten (Wellenlängen von 280 nm bis etwa 1,5 µm) überstreichen. Zur qualitativen Spektralanalyse muss man also das Ab-sorptionsspektrum messen. Meist genügt dazu bereits ein kleiner Ausschnitt des Spektrums, wenn dieser Absorptionsbereiche enthält. Je größer man jedoch den zu messenden Spektralbe-reich wählt, je mehr typische Absorptionsstellen man also erfasst, desto sicherer ist die Ana-lyse. Aus der spektralen Lage der Maxima der Absorption ist dann auf die gelöste Substanz zu schließen.

3.2 Das Absorptionsgesetz

Zur quantitativen Analyse eines Stoffes genügt, falls bereits bekannt ist, dass er in der Lösung enthalten ist, die Messung seiner Absorption an einer Stelle im Spektrum, bei der das Lö-sungsmittel und sonstige gelöste Stoffe nicht absorbieren. Besonders geeignet sind die Maxi-ma von Absorptionsbereichen des zu untersuchenden Stoffes. Die Absorption von Licht in einer ebenen Schicht einer absorbierenden Substanz wird durch das Absorptionsgesetz be-schrieben. Die Konzentrationsbestimmung erfolgt mit dem Beerschen Gesetz, das eine Erwei-terung des Absorptionsgesetzes darstellt. Die von einer absorbierenden Substanz durchgelassene Lichtintensität Idurch bezogen auf die eindringende Intensität Iein nimmt exponentiell mit der Schichtdicke d ab. Die stoffspezifische Stärke der Absorption wird durch eine Materialkonstante, die Absorptionskonstante K erfasst. Ihre Größe hängt von der Wellenlänge λ des Lichtes ab. Das Absorptionsgesetz lautet:

( )K ddurch

ein

I eI

λ−= (1)

Abb. 1 zeigt den Verlauf von Gl. (1) als Funktion der Schichtdicke. Eine wesentliche Erweite-rung des Gesetzes auf Lösungen stammt von Beer. Ist c die Konzentration des gelösten Stof-fes und ist das Lösungsmittel im betrachteten Spektralbereich durchsichtig, so gilt:

( ) ( )K cλ α λ= (2)

Dabei ist α (λ) eine von der Wellenlänge abhängige Konstante, die spezifische Absorptions-konstante. Setzt man diese Formel in Gl. (1) ein, so erhält man das Beersche Gesetz (oft auch Lambert-Beersches Gesetz genannt) für die Transmission T:

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Photometrische Analyse PA 5

( )cddurch

ein

IT eI

α λ−= = (3)

Aus der Messung der Intensitäten Idurch und Iein bei einer Wellenlänge λ erhält man nur dann eine eindeutige Aussage über die Konzentration c des gelösten Stoffes, wenn man dessen Konstante α bei dieser Wellenlänge kennt und weiß, dass keine weiteren Bestandteile der Lösung zur Absorption bei dieser Messwellenlänge beitragen.

Abb. 1: Die von einer absorbierenden Substanz durchgelassene Lichtintensität Idurch bezogen auf die eindringende Intensität Iein nimmt exponentiell mit der Schichtdicke d ab (Gl. (1)).

In der Photometrie wird statt der Transmission T oft die Extinktion E benutzt:

1log log ( ) logein

durch

IE cd eI T

α λ= = = (4)

Führt man den molaren dekadischen Extinktionkoeffizienten ε(λ) = α(λ)loge ein, ist

( )E cdε λ= (5)

ε ist die Extinktion E, die eine Lösung mit der Konzentration 1 mol/l bei einer Schichtdicke von 1 cm haben würde. An die Stelle der expliziten Kenntnis der Konstanten α οder ε kann auch eine Vergleichsmes-sung an einer gleichartigen Lösung mit bekannter Konzentration c0 (Normal- oder Eichlö-sung) treten. Dann verhalten sich die Absorptionskonstanten der Lösungen zueinander wie ihre Konzentrationen:

0 0( ) : ( ) :K K c cλ λ = (6)

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PA 6 Photometrische Analyse

Für Lösungen mit mehreren absorbierenden Bestandteilen setzt sich die Gesamtabsorption aus den Einzelabsorptionen zusammen:

1 1 2 2( ) ( ) ( ) ...gesamtK c cλ α λ α λ= + + (7)

Für die gesamte Extinktion gilt

1 2 1 1 2 2... ( ...)gesamtE E E d c cε ε= + + = + + (8)

Die Indizes 1,2,... sollen auf die verschiedenen absorbierenden Bestandteile der Lösung hin-weisen. Hier ergibt sich nun eine Schwierigkeit: Selbst, wenn man weiß, dass zwei Substan-zen mit den spezifischen Absorptionskonstanten α1(λ) und α2(λ) in einer Lösung enthalten sind, so sind Gl. (7) bzw. (8) nicht eindeutig, da sie zwei Variablen enthalten. So kann dersel-be Zahlenwert von Kgesamt durch völlig unterschiedliche Kombinationen von c1 und c2 erhalten werden, wodurch eine eindeutige Konzentrationsbestimmung unmöglich wird. Der Ausweg ist, bei zwei oder mehreren Wellenlängen zu messen, und zwar, falls dies mög-lich ist, am besten bei einer Wellenlänge λ1, bei der nur die eine, und dann bei einer weiteren Wellenlänge λ2, bei der nur die andere Substanz absorbiert. Aber auch , wenn es solche Ge-biete im Messbereich des Spektrums nicht gibt, in denen der eine Stoff durchsichtig, der ande-re aber absorbierend ist, so erhält man aus zwei Messungen bei verschiedenen Wellenlängen im allgemeinen eine eindeutige Aussage über die beiden Einzelkonzentrationen, wenn die spezifischen Absorptionskonstanten bekannt sind. Allerdings ist dann die Auswertung kom-plizierter, da man ein System von zwei Gleichungen mit zwei Unbekannten lösen muss. Für die Auswertung ist zudem nötig, dass die Absorptionen der Bestandteile in der gleichen Größenordnung liegen. Dies ist meist nicht der Fall, wenn das Lösungsmittel selbst ein absor-bierender Bestandteil ist. Ist die Konzentration des gelösten Stoffes gering, kann seine Ab-sorption so sehr von der des mengenmäßig überwiegenden Lösungsmittels überdeckt werden, dass die Messgenauigkeit nicht ausreicht, den gelösten Stoff überhaupt noch nachzuweisen. Das Lambert-Beersche Gesetz gilt bei den meisten Lösungen, keineswegs aber allgemein. Eine Voraussetzung für seine Gültigkeit ist, dass keine Wechselwirkung zwischen den gelös-ten Molekülen auftritt. Bei niedrigen Konzentrationen ist dies wegen des großen mittleren Abstandes der Moleküle sicher der Fall, bei hohen Konzentrationen aber kann die Wechsel-wirkung der Moleküle untereinander bewirken, dass sich die Konstante α(λ) ändert, d.h. selbst von der Konzentration abhängig wird.

3.3 Das Spektrometer (Photometer)

Das hier benutzte Spektrometer Red Tide USB650 analysiert Licht in einem Wellenlängenbe-reich von 350 nm – 1000 nm mit einer Auflösung von etwa 2 nm. Es besitzt keine bewegli-chen Teile, alle optischen Komponenten sind fest montiert und wurden einmal eingestellt und geeicht. Abb. 2 zeigt den inneren Aufbau des Spektrometers. Das zu analysierende Licht wird über einen Lichtleiter (1) und einen Spalt (2) in das Spek-trometer geführt. Ein Eintrittsfilter (3) beschränkt den Wellenlängenbereich des eintretenden Lichts auf den Wellenlängenbereich 350 nm – 1000 nm. Ein Hohlspiegel (4) fokussiert das Licht auf ein Gitter (5) mit 600 Linien pro mm. Das Gitter zerlegt durch Beugung das Licht spektral. Die 1. Beugungsordnung dieses Lichts wird von einem weiteren Spiegel (6) über viele kleine Sammellinsen (7) auf einen CCD-Detektor (8) mit 2048 Elementen („Pixel“) ab-gebildet. Zusätzliche Filter (9,10) dienen der Unterdrückung von Streulicht und Licht aus Beugungen höherer Ordnung. Die Position jedes Pixels des CCD-Detektors entspricht einer bestimmten Wellenlänge und jeder Pixel erzeugt ein elektrisches Signal, das proportional zu

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Photometrische Analyse PA 7

der Intensität des von ihm absorbierten Lichts ist. Diese Signale werden digitalisiert und an einen PC übertragen.

Abb. 2: Aufbau des Spektrometers Red Tide USB650.

Allerdings haben sowohl das Gitter als auch der CCD-Detektor abhängig von der Wellenlän-ge unterschiedliche Empfindlichkeiten. Dies ist einer der Gründe, warum photometrische Messungen immer im „2-Küvetten-Verfahren“ durchgeführt werden. Durch den Bezug auf eine Referenzmessung (Küvette mit reinem Lösungsmittel) ist die eigentliche Messung unab-hängig von der Ansprechwahrscheinlichkeit des Spektrometers. Als Lichtquelle für die Messungen dient eine Wolfram-Halogen-Lampe, die ein kontinuierli-ches Lichtspektrum im Bereich 360 nm – 2000 nm liefert. Abb. 3 zeigt das Lichtspektrum für den Bereich, für den das Spektrometer empfindlich ist.

Abb. 3: Spektrum der Wolfram-Halogen-Lampe.

Durch Einsatz von Neutral-Filtern kann die Lichtintensität angepasst werden. Die Lichtquelle wird mit einem Lichtleiter mit dem Küvettenhalter verbunden, mit einem weiteren Lichtleiter wird das nicht absorbierte Licht zum Spektrometer geleitet.

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PA 8 Photometrische Analyse

4. Versuche Hinweis: Eine Anleitung zur Aufnahme der Messungen mit dem Programm SpectraLab fin-den Sie in den Anhängen I und II.

Vorsicht: Vermeiden Sie es, die verwendeten Chemikalien in die Augen zu reiben. Verwen-den Sie Handschuhe.

Aufgabe 1

Prüfen Sie experimentell die im Lambert-Beerschen Gesetz geforderte Abhängigkeit der Ab-sorption von der Konzentration c. Dazu wird das Extinktionsspektrum einer Kaliumper-manganatlösung (KMnO4) aufgenommen. Der Transmissionskoeffizient wird aus der Extink-tion berechnet. Bestimmen Sie mit Hilfe des Lambert-Beerschen Gesetzes den Absorptions-koeffizienten einer KMnO4 Lösung für drei verschiedenen, geeigneten Wellenlängen.

Stellen Sie 200 ml einer 0,001 molaren Kaliumpermanganatlösung (KMnO4) her (Molmasse: 158,03 g/mol). Von dieser Stammlösung des Farbstoffes stellen Sie folgende Verdünnungen her: 100%, 50%, 25%, 10%, 5% und 2%. Benutzen Sie dazu die Saugpipette.

Vorsicht: Die Küvetten nicht im transparenten Bereich berühren, sondern an den aufgerauten Flächen. Fingerabdrücke verfälschen die Messung.

Theoretische Grundlagen der Durchführung:

In der photometrischen Messung wird die durch die Probe dringende Lichtintensität aufge-nommen. Nach Gl. (1) hängt der Messwert von der Intensität des Lichtes vor Durchgang durch die Probe ab. Zusätzlich zur Messung der einfallenden Intensität ist die Reflexion des Lichtes, die an jeder Grenzfläche (Luft/Glas und Glas/Lösung) zwischen zwei verschiedenen durchsichtigen oder absorbierenden Stoffen auftritt, zu berücksichtigen (Abb. 4). Dadurch wird die Intensität Idurch zusätzlich geschwächt. Der reflektierte Anteil an einer Grenzfläche ist R I⋅ (R = Reflexionsvermögen der Grenzfläche, I = einfallende Intensität), der durchgelassene Anteil beträgt hinter einer Grenzfläche (1 )R I− ⋅ .

Abb. 4: Zwei-Küvetten-Messverfahren in der photometrischen Analyse.

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Photometrische Analyse PA 9

Das Messsignal Idurch ist also nicht nur eine Funktion von K, sondern auch von Iein und dem Reflexionsvermögen der verschiedenen Grenzflächen. Durch das Zwei-Küvetten-Mess-verfahren wird der Einfluss der unerwünschten Größen eliminiert, und man erhält das unver-fälschte Absorptionsspektrum. Für eine stark verdünnte, wässrige Lösung ist die reflektierte Intensität praktisch gleich der einer mit reinem Lösungsmittel gefüllten Referenzküvette. Wird Idurch, die Intensität hinter einer mit Lösungsmittel gefüllten Küvette gemessen, so enthält dieser Wert nahezu dieselben Reflexionsverluste. Division dieses Wertes ( Lösung

durchI ) durch den Messwert ( LösungsmitteldurchI ) ergibt

die gesuchte Funktion ( )K de λ− ⋅ . Voraussetzung für diese Methode sind identische optische Eigenschaften der verwendeten Küvetten.

Durchführung:

a) Stellen Sie die Stammlösung und die beschriebenen Verdünnungen her. Befüllen Sie je-weils eine Küvette zu ca. ¾ mit der Stammlösung sowie den Verdünnungen. Befüllen Sie außerdem eine Küvette mit destilliertem Wasser als Referenz.

b) Messen Sie das Absorptionsspektrum von destilliertem Wasser.

c) Messen sie die Absorptionsspektren der Stammlösung und ihrer Verdünnungen.

Auswertung:

a) Übertragen Sie die Messwerte der Extinktion samt Wellenlängen nach Origin.

b) Suchen sie eine geeignete Wellenlänge heraus und tragen sie die zugehörigen Werte der Extinktion gegen die Konzentration auf. Mit Hilfe des Graphen können sie anhand des Lambert-Beerschen Gesetzes die Absorptionskonstante für diese Wellenlänge berechnen.

c) Berechnen sie die Absorptionskonstanten für zwei weitere Wellenlängen.

Aufgabe 2:

Untersuchen sie die Reaktionskinetik beim Entfärben einer Kristallviolettlösung der Konzen-tration 65 10c −= ⋅ mol/l mit Natronlauge (0,01 mol/l). Bestimmen sie die Reaktionskonstante.

Durchführung:

a) Stellen Sie 400 ml einer 65 10−⋅ molaren Kristallviolettlösung (C25H30ClN3) her. Die mola-re Masse von Kristallviolett beträgt 407,99 g/mol.

b) Nehmen Sie als Referenzmessung das Absorptionsspektrum von destilliertem Wasser auf.

c) Das Messprogramm muss vor dem Aufnehmen der Reaktionskinetik kalibriert werden. Nehmen Sie das Absorptionsspektrum der Stammlösung auf und wählen Sie den Wellen-längenbereich aus, in dem die Kinetik untersucht werden soll. Stellen Sie dann durch Ver-dünnen der Stammlösung Kristallviolettlösungen der Konzentrationen 64 10c −= ⋅ mol/l,

63 10c −= ⋅ mol/l, 62 10c −= ⋅ mol/l, 61 10c −= ⋅ mol/l her und nehmen Sie ihr Absorptions-spektrum auf.

d) Geben Sie mit einer Pipette einige Tropfen Natronlauge in eine Küvette mit der Stammlö-sung und stellen sie diese in die Messvorrichtung. Die Anfangskonzentration der Lösung sollte zwischen 64 10−⋅ mol/l und 64,5 10−⋅ mol/l liegen. Die Kristallviolettlösung wird sich innerhalb von etwa 20 Minuten langsam entfärben.

e) Nehmen Sie den Konzentrationsverlauf auf und bestimmen Sie daraus die Reaktions-konstante.

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PA 10 Photometrische Analyse

Aufgabe 3:

Vergleichen Sie experimentell und rechnerisch die Additivität von Absorptionskonstanten nach Gleichung (6).

Durchführung:

Sie benötigen folgende Lösungen bekannter Konzentration: Kupfersulfatlösung ( 0,22c =mol/l), Kristallviolettlösung ( 65 10c −= ⋅ mol/l) und Kaliumpermanganatlösung ( 0,001c =mol/l).

a) Nehmen Sie als Referenz das Absorptionsspektrum von destilliertem Wasser auf.

b) Nehmen Sie jeweils das Absorptionsspektrum der drei Lösungen auf und bestimmen sie wie in Aufgabe 1 die Absorptionskonstanten der Lösungen mit Hilfe des Lambert-Beerschen Gesetzes.

c) Stellen Sie eine Mischung (Verhältnis 1:1) aus Kupfersulfat- und Kristallviolettlösung sowie Kupfersulfat- und Kaliumpermanganatlösung her und bestimmen Sie die Absorpti-onskonstanten der Mischungen. Beachten Sie, dass sich die Konzentrationen ändern, wenn Sie zwei Lösungen mischen.

d) Vergleichen Sie die experimentell und rechnerisch erhaltenen Ergebnisse.

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Photometrische Analyse PA 11

Anhang I Durchführung einer Messung zur Bestimmung der Absorptionskonstanten mit SpectraLab (das Handbuch zu dem Programm liegt bei dem Versuch aus bzw. kann von der Web-Seite des Praktikums runtergeladen werden):

A Messung der Referenz:

1. Klicken Sie auf den Reiter „Referenz I2 = I-I0“. 2. Setzen Sie die Referenz-Küvette in den Halter ein. 3. Passen Sie die Integrationszeit an:

a. Stellen Sie die Integrationszeit auf 100 ms ( und -Button), b. Probieren Sie verschiedene Kombinationen aus Neutralgläsern und verschiedenen In-

tegrationszeiten aus, um in Transmission maximal etwa 75% Intensität zu erreichen. 4. Warten Sie einige Sekunden, bis sich die Anzeige nur noch schwach verändert. 5. Bilden Sie den Mittelwert (∑-Button) über etwa 100 Messungen mit der Referenz. 6. Beenden Sie die Messung ( -Button).

B Messung der Probe

1. Klicken Sie auf den Reiter „Extinktion E = -log(I1/I2)“. 2. Setzen Sie die Proben-Küvette in den Halter ein. 3. Warten Sie einige Sekunden, bis sich die Anzeige nur noch schwach verändert. 4. Bilden Sie den Mittelwert (∑-Button) über etwa 50 Messungen mit der Probe. 5. Beenden Sie die Messung ( -Button).

Hinweis: Zum Messen von Probenvariationen (beispielsweise unterschiedliche Konzentratio-nen) erstellen Sie nach Schritt B5 eine neue Datenspalte ( -Button) und beginnen Sie wie-der bei Schritt B2. Stoppen Sie beim Wechsel die Bildung des Mittelwerts.

C Speichern der Daten

• Legen Sie in dem dafür vorgesehenen Verzeichnis ein Unterverzeichnis an, welches Sie nach dem aktuellen Datum benennen.

• Speichern Sie alle Daten ( -Button). • Benennen Sie ihre Daten nach der vermessenen Substanz (z.B. C:\Dokumente und Einstel-

lungen\Betreuer\Eigene Dateien\PA-Messungen\2009\13-10-09\KMnO4).

D Exportieren der Daten nach Origin

1. Rechtsklicken Sie die zu exportierende Tabelle und wählen Sie „Tabelle kopieren“ aus dem Menü aus.

2. Starten Sie Origin. 3. Rechtsklicken Sie auf Feld A-1 im Origin-Worksheet und drücken Sie „STRG+V“ zum

Einfügen der Daten.

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PA 12 Photometrische Analyse

Anhang II Durchführung einer Messung zur Bestimmung der Reaktionskinetik mit SpectraLab:

A Messung der Referenz:

1. Klicken Sie auf den Reiter „Referenz I2 = I-I0“. 2. Setzen Sie die Referenz-Küvette in den Halter ein. 3. Passen Sie die Integrationszeit an:

a. Stellen Sie die Integrationszeit auf 100 ms ( und -Button), b. Probieren Sie verschiedene Kombinationen aus Neutralgläsern und verschiedenen In-

tegrationszeiten aus, um in Transmission bei λ = 600 nm etwa 75% Intensität zu errei-chen.

4. Warten Sie einige Sekunden, bis sich die Anzeige nur noch schwach verändert. 5. Bilden Sie den Mittelwert (∑-Button) über etwa 100 Messungen mit der Referenz. 6. Beenden Sie die Messung ( -Button).

B Eichung der Probe

1. Klicken Sie auf den Reiter „Extinktion E = -log(I1/I2)“. 2. Setzen Sie die Proben-Küvette in den Halter ein. 3. Warten Sie einige Sekunden, bis sich die Anzeige nur noch schwach verändert. 4. Bilden Sie den Mittelwert (∑-Button) über etwa 50 Messungen mit der Probe. 5. Beenden Sie die Messung ( -Button).

6. Suchen Sie den Bereich des Absorptionsmaximums. 7. Rechtsklicken Sie auf den Extinktions-Graphen und wählen Sie „Bereich für Kinetik defi-

nieren“. 8. Markieren Sie einen Bereich von ± 20nm um die Wellenlänge maximaler Extinktion. 9. Rufen Sie mit einem Linksklick auf das „E“ in der oberen Leiste das Anzeigegerät für die

Extinktion auf. 10. Klicken Sie auf den Reiter „Kalibrierung“. 11. Ziehen Sie den Wert aus der Anzeige mit der Maus in die erste Zeile der Spalte „E“ und

tragen Sie in der Spalte „c“ die zugehörige Konzentration ein. 12. Wechseln Sie zum Reiter „Extinktion E = -log(I1/I2)“. 13. Erstellen Sie eine neue Spalte ( -Button).

Wiederholen Sie Schritt B2-B5 und B10-B13 für die anderen Konzentrationen, dann fahren Sie mit B14 fort.

14. Wechseln Sie zum Reiter „Kalibrierung“. 15. Rechtsklicken Sie den Graphen in der Kalibrierung und wählen Sie „Anpassung durchfüh-

ren“ → „Ausgleichsgerade“ aus. 16. Markieren Sie die Messdaten. 17. Lesen Sie den Wert für E/c = A ab und notieren Sie ihn.

C Messung der Reaktionskinetik

1. Klicken Sie auf den Reiter „Kinetik“. 2. Ziehen Sie den Button „c“ aus der oberen Leiste in den Kinetik-Graphen. 3. Setzen Sie die Proben-Küvette in den Halter ein. 4. Vergewissern Sie sich, dass der ( -Button) und der (∑-Button) nicht mehr aktiv sind. 5. Starten Sie die Kinematik-Messung (-Button, rechts). 6. Beenden Sie die Kinematik-Messung (-Button, rechts).

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Photometrische Analyse PA 13

D Speichern der Daten

• Legen Sie in dem dafür vorgesehenen Verzeichnis ein Unterverzeichnis an, welches Sie nach dem aktuellen Datum benennen.

• Speichern Sie alle Daten ( -Button). • Benennen Sie ihre Daten nach der vermessenen Substanz (z.B. C:\Dokumente und Einstel-

lungen\Betreuer\Eigene Dateien\PA-Messungen\2009\13-10-09\Kinetik).

E Exportieren der Daten nach Origin

1. Rechtsklicken Sie die zu exportierende Tabelle und wählen Sie „Tabelle kopieren“ aus dem Menü aus.

2. Starten Sie Origin. 3. Rechtsklicken Sie auf Feld A-1 im Origin-Worksheet und drücken Sie „STRG+V“ zum

Einfügen der Daten

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Physikalisches Grundpraktikum

Radioaktivität

Fachrichtungen der Physik

WWW-Adresse Grundpraktikum Physik: http://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/

Kontaktadressen der Praktikumsleiter: Dr. Manfred Deicher Zimmer: 1.11, Gebäude E 2.6 e-mail: [email protected] Telefon: 0681/302-58198

Dr. Patrick Huber Zimmer: 3.23, Gebäude E2.6 e-mail: [email protected] Telefon: 0681/302-3944

UNIVERSITÄT DES SAARLANDES

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RA 2 Radioaktivität

1. Stoffgebiet

• Aufbau der Atomkerne

• Nukleonen

• (Radio-)Nuklide

• Zerfallsfamilie

• Zerfallsgesetz

• Radioaktive Umwandlungen

• Radioaktive Strahlung

• Dosimetrie

• Natürliche und technische Strahlenbelastung

• Schwächung von Strahlung

• Compton-Effekt, Paarbildung, Ionisation

• Unselbstständige Gasentladung (Geiger-Müller-Zählrohr)

2. Literatur

• Strahlenschutzverordnung – StrlSchV BGBl. I Nr. 38 S. 1714 und BGBl. I Nr. 55 S. 2618

• P.A. Tipler, G. Mosca, Physik 2. Auflage (Elsevier, München 2004) Kap. 40

• V. Harms, Physik für Mediziner und Pharmazeuten 16. Aufl. Harms Verlag, Lindhöft 2004) S. 184

• H.-J. Eichler,H.-D. Kronfeldt, J. Sahm, Das Neue Physikalische Grundpraktikum 2. Aufl. (Springer, Berlin 2006) S. 507

• Bundesamt für Strahlenschutz, Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung http://www.bfs.de/bfs/druck/uus

Version 7 (5/2009 MD)

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Radioaktivität RA 3

3. Fragen

1. Was bedeutet die Angabe 22688 Ra ? Was ist ein Isotop? Was versteht man unter einer

radioaktiven Zerfallsfamilie? Geben Sie dafür jeweils ein Beispiel an.

2. Geben Sie die Masse (SI-Einheiten und atomare Masseneinheiten) und elektrische Ladung (SI) von Elektron, Positron, Neutrino, Proton und Neutron an.

3. Berechnen Sie die Quanten-Energie, Frequenz und Wellenlänge der elektromagneti-schen Strahlung, die bei der Zerstrahlung (Paarvernichtung) eines Elektron-Positron-Paares entsteht ( 2 )e e γ+ −+ → .

4. Zur Strahlungsmessung (Dosimetrie) werden die Größen ,,Aktivität“, ,,Energiedosis“ und ,,Äquivalentdosis“ benutzt. Wie sind diese Größen definiert und in welchen Ein-heiten werden sie gemessen?

5. Wie ändert sich die Aktivität eines radioaktiven Präparates mit der Zeit? Was ver-steht man unter einem ,,radioaktiven Gleichgewicht“?

6. Definieren Sie die Begriffe ,,(elektronische) Anregung eines Atoms“, ,,Ionisation“ und ,,Rekombination“.

7. Mit welcher Geschwindigkeit verlässt ein α-Teilchen einen 226Ra-Kern, wenn ihm dabei infolge der Änderung der Bindungsenergie im Kern eine Energie von 4,7 MeV mitgegeben wird?

8. Wieso erfolgt die Schwächung (monoenergetischer) α-Strahlung nicht nach einem exponentiellen Absorptionsgesetz?

9. Auf welche Weise wird biologisches Gewebe durch radioaktive Strahlung geschä-digt? Wie hoch ist die natürlich auftretende Strahlenbelastung eines Menschen in Deutschland? Wodurch ist diese bedingt?

10. Beschreiben Sie den prinzipiellen Aufbau eines Geiger-Müller-Zählers.

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RA 4 Radioaktivität

4. Grundlagen

Atomkerne bestehen aus Nukleonen, den positiv geladenen Protonen (p) und Neutronen (n), die durch Kernkräfte zusammengehalten werden. Nicht jeder Kern mit einer bestimmten Kombination von Protonenzahl Z und Neutronenzahl N zu einem Kern mit der Massenzahl A = N + Z ist in der Natur allerdings realisiert oder im Labor herstellbar. Vielmehr führen nur ganz bestimmte Kombinationen zu stabilen Kernen, d.h. zu Kernen, die sich ohne äußere Ein-flüsse im Laufe der Zeit nicht verändern. Aus ihnen und den an sie gebundenen Elektronen ist unsere materielle Umwelt aufgebaut. Daneben kommen in der Natur instabile Kerne vor (na-türliche radioaktive Kerne), und darüber hinaus lassen sich im Labor eine große Zahl instabi-ler Kerne (künstliche radioaktive Kerne) herstellen. Die instabilen Kerne werden auch Radio-nuklide genannt. Instabil sind sie bezüglich der Zahl Z und/oder der Zahl N im jeweiligen Kern. Diese ändern sich im Laufe der Zeit, indem spontan Teilchen und Energie aus dem Kern emittiert werden (Radioaktivität).

Entspricht eine Kombination (Z,N) nicht der eines stabilen Kernes, so kommt es zu nuklearen Umwandlungsvorgängen. Ziel für einen Kern ist dabei immer ein möglichst stabiler Bin-dungszustand, der durch unterschiedliche Umwandlungsarten erreicht werden kann. Ist auch der durch den Zerfall entstandene Kern selbst instabil, zerfällt dieser seinerseits erneut. Es entsteht im allgemeinen eine ganze Zerfallskette, die letztlich bei einem stabilen Nuklid endet (Radioaktive Zerfallsfamilien).

4.1 Radioaktive Zerfallsarten

α-Zerfall

Beim α-Zerfall geht ein Mutterkern mit der Ordnungszahl Z und der Massenzahl A unter Emission eines 4He-Kerns, des α-Teilchens (Z=2, A=4), in einen Kern mit der Ordnungszahl Z-2 und der Massenzahl A-4 über (Abb. 1). Der Zerfall lässt sich symbolisch schreiben als

A A-4 4Z Z-2 2X Y He→ + (1)

Auf beiden Seiten der Gleichung steht die gleiche Anzahl von Protonen Z und die gleiche Anzahl von Nukleonen A. Dies gilt für alle radioaktiven Zerfälle. Die Zahl der Nukleonen und die Gesamtladung müssen erhalten bleiben.

Der α-Zerfall ist nur möglich, wenn die Kernmasse m auf der linken Seite von Gl. (1) größer ist als die Summe auf der rech-ten. Zu den Kernmassen kommen im neutralen Atom noch Z Elektronenmassen m0 hinzu und wir können statt der Kern-massen die Atommassen M(Z,A) = m(Z,A) + Zm0 benutzen. Mit der Einsteinschen Masse-Energie-Äquivalenz (E = mc2) ergibt sich für die Zerfallsenergie

4 22( , ) ( 2, 4 )( He)Q M Z A M Z A M c = − − − − (2)

Nur für den Fall Q > 0 ist ein α-Zerfall möglich. Es zeigt sich, dass nur für Kerne mit A > 150 der α-Zerfall möglich ist.

Da die Energie erhalten bleiben muss, verteilt sich Q als kinetische Energie auf die Zerfalls-produkte.

( ) (Y)kin kinE E Qα + = (3)

Abb. 1: Der α-Zerfall.

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Radioaktivität RA 5

Mit dem Impulssatz ergibt sich dann

( ) Ykin

Y

mE Qm mα

α =+

(4)

Das α-Teilchen erhält also beim Zerfall eine diskrete kinetische Energie, die durch den Q-Wert und die Masse des Mutterkerns bestimmt ist. Die α-Strahlung ist deshalb monochroma-tisch (Abb. 2).

Abb. 2: Energiespektrum von α-Teilchen.

Wegen ihrer relativ großen Masse und Geschwindigkeit werden α-Teilchen bei der Wechsel-wirkung mit Materie nur selten wesentlich aus ihrer Bewegungsrichtung abgelenkt. Entlang ihres Weges erfolgen so lange Energieübertragungsprozesse (Stöße, Ionisation) mit Atomen oder Molekülen, bis die Bewegungsenergie aufgebraucht ist. Die Länge dieses Weges nennt man die Reichweite R. Je höher die Anfangsgeschwindigkeit v0 der Teilchen, desto größer ist R:

30R Av= (Geigersches Reichweitengesetz) (5)

Gl. (5) ist eine empirische Formel mit A als einer materialabhängigen Konstanten. In Luft gilt A ≈ 10-27 cm-2s3, in Blei ist A um den Faktor 1000 kleiner.

β-Zerfall

Unter dem β-Zerfall versteht man die Zerfälle eines Kerns, bei denen die Anzahl der Nukleo-nen, d.h. die Massenzahl A, konstant bleibt, und die Kernladungszahl Z sich um eine Einheit ändert. Es gibt drei verschiedene Arten von β-Zerfällen.

Abb. 3: β− (links) und β+-Zerfall (rechts).

Beim β−-Zerfall emittiert der Kern bei der Umwandlung eines Neutrons in ein Proton ein Elektron und erhöht seine Kernladungszahl von Z auf Z+1 (Abb. 3 links). Energetisch mög-

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RA 6 Radioaktivität

lich ist dieser Prozess, wenn die Masse des Mutterkerns größer ist als die des Tochterkerns plus eine Elektronenmasse m0. Die Übergangsenergie Q ist die Differenz dieser Massen. Sie kann in Kernmassen m oder in Atommassen M ausgedrückt werden:

[ ] [ ]2 20( , ) ( 1, ) ( , ) ( 1, )Q m Z A m Z A m c M Z A M Z A c= − + − = − + (6)

Beim β+-Zerfall emittiert der Kern bei der Umwandlung eines Protons in ein Neutron ein Po-sitron und erniedrigt seine Kernladungszahl von Z auf Z-1 (Abb. 3 rechts). Das Positron ist ein „Antielektron“ mit allen Eigenschaften des Elektrons bis auf die positive Ladung. Für diesen Zerfall muss die Übergangsenergie

[ ] [ ]2 20 0( , ) ( 1, ) ( , ) ( 1, ) 2Q m Z A m Z A m c M Z A M Z A m c= − − − = − − − (7)

positiv sein.

Beim Elektroneneinfang (EC, von „electron capture“) fängt sich der Kern ein Elektron aus der Atomhülle ein und erniedrigt dabei die Kernladungszahl um eine Einheit. Die Übergangs-energie ist durch den Überschuss der Masse des Mutterkerns zuzüglich einer Elektronenmasse über die Masse des Tochterkerns gegeben.

[ ] [ ]2 20( , ) ( 1, ) ( , ) ( 1, )Q m Z A m Z A m c M Z A M Z A c= − − + = − − (8)

Vergleicht man Gl. (8) und Gl. (7), ergibt sich, dass β+ und EC gleichzeitig auftreten können, wenn das Mutteratom mindestens zwei Elektronenmassen schwerer ist als das Tochteratom.

Abb. 4: Energiespektrum von β-Teilchen.

Misst man die Energie der beim β− oder β+ emittierten Teilchen, stellt man im Unterschied zum α-Zerfall fest, dass ihre Energien über einen weiten Bereich kontinuierlich verteilt sind, obwohl Mutter- und Tochteratom einen energetisch wohldefinierten Zustand darstellen (Abb. 4). Nur ganze wenige Teilchen besitzen eine kinetische Energie, die der Übergangsenergie Q entspricht. Alle anderen Teilchen haben niedrigere Energien. Diese Beobachtung schien die Energieerhaltung zu verletzen. Deshalb hat Pauli in den 30er Jahren postuliert, dass bei den β-Zerfällen noch ein weiteres Teilchen emittiert wird, dass ungeladen ist und entweder keine oder eine sehr kleine Masse besitzt. Er nannte dieses Teilchen Neutrino. Erst viele Jahre spä-ter ist es gelungen, die Existenz des Neutrinos nachzuweisen.

Mit dem Neutrino besteht der Endzustand nach dem β-Zerfall aus drei Teilchen, auf die die Übergangsenergie beliebig verteilt werden kann. Damit können Elektronen oder Positronen mit Energien zwischen null bis zur Übergangsenergie emittiert werden. Die jeweils zur Über-gangsenergie fehlende Energie wird vom Neutrino aufgenommen.

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Radioaktivität RA 7

γ-Zerfall

Der γ-Zerfall tritt in Verbindung mit dem α- und β-Zerfall auf, falls die Übergänge zu einem angeregten Zustand des Tocherkerns führen. Der Tochterkern gibt dann diese Anregungs-energie durch Emission von γ-Strahlung ab. γ-Strahlung ist elektromagnetische Strahlung (Photonen) wie Licht und Röntgenstrahlung. Über die Beziehung E = hv ist die Energie der Strahlung mit ihrer Frequenz verknüpft. Die Energien dieser Übergänge sind spezifisch für ein bestimmtes Radionuklid, so dass man aus der Bestimmung der γ-Energien Rückschlüsse auf die in einer radioaktiven Probe enthaltenen Isotope ziehen kann.

4.2 Radioaktives Zerfallsgesetz

Zu welchem Zeitpunkt ein einzelner Kern eines bestimmten Radionuklides zerfällt, ist nicht vorhersagbar, da diese Zerfälle rein statistisch ablaufen. Für eine genügend große Anzahl n von Kernen jedoch lassen sich Aussagen über die Häufigkeit der Zerfälle machen. Die Zahl dn der sich in einem Präparat im Zeitintervall zwischen t und t+dt umwandelnden Kerne hängt von der Zahl der Kerne eines Radionuklids ab. Je mehr Kerne vorhanden sind, umso wahrscheinlicher ist es, dass einer davon zerfällt.

d ( )dn n t tλ= − (9)

λ ist die als Zerfallskonstante bezeichnete Proportionalitätskonstante . Ihr Kehrwert τ = 1/λ gibt die mittlere Lebensdauer der instabilen Kerne an. Das negative Vorzeichen steht für die Abnahme der Anzahl der Kerne durch den Zerfall.

Hat man zu einem willkürlich mit t = 0 bezeichnetem Zeitpunkt, von dem aus die Zeit gemes-sen wird, die Zahl n(0) = n0 der Kerne eines radioaktiven Isotops bestimmt, so ist davon zum Zeitpunkt t noch die Zahl n(t) übrig. n(t) ergibt sich aus Gl. (9) durch Integration über die Zeit

0 0( )t

tn t n e n eλ τ−−= = (10)

Üblicherweise verwendet man nicht die mittlere Lebensdauer τ zur Charakterisierung der Zerfallswahrscheinlichkeit sondern die Halbwertszeit T1/2. Sie gibt die Zeit an, nach der von einer anfänglichen Zahl n0 eines Radionuklids die Hälfte zerfallen ist.

1 2 01( )2

n T n= (11)

Nach Einsetzen in Gl. (10) ergibt sich

1 2ln 2 ln 2T τλ

= = (12)

Die „Stärke“ eines radioaktiven Präparats d.h. die mittlere Zahl der Zerfälle pro Zeit, wird als Aktivität A bezeichnet und in der Einheit Becquerel (Bq) angegeben. 1 Bq entspricht einem Zerfall pro Sekunde.

In Tab. 1 sind einige Radionuklide zusammengestellt.

Tab. 1: Zerfallsarten und Halbwertszeiten einiger radioaktiver Isotope.

Radionuklid Zerfallsarten Halbwertszeit 146C β−,γ 5730 a

5926 Fe β−,γ 44,5 d

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RA 8 Radioaktivität

13153 I β−,γ 8 d

6027 Co β−,γ 5,3 a

13755Cs β−,γ 30 a

22688 Ra α,β− 1620 a

2411 Na β−,γ 0,6 d

2211 Na β+,γ 2,6 a

9038Sr β− 28,8 a

3215 P β− 14,3 d

24195 Am α,γ 432,2 a

4.3 Poisson-Verteilung

Wird der Zerfall eines radioaktiven Präparates beobachtet, so ist leicht zu erkennen, dass dies kein Vorgang ist, der gleichmäßig von statten geht. Mal zerfallen mehr, mal weniger Kerne, und nur im zeitlichen Mittel kann dafür ein Wert angeben werden. Ob ein einzelner Kern zer-fällt oder nicht, ist ein zufälliges Ereignis, das unbeeinflusst von der Umgebung eines Kerns eintritt. Der Zerfall eines Kerns hat kausal nichts mit einem vorhergehenden anderen Kernzer-fall zu tun. Damit schwankt auch die Anzahl N der vom Messinstrument pro Zeiteinheit regis-trierten Impulse. Bei genügend großer Anzahl von Messungen ergibt sich eine in Abb. 5 Dar-gestellte charakteristische Häufigkeitsverteilung

Abb. 5: Histogramm der Zählratenverteilung beim Radioaktiven Zerfall. Die rote Linie zeigt die zugehörige Poisson-Verteilung.

Der wahrscheinlichste Wert kann dabei in guter Näherung durch das arithmetische Mittel N ausgedrückt werden.

1

1 n

ii

N Nn =

= ∑ (13)

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Radioaktivität RA 9

Die Genauigkeit einer Messung wird durch die Varianz σ2 charakterisiert:

( )22

1

11

n

ii

N Nn

σ=

= −− ∑ (14)

Die Wurzel aus der Varianz, die Standardabweichung σ, ist ein Maß für die Streuung der ein-zelnen Zählergebnisse um den Mittelwert.

Die in Abb. 5 als durchgezogene eingezeichnete Häufigkeitsverteilung ist die sogenannte „Poisson-Verteilung“, die praktisch allen Radioaktivitätsmessungen zugrunde liegt. Bei der Poisson-Verteilung ist die Varianz gleich dem Mittelwert.

2 oderN Nσ σ= = (15)

Für genügend große Zählergebnisse (Mittelwert 20N > ) lässt sich die Poisson-Verteilung gut durch eine Normal- bzw. Gauß-Verteilung annähern.

4.4 Wechselwirkung von Strahlung mit Materie

Geladene Teilchen

Bei Stößen von geladenen Teilchen mit Materie dominiert die elektromagnetische Wechsel-wirkung. Es können verschiedene Prozesse dabei auftreten:

• Inelastische Streuung an Elektronen: Das geladene Teilchen wird dabei abgebremst und verliert seine kinetische Energie an die Atome oder Moleküle, die dabei angeregt oder io-nisiert werden.

• Elastische Streuung an Kernen: Die Teilchen werden bei Annäherung an einen positiv geladenen Atomkern durch elastische Stöße gestreut und verlieren dabei an den Kern Rückstoßenergie. Dieser Verlust ist umso kleiner je größer der Massenunterschied der Stoßpartner ist. Die Häufigkeit dieser Stöße ist wesentlich geringer als die inelastischen Stöße in der Elektronenhülle.

• Inelastische Streuung an Kernen: In der Häufigkeit vergleichbar mit den elastischen Stö-ßen mit Kernen sind inelastische Prozesse, bei denen ein geladenes Teilchen außer der durch die Kinematik bedingten Rückstoßenergie noch zusätzlich Energie verliert. Solche Prozesse sind z.B. die Erzeugung von Bremsstrahlung oder Anregungen des gestoßenen Kerns.

Geladene Teilchen können in hinreichend ausgedehnter Materie ihre gesamte Energie verlie-ren. Ihre Reichweite hängt von der Anfangsenergie und dem Bremsvermögen des Materials ab und kann nur näherungsweise berechnet werden. Eine empirische Formel für die Reichwei-te von α-Teilchen ist das Geigersches Reichweitengesetz (Gl. (5)).

Falls β+-Teilchen (Positronen) bei einem Zerfall emittiert werden, begegnen die Positronen entwerder bereits in der radioaktiven Probe oder im Detektor innerhalb einiger 100 ps norma-lerweise einem Elektron. Dies führt zu einer „Materie-Antimaterie“-Vernichtung des Elekt-rons und des Positrons: 2e e γ+ −+ → . Dabei entstehen zwei γ-Quanten mit einer Energie von je 512 keV. Diese Energie entspricht gerade der Masse des Elektrons bzw. des Protons.

γ-Strahlung

Im Gegensatz zu geladenen Teilchen ionisiert γ-Strahlung Materie nicht direkt. Sie wird nachweisbar durch drei Prozesse der elektromagnetischen Wechselwirkung: den Photoeffekt, die Comptonstreuung und die Paarbildung. Die dabei freigesetzten oder erzeugten Elektronen

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RA 10 Radioaktivität

und Positronen übernehmen kinetische Energie, die sie durch Ionisierung abgeben. Es sind also sekundäre Teilchen, die den Nachweis von γ-Strahlung ermöglichen.

Im Unterschied zu geladenen Teilchen verliert γ-Strahlung in Materie Intensität, aber die Pho-tonen, die durchkommen, haben keine Energie verloren. Gegen γ-Strahlung ist keine vollstän-dige Abschirmung möglich, da auch nach großen Schichtdicken noch eine endliche Intensität vorhanden ist.

Die Abnahme der Intensität elektromagnetischer Strahlung durch Absorption in Materie der Dicke d wird durch die Beziehung

0dI I e µ−= (16)

beschrieben. Die Größe µ, die die Wahrscheinlichkeit der Absorption beschreibt, hat die Di-mension einer reziproken Länge und ist der totale lineare Absorptionskoeffizient.

Die Größe λ=1/µ ist die mittlere freie Weglänge der Strahlung in Materie, d.h. der mittlere Weg, den ein Photon zurücklegt, bevor es absorbiert wird.

4.5 Strahlenwirkung und Dosis

Auf Strahlung reagieren die verschiedenen in einem Organismus vorhandenen Gewebetypen unterschiedlich. Besonders strahlenempfindlich sind die Blutbildungsorgane, die Schleimhäu-te des Magen-Darm-Traktes und der Luftwege, die Keimdrüsen und embryonales Gewebe. Strahlenexposition bedeutet, das Strahlung im Gewebe absorbiert wird, wodurch es zu Wech-selwirkungen auf molekularer Ebene mit dem Körpergewebe kommt. Wenn Strahlung auf Körperzellen einwirkt, können bösartige Mutationen, wie zum Beispiel Krebs, in der strahlen-exponierten Person selbst entstehen. Sind Keimzellen betroffen, so kann es zu Mutationen oder zur Veränderung der Erbanlagen, der DNS, kommen.

Ionisierende Strahlung kann zelluläre Bestandteile, insbesondere die Erbsubstanz, verändern oder zerstören. Das ist nicht gleichbedeutend mit einem gesundheitlichen Schaden, denn der Organismus ist in der Lage, Zellverluste auszugleichen und sie zu reparieren. Allerdings kön-nen die natürlichen Abwehr- und Reparatursysteme der Immunabwehr auch in dieser Hinsicht versagen. Dies ist abhängig von der Höhe der Dosis, der Strahlenart, des Zeitraums der Strah-lenexposition und der räumlichen Verteilung der Zellschäden.

Energiedosis

Für die Beurteilung der Wirkung radioaktiver Strahlung wird die Energiedosis D verwendet, die als absorbierte Strahlungsenergie pro durchstrahlte Masse definiert ist. Die Maßeinheit ist Gray (Gy) mit 1 Gy = 1 J/kg.

Äquivalentdosis

Die verschiedene biologische Wirksamkeit unterschiedlicher Strahlungsarten wird durch die Äquivalentdosis H berücksichtigt:

Äquivalentdosis H = Energiedosis D × Qualitätsfaktor Q

Die Äquivalentdosis wird in [H] = 1 Sv = 1 Sievert angegeben. Der Qualitätsfaktor ist 1 für γ-Strahlung und 20 für α-Strahlung.

Äquivalentdosisleistung

Da Strahlung mit einer bestimmten Dosis über unterschiedliche Zeiträume einwirken kann, wird noch die Äquivalentdosisleistung benötigt, die Äquivalentdosis pro Bestrahlungsdauer

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Radioaktivität RA 11

mit Maßeinheit Sv/h (In Deutschland beträgt die mittlere Äquivalentdosisleistung infolge na-türlicher Strahlungsquellen etwa 0,27 μSv/h).

In Tab. 2 sind einige Beispiele für Äquivalentdosen unterschiedlicher Herkunft und ihre mög-lichen kurzfristigen Wirkungen aufgezählt. Über möglicherweise Jahre oder Jahrzehnte später auftretende Nachwirkungen sagt diese Tabelle nichts aus.

Tab. 2: Äquivalentdosen verschiedener Herkunft und Wirkungen.

Äquivalentdosis Herkunft bzw. Wirkung

2 -4 mSv Jährliche natürliche Strahlenbelastung in Deutschland, bestehend aus Höhenstrahlung, Strahlung aus Isotopen in der Erde, der Radonbela-stung, der Belastung durch die natürlich entstehenden Isotope 40K und 14C.

0,1 mSv Interkontinentalflug

0,2-1 mSv Röntgenaufnahme der Lunge

ca. 10 mSv Röntgenaufnahme des Beckens

250-500 mSv Blutbildveränderungen, die sich wieder zurückbilden

1000-1200 mSv Haarausfall, Übelkeit

4000-5000 mSv LD50, d.h. 50% der betroffenen Personen sterben

7000 mSv 100% der betroffenen Personen sterben innerhalb von 30 Tagen

50000 mSv 100% der betroffenen Personen sterben innerhalb von 5 Tagen

4.6 Nachweis von Strahlung

Die Strahlung, die bei radioaktiven Zerfällen produziert wird, wird vom Menschen mit kei-nem seiner Sinne wahrgenommen. Zur Messung radioaktiver Strahlung bedarf es technischer Hilfsmittel. Zwei wichtige Arten von Detektor werden nachfolgend besprochen: das Geiger-Müller-Zählrohr und der Szintillationszähler.

Geiger-Müller-Zählrohr

Abb. 6: Schematische Darstellung eines Geiger-Müller-Zählrohres.

Beim Geiger-Muller-Zählrohr (GMZ) (Abb. 6) handelt es sich um ein einseitig offenes, meist zylindrisches Gefäß. Die offene Seite, das sog. Fenster, ist mit einem für Strahlung möglichst durchlässigen Material zur Luft hin verschlossen, üblicherweise verwendet man hierfür dünne

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RA 12 Radioaktivität

Plastikfolien oder Glimmer. Dieses Gefäß ist mit einem leicht ionisierbaren Gas (Zählgas) unter niedrigem Druck gefüllt. Die Innenseite des Rohres ist elektrisch leitend, sie bildet einen Pol eines Kondensators (Kathode). Davon isoliert angebracht ist eine Gegenelektrode (Ano-de), bei zylindrischen Anordnungen befindet sich diese axial innerhalb des Rohres.

An diese Elektrodenanordnung wird nun eine Gleichspannung U0 angelegt. Das System ver-hält sich wie ein Kondensator: es baut sich auf Grund der Potentialdifferenz zwischen den beiden Elektroden ein elektrisches Feld auf. Gelangt ein schnelles, elektrisch geladenes Teil-chen, z.B. ein β-Teilchen, in das Zählrohr, so entstehen durch Ionisation des Zählgases längs der Bahn des Teilchens freie Elektronen und positiv geladene Ionen. Die Elektronen werden aufgrund des elektrischen Feldes in Richtung des Anodendrahtes beschleunigt und können durch Stöße weitere Gasmoleküle ionisieren. Die freien Elektronen leiten eine Gasentladung ein, die jedoch bei geeigneter Wahl der Spannung U0 und einem entsprechend dimensionier-ten Vorwiderstand R nach etwa 10-5 s selbst erlischt. Bei dieser Gasentladung fließt für kurze Zeit ein Strom im Zählrohr, der an dem Widerstand R einen Spannungsimpuls verursacht. Dieser lässt sich elektronisch verstärken und mit einer Zählerschaltung registrieren.

Die ionisierende Wirkung, die die Strahlung hat, ist abhängig von der Energie und der Art der Strahlung. α-Teilchen etwa besitzen aufgrund ihrer zweifach positiven Ladung eine höhere Wahrscheinlichkeit für die Ionisation als etwa Elektronen derselben Energie. Dennoch kann mit einem GMZ keine Aussage zu Art oder Energie der detektierten Teilchen gemacht wer-den. Das System reagiert ausschließlich darauf, dass es ein Zählereignis gegeben hat, nicht jedoch auf die Art des Ereignisses.

Nachdem das GMZ einen Zählimpuls produziert hat, dauert es eine gewisse Zeit t*, bis sich die Spannung auf den Kondensatorelektroden regeneriert hat. Während dieser Zeit ist das elektrische Feld im Inneren schwächer und es ist nicht mehr garantiert, dass durch Strahlung entstehende freie Ionen getrennt werden können bevor sie mit ihrem/ihren Elektron/en rekombinieren. In dieser Zeit muss daher davon ausgegangen werden, dass das Zählrohr blind ist. t* bezeichnet man als Totzeit. Folgen die Teilchen schneller aufeinander als im Abstand t*, ist das Zählrohr nicht mehr in der Lage, diese getrennt zu registrieren, und es gibt einen einzigen Zählimpuls. Je höher daher die aktuelle Zählrate ist, die mit einem GMZ gemessen wird, umso höher ist die Zahl der Teilchen, die in das Zählrohr eindringen, ohne dass dort für jedes Teilchen ein einzelner Zählimpuls ausgelöst wird. Um dennoch auch bei höheren Zähl-raten messen zu können, bedient man sich einer statistischen Korrekturformel, um aus der gemessenen Zählrate NZ die wahre Zahl von Teilchen im Zählrohr NW zu bestimmen:

1

ZW

Z

NNN t∗=

− (17)

Die hier verwendeten Zählrohre haben eine Totzeit von ca. 100 µs, so dass sie nur für kleine bis mittlere Zählraten geeignet sind. Sie registrieren α- und β-Strahlung gleichermaßen gut. Die Zählrohre registrieren auch γ-Strahlung, allerdings erzeugt nur etwa jedes hundertste ein-fallende Photon ein Ionenpaar, woraus sich eine nur geringe Empfindlichkeit für γ-Strahlung ergibt.

Szintillationsdetektor

Die Abnahme der Intensität von γ-Strahlung durch Absorption in Materie wird durch Gl. (16) beschrieben. Die wesentlichen Prozesse dabei sind der Photoeffekt und der Comptoneffekt, die durch die Absorption bzw. Streuung der Photonen freie Elektronen im Material erzeugen. Beim Photoeffekt entspricht die kinetische Energie des Elektrons der Energie des absorbierten Photons. Diese Elektronen verlieren durch Abbremsung im Material ihre kinetische Energie.

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Radioaktivität RA 13

Dabei kommt es zu elektronischen Anregungen oder Ionisation der Atome. Die Zahl der An-regungen ist proportional zur Energie der abgebremsten Elektronen. In bestimmten Materia-lien (NaI, ZnS, Anthrazen) rekombinieren die angeregten oder ionisierten Atome unter Aus-sendung von Licht im sichtbaren Bereich. Dieser Prozess heißt Szintillation. Die Zahl dieser Lichtblitze ist proportional zur Energie der durch das γ-Quant erzeugten freien Elektronen. Solche Szintillatoren können zur Detektion von radioaktiver Strahlung benutzt werden.

In einem Szintillationsdetektor werden die erzeugten Lichtblitze mit Hilfe eines Sekundär-elektronenvervielfachers („Photomultiplier“) in ein messbares elektrisches Signal umgesetzt. Abb. 7 zeigt den Aufbau eines Szintillationsdetektors, bestehend aus eine mit Tl dotieren NaI-Kristalls und einem Photomultiplier.

Abb. 7: Schematische Darstellung eines Szintillationsdetektors.

Der durchsichtige NaI(Tl)-Kristall wird auf das Fenster des Photomultipliers gesetzt. Auf der Rückseite dieses Fensters ist die Anode angebracht, die mit einer dünnen Schicht eines Alka-limetalls beschichtet ist. Wird in dem Kristall eine Szintillation ausgelöst, so durchläuft das erzeugte Licht den Kristall und trifft auf die Anode und löst Elektronen aus dem Alkalimetall der Anode aus. Die Anode liegt auf dem negativen Potential U0, so dass die Elektronen in Richtung der 1. Dynode mit dem Potential U0 – ∆U beschleunigt werden und dabei kinetische Energie gewinnen. Treffen die Elektronen auf die Dynode, reicht ihre kinetische Energie aus, um pro einfallendem Elektron mehrere weitere Elektronen herauszuschlagen. Dieser Prozess wird nun über mehrere Dynoden hinweg wiederholt, bis die so erzeugte „Elektronenlawine“ schließlich die sich auf Erdpotential befindliche Anode erreicht. Dabei kann ein Elektronen-Verstärkungsfaktor von bis zu 1011 erreicht werden. Der dabei entstehenden Strom- bzw. Spannungspuls ist proportional zur Energie des ursprünglich absorbierten γ-Quants (oder auch α- oder β-Teilchens) und kann nun elektronisch verstärkt und analysiert werden.

Anders als ein GMZ ist der Szintillationszähler also in der Lage, die Energie eines einfallen-den Teilchens zu bestimmen. Die Totzeit eines Szintillations-Zähler-Systems beträgt wenige µs, d.h. es können wesentlich höhere Zählraten im Vergleich zum GMZ verarbeitet werden. Da es sich bei dem Detektionsmedium um einen Festkörper handelt, ist aufgrund der höheren Dichte verglichen mit dem Füllgas des GMZ die Wahrscheinlichkeit zur Detektion von γ-Strahlung wesentlich erhöht.

Abb. 8 zeigt ein mit einem NaI(Tl)-Szintillationszähler aufgenommenes Energiespektrum für ein Radionuklid, das γ-Strahlung mit nur einer Energie (662 keV) aussendet.

Dieses Spektrum zeigt die verschiedenen Komponenten eines Spektrums:

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RA 14 Radioaktivität

• Der „Photopeak“ entspricht der Energie eines γ-Quants, das vollständig durch Photoeffekt im Szintillations-Kristall absorbiert wurde. Die Breite des Photopeaks ist durch die Ener-gieauflösung des Szintillations-Detektors gegeben.

• Zwischen der Energie null und der Energie der „Compton-Kante“ sind Ereignisse regi-striert, bei denen das einfallende γ-Quant durch Compton-Effekt“ gestreut wurde. Die La-ge der Compton-Kante hängt von der Energie der γ-Strahlung ab.

• Der „Rückstreupeak“ wird durch γ-Quanten verursacht, die zunächst ohne jede Wechsel-wirkung den Szintillations-Kristall durchqueren, dann aber an Material in der Umgebung des Detektors gestreut werden (Compton-Streuung) und danach im Detektor absorbiert werden.

Abb. 8: γ-Spektrum gemessen mit NaI(Tl)-Spektrometer.

Raumwinkel

Betrachtet man ein typisches Experiment zur Radioaktivität, so hat man es in der Regel mit einer strahlenden Substanz zu tun, die sich in einem definierten Abstand zu einem Detektor befindet. Jeder Zerfall innerhalb des Präparates löst die Emission eines entsprechenden Teil-chens aus, das in zufälliger Richtung vom Präparat ausgesendet wird. Ein Detektor registriert einfallende Teilchen und die Zählrate lässt Rückschlüsse auf die Aktivität der Probe zu. Schaut man sich die Verhältnisse genauer an, dann ist es aufgrund der begrenzten Größe der Detektoröffnung verständlich, dass nur der kleinere Teil aller emittierten Teilchen in den De-tektor gelangt und gezählt wird (Abb. 9).

Um die gesamte Aktivität einer Probe zu messen, müsste man daher die radioaktive Probe in einen Detektor hineinstellen, der Strahlung unabhängig von der Emissionsrichtung erfasst. Solche Geräte gibt es, für die meisten Anwendungen sind diese allerdings zu aufwendig oder zu unhandlich. Wie viel Strahlung von einem Detektor detektiert wird, ist abhängig von der Größe des Detektorfensters und des Abstandes zwischen diesem und der zu messenden Probe. Je weiter entfernt sich der Detektor von dem Präparat befindet, umso kleiner erscheint das Fenster des Detektors, durch das Teilchen einfallen müssen um detektiert zu werden. Da sich bei größeren Abständen die Zahl der emittierten Teilchen auf eine größere Oberfläche verteilt, misst der Detektor eine geringere Zählrate.

0 200 400 600 800 10000

1x103

2x103

3x103

4x103

Erei

gniss

e

Energie (keV)

Photopeak

Compton-Kante

Rückstreupeak

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Radioaktivität RA 15

Abb. 9: Beschränkte Sicht eines Detektors. Nur diejenigen Teilchen können regi-striert werden, die in den grün markierten Winkelbereich emittiert wer-den.

Um die Detektoreigenschaften ,,Abstand“ und ,,Detektionsfläche“ in nur einer Größe erfassen zu können, bedient man sich in Analogie zum ebenen Winkel im Bogenmaß des sogenannten „Raumwinkels“. Betrachtet man den Einheitskreis (Abb. 10), so hat man neben der Angabe eines Winkels in Grad die Möglichkeit, diesen über die Länge des ausgeschnittenen Kreisbo-gens zu definieren. Dabei gilt (mit r = 1 im Einheitskreis)

[ ][rad] 22 360 360

b br

θ θππ

°= ⇒ =

° ° (18)

Abb. 10: Analogie zwischen dem ebenen Winkel im Bogenmaß (links) und dem Raumwinkel (rechts).

Für den räumlichen Fall kann man analog überlegen, welches Flächenstück A einer Kugel-oberfläche S mit Radius R (S = 4πR2) von einem Kegel ausgeschnitten wird, dessen Spitze im Mittelpunkt der Kugel liegt. Analog zu Gl. (18) gilt dann

2bzw.4

A AS Rπ

Ω= Ω = (19)

Für die Einheitskugel (mit R = 1 ) entspricht der Raumwinkel gerade dem Flächeninhalt des Stückes der Kugelfläche, die den Schnitt zwischen Raumwinkelbereich und Kugeloberfläche darstellt. Für kleine Winkel ist die Krümmung dieses Flächenstückes vernachlässigbar, und es ist näherungsweise zulässig, mit einer ebenen Fläche anstatt einer Kugelkappe zu rechnen. Analog zu Bogen und Sehne beim Kreis (Abb. 10 links) ersetzt man bei der Kugel die Kugel-kappe durch deren Grundseite (siehe Abb. 10).

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RA 16 Radioaktivität

Zur genauen Aktivitätsbestimmung einer Probe muss man neben dem Raumwinkel des De-tektors auch die Ansprechwahrscheinlichkeit des Detektors für eine bestimmte Art von Strah-lung kennen, d.h. die Wahrscheinlichkeit, dass ein in den Detektor eindringendes Teilchen überhaupt ein Zählereignis auslöst. Die Ansprechwahrscheinlichkeit variiert insbesondere für γ-Strahlung stark mit deren Energie und hängt außerdem noch von dem Detektormaterial und dem Detektorvolumen ab.

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Radioaktivität RA 17

5. Versuchsdurchführung

Die radioaktiven Präparate, die bei diesem Versuch zum Einsatz kommen, besitzen geringe Aktivitäten und sind für den Unterrichtsgebrauch zugelassen. Trotzdem sollten Sie folgende Hinweise beachten:

• Vermeiden Sie es, in die unmittelbare Nähe der Öffnung der Halterung zu kommen, aus der die Strahlung austritt.

• Versuchen Sie nicht, die Präparate mit den Fingern oder Gegenständen zu berühren (Kontaminationsgefahr).

• Ein- und Ausbau der Präparate in die Halterungen ist Sache der Betreuerin/des Be-treuers. Sollte ein Präparatewechsel notwendig werden, informieren Sie sie/ihn.

Sollten Fragen bezüglich des Strahlenschutzes aufkommen, wenden Sie sich bitte an die/den zuständigen Betreuerin/Betreuer.

Abb. 11: Aufbau für Messungen mit einem Geiger-Müller-Zählrohr.

Für die Versuche 5.1 bis 5.3 wird der in Abb. 11 dargestellte Aufbau benutzt. Das radioaktive Präparat befindet sich entweder halboffen an der einen Frontseite eines Stabes oder in einem strahlungsdurchlässigen Gefäß. Diese Präparateträger werden vom Betreuer/in in die Halter aus Kunststoff eingesetzt. Diese sind auf einer optischen Bank montiert. Einerseits gewähr-leistet das einen Schutz gegen Umkippen, andererseits kann die angebrachte Skala direkt für Abstandsmessungen benutzt werden. Durch ein Loch im Halter kann das Präparat Strahlung nach außerhalb abgeben. Auf einem zweiten Halter ist ein GMZ-Detektor angebracht.

Die sich gegenüberliegenden Stirnseiten der Halter für das Zählrohr wie auch für das radioak-tive Präparat definieren beide nicht genau die Position des Zählrohrfensters bzw. der Präpa-ratoberfläche. Die gemessenen Abstände sind daher entsprechend zu korrigieren. Einen sche-matischen Überblick verschafft dazu Abb. 12.

Nulleffekt

Als Nulleffekt (oder Nullrate bezogen auf die Zeit) wird die Anzahl von Zählimpulsen ver-standen, die von der Messapparatur auch ohne Vorhandensein eines radioaktiven Präparats registriert wird. Sie rührt von den natürlichen und künstlichen radioaktiven Isotopen in unse-rer Umwelt und der kosmischen Strahlung her. Der Nulleffekt ist im Zeitablauf zufälligen

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RA 18 Radioaktivität

Schwankungen unterworfen und hängt vom Ort (geographische Lage und Meereshöhe), dem Gebäude (Baustoffe, Abschirmung) ab. Der Nulleffekt sollte vor Beginn jeder Messreihe er-fasst werden.

Zur Vermeidung von Verfälschungen durch den Nulleffekt ist eine Korrektur der gemessenen Zählergebnisse N bzw. der Zählrate Z mit Z = N/T (T: Zähldauer) um den Nulleffekt N0 bzw. die Nullrate Z0 nötig.

5.1 Untersuchung der α-Strahlung von 241Am

In diesem Versuchsteil sollen die Eigenschaften von α-Strahlung untersucht werden.

Da α-Teilchen feste Materie kaum durchdringen, muss bei dem folgenden Versuch die Schutzkappe vor dem GMZ-Fenster entfernt werden. Dadurch ist dieses aber nicht mehr vor mechanischen Beanspruchungen geschützt. Es ist daher darauf zu achten, das Fenster nicht zu berühren oder sonst irgendwie mechanisch zu belasten. Ein Loch oder Riss hat die Zerstö-rung des Zählrohres zur Folge (Kosten etwa 350 €).

Abb. 12: Abstandsmaße für Messungen mit einem Geiger-Müller-Zählrohr.

Bestimmung der Reichweite von α-Strahlung

Wie bereits bei den unterschiedlichen Zerfallsarten ausgeführt wurde, besitzen α-Teilchen, die durch denselben Zerfallsprozess entstehen, identische kinetische Energien, sie sind mono-energetisch. Da die Wahrscheinlichkeit für Zusammenstöße mit Molekülen der Luft für alle α-Teilchen ebenfalls identisch ist, ergibt sich daraus eine im Mittel gleiche Entfernung, die die Teilchen durch Luft zurücklegen können.

Starten sie die Software für die Messwerterfassung „CASSYLab“. Als Messwertquelle wäh-len sie auf der schematischen Skizze des CASSY, die von dem Programm am Programmstart angezeigt wird, die Zählrohrbox an. Es stehen Ihnen nun zwei Modi zur Verfügung:

• Messung der Gesamtzahl N der Zählereignisse: jedes Ansprechen des Zählrohres erhöht den Wert der Größe N um eins. Ein Zurücksetzen auf null muss manuell erfolgen.

• Messung der Zählrate R: es wird die Anzahl der Zählereignisse innerhalb einer Sekunde gezählt. Nach der Erfassung dieses Wertes wird der Wert zurückgesetzt auf null und es wird neu gezählt.

Für die hier vorliegende Aufgabe ist der zweite Modus der geeignete. Entfernen Sie die Schutzkappe vor dem Zählrohrfenster. Präparat und Zählrohr werden nun einander gegenüber

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Radioaktivität RA 19

liegend auf der optischen Bank angeordnet. Unter Messparameter stellen Sie eine Messzeit von 60 s ein. Messen Sie so die Zählrate für einen Abstand von 25 mm. Verkleinern Sie dann den Abstand millimeterweise bis auf 10 mm. Beachten Sie die geometrischen Verhältnisse (siehe Abb. 12).

Wie Sie bereits nach der ersten Messung feststellen können, variiert die Zählrate nicht uner-heblich, so dass für eine sinnvolle Messung der zeitliche Mittelwert über die 60 s Messzeit ermittelt werden muss (diese Funktion finden Sie im Kontextmenü der CASSYLab-Software). Notieren Sie sich diesen zeitlichen Mittelwert und den dazugehörigen Abstand. Nachdem Sie die Zählrate für alle Abstände bestimmt haben, werten Sie Ihre Ergebnisse di-rekt aus, indem Sie die Messdaten in der Software ,,Origin“ erfassen. Tragen Sie die Zählrate gegen den zugehörigen Abstand von Zählrohr und Präparat auf.

In der gemessenen Strahlung sind auch γ-Anteile enthalten, deren Schwächung längs der aus-gemessenen Abstände vernachlässigt werden kann. Sie liefern einen abstandsunabhängigen Untergrund. Ziehen sie diesen Untergrund, den Sie bei großen Entfernungen (oder durch ein Blatt Papier zwischen Präparat und GMZ) messen können, von ihren Messwerten ab.

Man sollte erwarten, dass bei kleinen Abständen die α-Zählrate praktisch konstant ist (die Absorption monoenergetischer α-Strahlung erfolgt ja nicht nach einem Exponentialgesetz). Statt dessen werden Ihre Messwerte eine starke Abnahme zeigen. Dies liegt zum einen daran, dass nicht die Reichweite in Luft sondern im System ,,Luft/Zählrohrfenster“ gemessen wird. Längs ihres Weges sinkt die Geschwindigkeit der α-Teilchen, und da nach dem Reichweitengesetz, Gl. (5), auch die Reichweite im Fenster mit v3 abnimmt, sinkt die Durch-lässigkeit der Folie, wodurch bei größerem Abstand die langsamen Teilchen praktisch nicht mehr in das Zählrohr eindringen können.

Zum anderen ist die Abstandsabhängigkeit Ihrer Messwerte wesentlich durch den mit zuneh-menden Abstand verringerten Raumwinkel, aus dem das Zählrohr Strahlung empfängt, be-dingt. Berechnen Sie daher für jeden Abstand den Raumwinkel (wobei sie die Quelle als punktförmig annähern können) und dividieren Sie Ihre Messergebnisse durch diesen Raum-winkel. Die so erhaltenen Werte stellen sie grafisch gegen den Abstand dar. Bestimmen Sie daraus die Reichweite.

Messung der statistischen Verteilung

Wenn Sie die Messergebnisse des vorhergehenden Versuchsteils anschauen, so stellen Sie fest, dass die gemessenen Zählraten um den von Ihnen bestimmten Mittelwert eine deutlich merkliche Schwankung zeigen. Offenbar verläuft der Zerfall einer Substanz alles andere als gleichmäßig.

Wechseln sie die Ansicht der CassyLAB-Software in den Modus „Häufigkeitsverteilung“. Für jede einzelne Messung erhalten Sie hier die Information, wie häufig welcher Messwert inner-halb einer Messreihe vorgekommen ist. Markieren Sie einen maximalen Punkt jeweils in einer dieser Verteilungen bei kleinem (z.B. bei 12 mm) und bei großem Abstand (25 mm). Be-stimmen Sie jeweils mit Hilfe der Software die Poisson-Verteilung zu der Messreihe, indem Sie nach Auswahl des entsprechenden Menüpunktes die Messwerte ähnlich wie bei der Mit-telwertbildung markieren. Die Anzahl der Messwerte, der Mittelwert sowie die Streuung wer-den nach der Bestimmung der Verteilung im Textfeld als Standardwert eingetragen und sind dort abrufbar. Vergleichen Sie die beiden Ergebnisse miteinander.

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RA 20 Radioaktivität

5.2 Untersuchung der β-Strahlung von 60Co

Bestimmung der Absorptionsskonstanten von β-Strahlung in Polymeren und Aluminium

In diesem Teil wird das Schwächung von β-Strahlung durch Materie gemessen. Anders als α-Teilchen besitzen β-Teilchen aus einem radioaktiven Zerfall in der Regel alle unterschiedliche kinetische Energien. Daher ist einsichtig, dass die Reichweite von β-Teilchen qualitativ eine andere ist als bei α-Teilchen. Die Absorption polyenergetischer β-Strahlung folgt annähernd einem Exponentialgesetz

( ) (0) KxN x N e−= (20)

wobei N(0) und N(x) die Zählraten der β-Teilchen vor und hinter einem Absorber der Dicke x bedeuten. K ist die Absorptions- oder Schwächungskonstante; ihr Kehrwert δ = K−1 wird als mittlere Reichweite bezeichnet. δ gibt die Absorberdicke an, in der N auf den e-ten Teil von N(0) abgefallen ist. Ursachen für das (fast) exponentielle Abklingen sind zum einen die ver-schiedenen Reichweiten der β-Teilchen unterschiedlicher Energie im Strahl und zum anderen die Ablenkung des β-Teilchen bei Wechselwirkungen mit Absorberatomen aus der geradlini-gen Richtung heraus, so dass diese nicht mehr in das Fenster des GMZ einfallen. Aufgrund der geringen Masse der β-Teilchen passiert das viel häufiger als bei den schweren α-Teilchen, deren Flugrichtung sich so gut wie nicht ändert. 60Co emittiert sowohl β- als auch γ-Strahlung. Die γ-Strahlen werden wesentlich weniger ab-sorbiert als die β-Strahlen. Da die Empfindlichkeit des GMZ für γ-Strahlen wesentlich gerin-ger ist als die für β-Strahlung, stört dieser Anteil die Messung nur in vernachlässigbarem Ma-ße.

• Messen Sie die Zählrate bei 2 cm Abstand zwischen Probenhalter und GMZ (Zähldauer: 60 s).

• Wiederholen Sie die Messung, platzieren Sie allerdings vor die Austrittsöffnung des Pro-benhalters eine oder mehrere Plastikfolien. Durch Kombination mehrerer Folien lassen sich unterschiedliche Dicken zwischen 0,1 mm und 2 mm realisieren.

• Tragen Sie halblogarithmisch die Anzahl Messereignisse NMess(x) gegen die Dicke der Absorberschicht x auf und ermitteln Sie daraus die Absorptionskonstante für das Plastik-material. Verwenden Sie als Messwert jeweils den Mittelwert aus 3 Einzelmessungen und geben Sie eine Fehlerabschätzung an.

• Wiederholen sie die Messungen, verwenden Sie als Absorbermaterial nun aber Alumini-um (Schichtdicke: 1 mm bis 12 mm).

• Vergleichen Sie qualitativ die aus den Schwächungskonstanten folgenden mittleren Reichweiten mit den aus dem Versuch 5.1 ermittelten Reichweiten von α-Strahlung. Was lässt sich daraus bezüglich der Schädlichkeit von β-Strahlung für Organismen folgern? Wie kann man sich gegen von außen kommende β-Strahlung schützen? Wie dick muss ei-ne Plastik-Abschirmung sein, um die β-Strahlung von 60Co bis auf 0,1% abzuschirmen?

5.3 Untersuchung eines Cs-Ba-Mutter-Tochter-Präparates

Wie bereits in den Grundlagen vorgestellt wurde, liegen Kerne nach einem radioaktiven Zer-fall in aller Regel in einer angeregten Form vor. Ähnlich wie bei den Elektronen wird die in dieser Anregung steckende Energie durch Emission von Photonen frei, wenn das System in den Grundzustand zurückkehrt. Im Falle der Kerne ist die Lebensdauer dieser Anregungen oft deutlich länger als in Atomen.

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Radioaktivität RA 21

Bei dem zu untersuchenden System handelt es sich um 137Cs, das über einen metastabilen Zwischenzustand in 137Ba zerfällt (Abb. 13).

Abb. 13: Termschema für den β-Zerfall von 137Cs. Die Energieskala ist Null im Grundzustand. Ausgehend vom Ausgangskern zerfällt das Isotop entwe-der zu 137Ba (zu 5,4%) oder der Zerfall läuft über den angeregten Zwi-schenzustand 137mBa des Bariums 0,66 MeV oberhalb des Grundzustands ab (zu 94,6%).

Das Isotop 137mBa mit einer Halbwertszeit von wenigen Minuten wird in einem „Isotopenge-nerator“, der 137Cs enthält, ständig produziert. Das metastabile 137mBa besitzt zur Ausgangs-substanz Cs unterschiedliche chemische Eigenschaften. Deswegen kann man mit Hilfe einer entsprechenden Lösung die Ba-Kerne aus dem Isotopengenerator ausspülen, ,,eluieren“ ge-nannt. Im Generator bleibt danach lediglich das für die Lösung unlösliche Cäsiumsalz zurück, welches bei nachfolgenden Zerfällen wieder Barium produziert. Die metastabilen Kerne des Barium befinden sich nach der Eluierung in der produzierten Lösung.

• Bestimmen Sie den Nulleffekt im GM-Zähler ohne radioaktives Präparat. Betreiben Sie das Zählrohr im Modus, der Ihnen die absolute Anzahl von Zählereignissen liefert. Stellen Sie in den Messeinstellungen die Messzeit auf 10 s ein und wählen Sie eine Zeitauflösung von 100 µs. Führen Sie eine Serie von etwa 50 Einzelmessungen durch. Stellen Sie die Häufigkeitsverteilung als Balkendiagramm dar. Bestimmen Sie Mittelwert und Standard-abweichung und überprüfen Sie die Gültigkeit von Gl. (15).

Für die Bestimmung der Halbwertszeit von 137mBa bleibt Ihnen nach der Produktion der Lö-sung nicht viel Zeit. Sie sollten mit der nachfolgend beschriebenen Messung daher beginnen, sobald der Betreuer/die Betreuerin die 137mBa-Lösung hergestellt und in den Präparatehalter eingesetzt hat.

• Bringen Sie Präparat- und Zählrohrhalter möglichst dicht zusammen, um eine gute Intensi-tät für Ihre Messung zu bekommen. Achten Sie darauf, dass die Schutzkappe auf das Zähl-rohrfenster aufgesetzt ist.

• Betreiben Sie das Zählrohr in diesem Versuch nicht in dem Modus, der ihnen die aktuelle Zählrate liefert, sondern betreiben Sie es im Modus, der ihnen die absolute Anzahl von Zählereignissen liefert. Wählen Sie einen Messbereich von 700 aus.

• Stellen Sie in den Messeinstellungen die Messzeit auf 10 s ein und wählen Sie eine Zeit-auflösung von 100 µs. Aktivieren Sie außerdem die Option ,,neue Messreihe anhängen“.

• Lassen Sie die Einstellungen vom Betreuer/von der Betreuerin noch einmal überprüfen. Da der Isotopengenerator immer eine gewisse Zeit benötigt (etwa 20 min), bis er noch einmal verwendet werden kann, und weil falsche Einstellungen den Abbruch einer Mes-sung fast zwangsläufig bedingen, ist eine Kontrolle sinnvoll und spart im Zweifel Zeit.

• Nehmen Sie eine Stoppuhr zur Hand.

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RA 22 Radioaktivität

• Starten Sie eine Messung gleichzeitig mit der vorhandenen Stoppuhr.

• Haben Sie alles richtig gemacht, endet die Messwerterfassung der Cassy-Software nach10 s.

• Nach weiteren 20 s starten sie eine weitere Messung, die wiederum nach 10 s abbricht.

• Wiederholen Sie diesen Vorgang für eine Gesamtdauer von 10 Minuten. Sie erhalten da-durch alle 30 s für jeweils 10 s die Anzahl der Messereignisse des Zählrohres.

• Zuletzt bestimmen Sie aus der Differenz zwischen der Anzahl der Zählereignisse jeweils am Anfang und zum Ende eines 10 s-Intervalls die Anzahl der Detektionen innerhalb von 10 s. Daraus folgt die Aktivität der Probe für jedes der einzelnen 10 s-Intervalle innerhalb der 10 Minuten.

Tragen Sie die Probenaktivität gegen die Zeit auf (mit Origin) und korrigieren Sie auf den Nulleffekt. Erzeugen Sie einen exponentiellen Fit Ihrer Messdaten nach Gl. (10) und bestim-men Sie daraus die Zerfallskonstante und die Halbwertszeit des Nuklids 137mBa.

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Radioaktivität RA 23

6. Zerfalls-Diagramme der radioaktiven Isotope

… und hier das wirklich komplizierte (und nicht mal vollständige) Zerfalls-Diagramm von 241Am:

Alle Energieangaben sind in „keV“.

Quelle: R.B. Firestone, Table of Isotopes (8th ed., Wiley-Interscience, New York 1996).