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EDITORIAL www.vip-journal.de Vol. 23 Nr. 3 Juni 2011 © 2011 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim ViP 3 Dr. Christian Oehr Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik www.igb.fraunhofer.de Sehr geehrte VIP-Leserin, sehr geehrter VIP-Leser, Die Plasmatechnik als Schlüsseltechnik für viele industrielle Bereiche ist eng mit den wirtschaftlichen Gegebenheiten in diesen Feldern verknüpft. So sind die Aktivitäten, die mit Fragestellungen der Mikroelektronik zusammenhängen, beispielsweise mit dieser nach Fernost abgewandert. In anderen Feldern, wie etwa der Be- leuchtungstechnik, der Architekturglas- beschichtung, verschiedenen Anwen- dungen im Automobilbereich und auch (noch) in der Photovoltaik ist Europa stark, und dementsprechend findet auch hier die notwendige Entwicklung in der Plasmatechnik statt. In Europa werden neue Bereiche für die Plasmatechnik erschlossen. Bei- spielsweise der Einsatz in der Medizin; hier gibt es starke Initiativen in Deutsch- land, Italien, Tschechien und auch in Großbritannien. Für medizinische Anwendung ha- ben sich drei Entwicklungsrichtungen herauskristallisiert. Am weitesten entwi- ckelt ist Behandlung von medizinischen Gütern, um diese für das biologische Umfeld verträglich zu gestalten, ihre Bio- kompatibilität zu verbessern. Hierzu wer- den chemische Funktionen aufgebracht oder auch neue Schichten entwickelt. Die zweite Entwicklungslinie betrifft die Wechselwirkung mit Mikroorganismen. Hierbei geht es um Sterilisation, Des- infektion und Entpyrogenisierung von Oberflächen. Die dritte Linie betrifft die direkte Wechselwirkung von Plasmen mit humanen Zellen, um diese zu stimu- lieren und beispielsweise die Wundhei- lung zu unterstützen. Das gesamte Feld mit diesen drei Entwicklungsrichtungen unterliegt einer stürmischen Entwick- lung und wird der Plasmatechnik noch einige Fortschritte bereiten. Aber auch in den traditionellen An- wendungsbereichen wie dem Sputtern verzeichnen wir Entwicklungssprünge. In Groß Britannien, Schweden und Deutschland haben sich starke Gruppen etabliert, die die Sputtertechnik um eine neuartige Pulstechnik, das HIPMS, berei- chert haben. HIPMS findet bereit ersten industriellen Einsatz. In der Dünnschicht-Photovoltaik müssen neue Schichten mit entspre- chend hohen Geschwindigkeiten herge- stellt werden können, um die Prozesse günstiger und damit wettbewerbssicher machen zu können. Dies stellt besondere Anforderungen an die Erhöhung der Ab- scheidegeschwindigkeit bei gleicher oder besserer Schichtqualität. In diesem Bereich ist das Potential der Plasmatech- nik (hier PECVD) noch keineswegs aus- geschöpft und erfordert konzertierte Anstrengungen von Anwendungsfor- schung und Industrie, um auch hier mit dem asiatischen Wettbewerb mithalten zu können. In allen gesellschaftlich bedeutenden Feldern, der Kommunikation (Mikro- elektronik), der Gesundheit (Medizin), der Energiewandlung- und -einsparung (Photovoltaik, Brennstoffzellen, Tribolo- gie) finden, wo immer es geht, polymere Werkstoffe ihren Einsatz. Diese zeich- nen sich durch geringes Gewicht, guter Verarbeitbarkeit, günstigem Preis, aber unpassender Oberflächeneigenschaf- ten aus. Auch hier helfen Plasmen, die Oberflächen anzupassen. So ist es nicht verwunderlich, dass auf der Messe K im November 2010, der weltweit größten Messe für Anlagenbau in der Kunststoff- bearbeitung, mindestens 25 Firmen (da- von 17 aus Deutschland) Plasmaanlagen für die Polymerbehandlung oder die entsprechenden Dienstleistungen an- boten. Das Wachstum in der Kunststoff- produktion ist fast unverändert, der Einbruch in 2009 schon kompensiert. An diesem Wachstum partizipieren die diversen Methoden der Veredelung von Kunststoffen, darunter auch die Plasma- technik. Mit dem Thema Ressourceneffizienz wird ein weiteres gesellschaftliches Schwerpunktthema neben der Kommu- nikation, der Mobilität, der Gesundheit und der Energie, nämlich die Umwelt, adressiert. Hier sind insbesondere der geringe Materialdurchsatz und damit verbunden auch die geringe Abfallpro- duktion zu beachten und als ein verfah- rensinhärenter Vorteil der Plasmatech- nik deutlich. Aus dem bisher Gesagten ergibt sich, dass das Plasma vielfältige Anwen- dungen hat. Aber es hat auch deutliche Grenzen, wie die vergleichsweise ge- ringe Abscheiderate. Dies macht den Ansatz, Verfahrenskombinationen zu entwickeln, besonders attraktiv. Wäh- rend für medizinische Anwendungen nasschemische Verfahren mit Plasma- verfahren kombiniert werden, ist auch eine Kombination von Plasmaverfahren (Reinigung und seed layer) mit galvani- schen Verfahren (hohe Abscheiderate) von großem Interesse für Metallisierun- gen. Ebenso lassen sich Plasmavorbe- handlungen vorteilhaft mit allen Arten der Lackiertechnik kombinieren. Aus diesem Grund ist es sehr zu begrüßen, dass wichtige institutionelle Vertreter der Plasmatechnik, wie etwa die dgo, inplas und EFDS gemeinsam mit der dfo dieses Thema aufgreifen und einen Ge- meinschaftsausschuss gebildet haben, der den Dialog zwischen den verschie- denen Oberflächenbehandlungstech- niken fördert und damit neue Kombi- nationen machbar werden lässt und innovative Produkte ermöglicht. In diesem Sinne wird auch in der VIP zunehmend von Verfahrenskombinati- onen zu Erzeugung neuer Oberflächen und dünner Schichten zu berichten sein. Ich wünsche Ihnen mit dem vorlie- genden Heft ein spannendes Lesever- gnügen! Plasmatechnologie – voll im Trend

Plasmatechnologie – voll im Trend

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Editorial

www.vip-journal.de Vol. 23 Nr. 3 Juni 2011 © 2011 WilEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaa, Weinheim ViP 3

Dr. Christian OehrFraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnikwww.igb.fraunhofer.de

Sehr geehrte VIP-Leserin, sehr geehrter VIP-Leser,die Plasmatechnik als Schlüsseltechnik für viele industrielle Bereiche ist eng mit den wirtschaftlichen Gegebenheiten in diesen Feldern verknüpft. So sind die aktivitäten, die mit Fragestellungen der Mikroelektronik zusammenhängen, beispielsweise mit dieser nach Fernost abgewandert.

in anderen Feldern, wie etwa der Be-leuchtungstechnik, der architekturglas-beschichtung, verschiedenen anwen-dungen im automobilbereich und auch (noch) in der Photovoltaik ist Europa stark, und dementsprechend findet auch hier die notwendige Entwicklung in der Plasmatechnik statt.

in Europa werden neue Bereiche für die Plasmatechnik erschlossen. Bei-spielsweise der Einsatz in der Medizin; hier gibt es starke initiativen in deutsch-land, italien, tschechien und auch in Großbritannien.

Für medizinische anwendung ha-ben sich drei Entwicklungsrichtungen herauskristallisiert. am weitesten entwi-ckelt ist Behandlung von medizinischen Gütern, um diese für das biologische Umfeld verträglich zu gestalten, ihre Bio-kompatibilität zu verbessern. Hierzu wer-den chemische Funktionen aufgebracht oder auch neue Schichten entwickelt. die zweite Entwicklungslinie betrifft die Wechselwirkung mit Mikroorganismen. Hierbei geht es um Sterilisation, des-infektion und Entpyrogenisierung von oberflächen. die dritte linie betrifft die direkte Wechselwirkung von Plasmen mit humanen Zellen, um diese zu stimu-lieren und beispielsweise die Wundhei-lung zu unterstützen. das gesamte Feld mit diesen drei Entwicklungsrichtungen unterliegt einer stürmischen Entwick-lung und wird der Plasmatechnik noch einige Fortschritte bereiten.

aber auch in den traditionellen an-wendungsbereichen wie dem Sputtern verzeichnen wir Entwicklungssprünge. in Groß Britannien, Schweden und deutschland haben sich starke Gruppen etabliert, die die Sputtertechnik um eine

neuartige Pulstechnik, das HiPMS, berei-chert haben. HiPMS findet bereit ersten industriellen Einsatz.

in der dünnschicht-Photovoltaik müssen neue Schichten mit entspre-chend hohen Geschwindigkeiten herge-stellt werden können, um die Prozesse günstiger und damit wettbewerbssicher machen zu können. dies stellt besondere anforderungen an die Erhöhung der ab-scheidegeschwindigkeit bei gleicher oder besserer Schichtqualität. in diesem Bereich ist das Potential der Plasmatech-nik (hier PECVd) noch keineswegs aus-geschöpft und erfordert konzertierte anstrengungen von anwendungsfor-schung und industrie, um auch hier mit dem asiatischen Wettbewerb mithalten zu können.

in allen gesellschaftlich bedeutenden Feldern, der Kommunikation (Mikro-elektronik), der Gesundheit (Medizin), der Energiewandlung- und -einsparung (Photovoltaik, Brennstoffzellen, tribolo-gie) finden, wo immer es geht, polymere Werkstoffe ihren Einsatz. diese zeich-nen sich durch geringes Gewicht, guter Verarbeitbarkeit, günstigem Preis, aber unpassender oberflächeneigenschaf-ten aus. auch hier helfen Plasmen, die oberflächen anzupassen. So ist es nicht verwunderlich, dass auf der Messe K im November 2010, der weltweit größten Messe für anlagenbau in der Kunststoff-bearbeitung, mindestens 25 Firmen (da-von 17 aus deutschland) Plasma anlagen für die Polymerbehandlung oder die entsprechenden dienstleistungen an-boten. das Wachstum in der Kunststoff-produktion ist fast unverändert, der Einbruch in 2009 schon kompensiert. an diesem Wachstum partizipieren die diversen Methoden der Veredelung von Kunststoffen, darunter auch die Plasma-technik.

Mit dem thema ressourceneffizienz wird ein weiteres gesellschaftliches Schwerpunktthema neben der Kommu-nikation, der Mobilität, der Gesundheit und der Energie, nämlich die Umwelt, adressiert. Hier sind insbesondere der geringe Materialdurchsatz und damit

verbunden auch die geringe abfallpro-duktion zu beachten und als ein verfah-rensinhärenter Vorteil der Plasmatech-nik deutlich.

aus dem bisher Gesagten ergibt sich, dass das Plasma vielfältige anwen-dungen hat. aber es hat auch deutliche Grenzen, wie die vergleichsweise ge-ringe abscheiderate. dies macht den ansatz, Verfahrenskombinationen zu entwickeln, besonders attraktiv. Wäh-rend für medizinische anwendungen nasschemische Verfahren mit Plasma-verfahren kombiniert werden, ist auch eine Kombination von Plasmaverfahren (reinigung und seed layer) mit galvani-schen Verfahren (hohe abscheiderate) von großem interesse für Metallisierun-gen. Ebenso lassen sich Plasmavorbe-handlungen vorteilhaft mit allen arten der lackiertechnik kombinieren. aus diesem Grund ist es sehr zu begrüßen, dass wichtige institutionelle Vertreter der Plasmatechnik, wie etwa die dgo, inplas und EFdS gemeinsam mit der dfo dieses thema aufgreifen und einen Ge-meinschaftsausschuss gebildet haben, der den dialog zwischen den verschie-denen oberflächenbehandlungstech-niken fördert und damit neue Kombi-nationen machbar werden lässt und innovative Produkte ermöglicht.

in diesem Sinne wird auch in der ViP zunehmend von Verfahrenskombinati-onen zu Erzeugung neuer oberflächen und dünner Schichten zu berichten sein. ich wünsche ihnen mit dem vorlie-genden Heft ein spannendes lesever-gnügen!

Plasmatechnologie – voll im Trend