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9. JULI I 9 2 6 KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 5. JAI-tRGANG. Nr. 28 I281 KURZE WISSENSCHAFT 0BER DIE ENTSTEHUNG ANAPHYLATOXlN-ARTIGER (SEROTOXlN-ARTIGER) EIGENSCHAFTEN IM SERUM DURCH SCHUTTELN (SCHUTTEL-SEROTOXlN). Von H. DOLD. In einer frfiheren Mitteilung (diese Wochenschr. Nr. 32, 1924) habe ich gezeigt, dal3 es gelingt, auch bei Verwendung von sog. Trockenkomplement, d.h. bei Verwendung yon wieder gelSstem getrocknetem Meerschweinehenserum, das im frischen komplementhaltigen Zustand rasch unter mSglich- stem AusschluB der sch/~digenden Faktoren (Sauerstoff, h6here Temperatur) eingetrocknet worden war, dutch Zu- satz yon Bakterien jene Eigenschaft zu erzeugen, die man nach FRIEDBERGER als Anaphylatoxin, nach DOERR besser als Serotoxin bezeichnet. Im weiteren Verfolg dieser Versuche steltte sich heraus, dab man auch noch mit solchen getrockneten Meerschweln- chenseren, bei denen entweder dutch absichtliche Wahl yon ungfinstigen Eintrocknungsbedingungen oder infolge nach- tr/iglicher ungfinstiger Lagerung oder infolge zu grof3en Alters keine Spur yon Komplement mehr vorhanden war, doch noch dutch Zusatz yon Bakterien in einem betr/ichtlichen Prozentsatz Anaphylatoxin (Serotoxin) erzeugen kann (vgl. Sitzungsbericht 2irztl. Vet. Marburg, L. 16. Dezember 1925). Auf Grund frtiherer Studien (Arch. f. Hyg., 89, H.I/3, 1919) bin ich zu der Auffassung gelangt, dab die Anaphyla- toxin (Serotoxin) genannte Eigenschaft des Serums in engem Zusammenhang steht mit dem Auftreten einer gewissen Flockungsphase im Serum und dab der Flockungsvorgang im Serum dutch die Qualit~t und Quantit~t der Oberfl~tchen der dem Serum zugesetzten Kontaktsubstanzen (Bakterien, Pr~zipitate usw.) bedingt wird. Bekanntlich lassen sich dutch Schfitteln yon Serum Flok- kungsvorg/~,nge ausl6sen, die sich ebenfalls als Oberfl/~chen- erscheinungen, n/~mlich als Wirkung der Oberfl~tche der zahl- reichen Luftb!~schen auf die Serumkolloide erkl,,tren lassen. Es lag nun nahe, zu prfifen, ob im Zusammenhang mit den durch einfaches Schfitteln erzeugten Flockungsvorg~ngen in dem geschfittelten Serum ebenfalls anaphylatoxinartige (serotoxinartige) Eigenschaften auftreten. Technik: Etwa 20 ccm frischen, st erilen Meerschweinchen- serums werden in einer sterilen IOO ccm fassenden Schflttelflasche mit sterilisierten Glasperlen im Schiattelapparat ca. 2 Stunden ge- schi~ttelt. Es ist dann eine makroskopische Tri~bung, oft mit teil- weiser gr6berer Flockenbildung, eingetreten. Durch mehrstfindiges Lagern im Eisschrank wird der Flockungsvorgang noch verstXrkt. Etwaige gr6bere Flocken werden dutch Aufschfitteln zerteilt, ev. dutch kurzes Zentrlfugieren entfernt, die flberstehende Flflssigkeit wird in Mengen yon 4--5 ccm, auf ca. 37 ~ erwXrmt, in der flblichen Weise Meerschweinchen yon ca. 2oo g Gewicht intrajugular in- jiziert. Das injizierte Serum wird direkt mikroskopisch und kulturell auI Abwesenheit yon Bakterien jedesmal geprt~ft. Das Ergebnis dieser Versuche war kurz zusammengefagt folgendes: 4--5 ccm des intrajugular eingespritzten geschfit- telten und infolgedessen geflockten (makroskopisch getrfibten) sterilen Meerschweinchenserums fief bei ca. 2oo g schweren Meerschweinchen nicht regelm/~Big, abet in einem betr/~cht- lichen Prozentsatz anaphylatoxinartige (serotoxinartige) Er- scheinungen verschiedenen Grades hervor. Von 28 mit ge- schfitteltem Meerschweinchenserum eingespritzten Meer- schweinchen zeigten 12 Tiere leichte, aber typische, 4 Tiere schwere typische Erscheinungen ohne ]?;xitus und bei 2 Tieren kam es im AnschluB an den typischen Anfall zum Exitus mit Lungenbl/~hung. In alien F/~llen konnte ein mehr oder weniger starker Temperatursturz beobachtet werden. LICHE MITTEILUNGEN. Zusammenfassend l~iBt sieh demnach sagen, dab das ge- schiittelte und dadurch in einen gewissen Pr~cipitations- zustand versetzte, sterile intraven6s gegebene Meerschwein- chenserum bei Meerschweinchen unter gewissen Versuchs- bedingungen in einem betr~ichtlichen Prozentsatz anaphyla- toxinartige (serotoxinartige) Wirkungen hervorruft. An anderer Stelle wird eingehender fiber diese Versuche berichtet werden. (Aus dem lnstitut /,at experimentelle Therapie ,,Emil von Behring", 2VZarburg, Lahn). PILOCARPINWIRKUNG UND ELEKTROKARDIO- GRAMM BEI NORMALEN, THYREOIDIERTEN UND THYREOIDEKTOMIERTEN MEERSCHWEINCHEN UND KANINCHEN. Von E. HZRZFZLD und E. MOSLZR. I. Unvorbehandelten Meerschweinchen wurde Pilocarpin injiziert und zwar in Dosen von o, oi g--I mg pro ioog K6rpergewicht. 2. Diese Pilocarpininjektionen bewirkten Rhythmus- st6rungen in chronotropem und dromotropem Sinne. a) Die kleinsten Dosen o, oi ulld 0,0 5 mg zeigten nach ganz kurz vorfibergehendem positiv chronotropem einen negativ chronotropen Effekt, der reversibel war. Dromo- trope St6rungen wurden hier nicht gefunden. b) H6here Dosen o,i--i mg bewirkten Reizleitungs- st6rungen I. Grades (verl~ngertes P-R Intervall), II. Grades (atrioventrikul~ire Automatie oder partieller Herzblock), und III. Grades (totaler Herzblock), jedoch unabh~ngig yon der in genannten Grenzen applizierten Dosis. Diese St6rungen setzten entweder sofort ein oder fiber eine anf~ngliche Brady- kardie. Jedenfalls ist bei diesen Dosen ein anf~nglich be- schleunigter Rhythmus nicht wahrzunehmen. 3. S~imtliche Vertinderungen k6nnen reversibel sein. Diese Reversibilit~it tritt nicht immer ein, wenn es bereits zum totalen Herzblock gekommen ist. Hier kann unter Kammerflimmern der Exitus eintreten. 4. Unter Pilocarpinwirkung finder h~ufig eine Umdrehung der T-Schwankung start, die ebenfalls nach Abklingen der Wir- kung reversibel ist. 5. Unvorbehandelte Kaninchen, die mit Dosen yon o,25--o,75 mg pro kg K6rpergewicht gespritzt wurden, zeigten tediglich fiber eine anf~tnglich leichte Sinustachy- kardie eine reversible Sinusbradykardie. Dromotrope StSrun- gen wurden nicht beobachtet. 6. Wochenlang vorher thyreoidierte Tiere zeigen im Prinzip die gleiehen St6rungen. Die von anderer Seite angeblich ge- fundene Oberempfindlichkeit thyreoidierter Tiere gegeniiber dem Pilocarpin war elektrokardiographisch nicht zu be- st/~tigen. 7. Bei thyreoidektomierten Tieren konnte ebenfalls kein wesentlicher Unterschied durch Pilocarpinwirkung elektro- kardiographisch nachgewiesen werden. [Die ausffihrliche Arbeit fiber dieses Thema mit Tabellen und Kurven erscheint im Archiv ftir experimentelle Patho- logie und Pharmakologie. ( Aus der III. medizinischen Klinik der Universitdt Berlin [Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Goldseheider ] ) .

Pilocarpinwirkung und Elektrokardiogramm bei Normalen, Thyreoidierten und Thyreoidektomierten Meerschweinchen und Kaninchen

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9. JULI I 9 2 6 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 5. J A I - t R G A N G . Nr. 28 I281

K U R Z E W I S S E N S C H A F T

0BER DIE ENTSTEHUNG ANAPHYLATOXlN-ARTIGER (SEROTOXlN-ARTIGER) EIGENSCHAFTEN IM SERUM

DURCH SCHUTTELN (SCHUTTEL-SEROTOXlN).

Von H. DOLD.

In einer frfiheren Mitteilung (diese Wochenschr. Nr. 32, 1924) habe ich gezeigt, dal3 es gelingt, auch bei Verwendung von sog. Trockenkomplement, d .h . bei Verwendung yon wieder gelSstem getrocknetem Meerschweinehenserum, das im frischen komplementhaltigen Zustand rasch unter mSglich- stem AusschluB der sch/~digenden Faktoren (Sauerstoff, h6here Temperatur) eingetrocknet worden war, dutch Zu- satz yon Bakterien jene Eigenschaft zu erzeugen, die man nach FRIEDBERGER als Anaphylatoxin, nach DOERR besser als Serotoxin bezeichnet.

Im weiteren Verfolg dieser Versuche steltte sich heraus, dab man auch noch mit solchen getrockneten Meerschweln- chenseren, bei denen entweder dutch absichtliche Wahl yon ungfinstigen Eintrocknungsbedingungen oder infolge nach- tr/iglicher ungfinstiger Lagerung oder infolge zu grof3en Alters keine Spur yon Komplement mehr vorhanden war, doch noch dutch Zusatz yon Bakterien in einem betr/ichtlichen Prozentsatz Anaphylatoxin (Serotoxin) erzeugen kann (vgl. Sitzungsbericht 2irztl. Vet. Marburg, L. 16. Dezember 1925).

Auf Grund frtiherer Studien (Arch. f. Hyg., 89, H.I/3, 1919) bin ich zu der Auffassung gelangt, dab die Anaphyla- toxin (Serotoxin) genannte Eigenschaft des Serums in engem Zusammenhang steht mit dem Auftreten einer gewissen Flockungsphase im Serum und dab der Flockungsvorgang im Serum dutch die Qualit~t und Quantit~t der Oberfl~tchen der dem Serum zugesetzten Kontaktsubstanzen (Bakterien, Pr~zipitate usw.) bedingt wird.

Bekanntlich lassen sich dutch Schfitteln yon Serum Flok- kungsvorg/~,nge ausl6sen, die sich ebenfalls als Oberfl/~chen- erscheinungen, n/~mlich als Wirkung der Oberfl~tche der zahl- reichen Luftb!~schen auf die Serumkolloide erkl,,tren lassen. Es lag nun nahe, zu prfifen, ob im Zusammenhang mit den durch einfaches Schfitteln erzeugten Flockungsvorg~ngen in dem geschfittelten Serum ebenfalls anaphylatoxinartige (serotoxinartige) Eigenschaften auftreten.

Technik: Etwa 20 ccm frischen, st erilen Meerschweinchen- serums werden in einer sterilen IOO ccm fassenden Schflttelflasche mit sterilisierten Glasperlen im Schiattelapparat ca. 2 Stunden ge- schi~ttelt. Es ist dann eine makroskopische Tri~bung, oft mit teil- weiser gr6berer Flockenbildung, eingetreten. Durch mehrstfindiges Lagern im Eisschrank wird der Flockungsvorgang noch verstXrkt. Etwaige gr6bere Flocken werden dutch Aufschfitteln zerteilt, ev. dutch kurzes Zentrlfugieren entfernt, die flberstehende Flflssigkeit wird in Mengen yon 4--5 ccm, auf ca. 37 ~ erwXrmt, in der flblichen Weise Meerschweinchen yon ca. 2oo g Gewicht intrajugular in- jiziert. Das injizierte Serum wird direkt mikroskopisch und kulturell auI Abwesenheit yon Bakterien jedesmal geprt~ft.

Das Ergebnis dieser Versuche war kurz zusammengefagt folgendes: 4--5 ccm des intrajugular eingespritzten geschfit- telten und infolgedessen geflockten (makroskopisch getrfibten) sterilen Meerschweinchenserums fief bei ca. 2oo g schweren Meerschweinchen nicht regelm/~Big, abet in einem betr/~cht- lichen Prozentsatz anaphylatoxinartige (serotoxinartige) Er- scheinungen verschiedenen Grades hervor. Von 28 mit ge- schfitteltem Meerschweinchenserum eingespritzten Meer- schweinchen zeigten 12 Tiere leichte, aber typische, 4 Tiere schwere typische Erscheinungen ohne ]?;xitus und bei 2 Tieren kam es im AnschluB an den typischen Anfall zum Exitus mit Lungenbl/~hung. In alien F/~llen konnte ein mehr oder weniger starker Temperatursturz beobachtet werden.

L I C H E M I T T E I L U N G E N .

Zusammenfassend l~iBt sieh demnach sagen, dab das ge- schiittelte und dadurch in einen gewissen Pr~cipitations- zustand versetzte, sterile intraven6s gegebene Meerschwein- chenserum bei Meerschweinchen unter gewissen Versuchs- bedingungen in einem betr~ichtlichen Prozentsatz anaphyla- toxinartige (serotoxinartige) Wirkungen hervorruft.

An anderer Stelle wird eingehender fiber diese Versuche berichtet werden. (Aus dem lnst i tut /,at experimentelle Therapie ,,Emil von Behring", 2VZarburg, Lahn).

PILOCARPINWIRKUNG UND ELEKTROKARDIO- GRAMM BEI NORMALEN, THYREOIDIERTEN UND THYREOIDEKTOMIERTEN MEERSCHWEINCHEN

UND KANINCHEN.

Von

E. HZRZFZLD und E. MOSLZR.

I. Unvorbehandelten Meerschweinchen wurde Pilocarpin injiziert und zwar in Dosen von o, oi g - - I mg pro i o o g K6rpergewicht.

2. Diese Pilocarpininjektionen bewirkten Rhythmus- st6rungen in chronotropem und dromotropem Sinne.

a) Die kleinsten Dosen o, oi ulld 0,0 5 mg zeigten nach ganz kurz vorfibergehendem positiv chronotropem einen negativ chronotropen Effekt, der reversibel war. Dromo- trope St6rungen wurden hier nicht gefunden.

b) H6here Dosen o , i - - i mg bewirkten Reizleitungs- st6rungen I. Grades (verl~ngertes P-R Intervall), II. Grades (atrioventrikul~ire Automatie oder partieller Herzblock), und I I I . Grades (totaler Herzblock), jedoch unabh~ngig yon der in genannten Grenzen applizierten Dosis. Diese St6rungen setzten entweder sofort ein oder fiber eine anf~ngliche Brady- kardie. Jedenfalls ist bei diesen Dosen ein anf~nglich be- schleunigter Rhythmus nicht wahrzunehmen.

3. S~imtliche Vertinderungen k6nnen reversibel sein. Diese Reversibilit~it t r i t t nicht immer ein, wenn es bereits zum totalen Herzblock gekommen ist. Hier kann unter Kammerflimmern der Exitus eintreten.

4. Unter Pilocarpinwirkung finder h~ufig eine Umdrehung der T-Schwankung start, die ebenfalls nach Abklingen der Wir- kung reversibel ist.

5. Unvorbehandelte Kaninchen, die mit Dosen yon o,25--o,75 mg pro kg K6rpergewicht gespritzt wurden, zeigten tediglich fiber eine anf~tnglich leichte Sinustachy- kardie eine reversible Sinusbradykardie. Dromotrope StSrun- gen wurden nicht beobachtet.

6. Wochenlang vorher thyreoidierte Tiere zeigen im Prinzip die gleiehen St6rungen. Die von anderer Seite angeblich ge- fundene Oberempfindlichkeit thyreoidierter Tiere gegeniiber dem Pilocarpin war elektrokardiographisch nicht zu be- st/~tigen.

7. Bei thyreoidektomierten Tieren konnte ebenfalls kein wesentlicher Unterschied durch Pilocarpinwirkung elektro- kardiographisch nachgewiesen werden.

[Die ausffihrliche Arbeit fiber dieses Thema mit Tabellen und Kurven erscheint im Archiv ftir experimentelle Patho- logie und Pharmakologie. ( Aus der I I I . medizinischen Kl in ik der Universitdt Berlin [Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Goldseheider ] ) .