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Aus der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Universitätsspital Basel Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Dr. h.c. H.-F. Zeilhofer Präventives funktionelles Schlucktraining bei Hals-Kopf-Tumoren während der Radio-Chemotherapie MASTERARBEIT zur Erlangung des akademischen Grades Master of Advanced Studies (MAS) in Cranio Facial Kinetic Science vorgelegt der medizinischen Fakultät der Universität Basel von Luzia Vischer Basel unter der Leitung von Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Dr. h.c. H.-F. Zeilhofer betreut von Dr. med. et med. dent. Florian Thieringer, MHBA 20.09.2015

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Aus der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie

Universitätsspital Basel

Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Dr. h.c. H.-F. Zeilhofer

Präventives funktionelles Schlucktraining bei Hals-Kopf-Tumoren

während der Radio-Chemotherapie

MASTERARBEIT

zur Erlangung des akademischen Grades

Master of Advanced Studies (MAS) in Cranio Facial Kinetic Science

vorgelegt der

medizinischen Fakultät der Universität Basel

von

Luzia Vischer

Basel

unter der Leitung von

Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Dr. h.c. H.-F. Zeilhofer

betreut von

Dr. med. et med. dent. Florian Thieringer, MHBA

20.09.2015

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I

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung ................................................................................................................... 1

2 Dysphagien bei Radio-Chemotherapie ...................................................................... 3

2.1 Nebenwirkungen der RCT .................................................................................. 3

2.2 Schluckpathologie .............................................................................................. 5

2.3 Verlauf ................................................................................................................ 8

2.4 Risikofaktoren .................................................................................................. 11

2.5 Ernährung ......................................................................................................... 12

3 Logopädische Therapie bei strukturell-organischen Schluckstörungen .................. 13

3.1 Ziele .................................................................................................................. 13

3.2 Inhalte und Methoden der FDT ........................................................................ 14

3.3 Verlauf .............................................................................................................. 16

3.4 Evidenz ............................................................................................................. 18

4 Präventives Schlucktraining bei RCT ...................................................................... 19

4.1 Inhalte ............................................................................................................... 19

4.2 Evidenz ............................................................................................................. 21

4.3 Zusammenstellung eines Therapieprogrammes ............................................... 25

5 Diskussion ................................................................................................................ 29

6 Literaturverzeichnis ................................................................................................. 32

7 Curriculum Vitae ..................................................................................................... 36

8 Danksagung ............................................................................................................. 37

9 Anhang ..................................................................................................................... 38

10 Selbständigkeitserklärung ........................................................................................ 40

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II

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Der normale Schluckvorgang (Bartolome und Neumann 2006: 17) 6

Abb. 2: Verlauf Schlucksymtome nach Logemann et al. (2008: 152) 10

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III

Abkürzungsverzeichnis

Abb. Abbildung

bzw. beziehungsweise

DARS dysphagia /aspiration –related structures

et al. et alii (und andere)

etc. et cetera

evtl. eventuell

f. folgende

ff. fortfolgend

FDT Funktionelle Dysphagietherapie

ggf. gegebenenfalls

HPV Human-Papilloma-Virus

Hrsg. Herausgeber

IMRT Intensity-modulated radioation therapy

MRI Magnetic Resonance Imaging

PEG perkutane endoskopische Gastrostomie

PEJ perkutan endoskopische Jejunostomie

RCT Radio-Chemotherapie

S. Seite

SLP Speech-Language-Pathologist

u. a. und andere

usw. und so weiter

vgl. vergleiche

z. B. zum Beispiel

z. T. zum Teil

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Einleitung 1

1 Einleitung

Kopf-Hals-Malignome stellen weltweit die fünfthäufigste Tumorerkrankung dar. In der

Schweiz treten rund 1400 Neuerkrankungen pro Jahr auf (vgl. Reiter et al. 2009: 9;

Krebsliga Schweiz 2014: 4f.). Zu den Hauptrisikofaktoren zählen langjähriger Tabak-

und Alkoholkonsum, auf deren schädliche Wirkung mit Präventionskampagnen regel-

mässig hingewiesen wird. Über die letzten drei Jahrzehnte wurde das Human-

Papilloma-Virus (HPV) als zusätzlicher Risikofaktor bei der Entstehung von Plat-

tenepithelkarzinomen erkannt. Das HPV gilt als weltweit meist verbreitete sexuell über-

tragene Krankheit (vgl. Stoeckli und Brogli 2013: 536). Schätzungsweise 25% der Neu-

erkrankungen werden mit dem Virus assoziiert. Mit dieser Entwicklung einher geht ein

verändertes Patientengut, welches jünger ist, eine bessere Prognose hat und besser auf

die Behandlungen anspricht (vgl. Marur und Forastiere 2008: 489f.).

Zur Behandlung von Kopf-Hals-Malignomen stehen verschiedene Therapieoptionen zur

Verfügung: neben der chirurgischen Entfernung des Tumors – auf welche im Rahmen

dieser Arbeit nicht näher eingegangen wird – bieten sich organerhaltende Behandlungs-

varianten einer alleinigen Strahlentherapie oder die Kombination mit Chemotherapie,

der Radio-Chemotherapie (RCT), an. „Ihr Ziel ist eine dauerhafte lokale Tumorkontrol-

le bei Funktionserhalt der wichtigsten [anatomischen] Strukturen für Nahrungsaufnah-

me und Kommunikation“ (Pouget-Schors et al. 2009: 40). Xerostomie, Dysphagie, Mu-

kositis, Schmerzen und andere Nebenwirkungen führen jedoch auch bei dieser Behand-

lungsform zu einer verminderten Lebensqualität. Trotz Organerhalt können die physio-

logischen Funktionen nicht immer erhalten werden. Dennoch wird die kombinierte Ra-

diochemotherapie (RCT) mit tendenziell steigender Tendenz immer häufiger als primä-

re Behandlungsform bei fortgeschrittenen Hals-Kopf-Tumoren angewandt (Kraaijenga

et al. 2014: 152).

Dysphagien haben als eine von vielen Nebenwirkungen einen bedeutenden Einfluss auf

den Krankheitsverlauf und das Wohlbefinden der Patienten. Die Bestrahlung führt ne-

ben Strukturveränderungen zu Substanzdefekten am muskuloskelettalen System, die für

den Schluckakt von zentraler Bedeutung sind. Veränderungen in der Nahrungsaufnahme

sind daher sehr häufig und bedürfen einer sorgfältigen Betreuung. Diese können jahre-

lang persistieren, sich im Verlauf verschlechtern oder nach neuen Erkenntnissen auch

erst Jahre nach Beendung der RCT entstehen (Hutcheson et al. 2013).

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Einleitung 2

Aktuelle Forschungsarbeiten zeigen nun, dass präventives, funktionelles Schlucktrai-

ning bereits während der RCT Schluckbeschwerden und deren Folgebeschwerden bis

ein Jahr danach signifikant reduzieren kann (vgl. Wall et al. 2013: 482). Gängiges Vor-

gehen in der heutigen logopädischen Praxis ist nach wie vor, erst mit der Dysphagie-

Therapie zu beginnen, wenn die Schluckbeschwerden bereits akut sind. Diese reaktive

Vorgehensweise ist auch die Folge von fehlender Evidenz für einen spezifischen Thera-

pieansatz. In den vergangenen Jahren wurde jedoch viel in diesem Bereich geforscht,

und die neuesten Erkenntnisse gilt es nun in die Praxis umzusetzen.

Ziel der vorliegenden Arbeit ist, die häufigsten Symptome und deren wirksamste prä-

ventive Behandlung im Rahmen einer logopädischen Therapie vorzustellen. Ein an-

schauliches, funktionelles Übungsprogramm für ein präventives Schlucktraining für

Patienten mit einem Kopf-Hals-Karzinom während der RCT komplettiert daher diese

Arbeit.

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Dysphagien bei Radio-Chemotherapie 3

2 Dysphagien bei Radio-Chemotherapie

Der Begriff „Dysphagie“ umschreibt das Störungsbild des Schluckvorgangs. Dieser

wird definiert als Transport von Nahrung, Flüssigkeiten, Speichel und Sekret aus der

Mundhöhle durch den Rachenraum und die Speiseröhre bis zum Magen (vgl. Bartolome

und Neumann 2006: 16). Mit der Dysphagie einher gehen neben einer verminderten

Lebensqualität oft eine soziale Isolation des Betroffenen sowie medizinische Komplika-

tionen wie Mangelernährung, Dehydration und aspirationsbedingte Pneumonien. Dabei

wird unterschieden zwischen neurogenen Dysphagien, die nach Schädigungen des zent-

ralen und/oder peripheren Nervensystems auftreten und strukturell-organischen Dys-

phagien, die durch pathologische Veränderungen der zugehörigen anatomischen Struk-

turen entstehen. Dies aufgrund von Entzündungen, Tumoren, Operationen oder Bestrah-

lung (vgl. Hacki et al. 2009: 147). Von Interesse für die vorliegende Arbeit sind die

strukturell-organischen Dysphagien, welche als Folge der RCT eines Malignoms in der

Hals-Kopf-Region auftreten können. Diese können akut auftreten oder sich auch erst im

Verlauf, also nach Monaten oder Jahren nach Beendung der RCT, manifestieren. Eine

wichtige Ursache zur Entstehung der Schluckstörung tragen dabei die Nebenwirkungen

der RCT, auf welche im folgenden Abschnitt näher eingegangen wird.

2.1 Nebenwirkungen der RCT

Grundsätzlich wird bei den radiogen bedingten Nebenwirkungen zwischen akuten und

chronischen Strahleneffekten unterschieden. Zu ersteren zählen: ödematöse Schwellun-

gen, Dermatitis (entzündliche Hautreaktion), oropharyngeale Mukositis (Mund- und

Rachenschleimhautentzündung), Mykosen (Pilzinfektion), Dysgeusie (Geschmacksver-

lust) und Xerostomie (Mundtrockenheit) durch Unterfunktion der Speicheldrüsen (vgl.

Bartolome 2006: 399). Motzko et al. (2004: 43) ergänzen dies noch durch das nicht zu

unterschätzende Symptom Schmerzen und unterstreichen die allgemein verstärkende

Wirkung bei anhaltendem Nikotin- und Alkoholabusus sowie schlechter Mundhygiene.

Sensibilitätsstörungen werden bei beiden Aufzählungen nicht genannt, sollten zur Ver-

vollständigung auch doch erwähnt werden. Akute Strahleneffekte setzen in der Regel

bereits zirka zwei bis drei Wochen nach Beginn einer Strahlentherapie ein und können

wiederum zwei bis drei Wochen nach Beendigung häufig folgenlos abheilen. Chroni-

sche Strahleneffekte treten im Gegenzug erst drei Monate nach Abschluss der Strahlen-

therapie ein und können lebenslang persistieren (vgl. Pigorsch et al. 2009: 75). Dazu

zählen: Xerostomie, Schleimhautatrophie, Fibrose (krankhafte Bindegewebsvermeh-

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Dysphagien bei Radio-Chemotherapie 4

rung), nekrotische Prozesse (lokaler Gewebstod im lebendigen Organismus), postradio-

gene Muskellähmungen und Gefässveränderungen (vgl. Bartolome 2006: 399).

Hotzenköcherle (unveröffentlichtes Skript) postuliert, dass diese alte Einteilung in die-

ser Form nicht mehr stimme. Sie warnt ausdrücklich vor der Erwartung der folglosen

Abheilung und beschreibt eine sich überschneidende Phase der Akut- und Spätfolgen.

Auf zwei der wichtigsten Nebenwirkungen, die Xerostomie und die Mukositis, wird im

Folgenden näher eingegangen.

Zur Entstehung einer oft irreversiblen und persistierenden Xerostomie führt der Ein-

schluss von Speicheldrüsen in das Bestrahlungsfeld. Sie zählt zu den häufigsten Folge-

erkrankungen und wird als sehr quälend empfunden. Die Folgen der Mundtrockenheit

sind rezidivierende Infektionen der Schleimhaut, Schädigung des Zahnschmelzes und

ausgedehnte kariöse Destruktionen (vgl. Zimmermann und Brockmeier 2009: 96). Für

die Therapie gibt es eine Vielzahl an Angeboten wie Sprays, Lutschtabletten, Tinkturen

u.a., welche jedoch lediglich eine beschränkte und temporäre Wirkung zeigen. Moderne

Bestrahlungsstrategien versuchen daher, die grossen Speicheldrüsen aus dem Strahlen-

feld auszusparen oder die Strahlendosis zu reduzieren, um - wie Studien inzwischen

zeigen - das Ausmass der Xerostomie erfolgreich zu beschränken (vgl. Seidl und

Schultheiss 2013: 21).

Die Mukositis tritt bei kombinierter RCT mehrheitlich in der Akutphase auf und dann

bei mehr als der Hälfte der Patienten bei einem Schweregrad von III bis IV; sie heilt

jedoch weitgehend vollständig innerhalb von drei Monaten nach Ende der Therapie ab

(vgl. Zimmermann und Brockmeier 2009: 95). Zäher, klebriger und übelriechender

Schleim charakterisiert dieses Störungsbild und führt in vielen Fällen zu einer schmerz-

bedingten Schluckstörung. Zur Behandlung sind verschiedene Medikamente, Tinkturen

und Lösungen auf dem Markt, welche die akuten Symptome zwar zu lindern vermögen,

deren zugrunde liegenden Prozess jedoch nicht aufhalten können (vgl. Seidl und Nus-

ser-Müller-Busch 2007: 848). Eine hochdosierte Schmerztherapie ist in diesen Fällen

daher oftmals wichtig, um immerhin das Schlucken von gekühlten Flüssigkeiten auf-

recht zu erhalten.

Ausschlaggebend für das jeweilige Ausmass der Nebenwirkungen ist bei individueller

Strahlenempfindlichkeit die Höhe der Einzeldosis für die chronischen Effekte und die

Gesamtbehandlungszeit für die akuten Effekte (vgl. Pigorsch et al. 2009: 75).

Die Nebenwirkungen der Chemotherapie fallen ebenfalls sehr individuell aus und zei-

gen sich häufig in Form von Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Anfälligkeit für Infektio-

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Dysphagien bei Radio-Chemotherapie 5

nen und vorübergehendem Haarausfall (vgl. Motzko et al. 2004: 46). Bei kombinierter

RCT kommt es zu einer Kombination der beschriebenen Nebeneffekte und zu einer ver-

längerten Dauer der Mukositis und Dermatitis (vgl. Bartolome 2006: 400).

2.2 Schluckpathologie

Bedingt durch die beschriebenen Nebenwirkungen der RCT kann sich eine massive

Störung des Schluckvorgangs ergeben. Dabei kann eine grosse Variabilität der Schluck-

problematik beobachtet werden, auf welche nachfolgend näher eingegangen wird. Zum

besseren Verständnis der verschiedenen Pathomechanismen folgt zunächst eine kurze

Beschreibung des physiologischen Schluckaktes, der in vier Phasen unterteilt wird (sie-

he dazu auch die bildliche Darstellung auf der nächstfolgenden Seite). In der oralen

Vorbereitungsphase wird die Speise gekaut und mit Speichel zu einem Bolus ver-

mischt. Die Bewegung des Kauens ist durch exakt aufeinander abgestimmte Kiefer-,

Zungen-, Wangen- und Hyoidbewegungen charakterisiert. Die Bewegungen sind voll-

ständig willentlich steuerbar und in der Dauer individuell sehr unterschiedlich. Weiter

wird in der oralen Phase der Bolus im Mundraum zentriert auf der Zunge platziert und

in Richtung des Oropharynx transportiert. Dabei sind Lippen und Kiefer geschlossen

und die Wangen tonisiert. Über die Sogwirkung wird der Transport in die Mundhöhle

erleichtert. Die Velumhebung beginnt bereits in dieser Phase. In der pharyngealen Pha-

se erfolgt die fein abgestimmte, reflektorisch gesteuerte Schluckreflexauslösung. Diese

wird ausgelöst, sobald der Bolus die vorderen Gaumenbögen passiert. Dabei ist das Ve-

lum weiterhin angehoben, um das Eindringen von Nahrung oder Flüssigkeiten in den

Nasenraum zu verhindern (velopharyngealer Abschluss). Hat das Bolusende den Zun-

gengrund erreicht, kommt es zu einer kräftigen Rückwärtsbewegung der Zungenbasis

an die Rachenwand (Zungenbasisretraktion), welche ihrerseits kontrahiert (Pharynxkon-

traktion). Nahezu gleichzeitig bewegen sich Hyoid und Larynx nach superior-anterior,

wodurch der Rachenraum erweitert und die Boluspassage freigegeben wird. Zusätzlich

werden die Luftwege durch den dreifachen Kehlkopfverschluss geschützt: Stimmlip-

penschluss, Verengung des supraglottischen Raums und Epiglottisschluss. Nach der

Öffnung des oberen Ösophagussphinkters gelangt der Bolus in die Speiseröhre. In der

ösophagealen Phase wird der Bolus schliesslich unwillkürlich über peristaltische Wel-

len durch den Ösophagus in den Magen befördert (vgl. Bartolome und Neumann 2006:

18-27).

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Dysphagien bei Radio-Chemotherapie 6

Abbildung 1: Der normale Schluckvorgang (Bartolome und Neumann 2006:17)

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Dysphagien bei Radio-Chemotherapie 7

Grundsätzlich können sich die Bestrahlungsschäden sowohl auf beide oralen, die pha-

ryngeale und selten auch auf die ösopharyngeale Phasen auswirken. Konkret führen in

der oralen Vorbereitungsphase ödematöse Veränderungen zu Beeinträchtigungen der

Feinmotorik der Zunge sowie einer reduzierten Zungenkraft. Entsprechend kommt es zu

Schwierigkeiten bei der Verkleinerung der Speise und der Bolusformung. Durch die

Unterfunktion der Speicheldrüsen wird die Nahrung nicht ausreichend mit Speichel

vermischt, was in der oralen Phase neben erschwerter Bolusformung zu Gleitproblemen

in Richtung Pharynx führen kann. Ödeme der Weichteile des Kehlkopfes sowie gereizte

Rachenschleimhäute führen in der pharyngealen Phase ebenso zu Problemen des Bolus-

transports sowie zu einem abgeschwächten Hustenstoss. Atemschwierigkeiten erfordern

gar die Einlage einer Trachealkanüle. Ferner führen entzündliche Schleimhautverände-

rungen (Mukositis) zu möglichen Schmerzen beim Schlucken, was eines der Haupt-

probleme während der Akutphase darstellt. Liegen Sensibilitätsstörungen vor, ist die

Schluckreflexauslösung beeinträchtigt, was zu unbemerkten Speichel- oder Speiseresi-

duen oder gar zu den Phänomenen der Penetration oder Aspiration führen kann. Penet-

ration bedeutet das Eindringen von Fremdsubstanzen in den Kehlkopfeingang oberhalb

der Stimmlippen. Von Aspiration ist hingegen die Rede, wenn Flüssigkeiten oder Spei-

seteile unterhalb der Stimmlippen in die Luftwege gelangen. Dabei werden beide Phä-

nomene unterschieden zwischen „still“, also ohne Bemerken, sowie zwischen prä- intra-

und postdeglutitiv, je nachdem, ob das Fehlschlucken vor, während oder nach der Trig-

gerung des Schluckreflexes erfolgt (vgl. Bartolome und Neumann 2006: 32).

Im weiteren Verlauf kann es aufgrund der fibrotischen Degeneration der Muskeln und

anderer Strukturen zu einer gestörten Hyoid- und Kehlkopfhebung, Zungenunbeweg-

lichkeit sowie Kieferbewegungsproblemen kommen. Eine erhöhte orale Transitzeit so-

wie ein verzögertes Triggern des Schluckreflexes sind die Folge. Auch die Verschluss-

fähigkeit des Kehlkopfeinganges oder der Glottis kann sich dadurch reduzieren, was

wiederum eine Aspirationsgefahr darstellt. Bestrahlungsbedingte Stenosen des Pharynx

und Ösophagus führen schliesslich zu Störungen der ösophagealen Phase in Form von

Transportstörungen (vgl. Bartolome 2006: 399; Hotzenköcherle 2003: 23). Fibrosie-

rungsprozesse können noch Jahre nach Abschluss der RCT beginnen oder kontinuier-

lich fortschreiten und in der Folge zu einer Schluckstörung führen (Seidl und

Schultheiss 2013: 21).

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Dysphagien bei Radio-Chemotherapie 8

Vergleicht man in der Literatur die Angaben zu den Häufigkeiten der möglichen

Schluckpathologien, findet man verschiedene Angaben. Der Grund liegt hauptsächlich

an den verschiedenen Inklusionskriterien der Studien.

In einer systematischen Übersichtsarbeit (systematic review) von Wall et al. (2013)

wurden die Ergebnisse 20 ausgewählter Studien aus dem Zeitraum vom Januar 1998 bis

März 2013 zusammengefasst, welche sich mit der Frequenz und Prävalenz von

Schluckdefiziten nach RCT bei Patienten mit einem Karzinom im Hals-Kopf-Bereich

befassten. Die Ergebnisse zeigen, dass folgende vier Symptome am häufigsten vor-

kommen: ungenügende Zungenbasisretraktion, geschädigte Epiglottisbewegung, unge-

nügende Pharynxkontraktion und reduzierte Kehlkopfhebung. Die beiden ersten zeigen

eine Prävalenz von über 75%, die letzteren beiden eine von 50%. In der oralen Phase

traten insgesamt weniger häufig Schwierigkeiten auf als in der pharyngealen (vgl. Wall

et al. 2013: 488). Die Angaben zur Aspiration reichten von 0 bis 100%, zur Penetration

von 7 bis 95,9%; pharyngeale Residuen konnten bei mehr als 50% der Patienten beo-

bachtet werden.

Hacki et al. (2009: 147) zählen zu den häufigsten Symptomen die Verlangsamung des

Bolustransportes, eine Verspätung oder Ausbleiben des Schluckreflexes, Speiseresiduen

sowie die Aspiration. Diese Aufzählung entspricht den Auswirkungen der oben genann-

ten Symptome auf den Schluckakt.

Insgesamt kommt es nach Schröter (2006: 87) zu den ausgeprägtesten Schluckstörungen

bei Miterfassung von Zungengrund und Larynx ins Bestrahlungsgebiet.

2.3 Verlauf

Grundsätzlich können Schluckstörungen bereits vor dem Beginn der RCT bestehen auf-

grund der Lage und Ausdehnung des Tumors und dessen Einfluss auf die Bewegung

und Struktur des umliegenden Gebietes. Ist dies der Fall, kommt es nach Seidl und Nus-

ser-Müller-Busch (2007: 847, nach Murphy et al. 2003) im Anschluss an die RCT häu-

fig zu einer Verstärkung der Dysphagie. Es ist jedoch auch möglich, dass sich erst im

Verlaufe oder im Anschluss der RCT eine Dysphagie entwickelt. Im Allgemeinen kön-

nen mehrheitlich die gleichen Symptome nach der RCT beobachtet werden wie vor oder

während der Behandlung, allerdings in erhöhter Frequenz und erhöhtem Schweregrad

(vgl. van der Molen et al. 2009: 893).

Insgesamt entwickeln nach einer gross angelegten Studie von Mortensen et al. (2013:

1537) mit rund 1500 Patienten mit einem Hals-Kopf-Tumor unter alleiniger RT 83%

der Patienten eine leichte akute Dysphagie. Von diesen 83% entwickelten im weiteren

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Dysphagien bei Radio-Chemotherapie 9

Verlauf 23% eine schwere akute Dysphagie, konnten sich also nur noch flüssig oder gar

nicht mehr oral ernähren. Im Verlauf zeigte sich, dass die Prävalenz während und un-

mittelbar nach der Behandlung am höchsten lag und sich in der Folgezeit stabilisierte

(vgl. Mortenson et al. 2013: 1537).

Die Ergebnisse aus der Übersichtsarbeit von Wall et al. (2013: 490) zeigen, dass die

funktionellen Schluckdefizite ihren Höchststand drei bis sechs Monate nach Beendung

der RCT erreichen und in den nachfolgenden sechs Monaten wieder etwas zurückgehen,

dies jedoch nicht in allen Bereichen. Die reduzierte Zungenstärke sowie die reduzierte

Zungenbasisretraktion bleiben beispielsweise auch zwölf Monate post RCT in hohem

Masse vorhanden. Dies ist nicht verwunderlich, verändern sich doch die Nebenwirkun-

gen, wie in Kapitel 2.1 beschrieben, drei Monate nach Beendung der RCT. Das Gewebe

wird fibrotisch und steif, die Muskeln atrophieren und werden dadurch schwächer. Ein

möglicher Funktionsverlust ist die Folge (vgl. Murphy und Gilbert 2009: 37). Auch

Monate und Jahre nach Beendung der RCT unterliegt das Gewebe fibrotischen Prozes-

sen, auf welche die Schluckfähigkeit angepasst werden muss. Diese dynamischen Pro-

zesse des Gewebes beeinträchtigen die Bewegungsmöglichkeiten der fürs Schlucken

relevanten Strukturen und sind hauptverantwortlich für Langzeit-Dysphagien. Es folgen

zwei Studien mit konkreten Zahlen zum Verlauf der Dysphagie während der RCT bis

zehn Jahre danach.

Logemann et al. (2008) beobachteten den Verlauf von 48 Patienten mit einem Tumor

im Kopf-Hals-Bereich, welche mit R(C)T behandelt wurden zu drei Zeitpunkten: vor

der ersten Bestrahlung, drei Monate und ein Jahr danach. Die Patienten schluckten je-

weils verschiedene Konsistenzen unter videofluoroskopischer Aufnahme und Beurtei-

lung. Der Verlauf hinsichtlich der Symptome kann Abbildung 2 entnommen werden.

Bereits bei der ersten Messung zeigten alle Patienten funktionelle Schluckdefizite. Die

Häufigkeit der verschiedenen Schluckpathologien stieg insgesamt über die Messpunkte

an, innerhalb der ersten beiden Messpunkte sogar signifikant. Zwischen dem dritten und

zwölften Monat zeigte sich wieder eine gewisse Verbesserung. Der Zustand wie vor der

Behandlung konnte jedoch nicht wieder erreicht werden. Zum dritten Zeitpunkt hatten

insgesamt vier Patienten eine perkutane endoskopische Gastrostomie-Sonde (PEG-

Sonde), zwei eine Tracheotomie und 27 der 48 Patienten (65%) erhielten Therapie zur

Verbesserung der Schluckfähigkeit. „Functional swallow“ wird definiert als Schlucken

ohne Aspiration und bei nur minimalen Residuen. Bemerkenswerterweise blieben die

Zahlen dazu bei anfänglichem Abfall relativ hoch trotz gleichzeitigem Vorhandensein

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Dysphagien bei Radio-Chemotherapie 10

von Schlucksymptomen. Im Umkehrschluss führen Schluckpathologien also nicht

zwingend zu Aspirationen, sondern können häufig (auch durch Unterstützung der The-

rapeutin) kompensiert werden. Der Vergleich zwischen RCT und alleiniger Radiothera-

pie zeigte auf, dass Chemotherapie die Frequenz und den Schweregrad der Schluckbe-

schwerden erhöht, nicht jedoch deren grundlegende Symptomatik. Die Autoren schlies-

sen aus diesen Ergebnissen, dass regelmässige Kontrollen des Schluckaktes nach der

Bestrahlung von grosser Wichtigkeit sind, um mögliche Verschlechterungen festzustel-

len und allfällige Anpassungen vorzunehmen (Logemann et al. 2008:153).

Abbildung 2: Verlauf Schlucksymtome nach Logemann et al. (2008:155)

Hutcheson et al. (2012) untersuchten in einer zehnjährigen Fallstudie (case series) die

Spätfolgen von 29 Dysphagie-Patienten (hoher Schweregrad) ab mindestens fünf Jahren

nach Beendung der R(C)T. Ihre Analysen ergaben, „that the level of dysfunction in the-

se cases is often extreme“ (Hutcheson et al. 2012: 5797). Konkret waren stille Aspirati-

on und pharyngeale Residuen die Norm. Die PEG-Sondenabhängigkeit stieg von an-

fänglichen 21% auf 66%. Insgesamt 86% der Patienten entwickelten mindestens eine

Pneumonie in der Folgezeit, 62% wiederkehrende Pneumonien, 52% davon mussten

deswegen hospitalisiert werden. Dauerhafte Verbesserungen der Schluckfähigkeit konn-

ten in keinem Fall beobachtet werden. Gründe dafür sehen die Autoren hauptsächlich

als Folge von Fibrose, Muskelatrophie und anderen chronischen Nebenwirkungen der

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Dysphagien bei Radio-Chemotherapie 11

Strahlentherapie, welche - wie bereits erwähnt - die Beweglichkeit der schluckrelevan-

ten Strukturen beeinträchtigt (Hutcheson et al. 2012: 5797).

2.4 Risikofaktoren

Die Risikofaktoren für eine Dysphagie sind nach Murphy und Gilbert (2009: 38) stark

von der Bestrahlungsform abhängig. Es konnten bestimmte anatomische Strukturen,

sogenannte DARS (dysphagia/aspiration-related structures), identifiziert werden, wel-

che zu einer Dysphagie und Aspiration führen, wenn sie geschädigt werden (vgl. Mur-

phy und Gilbert 2009: 38 nach Eisenbruch et al. 2004). Diese wiederum können durch

die Verwendung von IMRT (Intensity-modulated radiation therapy) verschont bzw. nur

reduziert bestrahlt werden, um somit eine mögliche Schluckstörung zu verhindern. Die-

ser Effekt konnte durch Studien belegt werden (vgl. Eisenbruch et al. 2004).

Weiter konnte durch eine retrospektive Studie von Hutcheson et al. (2013) gezeigt wer-

den, dass der Einsatz einer PEG-Sonde sich negativ auf das Schlucken auswirkt, sofern

die orale Nahrungsaufnahme nicht mindestens partiell aufrechterhalten wird. Zwar ver-

lieren diese Patienten durch die Sondennahrung weniger Gewicht, auf der anderen Seite

verschlechtert sich das Schluckvermögen deutlich bei Nichtgebrauch durch die bereits

beschrieben Effekte der Atrophie der pharyngealen Muskulatur. Es konnte gezeigt wer-

den, dass die Wahrscheinlichkeit nach der Behandlung wieder normal (alle Konsisten-

zen) schlucken zu können bei Patienten, welche sich vollständig oral ernährten während

der RCT, doppelt so hoch war wie wenn die Ernährung während der Bestrahlung voll-

ständig über eine Sonde gewährleistet wurde. Ebenso konnte eine signifikant reduzierte

Dauer der PEG-Sondenabhängigkeit festgestellt werden, sofern während der Bestrah-

lung die (partielle) orale Nahrungsaufnahme aufrechterhalten wurde (vgl. Hutcheson et

al. 2013: 1131).

Mortenson et al. (2013: 1538) konnten in ihrer bereits erwähnten Studie folgende signi-

fikanten Parameter für die Entstehung einer schweren akuten Dysphagie identifizieren:

T3 bis T4-Tumore, karzinomtragende Lymphknoten, Tumor ausserhalb des Glottisbe-

reichs, eine vorbestehende Dysphagie, Alter von über 62 Jahren und ein beschleunigtes

Radiotherapieverfahren. Für die Entstehung einer späten Dysphagie (drei Monate nach

Beendung der RT oder später) zählten dieselben Faktoren, jedoch ohne die letzteren

beiden (Alter und beschleunigte RT).

Nicht zu vernachlässigen sind ferner Risikofaktoren wie: Ausmass der Nebenwirkun-

gen, allfällige Tracheotomien, Kognition, pneumologische Erkrankungen, Unterstüt-

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Dysphagien bei Radio-Chemotherapie 12

zung des Umfeldes und die Rolle der oralen Nahrungsaufnahme für den Patienten (vgl.

Hotzenköcherle 2003: 29; Murphy und Gilbert 2009: 38).

2.5 Ernährung

Mangelernährung und Ernährungsstörungen sind häufige Nebenerscheinungen bei Hals-

Kopf-Tumoren, dies besonders bei Tumoren in den Stadien III und IV. Sie haben einen

beträchtlichen Einfluss auf die Lebensqualität und können die Rate an Nebenwirkungen

und Dauer einer Hospitalisierung deutlich erhöhen. Darüber hinaus werden unter Um-

ständen Unterbrechungen oder Abbrüche der RCT notwendig und die Überlebenszeit

sinkt. Bei über 70% der Patienten unter RCT sind schwere Gewichtsverluste (über 10%)

beobachtbar, sofern nicht vorher entsprechende Massnahmen eingeleitet werden. Zu den

Ursachen können neben Dysphagien auch verschiedene psychische Faktoren und die

Folgen von alkoholbedingter Fehlernährung gezählt werden. Eine optimale enterale

bzw. parenterale Ernährung unter Einbezug einer Ernährungstherapie ist daher von zent-

raler Bedeutung (Zimmermann 2006: 104). Aus ernährungstherapeutischer Sicht ist der

oralen bzw. enteralen Ernährung der Vorzug zu geben. Alternativ oder begleitend zur

oralen Nahrungsaufnahme kann eine nasogastrale, eine PEG- oder eine PEJ-Sonde

(Perkutan endoskopische Jejunostomie) gelegt werden. Nur in seltenen Fällen wird die

parenterale Ernährung, also die Nährstoffzufuhr durch Umgehung des Magen-Darm-

Traktes, notwendig (Zimmermann 2009: 105). Die Diskussion über eine frühzeitige und

prophylaktische Einlage einer PEG-Sonde ist kontrovers und unterliegt einer beträchtli-

chen Variabilität zwischen den Kliniken (Murphy und Gilbert 2009: 38).

Eine individuelle Risiko-Nutzen-Analyse zur genauen Abwägung der Vorteile und Ri-

siken ist daher notwendig, um einen optimalen Weg einschlagen zu können (Seidl und

Schultheiss 2013: 22; Hacki et al. 2009: 151).

Neben dem obersten Ziel der bedarfsdeckenden Ernährung gilt es, dem Patienten die

Freude am Essen zu erhalten, und zwar trotz der erschwerten Bedingungen wie längeren

Essenszeiten, Einschränkung auf bestimmte Nahrungskonsistenzen oder Appetitlosig-

keit aufgrund veränderter Geschmackswahrnehmung. Der Patient sollte daher weitge-

hend nach den individuellen Wünschen und Vorlieben die Kost wählen.

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Logopädische Therapie bei strukturell-organischen Schluckstörungen 13

3 Logopädische Therapie bei strukturell-organischen

Schluckstörungen

Voraussetzung für die zielgerichtete, funktionelle Therapie ist eine ausführliche inter-

disziplinäre Diagnostik (vgl. Seidl und Schultheiss 2013: 22). Dabei muss in Abhängig-

keit der Fragestellung und vorausgehender klinischer Untersuchung zwischen einer fi-

berendoskopischen und videofluoroskopischen Untersuchung entschieden werden. Ers-

tere liefert schlüssige Hinweise in Bezug auf den Zustand der Schleimhaut, dem Vorlie-

gen von Sekret oder Borken, möglicher Sensibilitätseinschränkungen sowie einer mög-

lichen Aspiration. Eine videofluoroskopische Untersuchung hingegen liefert Angaben

zum Ausmass der Aspiration oder Problemen der oberen Sphinkteröffnung oder der

Speiseröhre (vgl. Hotzenköcherle, unveröffentlichtes Skript).

Aus den dort sichtbaren Symptomen und den Erkenntnissen der klinischen Schluckun-

tersuchung kann auf die möglichen Pathomechanismen geschlossen werden. Konkret

wird dabei ersichtlich, welche Phasen des Schluckvorganges in welchem Masse gestört

sind, welche Nahrungskonsistenzen angeboten werden können und welche kompensato-

rischen Strategien sich als hilfreich erweisen (vgl. Hacki et al. 2009: 152). Daraus kön-

nen wiederum die passenden Übungen abgeleitet werden, um den Schluckvorgang zu

verbessern oder kompensatorische Strategien anzubahnen. Im Folgenden werden ge-

naue Ziele und Inhalte der Funktionellen Dysphagietherapie (FDT) beschrieben. Diese

gilt zumindest im deutschsprachigen Raum als die am weitesten verbreitete Therapie-

form. Eine standardisierte Therapie spezifisch für Kopf-Hals-Tumorpatienten gibt es im

eigentlichen Sinne nicht (vgl. Krisciunas et al. 2012: 538).

Neben der Logopädie sollte das belastete Gewebe sowie der Haltungs- und Bewegungs-

apparat durch Lymphdrainage und Physiotherapie ergänzt werden (vgl. Hacki et al.

2009: 151).

3.1 Ziele

Ziel der Rehabilitation bei vorliegender Dysphagie ist eine möglichst rasche Rückfüh-

rung zu bedarfsdeckender, effizienter, oraler Ernährung bei kompletter Sicherstellung

der Atemwege und der Vermeidung von Unterernährung, Dehydration und Aspirations-

pneumonie (vgl. Hacki et al. 2009: 151; Hotzenköcherle 2003: 19; Motzko et al. 2004:

50). Aufgrund des hohen Stellenwertes der Lebensqualität und der gesundheitlichen

Risiken, welche eine Dysphagie mit sich bringt, ist eine zielgerichtete Rehabilitation

sehr wichtig (vgl. Hotzenköcherle 2003: 25). Die Therapieziele werden dabei - wie in

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Logopädische Therapie bei strukturell-organischen Schluckstörungen 14

der Einleitung bereits erwähnt - nach gezielter Diagnostik über die bestehenden Defizite

und die möglichen Funktionen abgeleitet.

Spezifische Therapieziele sollten so formuliert werden, dass sie erreichbar, überprüfbar

und entsprechend den Wünschen der Betroffenen sowie der Angehörigen sind. Dabei

wird zwischen Funktionszielen, welche die Verbesserung einzelner Komponenten des

Schluckvorgangs beinhalten, und Alltagszielen, welche sich auf die tägliche Ernäh-

rungssituation beziehen, unterschieden. In der Regel wird mit beiden Zielsetzungen pa-

rallel gearbeitet (vgl. Bartolome 2006: 248). Zur Veranschaulichung kann ein Funkti-

onsziel beispielsweise ‚das Halten des Glottisschlusses für einige Sekunden’ und ein

Alltagsziel, ‚das sichere Trinken eines Glases Wasser pro Tag mit Hilfe der erlernten

Schlucktechnik’ sein.

3.2 Inhalte und Methoden der FDT

Bei der Behandlung von strukturell-organischen Schluckstörungen dominiert die Funk-

tionelle Dysphagietherapie (FDT). Sie basiert auf einer funktions- und problemorien-

tierten Vorgehensweise. So weit wie möglich werden in der FDT Methoden angewen-

det, deren Wirksamkeit nachgewiesen oder zumindest nach pathophysiologischen Über-

legungen wahrscheinlich ist. Die Methoden gliedern sich schwerpunktmässig in drei

Komponenten: Restituierende Verfahren, kompensatorische Verfahren und adaptive

Massnahmen. Diese werden nachfolgend kurz umschrieben (vgl. Bartolome 2006: 246).

Restituierende Verfahren beinhalten das sensomotorische Training der Schluckmusku-

latur. Dabei werden zuerst schluckrelevante Einzelbewegungen und Bewegungsmuster

ausserhalb des Schluckvorgangs eingeübt; dies über aktives, wiederholtes Üben. Sobald

das Bewegungsziel erreicht ist, werden sie in den Schluckablauf eingebaut. Gestörte

Funktionen werden dadurch wiederhergestellt und bei strukturell bedingten Schädigun-

gen sollen aus den erhaltenen Restfunktionen ein maximaler Gebrauch ermöglicht wer-

den. Die zwei Hauptziele lauten demnach: „Schaffung der neuromuskulären Vorausset-

zungen für physiologisches Schlucken und Training bestimmter Teilfunktionen zur

Vorbereitung auf das Erlernen kompensatorischer Schlucktechniken“ (Bartolome 2006:

246). Innerhalb der restituierenden Verfahren können drei Stufen unterschieden werden:

Die vorbereitenden Stimulationen werden nur bei schweren Bewegungsstörungen über

leichte manuelle Berührungen, Pinseln, thermische Reize, Druck, Vibration, Dehnung

oder andere eingesetzt. Ziel ist die Förderung der Wahrnehmung und Aufmerksamkeit

sowie die Stimulierung der Motorik.

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Logopädische Therapie bei strukturell-organischen Schluckstörungen 15

Ist ein gewisses Mass an Beweglichkeit bereits beobachtbar, können Mobilisationstech-

niken eingesetzt werden. Diese fordern die aktive Bewegung des Patienten mit Unter-

stützung durch den Therapeuten. Ziel dabei ist die Verbesserung von Bewegungsaus-

mass, Geschwindigkeit, Koordination und Muskelkraft sowie die erleichterte Bewe-

gungsinitiierung und bessere Bewegungswahrnehmung. In den Übungen werden Bewe-

gungen gegen Widerstand trainiert.

Schliesslich zielen autonome Bewegungsübungen auf das selbständige Üben von Bewe-

gungen, welche für den Schluckakt relevant sind- gegebenenfalls unter Einbezug spezi-

eller Sprach-, Sprech- und Stimmübungen. Dadurch soll die Automatisierung der Be-

wegungen durch ein verbessertes Bewegungsausmass, erhöhte Geschwindigkeit und

bessere Koordination erreicht werden.

Kompensatorische Strategien sind Änderungen der (Kopf-)Haltung und spezielle

Schlucktechniken, welche direkt während des Schluckens angewendet werden. Ziel

dabei ist ein effizientes und aspirationsfreies Schlucken trotz bestehender Funktionsein-

bussen durch Veränderung (Kompensation) des physiologischen Schluckablaufes.

Durch die Wirkung der Schwerkraft können Haltungsmodifikationen Änderungen der

räumlichen Verhältnisse generieren, z.B. bei einseitigen Dysfunktionen im Sinne einer

Anteflexion des Kopfes, einer Halsextension, einer Kopfrotation oder anderen. Zu den

Schlucktechniken zählen folgende fünf Übungen, welche im Kapitel 4.3 teilweise näher

beschrieben werden: Kräftiges Schlucken, Supraglottisches Schlucken, Super-

Supraglottisches Schlucken, Supraglottische Kipptechnik und Mendelsohn-Manöver.

Durch diese Manöver wird der Bewegungsradius des Kehlkopfes bzw. die Öffnung des

oberen Ösophagussphinkters verbessert. Sie stellen erhöhte kognitive Anforderungen an

den Patienten und sollten daher sorgfältig instruiert und trainiert werden (vgl. Seidl und

Schultheiss 2013: 22).

Adaptive Massnahmen bezwecken durch den Einsatz von externen Hilfsmitteln die

Verringerung der Anforderungen an den Schluckakt und/oder dessen Vorbereitung.

Konkret kann über diätische Massnahmen Einfluss auf die Viskosität oder die Bolus-

grösse sowie auf den Geschmack und auf die Temperatur genommen werden. Erleich-

ternd für die Nahrungsaufnahme sind ferner die geeignete Platzierung der Nahrung,

spezielle Ess- und Trinkhilfen sowie Essbegleitungen durch den Therapeuten.

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Logopädische Therapie bei strukturell-organischen Schluckstörungen 16

3.3 Verlauf

Entwickelt sich eine strukturell-organische Schluckstörung, erfolgt die Therapie in Ab-

hängigkeit von der individuellen Pathologie. Dabei müssen zum sofortigen Schutz vor

Aspiration neben der medizinischen Basisversorgung bereits in der Akutphase funktio-

nell therapeutische Massnahmen ergriffen werden (vgl. Bartolome 2006: 400). Zunächst

stehen deshalb kompensatorische in Verbindung mit adaptiven Strategien im Vorder-

grund. In Abhängigkeit von der gesundheitlichen Stabilität und der Kooperationsfähig-

keit des Patienten werden mit fortschreitender Verbesserung restituierende Massnahmen

durchgeführt und adaptive Massnahmen abgebaut. Die Patienten sollten dabei nicht

durch zu frühes intensives Training der Schluckmuskulatur überfordert werden. Bei

ausreichender Kooperationsfähigkeit erhält der Patient deshalb in der Regel erst im Ver-

lauf ein individuell angepasstes Eigenübungsprogramm, das er mehrmals täglich selb-

ständig trainiert. Dieses erstellt die Therapeutin in Zusammenarbeit mit dem Patienten.

Dabei müssen oftmals verschiedene Übungsvarianten mit dem Patienten zusammen

durchgeführt werden, um zu beurteilen, ob der gewünschte Effekt auftritt. Idealerweise

sollten die ausgewählten Übungen endoskopisch oder videofluorsokopisch auf ihren

Effekt überprüft werden. Die Therapie wird abgeschlossen, wenn ein normaler

Schluckakt erreicht und eine bedarfsdeckende Ernährung möglich wird oder wenn über

längere Zeit keine wesentlichen Verbesserungen der Schluckfähigkeit mehr erreicht

werden konnten (vgl. Hotzenköcherle 2003: 29).

Bezogen auf die Behandlung von Schluckstörungen nach RCT ergibt sich dahingehend

einen Unterschied, als dass die therapeutischen Massnahmen helfen, die entstandenen

anatomischen und funktionellen Defekte zu kompensieren. Eine Restitution zum Status

vor der Bestrahlung ist aufgrund der Sensibilitätsstörungen und Bewegungseinschrän-

kungen, welche die Nebenwirkungen mit sich bringen, oftmals nicht möglich (vgl. Seidl

und Schultheiss 2013: 22). Beispielsweise ist bei reduzierten Kieferbewegungen, wel-

che als Spätfolge durch fibrinöse Verwachsungen entstanden sind, eine diätetische An-

passung notwendig. Bei Problemen der pharyngealen Kontraktion oder Verengungen

des Rachens werden Bolusvolumen und Viskosität der Störung angepasst und im Be-

darfsfall mit kräftigem Schlucken kombiniert. Treten im Verlauf der RCT erhebliche

Nebenwirkungen wie Mukositis, schmerzhafte Ödeme oder Schleimhautveränderungen

auf, wird oftmals eine Therapiepause notwendig, und die Therapie kann erst mit deren

abklingen fortgeführt werden (vgl. Hotzenköcherle 2003: 28; Bartolome 2006: 400).

Diese Pausen gilt es jedoch soweit als möglich zu verhindern, damit die Schluckfähig-

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Logopädische Therapie bei strukturell-organischen Schluckstörungen 17

keit nicht verloren geht. Mit dem Abklingen der Nebenwirkungen können Patienten

unter Umständen schon nach kurzer Zeit wieder klinisch gut schlucken, während andere

aufgrund der Sensibilitätseinbussen für längere Zeit auf therapeutische Hilfe angewie-

sen sind (vgl. Hotzenköcherle 2003: 28).

Darum ist optimalerweise auch der Zeitpunkt des Behandlungsbeginns anders zu setzen:

Während diese bei den übrigen Schluckstörungen erst bei einsetzender Symptomatik

eingeleitet wird, sollte die Therapie bei zu bestrahlenden Patienten bereits vor dem Auf-

treten von Schluckschwierigkeiten beginnen (vgl. Hotzenköcherle 2003: 28; Murphy

und Gilbert 2009: 35; Seidl und Schultheiss 2013: 23; Bartalome 2006: 400). Ziel und

Zweck dieses präventiven Vorgehens, auf welches in Kapitel 4 noch näher eingegangen

wird, ist einerseits eine Dysphagie-Beratung im Hinblick auf eine realistische Einschät-

zung kommender Schwierigkeiten durch den Patienten (und seinen Angehörigen). An-

dererseits wird der Patient zum präventiven Üben der Zungen- Kiefer- und Kehlkopf-

muskulatur im Sinne von restituierenden Massnahmen aufgefordert. Dies, um der Fib-

rosierung der bestrahlten Muskulatur entgegen zu wirken und damit die Bewegungs-

amplituden der am Schlucken beteiligten Organe zu erhalten (vgl. Hotzenköcherle

2003: 24).

Krisciunas et al. (2012) untersuchten in ihrer Studie die gängige Praxis bei der Behand-

lung von Schluckstörungen von Hals-Kopf-Tumorpatienten. Dazu wurde ein Fragebo-

gen mit 19 Fragen über das Internet an alle Speech-Language-Pathologists in den USA

verschickt, welche mit dieser Klientel arbeiten. 759 beantwortete Fragebogen wurden

ausgewertet und analysiert. „A lack of uniformity and consensus regarding best prac-

tices was apparent“ (Krisciunas et al. 2012: 538). Es zeigte sich, dass lediglich 18,3%

der Therapeuten proaktive Therapie, also Intervention vor oder während der RCT ohne

vorliegende Dysphagie, durchführten. Knapp die Hälfte (46,9%) der Therapeuten be-

handelte Dysphagien in Form einer reaktiven Therapie, starteten die Intervention also

erst, wenn die Patienten eine Dysphagie entwickelten nach Beendung der RCT. Erstaun-

licherweise zeigte sich ferner, dass Therapeuten mit mehr als fünf Jahren Berufserfah-

rung dreieinhalbmal so oft proaktiv arbeiteten, verglichen mit weniger erfahrenen

Therapeuten. Entwickelte sich während der RCT eine Dysphagie, starteten ca. 70% der

Therapeuten mit einer logopädischen Therapie, 30% verschoben die Intervention auf die

Zeit nach Beendung der RCT. Inhalte der Therapie waren mehrheitlich (64,6%) kom-

pensatorische Manöver. Dies oftmals kombiniert mit Stretchübungen, Schluckmanövern

und restituierenden Verfahren.

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Logopädische Therapie bei strukturell-organischen Schluckstörungen 18

Ein Konsensus bezüglich Zeitpunkt, Art, Frequenz und Intensität der Therapie besteht

zurzeit nicht. Der Nutzen präventiver Therapie scheint noch nicht erkannt, aber die

Dringlichkeit der Therapie bei vorliegender Dysphagie scheint klar. Gründe dafür sehen

die Autoren im fehlenden Vorhandensein von Studien, welche klare Richtlinien vorge-

ben (vgl. Krisciunas et al. 2012: 546).

3.4 Evidenz

Während es nach strengen wissenschaftlichen Kriterien bisher noch keinen gesicherten

Nachweis über die Wirksamkeit der Funktionellen Dysphagietherapie als Ganzes gibt,

existieren dafür nicht-randomisierte Vergleichsstudien mit grösseren Stichproben, nach

welchen sich 55-80% der sondenabhängigen Patienten nach einer Dysphagietherapie

wieder vollständig oral ernähren konnten (vgl. Bartolome 2006: 360). Überdies gibt es

gut angelegte quasi-experimentelle und nicht-experimentelle Studien an kleineren

Gruppen (auch zur Gruppe der Kopf-Hals-Tumore) oder Einzelfällen, die den Effekt

bestimmter Massnahmen im Hinblick auf die Schluckfunktionen belegt haben. Dennoch

weisen Wuttge-Hannig und Hannig (2006: 151) darauf hin, dass das Überleben der Tu-

morpatienten bei bestehender Dysphagie dank der beschriebenen Therapieverfahren

„deutlich verlängert“ werden kann. Der Durchführung von Studien, sind wie bei vielen

anderen Therapieverfahren auch, ethische Grenzen gesetzt, welche eine Durchführung

mit einer Kontrollgruppe kaum ermöglichen.

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Präventives Schlucktraining bei RCT 19

4 Präventives Schlucktraining bei RCT

Wie bereits an mehreren Orten erwähnt, besteht seit einigen Jahren eine relative Einig-

keit, dass die Funktionelle Dysphagietherapie bei zu bestrahlenden Patienten so früh als

möglich bzw. bereits vor dem Auftreten von Schluckschwierigkeiten eingeleitet werden

sollte. Dies, um Früh- und Spätschäden der RCT in Form einer Dysphagie vorzubeugen

oder so gering wie möglich zu halten (Seidl und Schultheiss 2013: 33). Ferner sollten

die Patienten und ihre Angehörigen über die Anzeichen und Gefahren einer Schluckstö-

rung frühzeitig Bescheid wissen, um sich bei einer allfälligen Verschlechterung recht-

zeitig zu melden. Denn der Beginn einer Schluckstörung ist bei RCT unvorhersehbar.

Manche entwickeln nie eine Dysphagie, manche während oder kurze Zeit nach der Be-

strahlung und manche erst nach Jahren. Aufgrund dieser Erfahrung entwickelte sich der

präventive Ansatz.

Im Folgenden wird in den Unterkapiteln genaueres zum Inhalt, der Compliance und der

derzeitigen Evidenzlage erläutert. Die Zusammenstellung eines Übungsprogramms, das

auf der bestehenden Studienlage aufbaut, soll die Arbeit abschliessend ergänzen.

4.1 Inhalte

Die Inhalte des Präventionsprogramms bestehen aus restituierenden und kompensatori-

schen Verfahren. Konkret sollten Patienten mit einem Übungsprogramm bestehend aus

Motilitätsübungen der Zunge, der Kehlkopfhebung, des Kiefers und gegebenenfalls

auch der Rachenmuskeln frühzeitig, das heisst bereits während der RCT, beginnen (vgl.

Bartolome 2006: 400). Um Langzeitfolgen vorzubeugen, wird ferner empfohlen, diese

Bewegungsübungen nach der radiologischen Behandlung über einen längeren Zeitraum

fortzusetzen (vgl. Bartolome 2006: 400; Hotzenköcherle 2003: 28; Lazarus 2009: 176).

Konkret sollen der Bewegungsradius, die Kraft und die Sensibilität der für den

Schluckakt notwendigen Strukturen durch die Übungen erhöht werden. Dies, da sie

durch die radiogenen Schäden in ihrer Funktion wieder eingeschränkt werden können

und somit die Gefahr einer Dysphagie steigt. Die Übungen dienen dazu, die beschriebe-

nen Schluckpathologien zu vermeiden oder in ihrer Ausprägung zu reduzieren. Auf-

grund der muskulären Veränderung und anderer Nebenwirkungen, welche die RCT be-

wirkt, reduziert sich die Schluckfrequenz der Patienten. Infolgedessen werden diese

Muskeln wiederum schwächer und atrophieren, was zu funktionellen Schluckdefiziten

führen kann. Die Autoren postulieren daher, dass durch ein aktives Schlucktraining die

oropharyngealen Muskelfunktionen aufrechterhalten bleiben; denn eine (vor)trainierte

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Präventives Schlucktraining bei RCT 20

Muskulatur kann möglichen Einbussen besser standhalten und kompensatorisch einge-

setzt werden bei einer Struktur, die aufgrund fibrotischer Prozesse nicht mehr beweglich

ist (vgl. Kotz et al. 2012: 381). „Hat eine posttherapeutische Bewegungsstörung oder

Fibrosierung eingesetzt, kann diese auch durch eine intensive funktionelle Therapie nur

wenig geändert werden“ (Seidl und Nusser-Müller-Busch 2007: 850).

Das bestenfalls zweiteilige präventive Programm besteht einerseits aus einer Dyspha-

gie-Beratung, um dem Patienten (und seinen Angehörigen) Hinweise hinsichtlich kom-

mender Schwierigkeiten in Bezug auf das Schlucken und die Stimme zu erläutern und

um die wichtigsten Anzeichen einer Schluckstörung zu klären (vgl. Hotzenköcherle

2003: 24). Die Patienten sollten wissen, wann sie sich bei wem melden können bei Ver-

schlechterungen. Ferner sollten die Patienten innerhalb dieses Beratungsgesprächs über

die Wichtigkeit informiert werden, trotz Schmerzen und weiteren Nebenwirkungen die

Schluckaktivität (im Sinne der peroralen Nahrungsaufnahme) aufrecht zu erhalten, da-

mit sich die Muskulatur durch die Inaktivität nicht zurückbildet (vgl. Duarte et al. 2013:

882). Zweiter Bestandteil des präventiven Programms ist ein individuell zusammenge-

stelltes Übungsprogramm zur Stärkung der Zungen-, Kiefer- und Kehlkopfmuskulatur.

Optimalerweise findet dieser erste Termin vor dem ersten Bestrahlungstermin statt. Ab

diesem Termin sollten die Patienten mit dem regelmässigen Durchführen der Übungen

beginnen.

Hinsichtlich der Compliance bzw. der Motivation der Patienten, das Übungsprogramm

durchzuführen, zeigen sich deutliche Schwierigkeiten, denn die Patienten fühlen sich oft

auf physischer und psychischer Ebene nicht in der Lage, das Training regelmässig

durchzuführen (vgl. Hotzenköcherle 2003: 26). Konkret führen Schmerzen, Müdigkeit

und Nausea, welche aufgrund der Nebenwirkungen auftauchen, fehlende Motivation,

emotionale Probleme, mangelndes Verständnis für die Wichtigkeit der Schluckübungen

oder Zeitmangel oft zu ungenügender Compliance. Umgekehrt können sich soziale As-

pekte, wie motivierende und unterstützende Worte aus dem sozialen Umfeld oder spür-

bare Verbesserungen, welche die Patienten durch die Übungen bemerken, positiv auf

die Compliance auswirken. Manche fühlen sich überdies motiviert und bestärkt, selber

etwas zu ihrem Genesungsprozess beitragen zu können. Eine schwierige Aufgabe der

Therapeutin besteht daher darin, den Patienten zum Übernehmen von Eigenverantwor-

tung und zu Kooperationsbereitschaft zu ermuntern, damit die Übungen regelmässig

durchgeführt werden und ihren Zweck erfüllen. Der Umfang des Übungsprogramms

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Präventives Schlucktraining bei RCT 21

sollte daher realisierbar im Umfang sein und im Vorfeld dem Patienten verständlich

formuliert und erklärt worden sein.

Krisciunas et al. (2012: 545) fanden in ihrer bereits beschriebenen Studie heraus, dass

die Compliance sowohl bei milden als auch bei schweren Dysphagien deutlich besser

war, wenn ein strenges Heimprogramm (7 Tage/Woche à 30 Minuten/Tag) verschrieben

wurde. Dieser Effekt konnte auch bei (noch) nicht-dysphagischen Patienten beobachtet

werden, welchen ein präventives Übungsprogramm verschrieben wurde. Die Autoren

vermuten, dass die Patienten die Problematik ernster nehmen bei einem strengeren Pro-

gramm. Ferner kann es bei täglicher Frequenz besser mit einer alltäglichen Routine ver-

bunden werden. Studien zur optimalen Frequenz und Intensität für diese Patientengrup-

pe fehlen jedoch noch (vgl. Kriscunias et al. 2012: 546).

Regelmässige Termine beim Therapeuten scheinen daher wichtig, um die Patienten zum

Üben und Essen zu motivieren, bei Verschlechterungen Diätanpassungen vorzunehmen,

Fortschritte aufzuzeigen, allfällige Fragen zu beantworten sowie die Ausübung der

Übungen zu kontrollieren. Duarte et al. (2013: 882) machen in ihrer Studie darauf auf-

merksam, dass es ein kritisches Zeitfenster gäbe während der frühen RCT, wenn die

Nebeneffekte so stark sind, dass die Lust und die Fähigkeit der Patienten weiter zu

schlucken, limitiert wird. Hören die Patienten während dieser Zeit auch nur für kurze

Periode auf zu schlucken und zu üben, führe dies zu einer verlängerten Dysphagie. Eine

gute Compliance ist daher sehr wichtig für den Erfolg der Therapie.

Konkrete Angaben in der Literatur, wie lange die Übungen nach Beendung der RCT

weiter durchgeführt werden sollten, sind schwierig zu finden. Konsens besteht jedoch,

dass „swallowing exercises are likely needed long after completion of radiotherapy“

(Duarte et al. 2013: 882). Dies, um den Langzeitfolgen der RCT entgegenzuwirken.

4.2 Evidenz

Grundsätzlich konnte in den letzten Jahren durch zahlreiche Studien belegt werden,

dass das tägliche präventive Durchführen von Schluckübungen während und nach der

RCT kurzfristig, also bis zu sechs Monate nach Beendung der RCT, positive Effekte auf

den Erhalt der Schluckfähigkeit hat (vgl. Carnaby-Mann et al. 2012; Duarte et al. 2013;

van der Molen et al. 2011; Caroll et al. 2008). Folglich wurde präventives Schlucktrai-

ning bereits zum Standard innerhalb verschiedener medizinischer Zentren. Für die lang-

fristigen Effekte, also bis zu Jahren nach Beendung der RCT, besteht nur limitierte Evi-

denz und bedarf es weiterer Forschung.

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Präventives Schlucktraining bei RCT 22

Bei der Literatursuche zeigte sich, dass es zwar bereits sehr viele Studien zu dieser

Thematik gibt, der Vergleich zwischen den verschiedenen Studien erwies sich jedoch

teilweise als schwierig, da nicht alle dieselben Inklusionskriterien hinsichtlich Tumor-

art, Art und Zeitspanne der RCT sowie Inhalte und Intensität des Übungsprogramms

erfüllten. Ferner umfassten alle Studien einen relativ kleinen Patientenkreis (sample

size), hohe Ausfallquoten (drop-outs) und die Compliance war überdies schlecht. Dies

beeinflusste insgesamt die Resultate (wahrscheinlich negativ), widerspiegelt die Realität

jedoch gut.

Es folgt die genaue Beschreibung von zwei randomisierten, kontrollierten Studien. Die-

ses Studiendesign ist im Vergleich zu Kohortenstudien, von welchen bereits diverse

erschienen sind zu diesem Thema, nachweislich das Beste für eindeutige wissenschaft-

liche Aussagen. Abschliessend folgt die Beschreibung einer aktuellen systematischen

Übersichtsarbeit.

Ziel der ersten randomisierten, prospektiven Studie zu diesem Thema von van der Mo-

len et al. (2011) war es, den Effekt von präventivem Training auf die Schluckfähigkeit

und die Mundöffnung zu untersuchen. Dazu verglichen sie den Effekt zweier unter-

schiedlicher Präventionstrainings bei 49 Patienten mit fortgeschrittenen Hals-Kopf-

Tumoren. Bemerkenswerterweise ist es in den Niederlanden nicht länger ethisch zuläs-

sig, einer Patientengruppe diese Form der Prä-Rehabilitation vorzuenthalten, weshalb

keine Kontrollgruppe zugelassen wurde. Die erste Gruppe übte Standardschluckübun-

gen, welche relevant für die am häufigsten beobachtbaren Schluckpathologien sind:

Kieferstretchübungen, Zungenbasisstretch (in Form von Gurgeln), kräftiges Schlucken,

Masako-Manöver und das Super-supraglottische Schlucken. Die zweite Gruppe, die

Experimentalgruppe, übte dagegen mit dem TheraBite, einem portablen, medizinischen

Gerät zur Behandlung von Trismus und mandibulärer Hypomobilität, durch Stretchen

und Stärken dieselben Schluck- und Kiefermuskeln wie die Standardgruppe. Die Auto-

ren vermuteten eine bessere Toleranz und Compliance bei der Experimentalgruppe, da

das TheraBite - im Vergleich zur Durchführung der verschiedenen, komplexen

Schluckmanöver der Standardgruppe - einfach(er) zu handhaben sei (vgl. van der Mo-

len et al. 2011: 159). Die Patienten beider Gruppen wurden aufgefordert, während und

nach der Zeitspanne der Bestrahlung, drei Mal täglich zu üben. Die Stretchübungen

sollten für 10-30 Sekunden gehalten werden und die Schluckübungen sollten unter-

schiedlich zwischen 3-10 Mal wiederholt werden. Getestet wurden alle Patienten vor

Beginn der RCT sowie zehn Wochen danach anhand von Videofluoroskopie, Mundöff-

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Präventives Schlucktraining bei RCT 23

nungsmessung sowie Fragebögen. Insgesamt empfanden 90% der Patienten die Übun-

gen als hilfreich. Die Übungen wurden durchschnittlich an vier Tagen pro Woche

durchgeführt, was nach den Autoren als „acceptable“ bewertet wurde (vgl. van der Mo-

len et al. 2011: 162). Frauen übten dabei deutlich häufiger als Männer. Zudem übten die

Patienten der Standardgruppe erstaunlicherweise signifikant mehr als diejenigen der

Experimentalgruppe. Dies könnte jedoch nach van der Molen et al. (2011: 163) auch

daran liegen, dass der Frauenanteil in der Experimentalgruppe (N=1) sehr tief lag im

Vergleich zur Standardgruppe (N=9). Trotz dieses Umstandes, zeigten die beiden Grup-

pen ähnliche Resultate in den nachfolgenden Untersuchungen. Die Experimentalgruppe

zeigte gar signifikant weniger Residuen beim Schluckversuch mit Kuchen, was dafür

spricht, dass ihre pharyngeale Muskulatur stärker für das Ausüben von Clearing-

Manövern war (vgl. van der Molen 2011: 163). Verglichen mit früheren Verlaufsdaten

aus ihrem Institut, konnten ferner eine tiefere PEG-Sondenabhängigkeit beider Gruppen

nach Beendung der RCT sowie weniger funktionelle Beeinträchtigungen beobachtet

werden (vgl. van der Molen et al. 2011: 155).

Zusammenfassend folgern die Autoren, dass beide Übungsprogramme gleich effizient

scheinen, und das Ausmass sowie der Schweregrad von funktionellen Problemen nach

RCT reduziert werden kann. Schluckprobleme und Trismus können jedoch nicht wirk-

sam vermieden werden (vgl. van der Molen et al. 2011: 165). Präventives Üben ist je-

doch realisierbar, akzeptable Compliance erreichbar und dies trotz der grossen Belas-

tung der RCT. „Preventive rehabilitation (regardless of the approach) (...) is feasible and

(...) seems helpful in reducing the extent and/or severity of various functional short-term

effects of RCT“ (van der Molen et al. 2011: 155).

In der randomisierten, klinischen Studie von Carnaby-Mann et al. (2012) wurde die Ef-

fektivität eines präventiven Übungsprogramms („phayngocise“) untersucht. Dazu wur-

den 58 Patienten mit einem Hals-Kopf-Tumor und RCT randomisiert einer der drei fol-

genden Gruppen zugeordnet: einer üblichen Dysphagiebehandlung (n=20), einer

Schein-Schluckbehandlung (n=18) oder der aktiven, hochintensiven Schluckbehandlung

„Pharyngocise“ (n=20) genannt. Bei der üblichen Dysphagiebehandlung wurde den

Patienten bei Schluckproblemen eine logopädische Intervention im Sinne von kompen-

satorischen und diätischen Massnahmen angeboten. Die Patientengruppe der Scheinbe-

handlung erhielt ein Übungsprogramm, in welchem sie die bukkale Extension trainier-

ten sowie angemessene diätische Massnahmen erhielten. Diese Scheinbehandlung er-

hielten sie zweimal täglich von einem Speech-Language-Pathologist (SLP) während der

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Präventives Schlucktraining bei RCT 24

ganzen Bestrahlungszeit. Die Patienten der Pharyngocise-Gruppe erhielten ebenfalls ein

Übungsprogramm, jedoch mit verschiedenen schluckrelevanten Übungen (z.B. Falsetto,

Zungenpressen, hartes Schlucken und Kieferresistenz/-stärkung mit dem Therabite)

sowie angemessene diätische Anpassungen. Die Interventionen fanden ebenfalls zwei-

mal täglich mit einem SLP während der ganzen Bestrahlungsdauer statt. Das Übungs-

programm führten die Patienten zusätzlich zu Hause durch jeweils zwischen den beiden

Therapieinterventionen. Ziel der Studie war es, einerseits die Veränderung der Muskel-

grösse und –komposition von schluckrelevanten Muskeln zu beobachten und zum an-

dern die funktionelle Schluckfähigkeit zu beurteilen. Getestet wurden alle Patienten vor

Beginn der Bestrahlung, nach deren Beendung und sechs Monate später anhand ver-

schiedener Fragebögen, klinischer und instrumenteller Schluckdiagnostik sowie eines

MRI-Bildes.

Die Ergebnisse zeigten, dass sich bei allen Gruppen die Muskeln abbauten während der

RCT. Bei der Gruppe, welche die aktive Schluckbehandlung erhielt, fand jedoch weni-

ger struktureller Abbau der Muskeln statt. Dies konnte bei den Muskeln Genioglossus,

Hypoglossus und Mylohyiod, welche für das Schlucken von zentraler Bedeutung sind,

über die MRI-Bilder nachgewiesen werden. Ebenso zeigten sich weniger funktionelle

Schluckbeschwerden, eine bessere Mundöffnung, ein besserer Speichelfluss sowie ein

besserer Geschmackssinn bei der Pharyngocise-Gruppe im Vergleich zu den beiden

Kontrollgruppen. Es kann daraus geschlossen werden, dass eine aktive Schluckbehand-

lung während der RCT sich positiv auf den Muskelerhalt und die funktionelle Schluck-

fähigkeit auswirkt. Die MRI-Ergebnisse der Scheingruppe zeigten bessere Werte als die

der Standard-Behandlungsgruppe. Dies, so vermuten die Autoren, „can be ascribed to a

placebo effect of behavioral attention or to the affect of attenuated movement“ (Carna-

by-Mann et al. 2012: 219). Eine weitere, grössere Studie ist geplant, um den Unter-

schied einer geringen und hochintensiven Pharyngocise-Intervention zu prüfen. Die

Compliance für das Heim-Übungsprogramm lag bei 68%.

In einer systematischen Übersichtsarbeit (systematic review) von Kraaijenga et al.

(2014) untersuchten die Autoren die zehn aktuellsten Studien (von 2012 bis 2014) zur

präventiven Therapie von Dysphagie bei RCT. Auch sie stellten fest, dass durch mehre-

re Studien gezeigt werden konnte, dass sich während der RCT gezielte Schluckübungen

und die Nicht-Vermeidung von Zeiten, in welchen nichts peroral eingenommen wird,

positiv auf den Erhalt der Schluckmuskulatur und der –fähigkeit ausüben (vgl.

Kraaijenga et. al 2014: 160). Weiter schlussfolgerten sie, dass die Patienten neben den

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Präventives Schlucktraining bei RCT 25

präventiven Übungen ein präventives Beratungsgespräch erhalten sollten (vgl.

Kraaijenga et. al 2014: 160). Zudem betonten sie einen zusätzlichen wichtigen Faktor,

welcher innerhalb dieser Arbeit noch nicht erwähnt wurde: „Functional success is best

achieved with a multidisciplinary team including speech-language-pathologists, who

play a indispensible role in (preventive) dysphagia rehabilitation“ (Kraaijenga et al.

2014 : 161). Während man sich über den Umstand, dass präventives Schlucktraining

effizient ist, weitgehend einig ist, besteht jedoch noch grosse Uneinigkeit darüber, wie

lange die Übungen im Anschluss an die RCT durchgeführt werden sollten und welche

Übungen überhaupt in welcher Intensität Inhalt des Übungsprogramms sein sollten,

damit neben der erwünschten dysphagiebezogenen Effekten eine gute Compliance er-

reicht werden kann. „There is still no uniform „gold-standard“ for either assessment or

treatment strategies“ (Kraaijenga et al. 2014: 162). Angesichts des steigenden Interesses

und Bewusstseins für die Nützlichkeit einer therapeutischen Intervention seitens der

Therapeuten und Ärzte sind daher noch weitere Studien nötig, um die optimalsten Set-

tings zu bestimmen.

4.3 Zusammenstellung eines Therapieprogrammes

Für die Zusammenstellung eines Therapieprogrammes wurden die Übungen so ausge-

wählt, dass sie übereinstimmen mit den Symptomen, welche in Kapitel 2.2 als die häu-

figsten beschrieben wurden. Dazu gehören (zur Erinnerung): ungenügende Zungenba-

sisretraktion, geschädigte Epiglottisbewegung, ungenügende Pharynxkontraktion und

reduzierte Kehlkopfhebung bzw. deren Folgeerscheinungen. die Verlangsamung des

Bolustransportes, eine Verspätung oder Ausbleiben des Schluckreflexes, Speiseresiduen

sowie die Aspiration. Zudem wurde darauf geachtet, dass die Übungen für den Patien-

ten leicht durchführbar sind und zumindest teilweise wissenschaftlich auf ihren Effekt

hin untersucht wurden. Die Übungen fokussieren auf die Strukturerhaltung sowie die

Verbesserung der Mobilität und Motilität der Zungenbasis, ferner auf den pharyngealen

Konstriktor, die hyolaryngealen Elevation und Anteriorbewegung sowie die Luftröhren-

schliessung und die obere ösophageale Sphinkteröffnung. Von Kieferstretchübungen

mit dem TheraBite wurde abgesehen, da die Anschaffung dieses Geräts zu Mehrkosten

führen würde und deren Effekt nicht wissenschaftlich belegt ist (vgl. van der Molen

2011). Konkrete Übungen bestehen aus: Zungenbasis(retraktions)bewegungen (kräfti-

ges Schlucken, Masako-Manöver, gurgeln und gähnen), hyolaryngeale Elevation/ obere

ösophageale Sphinkteröffnung (Kehlkopfelevation, Mendelsohn-Manöver) und Luftröh-

renschliessungsübungen (Super-supraglottisches Schlucken). Ziel dieser Auswahl ist es,

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Präventives Schlucktraining bei RCT 26

auf verschiedene Weisen den Transport von Flüssigkeiten, Speichel oder fester Nahrung

über die Zungenbasis und Pharynx zur Speiseröhre zu verbessern sowie verbesserte

Bedingungen zum Beseitigen von pharyngealen Residuen zu trainieren. Möglicherweise

lassen sich nicht mit allen Patienten alle Übungen von Beginn an korrekt durchführen.

Eine individuelle Anpassung ist daher sinnvoll und notwendig und kann im Verlauf

verändert werden.

Das Übungsprogramm besteht aus sieben Übungen, entnommen aus Bartolome und

Schröter-Morasch (2006) und Hotzenköcherle (2003), welche täglich drei Mal durchge-

führt werden sollten. Dabei gilt der Grundsatz: „to achieve good compliance and thus

better results, training programs must be realistic“ (van der Molen et al. 2011: 163).

Von den sieben Übungen, sind nach der Aufteilung von Bartolome (2006: 330) drei

spezielle Schlucktechniken, welche „höhere Anforderungen an die Kooperationsfähig-

keit des Patienten“ (Bartolome 2006: 330) stellen. Diese Schlucktechniken können ver-

schiedene Aspekte der pharyngealen Motorik modifizieren und verbessern nicht nur das

Ausmass der pharyngealen Bewegungsstruktur, sondern auch das Timing und die Koor-

dination dieser Bewegungen während des Schluckaktes (vgl. Lazarus 2009: 175). Dazu

zählen das kräftige Schlucken, das super-supraglottische Schlucken und die Men-

delsohn-Manöver.

Die Übungen sollen drei Mal täglich zehn Mal wiederholt werden. Die Reihenfolge soll

dabei stets etwas variiert werden, da die ersten Übungen durchschnittlich mit mehr

Sorgfalt und Kraft durchgeführt werden. „There are no available research data on swal-

lowing exercise dosage“ (Kotz et al. 2012: 337). Diese Übungsfrequenz wird jedoch

von verschiedenen Autoren vorgeschlagen (vgl. Duarte et al. 2013; Kotz et al. 2012; van

der Molen et al. 2011), da es machbar und effizient scheint. Ferner können die Übungen

an Frühstück, Mittagessen und Nachtessen gebunden werden. Für diese Dosierung spre-

chen auch die bereits besprochenen Ergebnisse der Studie von Krisciunas et al. (2013)

zur besten erreichbaren Compliance. Viele Autoren versprechen sich ferner eine bessere

Compliance, wenn zusätzlich ein Protokoll geführt wird, wann die Patienten die Übun-

gen durchgeführt haben. Das Trainingsprogramm soll in einer ersten Therapiesequenz

ca. eine oder zwei Wochen vor Bestrahlungsbeginn zusammen mit einem Beratungsge-

spräch eingeführt werden. Je nach Verlauf empfehlen sich regelmässige Therapiese-

quenzen. Das Therapieprogramm sollte sicherlich bis zur Beendung der Bestrahlung

und bei genügender Motivation seitens des Patienten noch länger durchgeführt werden.

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Präventives Schlucktraining bei RCT 27

Es folgt nun eine Beschreibung der sieben Übungen und anschliessend eine Beschrei-

bung von deren Wirkweise.

Gähnen: Den Kiefer rotieren und dann zwei bis drei Mal kräftig gähnen.

Gurgeln: Einen Schluck Wasser während zehn Sekunden gurgeln.

Kräftiges Schlucken: Aufforderung, mit der ganzen Kraft der Mund- und Halsmuskula-

tur möglichst hart zu schlucken.

Masako-Manöver: Aufforderung, die Vorderzunge mit den Lippen oder den Zähnen

festzuhalten und dann zu schlucken.

Mendelsohn-Manöver: Aufforderung, zu schlucken und den Kehlkopf zwei Sekunden

lang vorne oben zu halten. Als Hilfestellung kann der Finger den Kehlkopf berühren.

Alternativ hilft auch die Vorstellung, den Laut „k“ lange tonlos zu sprechen.

Kehlkopfhebung: Aufforderung, „la“ singend in die Tonleiter hinaufzuschleifen und

dabei die Bewegung des Kehlkopfes wahrnehmen.

Super-supraglottisches Schlucken: Aufforderung, den Atem sehr fest anzuhalten, dann

zu schlucken, dann zu husten und danach leer nachzuschlucken.

Zur Wirkweise erfolgt eine kurze Wiederholung des physiologischen Schluckvorgangs

ab der pharyngealen Phase, um die Mechanismen der Übungen einfacher beschreiben zu

können (vgl. Bartolome 2006: 304). Mit Beginn der Schluckreflexauslösung stösst die

Zunge mit einer kräftigen Retraktionsbewegung die Nahrung in den Pharynx, wobei

sich die Zungenbasis zur Rachenhinterwand bewegt. Die Zungenbasis gilt als unterster

Zungenabschnitt, welcher vom weichen Gaumen bis zu den Valleculae reicht. „Eine

kraftvolle Zungenbasisretraktion bewirkt einen verbesserten Transport des Bolus und

hat Einfluss auf die Öffnung des oberen ösophagealen Sphinkters“ (Hotzenköcherle

2003: 91). Ist die Zungenbasisretraktion hingegen ungenügend, führt dies zu einer redu-

zierten Propulsion des Bolus in den Pharynx sowie einer reduzierten Larynxelevation,

was zu Residuen in den Valleculae und in den Sinus priformis führt. Neben der Gähn-

übung, welche die pharyngealen Räume weitet und somit relaxierend auf die betroffene

Muskulatur wirkt, konnten Gurgelübungen als beste Übung für die Zungenbasisretrakti-

on nachgewiesen werden (vgl. Bartolome 2006: 307, zitiert nach Veis et al. 2000).

Kommt es zu Störungen der Pharynxkontraktion, wird die Transportfunktion beein-

trächtigt und es können Bolusrückstände an der Rachenwand hängen bleiben. Durch die

Übung kräftiges Schlucken verbessern sich die Zungenbasisretraktion und der pha-

ryngeale Druck (Pharynxkontraktion) während des Schluckens. Dadurch können Resi-

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Präventives Schlucktraining bei RCT 28

duen in den Valleculae besser hochgebracht werden (Clearingmanöver) (vgl. Bartolome

2006: 330). Das Masako-Manöver bewirkt eine verstärkte Vorwölbung der Rachenhin-

terwand. Diese beiden Übungen (kräftiges Schlucken & Masako-Manöver) sind erwie-

senermassen am effizientesten für das Zusammenspiel von Zungenbasisretraktion und

Pharynxkontraktion bei Hals-Kopf-Tumorpatienten (vgl. van der Molen 2011: 159 nach

Lazarus 2002). Durch die fast zeitgleich stattfindende Verschiebung des Kehlkopfes

nach vorne oben kommt es zu einer Erweiterung des Rachenraums, wodurch die Bo-

luspassage erleichtert wird. Wird der Larynx jedoch ungenügend, zu spät oder über-

haupt nicht nach vorne oben gezogen, kann es zur Penetration oder Aspiration kommen.

Eine gestörte Kehlkopfhebung ist häufig mit Öffnungsstörungen des oberen Ösopha-

gussphinkter verbunden (vgl. Bartolome 2006: 318). Während des Schluckens geschieht

die Kehlkopfhebung reflektorisch. Mit dem Mendelsohn-Manöver kann die willkürliche

Kehlkopfhebung in Dauer und Ausmass, ohne zu schlucken, trainiert werden. Dadurch

werden das Ausmass und die Länge der hyolaryngealen Bewegung gesteigert und zu-

gleich die obere Ösophagussphinkteröffnung geweitet (vgl. Lazarus 2009: 175). Die

Übung „Kehlkopfhebung“ von Hotzenköcherle (2003: 94f.) zielt ebenfalls auf eine ra-

sche Larynxelevation ab und bewirkt zugleich eine Kontraktion der oberen Rachenmus-

kulatur.

Treten Probleme mit unvollständigem laryngealem Verschluss und / oder einer verzö-

gerten Schluckreflexauslösung auf, kann über die Übung „Super-supraglottisches

Schlucken“ der willkürliche Glottisschluss beim Schlucken verbessert werden. Das

kräftige Anhalten des Atems (Pressen) führt zu einem Taschenfaltenschluss, einer

Kippbewegung der Aryknorpel und damit zu einem besseren Verschluss des Kehlkopf-

eingangs auf der gesamten supraglottischen Ebene (vgl. Bartolome 2006: 332). Somit

kann das Risiko einer Penetration und Aspiration verringert werden. Zudem werden bei

dieser Übung auch die Zungenbasisbeweglichkeit sowie die Geschwindigkeit und das

Ausmass der Larynxelevation trainiert (vgl. Kotz et al. 2012: 377).

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Diskussion 29

5 Diskussion

In der vorliegenden Arbeit konnte aufgezeigt werden, dass Dysphagie als Folge der

RCT eine weit verbreitete, schwerwiegende und folgereiche Nebenwirkung ist. Zwar

konnten durch die Intensivierung der RCT bei Hals-Kopf-Tumoren nicht zuletzt auch

durch den Einsatz von IMRT eine höhere Lebenserwartung erreicht werden, anderer-

seits stieg damit auch die Zahl der Dysphagie-Patienten mit funktionellen Langzeitfol-

gen drastisch an. Diese wirkt sich als eine von vielen Nebenwirkungen der RCT negativ

auf die Lebensqualität und den Gesundheitsstatus aus und sollte daher frühzeitig erkannt

und behandelt oder zu vermeiden versucht werden (vgl. Seidl und Schultheiss 2013:

19). Wie durch Studien belegt werden konnte, ist die Prävalenz der Dysphagien hoch

und die Verläufe deuten nur auf einen bedingten Abklang der Symptome, wenn sie erst

einmal aufgetreten sind. Besonders eindrücklich konnten Hutcheson et al. (2012) in

ihrer Studie den Langzeitverlauf schwerer Dysphagien aufzeigen. Verbesserungen der

Schluckfähigkeit konnten im Verlauf keine beobachtet werden, die medizinischen Um-

stände verschlechterten sich in nahezu allen Fällen. Auf der anderen Seite konnten

Logemann et al. (2012) in ihrem Verlauf darstellen, dass bei milderen Dysphagien die

Symptome, nicht zuletzt auch mit Hilfe der Therapeutin, oftmals kompensiert werden

können und somit trotz beobachtbaren Schluckpathologien ein sicheres, aspirationsfrei-

es Schlucken möglich ist. Eine weitere wichtige Rolle bei Dysphagien spielt die orale

Nahrungszufuhr. Neben den medizinischen Folgen von Mangelernährung gilt es als

erwiesen, dass die Aufrechterhaltung der oralen Nahrungsaufnahme von zentraler Be-

deutung ist, um das Risiko einer PEG-Sondenabhängigkeit zu reduzieren oder baldmög-

lichst wieder eine bedarfsdeckende orale Nahrungszufuhr zu ermöglichen (vgl. Hutche-

son et al. 2013).

Während bei vorliegender Dysphagie gute Therapiekonzepte vorhanden sind, mehren

sich nun auch die Belege einer präventiven Dysphagietherapie. Die Studien umfassen

zwar oftmals nur kleine Probandenanzahlen, zeigen aber den Erfolg dieses Ansatzes

zumindest auf kurzfristige Sicht. Die Zahl der relevanten Dysphagien kann auf diese Art

und Weise reduziert werden, und die Schluckfunktionen optimiert werden. Während

man sich über diese Tatsache weitgehend einig ist, fehlt noch der „golden-standard“

bezüglich Frequenz, Inhalt und Zeitspanne eines solchen Übungsprogramms. Ferner

zeigen sich aus erklärbaren Gründen klare Grenzen in der Compliance der Patienten

beim Einhalten des Therapieprogramms. Trotz unseres Verständnisses als medizinische

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Diskussion 30

Dienstleister über die Wichtigkeit dieser Massnahmen ist es teilweise schwierig, die

Patienten zu motivieren, bei einer (noch) nicht-vorhandenen Dysphagie, täglich Übun-

gen auszuführen. Es stellt sich jeweils die Frage, wie diese Patienten dazu bewegt wer-

den können, während der ohnehin belastenden RCT so viel Zeit und Energie für präven-

tive Übungen aufzuwenden. Denn „we must not lose sight of the additional demand this

places on the individual patient and remain sensitive to how much some patients can or

cannot endure“ (Kotz et al. 2012: 381). Auf der anderen Seite können präventive

Schlucktrainings eine kostengünstige Alternative bieten, um medizinische Komplikati-

onen zu vermeiden und den Funktionserhalt zu begünstigen (vgl. Carnaby-Mann 2012:

219). Es stellt sich daher eine wichtige und schwierige Aufgabe für die Therapeuten, die

Patienten zu motivieren und zu unterstützen, aber nicht zu überfordern. Wichtig ist des-

wegen die Arbeit in interdisziplinären Teams, bestehend aus Ärzten, Pflege, Logopäden,

Ernhährungsberatung und ggf. Physiotherapeuten. Auf diese Weise gehört die Dyspha-

gietherapie zum standardmässigen Programm und wird vom Patienten nicht als zusätz-

liche Extramassnahme wahrgenommen.

Mit der in der Einleitung erwähnten steigenden Anzahl von jüngeren HPV-infizierten

Patienten, kann ferner davon ausgegangen werden, dass aufgrund des Alters eine besse-

re Compliance zu erwarten ist. Seitens der Therapeuten sollte unbedingt alles getan

werden, um langzeitlich die Fibroseschäden, die eine schwere Dysphagie auslösen kön-

nen, zu verhindern, denn diesen Patienten sollte noch ein langes Leben ohne gravieren-

de Schluckstörung ermöglicht werden.

Für meine eigene praktische Arbeit mit Hals-Kopf-Tumorpatienten konnte ich mit den

Ergebnissen dieser Arbeit ein Therapieprogramm erstellen, welches sich aus dem Ver-

gleich mit anderen Studien und aufgrund der häufigsten Symptome ergab. Neben einem

Übungsprogramm findet optimalerweise vor Beginn der RCT ein erstes Beratungsge-

spräch statt, welches über die Gefahren und Anzeichen der Dysphagie informiert und

die Wichtigkeit des Übungsprogramms und der Vermeidung von Phasen mit oraler

Nahrungskarenz unterstreicht. Ein erster Patientenkontakt ist damit hergestellt, weitere

Termine folgen im Ein- bis Zweiwochentakt und zwar individuell gestaltet nach den

physischen Konditionen des Patienten und dessen Motivation. Das Übungsprogramm

sollte mit dem Patienten durchgegangen und individuell angepasst werden. In einem

zusätzlichen Protokoll soll der Patient dokumentieren, wann er die Übungen jeweils

durchgeführt hat.

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Diskussion 31

Ich hoffe mit der vorliegenden Arbeit und dem bevorstehenden praktischen Arbeiten

mit dem Übungsprogramm den Hals-Kopf-Tumorpatienten eine bessere Perspektive

bieten zu können und Dysphagien vermeiden zu können.

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Curriculum Vitae 36

7 Curriculum Vitae

Persönliche Daten

Name Luzia Vischer

Geboren am 4.10.1988

Geburtsort Basel

Ausbildung

2013-2015 Master of Advanced Studies in Cranio Facial Kinetics Science an der

Medizinischen Fakultät der Universität Basel

2009-2012 Bachelorstudium Logopädie an der Universität Fribourg

2004-2007 Maturität am Gymnasium Oberwil

2000-2004 Progymnasium Therwil

1998-2000 Primarschule Therwil nach Zuzug aus Basel

1995-1998 Primarschule Münsterplatz, Basel

Berufliche Erfahrungen

Seit Juni 2013 Kantonsspital Graubünden, Abteilung Logopädie

10.2012-3.2013 Stellvertretung in der TSM (Tagesschule Münchenstein), Therapie-

und Schulzentrum für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen

1.2012-6.2012 Studienintegriertes Praktikum 40% im Hopital Fribourgeois (HFR) in

Meyriez-Murten und zu 40% im Primarschulhaus Plaffeien

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Danksagung 37

8 Danksagung

Ich bedanke mich ganz herzlich bei allen Menschen, welche mich in den letzten Mona-

ten bei der Entstehung dieser Arbeit unterstützt und motiviert haben.

Besondern Dank gilt meinem Betreuer Dr. med. et med. dent. Florian Thieringer, der

mich sehr kompetent beraten und unterstützt hat.

Ferner bedanke ich mich in aller Form bei Sabina Hotzenköcherle, welche mir als Ko-

ryphäe auf diesem Gebiet aus logopädischer Sichtweise sehr weitergeholfen hat. Durch

sie hat meine Arbeit an Expertenwissen gewonnen. Ihr Lektorat hat erneut viele neue,

wichtige Finessen ergeben, für welche ich sehr dankbar bin.

Zuletzt gilt mein Dank meinem Team in Chur, welches mich ebenfalls sehr unterstützt

hat und meinem Vater für seine aufmerksame Lektoratsarbeit.

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Anhang 38

9 Anhang

Die Logopädie ist für die Diagnostik und Therapie von Schluckstörungen zustän-

dig. Melden Sie sich wenn folgende Symptome auftreten:

- Unsicherheiten beim Schlucken

- Schwierigkeiten in der Nahrungsaufnahme

- Häufiges Husten (Verschlucken) beim Trinken oder Essen

- Nahrung bleibt im Hals liegen

Führen Sie alle Übungen 3x täglich mit 10 Wiederholungen (ausser gäh-

nen) täglich aus. Verändern Sie die Reihenfolge der Übungen gelegentlich.

Gurgeln: Gurgeln Sie einen Schluck für 10 Sekunden.

Kräftiges Schlucken: Schlucken Sie mit der ganzen Kraft der Mund- und

Halsmuskulatur möglichst hart.

Masako-Manöver: Halten Sie die Vorderzunge mit den Lippen oder den

Zähnen fest und schlucken dann.

Mendelsohn-Manöver: Schlucken Sie und halten Sie dabei den Kehlkopf

für zwei Sekunden lang vorne oben. Als Hilfestellung kann der Finger den

Kehlkopf berühren. Alternativ hilft auch die Vorstellung, den Laut „k“ lan-

ge tonlos zu sprechen.

Kehlkopfhebung: Singen Sie „la“ die Tonleiter hinauf so weit wie es geht,

nehmen Sie dabei die Bewegung des Kehlkopfes wahr.

Super-supraglottisches Schlucken: Halten Sie den Atem fest an, schlu-

cken, husten und schlucken Sie dann leer nach.

Gähnen: Rotieren Sie den Kiefer und gähnen Sie zwei bis drei Mal kräftig.

nach Bartolome (2006) & Hotzenköcherle (2003)

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Anhang 39

Woche 1

Montag

Woche 5

Montag

Dienstag Dienstag

Mittwoch Mittwoch

Donnerstag Donnerstag

Freitag Freitag

Samstag Samstag

Sonntag Sonntag

Woche 2

Montag

Woche 6

Montag

Dienstag Dienstag

Mittwoch Mittwoch

Donnerstag Donnerstag

Freitag Freitag

Samstag Samstag

Sonntag Sonntag

Woche 3

Montag

Woche 7

Montag

Dienstag Dienstag

Mittwoch Mittwoch

Donnerstag Donnerstag

Freitag Freitag

Samstag Samstag

Sonntag Sonntag

Woche 4

Montag

Woche 8

Montag

Dienstag Dienstag

Mittwoch Mittwoch

Donnerstag Donnerstag

Freitag Freitag

Samstag Samstag

Sonntag Sonntag

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Selbständigkeitserklärung 40

10 Selbständigkeitserklärung

Ich versichere, dass ich die Arbeit ohne fremde Hilfe und ohne Benutzung anderer als

der angegebenen Quellen angefertigt habe und dass die Arbeit in gleicher oder ähnlicher

Form noch keiner Prüfungsbehörde vorgelegen hat. Alle Ausführungen, die wörtlich

oder sinngemäß übernommen wurden, sind als solche gekennzeichnet.

Basel, 26.9.2015

(Luzia Vischer)