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Wien Klin Wochenschr (2006) 118/3–4: 82–89 DOI 10.1007/s00508-006-0532-2 Originalarbeit Eingegangen am 11. Mai 2005, angenommen nach Revision am 22. September 2005 © Springer-Verlag 2006 WIENER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT The Middle European Journal of Medicine Printed in Austria Prevalence of self – reported musculoskeletal pain in the Austrian population Summary. Introduction: The objective of this study was to document the prevalence of musculoskeletal pain in the Austrian population, to analyze the specific pain of affected individuals and to compare the characteristics of the group of persons with pain to those without pain. Methodology: Representative samples of the Austri- an general population were selected by the “quota proce- dure”. 500 persons, aged 15 years and older were ques- tioned in face-to-face interviews. Results: 36.4% of all questioned individuals had ex- perienced pain in the musculoskeletal system within the last three weeks, primarily in the region of the spine. Most of the very severe pain was located in the neck area (22%). The groups of persons with and without pain differed significantly in age, occupation, occupational group, region of residence within Austria, and family sta- tus. In a regressive analysis higher age remained the only significant variable. In seeking treatment, of significant importance were higher pain intensity and higher educa- tion level, and longer time since pain onset. Conclusion: The high prevalence of musculoskeletal pain in the Austrian population, particularly in the ad- vanced age group not only requires targeted and high quality treatment of the affected persons, but also atten- tion to appropriate preventive measures. Key words: Epidemiology, prevalence, muscu- losceletal pain. Zusammenfassung. Einführung: Querschnittstudie bezüglich Schmerzen des Bewegungs- und Stützsystems der österreichischen Bevölkerung. Ziel der Studie war die Prävalenz von muskuloskelettalen Schmerzen der öster- reichischen Bevölkerung zu erfassen, sowie die Schmer- zen der Betroffenen näher zu analysieren und Daten der Personengruppe mit und ohne Schmerzen gegenüberzu- stellen. Methodik: Die Teilnehmer wurden mittels des Quota- verfahrens ausgewählt. 500 für die österreichische Bevöl- kerung repräsentative Personen ab einem Alter von 15 Jahren wurden in persönlichen Interviews befragt. Ergebnisse: Es verspürten 36,4% aller Befragten in- nerhalb der letzten drei Wochen Schmerzen im Bereich des Bewegungssystems. Dabei dominierten allen voran die Wirbelsäulenregionen. Die häufigsten sehr starken Schmerzen wurden in der Nackenregion beklagt (22%). Die Gruppe der Personen mit und ohne Schmerzen un- terschieden sich signifikant bezüglich des Lebensalters, der Berufstätigkeit, der Berufsgruppe, der Wohnregion innerhalb Österreichs und des Familienstands. In der Regressionsanalyse blieb das Alter diesbezüglich die ein- zige signifikante Variable. Hinsichtlich der Inanspruch- nahme einer Schmerzbehandlung sind höhere Schmerz- intensität, Ausbildung und längere Zeit seit dem erstmali- gen Auftreten von Schmerzen signifikant relevant. Zusammenfassung: Es zeigt sich eine hohe Präva- lenz von muskuloskelettalen Schmerzen in der öster- reichischen Bevölkerung, wobei besonders die Wirbel- säulenregionen betroffen sind und zwar mit beträchtlicher Schmerzintensität und einem Vorkommen vor allem in höheren Altersgruppen. Dies erfordert künftig nicht nur weiter zunehmende Bemühungen um gezielte hochwer- tige Betreuung der bereits von Schmerzen Betroffenen, sondern auch vermehrte Anstrengungen zur Durchfüh- rung von Präventionsmaßnahmen. Schlüsselwörter: Epidemiologie, muskuloskelettale Schmerzen, Prävalenz. Einleitung In den letzten Jahrzehnten wurden große Fortschritte im Verständnis der Schmerzmechanismen und in der Behand- lung von Schmerzen gemacht. Der Schmerz bleibt dennoch ein subjektives Phänomen und nach der Definition der WHO „eine unangenehme sensorische und emotionale Empfindung in Verbindung mit einer aktuellen oder poten- ziellen Gewebsläsion oder beschrieben im Zusammenhang mit einer solchen Läsion“ [1]. Daraus ergibt sich die große Bedeutung der subjektiven Angaben der betroffenen Einzel- personen bezüglich ihrer Schmerzen. Epidemiologische Da- Prävalenz von auf eigenen Angaben basierenden muskuloskelettalen Schmerzen der österreichischen Bevölkerung Martin Friedrich, Thomas Rustler und Julia Hahne Center of Excellence for Orthopaedic Pain Management Speising, CEOPS, Wien, Österreich

Prävalenz von auf eigenen Angaben basierenden muskuloskelettalen Schmerzen der österreichischen Bevölkerung

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Page 1: Prävalenz von auf eigenen Angaben basierenden muskuloskelettalen Schmerzen der österreichischen Bevölkerung

82 Friedrich et al., Prävalenz von auf eigenen Angaben basierenden muskuloskelettalen Schmerzen

Wien Klin Wochenschr (2006) 118/3–4: 82–89DOI 10.1007/s00508-006-0532-2

Originalarbeit

Eingegangen am 11. Mai 2005, angenommen nach Revision am 22. September 2005© Springer-Verlag 2006

WIENER KLINISCHEWOCHENSCHRIFTThe Middle European Journalof Medicine

Printed in Austria

Prevalence of self – reported musculoskeletal painin the Austrian population

Summary. Introduction: The objective of this studywas to document the prevalence of musculoskeletal painin the Austrian population, to analyze the specific pain ofaffected individuals and to compare the characteristics ofthe group of persons with pain to those without pain.

Methodology: Representative samples of the Austri-an general population were selected by the “quota proce-dure”. 500 persons, aged 15 years and older were ques-tioned in face-to-face interviews.

Results: 36.4% of all questioned individuals had ex-perienced pain in the musculoskeletal system within thelast three weeks, primarily in the region of the spine. Mostof the very severe pain was located in the neck area(22%). The groups of persons with and without paindiffered significantly in age, occupation, occupationalgroup, region of residence within Austria, and family sta-tus. In a regressive analysis higher age remained the onlysignificant variable. In seeking treatment, of significantimportance were higher pain intensity and higher educa-tion level, and longer time since pain onset.

Conclusion: The high prevalence of musculoskeletalpain in the Austrian population, particularly in the ad-vanced age group not only requires targeted and highquality treatment of the affected persons, but also atten-tion to appropriate preventive measures.

Key words: Epidemiology, prevalence, muscu-losceletal pain.

Zusammenfassung. Einführung: Querschnittstudiebezüglich Schmerzen des Bewegungs- und Stützsystemsder österreichischen Bevölkerung. Ziel der Studie war diePrävalenz von muskuloskelettalen Schmerzen der öster-reichischen Bevölkerung zu erfassen, sowie die Schmer-zen der Betroffenen näher zu analysieren und Daten derPersonengruppe mit und ohne Schmerzen gegenüberzu-stellen.

Methodik: Die Teilnehmer wurden mittels des Quota-verfahrens ausgewählt. 500 für die österreichische Bevöl-

kerung repräsentative Personen ab einem Alter von 15Jahren wurden in persönlichen Interviews befragt.

Ergebnisse: Es verspürten 36,4% aller Befragten in-nerhalb der letzten drei Wochen Schmerzen im Bereichdes Bewegungssystems. Dabei dominierten allen vorandie Wirbelsäulenregionen. Die häufigsten sehr starkenSchmerzen wurden in der Nackenregion beklagt (22%).Die Gruppe der Personen mit und ohne Schmerzen un-terschieden sich signifikant bezüglich des Lebensalters,der Berufstätigkeit, der Berufsgruppe, der Wohnregioninnerhalb Österreichs und des Familienstands. In derRegressionsanalyse blieb das Alter diesbezüglich die ein-zige signifikante Variable. Hinsichtlich der Inanspruch-nahme einer Schmerzbehandlung sind höhere Schmerz-intensität, Ausbildung und längere Zeit seit dem erstmali-gen Auftreten von Schmerzen signifikant relevant.

Zusammenfassung: Es zeigt sich eine hohe Präva-lenz von muskuloskelettalen Schmerzen in der öster-reichischen Bevölkerung, wobei besonders die Wirbel-säulenregionen betroffen sind und zwar mit beträchtlicherSchmerzintensität und einem Vorkommen vor allem inhöheren Altersgruppen. Dies erfordert künftig nicht nurweiter zunehmende Bemühungen um gezielte hochwer-tige Betreuung der bereits von Schmerzen Betroffenen,sondern auch vermehrte Anstrengungen zur Durchfüh-rung von Präventionsmaßnahmen.

Schlüsselwörter: Epidemiologie, muskuloskelettaleSchmerzen, Prävalenz.

Einleitung

In den letzten Jahrzehnten wurden große Fortschritte imVerständnis der Schmerzmechanismen und in der Behand-lung von Schmerzen gemacht. Der Schmerz bleibt dennochein subjektives Phänomen und nach der Definition derWHO „eine unangenehme sensorische und emotionaleEmpfindung in Verbindung mit einer aktuellen oder poten-ziellen Gewebsläsion oder beschrieben im Zusammenhangmit einer solchen Läsion“ [1]. Daraus ergibt sich die großeBedeutung der subjektiven Angaben der betroffenen Einzel-personen bezüglich ihrer Schmerzen. Epidemiologische Da-

Prävalenz von auf eigenen Angaben basierenden muskuloskelettalenSchmerzen der österreichischen Bevölkerung

Martin Friedrich, Thomas Rustler und Julia Hahne

Center of Excellence for Orthopaedic Pain Management Speising, CEOPS, Wien, Österreich

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ten vermitteln Informationen über Bedarf und Ausmaß me-dizinischer und sozialer Ressourcen. Somit stellenSchmerzangaben einer für eine gesamte Bevölkerung reprä-sentativen Personengruppe eine wesentliche Grundlage fürgesundheitsökonomische und gesundheitspolitische Ent-scheidungen dar. Als ein Beispiel sei nur die Bedeutungepidemiologischer Daten einer mit Schmerzen einher ge-henden Systemerkrankung des Skelettssystems, der Osteo-porose, angeführt. Die Folgen der Osteoporose sind für dasGesundheitssystem mit sehr hohen Kosten verbunden [2–4].

Schmerzen von Seiten des Bewegungssystems kön-nen zu mehr oder weniger Immobilität bis zur Bettlägrig-keit führen. Damit sind weitreichende Konsequenzen aufandere Organsysteme wie Stoffwechsel und Herzkreislaufverbunden, für welche gerade die Bewegung von präven-tiver und therapeutischer Bedeutung ist [5].

Die jährliche Veröffentlichung des Hauptverbands derSozialversicherungsträger fasst die zahlreichen Erkran-kungen des Skeletts, der Muskeln und des Bindegewebesals eine Krankheitsgruppe zusammen. Auch im letztenveröffentlichten Bericht 2004 nehmen diese Erkrankun-gen innerhalb der Krankheitsgruppen den ersten Ranghinsichtlich Krankenstandstagen, Spitalsfällen, Spitals-tagen und Pensionen wegen Erwerbsunfähigkeit ein, wo-durch ihre Bedeutung dokumentiert wird [6].

Obwohl diese Krankheitsgruppe auch die weitausgrößte Gruppe von Schmerzstörungen darstellt, bestehennur wenige detaillierte epidemiologische Daten von inÖsterreich lebenden Personen mit Schmerzen aufgrundvon Störungen des Bewegungs- und Stützsystems. DieMikrozensusuntersuchungen des Statistischen Zentral-amts [7], eine weitere Quelle von Daten über Störungendes Bewegungssystems, werden nur alle 10 Jahre durch-geführt, zuletzt geschah dies 1999. Dabei wurden auseiner Liste mit 25 Merkmalen nur einige Beschwerdenerhoben, die für das Bewegungssystem relevante sind.

Ein 2003 veröffentlichter Bericht über „Pain in Euro-pe“ [8] enthielt auch Daten über Schmerzen verschiedens-ter Ursache in Österreich. Es wurden dabei ausschließlichchronische Schmerzen erfasst. Diese Darstellung führte zuSchlagzeilen wie „Schmerznation Österreich“, wobeiÖsterreich mit 21% knapp über dem Durchschnitt (19%)des Vorkommens chronischer Schmerzen an 5. Stelle der16 untersuchten Staaten lag.

Ziele dieser Untersuchung sind

– als Hauptergebnisvariable die Prävalenz von Schmer-zen innerhalb der letzten drei Wochen im Bereich desBewegungssystems zu ermitteln, welche von in Öster-reich lebenden Personen angegeben wurden,

– diese Personen näher hinsichtlich demografischerDaten zu charakterisieren,

– die Daten der ÖsterreicherInnen mit und ohneSchmerzen zu vergleichen,

– die Regionen im Bereich des Bewegungssystems zuidentifizieren, in welchen die Befragten angaben, ihreSchmerzen zu empfinden, weiters

– ihre Schmerzen näher zu quantifizieren hinsichtlichSchmerzintensität und Schmerzdauer, sowie ob siesich einer Schmerzbehandlung unterzogen haben,

– die Daten der österreichischen Bevölkerung mitSchmerzen mit entsprechenden Daten anderer Staatenin Beziehung zu setzen und

– Einflussfaktoren, etwa sozioökonomischer Natur, aufdas Schmerzerleben herauszufinden.

MethodikIm Sommer 2004 (8. Juli bis 2. August) wurden 500 für die

österreichische Bevölkerung ab 15 Jahren repräsentative Perso-nen nach deren Zustimmung, in face-to-face Interviews befragt.Die Interviews wurden von 182 Interviewern jeweils bei denBefragten zu Hause durchgeführt. Die Interviewer wurden vomMarket-Institut, einem etablierten Meinungsforschungsinstitut,in der Interviewtechnik geschult und kontrolliert. Die Personenwurden mittels des Quotaverfahrens ausgewählt. Als Quota-merkmale waren Alter, Geschlecht, Berufstätigkeit, Berufs-stand und Wohngebiet vorgegeben. Als limitierender Faktorbeim Quotaverfahren ist anzusehen, dass der Interviewer vonsich aus die zu interviewenden Personen auswählt. Dadurchkönnen die Ergebnisse indirekt beeinflusst werden.

Bei 500 Befragten ergibt sich eine maximale statistischeSchwankungsbreite von ± 4,48%.

Die demografischen Daten der befragten Personen sindaus Tabelle 1 und Abb. 1 (Altersgruppen) ersichtlich.

Der Fragebogen wurde in Anlehnung an den standardisier-ten Fragebogen von Kuorinka et al. gestaltet [9].

Schmerzanamnese

Die Hauptergebnisvariable war der muskuloskelettaleSchmerz innerhalb der letzten drei Wochen. Die genaue Formu-lierung der Frage war: „Verspürten Sie innerhalb der letztendrei Wochen Schmerzen im Bewegungsapparat oder nicht?“Die Periode von drei Wochen wurde als Kompromiss gewählt.Es sollte mit der Fragestellung eine längere Periode erfasstwerden, aber zugleich kein zu langer Zeitraum mit zunehmen-der Gefahr des Erinnerungsbias.

Schmerzlokalisation

Hinsichtlich der Schmerzlokalisation wurde den Personeneine Schmerzfigur (Schmerzmännchen – modifiziert nach Kuo-rinka [9]) vorgelegt, in welcher sie neun verschiedene Schmerz-regionen bezeichnen konnten, wo sie innerhalb der letzten dreiWochen Schmerzen empfanden. Wenn die Befragten an mehre-ren Stellen Schmerzen verspürten, wurde sie ersucht, dieSchmerzregionen nach Intensität zu reihen, also jene Stellen wosie die stärksten Schmerzen verspürten, die zweitstärksten usw.Die Schmerzen, von denen die Befragten angaben, sie amstärksten zu verspüren, wurden in der weiteren Untersuchungals Hauptschmerzen bezeichnet. Wenn jemand an einer StelleSchmerzen verspürte, welche an der Schmerzfigur nicht bezei-chenbar war, konnte er neben den neun Schmerzregionen aucheine „andere“ Stelle angeben.

Schmerzintensität/Behandlung

Als Schmerzintensität wurden „sehr stark, stark, mäßig,leicht und sehr leicht“ unterschieden. Die Frage, ob wegen desHauptschmerzes eine Behandlung durchgeführt wurde, konntebejaht oder verneint werden.

Schmerzdauer/Schmerzbeginn

Die Personen wurden befragt, wie lange sie ihren Haupt-schmerz anhaltend, also ohne Unterbrechung, hatten. Weiterswurde die Frage gestellt, wann der Hauptschmerz in etwa daserste Mal aufgetreten sei. Beide Fragen konnten als Tage, Wo-che, Monate oder auch Jahre beantwortet werden.

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84 Friedrich et al., Prävalenz von auf eigenen Angaben basierenden muskuloskelettalen Schmerzen

Die Daten der Personen mit und ohne Schmerzen wurdengegenübergestellt. Die Personen mit Schmerzen in den ver-schiedensten Lokalisationen wurden hinsichtlich mehrerer de-mografischer und Schmerzparameter näher charakterisiert.

Die Resultate der Umfrage wurden mit den Ergebnissenähnlicher Befragungen im In- und Ausland verglichen.

Statistik

Geeignete deskriptive Statistik wurde verwendet umdie Studienteilnehmer zu charakterisieren. Zum Vergleichder Gruppen mit und ohne Schmerzen wurden Chi2-Testsund U-Tests nach Mann-Withney berechnet. Als Grenzeder Signifikanz wurde ein Wahrscheinlichkeitswert von

gleich oder kleiner .05 angenommen. Um den Einfluss derGesamtheit der soziodemographischen Variablen auf dieGruppenzugehörigkeit bezüglich der Schmerzen abzu-schätzen, wurden diese in eine logistische Regression auf-genommen. Die Gültigkeit des Modells wurde mittels desHosmer & Lemeshow Test verifiziert, der Einfluss dereinzelnen Variablen wurde durch odds ratios dargestellt.Der Zusammenhang zwischen der Schmerzstärke und derAnzahl der Schmerzorte wurde mittels Rangkorrelationnach Spearman berechnet. Alle Berechnungen wurden mitSTATISTICA 7 (Statsoft, Tulsa, USA) und GB-STAT 10(Dynamic Microsystems, Silver Spring, USA) durchge-führt.

Tabelle 1. Demografische Daten der befragten Gesamtpopulation (n = 500) in absoluten Zahlen, sowie Verteilung gemäß der Frageinnerhalb der letzten drei Wochen Schmerzen im Bereich des Bewegungssystems verspürt oder nicht verspürt zu haben (in Prozent)

Gesamtpopulation Ja (%) Nein (%) Weiß nicht (%) p

Österreichische Bevölkerung ab 15 J 500 36,4 60,2 3,4

GeschlechtMänner 210 (42%) 37,1 59,0 3,8 p = .855Frauen 290 (58%) 35,9 61,0 3,1

Alter (siehe Abb. 1) p < .000Ausbildung

Volks-, Hauptschule 262 33,6 62,6 3,8 p = .555weiterf. Schulen ohne Matura 127 40,9 54,3 4,7Matura 76 35,5 63,2 1,3Universität, Hochschule 29 38,5 61,5 0,0

Berufstätigkeitberufstätig 332 30,4 66,9 2,7 p < .000in Ausbildung 29 34,5 62,1 3,4Rentner, Pensionist 94 60,6 34,0 5,3Hausfrau 22 18,2 72,7 9,1ohne Arbeit 17 41,2 58,8 0,0

BerufsgruppeArbeiter 188 33,5 62,2 4,3 p < .000leitende Angestellte/Beamte, Selbstständige 85 52,9 44,7 2,4einfache Angestellte/Beamte 147 27,2 71,4 1,4Selbständige, Freie Berufe 30 36,7 63,3 0,0Sonstige (z.B. Landwirte) 33 48,5 39,4 12,1

Wohnort hinsichtlich BevölkerungsdichteLand 224 33,5 62,5 4,0 p = .368Klein-, Mittelstadt 166 34,3 62,0 3,6Großstadt 99 44,4 53,5 2,0

Wohnregion innerhalb ÖsterreichsOstösterreich 162 44,4 51,9 3,7 p = .032Südösterreich 68 38,2 55,9 5,9Westösterreich 270 31,1 66,3 2,6

Familienstandledig 161 27,3 70,8 1,9 p = .002verheiratet 203 39,4 55,7 4,9in Lebensgemeinschaft 44 38,6 56,8 4,5verwitwet 36 61,1 33,3 5,6geschieden 53 32,2 67,9 0,0

Kinder im Haushalt: ja 170 32,4 64,7 2,9 p = .468Kinder im Haushalt: nein 308 37,0 59,1 3,9

Haushaltsgröße (Anz. d. Pers.) MW = 2,59 2,52 2,62 p = .240(SD = 1,297) (1,307) (1,291)

Personen mit Einkommen im HH MW = 1,93 1,94 1,92 p = .808(SD = 0,966) (0,987) (0,956)

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85Friedrich et al., Prävalenz von auf eigenen Angaben basierenden muskuloskelettalen Schmerzen

Ergebnisse

Die demografischen Daten aller 500 Befragten sind inTabelle 1 angeführt. Es verspürten 36,4% aller Befragten(182 von 500) innerhalb der letzten drei Wochen Schmer-zen im Bereich des Bewegungssystems. Die Tabelle 1zeigt auch die Daten, sowohl der Gruppe von Personenmit Schmerzen innerhalb der letzten drei Wochen als auchdie Daten jener, welcher für diesen Zeitraum keineSchmerzen angaben.

Aus Abb. 1 ist die Verteilung der Personen mit undohne Schmerzen in den einzelnen Altersgruppen ersicht-lich. Die Gruppen unterscheiden sich hinsichtlich des Al-

ters signifikant (p <.000). Wie aus der Abbildung ersicht-lich ergibt sich der signifikante Unterschied besondersdaraus, dass die jüngeren Altersgruppen vermehrt Perso-nen ohne Schmerzangabe enthalten.

Schmerzlokalisation und Schmerzintensität in denSchmerzregionen

Die Lokalisation der Schmerzregionen zeigt dieAbb. 2. Es konnten 178 Personen ihren Hauptschmerzlokalisieren. Wie häufig in den einzelnen RegionenSchmerzen als Hauptschmerz und insgesamt (Haupt-schmerzen und zweit-, drittstärkste etc.) Schmerzen ange-geben wurden, ist aus Abb. 2 ersichtlich. Die drei Wirbel-säulenregionen zusammen bilden mit 55,8% über dieHälfte aller Schmerzregionen. Wenn man nicht nur dieHauptschmerzen in Betracht zieht, gaben 3/4 der Personen,die Schmerzen innerhalb der letzten drei Wochen hatten,mindestens einen Teil der Wirbelsäule als schmerzhaftbetroffen an. Im Durchschnitt wurden 2,4 (SD = 1.69)Regionen als schmerzhaft angegeben.

Es konnten keine signifikant gehäuften Kombinatio-nen von Schmerzregionen errechnet werden. Von denzahlreichen Kombinationsmöglichkeiten der neunSchmerzregionen, sind die Kombinationen der Wirbelsäu-lenregionen führend, nämlich mit 11,3% die KombinationNacken – Lumbalregion, 11% Nacken – Thorakalregionund 9,6% Thorakal- und Lumbalregion. Am nächst häu-figsten erst mit 6,6% die Kombination Lumbalregion mitHüft- und Oberschenkelregion. Es wurde in keiner „ande-ren“ Region außer den neun Regionen ein Hauptschmerzangegeben, jedoch von je einer Person ein dritt- und viert-stärkster und von zwei Personen ein fünftstärksterSchmerz.

Die Intensität ihres Hauptschmerzes in den vergange-nen drei Wochen unabhängig vom Schmerzort bezeichne-ten die meisten Personen als „mäßig“ und gut ein Drittelals „stark“. Über die Hälfte der Befragten beklagten starkebzw. sehr starke Schmerzen (siehe Tabelle 2). Die mittlereSchmerzstärke liegt zwischen stark und mäßig.

Abb. 1. Verteilung der Personen mit und ohne Schmerzen inden letzten drei Wochen nach Altersgruppen

Abb. 2. Die neun Schmerzregionen der Schmerzfigur modifiziert nach Kuorinka et al. [5] mit Angabe der Hauptschmerzen undder Schmerzen in den einzelnen Körperregionen insgesamt (in Prozent)

Regionen Hauptschmerz in % ∑ der Schmerzen in %

1 Nacken 14,0 42,9

2 Schulter 8,7 28,6

3 Rücken (thorakal) 17,4 39,6

4 Ellenbogen 0,6 12,1

5 Kreuz (lumbosacralgluteal) 24,4 43,4

6 Handgelenke, Hände 4,1 20,3

7 Hüften, Oberschenkel 5,8 19,8

8 Knie 17,4 41,2

9 Sprunggelenke, Füße 6,4 28,0

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Wenn man die Intensität des Hauptschmerzes in deneinzelnen Regionen betrachtet, so zeigt sich, dass amhäufigsten Schmerzen in der Nackenregion (22%) als sehrstark schmerzhaft beurteilt wurde. Zwanzig Prozent be-klagten im Bereich der Oberschenkel sehr starke Schmer-zen, je 19% in der Schulter- und Knieregion und 18% inder Lumboglutealregion. Schmerzen der Ellbogenregionwurden von keiner Person als sehr stark empfunden, dage-gen von 57% und damit am häufigsten als stark. Als starkschmerzhaft bezeichneten 47% die Nackenregion, je 46%empfanden die Thorakal-, die Hand- und Knieregionen alsstark schmerzhaft.

Die einzelnen Schmerzlokalisationen unterscheidensich jedoch hinsichtlich der Schmerzstärken nicht signifi-kant voneinander (ξ2 = 39.812; p = 0.304). Betrachtet manallerdings diejenigen Personen, die Schmerzen in einerder Wirbelsäulenregionen haben, und zwar unabhängigdavon, ob es sich um Haupt- oder Nebenschmerzen han-delt, und stellt sie denjenigen Personen gegenüber, die inanderen Regionen Schmerzen haben, so ist die Schmerz-stärke in der Wirbelsäulengruppe signifikant höher(Z = –2.677; p = .007).

Auch als zweitstärkste Schmerzen wurden vorrangigdie drei Wirbelsäulenregionen genannt, nur mit 15% dies-mal die Thorakalregion führend vor der Nackenregion mit13% und der Lumboglutealregion mit 11%. Bei den dritt-stärksten Schmerzen führte die Knieregion mit 13%.

Die Anzahl der Schmerzorte korreliert signifikant mitder Schmerzstärke (r = .229, p = .002)

Schmerzdauer

Die Frage, wie lange der Hauptschmerz anhaltendbesteht, konnte von über der Hälfte der Schmerzproban-den (58.2%) nicht angegeben werden (Tabelle 2). DieAngaben hinsichtlich Schmerzdauer der übrigen Personensind in Tabelle 2 dargestellt.

Nicht so sicher abschätzen konnten die Personenauch, wann ihr Hauptschmerz das erste Mal aufgetreten

sei. 41,8% konnten darüber keine Auskunft geben. DieAngaben der verbleibenden 58,2% sind in Tabelle 2 er-sichtlich.

Es gibt keine statistisch signifikante Beziehung zwi-schen der Dauer und der Intensität des Hauptschmerzes.Am öftesten (28,7%) wurden drei Regionen als zugleichschmerzhaft bezeichnet, gefolgt von einer einzigenSchmerzregion (25,4%) und zwei Schmerzorten (22,5%).

In eine Regressionsanalyse der Schmerzgruppe wur-den folgende Variablen aufgenommen: Wohngebiet,Wohnortgröße, Geschlecht, Alter, Familienstand, Schul-abschluss, Berufstätigkeit, Haushaltsgröße, Anzahl derPersonen mit eigenem Einkommen im Haushalt und An-zahl der Kinder im Haushalt. Der Hosmer und LemeshowTest bestätigte die Gültigkeit des Modells (ξ2 = 21.154, df= 8, p = .007). 71,9% der Fälle können durch das Modellkorrekt vorhergesagt werden, also den Gruppen (Schmer-zen ja/nein) zugeordnet werden. Das Alter stellte sich alseinzige der beteiligten Variablen als signifikant heraus(p<.000; Odd ratio (CI) 1.242 (1.27–1.369).

Geschlechtsunterschiede und Inanspruchnahmevon Behandlungen

Wie aus Tabelle 1 ersichtlich bestehen keine signi-fikanten Geschlechtsunterschiede hinsichtlich der Prä-valenz von Schmerzen im Bewegungssystem (Männerversus Frauen wie 37,1:35,9%). Auch hinsichtlich desHauptschmerzes in verschiedenen Regionen ergeben sichkeine signifikanten Unterschiede zwischen Männern undFrauen. Lediglich leichte Unterschiede bestehen für Rü-ckenschmerzen (20,27% bei Männern und 15,31% beiFrauen) und bei Knieschmerzen (13,51% bei Männerngegenüber 20,41% bei Frauen; p = .389). Die Intensitätdes Hauptschmerzes liegt bei beiden Geschlechtsgruppenim Median bei der Kategorie „stark“ (p = .609). Hinsicht-lich der Dauer des Hauptschmerzes geben Frauen tenden-ziell länger andauernde Schmerzen an (p = .381). DerMedian liegt bei Frauen in der Kategorie über 21 Wochenund bei Männern in der Kategorie 4 bis 20 Wochen. KeineGeschlechtsunterschiede fanden sich auch bezüglich deserstmaligen Auftretens des Hauptschmerzes (p = .806).Dagegen besteht ein Zusammenhang zwischen dem Ge-schlecht und dem Aufsuchen von Behandlungen dahin-gehend, dass Frauen signifikant häufiger wegen ihrerSchmerzen in Behandlung standen (p = .043). Dieser Un-terschied hält allerdings der α-Adjustierung nicht stand,denn der modifizierte α-Wert liegt bei .0083. Auch in derdiesbezüglichen Regressionsanalyse hat sich das Ge-schlecht nicht als signifikante Variable herausgestellt.

Knapp die Hälfte (46,2%) der Schmerzpatienten ha-ben sich in den letzten drei Wochen wegen ihrer Haupt-schmerzen einer Behandlung unterzogen (Arztbesuch,Massage, Medikamente etc.), wobei es keine signifikantenUnterschiede bezüglich der Schmerzlokalitäten gibt.

Die logistische Regressionsanalyse hinsichtlich derInanspruchnahme einer Behandlung wurde unter Ein-schluss folgender Variablen berechnet: Wohngebiet,Wohnortgröße, Geschlecht, Alter, Familienstand, Schul-abschluss, Berufstätigkeit, Haushaltsgröße, Personen miteigenem Einkommen im Haushalt, Kinder im Haushalt,Schmerzstärke, Schmerzdauer und Schmerzbeginn. Mit

Tabelle 2. Schmerzintensität, -dauer und Zeit seit erstmaligemAuftreten der Schmerzen (n = 182)

N (%)

Intensität: sehr stark 31 (17,0)stark 66 (36,3)mäßig 71 (39,0)leicht 11 (6,0)sehr leicht 3 (1,6)

Schmerzdauer (anhaltend)< 3 Wochen 19 (10,4)4 bis 20 Wochen 20 (11,0)21 Wochen bis 208 Wochen 23 (12,6)> 209 Wochen 14 (7,7)weiß nicht 106 (58,2)

Zeit seit erstmaligem Auftreten< 3 Jahre 31 (17,0)4 bis 6 Jahre 33 (18,1)7 Jahre 10 Jahre 23 (12,6)> 10 Jahre 19 (10,4)weiß nicht 76 (41,8)

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dem Modell kann man 72,6% der Fälle korrekt den Grup-pen zuordnen. Es wurden drei Variablen mit signifikantemEinfluss errechnet (siehe Tabelle 3). Eine Behandlungwurde demnach beansprucht, je höher die Schmerzintensi-tät sowie Schulbildung und je früher die Schmerzen erst-mals aufgetreten waren.

Diskussion

Mit der vorliegenden Studie ist ein aktuelles detaillier-tes Bild der österreichischen Bevölkerung hinsichtlich ihrerAngaben über Schmerzen im Bereich des gesamten Bewe-gungssystems gegeben. Es zeigt sich, dass mehr als jederDritte Schmerzen innerhalb der letzten drei Wochen indiesem Bereich angab. Es bestätigen sich, wie in anderenIndustriestaaten, auch für die österreichische Bevölkerung,hohe Prävalenzzahlen von muskuloskelettalen Schmerzen,vor allem von Schmerzen im Bereich der Wirbelsäulen-regionen [10]. Außerdem zeigt sich, dass Schmerzen zu-gleich in mehreren Wirbelsäulenregionen und auch beson-ders intensiv und lange andauernd bestehen.

Zu ähnlichen Ergebnissen hinsichtlich Rückenkreuz-schmerzprävalenz kam auch die Mikrozensusgesundheits-berichterstattung 1999 der Stadt Wien mit einer Jahres-prävalenz von 35,6% [11].

Unklarheiten bezüglich der Bezeichnung der Regio-nen des Körpers sind bekannt. Besonders gilt dies für dieunterschiedliche Interpretation von Rücken- und Kreuz-schmerz. Durch die Vorlage einer Schmerzfigur, auf wel-cher die Befragten ihre Schmerzen bezeichnen konnten,wurden sprachliche Missverständnisse hinsichtlich derSchmerzlokalisation weitgehend ausgeschlossen.

Eine elektronische Literaturrecherche in medizini-schen Datenbanken unter den Suchbegriffen „prevalence,epidemiology und musculosceletal pain“ führte zu sehrwenigen auf eine gesamte Bevölkerung basierenden Ver-gleichsdaten. Von den gewonnen Studien beziehen sichnur wenige auf Schmerzregionen. Exakte Vergleiche sindzusätzlich wegen unterschiedlicher Fragestellungen,Prävalenzzeiträumen und Altersgruppen nicht zulässig. InHinblick auf diese Unterschiede in der Methodik der Stu-dien sind auch die beträchtlich unterschiedlichen Präva-lenzzahlen der Schmerzen in Österreich und in anderenLändern (Tabelle 4) nur bedingt interpretierbar [12–15].

Ähnlich sind die Angaben der Prävalenz schwergradi-ger muskuloskelettaler Schmerzen in der erwachsenenBevölkerung Deutschlands von Kohlmann [15]. Er fandeine Siebentagesprävalenz schwergradiger Schmerzen von16%, während in unserer Studie für sehr starke Schmerzeneine Prävalenz von 17% errechnet wurde.

Die hohe Prävalenz von starken Schmerzen besondersin den Wirbelsäulenregionen, von welchen etwa jederFünfte betroffen ist, lässt eine Verminderung oder einenVerlust der Arbeitsfähigkeit dieser Personen befürchten.Somit kommt es zu den bedeutenden sozioökonomischenKonsequenzen dieser Beschwerden, welche besonders fürdie enormen indirekten Kosten errechnet wurden [16].

Die Bedeutung der subjektiven Schmerzwahrneh-mung wird mit der Feststellung offenkundig, dass sie inWechselbeziehung zur Schmerzbewältigung und zum all-gemeinen Wohlbefinden steht [17].

Wenngleich die individuelle Angabe der Lokalisationdes Schmerzes einen sehr wertvollen Teil der Schmerzdia-gnostik darstellt, kann daraus nicht hinreichend genau auf

Tabelle 4. Bevölkerungsbezogene Studien mit Schmerzangaben in den Regionen des Bewegungssystems aus anderen Ländern

Catala et al. [12] Brattberg et al. [13] Guo et al. [14] Kohlmann [15] Friedrich et al.Spanien Schweden Taiwan Deutschland Österreich

Personenanzahl 5.000 1.009 22.475 7.200 500Altersgruppe > 18 Jahre 18–84 Jahren 18–64 Jahren 18–79 Jahren > 15 JahrenPrävalenzzeitraum 1 Woche < 1 Monat 1 Jahr 1 Woche 3 Wochen

Regionen c d

Nacken 4,5 4,6 13,3 25,0 14,0 42,9Schulter 1,6 4,7a 15,9 24,0 8,7 28,6Rücken (thorakal) 9,7 1,9 4,9 36,0b 17,4 39,6Ellenbogen a 5,3 – 0,6 12,1Kreuz (lumbosacralgluteal) 11,9 8,0 19,0 b 24,4 43,4Handgelenke, Hände 5,6 10,5 11,0 4,1 20,3Hüften Oberschenkel 2,0 2,4 4,1 11,5 5,8 19,8Knie 3,7 – 17,4 41,2Sprunggelenke, Füße 22,7 3,4 22,5 6,4 28,0

a Schulter und Ellbogenregion zugleich; b nur als „Rückenschmerz“ erfragt; c Hauptschmerzen; d Schmerzen insgesamt.

Tabelle 3. Ergebnisse der Regressionsanalyse hinsichtlich der Inanspruchnahme einer Behandlung von muskuloskelettalen Schmerzen

Variable Wald-Statistik p Odd ratio (CI)

Schmerzstärke 15.194 <.000 2.918 (1.703–4.999)Ausbildung 5.590 .018 1.884 (1.114–3.186)Erstes Auftreten d. Schmerzes 3.918 .048 0.762 (.582–.997)

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die den Schmerzen zugrunde liegende gestörte Strukturgeschlossen werden. Das Phänomen des Ausstrahlungs-schmerzes innerhalb des Bewegungssystems ist bekannt[18], weiters auch, dass erkrankte innere Organe, wenn-gleich seltener, als Schmerzen im Bereich des Bewe-gungssystems empfunden werden können (viszero somati-sche Schmerzen) [19]. Diese Unschärfe ist aber in Kauf zunehmen, weil sie in keinem Verhältnis zur großen sozial-medizinischen und sozioökonomischen Bedeutung dervom Bewegungssystem ausgehenden Schmerzen steht[20]. Die ausführlichste Literatur über Kostenanalysenexistiert für den Kreuzschmerz. Demnach sollen die Ge-samtkosten für den Kreuzschmerz je nach Land und Be-rechnung zwischen 0,8 und 2,1% des Bruttoinlandspro-dukts ausmachen [21]. Eine Besonderheit der Selbstanga-be von Beschwerden, also auch von muskuloskelettalenSchmerzen, ist, dass auch jene wiedergegeben werden, diein der medizinischen Dokumentation sonst üblicherweisenicht erfasst werden. Die Daten geben auch die Hinter-grundmorbidität wieder, also Schmerzen, die in den So-zialstatistiken nicht aufscheinen. Unter der Annahme, dassdiese Beschwerden rezidivieren und auch an Intensitäthäufig zunehmen, sodass sie dann später einer medizini-schen Betreuung bedürfen, sind diese Daten für die Beur-teilung des Bedarfs an Präventionmaßnahmen bedeutend.

Die Ergebnisse der Untersuchung basieren auf eige-nen Angaben der Befragten, wobei keine Altersbeschrän-kung für ältere Personen bestand. Diese beiden Umständekönnten die Ergebnisse beeinflussen.

Bei den demografischen Daten ergaben sich zum Teilgeringe Fallzahlen in einzelnen Unterkategorien wie bei-spielsweise für die verwitweten Personen. Dies könntesich bei der zugleich hohen Anzahl der Variablen auf dieGültigkeit des statistischen Modells auswirken und istdaher bei der Beurteilung der Ergebnisse der Regressions-analyse der Schmerzgruppe zu beachten.

Weitere Faktoren, die bei der Beurteilung der Ergeb-nisse der Studie zu berücksichtigen sind, bestehen imsaisonal unterschiedlichen Auftreten von Schmerzen undAufsuchen von Schmerzbehandlungen sowie darin, dassunsere Untersuchung erst Personen ab dem 15. Lebensjahreinschließt. Eine Untersuchung über die Punktprävalen-zen von Rücken/Kreuzschmerzen in verschiedenen Mona-ten ergab, dass die niedrigste Prävalenz im Monat Aprilmit 7,7% und die höchste Prävalenz im Monat Dezembermit 11,6% bestand [22, 23]. Der Mittelwert der Prävalen-zen der sieben Monate, an welchen diese Befragungdurchgeführt wurde, beträgt 9,4%. Dieser Wert entsprichtdem Punktprävalenzwert des Monats August der Untersu-chung und ist damit etwa in der Zeit gelegen, in welcherdie Befragung der vorliegenden Studie stattfand.

Die Ergebnisse der Studie sollten zu weiteren Unter-suchungen häufiger Schmerzen in der gesamten österrei-chischen Bevölkerung veranlassen, um den Verlauf derangegebenen Schmerzen und somit mögliche Trends er-rechnen zu können. Eine Ergänzung der Untersuchungenz.B. über die Einstellung zum Schmerz und zum Schmerz-verhalten ist beabsichtigt. Die Verlaufsdaten können einewesentliche Vorraussetzung für eine mittelfristige Planungvon Einrichtungen zur Behandlung und Prävention vonSchmerzen aufgrund von Störungen des Bewegungssys-tems bilden.

AcknowledgementsDiese Untersuchung wurde mit der Unterstützung des

Bundesministeriums für Frauen und Gesundheit durchgeführt.

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Korrespondenz: Martin Friedrich, MD, Department of Or-thopaedic Pain Management, Spine Unit, Orthopaedic HospitalSpeising, Speisinger Straße 109, 1134 Wien, Österreich,E-mail: [email protected]