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1 3 STANDORT-GESPRÄCH Deutschland ist – in wirtschaftlicher, sozialer und zuneh- mend auch in ökologischer Hinsicht – auf eine funktionie- rende Verkehrsinfrastruktur angewiesen. Grundlage dafür soll der Bundesverkehrswegeplan (BVWP) sein, der jeweils für mindestens eine Dekade erstellt wird. Aber kann er den wachsenden und sich verändernden Anforderungen auch gerecht werden? René Bormann befasst sich als Leiter des Arbeitskreises „Innovative Verkehrspolitik“ bei der Fried- rich-Ebert-Stiftung seit Jahren intensiv mit dem Planwerk. Im Gespräch mit STANDORT-Redakteurin Ute Christina Bauer erläutert er die Vorgehensweise beim Aufstellen des Plans und welche Vorstellungen die Friedrich-Ebert-Stif- tung zum BVWP entwickelt hat. STANDORT: Was genau ist eigentlich ein Bundesver- kehrswegeplan (BVWP)? Bormann: Beim BVWP handelt es sich um einen Investi- tionsrahmenplan für die Verkehrsinfrastruktur des Bundes, also für überörtliche Wasserwege, Schienenwege, Bundes- straßen und Autobahnen. Er soll dazu dienen, die Verkehrs- infrastruktur zu optimieren. Der BVWP ist kein Gesetz im eigentlichen Sinn, sondern ein Kabinettsbeschluss, aus dem einzelne Ausbaugesetze abgeleitet werden, die dann der Bundestag beschließt. Darin sollte stehen, wie sich der Ver- kehr entwickelt, wie die bestehende Infrastruktur zu bewer- ten ist und welche Schwachstellen sie aufweist. Aus all diesen Erkenntnissen sollen die notwendigen Projekte iden- tifiziert werden, mit denen der Bestand für die zukünftigen Herausforderungen ertüchtigt werden kann. Einen Bundes- verkehrswegeplan aufzustellen, ist sehr aufwändig, er soll schließlich 10 bis 15 Jahre gelten. Die Laufzeit ist innerhalb dieses Rahmens etwas flexibel, sie wird beeinflusst von neu entwickelten Analyse- und Auswahlverfahren, von neuen Kriterien wie etwa Umweltaspekten, von Veränderungen im Verkehrsgeschehen und sicherlich auch von Wahltermi- nen der Politik. Aktuell gilt noch der BVWP von 2003, der Folgeplan soll von 2015 bis 2030 laufen und wird derzeit vorbereitet. STANDORT: Wie viele Einzelprojekte umfasst der aktu- elle BVWP? Bormann: Der BVWP 2003 umfasste ca. 2.500 Straßen-, 50 Schienen- und 9 Wasserstraßenprojekte. Ein Großteil dieser Projekte war aber auch schon im Vorgängerplan enthalten. STANDORT: Wie kommen Verkehrsinfrastrukturprojekte in den Bundesverkehrswegeplan? Bormann: Das Verfahren läuft so: Am Anfang steht eine Prognose darüber, wie sich der Verkehr entwickeln wird. Es folgt eine Prüfung der bestehenden Verkehrsnetze, inwieweit sie dieser Prognose entsprechen. In der drit- ten Stufe werden daraus Projekte abgeleitet. Der Bund ist zwar zuständig für Autobahnen und Bundesstraßen sowie für Wasser- und Schienenwege, er kümmert sich aber nur indirekt darum. Er hat diese Dinge Auftragsverwaltungen übertragen: Die Länder übernehmen das für die Autobah- STANDORT (2013) 37:66–68 DOI 10.1007/s00548-013-0261-5 Planen mit mehr Plan! In Vorbereitung: Der Bundesverkehrswegeplan für 2015 bis 2030 Ute Christina Bauer Dipl.-Geogr. U. C. Bauer () Redaktion STANDORT, Pressebüro Transit, Torstraße 177, 10115 Berlin, Deutschland E-Mail: [email protected] Online publiziert: 1. Mai 2013 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

Planen mit mehr Plan!

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Deutschland ist – in wirtschaftlicher, sozialer und zuneh-mend auch in ökologischer hinsicht – auf eine funktionie-rende Verkehrsinfrastruktur angewiesen. Grundlage dafür soll der Bundesverkehrswegeplan (BVWp) sein, der jeweils für mindestens eine Dekade erstellt wird. Aber kann er den wachsenden und sich verändernden Anforderungen auch gerecht werden? René Bormann befasst sich als Leiter des Arbeitskreises „Innovative Verkehrspolitik“ bei der Fried-rich-ebert-Stiftung seit Jahren intensiv mit dem planwerk. Im Gespräch mit STANDORT-Redakteurin Ute christina Bauer erläutert er die Vorgehensweise beim Aufstellen des plans und welche Vorstellungen die Friedrich-ebert-Stif-tung zum BVWp entwickelt hat.

STANDORT: Was genau ist eigentlich ein Bundesver-kehrswegeplan (BVWp)?Bormann: Beim BVWp handelt es sich um einen Investi-tionsrahmenplan für die Verkehrsinfrastruktur des Bundes, also für überörtliche Wasserwege, Schienenwege, Bundes-straßen und Autobahnen. er soll dazu dienen, die Verkehrs-infrastruktur zu optimieren. Der BVWp ist kein Gesetz im

eigentlichen Sinn, sondern ein Kabinettsbeschluss, aus dem einzelne Ausbaugesetze abgeleitet werden, die dann der Bundestag beschließt. Darin sollte stehen, wie sich der Ver-kehr entwickelt, wie die bestehende Infrastruktur zu bewer-ten ist und welche Schwachstellen sie aufweist. Aus all diesen erkenntnissen sollen die notwendigen projekte iden-tifiziert werden, mit denen der Bestand für die zukünftigen herausforderungen ertüchtigt werden kann. einen Bundes-verkehrswegeplan aufzustellen, ist sehr aufwändig, er soll schließlich 10 bis 15 Jahre gelten. Die Laufzeit ist innerhalb dieses Rahmens etwas flexibel, sie wird beeinflusst von neu entwickelten Analyse- und Auswahlverfahren, von neuen Kriterien wie etwa Umweltaspekten, von Veränderungen im Verkehrsgeschehen und sicherlich auch von Wahltermi-nen der politik. Aktuell gilt noch der BVWp von 2003, der Folgeplan soll von 2015 bis 2030 laufen und wird derzeit vorbereitet.

STANDORT: Wie viele einzelprojekte umfasst der aktu-elle BVWp?Bormann: Der BVWp 2003 umfasste ca. 2.500 Straßen-, 50 Schienen- und 9 Wasserstraßenprojekte. ein Großteil dieser projekte war aber auch schon im Vorgängerplan enthalten.

STANDORT: Wie kommen Verkehrsinfrastrukturprojekte in den Bundesverkehrswegeplan?Bormann: Das Verfahren läuft so: Am Anfang steht eine prognose darüber, wie sich der Verkehr entwickeln wird. es folgt eine prüfung der bestehenden Verkehrsnetze, inwieweit sie dieser prognose entsprechen. In der drit-ten Stufe werden daraus projekte abgeleitet. Der Bund ist zwar zuständig für Autobahnen und Bundesstraßen sowie für Wasser- und Schienenwege, er kümmert sich aber nur indirekt darum. er hat diese Dinge Auftragsverwaltungen übertragen: Die Länder übernehmen das für die Autobah-

STANDORT (2013) 37:66–68DOI 10.1007/s00548-013-0261-5

Planen mit mehr Plan!In Vorbereitung: Der Bundesverkehrswegeplan für 2015 bis 2030

Ute Christina Bauer

Dipl.-Geogr. U. c. Bauer ()Redaktion STANDORT, pressebüro Transit, Torstraße 177, 10115 Berlin, Deutschlande-Mail: [email protected]

Online publiziert: 1. Mai 2013© Springer-Verlag Berlin heidelberg 2013

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nen und Bundesstraßen, die Schiene wird von der Deut-schen Bahn gemanagt, um die Wasserstraßen kümmert sich die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes. Diese Auftragsverwaltungen werden gebeten, projekte anzumel-den. Ein Expertengremium schaut sich diese an, es wird viel gefeilscht, eine Rückkoppelung mit dem Finanzrahmen durchgeführt. Wenn ein projekt dieses Verfahren erfolgreich durchlaufen hat, fließt es in den BVWP ein.

STANDORT: halten Sie dieses Vorgehen für geeignet, die Verkehrsinfrastruktur zu optimieren?Bormann: Ich denke, dass zwischen der prognose und der Ableitung von projekten ein wichtiger Schritt fehlt: Die Aufgabe von politik ist es, zu gestalten und nicht, ein-fach einer prognose zu folgen. Sie sollte die Annahmen der prognose hinterfragen und sich Ziele setzen. Abgeleitete projekte sollten dafür da sein, diese Ziele zu erfüllen. Die politik bräuchte also ein breit diskutiertes Leitbild: Was für einen Verkehr wollen wir in 10, 15, 20 Jahren haben? Und was können wir uns leisten? Bisher wurden neben der prognose weitere parameter in viel zu geringem Ausmaß eingebaut. Beispielsweise sind Straßen aus sozialer pers-pektive sicherlich nicht immer das Allheilmittel, dennoch sind Schienenprojekte im BVWp in wesentlich geringerem Umfang vertreten. Auch müssten Güterverkehre vermehrt betrachtet werden: In den letzten Jahren ist bei der Bahn der Güterverkehr stark gewachsen und wird weiter wach-sen. Investiert hat die Bahn in den letzten Jahren jedoch vor allem in hochgeschwindigkeitszüge. Dabei wird der per-sonenverkehr auf langen Strecken voraussichtlich ziemlich konstant bleiben.

STANDORT: Also ein plan ohne plan?Bormann: Das ist spitz formuliert, aber im Grunde zutref-fend. Dass ein plan, ein Konzept im eigentlichen Sinne vorhanden ist, kann ich nicht erkennen. Wenn man die Auftragsverwalter der Länder um Vorschläge für Verkehrs-infrastrukturprojekte bittet, ist es logisch, dass sie eigenin-teressen einbringen werden. So spiegeln sich darin vielfach regionale Interessen wider und weniger das Anliegen, eine Gesamtnetzstruktur zu implementieren. Selbst auf der Maß-stabsebene der Länder wird nicht optimiert: Wenn man sich die Listen ansieht, findet man darauf viele Einzelinteressen, etwa von Abgeordneten, die sich rühmen, wie viele projekte sie einbringen konnten. Natürlich ist nachvollziehbar, dass politiker und Bürgermeister in ihrem Wahlkreis, in ihrer Gemeinde gern ein rot-weißes Band durchschneiden – auch Bundestagsabgeordnete sind schließlich regional verankert und müssen sich für die Interessen vor Ort einsetzen. pro-blematisch finde ich auch die Verteilung der Gelder nach Länderproporz.

Wichtig wäre es, stärker Ziele zu formulieren und ein Leitbild, eine Vision zu entwickeln – auch wenn dieses

Wort derzeit ja ziemlich verpönt ist. Man sollte viel mehr mit steuernden Ideen arbeiten und diese in beteiligungs-orientierten prozessen ausdiskutieren. Bisher fehlt eine Bürgerbeteiligung bei der ermittlung des Bedarfs nämlich weitgehend.

STANDORT: haben projekte von überregionaler Bedeu-tung, die erst nach Beschluss des Bundesverkehrswegeplans entstehen, eine Realisierungschance?Bormann: Neue, überregional bedeutsame projekte, die nicht bereits im BVWp 2003 enthalten sind, gab es in den letzten Jahren eigentlich nicht. Kernproblem der der-zeitigen Infrastrukturpolitik ist vielmehr, dass gerade für projekte mit hoher Fernverkehrsbedeutung und gutem Kos-ten-Nutzen-Faktor wie den Ausbau von Autobahnen das Geld fehlt. Statt sich an den ergebnissen der im Rahmen der Bundesverkehrswegeplanung durchgeführten Wirt-schaftlichkeitsprüfungen, Raumwirksamkeitsanalysen und Umwelterheblichkeitsprüfungen zu orientieren, werden die knappen Mittel vorrangig nach regionalem proporzdenken vergeben. Dies führt dazu, dass mit dem aktuellen Infra-strukturbeschleunigungsprogramm vor allem der Bau von Ortsumfahrungen angestoßen wird, während für den bereits planfestgestellten Ausbau von Autobahnen das Geld fehlt.Im neuen Bundesverkehrswegeplan sollten daher zum einen striktere prioritäten gesetzt werden, die sich an realistischen Finanzdaten orientieren. Außerdem dürfen Gelder nicht nur für den Neubau von Straßenprojekten aufgebracht wer-den, sondern müssen endlich auch für kurzfristig wirksame Maßnahmen zur Verfügung stehen – etwa für die Umge-staltung von Ortsdurchfahrten oder die zeitweise Freigabe von Standstreifen. Jahrzehntelang unfinanzierbare Projekt-wunschlisten mit sich herumzuschleppen, ist sicher nicht der richtige Weg!

In der Abstimmung werden die projekte in zwei Kate-gorien eingeteilt: „Vordringlicher Bedarf“ und „Weiterer Bedarf“. Als indisponibel eingestufte projekte – solche, die schon im Bau sind, zum Verkehrsprojekt Deutsche einheit, zum Zukunftsinvestitionsprogramm oder zum Anti-Stau-programm zählen – gehören grundsätzlich zum vordring-lichen Bedarf. Da dieser Kategorie einerseits schon sehr viele projekte zugeordnet werden und die Finanzmittel andererseits begrenzt sind, ist noch nicht mal die Realisie-rung aller hoch prioritären projekte wahrscheinlich. Weitere – möglicherweise sehr sinnvolle – Maßnahmen können also höchstens über andere Finanzierungen umgesetzt werden, beispielsweise mit kommunalen Mitteln.

STANDORT: Warum befasst sich die Friedrich-ebert-Stif-tung mit dem Bundesverkehrswegeplan?Bormann: Die planung der Infrastruktur für den Fernver-kehr ist – neben der Sicherung der Alltagsmobilität „vor Ort“ – ein wichtiger Aspekt für die Teilhabe am sozialen

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und ökonomischen Leben. Für die Wirtschaft ist eine intel-ligente und integrierte planung von Bau und erhalt der Inf-rastruktur ebenfalls von hoher Bedeutung. Methoden und Inhalte dafür müssen fortlaufend weiterentwickelt werden. Natürlich hat es Weiterentwicklungen gegeben, aber nach meiner einschätzung ist dabei vieles falsch gelaufen, prio-ritäten wurden nicht richtig gesetzt. Im Bereich der Ver-kehrspolitik wird immer nach noch mehr Geld gerufen, tatsächlich ist in den vergangenen Jahrzehnten schon sehr viel Geld in die Infrastruktur geflossen. Aber man kann Inf-rastruktur gar nicht so schnell nachbauen, wie der Verkehr wächst. Wir stehen heute an einem punkt, an dem wir uns grundsätzlich überlegen müssen, wie es eigentlich weiter-gehen soll. Wir haben weder das Geld für weitere prestige-projekte etwa in Form nicht notwendigen Autobahnausbaus

noch haben wir dafür unbegrenzt platz. In vielen Diskus-sionen habe ich erlebt, dass zu viele einzelinteressen in den BVWP einfließen und nicht nach Alternativen zum jetzigen Vorgehen gesucht wird.

STANDORT: Wie könnte eine solche Alternative aussehen?Bormann: Den Ansatz eines stufenweisen Vorgehens finde ich im prinzip nicht schlecht, aber man müsste viel stärker verkehrspolitische Ziele im Sinne eines Bundesverkehrs-wegenetzplans verfolgen. Das Verkehrsministerium sollte selbst projekte entwickeln und breit diskutieren. Wir brau-chen ein stärkeres Leitbild und ein stärkeres einmischen der politik, die nicht nur einer entwicklung hinterherhinkt, son-dern eigene prioritäten setzt. Und außerdem brauchen wir natürlich eine adäquate Finanzausstattung.