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Praxiswissen Vertrieb: Berufseinstieg, Tagesgeschäft und Erfolgsstrategien. 3. Auflage

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Martin Maas

Praxiswissen Vertrieb

Martin Maas

Praxiswissen Vertrieb Berufseinstieg, Tagesgeschaft und Erfolgsstrategien

3., erweiterte Auflage

GABLER

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet uber <http://dnb.ddb.de> abrufbar

1. Auflage2001 2. Auflage 2004 3., erweiterte Auflage April 2006

Alle Rechte vorbehalten © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr Th. Gabler I GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006

Lektorat: Margit Schlomski / Barbara Moller

Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.gabler.de

Das Werk einschlieRlich aller seiner Telle ist urheberrechtlich geschijtzt. Jede Verwertung aufterhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fur Vevielfaitigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. In diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und AAarkenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden durften.

Umschlaggestaltung: Nina Faber de.sign, Wiesbaden Satz: Satzwerk CbR, Dreieich Druck und buchbinderische Verarbeitung: Wilhelm & Adam, Heusenstamm Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany

ISBN-10 3-8349-0272-1 ISBN-13 978-3-8349-0272-6

fijr Charlotte und AAurielle (unverkauflich)

Vorwort zur dritten Auflage

Der wirtschaftliche Umbruch, die Verlagerung von Markten sowie die Europaisierung sind in vollem Gange. In Deutschland deuten sich poli-tische Veranderungen an, die Anpassungen von marktwirtschaftlichen Rahmendaten mit sich bringen warden. Die Wirtschaft stockt, und das Tagesgeschaft ist fiir die betroffenen Vertriebsorganisationen sehr an-spruchsvoll gew^orden. Gute Kunden zu verlieren, kann sich kein Un-ternehmen leisten. Aus diesem Grund ist Key Account Management wichtiger denn je. Die dritte Auflage von „Praxiswissen Vertrieb" ist um ein Kapitel zum Thema Key Account Management erweitert wor-den, um Ihnen hilfreiche Informationen zu diesem spannenden Bereich des Vertriebsalltags an die Hand zu geben. Das Key Account Manage­ment bringt spezifische Vorgehensweisen mit sich, die sich auch gut auf das Tagesgeschaft mit Kunden und Interessenten iibertragen lassen, die nicht das Pradikat Key Account besitzen, aber ebenso wertvoll und wichtig fiir ein Unternehmen sind. Ich wiinsche Ihnen beim Lesen, dass Sie Anregungen und Ideen bekommen, die Sie fiir Ihr eigenes Tages­geschaft nutzbringend umsetzen konnen. Mein besonderer Dank gilt Murielle und Charlotte, die wieder einmal Riicksicht genommen haben, damit ich die Erganzungen fertig stellen konnte.

Bielefeld, im Fruhjahr 2006 Martin Maas

Vorwort zur zweiten Auflage Der personhche Verkauf hat eine groEe Bedeutung - gerade in wirt-schaftlich schwierigen Zeiten wird dies umso klarer. Im Vertrieb kommt es darauf an, immer wieder das Erreichte zu iiberpriifen und nach MogHchkeiten der Verbesserung zu suchen. Das gilt gleicher-mal?en fiir die vertriebsnahen Bereiche wie dem kaufmannischen In-nendienst und dem Marketing. Diese zweite Auflage ist griindlich durchgesehen und um zentrale Aspekte zum Thema Verkaufsforderung - mit vielen Beispielen - erganzt worden. Ich hoffe, dass es Ihnen wei-tere Anregungen fiir Ihre Vertriebspraxis gibt und Ihnen hilft, Ihren Verkaufserfolg positiv zu beeinflussen. Ich wiinsche es Ihnen.

Bei Charlotte und Murielle bedanke ich mich dafiir, dass sie ein weite-res Mai Riicksicht genommen haben, damit ich Zeit fiir die Erganzun-gen finden konnte.

Bielefeld, im Friihjahr 2004 Martin Maas

Vorwort zur ersten Auflage Die Rahmenbedingungen der Wirtschaft verandern sich standig - mit ih-nen steigt die Komplexitat im Verkauf erklarungsbediirftiger Investitions-giiter. Seit einiger Zeit setzt sich die Erkenntnis durch: Kunden wiinschen Losungen, keine Produkte. Dies wird durch den gegenwartigen Wandel von der „anaIogen" hin zur „digitalen" Welt zusatzlich verstarkt. In vie-len Unternehmen gewinnt der Vertriebsbereich zunehmend an Bedeutung. In gleichem Mafe wachsen die Anforderungen an Vertriebsmitarbeiter und -ingenieure. Insgesamt bestehen mehr als je zuvor gute Voraussetzun-gen fiir interessante, anspruchsvolle und vielfaltige Tatigkeiten im Ver­triebsbereich - von Unternehmen werden attraktive Positionen und giinstige Karrieremoglichkeiten angeboten. Personliche Qualitaten wie Durchsetzungsvermogen, Anpassungsfahigkeit, Erfoigswillen, Einfiih-lungsvermogen, die einen erfolgreichen Vertriebsmitarbeiter ausmachen, sind auch im Top-Management gefragt. Und: immer mehr Top-Manager verfiigen heutzutage iiber einschlagige Vertriebserfahrungen. Es ist davon auszugehen, dass dieser Trend sich weiter verstarken wird.

Eine moderne Vertriebsorganisation muss sich standig neuen Heraus-forderungen steilen und anpassen konnen, damit auch in Zukunft der Erfolg sichergestellt werden kann. Obwohl neue Vertriebsformen wie E-Commerce auch in Bereiche des Gebrauchs- und Investitionsgiiter-vertriebs vorstol?en und zum Teil etablierte Vertriebsformen ersetzen, hat zweifelsfrei der personliche Vertrieb auch in Zukunft eine groSe Bedeutung. Diesen gilt es jedoch zu optimieren und dort einzusetzen wo seine Wertschopfung am groSten ist.

Dieses Buch wendet sich in erster Linie an Berufseinsteiger im Vertrieb. Es bietet einen Einblick in die aktuelle Situation des Investitionsgutervertriebs und bereitet in wesentlichen Grundziigen auf eine zukiinftige Tatigkeit im Vertrieb vor. Aus der Praxis heraus wird die aktuelle Vertriebssituation be-leuchtet, werden Fragen nach den mitzubringenden Voraussetzungen und Qualifikationen beantwortet, die Prinzipien des Vertriebs im Gesamtzu-

8 Vorwort

sammenhang erortert, Problemfelder im konkreten Tagesgeschaft vorge-stellt und Losungsansatze aufgezeigt. Fiir „Quereinsteiger" ohne kauf-mannische oder betriebswirtschaftliche Ausbildung sind im Glossar am Ende des Buches die wichtigsten Begriffe und Definitionen aufgefiihrt.

Kaum ein anderes Berufsbild verschafft Berufseinsteigern derartige Handlungsspielraume und personliche Autonomic wie die Vertriebs-aufgabe. Wer wiinscht sich nicht, dass seine unternehmerische Einstel-lung gefordert und honoriert wird? Neben den vielen Vorziigen, die eine Vertriebsaufgabe reizvoll machen, sei erwahnt, dass es schlichtweg SpaS macht, im Vertrieb zu arbeiten. Diese Tatigkeit fordert das Selbst-vertrauen jedes Einzelnen. Personliche und teambezogene Erfolge wer-den angemessen gewiirdigt und anerkannt.

Im Vertrieb kann man alt werden - heif?t es. Im Laufe der Berufsjahre steigen Erfahrung, Konnen und Einkommen. Wer sich wohlfiihlt, bleibt in der Funktion. Wer sich auf der Karriereleiter weiterentwickeln mochte, hat dafiir eine sehr gute Ausgangsbasis.

Ich wiinsche Ihnen, dass dieses Buch Orientierung und Anregungen fiir Ihre berufliche Zukunft gibt, Ihnen den moglichen Einstieg erleichtert und Perspektiven aufzeigt. Den „alten Hasen" sei die Lektiire zur ge-legentlichen Auffrischung des Vertriebs-Know-hows empfohlen.

Bielefeld, im Sommer 2001 Martin Maas

Vorwort

Inhalt

Vorwort 7

Der Veitrieb gewinnt an Bedeutung 17

Die Aufgabe des Vertriebs im Unternehmen 18

Die Abgrenzung des Vertriebs zu anderen Funktionsbereichen 20

Warum im Veitrieb arbeiten? 23

Motive fiir den Vertriebseinsteiger 23

Die Veranderung des Vertriebsimage 24

Das Selbstverstandnis des Vertriebsmitarbeiters 25

Die Unsicherheit des Berufseinsteigers 26

Was spricht fiir den Vertrieb, was macht seine Harte aus? 26

Kurzcheck 28

Personliche Eignungsmerkmale 28 Durchsetzungsvermogen - kann ich jemanden iiberzeugen? 30 Anpassungsfahigkeit - kann ich mich in die Lage des anderen versetzen? 30 Sensibilitat - verstehe ich meinen Gesprachspartner? 31 Leistungsbereitschaft - arbeite ich hart fiir ein Ziel? 31 Einsatzfreude - habe ich Spal? am Erfolg? 32 Zielorientierung - weiS ich, worauf es ankommt? 32 Kurzcheck 33

Vorqualifikationen - wodurch werden sie bestimmt? 33 Das Produkt- und Leistungsangebot des Unternehmens 34 Die Vertriebsstruktur des Unternehmens 35 Komplexitat des Verkaufszyklus 36 Das aktuelle Marktumfeld 37 Kurzcheck 38

11

Wege in den Vertrieb - der Einstellungsprozess 39 Formen der Personaieinstellung 39 Hauptzielsetzungen im Vorstellungsgesprach 44 Das Verkaufsrollenspiel als Bestandteil des Vorstellungsgesprachs 45 Was ich beim Einstellungsprozess beachten soUte 50 Kurzcheck 54

Prinzipien des Vertriebs im Gesamtzusammenhang 55

Die Marktsituation 55 Die Marktteilnehmerzahl bestimmt die Marktsituation 56 Die Marktdynamik beeinflusst die Marktsituation 59 Konsequenzen fiir die Vertriebsorganisation ... 61 ... im Monopolumfeld mit Stagnation oder Wachstum 61 ... im Monopolumfeld mit sinkendem Marktvolumen 62 ... im Oligopolumfeld mit Preisstabilitat und Wachstum 63 ... im Oligopolumfeld mit Preiskampf (ruinoser Wettbewerb) 64 Kurzcheck 70

Der Verkaufszyklus 71 Phasen des Verkaufszyklus 72 Akquisitions- oder Einstiegsphase 73 Vorvertragsphase 75 Entscheidungs- oder Abschlussphase 77 Nachvertragsabschlussphase 79 Betreuungsphase nach Auftragsabwicklung 81 Wiedereinstiegsphase (Anschlussakquisition) 82 Generelle Zielsetzungen im Prozess des Verkaufszyklus 83 Kurzcheck 84

Fiihrung und Steuerung des Vertriebsprozesses 85 Vertriebssteuerung als Teil des Vertriebsfiihrungs-prozesses 85 Der Zielfindungsprozess - vom Gesamtvertriebsziel zu Einzelzielen 87 Motivation der Vertriebsmitarbeiter 93 Kurzcheck 95 Bestandteile des Vertriebssteuerungssystems 96 Bestimmung der Schliisselerfolgsfaktoren 99 Vorvertragliche Erfolgsfaktoren 100

12 Inhalt

Die kurzfristige Vertragsabschlussplanung 103 Die Ergebnisfortschreibung 110 Erkenntnisgewinn - ein Beispiel 112 Kurzcheck 114

Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters 115

Die Zeit ist knapp bemessen 115

Gesamtziele herunterbrechen - kleine Schritte sind leichter 116

Wie setze ich Zielvorgaben um? 116

Mein personliches Controlling 117

Die Klippen des Tagesgeschafts erfolgreich umschiffen 118 Konstruktiver Umgang mit Hindernissen - die halbe Miete 118 Konfliktpotenziale im Vertriebsprozess 124 Konflikte zwischen Vertriebsaufiendienst und -innendienst _ 130 Konflikte zwischen Vertriebs- und ServiceauSendienst 135 Konflikt zwischen Vertrieb und Marketing 138 Kurzcheck 140

Erfolgsstrategien fiir den einzelnen Vertriebsmitarbeiter 141 Die personliche Differenzierung als Basiserfolgsfaktor 142 Differenzierung kann sehr einfach sein - drei Beispiele 145 Differenzierung durch Fachkompetenz 147 Differenzierung im Prozess der Produktprasentation 149 Differenzierung durch kontinuierliche Akquisitionstatigkeit 152 Differenzierung im Prozess der Zielmarktbearbeitung 155 Differenzierung im Beziehungsmanagement 158 Weitere Erfolgsstrategien 160 Die Erfolgsplanung 160 Strukturiertes Kundenmanagement 162 Der friihe Verhandlungseintritt 165 Die Vertragsabschlussmessung 167 Von den Besten lernen 168 Die personliche Einstellung 172 Kurzcheck 173

Verkaufsforderung - Triimpfe im Tagesgeschaft 174 Formen der VerkaufsforderungsmaSnahmen 175 Kompetenzen - wer entscheidet iiber den Einsatz ? 177

Inhalt 13

Verkaufsforderung - der Vertriebsmitarbeiter bestimmt den Einsatz 178

Imagebroschiire des Unternehmens 182 Unternehmensprasentation 183 Nutzenorientiertes Prospektmaterial 185 Hauseigene Kundenzeitschrift 186 Sonderdrucke iiber Referenzanwendungen 187 Pressespiegel 188 Leistungskatalog 189 Muster und Exponate 190 Give-Aways 191

Verkaufsforderung - im Team sind Sie stark 192 Open-House-Veranstaltung 193 Kundenwertschatzungsprogramme 194 Anwenderbezogene Tagungen 195 Leistungsprasentationen vor Ort 197

Verkaufsforderung - nutzen Sie die Power der Zentrale 198 Messeteilnahme 199 VIP-Trips 201 Anwendertagungen 202 Fabrikbesichtigungen 203 Internetkommunikation 204 Zeitlich befristete Verkaufsaktionen 205 Das Notebook als Prasentationsmedium 206 Kurzcheck 207

Der Entlohnungsprozess im Vertrieb 208 Vor- und Nachteile der fixen Entlohnung im Vertrieb 209 Vor- und Nachteile der variablen Entlohnung im Vertrieb 209 Die Kombination des fixen und variablen Entlohnungssystems 210 Grundziige und Aufbau eines Provisions-/ Pramiensystems 213 Verkaufswettbewerbe und ihre Zielsetzungen 217 Incentives 219 Kurzcheck 222

14 Inhalt

Key Account Management - die Konigsdisziplin im Vertrieb _ 223 Was ist ein Key Account? - Nicht einfach zu fassen 224 Auswahl und Eignungsmerkmale von Key Account Managern 229 Key Account Management als eigenstandiger Vertriebsbereich 231 Die Konigsdisziplin in der Praxis 235 Zielsetzungen und Entlohnungsformen im Key Account Management 243 Kurzcheck 245

Glossar 247

Literatur 255

Der Autor 256

Inhalt 15

DerVertrieb gewinnt an Bedeutung

Jede Phase des Wirtschaftens bringt spezielle Anforderungen mit sich, denen das Management mit modernen Methoden und MaSnahmen be-gegnet. Unternehmen folgen in ihren Unternehmensstrategien haufig auch allgemeinen Trends. Ging es in den 70er-Jahren datum, Wachs-tum dutch Untetnehmensaufkaufe zu tealisieren und Mischkonzetne entstehen zu lassen, um Synetgien zu nutzen, sind die 90et-Jahfe da-dutch gekennzeichnet, dass eben diese Mischkonzetne alle nicht zum Ketngeschaft zahlende Untetnehmensbereiche wiedet vetauSetn mit dem Argument, sich auf die Ketnkompetenzen konzenttieten zu wollen.

In vielen Investitionsgiitetmatkten sind die aktuellen Vetanderungen untet andetem durch steigende Preisttanspatenz, Verdrangungscharak-ter und Preiskampfe gepragt. Die sttuktutellen Matktveranderungen, wie die Schaffung internationaler Binnenmarkte dutch landetseitige Ab-stimmung, die Veteinfachung des Zahlungsvetkehts dutch die Einfiih-rung des Euro sowie die landeriibergreifende Entwicklung einheitHchet WittschaftsrichtUnien fotdetn die Zunahme det Matktdynamik. Auf det Anbietetseite ttagen die mittletweile zut taghchen NotmaUtat zahlenden Untetnehmensiibetnahmen, Fusionen und Zetschlagungen von Organisationen, die zunehmende Verkiirzung technologischet Innovationszeitraume, die schnelleren Markteintrittszeitpunkte sowie das modern gewordene Shareholder-Value-Konzept ihren Anteil zu den genannten Entwicklungen bei.

Immet auf det Suche nach det besten Sttategie im Intetesse der Untet-nehmensziele bewegen sich Untetnehmen in sich petmanent verandern-den Marktsituationen. Als Bestandteil des Marktes reprasentieren die Unternehmen selbst die Entwicklungen gleichetmafien. Intetnationale Vetflechtungen, die strukturelle Forderung der Unternehmensdynamik durch Aufgliederung von Untetnehmen in schlagktaftige Einheiten -weg von det AG hin zut GmbH - sind einige Metkmale dieser Ent­wicklungen.

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Die Vertriebsorganisation als Ganzes oder einzelne Vertriebsbereiche sind diesen Entwicklungen in besonderem Mal?e ausgesetzt. Der per-sonliche Vertrieb hat im Gegensatz zu anderen Funktionen in Unter-nehmen eher Handwerkscharakter, dessen Grundprinzipien einerseits unabhangig von der Marktentwicklung fortbestehen, andererseits aber in der Gewichtung und Handhabung der jeweiligen aktuellen Marktsi-tuation angepasst werden miissen.

Die folgenden Abschnitte befassen sich mit den Grundprinzipien des Vertriebs, liefern einen Einblick in die aktuelle Vertriebssituation und zeigen aus der Gesamtsituation resuitierende Problemfelder sowie Losungsansatze auf.

Je schwieriger die Bearbeitung eines Zielmarktes ist oder wird, desto professioneller und umfassender muss der Vertrieb sich auf neue und sich verandernde Situationen einstellen, um nachhaltige Erfolge her-beifiihren zu konnen. Die Anzahl der Verdrangungsmarkte nimmt zu, sie bilden den zentralen Ausgangspunkt fiir die folgenden Ausfiihrun-gen. Gleichzeitig erhalten Sie als Leser einen Einblick in eines der abwechslungsreichsten und spannendsten Berufsbilder der Wirtschaft -das des Vertriebsmitarbeiters im Investitionsgiitervertrieb.

Die Aufgabe des Vertriebs im Unternehmen

Die Bedeutung der Vertriebsorganisation im Unternehmen ist erheblich - Tendenz steigend. Prof. J. Witt bezeichnet den Verkauf - in unserem Sinne den Vertrieb - als „die Speerspitze des Marketing" (vgl. Witt 1983) und macht dadurch die Stellung des Vertriebs im Unternehmen und den operativen Charakter deutlich.

Der Vertrieb und die Vertriebsmitarbeiter reprasentieren und iibermit-teln die Leistung des Anbieters dem potenziellen Kunden. Uber den Akquiseprozess sucht der Vertriebsmitarbeiter den personlichen Kontakt zum Kunden: Er vereinbart personliche Besprechungstermine, nimmt diese wahr, analysiert im Gesprach die Kundensituation sowie den Bedarf und entwickelt gemeinsam mit dem potenziellen Kunden Losungskonzeptionen. Der Vertriebsmitarbeiter prasentiert seine Leis­tung und verteidigt sein Angebot gegeniiber dem Mitbewerber mit dem Ziel, dass der Kunde eine Entscheidung zu seinen Gunsten trifft.

18 Der Vertrieb gewinnt an Bedeutung

Wahrend dieser Interaktion mit dem Kunden transportiert der Vertriebs-mitarbeiter auch andere Merkmale des Anbieters. Er vermittelt das Image, die Marktstellung, die Unternehmenskultur sowie das allgemeine Geschaftsgebaren. Andere Kommunikationsmittel wie Messen, Wer-bung, Offentlichkeitsarbeit, Prospekte, usw. flankieren und unterstutzen ihn bei seiner Aufgabe, fiir das Unternehmen Vertrage mit potenziellen Kunden zu schlieSen, die sich im Umsatz oder anderen betriebswirt-schaftlichen Kennzahlen wie Deckungsbeitrag, Gewinn oder Stiickzahlen ausdriicken.

Aufgrund der hohen Komplexitat der Vertriebsaufgabe, verbunden mit der Tatsache, dass die Anbieterleistung durch den Vertriebsmitarbeiter re-prasentiert wird und dieser letztlich fiir den Vertragsabschluss verantwort-lich ist, kommt dem Vertrieb eine nicht zu unterschatzende Bedeutung zu.

Abbildung 1 zeigt schematisch die Marktbeziehung zwischen dem Ver-triebsbereich eines Unternehmens und dem Zielmarkt.

Abbildung 1: Schematischer Aufbau der Marktbeziehung bis zur Vertriebsebene

Die Aufgabe des Vertriebs im Unternehmen 19

Der personliche Vertrieb von Investitionsgiitern zahlt zu den teuersten Vermarktungsformen. Die Anforderungen an den Vertrieb sind in die-sen Markten noch groCer.

Die Hauptaufgaben des Direktvertriebs bestehen darin, mit neuen Kun-den Geschafte anzubahnen, Vertrage zu schlieEen, und gleichzeitig den schon bestehenden Kundenstamm zu pflegen und weiter auszubauen.

Nur so kann langfristig das Wachstum oder die Erhaltung eines Unter-nehmens sichergestellt werden. Beide Hauptaufgaben erfordern ein hohes Ma6 an Geschick und Konnen der Vertriebsmitarbeiter und der Vertriebsorganisation.

Die Abgrenzung des Vertriebs zu anderen Funktionsbereichen

Grundsatzlich grenzt sich der Vertrieb von anderen Unternehmens-bereichen dadurch ab, dass er den direkten Interessenten- bzw. Kun-denkontakt mit dem Ziel aufbaut, einen konkreten umsatzwirksamen Vertrag abzuschliefien. Die mit dieser Kernaufgabe verbundenen Tatig-keiten wie das Reprasentieren der Unternehmung oder die Vermittlung des Image des Unternehmens sind wichtig aber sekundar.

Durch die klare Zieisetzung in der Vertriebsorganisation, bestimmte Umsatz-, Deckungsbeitrags- oder Stiickzahlziele zu erreichen, und die Tatsache, dass die Vertriebsorganisation und somit der Vertriebsmitar­beiter die Verantwortung fiir die Erreichung der Zieisetzung ubertragen bekommt, wird der Vertrieb direkt messbar und in der Leistungserrei-chung bewertbar. Dieser Grad der Messbarkeit von Zielen ist fast nur im Vertriebsbereich vorhanden. Haufig konnen in anderen Funktions­bereichen nur qualitative Zielsetzungen erfolgen. Unternehmen sind dabei bemiiht, diese Zielsetzungen zu quantifizieren, um messbare Ergebnisse zu erhalten. Dies ist jedoch in vielen Fallen ein schwieriges Unterfangen. Durch die Moglichkeit, im Vertrieb Ziele (Umsatz, Deckungsbeitrag, Stiickzahlen) zu quantifizieren, werden die Zielfin-dung und die Erfolgsmessung einfacher.

Vertriebsmitarbeiter arbeiten also in starkem Mal?e ergebnisorientiert. Am Ende zahlen immer die erzielten Vertragsabschliisse. Bei der Aus-gestaltung der MaSnahmen und Strategien zur Zielerreichung hat der

20 Der Vertrieb gewinnt an Bedeutung

Vertriebsmitarbeiter jedoch weit reichende Handlungsspielraume. Da-durch soil die unternehmerische Einstellung unterstiitzt und gefordert werden. Er wird zum Manager seines ihm zugeordneten Verkaufs-bezirks. Das heiSt nicht, dass jeder machen kann, was er will. Graduell sind jedoch seine individuellen Gestaltungsmoglichkeiten erheblich weiter gefasst als in anderen Funktionsbereichen.

In vielen anderen Funktionen eines Unternehmens kann der erzielte Er-folg nur selten dem Einzelnen direkt zugeordnet werden. Im Vertrieb hingegen wird der Verkaufserfolg direkt dem Vertriebsmitarbeiter zu­geordnet, da er die Verantwortung fiir die Zielerreichung voUstandig und alleine tragt. Er kann sich sagen: „ Dieses Ziel babe ich erreicht, das ist mein Verdienst."

Die allgemein verbreitete Praxis der Veroffentlichung erreichter Ergeb-nisse durch Ranglisten zeigt die Leistung des einzelnen Vertriebsmit-arbeiters oder seines Teams. Sie sind fiir die gesamte Organisation sichtbar und transparent. Dadurch wird die hohe Bedeutung der Ver-triebsleistung fiir das Unternehmen ein weiteres Mai unterstrichen.

Die Abgrenzung des Vertriebs zu anderen Funktionsbereichen 21

Warum im Vertrieb arbeiten?

In diesem Kapitel beschaftigen wir uns mit dem Vertriebsmitarbeiter selbst, mit seinen Motiven und Eignungsmerkmalen sowie mit dem Ein-stellungsprozess - welche Wege fiihren in den Vertrieb? Die Antworten auf grundsatzliche Fragen wie: Was macht eine Vertriebsaufgabe reiz-voll? Welche personlichen und fachlichen Voraussetzungen soUte ich mitbringen? Wie komme ich an eine Vertriebsaufgabe? Was sollte ich dabei beachten? werden helfen, um die Vertriebsaufgabe als solche besser einschatzen zu konnen. Die Ausflihrungen soUen der besseren Orientierung beim personUchen Entscheidungsprozess, eine Vertriebs­aufgabe anzunehmen oder auch nicht, dienen.

Motive fiir den Vertriebseinsteiger

Die Motive, eine Vertriebsaufgabe zu iibernehmen, sind sehr vielfahig. Einige der haufig genannten Motive sind:

Im Vergleich zu anderen Funktionen mit erreichter QuaUfikation, kann im Vertrieb ein deutiich hoheres Einkommen erzieh werden.

Bei entsprechender Vergutung mittels Provisionen hat der/die Ver-triebsmitarbeiter/in die Moghchkeit, die Hohe des Einkommens selbst zu beeinflussen.

Die Tagesarbeit, die unternehmerische Merkmale aufweist, ver-schafft Vertriebsmitarbeitern grofie Freiheitsgrade in der tagUchen Ausgestaltung der Aufgabe.

Die Tatsache, nicht jeden Tag ins Biiro zu gehen und in einem Gebaude seine Arbeit zu verrichten, sondern Kunden zu besuchen -kurz: der Umgang mit Menschen - steUt ebenfalls ein reizvoUes Motiv dar.

Berufseinsteiger (z. B. nach dem Hochschulabschluss) versuchen hau­fig eine Aufgabe zu finden, in der sie Erfahrungen sammeln konnen,

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um sich eine Basis fiir weitere Karriereschritte erarbeiten zu konnen. Der Direktvertrieb bietet dafiir giinstige Moglichkeiten.

« Der Direktvertrieb als Funktion hat handwerklichen Charakter und ist im Vergleich zu einigen anderen Funktionen bestandiger.

« Ein weiteres bedeutsames Motiv ist, personliche Erfolge zu erzieien, die im Wesentlichen auf die Fahigkeiten und Personlichkeit des Ver-triebsmitarbeiters zuriickzufiihren sind. Der Erfolg, der sich in einem mit dem Kunden geschlossenen Vertrag ausdriickt, ist fiir jedermann sichtbar.

Die Veranderung des Vertriebsimage

Neben den dargestelhen Motiven, die es reizvoll machen, eine Ver-triebsaufgabe zu iibernehmen, gibt es weitere erkennbare Tendenzen die zur Steigerung der Attraktivitat des Vertriebs beitragen.

Das Image der Vertriebsaufgabe, also die Meinungen und Einstellungen zu diesem Berufsbild, hat sich in den letzten Jahren deutUch zum Posi-tiven entwickeh. Gait vor Jahren fiir den Vertriebsmitarbeiter die Vor-stellung, ein „Klinkenputzer-Dasein" fristen zu miissen, von Kunden abfallig behandelt zu werden - im schlimmsten Fall sogar „rauszu-fliegen" - , so haben sich die Einstellungen und Meinungen zu diesem Berufsbild grundlegend verandert.

Mittlerweile hat sich auch hierzulande die Erkenntnis durchgesetzt, dass der Vertrieb fundierte Grundlagen fiir berufliche Weiterentwick-lungen bietet und somit ein sehr gutes Sprungbrett fiir die personliche Karriere sein kann. Die erlernten Fertigkeiten konnen auch in anderen betrieblichen Funktion nutzbringend eingesetzt w^erden. Die Moglichkeit, von Anfang an ein iiberdurchschnittlich hohes Einkommen erzieien zu konnen, macht die Aufgabe zusatzlich interessant.

Ferner ist festzustellen, dass Einkaufer und Entscheider den Vertriebs­mitarbeiter nicht mehr als lastiges Ubel empfinden, sondern iiberwie-gend erkannt haben, dass die personliche Beratung bei Investitions-giiterentscheidungen dutch den Anstieg der technischen Komplexitat notwendig ist. Das einkaufende Unternehmen ist darauf angewiesen, durch Vertriebsmitarbeiter kompetent beraten zu werden, um eine fiir

24 Warum im Vertrieb arbeiten?

das Unternehmen optimale Entscheidung vorbereiten und treffen zu konnen. Diese Beraterleistung wird zunehmend starker honoriert und wirkt sich gleichzeitig positiv auf das Image aus.

Neueinsteiger, die vor Jahren noch mit dem haufig negativ besetzten bzw. mit Zweifeln behafteten Vertriebsimage Probleme batten, vor allem damit, ihrem Bekanntenkreis erklaren zu miissen, dass eigentlich „nichts Schlimmes" dabei ist, Kunden zu akquirieren und personlich aufzusuchen, haben es heute einfacher. Die Funktion des Vertriebsmit-arbeiters ist „hoffahig" geworden.

Das Seibstverstandnis des Vertriebsmitarbeiters

Die Veranderung des Vertriebsimage wirkt sich auf das Seibstverstand­nis des Vertriebsmitarbeiters gleichermai?en positiv aus. An die Stelle des Bittstellers, der versucht „Ware an den Mann zu bringen", tritt die Rolle des Beraters, auf den der Einkaufer angewiesen ist, um eine fur sein Unternehmen optimale Investitionsentscheidung treffen zu konnen.

Der Vertriebsmitarbeiter von heute sieht sich in der Rolle des „Unter-nehmers" in dem ihm zugewiesenen Verkaufsbezirk. Durch die Veran­derung des Fuhrungsstils von Vertriebsleitern - weg vom autoritaren hin zum kooperativen Fiihrungsstil - ist der Vertriebsmitarbeiter in seinen Handlungsspielraumen zunehmend autonomer. Die Ubertragung von Entscheidungskompetenzen hinsichtlich Art der Zielmarktbearbeitung sowie der Preisspielraume und die Rolle der Fiihrungskraft als Coach fordern die unternehmerische Einstellung des Vertriebsmitarbeiters.

Fiir den Vertriebsmitarbeiter bedeutet die Ubertragung von Entschei-dungskompetenz und das Zugestehen eines breiter gefassten Hand-lungsspielraums auch, Verantwortung anzunehmen. Die Aufgabe wird komplexer und anspruchsvoUer. Die Herausforderung: Der Vertriebs­mitarbeiter wird zum Manager seines eigenen Verantwortungsbereiches.

Ein iiberdurchschnittlich erzielbares Einkommen ermoglicht dem Ver­triebsmitarbeiter einen hohen Lebensstandard und hohes soziales Ansehen.

Das Seibstverstandnis des Vertriebsmitarbeiters 25

Die Unsicherheit des Berufseinsteigers

Berufseinsteiger oder Menschen, die sich fiir den Vertrieb entscheiden mochten, stehen zwangslaufig vor dem klassischen Neueinstiegs-Dilemma: Auf der einen Seite gibt es eine Reihe von Griinden und Motiven, die es reizvoli erscheinen lassen, in den Vertrieb zu gehen. Auf der anderen Seite wird die Kernfrage fiir den Kandidaten, ob er sich fiir den Vertrieb eignet, ob die Aufgabe wirkiich Freude bereitet, ob sich der Verkaufserfolg einstellt, nicht hinreichend beantwortet werden konnen. Fiir den Kandidaten bleibt das Risiko, sich fiir den Vertrieb zu entscheiden und vielleicht erst spater zu erkennen, den hohen Anforde-rungen nicht gewachsen zu sein.

Tatsache ist, dass die vertriebUche Eignung eines Menschen hauptsach-hch in personlichen Eigenschaften und Fahigkeiten liegt, die haufig erst in der Praxis sichtbar werden. Diese personlichen Eigenschaften wer­den auch als Grundkompetenzen bezeichnet. Sind die fiir die Vertriebs-aufgabe notwendigen Grundkompetenzen nicht ausreichend vorhan-den oder ausgepragt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Aufgabe nicht erfolgreich gemeistert wird und in der Folge personliche Unzu-friedenheit entsteht. Giiicklicherweise aber zeigt die Praxis, dass es sehen vorkommt, Vertriebsmitarbeiter mangels vertrieblicher Eignung wieder aus der Aufgabe herausnehmen zu miissen. Auf die konkreten im Vertrieb geforderten Eignungsmerkmale kommen wir gleich wieder zuriick.

Was spricht fur den Vertrieb, was macht seine Harte aus?

Im Zuge der erfreulichen Entwicklungen im Vertrieb hinsichtlich Attrak-tivitat, Image und Selbstverstandnis des Vertriebsmitarbeiters, gibt es andere Umstande, die sich nicht geandert haben und sich - in der Auf­gabe begriindet - auch nicht andern werden. Es bleibt bei der Tatsache, dass im Vergleich zu anderen Funktionen, die Vertriebsleistung im Ergebnis auf die vom Vertriebsmitarbeiter unter Vertrag gebrachten Ab-schliisse reduziert werden kann und haufig auch wird. Der Fakt bleibt: Der Kern der Vertriebsaufgabe besteht darin, Vertrage abzuschliefien.

26 Warum im Vertrieb arbeiten?

Damit wird die Leistung des Vertriebs sichtbar, messbar und fiir jeder-mann transparent. Diese Tatsache wird haufig als Harte im Vertrieb empfunden. Die Leistung der Vertriebsmitarbeiter und somit auch der gesamten Vertriebsorganisation ist konkret messbar und nachvollzieh-bar. Es besteht die Moglichkeit, Vergleiche anzustellen, zu messen, ob und zu welchem Prozentsatz Ziele erreicht worden sind oder nicht und somit Leistungsbewertungen durchzufiihren. Wenn der einzelne Ver­triebsmitarbeiter seine Verkaufszieie nachhaltig nicht erreicht, konnen schnell arbeitsrechtUche Konsequenzen folgen; im schHmmsten Fall wird dieser Vertriebsmitarbeiter aus der Aufgabe genommen.

In Gesprachen mit Arbeitnehmern oder Stellensuchenden wird immer wieder deutlich, dass diese empfundene Harte, die vollstandige Trans-parenz der Leistung, sie unter anderem davon abhalt sich fiir eine Tatigkeit im Vertrieb zu entscheiden.

Nicht alle Menschen woUen sich messen lassen. Viele empfinden das zielorientierte Arbeiten und NachvoUziehen der Leistung mittels Zahlen als Druck, dem sie sich nicht aussetzen wollen. Das ist durchaus ver-standlich. Es ist ratsam, sich in diesen Fallen eher nicht fiir den Vertrieb zu entscheiden, denn es bleibt eine Tatsache, dass die Leistung messbar ist und auch gemessen wird. Auf der anderen Seite ist es so, dass es eine Vielzahl von Mdglichkeiten gibt, diesem „Druck" zu begegnen. Im Abschnitt „Erfolgsstrategien fiir den einzelnen Vertriebsmitarbeiter", S. 141ff., beschaftigen wir uns ausfiihrlich mit diesen Moglichkeiten. Ferner befindet sich der Vertriebsmitarbeiter gemeinsam mit anderen in diesem leistungsorientierten Umfeld. Er ist also mit seiner Aufgabe und dem Druck nicht alleine.

Da Vertriebsmitarbeiter und Vertriebsfiihrungskrafte hinsichtlich der Zielerreichung im „gleichen Boot" sitzen, entsteht ein leistungsorien-tiertes Klima und eine teamorientierte Arbeitsweise. Erzielte Verkaufser-folge, personliche Anerkennung und das damit verbundene bzw. erreichbare hohe Einkommen mildern die Harte des Vertriebs erheblich.

Was spricht fur den Vertrieb, was macht seine Harte aus? 27

Personliche Eignungsmerkmale

Die Voraussetzungen, die ausschlaggebend dafiir sind, ob sich ein Mensch fiir eine Vertriebsaufgabe eignet oder nicht, sind in erster Linie in seiner Personlichkeit verankert. Hinzu kommen die personlichen Motive und Wiinsche.

Die Frage, was eine erfolgreiche Vertriebsperson ausmacht, ist so alt wie der Vertrieb selbst. Im Laufe der Zeit entstanden jedoch auch extreme Erklarungsmodelle, so genannte falsche Mythen, wie z. B., dass ein Vertriebsmitarbeiter immer verschuldet sein soUte, um gute Geschafte zu tatigen. Der materielle Druck wurde ihn dazu veranlassen, iiberdurchschnittlich leistungsbereit zu sein und hoch motiviert zu ver-

28 Warum im Vertrieb arbeiten?

kaufen, damit Zinsen und Tilgung bestritten werden konnen. Folgte man diesem Modell, dann wiirde dies im Umkehrschluss bedeuten, dass Kandidaten, die aus gut situiertem Elternhaus stammen oder selbst iiber ausreichend materiellen Wohlstand verfiigen, fiir eine Vertriebs-aufgabe nicht geeignet waren. Aufgrund des nicht vorhandenen mate­riellen Drucks waren diese Vertriebsmitarbeiter weniger leistungsbereit und schwerer zu motivieren.

Die Praxis hingegen zeigt, dass sich Vertriebsmitarbeiter, die unter per-sonlichem finanziellen Druck stehen, nicht gleich verhalten. Ein Teil kann dem Druck standhalten, ein anderer Teil fiihlt sich aufgrund der Situation so stark unter Druck gesetzt, dass er sich selbst blockiert. Er-folglosigkeit und Frustration sind die Folge. In der Gruppe der Vertriebsmitarbeiter aus materiell gut situierten Verhaltnissen ist das berufliche Verhalten ebenfalls unterschiedlich. Anzunehmen, dass fiir diese Vertriebsmitarbeiter - neben dem Einkommen - keine anderen motivatorischen Effekte gelten, ist zu einseitig. Wie steht es mit dem Erfolgswillen, der Suche nach Anerkennung, dem Wunsch beruflich sich selbst oder gegeniiber der Familie zu beweisen?

Dass zum Teil auf solche extreme Erklarungsmodelle zuriickgriffen wird, zeigt, wie schwierig es ist, den geeigneten Vertriebsmitarbeiter zu charakterisieren. Modelle helfen zwar, Zusammenhange zu verdeutli-chen, sie bilden aber die Realitat nicht vollstandig ab. Wenn sich Un-ternehmen in ihrem Einstellungsverhalten zu stark von solchen Model-len leiten lassen, werden wertvoUe Chancen vergeben und von vorn-herein bestimmte Gruppen ausgeschlossen. Im Vertrieb kommt es vor allem darauf an, sich gezielt mit dem einzelnen und konkreten Men-schen, seinen personlichen Eigenschaften, Wiinschen und Motiven zu befassen.

Die fiir eine Vertriebstatigkeit notwendigen personlichen Eigenschaften konnen auch als Grundkompetenzen bezeichnet werden. Das Ziel in Einstellungsgesprachen soUte sein, festzustellen, ob diese Grundkompe­tenzen vorhanden sind oder nicht.

Entscheidend dabei ist, dass diese Grundkompetenzen identifiziert werden. Ihr Grad der Auspragung ist erst einmal nicht ganz so wichtig, denn vorhandene Grundkompetenzen werden im beruflichen AUtag dutch Training, Coaching und letztlich dutch personliche Erfahrungen groStenteils weiterentwickelt. Dariiber entscheidet auch die Motivlage

Personliche Eignungsmerkmale 29

des Vertriebsmitarbeiters und seine Bereitschaft bestehende Grund-kompetenzen weiterzuentwickeln.

Im Folgenden werden die wichtigsten Grundkompetenzen beschrieben. Sind diese Grundkompetenzen bei Vertriebseinsteigern erkennbar, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Vertriebsaufgabe erfolgreich gemeistert werden kann.

Durchsetzungsvermogen - kann ich jemanden iiberzeugen?

Diese Eigenschaft zeigt sich durch die Fahigkeit, dass der Vertriebsmit-arbeiter Initiative ergreift, den Wunsch entwickelt, Kundenlosungen zu gestalten, verbunden mit dem aktiven Streben, den Verkaufsprozess voranzutreiben und im Hinblick auf den Geschaftsabschluss ziigig wei-ter zu kommen.

Das Bedarfsumfeld des Kunden wird vom Vertriebsmitarbeiter genutzt, um selbstandig oder mit dem Kunden gemeinsam ein Losungs-Ange-bots-Konzept zu entwickeln. Der Vertriebsmitarbeiter ist in der Lage, dieses Konzept beim Kunden iiberzeugend zu vertreten und gegen Mit-bewerber zu verteidigen. In dieser Eigenschaft kommt der Wille des Vertriebsmitarbeiters zum Ausdruck, personlichen Erfolg durch den Vertragsabschluss herbeizufiihren. Er richtet sein Verhalten zielorien-tiert aus und kann die vorhandenen Chancen und Risiken erkennen.

Anpassungsfahigkeit- kann ich mich in die Lage des anderen versetzen?

Diese Grundkompetenz kommt dadurch zum Ausdruck, dass es dem Vertriebsmitarbeiter gelingt, sich in jeder Situation dem Verhalten des Gesprachspartners anzupassen. Er ist fahig, schnell das Verhalten des Gesprachspartners analysieren zu konnen, auch jenes Verhalten des Kunden, das aus Einstellungen und Meinungen resultiert. Der Ver­triebsmitarbeiter kann sich darauf einstellen und die dahinter - offen oder versteckt - liegenden Motive erkennen. Er kann die Sprache des Kunden sprechen. Dieses Verhalten des Vertriebsmitarbeiters erfordert ein hohes Ma6 an personlicher Flexibilitat und Anpassungsfahigkeit.

30 Warum im Vertrieb arbeiten?

1st diese Eigenschaft nur gering ausgepragt, wirkt der Vertriebsmitar-beiter bei dem Versuch, sich selbst dem Gesprachspartner anzupassen, nicht mehr authentisch, sondern sein Verhalten wirkt kiinstlich, er ver-stellt sich. Dies bleibt dem Gesprachspartner nicht verborgen und es kann in einem solchen atmospharischen Umfeld nur schwerHch ein konstruktives VerkaufskUma hergestellt werden.

Sensibilitat-verstehe ich meinen Gesprachspartner?

Dem Vertriebsmitarbeiter gelingt es schnell, zum Kunden ein Vertrauens-verhaltnis aufzubauen. Neben seiner fachUchen Kompetenz, die hierbei sehr hilfreich ist, kommt es im Wesentlichen darauf an, dass der Ver­triebsmitarbeiter Verstandnis fiir die Verhaltenssituation des Gesprachs-partners aufbringen und auSern kann. Dies erfordert ein hohes Mai? an Einfiihlungsvermogen. Der Vertriebsmitarbeiter ist in der Lage, die personHche Situation seines Gesprachspartners richtig einzuschatzen und angemessen darauf zu reagieren.

Diese Grundkompetenz meint ferner, mit den Gedanken bei der Sache zu bleiben und dabei aktiv zu versuchen, Kommunikationsfehler zu vermeiden. Das heii?t, Kunden ausreden lassen konnen und selbst ver­suchen zu verstehen, um was es wirkHch geht. Aul?erdem: nicht friihzei-tig das Gesprochene mit seinen eigenen Erfahrungen zu interpretieren, den Kunden nicht zu unterbrechen und eine vermeintHche Losung zu prasentieren. Es setzt die Fahigkeit des aktiven Zuhorens voraus.

Leistungsbereitschaft - arbeite ich hart fiir ein Ziel?

Der Vertriebsmitarbeiter ist in der Lage, auf einem hohem personli-chen Arbeitsniveau (Anstrengungsgrad) zu agieren. Um dies durch-halten zu konnen, bildet der „innere Antrieb" die Voraussetzung. Es ist die Fahigkeit, seinen „inneren Schweinehund" besiegen zu konnen. Der Abgrund zwischen Worten (was ich mir vornehme) und Taten (was ich letzthch tue) kann selbstkritisch vom Vertriebsmitarbeiter erfasst werden. Er entwickeh die Absicht und personhche Zielsetzung, den Abgrund zwischen Worten und Taten so gering wie mogiich zu hahen.

Personliche Eignungsmerkmale 31

Dafiir ist es notwendig, dass der Vertriebsmitarbeiter in der Lage ist, sich selbst zu motivieren. Potenziell aktive Menschen schaffen sich ihre eigene Motivationsgrundlage, die sich z. B. im Erfolgswillen, Suche nach Anerkennung oder monetaren MaSstaben ausdriickt. Der Wunsch nicht scheitern zu wollen, ist ebenso eine Grundlage fiir Eigen-motivation.

Einsatzfreude - habe ich SpaB am Erfolg?

Diese Fahigkeit kommt vor allem dadurch zu Ausdruck, dass neben der Einsatz- und Leistungsbereitschaft der Vertriebsmitarbeiter Freude und Spaf? am Erfolg haben kann, und bestrebt ist, dies auch zu suchen. Der Erfolg verschafft dem Vertriebsmitarbeiter ein gutes Gefiihl und Zu-friedenheit mit sich und der Aufgabe. Er ist bestrebt immer wieder neue Erfolge herbeizufiihren und sich nicht auf dem Erreichten auszuruhen.

Zielorientierung - weiS ich, worauf es ankommt?

Diese Grundkompetenz bildet die Voraussetzung, um seine personliche Produktivitat steigern zu konnen. Der Vertriebsmitarbeiter ist in der Lage zu erkennen, auf welche Tatigkeiten es hauptsachlich ankommt. Was muss er mit welcher Intensitat erledigen, um ans Ziel zu gelangen? Was kann er dabei vernachlassigen oder mit geringerer Intensitat erle­digen? Ist er in der Lage, Prioritaten richtig zu setzen? Der Vertriebs­mitarbeiter kann die Intensitat der notwendigen Aufgaben fiir die Ziel-erreichung individuell auf die einzelnen Verhandlungen richtig ein-schatzen. Zum einen geht es darum, den personlichen Zeiteinsatz zu optimieren, zum anderen darum, zu erkennen, welche Haupttatigkeiten in welcher Prioritatenfolge zu erledigen sind.

32 Warum im Vertrieb arbeiten?

Vorqualifikationen -wodurch werden sie bestimmt?

Bei der Festlegung von Auswahlkriterien fiir geeignete Vertriebsmit-arbeiter werden neben den personlichen Grundkompetenzen die not-wendigen Vorqualifikationen bestimmt. Dabei wird in erster Linie ermitteit, welche Vorbildung nach Art und Umfang erforderlich ist, um die Vertriebsaufgabe sachlich erfassen zu konnen. Welche fachliche

Vorqualifikationen - wodurch werden sie bestimmt? 33

Ausbildung miissen oder sollten geeignete Vertriebsmitarbeiter ins Un-ternehmen miteinbringen? Die folgenden Rahmenbedingungen stecken das Feld fiir die erforderlichen Fachqualifikationen ab.

Das Produkt- und Leistungsangebot des Untemehmens

Um erfolgreich verkaufen zu konnen, ist es erforderlich, dass der Ver­triebsmitarbeiter Produktkenntnisse hat oder erhalt. Das vertreibende Unternehmen muss priifen, inwieweit es in der Lage bzw. bereit ist, Merkmale, Vorteile und Nutzen der Produkte den Vertriebsmitarbei-tern selbst durch Schulungen oder Trainings nahe zu bringen. Existiert im Unternehmen ausreichend Trainingskapazitat oder ist im Budget die externe Ausbildung eingeplant?

Beispielsweise bieten viele Versicherungsunternehmen eigene Aus-bildungen an. Als VorquaHfikation reicht dann eine kaufmannische Vorbildung aus, da der konkrete Leistungsumfang durch eigene Trainings- und Schulungsabteilungen vermitteh wird.

Bei der Vermarktung von Kraftwerksanlagen hingegen wird in der Kegel ein Ingenieurstudium vorausgesetzt, da das vertreibende Unter­nehmen wahrscheinlich nicht in Lage sein wird, eine umfassende Aus­bildung, die einem Studium gleichkame, sicherzustellen.

Je nach Branche und Komplexitat der Produkte bzw. des Leistungs-angebotes werden unterschiedliche fachliche Vorqualifikationen im Vertrieb vorausgesetzt. Grundsatzlich muss der Vertriebsmitarbeiter wissen oder herausfinden, ob er das Produkt oder den Leistungsumfang aufgrund seiner VorquaHfikation sachlich erfassen und verstehen kann, um es Kunden gegeniiber erklaren und abgrenzen zu konnen. Ermog-licht ihm seine fachliche Qualifikation, Zugang zu den Merkmalen und Nutzen des Produktes oder der Leistung zu finden?

Grundsatzlich soUte sich der Vertriebsmitarbeiter zunachst die Pro-duktgruppen oder Dienstleistungen ansehen, mit denen er sich spater identifizieren muss.

Kann sich der Vertriebsmitarbeiter vorstellen, in dieser Branche zu arbeiten? Ware er in der Lage, „hinter seinem" Produkt zu stehen und dies iiberzeugend zu vertreten? Es ist schwierig im Vorfeld sofort zu

34 Warum im Vertrieb arbeiten?

erkennen, welche fachlichen Qualifikationen erforderlich sind. Um beispielsweise Druckmaschinen verkaufen zu konnen, muss man nicht gelernter Drucker sein. Wie sieht es aber aus, wenn es um die Ver-marktung von Herzschrittmachern geht?

Wenn Sie sich fiir ein konkretes Unternehmen interessieren, lassen Sie sich z. B. Produktinformationen schicken, oder schauen Sie im Internet nach relevanten Informationen. Fiihlen Sie sich „angesprochen", kon­nen Sie etwas mit den Produktangaben anfangen, oder wird Ihnen dabei unwohl? Wie ist Ihr Gefiihl fiir das Verhaltnis zu diesen Pro-dukten?

Schwieriger ist es, die Vertriebsstrategie des Unternehmens von auEen eindeutig zu erkennen. So ist es denkbar, dass ein Unternehmen der Druckbranche nur gelernte Drucker als Vertriebsmitarbeiter einsetzt, um sich im Marktumfeld zu differenzieren.

Das einfachste ist, wenn sich der Vertriebsmitarbeiter, nachdem er einige fiir sich selbst interessante Produktbereiche gefunden hat, mit einem Telefonanruf oder Schreiben direkt an die Personalabteiiung wendet und sich nach den fachhchen VorquaUfikationen erkundigt. Ein Besuch auf der Homepage des Unternehmens kann eventuell weitere Hinweise Hefern.

Die Vertriebsstruktur des Unternehmens

Es solite in Erfahrung gebracht werden, inwieweit der Vertriebsmitar­beiter den kompletten Verkaufszyklus allein durchfiihrt, oder aber ge-gebenenfalls in bestimmten Phasen auf SpeziaHsten zuriickgreifen kann, die dann ihrerseits beispielsweise kompUzierte technische Details mit dem potenziellen Kunden erortern konnen.

Typisch fiir diese Vorgehensweise sind Vertreiber von Industrieanlagen und Computernetzwerken. Als Spezialist unterstiitzt ein Informatiker, Ingenieur oder Mitarbeiter mit vergleichbarer Qualifikation den Ver­triebsmitarbeiter in bestimmten Phasen des Verkaufszyklus und tritt ge-meinsam mit ihm oder allein beim Kunden auf. Bei dieser Vorgehens­weise solite das Unternehmen im Vorfeld die Verantwortungsbereiche klar abgrenzen: Wer ist der Verhandlungsfiihrer? Wie werden die Rol-len aufgeteilt? Wie driickt sich dies in der Stellenbeschreibung aus?

Vorqualifikationen - wodurch werden sie bestimmt? 35

Es besteht grundsatzlich die Gefahr, dass der Kunde durch den Auftritt mehrerer Ansprechpartner irritiert wird. Der Kunde benotigt im besten Fall eine Bezugsperson. Ein Unternehmen, das den Verkaufsprozess auf mehrere Ansprechpartner aufteilt, sollte versuchen, diesen einfach und verstandlich zu gestalten. Dies gilt fiir das Innen- und AuSenverhaltnis.

Komplexitat des Verkaufszyklus

Ubiicherweise steht der Vertriebsmitarbeiter beim Kunden mit ein bis maximal zwei Ansprechpartnern in Kontakt. Haufig reduzieren sich die Gesprache sogar auf den Kontakt mit der Einkaufsabteilung. Allerdings ist ein aktueller Trend erkennbar: Einkaufer wollen zunehmend auch die Anwender (z. B. einer Telefonanlage) mit in die Entscheidung einbeziehen, um sicherzustellen, dass die Anwender die Entscheidung des Einkaufs unterstiitzen und eingekaufte Produkte annehmen und nutzen. Dahinter steht der Fiihrungsgrundsatz „Betroffene zu Beteilig-ten machen".

Der Komplexitatsgrad des Verkaufszyklus steigt rapide an, wenn die Vermarktung des Produkt- und Leistungsangebots mehr als zwei Ansprechpartner im Unternehmen erfordert, z. B. bei der Beschaffung eines Computer-Netzwerkes. Hier muss der Vertriebsmitarbeiter Kon­takt zum Einkauf, zur Organisationsabteilung, zur EDV-Abteilung, zu den Anwendern und gegebenenfalls zur Geschaftsleitung herstellen, um alle an der Entscheidung beteiligten Kontaktpersonen oder Gruppen mit einzubeziehen.

Bei weltweit operierenden Unternehmen und Kunden kommen noch Internationale Aspekte hinzu: der Vertriebsmitarbeiter muss Kontakt zu den Koordinationsstellen suchen, die Internationale Entscheidungs-verantwortung tragen. Sprachkenntnisse und Erfahrungen in derarti-gen Vertriebsprojekten bilden dazu die notwendige Vorqualifikation. Der Vertriebsmitarbeiter sieht sich gleichzeitig in der Rolle des Projekt-managers.

36 Warum im Vertrieb arbeiten?

Das aktuelle Marktumfeld

Die Uberlegungen zur Vorqualifikation werden haufig in den strategi-schen Kontext - z. B. im Sinne von Aufbau von Wettbevi^erbsvorteilen im aktuellen Marktumfeld - eines Unternehmens eingebunden. Ob dies im konkreten Fall geschehen ist, wird fiir Sie nicht immer sofort deutlich. Dennoch soUten Sie wissen, dass sich Unternehmen haufig aus dieser Perspektive Gedanken zu den Vorqualifikationen machen und diese daraus ableiten. Nachfolgend bilden exemplarisch der stdrkste Mitbewerber und die aktuelle Konkurrenzsituation die Ausgangspunkte.

Das Unternehmen analysiert beispielsweise, vv elches Vertriebspersonal die starksten Mitbewerber einsetzen. Bildet der Hauptwettbew^erber den Mafistab oder kann die Kenntnis iiber das Vertriebspersonal des Mitbewerbers als Differenzierungschance zur positiven Abgrenzung genutzt werden, indem das eigene Vertriebspersonal besser qualifiziert ist? Welche Meinung vertreten die Kunden iiber die QuaHfikation der Vertriebsmitarbeiter des Mitbewerbers?

Eine weitere Dimension bei der Analyse des Marktumfeldes bildet die aktuelle Konkurrenzsituation. Handelt es sich eher um einen Mono-polmarkt, der im Vergleich keine besonders hohen Anforderungen an das Vertriebspersonal stellt? Der Kunde ist in seiner Auswahl ein-geschrankt, da er ohnehin bei diesem Anbieter bestellen muss. Oder handelt es sich um einen Verdrangungsmarkt, der seinerseits sehr hohe Anforderungen an das Vertriebspersonal stellt und es somit erforder-lich macht, sehr gut ausgebildetes Personal einzusetzen? Wissen im Sinne von Vorqualifikationen kann dann zum Wettbewerbsvorteil aus-gebaut werden.

Nachdem ein Unternehmen den Analyseprozess zur Bestimmung der notwendigen Vorqualifikation abgeschlossen und die Kriterien fest-gelegt hat, sind die Grundlagen und sachlichen Voraussetzungen geschaffen. Sie stellen aber noch keine Sicherheit dafiir dar, dass die-jenigen Vertriebsmitarbeiter, die die entsprechenden Vorqualifikationen mitbringen, auch erfolgreiche Vertriebsmitarbeiter sein werden.

Deshalb befassen sich professionelle Personalentscheider gezielt mit dem Personlichkeitsprofil sowie den personlichen Motiven und Vor-stellungen des Kandidaten. Er wird versuchen herauszufinden, ob die

Vorqualifikationen - wodurch werden sie bestimmt? 37

personlichen Voraussetzungen - auf die es in einer Vertriebsaufgabe ankommt - vorhanden sind. Im vorherigen Kapitel haben wir uns ja bereits eingehend mit diesen Voraussetzungen beschaftigt.

38 Warum im Vertrieb arbeiten?

Wege in den Vertrieb - der Einstellungsprozess

Wie sieht der typische Einstellungsprozess fiir Vertriebsmitarbeiter aus? Worauf sollte ich mich einstellen? Wie kann ich mich vorbereiten - was soUte ich beim Vorstellungsgesprach beachten?

Geeignete Vertriebsmitarbeiter zu finden und einzustellen, zahlt zu den Hauptaufgaben des Vertriebsmanagements. Im Rahmen dieser Aufga-be klart das Unternehmen, wie der Einstellungsprozess ausgerichtet werden soil - welche Form der Einstellung gewahlt wird.

Formen der Personaleinstellung

Unternehmen nutzen verschiedene Formen zur Personaleinstellung. Die folgende Abbildung gibt einen Uberblick:

Abbildung 2: Formen der Personaleinstellung

Wege in den Vertrieb - der Einstellungsprozess 39

Personaleinstellung durch Personalberatungen

Viele Unternehmen greifen heutzutage auf Personalberatungen („ Head-hunter") zuriick. Dabei geht es dem Unternehmen in erster Linie darum, Personal zu finden, das schon iiber Vertriebspraxis verfiigt. Personalberatungen nehmen in der Regei telefonisch Kontakt zu den identifizierten Kandidaten auf und erfragen zunachst, ob ein grundsatz-liches Interesse an einem Wechsel besteht. In diesem Erstgesprach gibt der Personalberater allgemeine Informationen zum auftraggebenden Unternehmen, seiner Marktstellung, dem Stellenprofil, zum Leistungs-angebot und gegebenenfalls zum moglichen Einkommen. Nicht iiblich ist, dass der Personalberater in der Anbahnungsphase seinen Auftrag-geber namentlich bekannt gibt.

In den weiter gehenden Gesprachen stellt die Personalberatung den Kandidaten oder die Kandidatin dem Auftrag gebenden Unternehmen vor. Das Unternehmen ist ab diesem Zeitpunkt aktiv am Personalein-stellungsprozess beteiligt. Es steigt also erst zu einem spateren Zeit­punkt ein, nachdem die Personalberatung das Vorauswahlverfahren durchgefiihrt hat.

Mitarbeiter oder Berufseinsteiger, die durch Personalberatungen an-gesprochen werden, empfinden dies haufig als personliche Wertschat-zung und glauben den Job schon mehr oder weniger sicher zu haben. In vielen Fallen leistet die Personalberatung jedoch nur die Vorarbeit. Das eigentliche Bewerbungsverfahren setzt erst ein, wenn das auftrag-gebende Unternehmen aktiv in den Prozess miteinbezogen wird.

Ein Vorteil dieses Rekrutierungsverfahrens ist, dass das Unternehmen sich den Zeitaufwand fiir das Anzeigenschalten, die Auswertung von Bewerbungsunterlagen und zahlreiche Erstgesprache ersparen kann. Von Nachteil ist, dass der Auftraggeber dem Personalberater vertrauen muss, dass dieser sicher nicht alle potenziellen Kandidaten erreichen kann, und schlieSlich dass dieses Verfahren sehr teuer ist.

Das auftraggebende Unternehmen verspricht sich von dieser Form der Personaleinstellung, dass die Personalberatung geniigend Kontakte zu potenziellen Kandidaten hat und dem Unternehmen ziigig geeignete Kandidaten vorstellen kann. Bei der Suche nach Berufsanfangern wird dieses Verfahren wrird jedoch eher selten eingesetzt. Wenn Sie als Berufsanfanger dennoch von einem Personalberater angesprochen wer-

40 Warum im Vertrieb arbeiten?

den sollten, so soUten Sie selbstbewusst auftreten und versuchen, durch aktives Nachfragen so viel Informationen wie moglich zu erhalten. Wenn sich das Berufsbild, die Branche sowie die Perspektiven und Einkommensmoglichkeiten als interessant darstellen, dann steht einem Vorstellungsgesprach nichts im Wege. Zu diesem Vorstellungsgesprach sollten Sie in jedem Fall eine aussagefahige Bewerbungsmappe mit-bringen.

Personaleinstellung durch das Unternehmen selbst

Ublicher ist, dass Unternehmen den Einstellungsprozess selbst durch-fiihren. Die klassische Form bildet die Stellenanzeige. Heutzutage nutzen viele Unternehmen auch die Moglichkeit, Stellenanzeigen ins Internet zu stellen. Entweder nutzt das suchende Unternehmen dazu seine eigene Homepage oder stellt das Job-Profil bei so genannten ,Job-Borsen" im Internet ein.

Suchende Unternehmen beschreiten aber auch zunehmend unbiirokra-tische Wege, um geeignete Vertriebsmitarbeiter zu finden. Dazu zahlen

t' die Ansprache von Vertriebspersonal auf Messen,

* die Ausfragung eigener Kunden, um den Namen des Wettbewerbs-verkaufers zu erhalten,

* die Ansprache des Vertriebspersonals von Lieferanten,

* die Bezahlung einer Erfolgspramie an das eigene Vertriebspersonal, wenn eine erfolgreiche personliche Vermittlung stattgefunden hat, und zunehmend

* die Prasenz bei so genannten Karrieretagen und auf Rekrutierungs-messen.

Fiir Vertriebseinsteiger bieten Messen wie z. B. die CeBIT in Hannover ein sehr geeignetes Umfeld, um Kontakte zu potenziellen Unternehmen her-zustellen. Der oder die Suchende kann sich auf der Messe die Unter­nehmen und deren Auftritt ansehen und sich mit dem Leistungsangebot vertraut machen. Viele Unternehmen haben sich mittlerweile darauf ein-gestellt, auf einer Messe von Stellensuchenden direkt angesprochen zu werden. Es ist durchaus iiblich, dass Stellensuchende am Counter eines

Wege in den Vertrieb - der Einstellungsprozess 41

Messestands ihren Wunsch bekunden. Bei dieser Vorgehensweise emp-fiehlt es sich, aussagefahige Bewerbungsunterlagen mitzufiihren. Wenn sich Mitarbeiter aus dem Personalbereich auf dem Messestand aufhalten, ist der Stellensuchende mit etwas Gluck sofort an der richtigen Stelle.

In der Kegel findet auf einer Messe ein erstes Kennenlerngesprach statt. Der Kandidat tragt sein Anliegen vor und iibergibt seine Unterlagen. Der Mitarbeiter des Unternehmens stellt das Unternehmen vor, gibt Auskunft liber den Leistungsumfang und skizziert den Einstellungsprozess.

Seltener kommt es schon gleich im Rahmen dieser Kontaktaufnahme zu einem ausfiihrlichen Vorstellungsgesprach - dennoch sollten Sie sich darauf vorbereiten. Im giinstigsten Fall wird ein Termin fiir ein weiter-gehendes Gesprach vereinbart.

Vorstellungsgesprach oder Assessment-Center?

Unternehmen klaren zunachst in welcher Form die Einstellungs-gesprache durchgefiihrt werden sollen. Es bieten sich prinzipiell zwei Standardformen an:

# Einzelgesprach/e mit dem Kandidaten, * Gruppengesprache und/oder Assessment-Center.

Einzelgesprache (Vorstellungsgesprache) lassen im Gegensatz zum Assessment-Center eine stressfreiere und authentischere Gesprachs-situation zu, da die real erlebte Konkurrenzsituation im Gruppen-gesprach, die zu Stress und konkretem Konkurrenzverhalten fiihrt, nahezu ausgeschaltet werden kann. Andererseits ist es im Assessment-Center fiir das Unternehmen leichter moglich, das tatsachliche Verhal-ten der Kandidaten wahrzunehmen.

Im Vergleich zum Einzelgesprach ist die Vorbereitung und Durch-fiihrung des Assessment-Centers ungleich aufwendiger. Nicht jedes Unternehmen verfiigt iiber ausgebildetes Personal mit fundierten Kenntnissen zur Durchfiihrung eines Assessment-Centers. Dies ist aber unbedingt eine Voraussetzung, um ein erfolgreiches Assessment-Center durchfiihren zu konnen.

Es ist dann ratsamer eher ein Einzelgesprach durchzufiihren, als ein mit-telmaSiges Assessment-Center zu veranstalten, welches das gewiinschte

42 Warum im Vertrieb arbeiten?

Ergebnis, den bzw. die am besten geeigneten Kandidaten zu ermitteln, vermissen lasst. Obwohl Assessment-Center sehr modern sind, bedeu-tet dies im Gegenzug nicht, dass das einzeine Vorstellungsgesprach eine veraltete Methode im Personaleinsteliungsprozess ist.

Kombination von Personaleinstellungsformen

Fiir Unternehmen, die sich in einem Marktumfeid mit sinkender oder niedriger Attraktivitat befinden, ist oder wird die Suche nach geeignetem Personal, also auch nach Vertriebspersonal, zunehmend schwieriger, denn die Attraktivitat eines Unternehmens ist ein wichtiges Entschei-dungskriterium fiir Stellensuchende.

Je attraktiver die Markt- und Unternehmenssituation sind, desto inte-ressanter ist der Anbieter fiir den Kandidaten. Er verspricht sich bessere Einkommens- und Weiterentwicklungsmoglichkeiten. Unternehmen in einer unattraktiven Situation sind mehr oder weniger gezwungen, alle Moglichkeiten der Personalbeschaffung auszuschopfen. Dabei kommt es zur Kombination der Personaleinstellungsinstrumente.

Die gewiinschte, oder gezwungenermai?en zu praktizierende Kombinati­on von Personaleinstellungsinstrumenten erfordert seitens der Personal-abteilung und dem suchenden Bereich hohe Disziplin und Abstimmung einheitlicher Richtlinien. Denn, wenn sich Personalberater, Fiihrungs-krafte, Personalabteilung und Mitarbeiter gleichzeitig auf die Suche nach Personal begeben, ist es wichtig, dass alle die „gleiche" Sprache sprechen. Dies gilt insbesondere fiir die Einstellungskriterien und Ver-tragskonditionen, wie z. B. die Hohe des Grundgehaltes, Pkw-Regelung, Handy-Regelung, Urlaubstage, Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Arbeits-zeiten, usw. Es ist nachvoUziehbar, dass es nicht im Sinne des Unternehmens und der Mitarbeiter ist, wenn es hierbei zu abweichenden Vereinbarungen kommt.

Neben der einzuhaltenen Disziplin und Abstimmung der Vertragskon-ditionen fiir die Suchenden soUte die Personalabteilung bei vertrag-lichen Angelegenheiten als Clearing-Stelle eingeschaltet werden. Sie verhindert unerwiinschte Abweichungen.

Achten Sie bei Ihren Gesprachen auf die Vorgehensweise des Unter­nehmens. Verhalt es sich serios? Konnen Ihre Fragen beziiglich arbeits-

Wege in den Vertrieb - der Einstellungsprozess 43

vertraglicher Regelungen verstandlich beantwortet werden? Arbeiten die Gesprachspartner mit Unternehmensrichtlinien, Betriebsverein-barungen oder Ahnlichem oder haben Sie das Gefuhl, dass alles ver-handelbar ist?

Hauptzieisetzungen im Vorstellungsgesprach

Neben der Analyse, ob die notwendigen Vorqualifikationen vorhanden sind (Lebenslauf und Zeugnisse bilden die erste Basis), versucht das Unternehmen in den Interviews herauszufinden, ob die personlichen Voraussetzungen, die Grundkompetenzen stimmen. Meist werden mehrere Gesprache gefiihrt, die in der Regei an verschiedenen Tagen stattfinden, da oftmals erst im zweiten oder dritten Gesprach die per­sonlichen Merkmale des Kandidaten deutlicher werden. Bei den Folge-gesprachen ist er meistens etwas gelockerter, die Gesprachssituation und die Gesprachspartner sind bereits bekannt, moglicherweise auch die Umgebung, sofern der Gesprachsort derselbe ist.

In dieser vertrauteren Gesprachssituation fallt der Stellensuchende eher in sein Grundverhalten zuriick, er zeigt sich so, wie er wirklich ist. Fiir die Interviewer, die den Kandidaten mehrfach erleben konnen, zeichnet sich ein vollstandiger Eindruck des Kandidaten ab. Aufgrund der ver­trauteren Situation haben Kandidat und Interviewer bessere Moglich-keiten, auch tiefer gehende Fragen zu stellen und zu diskutieren.

Die Durchfiihrung von mehreren Interviews wirkt gleichzeitig dem Um-stand der „schlechten Tagesform" des Kandidaten oder der Interviewer entgegen. Kandidat und Interviewer erleben sich in unterschiedlichen Tagesformen. Dieser Umstand ist sehr wichtig, damit beide Seiten ein moglichst klares Bild voneinander erhalten konnen. Andererseits hat der Kandidat die Moglichkeit, ein authentisches Feedback zu seiner Person zu bekommen. Damit kann er sich selbst besser einschatzen. Ungliickliche Situationen aufgrund der „schlechten Tagesform" in vor-angegangenen Gesprachen konnen durch Kandidat und Interviewer wieder ausgeglichen werden.

44 Warum im Vertrieb arbeiten?

Das Verkaufsrollenspiel als Bestandteil des Vorstellungsgesprachs

Entscheidet sich das Unternehmen fiir einen Einstellungsprozess mit In­terviews und Vorstellungsrunden, dann entfallen iiblicherweise prakti-sche Ubungen, die beim Assessment-Center-Verfahren Aufschluss iiber das konkrete Verhalten in einer Ubungssituation liefern soUen. Es hat sich als sehr effektiv erwiesen auch beim Interviewverfahren oder bei Vorstellungsgesprachen, den Kandidaten eine praktische Obung, z. B. ein Verkaufsrollenspiel, zu geben. Seien Sie also immer auf eine solche Situation gefasst. Auf Seite 44 liefere ich Ihnen konkrete Hinweise, wie Sie sich auf eine solche Obung vorbereiten konnen.

Inhalt des Verkaufsrollenspiels

Inhalt dieser Obung ist in der Kegel ein Verkaufsgesprach, das der Kan-didat mit den Interviewern fiihrt. Dabei konnen Gegenstande, die z. B. auf dem Schreibtisch liegen wie Taschenrechner, Schreibtischunterlagen oder Schreibstifte fiir das Flip-Chart-Board, als geeignete Obungs-produkte eingesetzt werden.

Die RoUe des Kandidaten ist die des Verkaufers, die RoUen des oder der Interviewer sind Einkaufer und/oder Organisationsverantwortlicher. Der Kandidat wird gebeten, sich auf das Verkaufsgesprach vorzubereiten. Dazu werden ihm Schreibzeug und Schreibblock zur Verfiigung gestellt.

Wenn Sie sich also in einer solchen „Verkaufssituation" befinden, machen Sie sich klar,

* dass es sich um ein Verkaufs-„Spiel" handelt, das nur einige Hin­weise auf Ihre Fahigkeiten liefern soil,

* dass es nicht um die Vorfiihrung einer perfekten Verkaufsverhand-lung mit Abschluss geht,

* dass die Interviewer keine „Fallen" stellen werden, sondern Sie unterstiitzen, falls der Verkaufsprozess ins Stocken gerat,

« dass die Interviewer die Richtigkeit von sachlichen bzw. technischen Aussagen nicht hinterfragen werden (z. B. „die Batterie halt 20 Jahre"),

* dass Sie den Prozess selbst steuern, in dem Sie sich die Vorgeschichte und das Ziel des Verkaufsgepraches selbst setzen konnen.

Wege in den Vertrieb - der Einstellungsprozess 45

Vorbereitung und Durchfiihrung

Der Kandidat hat nun 10 Minuten Zeit um sich allein vorzubereiten, die Interviewer verlassen den Raum, fragen beim Verlassen nochmals nach, ob die Aufgabe verstanden wurde, nehmen dem Kandidaten nochmals Stress durch eine Geste, z. B. Kaffee nachschenken. Nach ca. 5 Minuten soUten die Interviewer kurz den Fortgang der Vorbereitung erfragen.

1st die Vorbereitungszeit verstrichen, betreten die Interviewer wieder den Raum und fragen nach, wie sich der Kandidat das Gesprach vor-stellt. Dann startet das Verkaufsgesprach. Wichtig ist jetzt, dass man das Gesprach laufen lasst. Die Interviewer versuchen, sich tatsachUch in die ihnen zugedachten Roilen zu versetzen und nehmen gleichzeitig die Rolle der Beobachter ein. Die Interviewer stimmen sich vorher dar-iiber ab, wer hauptsachhch die Rolle des Beobachters einnimmt. Bei-spielsweise ist der „Einkaufer" der Akteur, der „Organisationsverant-wortliche" halt sich eher zuriick und beobachtet, macht sich Notizen, merkt sich die Details des Verkaufsverhaltens.

Die Lange dieser (Jbung soUte 15 Minuten nicht iiberschreiten, an-schliefiend beenden die Interviewer die Ubung und leiten eine kurze Entspannungsphase ein.

Der Kandidat wird jetzt nach seinem personlichen Befinden befragt und wird gebeten zu beschreiben, wie er das Verkaufsgesprach empfunden hat, und wie er glaubt auf die Interviewer gewirkt zu haben.

Nachdem der Kandidat seine Eindriicke geschildert hat, stellen nun die Interviewer dem Kandidaten ebenfalls dar, wie sie das Gesprach empfunden haben und welche Verhaltensweisen sichtbar wurden. Dies ist nicht nur wichtig der Sache wegen, sondern der Kandidat erwartet diese Riickmeldung, denn aus seiner Sicht hat er ja ein Aufgabe gelost und mochte gerne das Ergebnis kennen lernen.

Ein durch den Interviewer professionell gefuhrtes Gesprach konnen Sie daran erkennen, dass er sich an die wichtigen Feedback-Regeln halt. Die Beachtung der Feedback-Regeln bildet die Grundlage fiir einen er-folgreichen Fortgang der Gesprache. Dadurch verschaffen sich Inter­viewer und Kandidat ein konstruktives und fiir beide Seiten nutzbrin-gendes Gesprachsklima. Das bedeutet, dass sich Kandidat und Inter-

46 Warum im Vertrieb arbeiten?

viewer nicht einer anstrengenden und womoglich beklemmenden Ge-sprachssituation aussetzen. Kritische Riickmeldungen fiihren nicht zwangslaufig zu Unwohlsein. Der Kandidat erhalt konstruktive Infor-mationen zu seiner Person und seiner Wirkung auf andere - dies offnet ihm gleichzeitig Moglichkeiten zur personlichen Weiterentwicklung.

>• Direkte Ruckmeldung an den Kandidaten

>- Konkrete Information (so genau wie moglich formulieren)

>• Konstruktive und woiilwollende Anspracfie

>- „lcli"-Botschaften senden (... mir ist aufgefalien, dass Sie ...)

>• Kein Feedback zu Dingen, die nicJit zu andern sind

>" Feedback annehmen, nicht unterbrechen und rechtfertigen

Abbildung 3: Regein fiir ein erfolgreiches Feedback

Mogiiche Verkaufsrollenspiele - drei Beispiele

Die folgenden drei Beispiele skizzieren mogiiche Verkaufssituationen in einem Verkaufsrollenspiel:

Beispiel 1- Nutzenargumentation

Der Kandidat wird gebeten, sich in die Rolle eines Vertriebsmitarbeiters zu versetzen, der einen Termin mit der Organisationsabteilung eines Kunden vereinbart hat. Das Unternehmen mochte fiir seine Mitarbeiter neue Tischtaschenrechner einkaufen. In dieser Situation geht es darum, dass der Kandidat die technischen Vorziige „seines" Produktes hervor-hebt. Welche technischen Eigenschaften sind nutzbringend fiir die Mit­arbeiter des Unternehmens - z. B. „das Display dieses Taschenrechners ist besonders gro6. Die gute Lesbarkeit der Zahlen erhoht den Komfort bei der Nutzung und wirkt schneller Ermiidung entgegen." Welche technischen Eigenschaften werden noch als Nutzen dargestellt? Wie baut der Kandidat seine Argumentation auf? Wie prasentiert er sich und das Produkt? Diese Frage mochten die Interviewer durch das kon­krete Verhalten „beantwortet" sehen.

Wege in den Vertrieb - der EinsteJIungsprozess 47

Beispiel 2 - Anpassungsfdhigkeit und Sensibilitdt

Der Kandidat hat in seiner Rolle als Vertriebsmitarbeiter einen Folge-termin mit der Einkaufsabteilung vereinbart. Es geht um die Beschaf-fung einer neuen Telefonanlage. Zum Termin erscheint aber auch der Verantwortliche aus der EDV-Abteilung des Kunden. Dem Einkaufer geht es um einen moglichst niedrigen Einkaufspreis, dem EDV-Mit-arbeiter um das technisch beste Produkt fiir sein Unternehmen. Er favorisiert „Ihre" Telefonanlage, die aber etwas teurer ist als das Pro­dukt des Mitbewerbs. Ermittelt werden soil in diesem Spiel: Wie argu-mentiert der Kandidat? Gelingt es, den Mehrpreis durch besondere Eigenschaften wieder wettzumachen? Wie grenzt der „Vertriebsmit­arbeiter" sein Produkt gegeniiber der Konkurrenz ab - wie spricht er iiber die Konkurrenz? Wie geht er mit dem Interessenkonflikt zwischen Einkauf und Organisation um?

Beispiel 3 - Preisverhandlung

Der Kandidat erscheint zum Abschlusstermin in der Einkaufsabteilung. Am Gesprach nehmen der Einkaufer und der Organisationsverant-wortliche teil. Es soUen 500 Flip-Chart-Boards beschafft werden. Der Mitarbeiter aus der Organisation neigt zu „Ihrem" Produkt, konnte aber auch mit der Losung der Konkurrenz „leben". Der Einkaufer teilt dem Vertriebsmitarbeiter mit, dass er ein Angebot vorliegen hat, dass 10 Prozent preiswerter ist. Wie geht der Kandidat mit dieser Situation um? Welche Fragen stellt er? Wie nutzt er die Praferenz des Organisa-tionsmitarbelters? Wie bringt er das Gesprach zum Abschluss?

Wie bereite ich mich auf die Ubung vor?

Unabhangig von der konkreten Aufgabenstellung ist es zunachst wich-tig, dass Sie sich einige Gedanken iiber einen Gespracheinstieg machen. Woriiber konnten Sie sprechen, um in der „Warm-up"-Situation die Beziehungsebene aufzubauen? Sie konnten sich z. B. fiir das Zustande-kommen des Termins bei Ihren Gesprachspartnern bedanken.

Sie sollten sich mit „Ihrem" Produkt vertraut machen. Welche Eigen­schaften besitzt es? Welche der Eigenschaften verschaffen dem Kunden einen Nutzen? Um Nutzen zu erkennen, bietet sich die Hilfsfrage „Was habe ich davon?" an. Gibt es im Umfeld des Produktes weitere Leis-

48 Warum im Vertrieb arbeiten?

tungen (z. B. Service- oder Garantieleistungen), die fiir den Kunden von Nutzen sein konnten? Welche der genannten Nutzen sind so „stark", dass sie einen moglichen Mehrpreis rechtfertigen?

AbschlieSend sollten Sie sich auf Einwande der Gesprachspartner ein-stellen. Welche Einwande konnten kommen (Preis, Zufriedenheit mit derzeitigem Lieferant, Praferenzen, usw.)? Einwande sollten nicht als Fallen, sondern als fiir den Gesprachspartner wichtige und die Ent-scheidung beeinflussende Sachverhalte aufgefasst werden. Welches Motiv verbirgt sich hinter dem Einwand? Wo hat der Kunde Bedenken? Was mochte er vorbeugen? Wie gehe ich generell mit Einwanden um?

Versetzen Sie sich also in die Situation eines „echten" Verkaufsgespraches. Sehen Sie in den Interviewern Ihre zukiinftigen Kunden. Je mehr Sie in dieser RoUensituation die innere Einstellung einer „echten" Situation ha-ben, desto authentischer und iiberzeugender konnen Sie wirken.

Nutzen des Verkaufsrollenspiels und Fazit

Trotz der Ubungs- oder „Laborsituation" hat sich herausgestellt, dass das verkauferische Verhalten des Kandidaten im Hinblick auf die per-sonlichen Grundkompetenzen sehr haufig mit seinem Verhalten beim „echten" Kunden iibereinstimmt.

Somit liefert das Verkaufsrollenspiel eine sehr gute Moglichkeit, Zugang zu Ihren personlichen Grundkompetenzen und zu Ihrem wahr-scheinlichen Echtverhalten beim Kunden zu bekommen. Dies hilft Ihnen bei der Einschatzung Ihrer moglichen zukiinftigen Aufgabe als Vertriebsmitarbeiter. Um diese Merkmale identifizieren und richtig ein-schatzen zu konnen, soUte mindestens eine interviewende Person iiber fundierte Vertriebspraxis verfiigen, am besten selbst noch in der Vertriebspraxis stecken.

Selbst wenn Sie bereits iiber einschlagige Vertriebserfahrung verfiigen, sollten Sie mit einem solchen Rollenspiel rechnen. Die Interviewer haben dann die Moglichkeit, das bereits etablierte Vertriebsverhalten kennen zu lernen und Auspragungen der personlichen Grundkompe­tenzen wahrnehmen zu konnen.

Beim Verkaufsrollenspiel handelt es sich um eine unkomplizierte und sehr effektive Methode, Zugang zu den personlichen Grundkompeten-

Wege in den Vertrieb - der Einstellungsprozess 49

zen zu erhalten. Es erfordert wenig Vorbereitungszeit und ist schnell und problemlos durchfiihrbar.

Die Interviewer sollten iiber Erfahrung mit dieser Obung verfiigen oder vor dem ersten Mai selbst iiben und die verschieden Rollen einnehmen. Auch das Feedbackgeben muss geiibt (sollte trainiert) werden, damit Unternehmen und Kandidat wirklich davon profitieren konnen.

Was ich beim Einstellungsprozess beachten sollte

Wenn es nach Ubermittlung der Bewerbungsunterlagen zu einem personlichen Vorstellungsgesprach kommt, kann man davon ausgehen, dass die Vorqualifikationen zum Produkt- und Leistungsumfang passen. Worum geht es im Vorstellungsgesprach? Ziel des einstellenden Unternehmens ist es, herauszufinden ob der Mitarbeiter selbst zum Unternehmen passen konnte. Wer verbirgt sich hinter den Bewer­bungsunterlagen? Welche personlichen Grundkompetenzen sind vor-handen? Da diese Fragen nur schwer in einem einzigen Gesprach beantwortet werden konnen, sollten Sie sich auf mindestens zwei oder drei Gesprache einrichten.

Damit Sie einschatzen konnen, ob das Unternehmen zu Ihnen selbst passt und ob Sie sich vorstellen konnen, in diesem Unternehmen zu arbeiten, sollten Sie folgende Fragen bereit halten:

Welche Produkte und Leistungen sollen vermarktet werden? Fiir welche Produkte oder Produktgruppen ist diese Vertriebsposi-tion vorgesehen? Gibt es noch andere Vertriebspositionen im Unter­nehmen?

Dies liefert Hinweise auf die Vertriebsstruktur.

Welche Stellung hat das Unternehmen im Markt? Ist das Unternehmen marktfiihrend, greift es an oder lauft es mit? Welche Chancen hat das Unternehmen, um im Markt eine bedeu-tende RoUe zu spielen? Welches Image hat das Unternehmen und seine Vertriebsmannschaft?

50 Warum im Vertrieb arbeiten?

Dies lasst sich in einigen Fallen auch schon vorher ermitteln, vor allem bei Konzernen (Aktienwerte, Homepage, Branchenzeitungen).

Wie hat sich der Gesamtmarkt in den letzten Jahren entwickelt? 1st der Markt stabil, riicklaufig oder wachst er?

Die Antwort liefert Hinweise auf die mittel- bis langfristige Perspekti-ve, aber nicht zwangslaufig auf die Professionalitat der Vertriebsorga-nisation. Dennoch ist die Antwort wichtig, um fiir sich selbst entschei-den zu konnen, ob die Perspektive zur eigenen Berufsplanung passt.

Wie sieht die Konl(urrenzsituation aus? Wer sind die hartesten Wettbewerber? Wie ist das Verhalten der Marktteilnehmer? Durch welche Mafinahmen gewinnt man den Kunden? Stehen Preiskampf oder Leistung im Vordergrund? Wodurch differenziert sich das Unternehmen? Welche Marketing-mafinahmen setzt das Unternehmen um?

Dies gibt Aufschluss iiber den Grad der Anstrengungen, Geschafte zu realisieren.

Wie ist die Vertriebsorganisation strukturiert?

Wie groi? ist das Verkaufsteam? Wo sitzt der „Chef"? Wie ist der Vertriebsbereich hierarchisch aufgebaut? Welche verschiedenen Ver-triebspositionen gibt es?

Eine flache Hierarchie lasst kurze und schnelle Entscheidungswege vermuten.

in welchem Verkaufsbezirk soli ich eingesetzt werden? Ist derzeit ein Verkaufsbezirk vakant? Handelt es sich um einen bestehenden oder neu aufzubauenden Verkaufsbezirk? Fiir wen (Kunde oder Interessenten, usw.) werde ich verantwortlich sein? Wie werden Verkaufspotenzial und Verkaufschancen in diesem Bezirk durch die Gesprachspartner eingeschatzt?

Wege in den Vertrieb - der Einstellungsprozess 51

P Wer sind meine Kollegen - wer ist mein Vorgesetzter? Wenn moglich sollten Sie jemanden aus „Ihrem" Team kennen lernen. Im Vorstellungsprozess fiir den Vertrieb ist es iiblich, dass Sie im Fortgang der Gesprache Ihren direkten Vorgesetzten kennen lernen. Hier sollte die „Chemie" stimmen.

I" Wie sieht ein typischer Arbeitstag aus? Wann beginnt und wann endet er iiblicherweise? Welche Aufteilung des Tages ist optimal (Biirozeiten, Akquisition, Kundenbesuche, Administration, Meetings, usw.)?

> Wie und durch wen werde ich eingearbeitet? Wer nimmt mich zu Beginn „an die Hand"? An wen kann ich mich wenden? Wen kann ich um Hilfe fragen? Wer zeigt mir, wie es geht?

P^ Was wird von mir in der Einstiegsphase erwartet? Welche Zielvorgaben erwarten mich? Ist das fiir mich realistisch? Werde ich damit alleine gelassen? Wie findet der Austausch mit meinem Vorgesetzten statt?

^ Welche Trainings- und AusbildungsmaBnahmen sind vorgesehen? Verfiigt das Unternehmen iiber eine eigene Trainingsabteilung? Welche Trainingsangebote existieren?

Die Antwort liefert einen Hinweis auf die Bereitschaft des Unter-nehmens in seine Mitarbeiter zu „investieren".

'P- An wen kann ich mich wenden, wenn ich einmal nicht weiterkomme? Ist mein Chef jederzeit ansprechbar? Wer hilft mir weiter, wenn es nicht richtig klappt? Wer entwickelt mit mir in schwierigen Situa-tionen eine Losung?

>» Wie setzt sich mein Gehalt zusammen? Handelt es sich um ein kombiniertes Entlohnungssystem (siehe zu Entlohnungsformen ab Seite 204)? Wie hoch ist das Grundgehalt? Wie ist das Provisionssystem gestaltet? Welche Geschafte werden besonders gut belohnt? Gibt es weitere Gehaltsbestandteile?

52 Warum im Vertrieb arbeiten?

i> Welche Einkommensperspektive habe ich?

Welche Einkommenshohe habe ich im ersten und in den Folgejahren zu erwarten? Was ist realistisch?

*' Was steht im Vertrag - was ist dort geregelt? Arbeitsverhahnis befristet oder unbefristet, Anzahl Urlaubstage, Zu-satzleistungen wie Pensionen, Arbeitszeiten, Kiindigungsfristen, usw.

Ein konkreter Vertragsentwurf wird in der Regel erst diskutiert, wenn mehr oder weniger fiir beide Seiten klar ist, dass man „zueinander passt" und zusammenarbeiten mochte. Die meisten Punkte sind ohnehin nicht verhandeibar, da es im Rahmen des Gleichheitsprinzips haufig Betriebsvereinbarungen oder Einstellungsrichtlinien gibt.

'»• Gibt es Verkaufswettbewerbe und/oder Incentiveprogramme? Wird liber Wettbewerbe oder Incentives zusatzHch motiviert? Wie ist der laufende Wettbewerb ausgestahet?

ISv- Gibt es eine Firmenwagenregelung? Welche Wagen kann ich fahren? Ist eine private Nutzung mogUch? Wie bin ich versichert? Was kostet mich die private Nutzung?

Wie sieht mein Arbeitsplatz aus - welche Hilfsmittel werden mir zur Verfiigung gestellt? Wo und wie werden die Kunden- und Interessentendaten verwaltet? Steht mir ein PC oder Laptop zur Verfiigung? Wird verkaufsunter-stiitzende Software (CAS-Systeme) eingesetzt? Welche Verkaufs-forderungsmaSnahmen werden eingesetzt (Prasentationsmoglich-keiten, Messen, Kundenzeitungen, Mailings, usw.)?

Welche beruflichen Perspektiven habe ich im Unternehmen? Welche Weiterentwicklungsmoglichkeiten existieren? Wie werde ich auf zukiinftige Aufgaben vorbereitet? Wie hangt die Erreichung meiner Zielvorgaben mit den Karrieremoglichkeiten zusammen? Was wird von mir erwartet? Was kann ich erwarten?

Wege in den Vertrieb - der Einstellungsprozess 53

¥ Mit welchen Entscheidungskompetenzen sind Vertriebsmitarbeiter im Untemehmen ausgestattet? Welche Handlungsspielraume habe ich in der Tagesarbeit? Wie viel Verantwortung wird mir iibertragen? Wie, in welchem Rahmen und an wen berichte ich (Berichtswesen, Meetings, Einzelgesprache, Ver-triebssteuerung, usw.)?

Diese Fragen konnen als Leitfaden angesehen werden - Sie konnen davon ausgehen, dass das Unternehmen im Rahmen der Vorstellungs-gesprache quasi „ungefragt" Informationen bereit halt, die einen Teil der Fragen beantwortet. Die unbeantworteten Fragen soilten gestellt werden. Es ist iibUch, den Kandidaten zu bitten, Fragen zu stellen. Darauf soilten Sie sich moglichst gezielt vorbereiten.

54 Warum im Vertrieb arbeiten?

Prinzipien des Vertriebs im Gesamtzusammenhang

Bevor wir uns im nachsten Kapitel mit dem konkreten Tagesgeschaft im Vertrieb beschaftigen, fiihren folgende Abschnitte zunachst in die Prin­zipien des Vertriebs im Gesamtzusammenhang ein. Auf welche Markt-situationen konnen wir treffen? Welche Konsequenzen ergeben sich daraus fiir den Vertrieb? Was ist ein Verkaufszyklus - wann beginnt und wann endet er? Wie organisiert sich der Vertrieb? Wodurch lasst er sich steuern? Konkrete Beispiele und MaSnahmen erganzen dabei die Ausfuhrungen.

Durch die Kenntnis der Gesamtzusammenhange lassen sich die Ver-triebssituationen besser einschatzen. Dies kann Ihnen bei der Auswahl „der Vertriebsorganisation" helfen, die Ihnen personUch am besten Uegt.

Die Marktsituation

Neben dem Leistungsangebot und der Zielsetzungen des vertreibenden Unternehmens werden Anforderungen an die Direktvertriebsorganisa-tion in erhebhchem MaSe von der aktuellen Marktsituation und der zuktinftigen Marktentwicklung definiert.

Das vertreibende Unternehmen ist Bestandteil seines Marktumfeldes und bildet neben den Kunden und den Wettbewerbern einen Teil des strategischen Dreiecks (Kunde, Anbieter, Wettbewerber). Aus dieser Konstellation ergeben sich fiir das vertreibende Unternehmen konkrete Handlungskonsequenzen und durch den Markt beeinflusste Begren-zungen. Es ist wichtig, immer wieder die aktuelle Marktsituation zu untersuchen, um Handlungsspielraume und Handlungsbegrenzungen erkennen zu konnen.

55

Die Analyse der Marktsituation umfasst im Wesentlichen die Bereiche:

P Marktanteilsanalyse Die Marktanteilsanalyse (Marktfiihrer, Angreifer oder Mitlaufer) sowie die Analyse der Entwicklung des Unternehmens im Markt-umfeld ermittelt die Marktposition des vertreibenden Unternehmens.

!• Imageanalyse Das Image des vertreibenden Unternehmens im Marktumfeld wird untersucht: Welche Meinungen und Einstellungen haben Kunden und Lieferanten zum Unternehmen? Welchen Ruf geniefit es?

^ Wettbewerbsanalyse Eine Wettbewerbsanalyse eruiert die Marktposition und Entwick­lung der starksten Mitbewerber. Das eigene Produktportfolio wird hinsichtlich der zukiinftigen Wachstumschancen im Vergleich zum Wettbewerbsportfolio bewertet.

P' Analyse der Marktform Ermittlung der Anzahl der Mitbewerber und Anzahl der Nachfrager im Marktumfeld.

¥ Strategische Chancenanalyse Die Entwicklung des Gesamtmarktvolumens wird prognostiziert und neue Trends und Chancen werden ausgelotet.

Die Marktteilnehmerzahl bestimmt die Marktsituation

Ein weiterer Ansatz, Handlungsspielraume und -begrenzungen erken-nen zu konnen, bildet die Analyse des Marktumfeldes nach der Anzahl der Marktteilnehmer und der eigenen Marktstellung. Folgende Markt-formen, die aus der Anzahl der Marktteilnehmer resultieren, konnen definiert werden: das Monopol, das Oligopol und das Polypol.

Das Monopol ist dadurch gegenzeichnet, dass den Kunden nur ein An-bieter zur Verfiigung steht, der die nachgefragte Leistung liefern kann. Der Kunde ist somit auf den Anbieter angewiesen. Dies versetzt den Anbieter in die „gluckliche" Lage das Leistungsportfolio und die Ver-kaufspreise auf die eigenen Unternehmensziele hin zu optimieren. Der

56 Prinzipien des Vertriebs im Gesamtzusammenhang

Zusammenhang zwischen Angebotspreis und Absatzmenge ist in den Wirtschaftswissenschaften umfassend analysiert und beschrieben. Der Handlungsspielraum ist im Vergleich zum Oligopol oder Polypol fiir das Unternehmen am groSten.

Die Anforderungen an die Vertriebsmannschaft sind beim Monopol im Vergleich zu anderen Marktformen niedrig. Harte Verhandlungen, das Durchsetzen des eigenen Angebotes gegeniiber dem Angebot des Mit-bewerbers entfallen. Es besteht vielmehr die Gefahr, dass sich bei der Vertriebsmannschaft die Haltung durchsetzt: „Kunde, friss oder stirb!". Darunter kann das Image des Unternehmens leiden, was dazu fiihrt, dass das Interesse der Kunden, mit diesem Unternehmen Geschafte zu tatigen und Vertrage abzuschheSen, abnimmt. Manche Monopoiisten reagieren auf dieses Verhahen, indem sie die Preise erhdhen.

Um in dieser Marktsituation jedoch langfristig die Umsatze zu steigern, bzw. moghche Umsatze nicht zu verlieren, besteht die Hauptaufgabe fiir die Vertriebsleitung darin, eine Einstellung in der Mannschaft durchzusetzen, die dem Kunden Engagement, Zuverlassigkeit und Ein-satzfreude signahsiert. Der Betreuungsaufwand fiir den Kunden ist hoch zu halten.

Das Oligopol ist dadurch gekennzeichnet, dass den Nachfragern nur eine kleine Anzahl von Anbietern gegeniibersteht. Nach der Spieltheo-rie ergeben sich in einer solchen Marktform fiir die Anbieter zwei grundsatzHche Verhaitensweisen:

Zum einen halten die Anbieter hinsichtlich der Preisgestaltung still, tei-len sich stillschweigend den „Kuchen" und frieren das Preisgefiige ein. Eine nach dem Kartellgesetz verbotene Form bildet die Preisabsprache, bei der die Gruppe der Anbieter versucht, das Preisniveau zu steigern und den Markt abzuschopfen.

In dieser Oligopolsituation sind die Anforderungen an die Vertriebsor-ganisation nicht besonders hart, da kein Preiskampf stattfindet. Die Auswirkungen und Konsequenzen eines Preiskampfes fiir die Ver-triebsorganisation werden ab Seite 60 detailliert erlautert.

Zum anderen versucht ein Anbieter, mittels Absenkung der Angebots-preise Marktanteile hinzuzugewinnen. Dies gelingt kurzfristig, fiihrt aber in der Kegel dazu, dass die anderen Anbieter ebenfalls die Preise senken und Marktanteile zuriickgewinnen. Das Ergebnis einer solchen

Die Marktteilnehmerzahl bestimmt die Marktsituation 57

Preisstrategie ist, dass die urspriingliche Marktanteilsverteilung wieder erreicht, aber das Gesamtmarktumsatzvolumen fiir alle Beteiligten ge-ringer geworden ist. Wird dieser Prozess dadurch forciert, dass immer wieder ein Anbieter nach vorne prescht und die Preise absenkt, um Marktanteile zu erringen, spricht man vom ruinosen Preiskampf, der letztlich darin endet, dass einzelne Anbieter vom Markt verschwinden, iibernommen werden oder Konkurs anmelden.

Ein weiterer Effekt des ruinosen Preiskampfes ist, dass die Anbieter gezwungen werden, aktives und aggressives Kostenmanagement zu betreiben, um bei sinkenden Margen, die Gewinnziele und die Rendite sicherstellen zu konnen. Prinzipiell ist natiirlich das Kostenmana­gement ein stetige Managementaufgabe. Der ruinose Preiskampf fiihrt aber zwangslaufig dazu, dass Kostenbereiche angetastet werden miis-sen, die fiir die Aufrechterhaltung des Leistungsumfangs notwendig sind. Werden dennoch in diesen Bereichen Kosten gesenkt, fiihrt dies zu einer Beeintrachtigung der Leistungsfahigkeit des Unternehmens. Stellt man sich z. B. vor, dass Mindestlagerbestande reduziert werden, um die Zinskosten fiir das gebundene Kapital zu senken, kann darunter die Lieferfahigkeit leiden. Durch das aggressive Kostenmanagement wird die Gesamtleistung der Anbieter zunehmend schlechter. Dass es alle Anbieter mehr oder weniger gleich betrifft und somit alle Anbieter schlechter leisten werden, ist nur ein schwacher Trost.

Der Kunde, der der vermeintliche Gewinner dieser Entwicklung ist - er bezahlt immer weniger fiir die Leistung - muss sich ebenfalls an ein schlechteres Leistungsniveau gewohnen. Setzt der Kunde serviceintensive Investitionsgiiter dieser Branche ein, um selbst Geld damit zu verdienen, kommen zeitversetzt auch Probleme auf den Kunden zu. Wenn z. B. seine Maschinen ausfallen und er zu lange auf Servicetechniker warten muss, ist namlich auch er dann nicht mehr in der Lage, seine Gesamtleistung optimal aufrecht zu erhalten. Seine Kunden werden unzufrieden und beginnen, nach Alternativen zu suchen. Der dadurch entstehende Imageschaden ist nur langfristig wieder zu korrigieren. Es kostet viel Kraft, einen Kunden zuriickzugewinnen. Vor allem dann, wenn er wegen Unzufriedenheit den Anbieter gewechselt hat.

Die Einsparung durch die geringere Investitionssumme wird durch zu-satzliche Qualitatskosten wieder verbraucht, wenn z. B. die Service-leistung nicht mehr stimmt oder die Maschine fehlerhaft ausgeliefert

58 Prjnzipien des Vertriebs im Gesamtzusammenhang

wurde. Schriftwechsel, Abmahnungen langwierige gerichtliche Ausein-andersetzungen konnen die Folge sein und zusatzliche Ausgaben ver-ursachen.

Das Verdrangen von Anbietern mittels ruinosem Preiskampf oder die ijberlegung des angreifenden Anbieters, andere Anbieter in die Knie zu zwingen, um sie anschliel?end zu iibernehmen, wenn die Luft diinn wird, ist haufig strategische Absicht des „Angreifers" und in Grenzen legitim. An die Vertriebsorganisation stellt diese Auspragung des Oligopols sehr hohe Anforderungen. Der Grad der Anstrengung, Ver-tragsabschliisse in diesem Umfeld zu generieren, ist besonders hoch (siehe dazu Seite 64 ff.).

Im Polypol stehen den Nachfragern viele Anbieter gegeniiber. Man spricht bei dieser Marktform auch von der voUstandigen Konkurrenz. Ein Kennzeichen dieser Marktform ist das feste Preisgefiige. Anbieter, die in dieser Marktform operieren, vertreiben in der Kegel nicht iiber Direktvertriebsorganisationen, sondern nutzen indirekte Absatzkanale. Fiir die Organisationen, die mit Direktvertriebspersonai arbeiten, ist die Rolle des Vertriebsmitarbeiters eher die des Kundenbetreuers, da der Preis und das Preis-Leistungs-Verhaltnis feststehen.

Die Marktdynamik beeinflusst die Marktsituation

Die Marktdynamik wird durch das mogliche Marktwachstum (Ent-wicklung der Umsatz- und Gewinnpotenziale), durch die aktuelle Marktform (Monopol, Oligopol oder Polypol), die Innovationsfreudig-keit und zeitlichen Innovationsschritte sowie die Veranderungen bei den Marktteilnehmern (Entwicklung der Anzahl der Anbieter, der Nachfrager, usw.) bestimmt.

Ein weiteres Merkmal, das die Marktdynamik beeinflusst, ist die Art des Marktes. Es kann der Verteilermarkt vom Verdrangungsmarkt unterschieden werden.

Der Verteilermarkt ist dadurch gekennzeichnet, dass die Leistung quasi verteilt werden kann. Dies ist der Fall, wenn

Die Marktdynamik beeinflusst die Marktsituation 59

• nur ein Anbieter (Monopol) den Nachfragern gegeniibersteht, • bei hoher Nachfrage die Marktsattigung sehr gering ist, • neue Produkte bei hoher Nachfrage eingefiihrt werden.

Der Verdrdngungsmarkt ist dadurch gekennzeichnet, dass das ver-treibende Unternehmen nur dann neue Kunden fiir sich gewinnt, wenn es dem Mitanbieter einen Kunden abwirbt, also den Mitanbieter ver-drangt. Diese Marktsituation entsteht

« in Markten mit hoher Marktsattigung, 9 in Markten mit geringeren Wachstumsentwicklungen, • in schrumpfenden Markten, • in Markten mit ruinosem Preiskampf.

Die Marktdynamik als Bestandteil des Marktumfeldes Hefert ebenfalls eine Analysebasis, aus der Konsequenzen oder Schlussfolgerungen fiir die Vertriebsorganisation gezogen werden konnen. Ist die Marktdynamik gering, so gerat die Vertriebsorganisation seltener unter Druck, sie kann Vertriebsmai?nahmen mit ausreichend Zeit planen und testen und hat geniigend Zeit Fehier zu kompensieren.

In einem Marktumfeld mit sehr hoher Marktdynamik gerat die Ver­triebsorganisation schnell und haufig unter Druck. Hohe FlexibiUtat und schnelle Anpassung an neue Marktbedingungen werden erforder-lich. Fehlentscheidungen haben zum Teil gravierende Auswirkungen auf das Ergebnis der Vertriebsorganisation, die Zeit fiir Korrekturen fehlt. Die internen Prozesse, Berichtswege, Entscheidungswege, Aus-bildungs- und Trainingsprozesse miissen mit hoher Geschwindigkeit optimiert und stetig verbessert werden.

Der Vertriebsfiihrung sollte es in einer solchen Situation geUngen, eine Einstellung und Vertriebskultur zu etabiieren, die schnelle Umstellungen und Veranderungen moglich machen. Sie muss sicherstellen, dass die Vertriebsmannschaft dutch haufige Anpassungen und somit Verande­rungen (Aufgaben, Strukturen, Prozesse, Schwerpunkte) nicht iiber-fordert, frustriert oder verunsichert wird.

60 PrJnzipien des Vertriebs im Gesamtzusammenhang

Konsequenzen fur die Vertriebsorganisation ...

Durch die Marktsituation werden die Anforderungen an die Vertriebs-mannschaft, der Grad der Anstrengung, um Abschliisse zu generieren, beeinflusst und definiert.

Im Folgenden werden die Anforderungen und der Grad der Anstren­gung in Abhangigkeit von der Marktform und von den Aspekten der Marktdynamik beschrieben. Dabei liegt das Hauptaugenmerk auf der Marktform des Oligopols, da diese Marktform bei Herstellern und Ver-triebsorganisationen von erkiarungsbediirftigen Investitionsgiitern sehr haufig vorkommt.

Die Marktform des Monopols oder Polypols bilden eher die Aus-nahme. Auf die Marktsituation des Polypols wird hier nicht weiter eingegangen.

... im Monopolumfeld mit Stagnation oderWachstum

In dieser Situation befindet sich die Vertriebsorganisation in einer fiir sie komfortablen Ausgangslage. Die Anforderungen an die Vertriebs­organisation sind - gemessen an anderen Umfeldern - als gering einzu-stufen. Ebenfalls ist der Grad der Anstrengung fiir die Vertriebsorgani­sation, Vertragsabschliisse zu generieren, niedrig.

Die Herausforderung fiir die Vertriebsorganisation besteht in einem solchen Umfeld vielmehr darin, sich nicht auf den Lorbeeren auszu-ruhen, auf den Kunden in kontinuierlicher Weise genau und zuverlas-sig zu wirken, bei Reklamationen und Anfragen der Kundschaft prompt zu reagieren, Zusagen weiterhin ziigig umzusetzen - mit ande­ren Worten, den Kunden nicht aus dem Blick zu verlieren, ihn nicht zu vernachlassigen. Die Gefahr der allgemeinen Vernachlassigung ist in diesem Umfeld hoch, denn letztlich ist doch bekannt, dass der Kunde nur bei diesem Anbieter kaufen kann.

Eine weitere Herausforderung fiir das Management besteht darin, dar-auf zu achten, dass der „Apparat" nicht aufgeblaht, und die Organisa­tion dadurch schwerfallig wird. Dies fiihrt zu erhohten Kosten, die den Gewinn, der relativ einfach zu generieren ist, wieder schmalern.

Konsequenzen fur die Vertriebsorganisation ... 61

Dass dies nicht einfach ist, weil der Leidensdruck fehlt, zeigen zahlrei-che Beispiele der jiingsten Vergangenheit (Post, Telekom, Bahn). Auf-grund der jahrzehntelangen Monopolstellung haben diese Organisatio-nen den Kunden aus dem Blickfeld verloren. Kunden waren keine Ent-scheidungstrager mit der Moglichkeit zwischen Alternativen auszu-wahlen, sondern abhangig. So wurden sie auch behandelt. Schlechter Service, schleppende Reklamationsbearbeitung, unplausible und nicht marktgerechte Preise waren die Folge. Ganz zu schweigen von der aus heutiger Sicht unprofessionellen Kundenansprache.

Dies gilt natiirlich auch fiir Quasi-Monopol-Unternehmen. Hierbei handelt es sich um Unternehmen, die aufgrund ihrer iiberragenden Marktposition (mit einem Marktanteil von 80 Prozent und mehr) eine dominierende Marktstellung einnehmen, die der eines Monopolisten gleichkommt. Fiir ein solches Beispiel steht Microsoft.

... im Monopolumfeld mitsinkendem Marktvolumen

Im Unterschied zum Monopol mit gleich bleibendem Marktvolumen sind die Anforderungen an die Vertriebsorganisation hoher. Zwar be-findet sich die Vertriebsorganisation immer noch in der Situation allein den Markt bedienen zu konnen, aber bekanntermafien miissen Unter­nehmen w^achsen um Gew inn schmalernde Inflationseffekte auszuschal-ten. Dies bedeutet fiir die Vertriebsorganisation die Notw^endigkeit, Umsatze und/oder Deckungsbeitrage zu steigern. Gleichzeitig sieht sie sich einem sinkenden Marktvolumen gegeniibergestellt.

Die wesentlichsten Herausforderungen bestehen darin,

die bestehende Kundschaft zu binden, Interessenten aktiv aufzuspiiren und zum Abschluss zu bev^egen, das Leistungsangebot aufzufrischen (Relaunch), gute und sehr gute Vertriebsmitarbeiter zu halten, die Kostenstruktur zu untersuchen und stetig zu verbessern, gegebenenfalls den geordneten Riickzug zu planen.

Falls der Riickgang des Marktvolumens in erster Linie damit zusammen-hangt, dass die angebotene Leistung durch Innovationen und neue L6-sungen ersetzt wird, ist mittelfristig keine Perspektive mehr vorhanden.

62 Prinzipien des Vertriebs im Gesamtzusammenhang

Dies ist fiir die Vertriebsmitarbeiter frustrierend und bedriickend. Letzt-lich kann in einer solchen Situation der Fortbestand des Unternehmens gefahrdet sein. Die groSte Herausforderung fiir die Unternehmensleitung besteht darin, die gesamte Unternehmenskonzeption zu iiberdenken und gegebenenfalls neu auszurichten. Ist der Zweck des Unternehmens noch stimmig? Braucht der Markt zukiinftig die Leistung in der angebotenen Form iiberhaupt noch? Ist das Unternehmen in der Lage, neue strategische Erfolgspositionen auszumachen und aufzubauen?

... im Oligopolumfeld mit Preisstabilitat und Wachstum

Im Ohgopol mit Preisstabilitat sind die Anforderungen an die Ver-triebsorganisation als normal einzustufen. Dies gilt ebenfalls fiir den Grad der Anstrengungen, Abschliisse zu generieren. Im Unterschied zum Monopol sieht sich die Vertriebsmannschaft einer iiberschaubaren Anzahl von Mitanbietern gegeniibergestellt.

In dieser Situation kommt es darauf an, den bestehenden Kundenstamm zu pflegen und auszubauen, neue Kunden durch die angebotene Leistung (also nicht nur iiber den Preis allein) zu iiberzeugen und zu gewinnen.

Die „starren" Preise garantieren den Anbietern ausreichend Liquiditat, um in Marketinganstrengungen, Neuproduktentwicklungen, Verbesse-rung der Prozesse (die Schnittstellen zum Kunden bilden), Training und Ausbildung sowie in Mai?nahmen der Kundenzufriedenheit bis hin zu Wertschatzungsprogrammen (oder Ahnliches) zu investieren.

Gelingt es den Anbietern zusatzlich, die Organisation schlank zu halten und durch moderne Strukturen die Kostensituation im griinen Bereich zu halten, sind langfristige Gewinne moglich und die Riicklagenbildung kann das Eigenkapital des Unternehmens in ausreichendem Ma6e erhohen.

Ein riicklaufiges Marktvolumen (schrumpfende Zielmarkte) steigert die Marktdynamik und stellt in dieser Situation eine Gefahr fiir die Stabi-litat des Oligopolverhaltens dar. Aufgrund der Notwendigkeit des Wachstums, stellt sich die Frage, woher beim schrumpfenden Markt die Umsatz- bzw. Deckungsbeitragssteigerung herkommen soil, ohne dem Mitanbieter Kunden und damit Marktanteil abzunehmen.

Auch alle anderen Mitanbieter sehen sich der gleichen Situation ausge-setzt. Diese heikle Marktsituation kann dazu fiihren, dass iiber Preis-

Konsequenzen fiir die Vertriebsorganisation ... 63

senkungen (die aus den Rucklagen - manche nennen es ihre „Kriegs-kasse" - finanziert werden), das stillschweigende stabile Preisgefiige unsicher wird und der ruinose Preiskampf ausbricht.

... im Oligopolumfeld mit Preiskampf (ruinoserWettbewerb)

Nun wenden wir uns dem Marktumfeld zu, das an die Vertriebsorga-nisation die hochsten Anforderungen stellt. Dies gilt ebenfalls fiir den Grad der Anstrengung, Abschliisse zu generieren.

Es stellt sich vorab nochmals die Frage, warum Anbieter versuchen, mittels Preisabsenkungen (Preiskampf) Marktanteile hinzu- oder zu-riickzugewinnen. Neben dem Preis als Aktionsmittel des Marketing-Mix gibt es noch eine Reihe anderer Aktionsmittel, mit denen auf dem Zielmarkt Einfluss genommen werden kann.

Diese absatzpolitischen Instrumente sind

f" Produkt-Politik Sie umfasst die Gestaltung des Leistungsangebotes eines Unterneh-mens (Waren und Dienstleistungen sowie Zusatzleistungen wie z. B. Beratung).

I Preis- und Konditionen-Politik Festlegung von Verkaufspreisen und Vertragskonditionen. Bestim-mung der Preisklassen usw.

^ Kommunikations-Politik Sie umfasst die Gestaltung von Werbung, Public-Relations, Ver-kaufsforderung und -unterstutzung sowie die Vertriebsform.

I» Distributions-Politik Sie organisiert den Warenfluss zum Kunden. Ziel ist, die richtige Ware in richtiger Menge in einwandfreiem Zustand zur gewiinsch-ten Zeit an den richtigen Ort zu bringen.

>' Service-Politik Umfasst die Bereiche: Technischer und kaufmannischer Kunden-dienst. Bei vielen Investionsgiiterleistungen ist der technische Kun-dendienst genauso wichtig fiir den Kunden wie das Produkt selbst.

64 Prinzipien des Vertriebs im Gesamtzusammenhang

Dennoch ist es so, dass die Preisabsenkung sehr haufig als MaSnahme gewahlt wird, obwohl bekannt ist, dass es schwierig bis unmoglich ist, einmal abgesenkte Preise zu einem spateren Zeitpunkt wieder anzu-heben, mittelfristig der ruinose Preiskampf also keinem der Beteiligten nutzt.

Griinde, die dazu fiihren, mittels Absenkung der Angebotspreise Marktanteile zu halten oder zu steigern, liegen vor allem darin, dass

• die Preisabsenkung eine schnelle und kurzfristig durchfiihrbare Maf?-nahme darstellt,

« diese MaEnahme sehr effektiv ist, da sie sofort wirkt und die ge-wiinschten Ergebnisse (Erhohung des Absatzes) erbringt,

• sie der kurzfristigen Ergebnisbetrachtung von Unternehmen (Quar-tals-, Halbjahres- und Jahresabschliisse) entgegenkommt. Besonders amerikanische Unternehmen betrachten den Quartals- und Halbjah-resabschluss ebenso genau wie den Jahresabschluss und die mittel-fristige Entwicklung (US-Borsengesetz, Shareholder-Value-Prinzip),

» nur kurzfristige Ziel- und Planerreichung dem Management politisch die notwendige „Luft" verschafft, Marketing-MaSnahmen durchzu-fiihren, die erst mittelfristig Ergebnisse bringen.

Fiir die Vertriebsorganisation, die im Marktumfeld des Preiskampfes operieren muss, sind die Anforderungen besonders hoch, denn

1 der Mitanbieter ist in seinem Verhalten nur noch schwer einschatzbar Die Einschatzung des Mitbewerbers hinsichtlich seiner Vorgehens-weise (aggressiv, beratungsorientiert oder oberflachig) und seiner Preisgestaltung ist normalerweise moglich und auch sehr wichtig, um sich selbst darauf einstellen zu konnen und die eigene Vor-gehensweise daran auszurichten. Im Preiskampf werden die Markt-teilnehmer unberechenbarer (vor allem bei der Vorgehensweise und Preisgestaltung), der Vertriebsmitarbeiter kann sich nur noch schwer darauf einstellen. Reagieren tritt an die Stelle von Agieren.

P der Preiskampf wird auch vom Kunden wahrgenommen und durch sein Verhalten gefordert Der Kunde sieht im Preiskampf seine Chance, um fiir sich zusatz-liche wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen. Da die Preisgestaltung

Konsequenzen fur die Vertriebsorganisation ... 65

teilweise unberechenbar und nicht mehr einschatzbar ist, hat der Kunde die Moglichkeit, dem Verkaufer mit niedrigen und „selbst ausgedachten" Preisen zu konfrontieren, ohne selbst Gefahr laufen zu miissen, entdeckt zu werden. Der Verkaufer glaubt an diese Preisansage des Kunden, denn es konnte ja sein, dass der Mitbe-werber wieder cine neue Runde der Preissenkung eingelautet hat.

^ die Preistransparenz steigt

Durch immer neue Preisansagen und -attacken wird die Transparenz des Preises fiir die Anbieter und Kunden erhoht.

P die Leistung verschwindet aus dem Blickfeld, der Preis dominiert die Verhandlungen

Im Preiskampf befindet sich der Kunde in einer komfortablen Aus-gangssituation. Da die Anbieter versuchen, sich gegenseitig iiber den Preiskampf auszuschahen, braucht der Kunde nur zu warten. Die Vertriebsbeauftragten werden sich von selbst melden, nach dem Fortgang des Einkaufsprozesses fragen und mit dem Preis argumen-tieren, fails eine Auftragsabsage droht (dies ist haufig ein „Ver-handlungsstil" des Einkaufs). Der Preis scheint das einzige Argu­ment zu sein.

!>> die Notwendigkeit, sinkende Margen durch Kostenmanagement zu kom-pensieren, fiihrt zu zusatzlichen Belastungen der Vertriebsorganisation

Preisreduzierungen (vor allem heftige) fiihren zu sinkenden Margen (Verkaufspreis abziiglich Wareneinsatz), die das Gewinnziel gefahr-den. Eine Moglichkeit, diesen Effekt zu kompensieren, ist das Kostenmanagement mit dem Ziel der Kostenreduzierung um die Hohe des durch die Preisreduzierung entstandenen Margenverlustes.

Das Kostenmanagement an sich ist (sollte) ein dauerhafter Bestand-teil des Managementprozesses (sein). Hartes Kostenmanagement im Preiskampf bedeutet allerdings auch, Kostenbereiche antasten zu miissen, die die Leistungsfahigkeit des Anbieters beeintrachtigen konnen. Ein Aktionsmittel des Kostenmanagements bildet die Um-strukturierung von Bereichen mit dem Ziel, Mitarbeiter freizusetzen, um Gehaltskosten (die einen erheblichen Anteil an den Gesamt-kosten haben) zu reduzieren. Die Freisetzung von Mitarbeitern bringt immer Unruhe in ein Unternehmen: Die Prozesse geraten ins

66 Prinzipien des Vertriebs im Gesamtzusammenhang

Stocken, die Leistungsfahigkeit sinkt ab, wenn die verbleibende Personalkapazitat nicht mehr ausreicht, um die Qualitat der Leistung sicherzustellen (die anfallenden Aufgaben nicht fristgerecht mit der notwendigen Genauigkeit ausgefiihrt werden konnen). Die nun iiber-lasteten Mitarbeiter kiindigen ihrerseits. Die Spirale setzt sich fort.

Durch die Verschlechterung der Leistung des Anbieters sind unzu-friedene Kunden die Folge. Es muss zunehmend mehr verkaufsaktive Zeit fiir die Bearbeitung von Reklamationen bzw. fiir Rechtferti-gungen aufgewendet werden. Das beeintrachtigt die Produktivitat der Vertriebsmannschaft in empfindhcher Weise.

P' die Marktdynamik steigt stetig an

Dieser Umstand fiihrt dazu, dass sich der Vertrieb immer wieder neu-en Herausforderungen stellen muss. Dies erfordert ein hohes Mai? an Anpassungsfahigkeit und personHcher FlexibiUtat der betroffenen Vertriebsmitarbeiter. Haufige Anderungen der Verkaufstaktik sind die Folge. Auftragsabsagen seitens des Kunden mit bislang noch nicht bekannten Begriindungen haufen sich. Ein Grund konnte z. B. in der Anderung der Verkaufstaktik der Mitbewerber liegen.

1 die Attralctivitat der Branche sinlct genereii

Ein Unternehmen, das sich seit langerem im Preiskampf befindet, hartes Kostenmanagement betreiben muss, wird fiir Berufseinsteiger zunehmend unattraktiver. Es wird schwierig den Bewerbern Perspek-tiven hinsichtlich Wachstum und Karriereentwicklungen nahe zu bringen, wenn bereits die nachste Umstrukturierung ansteht. Die berufliche Entwicklungsperspektive jedoch gehort fiir den Berufs­einsteiger zu den wichtigsten Entscheidungskriterien fiir die Unter-nehmenswahl. Es wird somit fiir das Unternehmen schwieriger aus-reichend Nachwuchs zu rekrutieren bzw. aufgrund der niedrigen Anzahl von Bewerbungen geniigend Auswahlmoglichkeiten zu haben.

P durch standige Veranderungen und immer wieder neue „Hiobs-Bot-schaften" aus dem Markt wird die psychische Belastung der Vertriebs­mannschaft erhoht

Standige Veranderungen und neue „Hiobs-Botschaften" gepaart mit neuen Geriichten fiihren zu einer hohen psychischen Belastung fiir die Mitarbeiter. Sie fragen sich standig, ob sie im richtigen Unter-

Konsequenzen fur die Vertriebsorganisation ... 67

nehmen arbeiten, vor allem wie sicher der Arbeitsplatz ist, wie hoch die Berufschancen sind, wenn sie sich um eine neue Stelle bemiihen (miissen). Personliche wirtschaftliche Belastungen, wie die als Alleinverdiener eine Familie ernahren zu miissen, Zinsen und Tilgung fiir das Eigenheim bestreiten zu miissen, erhohen den psychischen Druck zusatzlich. Darunter leidet die Motivation und die Stimmung der betroffenen Mitarbeiter.

>> der Kunde dominiert Verhandlungen (Kaufermarkt) und stellt immer hohere Forderungen Im Preiskampf, bei dem aus Kundensicht „alles zu gehen" scheint, neigen manche Kunden dazu, dreist zu werden und der Situation un-angemessene, betriebswirtschaftlich nicht mehr darzustellende For­derungen zu stellen. Der Vertriebsmitarbeiter gerat dabei in eine schwierige Verhandlungssituation: einerseits mochte er das Geschaft mit dem Kunden, andererseits wird ihm klar, dass es besser ware sich nicht weiter um den Kunden zu bemiihen.

P- Preis- und Provisionssysteme miissen standig der veranderten Situation angepasst werden Die Nichtvorhersagbarkeit des Marktverhaltens fiihrt dazu, dass eingefiihrte Preis- und Provisionssysteme standig (vor allem im laufenden Geschaftsjahr) verandert und angepasst werden miissen. Der administrative Aufwand muss erheblich gesteigert werden (Personalkapazitat), um diese Anderungen umsetzen zu konnen. Die Systeme miissen neu angepasst werden. All dies kostet Zeit, Kraft und Nerven und verursacht zusatzliche Kosten.

> die „gute alte Zeit" kommt nicht mehr zuriick Fiir den Vertrieb, der sich in dieser Marktsituation befindet, ist es sehr wahrscheinlich, dass die „gute alte Zeit" (in der alles besser, vor allem einfacher war) nicht mehr zuriickkehren wird. „... der Markt wird zunehmend barter ..." wird haufig gesagt. Eigentlich miisste es heiSen: „... der Markt bleibt schwierig zu bearbeiten und wird nicht mehr einfacher ...".

Diese sehr herausfordernde und zum Teil belastende Marktsituation bringt jedoch auch nutzbringende Effekte fiir die Vertriebsmitarbeiter mit sich. Die hohe Marktdynamik macht es erforderlich, dass die ein-

68 Prinzipien des Vertriebs im Gesamtzusammenhang

zelnen Mitarbeiter der Vertriebsmannschaft, vor allem die Neueinsteiger, sehr schnell lernen miissen, um den hohen und sich standig andernden Anforderungen gerecht werden zu konnen, und um in diesem Umfeld bestehen zu konnen. Neben den Einarbeitungs- und SchulungsmaS-nahmen, die im Feld (im Verkaufsteam) durchgefuhrt werden, soUten Unternehmen iiber eine hoch qualifizierte und effiziente Ausbildungs-und Trainingsabteilung verfiigen. Im Ergebnis wird die Vertriebsmann­schaft schnell fit. Fiir Berufseinsteiger bildet diese Situation eine gute Basis, schnell und umfassend zu lernen.

Die gesamte Vertriebsorganisation - und somit jeder einzelne Vertriebs-mitarbeiter - ist gezwungen, die Anpassungsfahigkeit an sich schnell verandernde Marktbedingungen zu erhohen. Dies gilt ebenso fur die Steigerung der Flexibilitat. Damit verbunden ist auch eine positive Weiterentwicklung der eigenen Personlichkeit. Der standige Umgang mit Veranderungen verschafft betroffenen Mitarbeitern Souveranitat.

In dieser Marktsituation ist es erforderlich, dass man sich immer wie-der neue Dinge einfallen lassen muss, um mit den Entwicklungen Schritt halten zu konnen. Dieser Umstand fordert die Kreativitat der Vertriebsmannschaft bezogen auf die Entwicklung neuer Losungs-konzepte fiir Kunden, kreative Preis- und Konditionengestaltung, Prasentationstechniken, die Gesprachsfiihrung, Vorgehensweisen, das Verkaufs- und Beratungsverhalten. Ebenso werden die Sensibilitat und die Aufmerksamkeit gefordert. Dies ist notwendig, um neue Markt-veranderungen, „Angriffe" der Mitanbieter friihzeitig erkennen zu konnen.

Das Marktumfeld des ruinosen Preiskampfes stellt die wahrscheinlich hochsten Anforderungen an die Vertriebsorganisation. Davon soUten Vertriebsmitarbeiter sich aber nicht abschrecken lassen, da auch dieses Umfeld erfolgreich bearbeitet werden kann und sehr positive Effekte fiir den Vertriebsmitarbeiter mit sich bringt, die hinsichtlich der beruf-lichen Weiterentwicklung sehr niitzlich sein konnen.

Konsequenzen fur die Vertriebsorganisation ... 69

70 Prinzipien des Vertriebs im Gesamtzusammenhang

DerVerkaufszyklus

Der Verkaufszyklus ist das Herzstiick des Verkaufsprozesses. Er kann als Zeitraum von der ersten Kontaktaufnahme bis zur Beendigung ei-ner Kunden- bzw. Interessentenbeziehung definiert werden.

Abbildung 4: Das Grundschema des Verkaufszyklus

Das Managen eines Verkaufszyklus bedeutet fiir den Vertriebsmitarbei-ter, innerhalb dieses Zeitraums zum richtigen Zeitpunkt wirkungsvoUe MaSnahmen und Tatigkeiten durchzufiihren mit dem Ziel die ge-wiinschten Verkaufserfolge herbeizufiihren. Je nach Leistungsangebot des Anbieters sowie der aktuellen Marktsituation kann das Fiihren eines Verkaufszyklus eine aufierst komplizierte und schwierige Angelegenheit darstellen. Bei Verkaufszyklen von erklarungsbediirftigen Investitions-giitern ist grundsatzlich von einer hohen Komplexitat auszugehen.

Fiir Berufseinsteiger ist es empfehlensv^ert, den Verkaufszyklus in die einzelnen Phasen aufzugliedern und gezielt die erforderlichen Tatigkei­ten und MaSnahmen je Phase zu ermitteln und zu trainieren, um der Gefahr der Oberforderung und/oder Verzettelung entgegenzuwirken.

Das Handwerkszeug fiir Anfanger zu vermitteln, ist eine der Haupt-aufgaben der Ausbildungsabteilung (Training) und der Vertriebs-fiihrungskraft (Coaching). Viele Unternehmen bieten Anfangern so genannte Basistrainings an, um die Grundlagen der notv^endigen Vertriebsfertigkeiten im Verkaufszyklus zu vermitteln.

Anschliefiend dienen weiter gehende Trainings- und CoachingmaSnah-men (fallw^eise in der Trainingsabteilung und im Verkaufsteam) der Vertiefung und Weiterentwicklung der vertrieblichen Fertigkeiten. Die

DerVerkaufszyklus 71

Durchsicht von Kundenmappen bietet eine gute Moglichkeit, von sich aus einen Einstieg in den Verkaufszyklus zu erhalten.

Schriftsvechsel, Notizen, Angebote, Vertragsunterlagen vermitteln einen guten Eindruck iiber die zeitliche Lange konkreter Verkaufszyklen sowie einzelner Phasen und geben Aufschluss uber die einzelnen Aktionen.

Phasen des Verkaufszyklus

Im Foigenden werden die einzelnen Phasen des Verkaufszyklus sow ie die Instrumente und Handlungsmoglichkeiten des Vertriebsmitarbeiters beschrieben und kommentiert. Die hier gezeigte Aufteilung stellt eine

Abbildung 5: Die Phasen des Verkaufszyklus

72 Prinzipien des Vertriebs im Gesamtzusammenhang

von vielen Moglichkeiten dar. Nach meiner Einschatzung ist diese leicht verstandlich und praxisgerecht. Sie entspricht der zeitlichen Abfolge eines exemplarischen Verkaufszyklus.

Anhand dieser Aufteilung lassen sich schwerpunktmafiige Tatigkeiten bzw. MaSnahmen je Phase gezielt beschreiben. Die Grenzen zwischen den einzelnen Phasen sind flieSend, da in der praktischen Fiihrung ei­nes Verkaufszyklus sich durch neu eintretende Ereignisse Ablauffolgen andern konnen. Dariiber hinaus konnen sie sich je nach Abstraktions-grad iiberlappen. So gehort im weitesten Sinn die Akquisitionsphase zur Vorvertragsphase und die Phase des Wiedereinstiegs ist gleichzeitig Akquisitionsphase.

Auf die formal exakte Trennung kommt es jedoch in diesem Zusam-menhang nicht an, denn das Ziel, Tatigkeitsschwerpunkte zu erkennen und herauszuarbeiten, sowie zu verstehen, dass ein Verkaufszyklus aus verschiedenen Phasen besteht, wird durch diese Form der Aufteilung erleichtert.

Akquisitions- oder Einstiegsphase

In der Akquisitionsphase stellt der Vertriebsmitarbeiter Kontakt zum Kunden bzw. Interessenten her, mit dem Ziel einen in der Zukunft liegenden Vertragsabschluss anzubahnen. In dieser Phase stehen dem Vertriebsmitarbeiter eine Reihe von Aktionsmitteln zur Verfiigung, die in Abbildung 6 verdeutlicht werden.

Mit dem „nachsten Schritt" ist eine Grundregel des aktiven Verkaufens gemeint, die besagt, dass auch fiir den Fall, dass keine Terminvereinba-rung zu Stande kommt, dennoch eine weiterfiihrende Aktion (z. B. der erneute Anruf zu einem spateren Zeitpunkt, das Ubersenden von Informationsmaterial mit dem erneuten Nachfassanruf) vereinbart werden soUte (= Minimalziel der Akquisitionsaktion). Hintergrund des Erreichens dieses Minimalziels ist es, den Verkaufszyklus - wenn auch auf niedrigstem Niveau - weiterfiihren zu konnen.

Der Verkaufszyklus 73

Abbildung 6: Die Aktionsmittel zur Herstellung des Kunden-/lnteressentenkontakts

Fiir den Vertriebsmitarbeiter ergeben sich in der Akquisitionsphase fol-gende Tatigkeiten, die seine Aktionsmittel darstellen:

* Zielmarkt vorstrukturieren ^ Adressmaterial aufbereiten * Akquisetelefonate durchfiihren * Kaltbesuche durchfiihren * MaiHngs erstellen und versenden fe Messe/Hausausstellung vorbereiten

Die Kunden- bzw. Auftragsakquise steUt eine der anspruchsvollsten Tatigkeiten fiir den Vertriebsmitarbeiter dar. Es erfordert Mut und tfberwindung, personhch nicht bekannte Personen anzurufen oder ohne Vorankiindigung aufzusuchen. Wahrend eines Telefonats kann der Vertriebsmitarbeiter die korpersprachlichen Signale des Gesprachs-partners nicht wahrnehmen. Fiir ihn besteht das Risiko anIassHch eines Kaitbesuchs oder eines Telefonats, den gewiinschten Gesprachspartner unvorbereitet anzutreffen und ihn zu storen. Damit verbunden ist das

74 Prinzipien des Vertriebs im Gesamtzusammenhang

Risiko des Scheiterns, namlich das Akquiseziel nicht zu erreichen. Bei Nichterreichung ist es fiir den Vertriebsmitarbeiter schwierig heraus-zufinden, welches die Griinde dafiir sind. Zum einen konnte er auf einen Gesprachspartner zu einem aus seiner Sicht ungiinstigen Zeitpunkt Kontakt aufgenommen haben, zum anderen kann es an der personlichen Vorgehensweise des Vertriebsmitarbeiters selbst (Ge-sprachsverhalten, Beziehungsfahigkeit, Nutzenargumentation) gelegen haben.

Die Schwierigkeit der Analyse, warum die Akquise nicht iiber den Erstkontakt hinausgekommen ist oder der Prozess zu einem spateren Zeitpunkt abbricht, fiihrt haufig zu einer Verunsicherung des Ver­triebsmitarbeiters. Es ist ein menschlicher Reflex, die Schuld fiir das Scheitern oftmals bei sich selbst zu suchen. Aus diesem Grund kommt der Vorbereitung und Begleitung der Akquisition durch die Trainings-abteilung, der Fiihrungskraft oder dem zugeordneten Mentor, eine sehr hohe Bedeutung zu, in besonderem Ma6e bei der Einarbeitung von Vertriebs-Junioren.

Vorvertragsphase

Nach der erfolgten Kontaktaufnahme wahrend der Akquisitionsphase treten Vertriebsmitarbeiter und Kunde in die Vorvertragsphase, sofern in absehbarer Zeit eine Entscheidung durch den Kunden gefallt wird, da eine Beschaffung oder eine Veranderung des bestehenden Vertrages ansteht.

Folgendes Schema zeigt die Abfolge und die Aktionsmittel des Ver­triebsmitarbeiters wrahrend der Vorvertragsphase.

Der Verkaufszyklus 75

76 Prinzipien des Vertriebs im Gesamtzusammenhang

Zu den Aktionsmitteln der Vertriebsmitarbeiter wahrend der Vorver-tragsphase gehoren:

s Aufbau der Beziehungsebene zum Kunden, • Analyse des Kunden- und Bedarfsumfeldes, • Prasentation einer Losung, • Verteidigung der eigenen Losung gegeniiber dem Mitbewerber, • Abstecken der wirtschaftlichen (kaufmannischen) Aspekte.

Im Falle der Neukundengewinnung kann der Kunde nicht auf tatsach-liche Erfahrungen mit dem Lieferanten zuriickgreifen. Er muss mehr oder weniger dem Gesagten vertrauen und annehmen, dass sich die Leistung im Falle des Vertragsabschlusses auch so einstellt. Fiir den Vertriebsmitarbeiter bedeutet dies, dass er mit auSerster Professionalitat seine Aktionsmittel vorbereiten und einsetzen muss. In dieser Phase beurteilt der Kunde in erster Linie die Vorgehensweise des Vertriebs-mitarbeiters. Geht der Vertriebsmitarbeiter series und professionell vor, kann der Kunde Vertrauen in ihn und die Leistung des Unternehmens fassen. Er glaubt dem Vertriebsmitarbeiter. Fehlerhafte oder ungenaue Aktionen sind vertrauenshemmend und konnen das friihzeitige „Aus" fiir diesen Verkaufszyklus bedeuten.

Entscheidungs- oder Abschlussphase

Aus der vorvertraglichen Phase bildet sich im weiteren Prozess des Verkaufszyklus die Entscheidungsphase heraus. In dieser Phase berei-tet der Kunde (Entscheider) die Entscheidung konkret vor, indem er versucht, einheitliche Entscheidungskriterien, die eine Vergleichbarkeit der Entscheidungsmoglichkeiten (Mitbewerberangebote) zulassen, zu finden. Er versucht eine Gewichtung hinsichtlich technischer und kaufmannischer Aspekte herzustellen, um abwagen zu konnen und Sicherheit fiir die Entscheidung zu erlangen. Kurz vor der endgiiltigen Entscheidung muss der Betreuungsaufwand (Steigerung der Kontakt-frequenz) durch den Vertriebsmitarbeiter erheblich gesteigert werden, da die Unsicherheit des Kunden hinsichtlich der Richtigkeit seiner Ent­scheidung ansteigt. Die Uberpriifung der Richtigkeit einer Entschei­dung erfolgt haufig durch ein Infragestellen der Richtigkeit durch den Kunden.

Der Verkaufszyklus 77

So sucht er z.B., nachdem er eine Vorentscheidung als die richtige annimmt, nach Negativ-Punkten, die gegen seine Vorentscheidung sprechen. Zu diesem Zeitpunkt konnen auch vermeintlich bedeutungs-lose Aspekte bedeutsam werden. Der Mitbewerber, dem eine Absage droht, wird diese Aspekte noch verstarken und den Kunden hinsicht-lich seiner Vorentscheidung verunsichernd beeinflussen.

78 Prinzipien des Vertriebs im Gesamtzusammenhang

Die deutliche Erhohung des Kundenkontakts in dieser Phase ermoglicht dem Vertriebsmitarbeiter herauszufinden, wie der Kunde zu seiner Vorent-scheidung steht, welche Negativ-Aspekte fur ihn zu diesem Zeitpunkt be-deutsam sind. Nur so erhalt er die Moglichkeit, eventuelle Einwande zu ent-kraften und die Argumente, die fiir seine Losung sprechen, zu verstarken.

Die Entscheidungsphase wird auch als die „hei6e Phase" des Verkaufs-zyklus bezeichnet. In dieser Phase steigt die Anspannung sowohl auf der Vertriebs- als auch auf der Kundenseite. Letztlich kommt es jetzt darauf an, alie MogHchkeiten auszuschopfen, um den Auftrag zu erhalten.

Dazu gehoren die

* erhohte Kontaktaufnahme zu Entscheider und Mitentscheidern (neue Anlasse der Kontaktaufnahme suchen),

* Miteinbeziehung der Verkaufs- oder Geschaftsleitung (Wichtigkeit des Kunden signaHsieren),

» Optimierung der technischen Losung,

* Optimierung der kaufmannischen Aspekte, um dem Sicherheits-bediirfnis des Kunden Rechnung zu tragen und um die beste Wirt-schafriichkeit herzustellen,

* Ubermittlung von Referenzen, um die Richtigkeit der Entscheidung (Vorentscheidung) zu unterstreichen.

Achtung: Bei einer Kundenwertschatzungsaktion kurz vor der Entschei­dung ist jedoch Vorsicht geboten. Kleine Geschenke oder die Einiadung zum gemeinsamen Essen sollten vermieden werden, wenn nicht klar ist, ob der Kunde dies als Vorteilsverschaffung missdeuten konnte.

Nachvertragsabschiussphase

Fiir den Vertriebsmitarbeiter ergeben sich je nach Ausgang der Kunden-entscheidung - fiir oder gegen seine Losung - unterschiedliche Schritte.

Hat der Vertriebsmitarbeiter eine Absage erhalten, dann gilt es, einen Betreuungsplan aufzustellen (trotz Arger und Frust), um sich schon jetzt wieder beim Kunden positiv ins Spiel zu bringen. Die Ausgestal-tung des Betreuungsplans hangt davon ab, wann fiir den Kunden die nachste Entscheidung (Beschaffung) ansteht.

Der Verkaufszyklus 79

Hat der Vertriebsmitarbeiter den Auftrag erhalten (Herzlichen Gliick-wunsch!), gilt es nun, den Prozess der Auftragsabwicklung zu begleiten, und vor allem gerade jetzt den Kunden nicht zu vernachlassigen. Den so genannten „kognitiven Dissonanzen", die beim Kunden entstehen, muss entgegengewirkt werden. Unter kognitiven Dissonanzen versteht man die kurz nach der Entscheidung auftretenden Zweifel. Der Kunde fragt sich, ob er auch alles richtig gemacht hat, ob die Losung tatsach-lich die fiir ihn Beste ist. Schliefilich hat er eine Entscheidung getroffen, die zukiinftige Auswirkungen mit sich bringen wird.

Dieses Gefiihl der Unsicherheit, das Infragestellen kennen die meisten Menschen, nachdem sie eine wichtige und bedeutsame Entscheidung getroffen haben (z. B. beim Kauf eines Pkws oder einer Eigentumswoh-

80 Prinzipien des Vertriebs im Gesamtzusammenhang

nung). Nach anfanglicher Freude kommen plotzlich Zweifel, ob diese Entscheidung die richtige war. Das Auto fangt plotzlich an zu klappern, die Wande der Wohnung scheinen feucht zu sein ...

In der Anbieter-Kunden-Beziehung hat der Vertriebsmitarbeiter die Mog-lichkeit dem Kunden hilfreich zur Seite zu stehen und immer wieder die Richtigkeit der Entscheidung zu unterstreichen. Verpasst oder erkennt der Vertriebsmitarbeiter diese Aufgabe nicht, kann die Beziehungsebene empfindlich geschadigt werden. Der Kunde fiihlt sich allein gelassen und im Ausspruch „... Na ja, vor dem Vertrag waren sie fast jeden Tag da, und jetzt sieht und hort man nichts mehr von ihnen ..." kommen Frust und die empfundene Minderwertschatzung zum Ausdruck.

Der Vertriebsmitarbeiter soUte also den „kognitiven Dissonanzen" aktiv begegnen. Er kann z. B. dem Kunden schriftlich fiir die Auftragsertei-lung danken und ihn telefonisch iiber den Fortgang der Auftrags-abwicklung informieren. Nach Auslieferung vereinbart der Vertriebs­mitarbeiter einen personlichen Kundenbesuch oder organisiert ein gemeinsames Mittagessen. Wie auch immer die MaSnahmen ausgestaltet werden, letztlich kommt es darauf an, dem Kunden ein Gefiihl des Ver-trauens und der „Nahe" zu vermitteln.

Betreuungsphase nach Auftragsabwicklung

Kern dieser Phase bildet der Betreuungsplan. Aufgrund der Tatsache, dass das Geschaft abgewickelt ist und auf Sicht erst einmal kein Folge-geschaft mehr angebahnt werden kann, entsteht fiir den Vertriebsmit-

DerVerkaufszyklus 81

arbeiter die Gefahr, den Kunden aus dem Blickfeld zu verlieren. Dass dies ein Fehler ware, ist selbsterklarend. Ein strukturierter Betreuungs-plan hilft, diesen Fehler zu vermeiden.

Ein professionell entwickelter Betreuungsplan bildet fiir den Vertriebs-mitarbeiter auch gleichzeitig eine Moglichkeit, sich positiv vom Mitbe-werb zu differenzieren. Er kann die Grundlage fiir eine Erfolgsstrategie (siehe auch Abschnitt „Differenzierung im Beziehungsmanagement" ab Seite 158) bilden.

Prinzipiell geht es bei der Entwicklung eines Betreuungsplans darum, Zeitpunkte fiir weitere Kundenkontakte zu planen, und diese entweder im Wiedervorlagesystem des CAS-, CRM- oder Karteikartensystems festzuhalten und zu gegebenen Zeitpunkt auch einzuhalten.

In regelmaSigen Abstanden sollte der Vertriebsmitarbeiter einen Kunden-besuch wahrnehmen, um sich nach der Zufriedenheit mit der Leistung zu erkundigen. Messen oder Hausausstellungen bilden ebenfalls giinstige Gelegenheiten fiir einen erneuten Kundenkontakt. Im Rahmen dieser Ver-anstaltungen kann der Vertriebsmitarbeiter den Kunden bereits friihzeitig iiber Neuerungen informieren oder ihm die Richtigkeit seiner zuvor getroffenen Entscheidung nochmals bestatigen.

Wiedereinstiegsphase(Anschlussakquisition)

Ein weiterer wichtiger Nutzen des Betreuungsplans ist die Vorbereitung des Wiedereinstiegs in neue oder Anschlussverhandlungen. Diese Phase des Wiedereinstieg kann auch als Anschlussakquisitionsphase bezeichnet

82 Prinzipien des Vertriebs im Gesamtzusammenhang

werden. Hier schliefit sich sozusagen der Kreis, der nachste „Zyklus" be-ginnt wieder mit der Akquisephase; dieses Mai jedoch auf der Basis einer bereits bestehenden Kundenbeziehung mit einigen Vorteilen: man kennt sich, die Entscheidungsstrukturen sind bekannt. Dennoch muss der Vertriebsmitarbeiter alle folgenden Phasen mit der gleichen Sorgfalt und Professionalitat durchfiihren wie bei der Neukundenakquise.

Die strukturierte Betreuung nach der Auftragsabwicklung, das regel-mal?ige Aufsuchen des Kunden ist fiir den Vertriebsmitarbeiter in zweierlei Hinsicht bedeutsam:

• Der Vertriebsmitarbeiter wird standig iiber das Geschehen beim Kunden informiert und kann bei Veranderungen sofort reagieren (z. B. beim Wechsel der Ansprechpartner, beim Auftreten von unvor-hergesehenen Problemen).

• Er kann friihzeitig erkennen, wann sich der Einstieg in neue Ver-handlungen lohnt, z. B. auch dann, wenn vorher nicht erkennbare Veranderungen beim Kunden (Umstrukturierung, Erweiterung, usw.) plotzhch neue Verkaufschancen bieten.

Dadurch erarbeitet sich der Vertriebsmitarbeiter einen Wettbewerbs-vorteil und bringt sich selbst in eine gute Ausgangsposition.

Generelle Zielsetzungen im Prozess des Verkaufszyklus

In seiner Gesamtheit besteht der Verkaufszyklus aus einer Vielzahl unterschiedlicher Einzel-Aktions-Bereiche, die allesamt eine Vielfait an Tatigkeiten und Aktionen fiir den Vertriebsmitarbeiter mit sich brin-gen. Jede Aktion oder MaSnahme im Verkaufszyklus erfordert Zeit-aufwand sowohl fiir den Vertriebsmitarbeiter als auch fiir den Kunden. Um moglichst viele Verkaufszyklen fiihren und somit moglichst viele Abschlusschancen und Vertragsabschliisse erhalten zu konnen, gehort es zu den Hauptaufgaben des Vertriebsmitarbeiters, seine personliche Produktivitat zu steigern oder, anders ausgedriickt, die zur Verfiigung stehende Zeit optimal auszuschopfen.

Bei der Betrachtung des fiir die jeweilige Branche iiblichen Verkaufs-zyklusprozesses soilte analysiert werden, welche Prozessschritte inner-halb des Verkaufszyklus sinnvoU zusammengefasst werden konnen.

Der Verkaufszyklus 83

Dies gilt zum Beispiei fiir die Vermeidung von nutzlosen Einzelbesu-chen, weil zum Beispiei Unterlagen - die auch beim ersten Mai hatten iibergeben werden konnen - nachgereicht werden miissen, oder fiir die Verbindung von Produktprasentation und Ubergabe des Angebotes zu einem Schritt. Nach gew issen Zeitabstanden (veranderte Arbeitsablaufe, Prasentationsformen, etc.) soUten die Prozessschritte immer v ieder iiber-priift werden; dies fordert die Zunahme an personlicher Produktivitat.

Zusammenfassend konnen zwei generelle Zielsetzungen im Prozess des Verkaufszyklus mit Blick auf die Produktivitatssteigerung heraus-gearbeitet werden:

# Vermeidung von nutzlosen Doppel- oder Nachbearbeitungsschritten, und

• sinnvoiles Zusammenfassen von Prozessschritten.

84 Prinzipien des Vertriebs im Gesamtzusammenhang

Fuhrung und Steuerung des Vertriebsprozesses

Aufgrund der sich immer schneller verandernden Markte, der Verkiirzung von Innovationszeitraumen, der zunehmenden Globalisierung und Inter-nationalisierung der Marktteilnehmer durch Konzentrationen und Unter-nehmenszusammenschliisse oder politische Unterstiitzung (Binnenmarkte) steigen die Herausforderungen an Unternehmens- und Vertriebsfiihrung.

Der Vertriebsalltag wird vor diesem Hintergrund taglich komplexer, vielfaltiger und schwieriger. Veranderungen, die die Notwendigkeit zur flexiblen Anpassung an neue Bedingungen mit sich bringen, sind ohne fundierte Vertriebssteuerungskonzepte und innovative Mitarbeiter-fiihrung kaum noch machbar. Die Komplexitat der eigenen Leistung sowie der sich verandernden Nachfragestrukturen bergen die Gefahr der Verzettelung im Vertrieb. Eine konsequente Vertriebssteuerung wirkt auch diesem Effekt entgegen.

Bin professionelles Vertriebssteuerungskonzept sollte so angelegt sein, dass Erfolg versprechendes Verhalten und weniger Erfoig versprechendes Verhalten deutlich und messbar werden. Welche Handlungen bewirken oder nehmen Einfluss auf den Verkaufserfolg? Welche Tatigkeiten sollten in welcher Haufigkeit und Giite durchgefiihrt werden? Was kann gemes-sen werden? Wie kann sich der Vertriebsmitarbeiter „selbst" steuern? Im Hinblick auf die Mitarbeiterfiihrung zeigen die Ergebnisse der Vertriebs­steuerung wie sich der Vertrieb als Ganzes und der einzelne Vertriebs­mitarbeiter verhalten. Es konnen Ziele festgelegt, Abweichungen erkannt und MaSnahmen zur Korrektur entwickelt werden.

Vertriebssteuerung als Teil des Vertriebsfiihrungsprozesses

Ebenso wie eine moderne Vertriebssteuerung aufgrund der Marktver-anderungen notwendig wird, unterliegt auch die Vertriebsmitarbeiter-fiihrung einer notwendigen und stetigen Anpassung. Die folgende Auf-zahlung zeigt die Fiihrungsbereiche auf, die heutzutage in vielen Unter-nehmen verandert werden. Eine moderne Vertriebsfiihrungskraft

* pflegt einen kooperativen, anstelle eines autoritaren Fiihrungsstils,

• versteht sich als Einzei- und Team-Coach, weniger als Anweiser,

Fuhrung und Steuerung des Vertriebsprozesses 85

• halt nicht an starren Prinzipien fest - „... das habe ich immer schon so gemacht..." - und ist bereit, sich personlich weiterzuentwickeln,

• lasst Nahe zu seinen Mitarbeitern zu und vergrofiert nicht die Distanz,

• nimmt soziale Verantwortung an, anstatt sich in der Hierarchic zu verstecken,

• versteht Mitarbeiter als Partner und nicht als „ausfiihrende Organe".

Da der Vertrieb durch seinen handwerkUchen Charakter gepragt ist, ergibt sich die Konsequenz, dass die Vertriebsfiihrungskraft neben seiner sozialen - menschHchen - Kompetenz auch hohe fachliche Kom-petenz (wie in anderen handwerkhch gepragten Fiihrungsaufgaben auch) mitbringen muss. Vertriebsmitarbeiter erwarten von ihrem Vor-gesetzten nicht nur kompetentes Fiihrungsverhalten sondern auch die konkrete Unterstiitzung in der vertrieblichen Tagesarbeit, vor allem in kritischen Verhandlungssituationen.

Diese konkrete Unterstiitzung nimmt in der Vertriebspraxis erhebhchen Raum ein. Eine Vertriebsfiihrungskraft soUte deshalb selbst iiber fun-dierte Vertriebspraxis oder vertriebsnahe Praxis verfiigen und person-Hche Vertriebserfolge nachweisen konnen. Fehlt dies, besteht die Gefahr, von den Mitarbeitern nicht akzeptiert zu werden. Warum sollte sich ein Vertriebsmitarbeiter von seinem Vorgesetzten etwas sagen lassen, wenn dieser nicht unter Beweis gestellt hat, dass seine eigenen vertriebhchen Prinzipien und MaSnahmen erfolgreich waren.

Die Vertriebssteuerung bildet einen wesenthchen Bestandteil des Ver-triebsfiihrungsprozesses. Sie umfasst eine ganze Reihe von Aspekten zur Unterstiitzung des Tagesgeschafts.

Die Funktionen der Vertriebssteuerung ermoghchen, dass

• die Leistungen messbar und somit steuerbar (fiihrbar) werden, • Schwerpunkte und Hauptfokus gesetzt w^erden konnen, • die wichtigen Erfolgskriterien sichtbar werden, • Vergleiche (Benchmarking) durchgefiihrt werden konnen, • Bewertungen und Quahfizierungen mogHch werden, • Entwicklungen sichtbar und korrigierbar werden, « Grundlagen fiir Mafinahmenplanung geschaffen werden.

86 Prinzipien des Vertriebs im Gesamtzusammenhang

« Ursachen bei Fehlern oder unerwiinschten Entwicklungen erkannt und

• Grenzen und Moglichkeiten ermittelt werden konnen.

Prinzipiell hat Vertriebssteuerung einen „mechanischen" und quantita-tiven Charakter. Es wird gemessen, ausgewertet und Zahlen werden zu-einander in Beziehung gesetzt. Dies birgt fiir das Vertriebsmanagement die Gefahr, zu glauben, man konne eine Organisation „per Knopf-druck" fiihren. Dieser Versuch schlagt fehl. Es entstehen dann die bekannten „Zahlenfriedhofe". Vertriebssteuerung ersetzt keinesfalls soziale Fiihrungsaufgaben - sie erganzt vielmehr den gesamten Fiihrungsprozess und schafft Grundlagen dafiir, Fiihrungsaufgaben besser wahrnehmen zu konnen.

Der Zielfindungsprozesses - vom Gesamtvertriebsziel zu Einzelzielen

Voraussetzung fiir die Entwicklung eines Vertriebssteuerungskonzepts ist das Vertriebsziel. Erst nachdem klar ist, welches iibergeordnete Ver-triebsziel erreicht werden soil, konnen untergeordnete Teilziele und MaEnahmen zu deren Erreichung entwickelt werden. Das Vertriebs-steuerungskonzept wird danach ausgerichtet.

Das Vertriebsziel ist ein Hauptbestandteil der Unternehmenszielsetzung und wird aus der generellen Unternehmensstrategie abgeleitet. In der Regel wird es durch ein monetares Ziel (Umsatz, Deckungsbeitrag) und/oder Stiickzahlziel (Absatzmenge) zum Ausdruck gebracht. Aus dem Umsatzziel lassen sich Cashflow (Einzahlungen abziiglich Auszah-lungen) und Deckungsbeitrag (Planumsatz abziiglich Wareneinsatz) er-mitteln. Der Deckungsbeitrag bestimmt das mogliche Gewinnziel (Deckungsbeitrag abziiglich Kosten = Gewinn vor Steuern). Das Um­satzziel eines Anbieters stellt ferner ein Mafi fiir die Schlagkraft und den Markterfolg dar und ist oftmals die Berechnungsgrundlage fiir den Marktanteil.

Grundlage fiir die Vertriebszielsetzung bildet die iibergeordnete Unter­nehmensstrategie. Ein Unternehmen kann bei der Festlegung der Unternehmensstrategie prinzipiell zwei Basisstrategien verfolgen, die Wachstums- oder Erhaltungsstrategie.

Fuhrung und Steuerung des Vertriebsprozesses 87

Abbildung 7: Die Basisunternehmensstrategien fiir Profit-Organisationen

Kriterien zur Festlegung des Gesamtvertriebsziels

Das Gesamtvertriebsziel, das sich grundsatzlich an der iibergeordneten Unternehmensstrategie ausrichtet, wird durch folgende Kriterien definiert und abgeleitet:

« Die erzielten Ergebnisse aus der vergangenen Periode - Wie hat sich der Umsatz in der Vergangenheit entwickelt?

^ Die Moghchkeiten und Begrenzungen der eigenen Organisation - Produktportfoho, Kapazitat der Vertriebsmannschaft, der Fabrik,

der Organisation. Was kann bewaltigt werden?

# Die Moghchkeiten im Markt - Marktperspektiven, Gesamtmarktvolumen, die eigene Stellung im

Markt.

* Die Vorstellungen der Unternehmensinhaber oder Anteilseigner - Shareholder-Value-Prinzipien

• Betriebswirtschafthche Notwendigkeiten - Geldmittel fiir Investitionen, Zinsen, usw.

88 Prinzipien des Vertriebs im Gesamtzusammenhang

Innerhalb dieser Kriterien konnen eine Reihe von Zielkonflikten ent-stehen. Dazu drei Beispiele:

* Die Wiinsche der Unternehmensinhaber in Bezug auf Rendite bzw. Gewinn iibersteigen die Moglichkeiten der Organisation.

* Das Marktumfeld und die aktuelle Marktdynamik lasst das geplante Wachstumsziel nicht zu.

* Das Einzelinteresse der Landerorganisationen steht im Konflikt zum internationalen Interesse (z. B. Wachstum versus Cashflow).

Daraus folgt, dass der Zielfindungsprozess im Ergebnis ein Prozess der Kompromissfindung ist. Fiir Geschaftsfiihrer und Vertriebschefs stellt die Zeit der Zielfindung (Budgetierung) die heil?e Phase des Jahres dar, denn in dieser Zeit kommt es darauf an, die eigenen MogHchkeiten und Vorstellungen mit den Wiinschen und Vorstellungen der Inhaber oder iibergeordneten Organisationen (z. B. Holdings) in Einklang zu bringen.

Festiegung der Ziele fiir Vertriebsmitarbeiter

Wenn das Vertriebsziel definiert w^urde, wird das Gesamtziel auf die Einzelziele der Vertriebsteams und einzelner Vertriebsmitarbeiter her-untergebrochen. Dabei sind fiir die betroffenen Teams und Vertriebs­mitarbeiter die Grundsatze der Zieisetzung im Aligemeinen zu beach-ten. Zu den Grundsatzen gehoren: Ziele miissen

* realistisch, * erreichbar, «• messbar und s motivierend sein.

Niemandem niitzen Zielsetzungen, die nicht realistisch sind, denn diese werden gar nicht erst von den Teams und Vertriebsmitarbeitern angenom-men. Hingegen sind realistische und herausfordernde Ziele fiir die meisten sehr motivierend und wecken den Ehrgeiz, diese zu erreichen. Dasselbe gilt fiir die praktische Erreichbarkeit. Lasst es der Markt iiberhaupt zu, eine Zieisetzung zu erreichen? Wie groi? ist der notwendige Grad der Anstren-gung, das Ziel zu erreichen? Die Messbarkeit der Zielerreichung muss durch das Berichtssystem (Reporting) und Vertriebssteuerungssystem (Sales-Controlling) organisiert und gewahrleistet werden.

Fuhrung und Steuerung des Vertriebsprozesses 89

Die Zielsetzung fiir Vertriebsmitarbeiter leitet sich im Kern aus den fol-genden drei Kriterien ab:

^ Wirtschaftlichkeit (betriebswirtschaftliche Notwendigkeiten) Ab welcher Umsatz- oder Deckungsbeitragshohe werden unter Beriicksichtigung der direkten Vertriebskosten (Grundgehalt, Provi­sion, Incentives, Lohnnebenkosten, Arbeitsplatzkosten wie Telefon, PC, anteilige Miete, Handy- und Pkwr-Kosten) die notwendige Mar-gen (Verkaufsumsatz abziiglich Wareneinstand) erzielt?

'P- Unternehmensstrategie (Wachstum oder Erhaitung) Welche Ziele miissen erreicht werden, urn die Gesamtziele (Rendite, Gewinn), die aus der iibergeordneten Unternehmensstrategie resul-tieren, erreichen zu konnen?

I" Tatsachliche Moglichkeiten (Begrenzungen) Was kann bei normalem Leistungseinsatz mit der Vertriebsmann-schaft iiberhaupt erreicht werden? Wie ist das Marktpotenzial einzuschatzen? Wie waren die Ergebnisse der Vorjahre? Welche aktuellen Entwicklungen miissen beriicksichtigt werden?

Bei der Festlegung von Vertriebszielen kann grundsatzlich zwischen

i" der „quasi"-einheitlichen Zielsetzung - jeder bekommt das glerche Ver-kaufsziel

und

p- der individuellen Zielsetzung, d. h. die Vertriebsziele werden fiir jeden Vertriebsmitarbeiter individuell festgesetzt,

unterschieden werden.

Grundprobleme und Voraussetzungen bei einheitlicher Zielsetzung

Beim Ansatz der einheitlichen Zielsetzung fiir alle Vertriebsmitarbeiter geht die Verkaufsleitung davon aus (oder stellt sicher), dass jeder Ver­triebsmitarbeiter in seinem zugeordneten Verkaufsbezirk ausreichend Verkaufspotenzial besitzt, um das fiir alle gleiche Verkaufsziel erreichen zu konnen.

90 Prinzipien des Vertriebs im Gesamtzusammenhang

Eine Sonderform der einheitlichen Zielsetzung bildet die Unterschei-dung zwischen einem

^ Junior-Verkaufsziel Unter Junior-Vertriebsbeauftragte versteht man Berufseinsteiger, die zunachst eine Lern- und Erfahrungsphase benotigen, um voll pro-duktiv eingesetzt werden zu konnen. In dieser Zeit erhalt der Ver-triebsmitarbeiter ein reduziertes Verkaufsziel.

und einem

P- Senior-Verkaufsziel Der Senior-Vertriebsbeauftragte besitzt einschlagige Vertriebserfah-rung und ist voll produktiv einsetzbar. Er erhalt das voile Verkaufs­ziel.

Die Vorteile der einheitlichen Zielsetzung fiir das Unternehmen und den Vertriebsmitarbeiter sind

» ein einheitliches SoUeinkommen bei lOO-Prozent-Zielerreichung (dies verhindert Diskussionen iiber Fairness und Gerechtigkeit inner-halb der Vertriebsmannschaft hinsichtlich der Einkommensmoglich-keiten),

• ein einheitliches Provisions- und Pramiensystem, und

• eine einfache Vergleichbarkeit der Leistung hinsichtlich der Ver-kaufs-Wettbewerbe und der Rankings.

Der Nachteil der einheitlichen Zielsetzung liegt darin, dass die person-lichen Fahigkeiten und Neigungen einzelner Mitarbeiter sov rie die tatsachlichen Verkaufsmoglichkeiten im jeweiligen Verkaufsbezirk nicht detailliert beriicksichtigt und ausgeschopft werden.

Grundprobleme und Voraussetzungen bei individueller Zielsetzung

Unter individueller Zielsetzung versteht man die Vergabe von person-lichen und individuellen Verkaufszielen je Vertriebsmitarbeiter. Die Grundlagen und Kriterien fiir diese Form der Verkaufszielsetzung bilden

FiJhrung und Steuerung des Vertriebsprozesses 91

• die Verkaufstnoglichkeiten im Verkaufsbezirk (detaillierte Potenzial-Analyse),

» die Verkaufertypen (Groi?kunden-, Geo-, Listen-Vertriebsmitarbeiter),

• der Erfahrungsgrad des jeweiligen Vertriebsmitarbeiters,

• die Ergebnisse der Vergangenheit,

• die Neigungen und das Konnen des Vertriebsmitarbeiters.

Vorteil der individuellen Zielfestsetzung ist die Optimierung der Poten-zialausschopfung durch den Vertriebsmitarbeiter. Die Wertschopfung der Vertriebsorganisation kann gesteigert werden.

Die Nachteile (oder Schwierigkeiten) bei individueller Zielsetzung liegen in

P- der Findung der richtigen Kriterien fiir die Bestimmung des moglichen Verkaufspotenzials in einem Verkaufsbezirk. Die Findung der/des richtigen Indikators/en fiir das Verkaufspoten-zial ist eine schwierige Aufgabe. In der Vertriebsmannschaft kann erhebliche Unruhe entstehen, wenn die Kriterien nicht klar und ein-deutig definiert werden.

'P den unterschiedlichen Solleinkommen bei 100-Prozent-Zielerreichung. Entweder muss dies hingenommen werden (Ungerechtigkeitsempfin-den), oder eine Beriicksichtigung bei der Bezahlung finden (Provisio-nen, Grundgehalter). Das Verkaufsmanagement hat in diesem Fall die Aufgabe, ein transparentes, den Kriterien angemessenes und fiir die Beteiligten akzeptierbares Vergiitungssystem zu entwickeln.

Eine individuelle Zielsetzung einzufiihren ist ungleich aufwendiger als die einheitliche Zielsetzung fiir alle. Eine Alternative dazu bildet die Moglichkeit, die einheitliche Zielsetzung zu individualisieren und bei-spielsweise zwei oder drei unterschiedliche Verkaufsziele einzufiihren, die sich am Verkaufspotenzial und am Konnen ausrichten.

Bei dieser Variante besteht die Chance, Gruppen zu bilden, die nach den Bezirken mit schwachem, normalem und hohem Potenzial einge-teilt werden. Das ist zwar ungenauer, aber praktikabel und einfacher und erlaubt eine optimierte Marktabschopfung.

92 Prinzipien des Vertriebs im Gesamtzusammenhang

Generell kommt es bei der Individualisierung von Verkaufszielen dar-auf an, ausreichend Kapazitat zu planen, da die Einfiihrung sehr auf-wendig ist. Gleichzeitig sollte ein zu kompliziertes System vermieden werden.

Motivation der Vertriebsmitarbeiter

Neben einer realistischen Zielsetzung gibt es eine Vielzahl weiterer Moglichkeiten, um die Motivation der Vertriebsmitarbeiter zu fordern. Nutzt ein Unternehmen diese Moglichkeiten, muss der Ausgestaltung hohe Aufmerksamkeit gewidmet werden, denn bei ungeniigender oder fehlerhafter Ausgestaltung kann auch Gegenteiliges, Demotivation, erreicht werden. Ein Provisionssystem, das hinsichtlich seiner Plausibi-litat unausgegoren ist, wirkt auf den Vertriebsmitarbeiter unfair und ungerecht, und die Motivationsabsichten konnen in Demotivation und Verargerung umschlagen.

Instrumente fiir die Motivation der Vertriebsmitarbeiter sind:

^ Monetares Entiohnungssystem (Provisions-, Pramiensysteme)

Die Anstrengungen des Vertriebsmitarbeiters sollen sich fiir ihn per-sonlich auszahlen. Das Entiohnungssystem sollte als Anreizsystem konzipiert werden, damit der Vertriebsmitarbeiter zum Vertragsab-schlui? motiviert wird. Provisionen oder Pramien werden in Abhan-gigkeit des Vertragsabschlusses oder der Zielerreichung gestaltet. Wie hat das Unternehmen die Verkniipfung zwischen Leistung und Entlohnung realisiert?

> Ausgestaltung der Hygienefaktoren

Zu ihnen gehoren Firmen-Pkw-Regelung, Anzahl der Urlaubstage, Hohe des Ziel-Einkommens, Stellung in der Hierarchie, Titel.

Hygienefaktoren befriedigen unter anderem das Bediirfnis nach personlichem Status und sozialer gesellschaftlicher Stellung des Mit-arbeiters. Mochten Sie lieber „Verkaufer" oder „Vertriebsreprasen-tant" als Titel erhalten? Das Einkommen definiert den Wert der Arbeit und beeinflusst die Gestaltung des Lebensstandards.

Der Pkw-Regelung und Ausgestaltung der „Kleider-Ordnung" (wer darf welchen Dienstwagen fahren?) sollte hochste Aufmerksamkeit

Fuhrung und Steuerung des Vertriebsprozesses 93

gewidmet werden, denn es ist immer wieder festzustellen, dass die Frage, welcher Dienstwagen zur Verfiigung gestellt wird, fiir den Vertriebsmitarbeiter ein Motivationsthema ersten Ranges ist. Die Pkw-Regelung wird bei falscher Ausgestaltung (und somit unfairer Wirkung) zum Dauerreizthema.

Bedeutung der Zielerreichung oder Nicht-Zielerreichung hinsichtlich beruflicher Entwicklungsmoglichkeiten im Unternehmen (Karriereper-spektiven in Abhangigkeit zur aktuellen Leistung)

Das Verkaufsmanagement muss in seinen Fiihrungsgrundsatzen darstellen, ob z. B. die Erreichung von Verkaufszielen eine Voraus-setzung fiir Karriereentwicklungen ist. Welche Konsequenzen hat es fiir den Vertriebsmitarbeiter, wenn die Ziele nachhaltig nicht er-reicht werden?

Unternehmens-Kultur und Fiihrungsphilosophie Welches Arbeitsklima herrscht vor? Gelingt es der Fiihrung, ein leis-tungsorientiertes Klima herzustellen? Konnen sich die Mitarbeiter in diesem Umfeld wohl fiihlen? Wie sind die Handlungsspielraume und Verantwortungsbereiche geregelt? Wie geht das Unternehmen mit Fehlern oder erkannten Defiziten von Vertriebsmitarbeitern um? Re-giert „die Angst" oder werden Kritik und Diskussionen zugelassen?

Verkaufsteam-Kultur und konkreter Fiihrungsstil Der Fiihrungsstil des Vorgesetzten, sein Umgang mit den Vertriebs­mitarbeitern pragen die Verkaufsteam-Kultur. Gelingt es, ein leis-tungsorientiertes und angstfreies Klima herzustellen, das individuelle Entwicklungsmoglichkeiten zulasst? Fiihrungsstil und Verkaufsteam-Kultur bilden eine wichtige Voraussetzung fiir Motivation.

Aus- und FortbifdungsmaBnahmen (Investitionen in den Vertriebsmit­

arbeiter) Ist das Unternehmen bestrebt, seine Vertriebsmitarbeiter aktiv weiterzuentwickeln und zu schulen? Wie ist die Bereitschaft aus-gepragt, in Ausbildung zu investieren? Welche Perspektiven ergeben sich daraus fiir den Vertriebsmitarbeiter? Der Mitarbeiter ist bereit, sich voll und ganz einzubringen, wenn er erkennt, dass das Unter­nehmen auch etwas fiir ihn tut.

94 Prinzipien des Vertriebs im Gesamtzusammenhang

^i- Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz (Arbeitsplatzgestaltung, PC, CAS-System, aligemeiner Komfort) Wenn die Arbeitsbedingungen komfortables und produktivitatsfor-derndes Arbeiten zulassen, wird die Motivation gesteigert. Negativ ausgedriickt: die Motivation von Mitarbeitern wird empfindlich be-eintrachtigt, wenn die Arbeitsplatzbedingungen ungiinstig sind und den Mitarbeitern dadurch „uberflussige" Mehrbelastungen zuge-mutet werden. So sollte beispielsweise die Klimaanlage im Firmen-Pkw heutzutage Standard sein.

^ Wertschatzungsprogramme (Incentives) Personliche und „6ffentliche" Anerkennung individueller Leistun-gen eines Mitarbeiters ist ein Motivationsfaktor ersten Ranges. Die Zusammenhange werden im Abschnitt „Incentives", Seite 215, aus-gefiihrt.

¥ Verkaufswettbewerbe Verkaufswettbewerbe ieisten - bei Beachtung entsprechender Grundsatze (siehe Abschnitt „Verkaufswettbewerbe", Seite 213) -einen gro6en Beitrag zur Motivation. Dem Vertriebsmitarbeiter wird bei entsprechender Leistung ermogUcht, sein Bediirfnis nach Einkommen und Anerkennung zu befriedigen.

Fuhrung und Steuerung des Vertriebsprozesses 95

O Fragen Sie das Unternehmen nach dem Vertriebsziel und die HintergriJnde dafijr.

O Versuchen Sie herauszufinden, ob ein Vertriebssteuerungs-system existiert und wie dieses ausgestaltet und umgesetzt wird.

O Welches personliche Verkaufsziel haben Sie zu erwarten?

O Welches FiJhrungskonzept existiert und welcher Fijhrungsstil wird im Unternehmen praktiziert?

O In welchem Rahmen werden die erzielten Ergebnisse bespro-chen?

O Was motiviert Sie personlich?

Bestandteile des Vertriebssteuerungssystems

Vertriebssteuerungssysteme werden fiir die jeweilige Vertriebsorganisa-tion, unter Beriicksichtigung des Marktumfeldes sowie der Unter-nehmensstrategie und -zielsetzungen individuell entwickelt bzw. ange-passt.

Bestandteile und generelle Anforderungen

Ein Vertriebssteuerungssystem beinhaltet prinzipiell folgende Module:

% Berichtswesen (Reporting-System) « Verkaufspotenzialmessung und Einschatzung • Produktivitat des Vertriebs • Vertragsabschlussplanung • Ergebnisanalyse und -fortschreibung

Ein zusatzlicher Vorzug im Vertriebssteuerungsprozess liegt darin, individuelle Erkenntnisse gewinnen zu konnen, indem man Einzel-instrumente und deren Ergebnisse kombiniert und dabei mogliche Zu-sammenhange zwischen den einzelnen Faktoren recherchieren kann.

Aufgrund der wachsenden Veranderungsgeschwindigkeit in vielen Mark-ten ist es wichtig, dass das Vertriebssteuerungssystem eine schnelle

96 Prinzipien des Vertriebs im Gesamtzusammenhang

Aktualisierung und Anpassung zulasst, um auf Veranderungen prompt reagieren zu konnen. Das erfordert im Einzelnen Zeit und Anstren-gung, ist aber unerlasslich. Ein veraltetes Vertriebssteuerungssystem ist wie ein Formel-I-Rennwagen, in dem der Fahrer versucht, mit abge-fahrenen Reifen ein Rennen zu gewinnen.

Schematischer Aufbau und spezielle Anforderungen

Das in Abbildung 8 skizzierte Modell eines Reporting-A^ertriebssteue-rungssystems hat eine international operierende Gesellschaft mit Toch-tergesellschaften, Verkaufsteams in den Landern sowie einzelne Ver-triebsmitarbeiter zur Grundiage.

Abbildung 8: Schematischer Aufbau eines Reporting-/Vertriebssteuerungssystems

Fuhrung und Steuerung des Vertriebsprozesses 97

Um ein Vertriebssteuerungssystem flexibel ausgestalten zu konnen, miissen spezielle Grundlagen geschaffen und Anforderungen erfiillt werden:

» Auf der Ebene des Vertriebsmitarbeiters muss ein Berichtswesen etabliert werden, das die Daten, die fiir die unterschiedlichen Ver-triebssteuerungsebenen notwendig sind, ausreichend zur Verfiigung stellt. Vertriebssteuerung erfordert Reporting (Berichtswesen).

# Der Informationsbedarf kann auf den unterschiedlichen Ebenen von-einander abweichen, da die Vertriebssteuerung ein Management-Tool darstellt und die Tatigkeitsschwerpunkte auf den Ebenen unterschiedlich ausgepragt sein konnen. Wahrend der Verkaufsleiter Team daran interessiert ist, zu erfahren, bei welchen konkreten Kunden im nachsten Monat Abschliisse zu erwarten sind, hat der Verkaufsleiter National zusatzlich das Interesse die genaue Stiick-zahlplanung zu erhalten, um der Produktion eine Grundlage fiir die Fertigungssteuerung zu liefern.

Auf jeder Ebene im Vertriebssteuerungsprozess werden drei Aktionen durchgefiihrt:

* das Zusammentragen der erforderlichen Reporting-Daten fiir die einzelnen Ebenen,

« die Ubernahme und das Einpflegen einzelner Daten fiir das jeweilige Vertriebssteuerungssystem, und

• die Auswertung der Ergebnisse des Vertriebssteuerungssystems und die Entwicklung von Mafinahmen.

Das Zusammentragen der erforderlichen Reporting-Daten fiir die nachsthohere Ebene wird haufig als lastige Zusatzarbeit empfunden. Der betroffene Mitarbeiter stellt sich die Frage, wem diese Daten iiber-haupt niitzen, vor allem dann, wenn keine Riickmeldung mittels Aus­wertung, Gesprach oder Mafinahmen erfolgt.

Fiir die Mitarbeiter hat das Ganze dann letztlich nur den Charakter des Berichtswesen, zu dem er laut Arbeitsvertrag verpflichtet ist. Von Steue-rung und nutzbringenden MaSnahmen sieht man sich meilenweit ent-fernt. Es wird als Kontrolle empfunden, die zusatzliche Arbeit ist ner-vend, und der betroffene Mitarbeiter erkennt keinen Nutzen fiir sich.

98 Prinzipien des Vertriebs im Gesamtzusammenhang

Es kommt also bei der Einfiihrung oder Anpassung des Vertriebssteue-rungssystems darauf an, sicherzustellen, dass jeder betroffene Mit-arbeiter etwas davon hat (einen Nutzen fiir sich sieht). Er muss Aus-wertungen erhalten, mit denen er arbeiten kann, aus denen fiir ihn erkennbar wird, was er tun kann oder muss, welche MaSnahmen zu ergreifen sind, um die Zielerreichung herbeizufiihren. Dies soUte in Einzel- oder Teamgesprachen geschehen.

Um dem Anspruch wirkungsvoller MaSnahmenplanung gerecht wer-den zu konnen, ist es notwendig, zu analysieren, welche messbaren Schliisselerfolgsfaktoren es gibt, die bei optimaler Durchfiihrung eine hohe Wirkung im Sinne der Zielerreichung besitzen. Die Identifikation der richtigen Schliisselerfolgsfaktoren bildet die Ausgangsbasis fiir ein modernes Vertriebssteuerungssystem.

Bestimmung der Schliisselerfolgsfaktoren

Die Analyse bildet den Ausgangspunkt fiir die Entwicklung eines Ver-triebssteuerungssystems:

Abbildung 9: Analyseprozess zur Bestimmung der Schlusselerfolgsfaktoren

Fuhrung und Steuerung des Vertriebsprozesses 99

Ziel der Analyse ist, herauszufinden, welche messbaren Schliisseler-folgsfaktoren fiir den Vertriebserfolg maSgeblich verantwortlich sind. Der Schwerpunkt liegt auf den Erfolgsfaktoren, die im Prozess der Ver-triebstatigkeiten identifiziert werden konnen.

Diese Schliisselerfolgsfaktoren haben einen

P- sachlichen.

Was tue ich?

'P- qualitativen und

Wie tue ich es?

P- quantitativen

In welchem Umfang tue ich etwas?

Aspekt, der dabei untersucht werden muss.

Zu Beginn steUt sich die Frage, wer oder was die notwendigen Analyse-daten bereitstellt, bzw. wer oder was den MaSstab bildet.

Beispielsweise kann man annehmen, dass die besten Vertriebsmitarbei-ter einer Vertriebsmannschaft auch gleichzeitig diejenigen sind, die sach-Hch, qualitativ und quantitativ optimal arbeiten. Bei dieser Annahme stellt also diese Gruppe (z. B. die besten lOProzent der Vertriebsmann­schaft) die Analysebasis, die KontroUgruppe, dar.

Vorvertragiiche Erfolgsfaktoren

Zu den vorvertraglichen Erfolgsfaktoren gehoren die Tatigkeitsschwer-punkte, die den Verkaufserfolg (den Vertragsabschluss) vorbereiten und anschlieSend sicherstellen. Ausgehend von den vorvertraglichen Tatig-keitsschwerpunkten ist es moglich, Riickschlusse auf das mogliche Ver-kaufsergebnis zu ziehen. Das heifit, der Ermittlung der wirksamen vor­vertraglichen Erfolgsfaktoren, dem richtigen Einsatz und der Fiihrung anhand dieser Faktoren, ist eine hohe Bedeutung beizumessen.

Bereits hier werden die Grundlagen fiir den in der Zukunft liegenden Verkaufserfolg erarbeitet. Zu den vorvertraglichen Erfolgsfaktoren eines VertriebsmitarbeitersA^ertriebssteams zahlen im Einzelnen die

100 Prinzipien des Vertriebs im Gesamtzusammenhang

i ' Anzahl der durchgefiihrten AkquisemaBnahmen innerhaib eines Zeit-raums (= Akquisitionsintensitat) - Anzahl der Akquisitionstelefonate und Anzahl der erreichten

Termine - Anzahl der Kaltbesuche (personliche Besuche ohne vorherige An-

meldung) und Anzahl der erreichten Folgegesprache - Anzahl der Neukontakte bei Messen/Hausausstellungen und

Anzahl der Folgegesprache aus diesen Aktionen

'*•• Anzahl der durchgefiihrten personlichen Besuchstermine innerhaib eines Zeitraums nach - Kundenbesuchen - Interessentenbesuchen - Verhaltnis dieser zueinander

P- Anzahl der durchgefiihrten Produktprasentationen innerhaib eines Zeit­raums - Kundenprasentationen (Anschlussgeschaft) - Interessentenprasentationen (Neukundengeschaft)

^ Entwicklung des Vertragsabschlusspolsters - Entwicklung der Anzahl von Verkaufszyklen - Entwicklung des Wertes des Vertragsabschlusspolsters

( Z Einzelwerte der Verkaufszyklen) - Anzahl der Verkaufszyklen bei Interessenten - Anzahl der Verkaufszyklen bei Kunden

P- Analyse der erfolgten TrainingsmaBnahmen innerhaib eines Zeitraums - durch die Trainingsabteilung - Coaching durch den Verkaufsleiter - Training durch zugeordneten Tutor/Mentor - teambezogene (selbstorganisierte) Trainings - Gemeinschaftsaktionen (Akquiseaktionen)

Nachdem diese Daten iiber einen bestimmten Zeitraum - als praktikabel hat sich ein Quartal erwiesen - erhoben wurden, sind sie mit der Kon-trollgruppe zu vergleichen (absolute Zahlen, Menge) und anschliei?end in Beziehung zueinander zu setzen, um ermitteln zu konnen

FiJhrung und Steuerung des Vertriebsprozesses 101

» welche Mindestquantitat erreicht werden muss, und • wie es um die erreichte Qualitat bestellt ist.

Als Kontrollgruppe werden die Ergebnisse der Top-Verkaufer (die be-sten lOProzent einer Vertriebsmannschaft) herangezogen - sie bilden beim Vergleich den Mafistab (=100 %).

Messung I: Anzahl Akquisetelefonate

Bei dieser Messung wird das Verhaltnis zwischen der absoluten Anzahl der durchgefiihrten Akquisetelefonate und der daraus erreichten Ter-minvereinbarungen ermittelt.

erreichte Termine X 100 = %

Anzahl Akquisetelefonate

Abbildung 10: Formel - Terminquote

Anschliefiend werden die Einzelergebnisse mit denen der Kontrollgruppe verglichen.

Der Prozent-Satz liefert Hinweise auf die Telefonqualitat des jeweiligen Vertriebsmitarbeiters sowie fiir die Festlegung einer Mindest-Akquise-telefonat-Menge, damit ausreichend Termine vereinbart werden kon-nen. Des Weiteren kann anhand dieser Analyse entschieden werden, durch welche MaSnahmen die Telefonqualitat verbessert werden kann. Da die Akquisition zu den anspruchsvollsten Tatigkeiten des Vertriebs­mitarbeiters zahlt, darf das Ergebnis nicht „mechanisch" interpretiert werden. Vor allem dann, wenn die Quote zu niedrig ist. Eine niedrige Quote lasst vermuten, dass die Telefonqualitat nicht in Ordnung ist. Es ist die Aufgabe der Fiihrungskraft im Rahmen ihrer Coaching-Funktion gemeinsam mit dem Vertriebsmitarbeiter herauszufinden woran es liegen kann, dass die Quote zu niedrig ist. Steigt der Mitarbeiter nicht optimal in das Telefongesprach ein? Fragt er nicht richtig? Ist die Ziel-gruppe zu schwer (fachliche Qualifikation) oder ist die Akquisition nicht Erfolg versprechend genug vorbereitet?

102 Prinzipien des Vertriebs im Gesamtzusammenhang

Prinzipiell muss beriicksichtigt werden, dass es bei Akquisetelefonaten mit Interessenten schwieriger ist Termine zu bekommen als bei Kunden. Ebenfalls erhalt man im behordlichen Umfeld einfacher Termine als im Industrieumfeld. Beim Vergleich der Zahlen muss also die Bezirks-struktur des jeweiligen Vertriebsmitarbeiters bzw. die akquirierte Ziel-gruppe beriicksichtigt werden.

Messung 11: Anzahl Kaltbesuche

Bei dieser Messung wird die Anzahl von Kaltbesuchen (personliche Be-suche ohne vorherige Anmeldung) zur Anzahl der Folgevereinbarungen (2t-Gesprach, Angebotserstellung) ins Verhaltnis gesetzt.

Anzahl Foigeaktionen

Anzahl Kaltbesuche X 100 = %

Abbildung 11: Formel - Folgeaktionsquote

Dieser Prozentsatz liefert, ahnlich wie bei Messung I, Hinweise auf die Durchfiihrungsqualitat der Kaltbesuche. Wie bei Messung I muss das zur Verfiigung stehende Bezirkspotenzial beriicksichtigt werden, damit eine sinnvoile Vergleichbarkeit sichergestellt werden kann.

Messung III: Anzahl Kundenbesuche

Bei dieser Messung geht es um die Ermittlung und den Vergleich der ab-soluten Anzahl von durchgefiihrten Besuchen bei Kunden/Interessenten innerhalb eines Zeitraums (z. B. ein Quartal) zur Kontrollgruppe.

Grundsatzlich hangt die (mogliche) Anzahl von personlichen Kunden-besuchen von

t" der durchschnittlichen Verweildauer pro Termin, « den notwendigen Fahrtzeiten (Bezirksstruktur), und « der Telefonakquiseintensitat und -qualitat

ab.

Fuhrung und Steuerung des Vertriebsprozesses 103

Die hochste Wirksamkeit, den Verkaufsprozess bei Investitionsgiiter-Beschaffungsprozessen beeinflussen zu konnen, ist im personlichen Gesprach zwischen Kunde und Vertriebsmitarbeiter gegeben. Im Ver-gleich zur Kommunikation mittels Brief/Fax/E-Mail (einseitige) oder Telefon (zweiseitige auf Audiokommunikation beschrankte) kann beim personlichen Besuch aufgrund des moglichen Einsatzes der gesamten Breite der Kommunikationsmittel (zweiseitig, audio, visuell) sowie des Informationsaustauschs durch Unterlagen die hochste Wirkung (Beein-flussung und Uberzeugung) erzielt werden.

Ein Vertriebsgrundsatz besagt: „das Geschaft wird beim Kunden gemacht". Daher gilt es vor allem, einen Rahmen fur den Vertrieb zu schaffen, der es ermoglicht so viel personliche Termine wie nur moglich realisieren zu konnen.

Bei der Messung von personlichen Besuchen sollte unterschieden werden zwischen:

# Erst- oder Folgebesuchen bei Interessenten, * Besuchen bei Kunden und • Besuchen mit Abschlusscharakter.

Die so ermittelten Ergebnisse werden wiederum mit den Zahlen der „Besten" verglichen.

Aufgrund der hohen Wirkung und Wichtigkeit von personlichen Besu­chen sollte neben der Zahl der „Besten" auch die mathematisch zu er-mittelnde generell mogliche Anzahl von Besuchen beriicksichtigt werden.

zeitliche Gesamtkapazitat pro Vertriebsmitarbeiter/Tag

abzuglich notwendiger Fahrtzeiten (Bezirksstruktur)

abzijglich Zeit fiir Telefonakquise zur Terminvereinbarung

abzuglich Zeit fiir andere Tatigkeiten (Vorbereitung von Prasentationen, Meeting, Trainings, Adminstration)

= verbleibende Zeit pro Tag (in Stunden)

Abbildung 12: Die mathematische Ermittlung der moglichen Besuche pro Tag

104 Prinzipien des Vertriebs im Gesamtzusammenhang

verbleibende Zeit (Std. pro Tag) = Anzahl mogl. Termine

0 Verweildauer beim Kunden

Abbildung 13: Formel - Ermittlung Anzahl moglicher Termine

Der Quercheck zwischen der Produktivitat der Besten und der ermittel-ten moglichen Anzahl ist deshalb so bedeutsam, well der personliche Be-such ein Aktionsmittel von hochster Wirkung ist und bei der Festlegung von Produktivitatszielen Fehler unbedingt vermieden warden sollten.

Aufierdem ist bei der Ermittlung der moglichen Besuchsanzahl zu berijcksichtigen, welche grundsatzliche Aufteilung des Arbeitstages am sinnvoUsten ist. Vertriebsnebentatigkeiten, wie z. B. das Erstellen von Angeboten oder die Erledigung administrativer Tatigkeiten gehoren nicht in die verkaufsaktive Zeit. Die verkaufsaktive Zeit beschreibt den Zeitraum des Tages, an dem die Kunden am besten erreicht werden konnen. Fiir die meisten Zielmarkte gilt eine iibliche verkaufsaktive Zeit von morgens 08.30 h bis nachmittags 16.30 h.

Der Freitagnachmittag (ab 13.00 h) gehort nur noch zum Teil zur ver-kaufsaktiven Zeit, da aufgrund der Flexibilisierung der Arbeitszeiten bzw. der Arbeitszeiten im offentlichen Dienst, viele Kunden bereits im Wochenende sind. Der Freitagnachmittag bietet sich also z. B. fiir administrative Tatigkeiten an.

Messung IV: Anzahl Produktprdsentationen

Die Produktprasentation ist ein wichtiger vorvertraglicher Tatigkeits-schwerpunkt, denn es besteht fiir den Vertriebsmitarbeiter die Mog-lichkeit, die eigene Leistung positiv von der Mitbewerberleistung abzu-grenzen und eine Vorentscheidung herbeizufiihren.

Kunden, die sich Zeit fiir eine Produktprasentation nehmen, haben in der Kegel ernsthaftes Beschaffungsinteresse. Insofern liefert die Anzahl der durchgefiihrten Produktprasentationen innerhalb eines festgelegten Zeitraums einen Hinv eis auf die Qualitat der Verkaufszyklen. Die ermittelte Anzahl wird mit der Zahl der „Besten" verglichen.

FiJhrung und Steuerung des Vertriebsprozesses 105

Neben den vertriebsproduktiven Aspekten ist die Anzahl der durch-gefuhrten Prasentationen auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht wich-tig. Die Aufrechterhaltung und Bestiickung von Schauraumen ist kostenintensiv (Miete, Abschreibungen, Service), so dass die Anpas-sung der Schauraum-Konzeption am Prasentationsverhalten und an Kostengesichtspunkten ausgerichtet werden sollte.

Messung V: Entwicklung des Abschlussvolumens

Die Entwicklung des Abschlussvolumens zu messen bedeutet, festzu-stellen, wie sich innerhalb eines festzulegenden Zeitraums die Anzahl der vom Vertriebsmitarbeiter gefiihrten abschlussfahigen Verkaufs-zyklen mengen- und wrertmafiig entwickeln.

Das Abschlussvolumen gibt Aufschluss dariiber,

• Wit grofi das mogliche Geschaftsvolumen je Vertriebsmitarbeiter ist,

• ob das gesteckte Vertriebsziel zu erreichen ist (ausreichend Abschlusszyklen vorhanden sind),

• wie die Abschlussqualitat des Vertriebsmitarbeiters zu bewerten ist (Verhaltnis Anzahl Zyklen zur Anzahl Abschliisse).

Um den Informationsgrad bei der Aufstellung des Abschlussvolumens zu erhohen, sollte es nach bestimmten qualitativen Kriterien aufge-schliisselt werden. Nachfolgende Kriterien zeigen verschiedene Mog-lichkeiten zur Aufschliisselung des Abschlussvolumens:

• nach der Art des Geschafts (Kundengeschaft, Neukundengeschaft)

• nach der Art der Vertragsform (Kauf, Miete, Leasing, usw.)

• nach Zielmarktkriterien (Grofikunde, Standardkunde, Behorde, usw.)

• nach Produkten oder Produktgruppen

Das Abschlussvolumen beinhaltet alle gefiihrten Verkaufszyklen, die unabhangig von der Hohe der Abschlusswahrscheinlichkeit innerhalb

106 Prinzipien des Vertriebs im Gesamtzusammenhang

eines Zeitraums zu einer Entscheidung gelangen werden. Um die Grundfrage nach der Moglichkeit der Zielerreichung beantworten zu konnen, bietet sich als Zeitraum die Dauer des Geschaftsjahres an.

Bei der Fiihrung des Abschlussvolumens handelt es sich um einen Fort-schreibungsprozess, der z. B. so aufgebaut werden kann, dass im aktu-ellen Berichtsmonat der 12-Monatsausblick aufgestellt wird, wobei neue Zyklen, die in den 12-Monatszeitraum fallen, hinzugefiigt werden, and abgeschlossene, verlorene oder nicht mehr realistische Abschlusschancen aus der Obersicht genommen werden.

Das Abschlussvolumen bildet die Grundlage fiir die konkrete Vertrags-abschlussplanung.

Die kurzfristige Vertragsabschlussplanung

Inhalt der kurzfristigen Vertragsabschlussplanung ist die Aufstellung der Verkaufszyklen, bei denen der Vertriebsmitarbeiter glaubt oder sich sicher ist, dass er den Abschluss im kurzfristigen Planungszeitraum realisiert.

Basisdaten fiir die kurzfristige Abschlussplanung sind

« die Verkaufszyklen aus dem Abschlussvolumen, die im kurzfristigen Planungszeitraum zum Abschluss gelangen werden (Entscheidungs-Zeitpunkte),

• und davon diejenigen Zyklen, die durch den Vertriebsmitarbeiter mit einer hohen Abschlusswahrscheinlichkeit qualifiziert werden konnen (prozentuale Abschlusseinschatzung).

Die kurzfristige Vertragsabschlussplanung zahlt zweifelsfrei zu den spannendsten Bereichen der vertrieblichen Tatigkeit. Bei der Erstellung bekennen der Vertriebsmitarbeiter und sein Verkaufsleiter „Farbe". Die vertrieblichen Anstrengungen miinden in die konkrete Voraussage, welche Verkaufszyklen zu Abschliissen gewandelt werden konnen. Die kurzfristige Vertragsabschlussplanung ist somit ein Ma6 fiir die Giite und Menge der vertrieblichen Vorarbeit.

Wahrend des Planungsprozesses steht der Vertrieb unter Anspannung, denn letztlich geht es datum, verlassliche Aussagen abzuliefern. Kein

Fuhrung und Steuerung des Vertriebsprozesses 107

Abbildung 14: Prozess zur Entwicklung der kurzfristigen Vertragsabschlussplanung

Vertriebsmitarbeiter und kein Verkaufsleiter hat Interesse daran, Ab-schliisse zu planen und die daraus entstehende Erwartungshaltung nicht erfiillen zu konnen.

Erwartungen nicht erfiillen zu konnen, oder Voraussagen zu treffen die spater nicht eintreten, werden oftmals als Scheitern empfunden. Die Betroffenen geraten in Erklarungs- und Rechtfertigungssituationen, die je nach Ausgestaltung als unangenehm erlebt werden.

Neben der „objektiven" Einschatzung der moglichen Abschliisse an-hand des konkreten Abschlussvolumens beeinflussen eine Reihe weite-rer Aspekte das Planungsverhalten des Vertriebsmitarbeiters. Diese sind

« das Grundverhalten des Planenden (Optimist, Pessimist)

•'i^ der aktuelle Zielerreichungsgrad des Vertriebsmitarbeiters (unter Plan, auf oder uber Plan)

» die personlichen Erfahrungen des Vertriebsmitarbeiters

108 Prinzipien des Vertriebs im Gesamtzusammenhang

• die Interessen des Vertriebsmitarbeiters (Bunkern, well die Ziele schon erreicht sind, bevorstehender Wettbewerb)

• die Planungsgenauigkeit vorheriger Perioden (selbstbewusste Planung weil die Vorperioden genau waren, oder Zuriickhaltung, da die Vor-planung nicht erwartungsgemaS eintrat)

• die Anzahl der zur Verfiigung stehenden Zyklen (sind zu wenig vor-handen, neigt man dazu auch unsicher zu planen, damit iiberhaupt etwas in der Planung steht)

• die Beziehung des Planenden zum Vorgesetzten

• der Fiihrungsstii im Verkaufsteam (muss der Planende mit unange-nehmen Gesprachen bei Nichterfiillung rechnen, oder geht man kon-struktiv miteinander um?)

Die kurzfristige Vertragsabschlussplanung zahit zu den Kernelementen des Vertriebssteuerungsprozesses. An ihr kann erkannt werden, wie Ver-triebsmaSnahmen umgesetzt werden konnten, wie erfolgreich die Ma6-nahmen sind. Ferner finden die Auswirkungen der Verkaufstaktiken und der Strategien ihren Niederschlag in der kurzfristigen Vertragsabschluss­planung.

Nachdem der Prozess der kurzfristigen Vertragsabschlussplanung etabliert ist und angewendet wird, wird es leichter, die Abschlusspla-nung ins Verhaltnis zu den tatsachlichen Abschliissen zu setzen und dies Periode fiir Periode fortzuschreiben. Ahnlich wie bei der personli-chen Vertragsabschlussmessung kann ermittelt werden, wie viel Prozent der Prognose im Durchschnitt erreicht werden. Dieser Prozentsatz beschreibt die Planungsgenauigkeit. Bezieht man die tatsachlichen Ab-schliisse noch auf das vorhandene Jahresabschlussvolumen, so kann sehr einfach ermittelt werden, wie viel Zyklen (Menge + Wert) gefiihrt werden miissen, um ein gestecktes Ziel erreichen zu konnen.

Ebenfalls liefert die Planungsgenauigkeit einen guten Hinweis auf die Planung in der Produktion oder bei der Bestellung von Produkten. Je nach Anbieter empfiehlt es sich, die Planung zu verfeinern (Vertragsart, Kunden-ZZielmarktart, Produkte, Produktgruppen, usw.).

Ublicherweise wird die kurzfristige Vertragsabschlussplanung auf den kommenden Monat (1-Monats-Planung) beschrankt. Es empfiehlt sich

Fuhrung und Steuerung des Vertriebsprozesses 109

jedoch fiir die Prognose auch die beiden Folgemonate (zweiter, dritter Monat) aufsteilen zu lassen. Es ist zwar schon schwierig genug, eine Abschiussplanung fiir den kommenden Monat mit dem Anspruch hoher Planungsgenauigkeit zu erstellen, um so schwieriger ist es fiir die Folgemonate. Dennoch fiihrt diese „Ubung" dazu, dass die Prognose-genauigkeit insgesamt steigt, wenn man sich durch die noch intensivere Beschaftigung mit der Vorplanung iibt. Des Weiteren zeigen die Folge­monate an, ob noch genug „Futter" vorhanden ist.

Die Ergebnisfortschreibung

Die Ergebnisfortschreibung, Kommentierung und Veroffentlichung stellt einen weiteren Bestanteil der Vertriebssteuerung dar. Dabei geht es um die Gegeniiberstellung von IST-Ergebnissen (tatsachlich erwirt-schafteten Ergebnissen) zu den SOLL-Ergebnisen (Plan-Ergebnissen), um den Grad der Planerfiillung (unter, auf oder iiber Plan) ermitteln zu konnen. In erster Linie erfiillt die Ergebnisfortschreibung eine Informa-tionsfunktion.

Bei der Ergebnisfortschreibung ist nutzbringend zunachst die im aktu-ellen Berichtsmonat tatsachlich erwirtschafteten Ergebnisse mit den Plan-Zahlen zu vergleichen (IST in % zum Plan = SOLE).

Abbildung 15: Vergleich tatsachliches Monatsergebnis (IST) zum Plan (SOLD

Eine weitere Messung bildet dann der Vergleich zwischen dem tatsach-lichen Ergebnis des aktuellen Monats mit dem tatsachlichem Ergebnis des Vormonats.

110 Prinzipien des Vertriebs im Gesamtzusammenhang

Abbildung 16: Vergleich tatsachliches Ergebnis aktueller Monat zum Ergebnis Vor-monat

AnschlieSend wird das aufgelaufene Ergebnis-IST (kumuliertes tatsach­liches Ergebnis) dem anteiUgen SOLL seit Geschaftsjahresbeginn (oder Abrechnungszeitraumbeginn) gegeniibergesteUt.

Abbildung 17: Vergleich kumuliertes tatsachliches Ergebnis zum kumulierten Plan

Diese Vorgehensweise ermoghcht den aktuellen Grad der Zielerrei-chung im Berichtsmonat, die Leistungsveranderung (Trend) gegeniiber dem Vormonat, sowie das bislang erziehe Gesamtergebnis zu erkennen.

Die hier gezeigte Grundstruktur wurde beispielhaft ausgewahh. Die konkreten Vergleichszeitraume hangen von der jeweiUgen Vertriebs-situation ab.

Neben der notwendigen Informationsfunktion iiber das aktuelle Ergebnis sowie der Ergebnisentwicklung ermogUcht die Fortschreibung im Falle der Veroffentlichung, den Betroffenen sich mit anderen zu ver-gleichen (personUches Benchmarking). Es dient somit auch der Selbst-steuerung und Selbsteinschatzung von Vertriebsmitarbeitern.

Die Veroffentlichung von Vertriebsergebnissen w ird iiblicherweise in Form von Ranglisten durchgefiihrt. Die Veroffentlichungszeitpunkte

FiJhrung und Steuerung des Vertriebsprozesses 111

stellen einen spannenden Moment im Vertriebsalltag dar, da die Ver-triebsmitarbeiter sich im Vergleich zu den Kollegen sehen konnen. Die Veroffentlichung dieser Ergebnisse hat Motivationscharakter. Fiir ambitionierte Vertriebsmitarbeiter stellt der Moment der Veroffent­lichung, wenn er sich in den oberen Rangen oder sogar auf Platz eins wiederfindet, Genugtuung und Befriedigung dar. Jedermann kann sehen, wie erfolgreich er ist. Findet man sich in den unteren Rangen wieder, setzen die meisten viel daran, sich von den unteren Rangen wieder nach oben zu arbeiten.

Um den Motivationscharakter sicherzustellen und zu fordern, ist es notwendig, dass die Abbildung von Rangen vergleichbare Kriterien als Grundlage haben. Dies ist fiir allem dann notwendig, wenn

k> individuelle Zielsetzungen vorliegen,

p verschiedene Verkaufertypen eingesetzt werden, (Standardkunden-, Grofikunden-Vertriebsmitarbeiter)

^ Junioren oder Neueinsteiger wahrend des laufenden Geschaftsjahres hinzukommen,

>• im laufenden Geschaftsjahr umstrukturiert wurde.

MogUcherweise sind mehrere Ranglisten zu fiihren. Dies ist aber unbe-dingt notwendig, um die Vergieichbarkeit und den Motivationseffekt fiir die Vertriebsmannschaft aufrecht zu erhalten.

Erkenntnisgewinn - ein Beispiel

Neben der Managementfunktion von Vertriebssteuerungsystemen bilden die im Steuerungssystem uber langere Zeitraume erhoben Daten eine gute Basis fiir Vertriebserkenntnisse, vor allem fiir solche, die fiir die eigene Organisation und fiir die individuelle Marktsituation gelten. Auch wenn diese Erkenntnisse dann nicht verallgemeinerbar sind, so sind sie doch fiir die eigene Vertriebsorganisation sehr wichtig, da das Verstand-nis fiir die individuellen Zusammenhange gefordert wird.

Exemplarisch soil im folgenden Beispiel die Verlasslichkeit der Abschluss-planung anhand der Kombination der Steuerungsinstrumente Anzahl per-sonliche Besuche und aktueller Zielerreichungsgrad dargestellt werden.

112 Prinzipien des Vertriebs im Gesamtzusammenhang

Nehmen wir vier Standard-Situationen an, die Aufschluss iiber die Ver-lasslichkeit der Abschlussplanung geben sollen:

^ Situation 1 Ausgangsiage: Der Vertriebsmitarbeiter liegt unter Plan, Anzahl der personlichen Besuche ist gering im Vergleich zum Durchschnitt (und zur Vorgabe) Ergebnis: Die Verlasslichkeit der Abschlussplanung (Prognosegenauig-keit) ist gering. Mogliche Erklarung: Der Vertriebsmitarbeiter muss Ergebnisliicke und aktuelles Teilziel erreichen. Die niedrige Besuchszahl lasst den Ver-kaufserfolg nicht zu.

i Situation 2 Ausgangsiage: Der Vertriebsmitarbeiter liegt iiber Plan, Anzahl der per­sonlichen Besuche ist gering im Vergleich zum Durchschnitt (und zur Vorgabe). Ergebnis: Die Verlasslichkeit der Abschlussplanung ist gering, es kommt zu wechselhafter Prognosegenauigkeit. Mogliche Erklarung: Rettung iiber Einzelgeschafte wegen der niedrigen Besuchszahl.

I* Situation 3 Ausgangsiage: Der Vertriebsmitarbeiter liegt unter Plan, die Anzahl personlicher Besuche ist hoch im Vergleich zum Durchschnitt (und zur Vorgabe). Ergebnis: Die Verlasslichkeit der Planung nimmt stetig zu. Mogliche Erklarung: Es stellen sich aufgrund der hohen Besuchszahl Verkaufserfolge ein, es werden weniger „gute Hoffnungshiitten" ge-plant, die Erfahrung nimmt zu.

» Situation 4 Ausgangsiage: Der Vertriebsmitarbeiter liegt iiber Plan, die Anzahl personlicher Besuche ist hoch im Vergleich zum Durchschnitt (und zur Vorgabe). Ergebnis: Hohe Verlasslichkeit in der Planung. Mogliche Erklarung: Es miissen keine „Luftschlosser" geplant werden, die Besuchsfrequenz ermoglicht die Abschliisse.

Fuhrung und Steuerung des Vertriebsprozesses 113

Aus den ermittelten Ergebnissen liefien sich nun wiederum konkrete Mafinahmen ableiten, um die Verlasslichkeit in der Planung zu er-hohen. Im hier genannten Beispiel scheint die Besuchsfrequenz aus-schlaggebend fiir die Prognoseverlasslichkeit zu sein.

114 Prinzipien des Vertriebs im Gesamtzusammenhang

DasTagesgeschaftdes Vertriebsmitarbeiters

Die Zeit ist knapp bemessen

Oft schon nach kurzer Zeit ihrer Tatigkeit stellen viele Vertriebsmit-arbeiter fest, dass der Arbeitstag viel zu kurz erscheint, um alle anfallen-den Aufgaben umfassend abzuarbeiten. Es bleibt immer etwas liegen und man sagt sich: „Eigentlich kann ich jetzt noch nicht nach Hause gehen." In der Tat ist es so, dass die Aufgaben fiir Vertriebsmitarbeiter sehr um­fassend sind und die zur Verfiigung stehende Zeit zu knapp ist, um alles erledigen zu konnen. Die zunehmende Autonomic von Vertriebsmit-arbeitern, bedingt durch die allgemeine Veranderung im Fiihrungsstil, die Ubertragung von Verantwortung auf den Vertriebsmitarbeiter, fiihrt auch zur Ervi eiterung des konkreten taglichen Aufgabenspektrums.

Zu den iiblichen Aufgaben eines Vertriebsmitarbeiters zahlen Akquisi-tion, personliche Kundenbesuche, Angebote erstellen (zunehmend auf eigenem PC oder Laptop), Prasentationen vorbereiten und durch-fiihren, Reklamationen bearbeiten, Messen vorbereiten, Akquisitions-plane erarbeiten, Kundendatenbank pflegen und aktualisieren, Vertrage ausfiiilen, Bedarfsanalysen aufbereiten, Spesenabrechnungen, Vertrage administrieren, Lieferungen iiberwachen, Provisionen ermitteln, Abstimmung mit dem Innendienst, Zusammenarbeit mit dem Service, Entwicklung von Konzepten, Aufbereitung der Daten fiir das Repor-ting-System, Gesprache mit Vorgesetzten und Kollegen, E-Mails abru-fen, bearbeiten und versenden, Informationen lesen, Preislisten aktuali­sieren, eigenes Vertriebshandwerkszeug pflegen und aktualisieren, usw. Hinzu kommen wiederkehrende Veranstaltungen, die entsprechend vorbereitet bzw. durchgefiihrt miissen. Dazu zahlen Jahres-Meetings, Trainings- und WeiterbildungsmaSnahmen sowie Sonderprojekte, z. B. Planung und Durchfiihrung einer Open-House-Veranstaltung.

Um sich selbst in dieser Aufgabenvielfalt nicht zu verzetteln, ist es vi ichtig, von Zeit zu Zeit eine eigene Standortbestimmung vorzunehmen, sich

115

dariiber bewusst zu werden, ob die knappe Arbeitszeit im Sinne eines Pri-oritatenmanagements richtig ausgenutzt wird. Fiir den Berufseinsteiger ist dies besonders wichtig, da aufgrund mangelnder Erfahrung und Routine die Wirksamkeit in der konkreten Kundenarbeit noch nicht so hoch ist (Erfahrungskurve) und noch nicht klar ist, welche Aufgabenkomplexe mit geringerer Intensitat dennoch ausreichend Beachtung finden.

Gesamtziele hemnterbrechen - kleine Schritte sind einfacher

Neben dem Verkaufsziel existieren eine Reihe weiterer, vor allem quahtativer Zielsetzungen, die - heruntergebrochen - es dem Vertriebs-einsteiger einfacher machen, sich in die Aufgabe hineinzufinden. Dies gilt zum Beispiel fiir die einzelnen Phasen des Verkaufszyklus. Es macht wenig Sinn, von Anfang an den Vertragsabschluss ohne Zwischenschritte als Zielsetzung festzuiegen. Dabei konnen leicht Enttauschung und das Gefiihl der Uberforderung entstehen, die der Motivation abtraghch sind. Es ist vielmehr hilfreich, wenn sich der Vertriebs-Junior in Zusammen-arbeit mit seinem Vorgesetzten oder Coach Zwischenziele steckt, z. B. Anzahl der Termine pro Akquisitionstag, um Teilerfolge erzielen zu kon­nen. Teilerfolge motivieren und helfen, sich dem Hauptziel, dem Ver­kaufsziel, schrittweise nahern zu konnen.

Wie setze ich Zielvorgaben um?

Entscheidend fiir die Umsetzung der Zielvorgaben ist, dass diese konkret und nachvollziehbar sind. Sie miissen einen inhaltlichen und einen Zeit-bezug besitzen. Priifen Sie, inwieweit die Zielvorgaben in Zwischen-oder Teilziele untergliedert werden konnen. Dies soUte in Abstimmung und mit Unterstiitzung Ihres Vorgesetzten oder Coaches erfolgen. Nachdem diese Zielfestlegung erledigt ist, sollten nachvoUziehbare und messbare Plane entw^ickelt werden. Im Rahmen einer Jahres-Verkaufs-planung werden die Teilziele und die entsprechenden MaEnahmen schriftlich festgehalten und Zeitpunkte festgelegt, zu denen man einen Soll-Ist-Vergleich mit dem Vorgesetzten oder dem Coach bespricht. Es

116 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

bietet sich prinzipiell der Monatszeitraum an, da dies in der Regel auch einer Ergebnisperiode entspricht.

Im Rahmen des Soll-Ist-Vergleichs werden die Ergebnisse ausgewertet, eventuell Mafinahmenkorrekturen vorgenommen und Tatigkeitsberei-che mit konkreten weiterfiihrenden Unterstiitzungsaktionen festgelegt.

Mein personliches Controlling

Neben dem in der Vertriebsorganisation etablierten Vertriebssteue-rungssystem, aus dem der Vertriebsmitarbeiter Informationen iiber seine eigenen Ergebnisse erhalt, ist es fiir den Vertriebs-Junior hilfreich, wenn er sich parallel dazu ein personliches Controlling-System aufbaut. Dieses selbst entwickelte Controlling hat den Vorteil, dass es sich indi-viduell ausrichten lasst.

In das personliches Controlling-System konnen die individuellen Teil-ziele und Ergebnisse iibernommen werden. Unabhangig vom „offiziel-len" terminlich festgesetzten Gesprachszeitpunkt hat der Vertriebsmit­arbeiter auch schon zwischendurch die Moglichkeit, den Fortgang seiner MaSnahmen und den Abgleich zwischen SOLL und IST durch-zufiihren.

Hinsichtlich der Aufgabenvielfalt, mit der Vertriebsmitarbeiter kon-frontiert sind, ist ein personliches Controlling schon fast unerlasslich, um sicherzustellen, dass die knappe Zeit tatsachlich optimal genutzt wird. Entscheidend ist, dass sich der Vertriebsmitarbeiter eine Systema-tik schafft, nach der er sein Bezirksmanagement durchfiihrt. Dazu zahlt auch die Organisation seiner „Ablage". Praktikabel ist, dass er sich ein Ordnersystem aufbaut, damit die Einzelprojekte nicht den Schreibtisch „verstopfen". Jedes nicht voUstandig erledigte Projekt, das aber auf dem Schreibtisch sichtbar ist, signalisiert Arbeit. Ist der Schreibtisch zu voU gepackt, lauft der Vertriebsmitarbeiter Gefahr, sich - im wahrsten Sinne des Wortes - zu verzetteln und zu „wursteln".

Ublicherweise wird dieser Themenkomplex unter dem Begriff „Zeit-management" abgehandelt. Biicher und Veroffentlichungen in Fachzeit-schriften zu diesem Thema konnen Ihnen nutzbringende Hilfestellungen geben.

Mein personliches Controlling 117

Die Klippen des Tagesgeschafts erfolgreich umschifTen

Im Tagesgeschaft gibt es nicht nur Erfreuliches oder Dinge zu erledigen, die man selbst als sinnvoll erachtet, sondern es tauchen gelegentlich auch Hindernisse auf, die als lastig, hemmend oder sogar belastend empfunden werden. Dazu zahlen z. B. Schwierigkeiten in der Abstim-mung zwischen Innen- und Aufiendienst, Kundenreklamationen bei fehlerhafter oder unvollstandiger Lieferung, der „Formularkrieg" bei administrativen Tatigkeiten, usw.

Konstruktiver Umgang mit Hindernissen - die halbe Miete

Der Vertriebsmitarbeiter muss - aus seinem Blickwinkel betrachtet -Dinge erledigen, die nicht unmittelbar dem Geschaftsabschluss zuge-ordnet werden konnen. Manchmal erfordern diese Tatigkeiten sogar wertvolle verkaufsaktive Zeit.

Diese zusatzlichen Tatigkeiten werden dann als uberflussig, lastig, hin-derlich oder als Zumutung empfunden, weil sie nicht zur Hauptaufgabe, Vertrage zu schlieSen, gerechnet werden.

„.. . Wie soil ich denn Abschlusse machen, wenn ich dutch zusStz-liche Tatigkeiten permanent daran gehindert werde, Kundenbesuche wahiiunehmen?"

Auf der anderen Seite ist es auch richtig, dass nicht zum Geschaft zahlende Tatigkeiten als willkommene Abwechslung zur harten Ver-triebsarbeit herangezogen werden. Es ist wie beim Lernen fiir die Mathearbeit, erst einmal muss das Zimmer aufgeraumt werden ... Die zusatzlichen Tatigkeiten, Umstande oder Hindernisse dienen dem Ver­triebsmitarbeiter als Ablenkung.

Das ist solange akzeptabel wie es einem bewusst ist. Kritisch wird es al-lerdings dann, wenn die zusatzlichen Tatigkeiten und Hindernisse als Vorwand fiir Misserfolg herangezogen werden. Diese Zusammenhange sollen in den folgenden drei Beispielen deutlicher werden.

118 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

Beispiei 1: Administration

Vertriebsadministrative Tatigkeiten sind die „Klassiker" unter den Hindernissen im Tagesgeschaft. Selbst renommierte Unternehmens-beratungen stiirzen sich immer wieder auf dieses Thema mit der Annahme, dass der Vertrieb viel zu viel administrative Tatigkeiten zu bewaltigen hat und dadurch die Produktivitat zu sehr leidet.

Zu den administrativen Tatigkeiten im Vertriebsaul?endienst zahlen unter anderem:

'*" das Ausfiilien von Vertragen und Begleitformularen zur Bearbeitung im Verl(aufsinnendienst,

^ die Bearbeitung von Relclamationen, (z. B. unpunktliche Auslieferung)

¥ die Aufbereitung von Adressmaterial,

(z. B. fiir Kundeneinladungen zur Messe)

k» die regelmaBige Aufbereitung der Reportingunterlagen,

^ die Begleitung und Uberwachung der Kundenlieferung.

Prinzipiell kostet dem Vertriebsmitarbeiter die Erledigung dieser Tatig­keiten wertvolie verkaufsaktive Zeit. Deshalb ist die konsequente Reduzierung von administrativen Aufgaben fiir den Vertrieb eine er-forderliche und stetige Managementaufgabe. Jede Entlastung verschafft dem Vertrieb Zeit, um sich seiner Hauptaufgabe zu w idmen.

Die Vertriebspraxis ist dadurch gekennzeichnet, dass die Erfolge in einer Vertriebsmannschaft normal verteilt sind, das heil?t, die meisten erreichen die erwarteten Ergebnisse, einige wenige erreichen aufier-gewohnliche Spitzenerfolge und einige wenige Hegen deuthch unter dem Durchschnitt.

Die besonders erfolgreichen Vertriebsmitarbeiter realisieren, im Gegensatz zu den „normal" oder „weniger" erfolgreichen Kollegen eine deutliche hohere Anzahl von Vertragen, die ihrerseits einen deutlich hoheren Auf-wand fiir administrative Tatigkeiten nach sich ziehen.

Wenn also die Administration ais hemmend eingestuft wird, wie ist es dann moglich, dass die besonders erfolgreichen Vertriebsmitarbeiter trotz administrativem Mehraufwand so erfolgreich sein konnen? Es

Die Klippen des Tagesgeschafts erfolgreich umschiffen 119

konnte also gut moglich sein, dass die notwendige Administration auch schon einmal als Vorwand „genutzt" wird, um zeitweilige Erfolglosig-keit zu kaschieren und die Schuld dafiir auf den hohen Administrati-onsaufwand zu schieben.

In diesem Fall manovriert sich der Vertriebsmitarbeiter in einen Teufelskreis, in dem sich zunehmende Frustration und Erfolglosigkeit gegenseitig aufschaukeln. In einer solchen Situation ist es sehr wichtig, dass die Vertriebsfiihrung dies friihzeitig erkennt und den Vertriebsmit­arbeiter unterstiitzt, wieder aus dieser Situation herauszukommen.

Um einer solchen Situation vorzubeugen, konnte der Vertriebsmit­arbeiter besonders erfolgreiche Kollegen fragen wie sie sich organisieren. Wie erledigen sie effizient die administrativen Tatigkeiten? Die regel-mafiige Oberpriifung des eigenen Zeit- und Prioritatenmanagements ist ebenfalls eine vorbeugende MaSnahme. Viele Unternehmen bieten zu diesem Thema „Zeitmanagement-Seminare" an.

Beispiel 2: Der Preis

„ Schon wieder habe ich einen Auftrag verloren, weil der Wett-bewerb billiger war als wir, ich weiR gar nicht mehr, was ich noch anbieten soil../'

Das Preisargument stellt einen weiteren „Klassiker" fiir Hindernisse im Tagesgeschaft dar, vor allem in hart umkampften Verdrangungsmark-ten. Um das Phanomen des Preisarguments besser verstehen zu konnen, ist es wichtig, sich mit der Bedeutung des Preises im Marktumfeld ein-gehender zu beschaftigen.

Grundsatzlich bildet der Preis ein Mittel zur Wertmessung der Leistung, er ist der in Geldwert ausgedriickte Leistungsumfang. Die Kunden sind bemiiht, die angebotene Leistung in ein Verhaltnis zum angebotenen Preis zu setzen, um ermitteln zu konnen, ob die angebotene Leistung dem Wert des Preises entspricht oder womoglich zu teuer erscheint.

Dies ist fiir den Kunden dann relativ schwierig, wenn die Leistung nur von einem Anbieter erbracht werden kann und der Kunde letztlich keine Mog-lichkeit hat, die gleiche oder eine vergleichbare Leistung bei einem ande-

120 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

ren Anbieter einzukaufen, beziehungsweise den Preis mit der Leistung von zwei oder mehreren Anbietern vergleichen zu konnen. Der potenzielle Kunde ist im Entscheidungsfindungsprozess bemiiht, die angebotene Leis­tung auch mit der des Mitbewerbers zu vergleichen. Dabei sucht er nach einheitlichen Vergleichskriterien innerhalb des Leistungsumfangs.

Je transparenter der Leistungsumfang in einem Markt ist, umso ein-facher hat es der Kunde, die fiir ihn wichtige Vergleichbarkeit herzu-stellen. In Verdrangungsmarkten herrscht in der Kegel eine sehr hohe Preistransparenz vor.

Hat der Kunde die Vergleichbarkeit hergestellt, beeinflussen noch weitere Aspekte seine Entscheidung: die Zuverlassigkeit, der Marktan-teil und die Innovationsfreudigkeit des Anbieters, die personliche Vor-gehensweise des Vertriebsmitarbeiters in der Vorvertragsphase und das Image des Anbieters. Zu den objektiven Kriterien kommen personliche Praferenzen des Kunden hinzu.

Stellen Sie sich den Kauf ihres letzten Pkw s vor. Obwohl zuerst objek-tive Vergleichskriterien wie PS, Verbrauch, Steuern, Kaufpreis analy-siert werden, kommen in der Entscheidungsphase personliche Prafe­renzen hinzu: Wie hat sich der Verkaufer verhalten, welchen Eindruck hat das Autohaus und die Werkstatt auf mich gemacht, welches Markenimage haben die Pkws, welches Auto fahrt der Nachbar? Im welchem Auto habe ich mich bei der Probefahrt am wohlsten gefiihlt und den grofiten FahrspaS gehabt?

Alle diese zumeist subjektiven Kriterien konnen nicht ausgeschaltet werden. Plotzlich entscheidet man sich fiir den VW-Golf, obwohl objektiv das Preis-Leistungs-Verhaltnis eines anderen Herstellers besser war. Trotzdem hat man keine Fehlentscheidung, sondern vielmehr eine vertretbare wirtschaftliche Entscheidung getroffen.

Solche Entscheidungsfaktoren spielen auch bei der Beschaffung von Investitionsgiitern eine Rolle.

Nach der gefallten Entscheidung hat der Entscheider nun die angenehme Aufgabe, dem praferierten Anbieter eine Zusage zu erteilen, und die schon schwierigere Aufgabe den anderen Anbietern, die sich ja auch um ihn als Kunden bemiiht haben, eine Absage erteilen zu miissen. Das fallt dem Entscheider nicht immer leicht, vor allem wenn die Bezie-hungsebene gut ist.

Die Klippen des Tagesgeschafts erfolgreich umschiffen 121

Hinzu kommt aber noch, dass der Entscheider damit rechnen muss, dass engagierte Vertriebsmitarbeiter auch bei einer Absage wahrschein-lich nicht aufgeben und nachhaken und womoglich wieder einen Ein-stieg finden konnen, um die Entscheidung zu ihren Gunsten zu kippen.

Genau das aber mochte der Entscheider vermeiden und das fiir ihn un-bequeme Gesprach moglichst schnell beenden, denn fiir ihn ist der Fall ja erledigt. Der Preis als Entscheidungskriterium ist objektiv und muss vom Vertriebsmitarbeiter letztlich akzeptiert werden. Der Entscheider verdeckt somit seine personlichen Praferenzen und schiebt den Preis vor. Damit glaubt er, niemandem weh zu tun.

Fiir den Entscheider hat sich sein Argument „Sie waren schlichtweg zu teuer, deshalb musste ich den Auftrag anderweitig vergeben" als sehr wirkungsvoU erwiesen. Es zieht einen Schluss-Strich unter die Ver-handlungsphase. Hinzu kommt, dass man den Kunden selten befragt warum man eigentlich den Auftrag erhalten hat. In der Praxis gewinnt man einen Auftrag eher seltener aufgrund des Preises, sondern wegen der iiberzeugenden Gesamtleistung und somit der Gesamtwirtschaft-lichkeit.

Der Vertriebsmitarbeiter reagiert frustriert, weil er vermeintlich am Preis gescheitert ist, er beginnt moglicherweise an der Leistungsfahig-keit des eigenen Unternehmens zu zweifeln, denn in der Regel wird die Entscheidung des Kunden nur dann hinterfragt, wenn man eine Absage erhalt. Dies ist schon deprimierend genug, vor allem, wenn man sich sehr um den Kunden bemiiht hat. Dann aber als Begriindung das Preis-argument zu horen, macht hilflos und der Preis nimmt schlieElich einen hoheren Stellenwert ein als zuvor angenommen.

Es ist also ratsam, nicht immer dem Preisargument zu folgen und sich dariiber im Klaren zu sein, dass man selbst viele Auftrage nicht wegen des Preises erhalt, sondern aufgrund der Gesamtleistung und Wirt-schaftlichkeit.

Natiirlich kommt es vor, dass man auch Auftrage nicht erhalt, weil das Leistungsangebot zu teuer war. Aber dadurch, dass man sich immer wieder die Situation des Kunden vor Augen fiihrt, wird der „Preis-damon" schon etwas kleiner.

122 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

Beispiel 3: Das eigene Unternehmen

Ebenso hinderlich und belastend wie die Administration und der Auf-tragsverlust mit dem Preisargument ist fiir den Vertriebsmitarbeiter eine schlechte Presse iiber das eigene Unternehmen. Ubernahmen, Auf-kaufe, strukturelle Veranderungen sind heute an der Tagesordnung.

Fast kein GroSkonzern bleibt heute von derartigen Aktionen verschont. Das beeinflusst die Stimmung im Vertrieb erheblich, vor allem dann, wenn der Wettbewerb seinerseits sinnvolle Veranderungen als Konse-quenz der schwierigen Unternehmens- oder Marktsituation lanciert.

„Wenn das unsere Kunden lesen, kauft uns doch keiner mehr was ab ..." oder „... das schlachtet der Wettbewerb jetzt richtig aus ..." sind Reaktionen von Vertriebsmitarbeiten, die mit schlechter Presse iiber das eigene Unternehmen konfrontiert werden. Derartige Nachrichten fiihren dazu, dass Vertriebsmitarbeiter verunsichert werden, dass sie befiirchten, sich vor Kunden rechtfertigen zu miissen, dass Auftrage ausbleiben konnen, dass der Vertrieb und letztlich das ganze Unterneh­men sehr stark mit sich selbst beschaftigt ist. Angst um die Sicherheit des eigenen Arbeitsplatzes bis hin zu fundamentalen Existenzangsten fiihren zu einem Stimmungstief und zur Demotivation. Aufgrund schlechter Presse wird ein Umsatzriickgang erwartet, der die Situation dann noch weiter verschlechtern konnte.

Es konnte aber auch das Gegenteil eintreten. Wenn der Vertrieb und die Unternehmensleitung in die Offensive gehen und die Kunden direkt iiber den Sachstand, iiber die Perspektiven fiir das Unternehmen informieren sowie auf der kaufmannischen Seite dem Kunden Sicherheiten einbauen (sofern erforderhch), kann einer soich kritischen Situation wirkungsvoU entgegengetreten und ein Umsatzriickgang vermieden werden.

Der ein oder andere Kunde mag jetzt erst recht Geschafte abschlieSen, denn objektiv ist das Risiko fiir ihn gering. SoUte das Unternehmen seine Leistung nicht ausreichend erbringen und sich die Situation ver-scharfen, hat er das Ausstiegsrecht aus dem Vertrag (BGB Schlecht-leistung). Im Falle des Ausstiegs kann er unter Umstanden wirtschaft-hche Vorteile herausholen. Sollte dieser Fall hingegen nicht eintreten, ist alles in bester Ordnung.

Dies gilt natiirlich nicht fiir jede kritische Unternehmenssituation, den-noch ist es von entscheidender Bedeutung erst einmal Ruhe zu bewah-

Die Klippen des Tagesgeschafts erfolgreich umschiffen 123

ren, die Chancen auszuloten und konkrete Kunden- und Mitarbeiter-aktionen durchzufuhren.

Wichtig fiir den einzelnen Vertriebsmitarbeiter ist, sich nicht von Kol-legen mit allzu pessimistischer Einstellung anstecken zu lassen. Um den Kunden gegeniiber selbstbewusst auftreten zu konnen, sollten Vorge-setzte und Vertriebsmitarbeiter gemeinsam eine der Situation angemes-sene und schliissige Argumentation entwickeln.

Die folgende Aufzahlung stelit einige Moglichkeiten vor, um mit Hin-dernissen besser umgehen zu konnen:

© Bei auftretenden Hindernissen sollten Sie gedanklich aus dem Tages-geschaft aussteigen und nach den „Knackpunkten" suchen.

• Uberlegen Sie, welches die Ursachen fiir die Hindernisse sind. Suchen Sie nach Losungen. Nehmen Sie sich dafiir Zeit, um am Ende Zeit zu sparen.

• Fragen Sie erfahrene Kollegen oder Ihren Vorgesetzten um Rat.

• Wenn etwas prinzipiell „holpert", machen Sie konstruktive Verbes-serungsvorschlage.

Konfliktpotenziale im Vertriebsprozess

Der konstruktive Umgang mit Hindernissen ist eine Voraussetzung, um die auftretenden Schwierigkeiten im Tagesgeschaft zu meistern. Der Wunsch, hindernisfrei seiner Tatigkeit nachgehen zu konnen, wird hochstwahrscheinlich ein Wunsch bleiben, denn Probleme oder Hin­dernisse sind nicht hundertprozentig zu eliminieren, sie sind vielmehr Bestandteil des Ganzen. Dort wo Menschen zusammenleben oder -arbeiten entstehen Konfliktpotenziale und konkrete Konflikte. Dutch die Zunahme an Verantwortungsiibertragung auf den Einzelnen und die dadurch bedingt steigende Komplexitat in der Aufgabenstellung wird die Konfliktbearbeitung und -bewaltigung zunehmend wichtiger. Konflikte verschlechtern die Produktivitat. Die Produktivitatsver-schlechterung fiihrt zum Kostenanstieg ... usw.

Der VertriebsauSendienst (Vertriebsmitarbeiter, Verkaufsleiter) arbeitet mit einer Reihe von weiteren Abteilungen bzw. Bereichen des Unter-

124 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

nehmens direkt zusammen. An den Beriihrungspunkten zwischen Ver-trieb und anderen Bereichen liegen strukturell bedingte Konfliktpoten-ziale verborgen.

Der Aufdeckung von Konfliktpotenzialen sowie der Eindammung oder Vermeidung kommt immer groSere Bedeutung zu. Konflikte hemmen die Zusammenarbeit, konnen die Schlagkraft einer Organisation schwachen und wirken sich negativ auf den Kunden aus. Konflikte kosten Kraft und Zeit und lenken von den Hauptaufgaben ab. Die aktuellen Marktveranderungen erfordern jedoch die stetige Verbesse-rung der Schlagkraft von Organisationen. Ganz abgesehen von der sozialen Verpflichtung konnen es sich die meisten Organisationen schUchtweg nicht mehr leisten den Konfliktpotenzialen und ihrer Bear-beitung keine Beachtung zu schenken.

Konflikte zwischen Kollegen oder Abteilungen und Bereichen sind nor­mal - sie gehoren zum Berufsalltag. Man sollte sich jedoch die Ursachen fiir Konflikte bewusst machen. Sie liegen meist in

* gegenteiligen bzw. unterschiedlichen Einzelinteressen, * unterschiedlichen Meinungen oder Einstellungen, * unterschiedlichen Einkommen, * Sympathie oder Antipathie oder ® Abhangigkeiten

begriindet.

Konfliktpotenziale oder offene Konflikte zwischen Abteilungen oder Bereichen konnen durch

* geographische Trennung (z. B. Verkaufsteam in Bochum, Innendienst in Stuttgart),

« Ressortdenken, * ausgepragtes Gruppenzugehorigkeitsgefiihl der Mitarbeiter

noch verstarkt werden.

Der konstruktive Umgang mit Konflikten hangt von der Einstellung der Fiihrungskrafte, dem allgemeinen Konfliktmanagement im Unterneh-men sowie von der Konfliktfahigkeit des Einzelnen ab.

Im Folgenden werden einige „typische" Konflikte, deren Ursachen und Motive sowie Losungsansatze erlautert.

Die Kljppen des Tagesgeschafts erfoigreich umschiffen 125

Konflikte innerhaib der Vertriebsmannschaft

Konflikte zwischen Vertriebsmitarbeitern sind hemmend und nervend, weil es immer wieder zu Diskussionen zwischen Vertriebsmitarbeitern und Vorgesetzten kommt. Diese Gesprache nehmen wertvolle Zeit in Anspruch. Es miissen faire Kompromisse gefunden werden, die fiir alle Betroffenen akzeptabel sind. Dies kostet Zeit und Kraft.

Mogliche Ursachen

Ein haufig auftretender Konflikt innerhaib der Vertriebsmannschaft entsteht durch die Art der Marktbearbeitung, namUch dann, wenn die Abgrenzung der zugeordneten Kunden bzw. Interessenten zwischen den einzelnen Vertriebsmitarbeitern nicht prazise und kiar verstandiich ge-regeh ist.

Wenn die Regelung der Zuordnung nicht eindeutig ist, fiihh sich mehr als ein Vertriebsmitarbeiter fiir einen Kunden verantwortUch und es kommt zum Streit iiber die Zustandigkeit, denn letzthch stellt der Kunde fiir den Vertriebsmitarbeiter auch eine „Einkommensquelle" dar. Die nach Vertragsabschluss faUig werdenden Pramien oder Provisionen werden zum Streitpunkt.

^ Die Bezirksform, bei der obiger Konflikt nicht entstehen kann, bzw. das Konfliktpotenzial auBerst niedrig ist, ist der geographisch begrenzte Verkaufsbezirk (Postleitzahlen, Lander- oder Stadtgrenzen), in denen ein Vertriebsmitarbeiter fiir das Gesamtgeschaft verantwortlich ist (alle Kunden/lnteressenten, alle Produkte). Je komplexer das Marktumfeld und das Leistungsangebot eines An-bieters ist, desto schwieriger wird es sein, die genannte „Reinform" beizubehalten, es wird zu Mischformen kommen miissen.

Bei alien anderen Bezirksformen sind Konfliktpotenziale strukturell be-dingt:

!»> Bezirk nach Kundenart Die exakte Abgrenzung von Kundenarten (z. B. Groi?kunden, Be-horde) ist auGerst schwierig klar zu regeln. Nicht immer ist z. B. ein­deutig, was im Fall des Behordenverkaufers letztlich eine Behorde ist. Legt man die Haftungsfrage oder die Gesellschaftsform zugrunde (z.B. Bielefelder Stadtwerke GmbH)?

126 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

^ Marktbearbeitung nach Produkten bzw. Produktgruppen Erfordert das Leistungsangebot des Anbieters aufgrund der Vielzahl der Produkte (oder Produktgruppen) bei der Vermarktung Spezial-wissen und somit die Spezialisierung im Vertrieb, d. h. die Auftei-lung von Produkten bzw. Produktgruppen auf einzelne Vertriebs-mitarbeiter (Spezialisten), bedeutet dies, dass moglicherweise ein Kunde von mehreren Vertriebsmitarbeitern des gleichen Anbieters betreut wird. Dann wird es erforderlich, dass die Vertriebsmitarbei-ter ihre Vorgehensweise aufeinander abstimmen, damit vor allem gegeniiber den Kunden keine widerspriichlichen oder abweichenden Aussagen getatigt werden, denn dies verschlechtert die Abschluss-chancen erheblich (Vertrauen). Die Abstimmung erfordert Zeit und Kompromissbereitschaft. Sollte eine Abstimmung nicht durchge-fiihrt werden, ist der Konflikt vorprogrammiert.

Die Festlegung der Bezirksstrukturen leitet sich aus der Marktbearbei-tungsstrategie ab, wobei die Marktbearbeitungsstrategie an den uberge-ordneten Unternehmenszielen ausgerichtet wird (betriebswirtschaftliche Ebene).

Aufgrund der hohen Kosten, die der Direktvertrieb verursacht, liegt die Hauptzieisetzung bei der Findung der besten Marktbearbeitungsstrate­gie darin, die Effizienz des Vertriebs optimal zu gestalten (Vertriebs-produktivitat). Die dann zu entwickelnden Verkaufsbezirksstrukturen werden an betriebswirtschaftlichen und soziologischen Kriterien (Ver-meidung von Vertriebskonflikten) ausgerichtet. Dem Ausloten mogli-cher Konfliktpotenziale kommt demnach eine sehr hohe Bedeutung zu. Es gilt, Vertriebskonflikte zu vermeiden, sofern diese nicht gewoUt und kontrollierbar sind.

Bezirksstrukturen, die unkontroUierbare Konflikte zulassen, konnen das Unternehmen gefahrden und zu erheblichen EinbuSen (Umsatz-riickgang, Kundenverlust, Mitarbeiterverlust) fiihren.

Die Klippen des Tagesgeschafts erfolgreich umschiffen 127

So hat beispielsweise ein Top-Manager nach der Ubernahme eines anderen Unternehmens die Vertriebsmannschaft durch die Zusammen-legung verdoppeln konnen und jedem Vertriebsmitarbeiter die Mog-lichkeit eingeraumt, das gesamte Produktportfolio an jeden Kunden verkaufen zu konnen. Er versprach sich von dieser Art der Marktbear-beitung Synergie-Effekte im Vertrieb. Tatsachlich entbrannte ein nicht mehr kontrollierbarer Konflikt zwischen den einzeinen Vertriebsmit-arbeitern, der dazu fiihrte, dass Vertriebsmitarbeiter das Unternehmen verliefien, Kunden keine Anschlussvertrage mehr abschlossen und der Gesamtumsatz in dieser Phase zuriickging.

Auf der anderen Seite spricht auch etwas dafiir, bei der Marktbearbei-tung einen kontroliierten Konflikt zuzulassen, denn es konnte dazu fiihren, dass durch die leichte Konkurrenzsituation zwischen den Ver-triebsmitarbeitern die Einsatzbereitschaft steigt und die Potenzialaus-beute hoher ist. Bei einer solchen leichten Konkurrenzsituation sollten jedoch nicht mehr als zwei Vertriebsmitarbeiter auf das gleiche Poten-zial zugehen.

Es zeigt sich immer wieder, dass bei Ausscheiden eines Vertriebsmit-arbeiters und die anschiiefiende tJbernahme des Bezirks durch einen an­deren Vertriebsmitarbeiter, die Ausbeute in diesem konkreten Bezirk ansteigt. Der Grund dafiir diirfte sein, dass der „Neue" unvorein-genommen auf die Kunden bzw. Interessenten zugeht, noch keine Beziehungssituationen (gute wie schlechte) entstanden sind, und bei der Bezirksbearbeitung noch nicht „betriebsbUnd" ist.

Losungsansdtze

Vertriebskonflikte lassen sich nie ganz vermeiden - es gibt aber eine Reihe geeigneter MaSnahmen zur Eindammung:

l> Regein fiir die Zusammenarbeit

Bei der Festlegung der Regein fiir die Zusammenarbeit, werden die Vertriebs- bzw. Kundensituationen geregelt, bei denen es zu Kon-flikten kommen kann. Es werden faire Regein fiir die Vertriebsmit­arbeiter formuliert (Wer macht was? Was hat der andere da von? Wo geht man allein, wo gemeinsam vor? Wie wirkt sich das auf die Er-gebnisabbildung und auf das Einkommen aus?).

128 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

Unklare oder nicht eindeutige Regeln werden aufgrund personlicher In-teressen des Vertriebsmitarbeiters zum eigenen Vorteil ausgelegt, und es kann zu erneuten Auseinandersetzungen kommen.

Der Vertriebsleiter findet sich plotzlich in der RoUe des Schlichters wieder, der eine Entscheidung fallen muss. Das heiSt, dass mit der alleinigen Aufstellung von Regeln Konflikte nicht eingedammt und somit erledigt sind, sondern vielmehr, dass mit Regelaufstellung gleich-zeitig ein Optimierungsprozess in Gang gesetzt werden soUte, den der Vertriebsleiter standig mit im Auge behalten muss.

P- Monetaren Ausgleich schaffen Nicht vermeidbare und letztlich nicht sinnvoU und plausibel zu losende Konflikte sollten iiber einen monetaren Ausgleich fiir die Be-troffenen geregelt werden, um dem Interesse des Vertriebsmitarbei­ters angemessen Rechnung zu tragen. Dabei sollte tendenziell eher wohlwoUend vorgegangen werden. Ein plausibler und verniinftiger monetarer Ausgleich ist in der Regel „kostengiinstiger" als nicht er-zielte Abschliisse aufgrund der Hemmnisse durch den Konflikt.

P- Die Erwartungen an eine verniinftige Zusammenarbeit formulieren Neben den Regeln und dem gegebenenfalls monetaren Ausgleich kommt es darauf an, durch die Verkaufsleitung klar die Grundsatze der fairen Zusammenarbeit aufzuzeigen und zu formulieren (ethi-scher Aspekt).

Die kulturellen Aspekte der Zusammenarbeit, der Verhaltenscodex, die Legitimierung dessen, was in Ordnung ist und was nicht der Unterneh-menskultur bzw. Teamkultur entspricht, miissen formuliert, kommuni-ziert und vom Vorgesetzten vorgelebt (Vorbildfunktion) werden. Dies fiihrt dazu, dass man ein Instrumentarium erhalt, wie Konflikte besser zu meistern sind.

Die Losungsansatze zeigen, wie aufwendig die Konflikteindammung ist. Mit der Umsetzung dieser Ansatze sind die Konfliktpotenziale ja immer noch da und nicht verschwunden. Bei der Umsetzung von Ver-triebsstrukturen und Bezirksstrukturen ist es wichtig, die Konfliktpo­tenziale rechtzeitig zu erkennen und im Blickfeld zu behalten, damit es zu keinen bdsen Uberraschungen kommt.

Die Kiippen des Tagesgeschafts erfolgreich umschiffen 129

Konflikte zwischen VertriebsauBendienst und -innendienst

Seit Bestehen von VertriebsauSendienst- und -innendienstorganisationen kommt es immer wieder zu den gleichen Konfliktsituationen. Sie zahlen zu den „KIassikern" der Konflikte im Vertrieb. Sie werden iiber die geauSerten Meinungen, Einstellungen und nicht selten Voreingenom-menheiten der jeweiligen Mitarbeiter eines Bereichs iiber die Mitarbei-ter des anderen Bereichs deutlich.

Der Innendienst sagt iiber den AuSendienst:

... der Vertrieb ist nie zu erreichen, wenn man ihn mal braucht...

... die glauben wohl, sie batten es nicht notig, die Unterlagen voll-standig einzureicben.,.

... scbon dreimal babe icb das Formular angemabnt, der riibrt sicb einfacb nicbt...

... ivir sind ja das lileinste Rad im Getriebe, auf uns nimmt sowie-so lieiner RUclisicbt...

... die glauben wobi, nur weil sie mebr verdienen, lionnen sie sicb alias rausnebmen...

... ob beute ist scbones Wetter, er ist bestimmt im Scbwimmbad...

Der AujSendienst meint hingegen iiber den Innendienst:

... egal wann icb anrufe, entweder sind sie in einer Besprecbung, beim friibstiick oder zum Mittagessen...

... fur dieses Formular babe icb jetzt keine Zeit, icb bin docb nicbt der Administrator...

...scbon wieder ein neues Formular, was soli das denn, das braucbt docb sowieso keiner...

... der sabotiert docb meine Kundenlieferung extra, nur weil er nei-discb ist...

... die kapieren einfacb nicbt, dass icb beim Kunden scbnell und flexibel reagieren muss...

130 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

Mogliche Ursachen

In der Zusammenarbeit zwischen Innen- und AuEendienst existieren eine Reihe von konkreten Ursachen fiir Konflikte:

'P Unterschiedliche Interessenlagen der betroffenen Mitarbeiter Der Vertrieb ist in erster Linie daran interessiert, Vertrage zu schliefien. Jede Verknappung der Verkaufszeit, oder das Eriedigen von Aufgaben, von denen der Vertriebsmitarbeiter glaubt, dass sie nicht dem Geschaft dienen, wird haufig als lastiges Ubel empfunden. Die Erledigung von Aufgaben, die den Innendienst betreffen, wer-den widerwillig ausgefiihrt.

Der Innendienst ist daran interessiert, die Vertrage moglichst rei-bungslos zu administrieren und abzuwickeln, und ist deshalb darauf angewiesen, dass die Unterlagen voUstandig, zeitnah und korrekt vom AuEendienst bearbeitet werden. Fehlen Unterlagen zum Teil oder werden die Dinge nicht zeitnah erledigt, gerat der Prozess beim Innendienst ins Stocken. Frust und Arger sind die Folge, denn der Mitarbeiter kann seine Aufgaben nicht eriedigen.

'p- Unterschiedliches interesse der jeweiligen Gruppe Die unterschiedlichen Interessen der Mitarbeiter lassen sich auch auf die Gruppenebene iibertragen. Die Vertriebsgruppe tut alles, um Vertrage zu schlieSen und die Vertriebsziele zu erreichen.

Die Innendienstgruppe (als Cost-Center) versucht, die gesamten Prozesse unter Kosten- und Produktivitatsgesichtspunkten zu opti-mieren, um einen reibungslosen Ablauf sicherstellen zu konnen. Dies wirkt sich auch auf die Zufriedenheit der Kunden positiv aus.

Die Gruppen organisieren sich jeweils so, dass sie ihre Ablaufe und Tatigkeitsschwerpunkte an den jeweiligen Gruppenzielen ausrich-ten. Prinzipiell stellt der AuSendienst jede administrative Tatigkeit infrage, da sie Zeit raubt. Die Innendienstgruppe beriicksichtigt das haufig nicht, da sie ein anderes Ziel verfolgt. Was ist dem AuSen-dienst an Administration zumutbar? Wer erledigt z. B. Reklamatio-nen? Wie stark kann die Innendienstgruppe den Aul?endienst beim Auslieferungsprozess einbeziehen? Wer teilt dem Kunden mit, wann die Maschine geliefert wird?

Die Klippen des Tagesgeschafts erfolgreich umschiffen 131

^ Ressortdenken Die Konfliktsituationen werden in erheblichem Mal?e durch ausge-pragtes Ressortdenken verscharft. Ressortdenken fiihrt zum Abbau gegenseitiger Riicksichtnahme („Denen werden wir es zeigen!").

Das Ressort, der sachlich abgegrenzte Verantwortungsbereich, fiihrt auch zu sozialen Abgrenzungen. Im Wesentlichen wird das Ressort­denken vom verantwortlichen Ressortleiter (Vorgesetzten) gefordert oder eingedammt. Bei Fiihrungskraften die „ihr" Ressort mit „das ist meins" verwechseln, entstehen die klassischen „FiirstentiJmer". Der gemeinschaftliche Gedanke, ein Teil des ganzen Unternehmens zu sein, tritt in den Hintergrund. An seine Stelle riickt die Einstel-lung, die Verantwortung fiir einen isolierten Bereich zu haben und sein Handeln darauf auszurichten. Ohne Riicksicht auf die angren-zenden Bereiche wird der eigene Bereich optimiert (Kosten, Prozesse, Arbeitszeiten, usw.).

P Gehaltsgefalle zwischen VertriebsauBen- und -innendienst UbUcherweise verdient der Vertriebsmitarbeiter im AuSendienst er-hebUch mehr als der Mitarbeiter im Innendienst. Variable Entloh-nungssysteme durch Provisionen und/oder Pramien lassen Gehahs-unterschiede zu und belohnen in der Regel den Vertragsabschluss, nicht die nachfolgende Administration. Somit wird dem Vertrieb signahsiert was „wirklich" wichtig ist und was eher „nachgeordnet" ist.

Die Gehalter im Innendienst sind Festeinkommen und in der Regel nicht an Leistungskriterien gekoppelt. Egal wie vertriebsorientiert, prozess- oder kostenorientiert ein Innendienstmitarbeiter arbeitet, das Gehalt bleibt gleich. Dies kann Neidgefiihle hervorrufen.

p> Raumliche bzw. geographische Trennung In der Regel sind bei national bzw. international operierenden Orga-nisationen die beiden Bereiche geographisch voneinander getrennt. Der Innendienst befindet sich zentral an einem Hauptstandort (Kon-zernzentrale) und der Vertrieb ist in Verkaufsniederlassungen iiber das gesamte Bundesgebiet oder Auslandsniederlassungen verteilt.

Die geographische Trennung fordert zudem eine soziale Distanz, vor allem dann wenn einzelne Vertriebsmitarbeiter ihren Ansprechpart-

132 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

ner im Innendienst nur vom Telefon her kennen. Aber auch kultu-relle Voreingenommenheiten („... die Fischkoppe in Hamburg ..." und „... die Spatzlefresser im Siiden ...") konnen Antipathien her-vorrufen.

Unterschiedliche Tagesablaufe (Arbeitsrhythmus) Der iibliche Tagesablauf zwischen Au6en- und Innendienst ist in der Grundstruktur unterschiedlich. Wahrend der AuSendienst zumeist keine geregelten Arbeitszeiten (Anfang, Ende, Pausen) hat, sondern aufgabenorientiert arbeitet, sind im Innendienst die Arbeitszeiten und Pausen geregeh.

Die aktuelle FiexibiUsierung der Arbeitszeit fiihrt zu einer „zusatzH-chen" Verschiebung der zeitUchen An- und Abwesenheit, was die zeithche Zusammenarbeit fiir den Vertrieb schwieriger macht, da er in der Kegel den Innendienst aui?erhalb der verkaufsaktiven Zeit (also friih morgens, in der Mittagszeit oder spat am Nachmittag) er-reichen mochte.

Der Vertrieb ist hinsichtlich seines Tagesablaufs groStenteils von sei­ner Kundschaft (Erreichbarkeit, schnelles flexibles Reagieren) ab-hangig und beeinflusst. Das ist im Innendienst anders. Die unter-schiedlichen Arbeitsrhythmen stellen.ein nicht zu unterschatzendes Konfliktpotenzial dar, da das gegenseitige Verstandnis fiir die jewei-lige Arbeitsweise haufig fehlt oder diese Tatsache schlichtweg nicht bewusst ist.

Losungsansdtze

Auch hier konnen Mal?nahmen nur eine Eindammung der Konflikte bewirken. Die vollstandige Beseitigung von Konflikten ist, vor allem bei den strukturell bedingten Konfliktpotenzialen, nicht moglich. Der virirkungsvollste Ansatz, um Konflikte im Vertrieb zu reduzieren oder im Einzelfall zu beseitigen, bildet die Kombination der Mal?nahmen

* Menschen planmaSig zusammenfuhren (HauptmaSnahme)

• Einkommensrelevante Verbindung herstellen (flankierende MalSnahme)

Die Klippen des Tagesgeschafts erfolgreich umschiffen 133

Strukturelle und organisatorische Mafinahmen, die Konflikte beseitigen, werden an dieser Stelle nicht vorgestellt, wir nehmen eine etablierte und funktionierende Struktur an.

Die planmaSige und regelmaSige Zusammenfiihrung der Mitarbeiter der betroffenen Bereiche fiihrt

P' zum Abbau von sozialer Distanz „... aha, hier arbeiten Sie also, ich kenne Sie ja nur vom Telefon ..."

^ zur Forderung des Verstandnisses (Sympathie) fiireinander „... jetzt, wo ich Sie kennen gelernt habe, muss ich sagen, dass Sie eigentlich ganz nett sind ..."

1* zur Eindammung von Ressortdenken „... ich weiS jetzt eigentlich gar nicht mehr, warum wir solchen Stress haben, wir arbeiten doch alle in einem Unternehmen und wol-len alle das gleiche Ziel erreichen ..."

Das Zusammenfiihren von Menschen in einer wohlwollenden Atmos-phare stellt ein geeignetes Mittel dar, um Konflikte zu bearbeiten oder einzudammen. In der Praxis ist die Umsetzung jedoch auSerst schwie-rig, weil die Zeitknappheit im Tagesgeschaft die Betroffenen davon abhalt, Zusammenkiinfte zuzulassen. Des Weiteren verursachen Zu-sammenkiinfte direkte zusatzliche Kosten. Die planmafiige und struk-turierte Zusammenfiihrung der betroffenen Mitarbeiter kann letztHch auch nicht von ihnen selbst organisiert werden, sondern muss vom Management ausgehen. Diese Mafinahme soUte fester Bestandteil des Fiihrungsprozesses sein.

Geeignete Formen von Zusammenkiinften bieten

• das regelmaSig stattfindende Gesamtvertriebsmeeting,

• eine Einladung der jeweiligen Innendienstmitarbeiter zum Vertriebs-team-Meeting, um Aufien-ZInnendienstthemen gemeinsam zu bespre-chen,

• gelegentliche gemeinsame Kundenbesuche.

Eine einkommensrelevante Verbindung (Vereinbarung iiber eine Pramie, bei der Erreichung bestimmter Ziele) der Mitarbeitergruppen soil

134 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

i" die Zusammenarbeit fordern, Bei gemeinsamer Zielerreichung (iibergeordnetes Ziel) wird eine ge-meinsame Pramie ausgeschiittet.

» den Mitarbeitern das gemeinsame Unternehmensziel bewusst machen. Es wird fiir die Betroffenen deutlich, dass neben den Einzelzielen und Einzelinteressen ein Gesamtinteresse des Unternehmens existiert.

Die gemeinsame Zielfesdegung sollte an der Schnittstelle stattfinden, wo in der Zielhierarchie (von oben nach unten) erstmalig die gemeinsame Zielsetzung in Einzelziele abweicht. Diese Schnittstelle muss unterneh-mensindividuell identifiziert werden. Die monetare Verkniipfung von Interessen beider Bereiche stellt jedoch nur eine flankierende Mafinahme dar. Es kann die strukturierte Zusammenfiihrung der Mitarbeiter nicht er-setzen, denn sonst streichen die betroffenen Mitarbeiter bei Zielerreichung das Geld ein, wissen zwar auch um die unternehmensweite Zielsetzung, Meinungen und Einstellungen aber andern sich dadurch nicht.

Erst wenn in den sozialen Bereichen Mafinahmen etabliert sind und Verstandnis fiireinander geschaffen wurde, kann die monetare Verbin-dung den Prozess positiv beeinflussen, noch mehr Schwung in die Zu­sammenarbeit bringen und den Ehrgeiz fordern.

Konflikte zwischen Vertriebs- und ServiceauBendienst

Beschaftigt ein Anbieter neben dem Vertrieb auch eine Serviceorganisa-tion, da die zu vertreibenden Produkte zur Aufrechterhaltung der Leis-tung und Eigenschaften Serviceleistungen erfordern (z. B. bei Druck-maschinen, Computern, Kopierern, Telefonanlagen, Netzwerken, usw.), existieren eine Reihe weiterer Konfliktpotenziale.

Mogliche Ursachen

Die haufigsten Konfliktursachen sind:

t die unterschiedlichen Interessenlagen und Beweggriinde (Befiirchtun-gen) der Mitarbeiter

*» das Ressortdenken '•$ Phanomene der Verallgemeinerung

Die Klippen des Tagesgeschafts erfolgreich umschiffen 135

Die Verkniipfung zwischen Vertrieb und Service ist sehr eng. Der iibliche Verkniipfungsprozess lasst sich wie folgt darstellen:

Abbildung 18: Schnittstelle zwischen Vertrieb und Service

Haufig entsteht der Grundkonflikt bereits im Prozess der Geschaftsan-bahnung. Dabei kommt es vor, dass der Vertriebsmitarbeiter - aus der Befiirchtung heraus, den Auftrag nicht zu erhalten - dem Kunden tech-nische oder serviceseitige Leistungen zusagt, die an der Grenze des Machbaren liegen oder diese sogar iiberschreiten. Dieser Vorgang wird als „Uberverkaufen" bezeichnet.

Im Serviceprozess der Installation und Aufrechterhaltung der Leistung (Serviceeinsatze) wird der Servicetechniker nun mit der durch den Uberverkauf ausgelosten Erwartungshaltung des Kunden konfrontiert und muss nun dem Kunden „irgendwie" beibringen, dass die Leistung nicht wie in Aussicht gestellt zu erbringen ist. Das macht keinen Spal?: der Servicetechniker muss sich mit der Enttauschung des Kunden aus-einander setzen. Womoglich denkt der Kunde noch, dass der Techniker nicht qualifiziert genug sei und nur versucht sich herauszureden ... Im Ergebnis kommt es zum Streit zwischen Service und Vertrieb.

In diesem Moment tritt haufig das Phanomen der Verallgemeinerung ein, bei dem der Einzelfall als reprasentativ fiir das allgemeine Verhal-ten angesehen wird.

136 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

„)Nas haben die denn noch alles versprochen?", denkt sich der

Techniker, „Der Vertrieb verspricht dem Kunden immer unmoglh

che Dinge, die wir dann ausbaden miissen."

Dieses Phanomen fiihrt dazu, dass der Service bei Anfragen des Ver-triebs nach technischen Moglichkeiten, die sich an der Grenze des Machbaren bewegen, eher dazu neigt, die Mogiichkeit zu verneinen -letztlich um sich abzusichern und zu schiitzen. Dieses alizu verstand-iiche Verhahen fordert das Ressortdenken auf beiden Seiten und ver-hindert Prozesse des gemeinsamen Suchens nach Problemlosungen. Nun ist die Veraligemeinerung auf Seiten des Vertriebs „am Zuge":

„Der Service biockt aber auch alles ab, das sind ja richtige Auf-tragsverhinderer."

Befiirchtungen (Angste), Verailgemeinerungsphanomene und Ressort­denken biiden die Hauptursachen fiir Konflikte zwischen Vertrieb und Service.

Losungsansdtze

Um diesen Konflikten entgegenw^irken zu konnen, sie zu beseitigen oder einzudammen, haben sich folgende MaSnahmen bew^ahrt:

p RegelmaBige Gesprache zwischen Verkaufsleitung und Serviceleitung auf alien Ebenen Ziel der Gesprache ist die konkrete Abstimmung der Vorgehensweise im Zieimarkt und die Festlegung von individuellen Regeln bezogen auf einzelne Kundensituationen. Die Ergebnisse v^erden in beiden Bereichen kommuniziert.

p Konkrete Konfliktfalle „auf den Tisch"

Ziel ist, der Gefahr von Veraligemeinerung entgegenzuwrirken, nicht einzelne Mitarbeiter an den Pranger zu stellen oder in die Enge zu treiben. Dieser Prozess ist heikel aber notw^endig, da negative Ver-allgemeinerungen schadlich und hemmend fiir die Zusammenarbeit sind. Die Darstellung von konkreten Fallen macht den Betroffenen bewusst, dass es sich um Einzelfalle handelt. Kommt es bei einzel-

Die Klippen des Tagesgeschafts erfolgreich umschiffen 137

'

nen Vertriebsmitarbeitern zu Wiederholungen, dann sind Korrek-turmaSnahmen in ihrem Verhalten notwendig. Diese zu ergreifen, liegt jedoch in der Verantwortung der Vertriebsfiihrung.

Gemeinsame Veranstaltungen - „Veitrieb ladt den Service ein" Fiir die Verbesserung der Zusammenarbeit ist es forderlich, wenn das Vertriebsteam das Serviceteam zu einer gemeinsamen Veranstaitung einladt (z.B. Tagesausflug oder Einladung zum Weihnachtsessen). Es empfiehlt sich, dass der Vertrieb die Veranstaitung plant und bezahlt. Der Vertrieb ist normalerweise durch die Teilnahme an Incentives an Wertschatzung durch das Unternehmen gewohnt und kennt die sozia-len Vorziige und Motivationseffekte. Der Service erfahrt derartige Wertschatzung in der Kegel viel seltener. Umso hoher ist die Wirkung, w enn Vertriebsmitarbeiter ihren ServicekoUegen eine personliche Wert­schatzung zukommen lassen. Veranstaltungen dieser Art bewirken manchmal kleine Wunder. Bei der Ausgestaltung dieses individuell ge-planten „Ersatz-Incentive" sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt.

Konflikt zwischen Vertrieb und Marketing

Hauptursache des Konflikts zwischen Vertriebs- und Marketingabtei-lung bilden fachliche Akzeptanzprobleme.

„... die mogen ja etwas von der Prospekterstellung verstehen, vom Vertrieb allerdings haben sie keine Ahnung..."

Die Vertriebsmitarbeiter unterstellen haufig den Kollegen aus der Marketingabteilung den fehlenden Bezug zum tatsachlichen Kunden-und Lieferantengeschehen. Marketing-Mafinahmen, sofern sie den Vertrieb direkt betreffen, werden als Mafinahmen aufgefasst, die am „grlinen Tisch" erarbeitet worden und damit fiir die Praxis untauglich sind. Folglich v^erden sie nicht akzeptiert, nicht ernst genommen mit der Konsequenz, dass sie oftmals von vornherein zum Scheitern verur-teilt sind.

Ebenso ist w ahr, dass manche Marketingmitarbeiter, sofern sie selbst keine einschlagige Vertriebserfahrung haben, dem Vertriebsmitarbeiter skeptisch gegeniiberstehen, oder ihm unterstellen, von Marketing nichts zu verstehen.

138 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

Beide Bereiche nehmen jeweils for sich in Anspruch, von der Sache am meisten zu verstehen. Diese konkurrierende Haltung schiirt die Konflikte.

Die gute Zusammenarbeit zwischen Vertrieb und Marketing ist aber fiir den Unternehmenserfolg unerlasslich, denn letztlich hat der Ver­trieb die Aufgabe, einen erheblichen Teil der Marketing-Mal?nahmen umzusetzen. Akzeptiert der Vertrieb die Marketing-Abteilung nicht, dann akzeptiert er wahrscheinlich auch die MaSnahmen nicht.

Folgende Losungsansatze haben eine Chance, das Konfliktpotenzial zu reduzieren:

F Einsatz von Mitarbeitern mit einschlagiger Vertriebserfahrung im Marketing

Im HinbUck auf die Konfliktsituation ist es sinnvoU, wenn Mitar-beiter for die Marketingabteilung aus der Vertriebsmannschaft re-krutiert werden. Dies gilt natiirhch nur for Positionen, bei denen es hinsichtUch Aufgabenstellung nutzbringend und moglich ist. Die fachlichen Akzeptanzprobleme konnen dadurch weitestgehend aus-geschiossen werden.

'*' RegelmaBige gemeinsame Aktionen im Vertriebsfeld

Es gibt eine Reihe von Anlassen, die es erforderHch machen konnen, dass Marketing-Mitarbeiter und Vertriebsmitarbeiter konkret zu-sammenarbeiten, bzw. es ermoglichen, dass Marketing-Mitarbeiter Vertriebsmitarbeiter vor Ort begleiten.

Dazu zahlen:

* Produkteinfohrungen * SchulungsmaSnahmen des Vertriebs * Gemeinsame Kundenbesuche * Meetings (um Losungen und Strategien gemeinsam zu erarbeiten) * Bildung von zeitHch begrenzten Projekt-Teams (task force)

RegelmaSige Aktionen miissen geplant, strukturiert und von der Vertriebs- und Marketingleitung initiiert werden, da sonst das Risi-ko besteht, nur einmaUge Aktionen zu lancieren, die ohne den ge-wiinschten nachhaltigen Effekt bleiben. Anschliefend dominiert wieder das Tagesgeschaft und Folgeaktionen bleiben aufgrund von Zeitknappheit aus.

Die Klippen des Tagesgeschafts erfolgreich umschiffen 139

Es wird viel erreicht und es bringt eine Organisation insgesamt ein Stiick weiter, wenn man sich den offensichtlichen Konflikten nahert, diese ins Blickfeld des Management-Prozesses riickt und MaSnahmen tatsachlich umsetzt. Das Betriebsklima verbessert sich, die Zusammen-arbeit macht mehr SpaS, die Wirkung nach aufien, zum Kunden, ver­bessert sich und die Mitarbeiterzufriedenheit steigt.

Wenn Sie mit einer Tatigkeit im AuSendienst beginnen, werden Sie im Tagesgeschaft zwangslaufig mit Konflikten konfrontiert. Versuchen Sie, herauszufinden, welche Ursachen fiir den Konflikt verantwortlich sind. Gehen Sie konstruktiv mit der Konfliktsituation um. Lasst es Ihr Hand-lungsspielraum zu, Losungen herbeizufiihren? Dann nutzen Sie ihn!

Wenn Konflikte Sie in der Ausiibung Ihrer Tatigkeit einschranken, be-lasten und Sie die Konflikte auch nicht selbstandig eindammen konnen, sprechen Sie Ihren Vorgesetzten darauf an. Ihr Vorteil hegt darin, dass Sie noch nicht „betriebsbiind" sind und Sie dadurch womoghch Zusammenhange und Losungsansatze sehen, die den Kollegen oder Vorgesetzten nicht (mehr) zugangiich sind. Machen Sie Vorschlage zur Verbesserung. Bedenken Sie dabei, dass jeder konstruktive Hinweis zur Verbesserung der Ablaufe durch Eindammung von Konflikten ein sehr wertvoller Beitrag fiir das Unternehmen ist. Ihre Anteilnahme signaU-siert Ihrem Vorgesetzten zudem auch Ihr personhches Engagement.

140 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

O Der SchliJssel fur die erfolgreiche Konfliktbe- und -verarbeitung liegt im planmaSigen und strukturierten Prozess, die Betroffenen regelmaBig zusammenzubringen.

O Ein weiterer Schlussel als flankierende MaBnahme ist die ein-kommensreievante Verknupfung der Betroffenen durch gemein-same Zielsetzung und Belohnung.

O Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass man alle Konflikte unter Kontrolle behalten kann, dazu ist eine Organisation vie! zu kom-plex und die Interessenlagen sind vielfaltig und vor allem nicht immer eindeutig identifizierbar.

Erfolgsstrategien fur den einzelnen Vertriebsmitarbeiter

Neben dem personlichen Einsatz des Vertriebsmitarbeiters wird der Verkaufserfolg natiirlich auch von anderen Faktoren beeinflusst. Dazu zahlen unter anderem die Angebotsleistung, die Preisstellung, das Image des Anbieters, das Umfeld der Wettbewerber und deren Leistungsum-fang, das Marktumfeld, Trainings-, Coaching- und Weiterbildungs-maSnahmen sowie die Marketing-Aktivitaten.

Letztlich wird der Verkaufserfolg iiberwiegend durch den Vertriebsmit­arbeiter selbst herbeigefiihrt. Deshalb ist die Schaffung von personU-chen „Wettbewerbsvorteilen" sowie die Anwendung von gezielten und ausgewahhen Erfolgsstrategien fiir den einzelnen aufierst nutzbringend.

Die folgenden Abschnitte beschreiben Erfolgsstrategien und -konzepte sowohl fiir Berufseinsteiger im Vertrieb als auch fiir „alte Hasen" mit einschlagigen Vertriebserfahrungen. Mir geht es darum, Ihnen prakti-kable und wirkungsvoUe Vertriebsmethoden und -vorgehensweisen auf-zuzeigen, die Sie sofort umsetzen und anwenden konnen. Sie stellen keinen Ersatz fiir TrainingsmaSnahmen dar. Die Verbesserung einzelner Fahigkeiten (z. B. Telefonverhalten oder Gesprachsfiihrung) sollten im Rahmen von TrainingsmaEnahmen vermittelt werden.

Vertriebs-Junioren stellen sich zu Beginn ihrer Tatigkeit meistens Fra-gen wie: Was kommt da auf mich zu? Wie gehe ich es am besten an? Was soUte ich tun, was besser nicht? Was kann ich als „Unternehmer" im eigenen Verkaufsbezirk erreichen? Warum habe ich den Auftrag

Erfolgsstrategien fur den einzelnen Vertriebsmitarbeiter 141

nicht erhalten, woran lag es? Gibt es nur eine richtige Vorgehensweise? Das Dilemma fur den Einsteiger besteht darin, dass er noch nicht auf Erfahrungen zuriickgreifen und nur schlecht einschatzen kann, was gut funktioniert oder was er besser sein lassen soUte.

Es empfiehlt sich, einige allgemeine Grundsatze zu beachten und unterschiedliche erprobte Methoden anzuwenden und fiir sich person-lich auszutesten: Was liegt mir mehr? Wie soUte ich die Methode aus-gestalten? Die Unterstiitzung des Anfangers durch den Coach (Fiihrungskraft, Trainer und Mentor) ist dabei unerlasslich.

Ihr personlicher Verkaufsstil und Ihre individuelle Ausgestaltung bei der Anwendung von Verkaufsstrategien entwickelt sich in Regel erst nach einigen Jahren Berufserfahrung im Vertrieb. Am Anfang steht der per-sonliche Stil nicht im Vordergrund, sondern wirklich entscheidend ist vielmehr, dass Sic einen guten und Erfolg versprechenden Einstieg finden.

Die personliche Differenzierung als Basiserfolgsfaktor

Seien Sie anders H alsandere!

Neben der Vielzahl an sachlichen Rahmenbedingungen wie der syste-matischen Vertriebssteuerung, der Festlegung von Verkaufszielen, dem Leistungsangebot des Unternehmens und der Marktsituation geht es bei der personlichen Differenzierung darum, herauszufinden, welche Moglichkeiten der Einzelne hat, seinen Erfolg zu beeinflussen. Was passt zur eigenen Personlichkeit? Was muss ich im Umgang mit Kunden beachten? Was hilft mir, mich positiv vom Wettbewerb abzuheben? Welche Voraussetzungen sollte ich mir schaffen?

Was auf der Unternehmensebene fiir die Differenzierung als Marketing-Grundsatz gilt, ist ebenso auf den einzelnen Vertriebsmitarbeiter iiber-tragbar. Eine fiir den Kunden positive Unterscheidung (Differenzie­rung) der Leistung eines Unternehmens zu der des Mitanbieters kann einen starken Wettbewerbsvorteil darstellen. Diese Leitidee des Marke­ting kann auch bei der personlichen Vorgehensweise im Vertrieb einge-setzt werden. In der konkreten Verhandlungssituation bringt die per­sonliche Differenzierung ebenfalls Wettbewerbsvorteile.

142 Das Tagesgeschaft des Vertriebstnitarbeiters

Abbildung 19: Die Ubertragung der Differenzierungsstrategie auf die Ebene des

Vertriebsmitarbeiters

Abbildung 19 verdeutlicht Ihnen schematisch die Ubertragung der Differenzierung von der Unternehmensebene auf die Ebene des Ver­triebsmitarbeiters.

Der Kunde, der eine Investitionsgiiterentscheidung treffen muss, sucht wahrend der Vorvertragsphase nach Kriterien, die seine letztliche Ent-scheidung begriinden und eventuell rechtfertigen. Dabei beurteilt der Kunde auch die personliche Vorgehensweise des Vertriebsmitarbeiters, denn er vertritt und reprasentiert die Gesamtleistung des Unterneh-mens: er bahnt an, fiihrt Erstgesprache, analysiert den Bedarf, prasen-tiert die Leistung, erarbeitet das Angebot und fiihrt die Abschlussver-handlungen. Nicht sehen wird der Vertriebsmitarbeiter aus Sicht des Kunden mit dem Anbieterunternehmen selbst gleichgesetzt, der Ver-

Erfolgsstrategien fur den einzelnen Vertriebsmitarbeiter 143

triebsmitarbeiter „ist" die Firma. Die positive personliche Differenzie-rung des Vertriebsmitarbeiters ist von besonderer Wichtigkeit.

Prinzipiell ist eine Vielzahl von Differenzierungsmogiichkeiten, die der Vertriebsmitarbeiter identifizieren und ausgestaiten kann, denkbar. Sie soUten jedoch einigen Kriterien standhalten, damit die mit ihnen beab-sichtigte Wirkung sichergestellt wird:

# Die Differenzierung soUte sich vom allgemeinen Mitbewerbsverhal-ten unterscheiden.

« Die Differenzierung muss vom Kunden positiv wahrgenommen wer-den konnen.

• Die Differenzierung muss vom Kunden als nutzbringend erachtet w^erden (der Kunde hat etwas von der Differenzierung).

* Die Differenzierung muss zum Vertriebsmitarbeiter passen und somit authentisch sein.

» Die Differenzierung soUte ohne grol?ere Anstrengungen und person­liche Verstellung fiir den Vertriebsmitarbeiter „kultivierbar" sein.

Personhche Eigenschaften und Talente des Vertriebsmitarbeiters bieten eine erste Basis fiir die Entwicklung personHcher Differenzierungsstra-tegien. Um diese besonderen Eigenschaften und Talente herauszufin-den, empfiehlt es sich im ersten Schritt, sich selbst zu beobachten, Kol-legen und Freunde nach seinen besonderen Eigenschaften und Konnen zu befragen, sich Feedback geben zu lassen. Dabei sollten auch den ver-meintlich alltaglichen Eigenschaften Beachtung geschenkt werden. Gleichen Sie die so ermittelten Eigenschaften und Talente anschlieEend mit den oben genannten Kriterien ab.

Sagt man Ihnen beispielsweise nach, dass Sie eine sehr angenehme Telefonstimme haben? Wirken Sie besonders series auf andere? Konnen Sie Sachverhalte, z. B. eine Bedarfsanalyse Ihres Kunden, schnell zu Papier bringen? Sind Sie ausgesprochen hilfsbereit? Sind Sie besonders genau bei der Erledigung von Aufgabenstellungen? Haben Sie immer wieder neue Ideen und Ansichten?

144 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

Differenzierung kann sehr einfach sein - drei Beispiele

Einfache Differenzierungsmoglichkeiten bestehen im taglichen Mitein-ander von Menschen. Die Differenzierung kann oft schon alleine da-durch entstehen, dass man sich an die normalen Regeln des Umgangs halt und diesen besondere Beachtung schenkt. Dies gilt z. B. fiir die Ein-haitung von Vereinbarungen im Ailgemeinen sowie fiir die Erflillung normaier Erv^artungshaitungen von Menschen.

Beispiel 1: Punktlichkeit

„Das ist klasse, Sie sind ja piinktlichl", bemerkte der Kunde zufrieden.

Eigentlich ist es eine Selbstverstandlichkeit, piinktlich zu erscheinen. Der Piinktiichkeit v ird aber haufig w enig Beachtung geschenkt. „Wo ist denn das Problem, w enn ich eine Viertelstunde spater erscheine?" Vertriebsmitarbeiter, denen es geUngt, piinktHch zu sein, Fahrtzeiten richtig einschatzen zu konnen, haben sich schon positiv differenziert, denn aufgrund der aktueil zunehmenden Verschlechterung der Ver-kehrssituation, der zunehmenden Uberlastung von Autobahnen, haben die Kunden gelernt oder sich gezv^ungener Mafien daran gew^ohnt, dass die „akademische Viertelstunde" vom Besucher haufiger in Anspruch genommen w ird.

Oftmals ist der Kunde bei Verspatungen nicht w irklich argerlich, aber genervt, denn es kommt zu nicht geplanten Verzogerungen im w^eite-ren Verlauf seines Tagesgeschaftes. Der Vertriebsmitarbeiter kann sich durch immer v^ieder piinktliches Erscheinen positiv differenzie-ren. Dabei entfallen dann auch die lastigen Rechtfertigungen vor dem Kunden.

Der Kunde nimmt die Punktlichkeit im Vergleich zum durchschnittli-chen Verhalten seiner Besucher positiv w ahr, er kann sich auf die Termine mit diesem Vertriebsmitarbeiter verlassen, kann die geplante Gesprachszeit ausnutzen. Der Vertriebsmitarbeiter w irkt und ist letzt-lich in seiner Vorgehensweise absolut verlasslich fiir den Kunden. Diese Verlasslichkeit v ird der Kunde hochstw^ahrscheinlich auch auf die Seriositat der Beratung, auf die Einhaltung von Zusagen oder

Erfolgsstrategien fur den einzelnen Vertriebsmitarbeiter 145

Nebenabreden, also auf die Gesamtleistung des Anbieters iibertragen. Der Vertriebsmitarbeiter „ist" die Firma.

Ebenso signalisiert das piinktliche Erscheinen dem Kunden, dass er fiir den Vertriebsmitarbeiter wichtig ist. Die Piinktlichkeit ist also ein Mittel, um dem Kunden Wertschatzung und Anerkennung entgegenzubringen. Die Verhandlungen und Gesprache haben jedes Mai einen guten Start.

Standige Verspatungen hingegen empfindet der Kunde als wertschat-zungsmindernd. Die Ansage des Vertriebsmitarbeiters „Es tut mir leid, dass ich zu spat komme, aber beim letzten Kunden hatte ich ein wich-tiges Abschlussgesprach..." ist unter diesem Blickwinkel eine Katas-trophe.

Beispiel 2: Einhaltung von Zusagen

„Auf den ist Verlassl", dachte sich der Kunde, als der Vertriebs-beauftragte zum vereinbarten Zeitpunkt anrief, um sich nach dem Fortgang der Entscheidung zu eriiundigen.

Mit dem Kunden den nachsten Schritt im Verkaufsprozess festzulegen, gehort zu den Grundregeln des aktiven Verkaufs. Damit verbunden sind Zusagen des Vertriebsmitarbeiters gegeniiber dem Kunden, z. B. die Ubersendung von weiter gehenden Informationen zum Leistungs-umfang, die Ubermittlung eines Angebotes oder die Vereinbarung eines Anruftermins, um dem Kunden eine im Verkaufsgesprach offen geblie-bene Antwort zu geben.

Die strikte Einhaltung von Zusagen signalisiert dem Kunden Zuverlas-sigkeit. Der Vertriebsmitarbeiter soUte vor der Erteilung seiner Zusage priifen, ob er diese wirklich einhalten kann.

Die schnelle Zusage, „... Sie bekommen das Angebot Anfang nachster Woche ..." in der Gew issheit oder anschliefienden Feststellung, dies gar nicht schaffen zu konnen, wirkt sich negativ auf die Beziehungsebene aus. Vor allem dann, wenn der Kunde am Ende der kommenden Woche anruft und bemerkt, dass er immer noch auf das Angebot v^artet. Besser ist, dem Kunden zu sagen, dass man es vor Ende nachster Woche nicht schafft, dann aber tatsachlich das Angebot einreicht.

146 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

Beispiel 3: VoUstandigkeit von Unterlagen

„Jetzt verstehe ich, warum Sie m'lt dieser Riesentasche zu mir kommen, Sie haben ja alias dabeL Dadurch konnen wir Zelt spa-ran", sagte der Kunde dem Vertriebsmitarbeiter

Jeder Kundenbesuch muss professionell vorbereitet werden. Dies be-zieht sich nicht nur auf die mentale Vorbereitung sondern auch auf praktische Aspekte wie Unterlagen, Prospekte, Preisliste, Taschenrech-ner, Auswertungen iiber die aktuelle Vertragssituation des Kunden, die Zusammenfassung der Gesprachsinhalte vorhergehender Gesprache mit sich zu fiihren und gegebenenfalls griffbereit zu halten.

Bei einem vielfaltigen Leistungsumfang eines Anbieters, der eine ganze Reihe von verschiedenen Unterlagen (Prospekte, usw.) mit sich bringt, bietet es sich fiir den Vertriebsbeauftragten an, stets einen kompletten Bestand dieser Unterlagen im Kofferraum seines Pkws mit sich zu fiihren. So kann er jederzeit auf diesen Bestand zuriickgreifen. Dazu gehort regelmaSiges Auffullen und Pflege des Bestandes. Dieser Auf-v^and lohnt sich: Die prompte Bereitstellung von Unterlagen erspart Doppeltermine und Nacharbeiten im Biiro. Das Briefeschreiben bzv . der Postversand entfallt und reduziert somit auch den damit verbunde-nen Aufw^and im Verkaufsprozess, sowohl inhaltlich (man kann mehr Details pro Termin besprechen) als auch zeitlich.

Differenzierung durch Fachkompetenz

„Sie meinen also, dass Ihre Maschine im Vergleich zum Mitbewer-berprodukt 40Prozent weniger Energie verbraucht und dies allein eine Kostenreduzierung von iiber 100 Euro im Monat ausmacht Das ist ein interessanter Aspekt und von hoher Bedeutung fiir unser Haus", sagte der Kunde.

Wissen ist Macht

„Sprechen Sie nicht schlecht iiber Ihren Mitbew^erber!" steht an vor-derster Stelle der Regeln, an die man sich als Vertriebsmitarbeiter hal­ten soUte. Kundenumfragen ergeben dies immer v^ieder. Die Kunden v^iinschen sich offensichtlich, dass der Vertriebsmitarbeiter die Leistung

Erfolgsstrategien fur den einzelnen Vertriebsmitarbeiter 147

seines eigenen Unternehmens positiv in den Vordergrund stellt und nicht die Leistung des Mitbewerbs schlecht darstellt, um die eigene Leis-tung besser erscheinen zu lassen. Diese Kegel soUte nicht verletzt werden.

Andererseits ist es so, dass der Kunde in seinem Entscheidungs-findungsprozess darauf angewiesen ist, eine moglichst objektive Ver-gleichbarkeit der Leistung herbeizufiihren, um die auf die Zukunft gerichtete Investitionsentscheidung aus seiner Sicht richtig treffen zu konnen. Dabei ist die Zeit des Kunden in der Regei knapp bemessen. Das scheint mit ein Grund dafiir zu sein, dass Kunden mit der Bera-tungsleistung nicht immer zufrieden sind. Sie kritisieren dabei das nicht ausreichende Fachwissen der Anbieter iiber die eigene und die Mitbe-werberieistung. Dies iasst den Schluss zu, dass Kunden zwar einerseits das „Schlechtmachen" des Mitbewerbers ablehnen und nicht wiin-schen, gleichzeitig aber doch wissen mochten wie der Vertriebsmit-arbeiter die eigene Leistung im Vergleich zum Mitbewerb einschatzt.

Das umfassende Wissen iiber die objektiven Eigenschaften der eigenen Leistung sowie der Leistung der Mitbewerber kann somit auch zur positiven Differenzierung genutzt werden. Hohes fachUches Know-how steigert die Kompetenzwirkung und schafft beim Kunden in erheb-Hchem MaSe Vertrauen.

Die fundierten Kenntnisse und die objektive Darstellung der eigenen Leistung im Vergleich zum Mitbewerb wirkt dann auch nicht mehr als „Schlechtmachen" und schafft gleichzeitig Freiraum, um die eigene Leistung besser abgrenzen zu konnen. Das Wissen um die Schwach-stellen des Mitbewerbs verbunden mit den AUeinstellungsmerkmalen der eigenen Leistung bilden eine optimale Ausgangsbasis fur erfolg-reiche Verkaufsgesprache. Fiir den Vertriebsmitarbeiter wird es also wichtig, nicht nur die eigene Leistung genau zu kennen, sondern sich auch gezielt mit der Leistung des Mitbewerbers (unabhangig von der Marktstellung) auseinander zu setzen. Der Aufwand, sich Wettbewerb-skenntnisse anzueignen wird sich auszahlen. Ungenaue und pauschale Aussagen iiber die Wettbewerbsleistung sind „out" und vom Kunden unerwiinscht.

Ublicherweise wird das Wissen iiber den Wettbewerb im Rahmen der Vertriebsschulung vermittelt. Sollte dies nicht vorgesehen sein, so kann man z. B. Messen zur Informationsbeschaffung nutzen oder Kollegen befragen. Sehr wirkungsvoll ist die Befragung von Kunden. Das setzt

148 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

jedoch eine stabile personliche Beziehung voraus. Eine andere Form der Informationsbeschaffung bietet das Internet. Viele Unternehmen beschreiben auf Ihrer Homepage ihren konkreten Leistungsumfang sehr detailliert. Surfen lohnt sich. Gibt es fiir die Branche Fachzeit-schriften, die Produkt- oder Leistungsvergleiche durchfiihren? Diese sollten zu Ihrer Pflichtlektiire gehoren.

Vergleichen Sie die beschafften Leistungsmerkmaie des Wettbewerbs mit Ihren eigenen. Ergeben sich Unterschiede? Bei welchen Leistungs-merkmaien ist Ihr Unternehmen besser? Welchen Nutzen hat der Kunde von diesem Unterschied?

Differenzierung im Prozess der Produktprasentation

„So, dann wollen wir mal sehen, wie das bei Ihnen klappt, bei Ihrer Konliurrenz war das nicht so toll", bemerkte ein leicht genervter Kunde, nachdem er sich jetzt nochmal einen halben Tag Zeit fiir die nachste Produktprasentation eingeplant hatte.

Zeigen Sie was Sie konnen, uberlassen Sie so wenig wie moglich dem Zufall.

Sofern die Leistung des Anbieters dem Kunden in der Vorvertrags-phase durch eine Produktprasentation vorgefiihrt werden kann oder aufgrund der brancheniiblichen Vorgehensweise vorgefiihrt werden muss, stellt die Vorbereitung und Durchfiihrung einer Prasentation ein Differenzierungspotenzial mit sehr grofier Wirkung (positiv wie negativ) dar.

Nachdem im ersten (in den ersten) Kontaktgesprach(en) das Umfeld des Kunden analysiert und der Bedarf herausgearbeitet worden sind, werden anhand einer Produktprasentation die Leistung und somit die „Losung" in einem Schauraum oder direkt beim Kunden praktisch vorgestellt. Diese Form der Leistungsprasentation ist z. B. typisch fiir die Druckindustrie.

Fiir den Kunden ist die Produktprasentation in zweierlei Hinsicht bedeutsam. Es lasst sich die sachliche von der emotionalen Bedeutung unterscheiden.

Erfolgsstrategien fiir den einzelnen Vertriebsmitarbeiter 149

Abbildung 20: Die Bedeutung der Produktprasentation fur den Kunden

Die sachliche Bedeutung fiir den Kunden beinhaltet

¥ das konkrete Kennenlernen des Leistungsumfangs ... der Kunde sieht, was die Technik kann ...

P die Moglichkeit des Abgleichs der „Losung" mit dem eigenen Bedarfs-umfeld ... Wie wird mein Bedarf durch die Technik abgedeckt? Wie funk-tioniert das genau?

f die Moglichkeit die Leistung mit der Mitbewerberlosung vergleichen zu konnen ...Wie werden die Anforderungen im Vergleich zur Konkurrenz erledigt?

1 eine Preis-Leistungs-Einschatzung ...Welcher Preis scheint aus meiner Sicht angemessen fiir diese Losung?

> anderen Mitarbeitern und an der Entscheidung Betroffene die Leistung zuganglich zu machen ... Der Entscheider stellt den Betroffenen KoUegen eine Losung vor, sie konnen sich gegebenenfalls direkt dazu auSern ...

150 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

Die emotionale Bedeutung fiir den Kunden beinhaltet

P die Moglichkeit, sich an die „Losung" gewohnen zu konnen ... Der Kunde kann sich nun eine Vorstellung machen und die L6-sung gedanklich planen, z. B. kann sich der Bediener einer Druck-maschine vorstellen, wo das Gerat im Drucksaai steht, wie es mit dem Umfeld des Arbeitsplatzes in Einklang zu bringen ist (Grofie, Lautstarke, Design) etc.

i' die Betroffenen fiir eine Losung begeistern zu konnen (internes Verkaufen), ... Der Anwender hat die Moglichkeit, auch den „Kaufmann" zu be­geistern und zu iiberzeugen.

li- die Moglichkeit, zum Produkt eine emotionale Bindung herstellen zu konnen ... die Prasentation schafft den Rahmen fiir eine emotionale Vorent-scheidung. Es flieSen asthetische Gesichtspunkte, Spieltrieb, Profi-lierungsaspekte, die die personliche Praferenz beeinflussen mit in die Entscheidungsfindung ein - „so etwas will ich haben".

Es ist wichtig, dass eine Produktprasentation reibungslos lauft. Zum einen kann man mit einer gelungenen Produktprasentation einen groSen Schritt in Richtung Vertragsabschluss gehen, da die Vorent-scheidung schon oftmals wahrend der Produktprasentation fallt. Eine misslungene Produktprasentation hingegen kann das vorzeitige Aus fiir den Verkaufszyklus bedeuten.

Die Vorbereitung einer Produktprasentation bildet die Grundlage fiir die erfolgreiche Durchfiihrung. Zur professionellen Vorbereitung einer Produktprasentation gehoren:

e die richtige Auswahl des Prasentationsortes (eigener Schauraum oder beim Kunden),

» der einwandfreie technische Zustand der zu prasentierenden Ma-schine oder Leistung,

* die Vorbereitung der Simulation des Kundenbedarfs,

* die Schaffung einer angenehmen Umgebung (Ordnung, Sauberkeit),

* Schaffung einer ansprechenden „Warm-up-Atmosphare" (Bewir-tung, Schreibunterlagen fiir Kunden, Garderobe).

Erfolgsstrategien fiir den einzelnen Vertriebsmitarbeiter 151

Sollte der Vertriebsmitarbeiter die Prasentation selbst durchfiihren, empfiehlt es sich nach Moglichkeit, die Prasentation mindestens einmal kurz vor dem Eintreffen des Kunden zu iiben. In den meisten Investiti-onsgiiterbranchen bildet die Produktprasentation das Herzstiick des Verkaufszyklus. 1st bekannt, dass die Mitbewerberleistung als starker einzuschatzen ist als die eigene Leistung, sollte die eigene Produkt­prasentation erst einige Zeit (wenigstens eine Woche) nach der Mitbe-werberprasentation durchgefiihrt werden.

Damit ist einigermafien sichergestellt, dass die wahrscheinlich anfang-lich hohe Begeisterung des Kunden fiir die Mitbewerberleistung etwas abgeflacht ist und er wieder zuganglich fiir Alternativen ist. In einer solchen Situation kommt der perfekten Vorbereitung nochmals eine hohere Bedeutung zu. Moglicherweise ist beim Mitbewerber nicht alles glatt gegangen und eine perfekte und liberzeugende Prasentation liefert dicke Pluspunkte.

Differenzierung durch kontinuierliche Akquisitionstatigkeit

„Klasse", dachte sich der Vertriebsmitarbeiter, „schon der dritte Abschluss in diesem IVIonat, das sind ISO Prozent Zielerreichung und ich babe immer noch zwei Abschlusscbancen".

Erfolg bringt Erfolg.

Je nach Leistungsumfang und Komplexitat ist die durchschnittliche Dauer eines Verkaufsprozesses (von der Kontaktaufnahme bis zum Entscheidungszeitpunkt) unterschiedlich. Dies konnen Tage bis hin zu Jahren sein. Wahrend die Beschaffung eines neuen Aktenvernichters in wenigen Tagen zu bewerkstelligen ist, benotigt die Beschaffung eines neuen Netzwerkes fiir das Unternehmen mehrere Monate.

Das bedeutet fiir Einsteiger und Vertriebsmitarbeiter, die einen neuen Verkaufsbezirk iibernehmen, dass eventuell eine langere Zeitdauer iiber-briickt werden muss, bis die ersten Entscheidungssituationen eintreten. Die mengen- und zeitmafiige Abschlussfolge entspricht dem Akquisiti-onsverhalten und der Intensitat der Akquisition. Arbeitet ein Vertriebs­mitarbeiter intervallartig, d.h. hohes Arbeitspensum (Intensitat) in der Akquisition wechseln sich mit niedrigem Arbeitspensum ab, so driickt

152 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

sich dies anschlieSend auch in der Erfolgskurve aus. Der Vorteil dieser Arbeitsweise ist, dass man sich nach erfolgter Akquise verstarkt auf die Abarbeitung der Verkaufszyklen konzentrieren kann. Die intervallartige Arbeitsweise erfordert im Vergleich zur konitinierlichen Arbeitsweise jedoch mehr Anstrengung, da es schwierig ist, immer wieder von neuem in Fahrt zu kommen, um seinen Zielmarkt zu aktivieren.

Der Vertriebsmitarbeiter setzt sich dabei immer wieder der Gefahr aus, dass die Anzahl der Abschlusschancen zu niedrig wird und der Ver-kaufserfolg ebenfalls geringer wird oder ausbleibt. Damit wird eine Durststrecke eingelautet, die demotivierend ist. Bei Erfolglosigkeit be-ginnt das Selbstbewusstsein zu leiden. Die Gefahr sich in der Vorge-hensweise zu verkrampfen steigt, der Vertriebsmitarbeiter wird nervos, die vertriebiichen Tatigkeiten geUngen nicht mehr so gut und plotzHch fehlt das Quentchen Gliick.

Um aus diesem Tal wieder herauszukommen, sind erhebiiche Anstren-gungen notwendig. Die erfolglose Zeit muss iiberbriickt werden bis durch Akquisition wieder geniigend (Anzahl) Abschlusschancen erar-beitet worden sind und neue Entscheidungszeitpunkte naher riicken, die Motivation und das Selbstbewusstsein benotigen einen neuen Anschub.

Ein weiterer Nachteil der intervallartigen Arbeitsweise stellt der Um-stand dar, dass in der nahezu akquisefreien Zeit trotzdem Verkaufs­zyklen entstehen und neue Entscheidungen durch Kunden vorbereitet und gefallt werden. Diese werden dann verpasst oder der Vertriebsmit­arbeiter findet nicht den optimalen Einstiegszeitpunkt.

Im Gegensatz zur intervallartigen Akquiseintensitat ist die kontinuier-liche Akquisition dadurch gekennzeichnet, dass der Vertriebsmitarbei­ter mit einer nahezu gleich bleibend hohen Intensitat (zeit- und men-genmaSig) akquiriert und sich somit kontinuierlich neue Verkaufs-chancen erarbeitet. Neben der Akquisitionstatigkeit miissen auch die anderen Bestandteile der Vertriebsarbeit mit nahezu gleicher Intensitat durchgefiihrt werden.

Die kontinuierliche Akquisition hat zur Folge,

» dass der Vertriebsmitarbeiter in Akqulsitionsiibung bleibt und sich stetig verbessert

... der schwierige Wiedereinstieg in die erneute Akquisetatigkeit ent-fallt...

Erfolgsstrategien fiir den einzelnen Vertriebsmitarbeiter 153

P dass die Verkaufserfolge ebenfalls einen kontinuierlichen Verlauf haben ... und somit der Vertriebsmitarbeiter kontinuierlich auf der Er-folgswelle „ reitet"...

I" dass sich der Vertriebsmitarbeiter viel seltener mit Durststrecken aus-einander setzen muss ... und der Vertriebsmitarbeiter und sein Vorgesetzter zufrieden sind ...

> dass die Chance hoch ist, iiberwiegend friihzeitig in die meisten Ver-handlungen einsteigen zu konnen und somit weniger Chancen verpasst warden ... der Vertriebsmitarbeiter verhindert, sich selbst seiner Chancen zu berauben ...

I» dass der Vertriebsmitarbeiter motiviert, gut gelaunt und selbstbewusst auftritt ... und mit seinem Verdienst zufrieden ist...

Bei dieser Vorgehensweise Uegt das „Geheimnis" darin, ein MaS an In-tensitat zu finden, das vom Vertriebsmitarbeiter durchgehalten werden kann. Es macht keinen Sinn, sich zu iiberfordern oder auszupowern.

Ein gutes Messkriterium fiir die Intensitat stellen die Anzahl der Akquise-telefonate, die Anzahl personHcher Erstbesuche bei Interessenten und Neuanbahnungsterminen bei Kunden im Durchschnitt pro Tag (gemes-sen im Monat) dar. Diese Zahlen geben Aufschluss iiber die Hohe der Arbeitsintensitat. Um personUche Einschatzungen (und mogUche Irrtii-mer) auszuschlieSen, sollten die Akquisitionsaktivitaten gemessen wer­den. Die mogliche Zahl der Besuchstermine hangt im WesentUchen von der durchschnitriichen Verweildauer (Gesprachsdauer) beim Kunden sowie von der Bezirksform und Bezirksstruktur (Fahrtzeiten) ab.

Die Anzahl personlicher Besuche lasst auch fundierte Riickschliisse auf andere, die Intensitat bestimmenden Tatigkeiten zu. Die Anzahl der Besuche kann nur zustande kommen, wenn vorher mit hoher Qualitat akquiriert und wenn ausreichend Potenzial identifiziert wurde. Die festzulegende Anzahl personlicher Besuche soUte herausfordernd aber langfristig fiir den Vertriebsmitarbeiter machbar sein.

Die kontinuierliche Akquisetatigkeit stellt hohe Anforderungen an die Selbstdisziplin, bringt jedoch im Vergleich mit der intervallartigen oder mit anderen Vorgehensweisen eine deutlich bessere Erfolgswahrschein-

154 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

lichkeit mit sich. Erstellen Sie sich einen Akquisitionsplan, entwickeln Sie eine Akquisitionsstrategie, die einen Mengen- und Zeitbezug hat. Der Abschnitt „Bestimmung der vorvertraglichen Erfolgsfaktoren" auf Seite 96, liefert Ihnen niitzliche Hinweise fiir Ihren Akquisitionsplan.

Differenzierung im Prozess der Zielmarktbearbeitung

„Uns ist klar, dass wir fiir die meisten Anbieter nicht interessant genug sind", gab der Kunde zu verstehen, „umso besser dass Sie uns anrufen, denn wir haben lionltreten Bedarf an Ihren Losungen."

Versuchen Sie, alle zu erwischen!

Eine der Hauptaufgaben des Vertriebs besteht darin, zu verstehen, welche Vorgehensweise und Form der Marktbearbeitung die beste ist. Der Zielmarkt kann auf verschiedene Art und Weise aufgeteilt und bearbeitet werden. Zu den gangigsten Formen zahlt die Aufteiiung des Zielmarktes nach

^ Branchen (Behorden, GroSindustrie, Mittelstand, Einzelkunden),

> nach Produktgruppen,

- nach Kundenarten (Neukunde, Bestandskunde, Grofikunde, Stan-dardkunde).

Die Form der Zielmarktbearbeitung wird aus Sicht des vertreibenden Unternehmens haufig an der Vertriebsstruktur ausgerichtet. Dabei gibt es die vertrieblichen Grundformen des Vertriebsmitarbeiters als

^ Generalisten (er vertreibt das gesamte Leistungsangebot) oder

^ Spezialisten (er hat sich auf eine Teilgruppe des Leistungsangebotes spezialisiert).

In dieser Hinsicht haben Unternehmen schon vieles ausprobiert und miteinander kombiniert. Wahrscheinlich gibt es nicht die beste Vorge­hensweise, sondern die Entscheidung, wie Zielmarkte eingeteilt und wie diese zu bearbeiten sind, ist im Wesentlichen von der aktuellen Marktsituation, von der Marktdynamik und von den Entwicklungs-

Erfolgsstrategien fur den einzelnen Vertriebsmitarbeiter 155

vorstellungen (Unternehmensperspektive) abhangig. Die Form der Marktbearbeitung muss also standig iiberpriift und den neuesten Marktgegebenheiten angepasst werden.

Im Folgenden wird die „klassische Vertriebssituation" erortert, bei der ein Vertriebsmitarbeiter als Generalist einen geographischen Verkaufs-bezirk iibernommen hat und vor der Grundsatzfrage der wirkungsvolls-ten Bearbeitung seines Zielmarktes steht.

Die branchenorientierte Vorgehensweise (als Spezialisierung) stellt in diesem Fall eine sehr wirkungsvoUe Form der Marktbearbeitung dar. Der Vertriebsmitarbeiter fasst im Rahmen der Akquisitionstatigkeit eine bestimmte Branche oder Kundengruppe ins Auge und bearbeitet diese gezielt (z. B. alle Behorden im zugeordneten Verkaufsbezirk, alle Versicherungen, usw.). Der Vorteil der branchenorientierten Vorge­hensweise liegt darin, dass der Vertriebsmitarbeiter jeweils auf ein ahn-lich gelagertes Bedarfsumfeld, auf ahnliches Einkaufsverhalten und auf ahnliche Anforderungen bei seinen Kunden trifft.

Dies fiihrt dazu, dass der Vertriebsmitarbeiter in seiner Argumentation sicherer wird, da er innerhalb dieser gezielten Marktbearbeitung immer wieder auf vergleichbare Situationen stoSt. Er kann seine Beratungs-kompetenz ziigig steigern, er spricht mehr und mehr die Sprache der Branche oder der Kundengruppe. Dies versetzt ihn in eine immer besser werdende Verhandlungssituation, da sie ihm zunehmend vertrauter wird.

Werden die ersten Erfolge in der Branche erzielt, hat der Vertriebsmit­arbeiter die Moglichkeit, das schon einmal oder mehrfach erfolgreiche Losungskonzept auf andere Kunden zu iibertragen. Dariiber hinaus hat der Vertriebsmitarbeiter jetzt die Moglichkeit, Referenzen in dieser Kundengruppe vorzuweisen. Die Kundenreferenz beweist dem Interes-senten, dass die Losung des Anbieters einsetzbar und sinnvoll ist. Vor-handene Referenzen haben eine sehr hohe Bedeutung, haufig sind sie fiir die Entscheidung ausschlaggebend. Sie verschaffen dem Kunden Sicherheit fiir die Richtigkeit seiner Entscheidung.

Bei der branchenorientierten Vorgehensweise kann der Vertriebsmitar­beiter vor dem Problem stehen, die identifizierte Branche sinnvoll aufzu-teilen, vor allem dann, wenn sie sehr umfassend ist. In diesem Fall muss er die Branche in einem nachsten Schritt ein weiteres Mai segmentieren.

156 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

1st z. B. der Bereich Behorden ein lohnender Zielmarkt, kann ein Ver-triebsmitarbeiter mit den Kreisverwaltungen beginnen, dann die Stadt-verwaltungen bearbeiten und anschliefiend die Gemeindeverwaltungen. Es soUte stets eine Systematik erkennbar sein, denn nur so ist gewahr-ieistet, dass alle in Frage kommenden potenziellen Kunden akquiriert werden.

Wenn der Vertriebsmitarbeiter nicht nach einem strukturierten Markt-bearbeitungsplan vorgeht, lauft er Gefahr, dass er seinen Verkaufsbe-zirk nach personlichen Kriterien - aufgrund von Erfahrungen oder eher zufallig - segmentiert. Er stellt sich z. B. die Frage, „Bei wem kann ich am schnellsten den hochsten Umsatz erzielen?". Gemeinhin nennt sich diese Vorgehensweise „Rosinen-Picking". Diese Vorgehensweise schHefit jedoch auch den mogHchen Irrtum mit ein. Mit dieser Vorgehensweise verbaut sich der Vertriebsmitarbeiter die Chance, jeden potenziellen Kunden hinsichtlich der moglichen Abschliisse einzuschatzen. Die Praxis zeigt, dass potenzielle Kunden, die durch das Raster der person-lichen Bewertung fallen, trotzdem Verkaufspotenzial darstellen. Bei ei-ner VoUerhebung wiirde dieser Kunde „entdeckt" werden, bei der an-deren Vorgehensweise nicht. Es ist also immer empfehlenswert, den Markt in systematischer und strukturierter Weise zu bearbeiten.

Die VoUerhebung (Teilsegmente einer Branche), der Versuch alle zu er-wischen, lasst es zu, alle vorhandenen Chancen auszuloten und auch die-jenigen Kunden zu erreichen, die sonst durch ein personliches Einschat-zungsraster des Vertriebsmitarbeiters, aber auch moglicherweise durch das personliche Raster des Mitbewerberverkaufers, fallen wiirden.

Wenn Sie also die Zielmarktbearbeitung optimieren woUen,

* machen Sie sich Ihre Vertriebsstruktur im Unternehmen und die Vor-gaben zur Marktbearbeitung bewusst,

* iiberlegen Sie dann, wie Sie diese systematisch erweitern bzw. ergan-zen konnen,

* fragen Sie Ihren Vorgesetzten, ob er mit Ihnen gemeinsam einen Marktbearbeitungsplan erarbeiten kann.

* Analysieren Sie Ihren Verkaufsbezirk: Wie viel Kunden haben Sie? Wie viel Interessenten haben Sie? Welche Marktsegmente dominie-ren Ihren Verkaufsbezirk?

Erfolgsstrategien fur den einzelnen Vertriebsmitarbeiter 157

Differenzierung im Beziehungsmanagement

„Das istja auRergewohnlich, Sie besuchen mich ja auch, obwohl Sie derzeit kein Geschaft mit uns machen konnen".

Jeder Besuch wird sich lohnen.

Kern dieser Differenzierungsstrategie bilden Aktionen, die vom Kunden als personliche Wertschatzung empfunden werden konnen. Der Kunde soil sich ernst genommen, als wichtig fiir den Vertriebsmitarbeiter fiihlen konnen und auch sein. Hauptziel dieser Strategie ist, die Bezie-hungsebene zwischen dem Vertriebsmitarbeiter und dem Kunden stetig zu verbessern sowie das gegenseitige Vertrauensverhaltnis zu vertiefen. Ein weiteres Ziel ist, standig iiber das Geschehen beim Kunden infor-miert zu sein, urn friihzeitig neue Verkaufschancen erkennen zu konnen. Auf diese Weise erreicht der Vertriebsmitarbeiter eine optimale Aus-gangsposition fiir die Anbahnung neuer und zusatzlicher Geschafte.

Bei dieser MaSnahme ist zu beriicksichtigen, dass die Einzelaktionen authentisch und zum personlichen Stil des Vertriebsmitarbeiters passen miissen. Heuchelei oder Schauspielerei bleiben in der Kegel vom Kun­den nicht unbemerkt und bewirken in diesem Fall eher das Gegenteil-, der Vertriebsmitarbeiter „nervt". Diese Differenzierungsmafinahme setzt ein ernsthaftes Interesse und das Bemiihen des Vertriebsmitarbeiters fiir eine weitergehende Verbesserung der Beziehungsebene voraus.

Warum stellt diese vordergrundig einfache MaSnahme eine Basis fiir Differenzierung dar? Der Grund liegt in der Hauptaufgabe des Ver­triebsmitarbeiters, Vertrage zu schUeSen. Sie fiihrt dazu, dass der Be-treuungsaufwand in der Vorvertragsphase hoch und kurz vor und zum Entscheidungszeitpunkt besonders hoch ist. Ist der Auftrag gewonnen, sinkt in der Kegel die Betreuungsfrequenz ab, denn das Geschaft ist „gelaufen" und der Vertriebsmitarbeiter konzentriert sich jetzt auf neue Abschlusschancen.

Ist der Auftrag anderweitig vergeben worden, kommen Frust und Arger des Vertriebsmitarbeiters hinzu - das Interesse an dem Kunden lasst nach.

Genau hier aber liegt eine Chance fiir die Differenzierung. Die struktu-riert geplante Betreuung (Betreuungsplan) des Kunden nach der Ent-

158 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

scheidung verschafft dem Vertriebsmitarbeiter die Moglichkeit, die Bezie-hungsebene zu vertiefen und gegenseitiges Vertrauen zu fordern. Dieses Mehr an Betreuung kann fiir die Abgrenzung zum Wettbewerb echtes Kapital sein. Die Wirkung derartiger Betreuungsaktionen kommt erst bei Neuverhandlungen zur Geltung, dann aber umso starker.

Der Satz, „jeder Besuch lohnt sich", wenn auch die Wirkung erst spater zum Tragen kommt, kann als Grundsatz aufgefasst werden.

Es empfiehlt sich, fiir jeden Kunden einen Betreuungsplan wahrend der „vertragslosen" Zeit festzulegen. Betreuungsanlasse konnen sein:

• Information iiber Produktinnovationen,

s Durchfiihrung einer Kundenzufriedenheitsbefragung,

# Einladung zu Messen,

* Weihnachtsgrii^e iibermitteln,

* GeburtstagsgliickwiJnsche.

Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft - heiSt es. Das ist zwei-felsfrei richtig, aber es ist Vorsicht geboten. Vertriebsmitarbeiter, die unter anderem diese Form der Wertschatzung wahlen, soUten sich iiber die Beziehungsebene zum Kunden im Klaren sein. Besteht das Risiko, das der Kunde den Eindruck gewinnen konnte, „geschmiert" zu wer­den, ist Gefahr in Verzug.

Letztlich gilt: weniger ist mehr. Im behordhchen Umfeld, aber auch zunehmend starker in der Industrie, gibt es durch so genannte Anti-korruptionsvorschriften klare Grenzen fiir den Wert eines Kundenge-schenks.

Im Vorfeld sollten diese Wertgrenzen ermittelt werden. Im Allgemeinen soUte das Kundengeschenk einen konkreten Anlass haben (z. B. der Geburtstag oder das bevorstehende Weihnachtsfest) bzw. in Zusam-menhang mit der Leistung des Unternehmens stehen (z. B. Miniatur-ausfiihrung der Maschine als Radio). In jedem Fall erfordert das Uberbringen von Geschenken, Fingerspitzengefiihl und Erfahrung des Vertriebsmitarbeiters.

Erfolgsstrategien fiir den einzelnen Vertriebsmitarbeiter 159

Weitere Erfolgsstrategien

Neben den Strategien der Differenzierung, die in erster Linie dazu fiihren, dass sich der Vertriebsmitarbeiter positiv vom Verhalten des Mitbewerbers unterscheidet, sich also personlich differenzieren kann, gibt es eine Reihe weiterer Potenziale, aus denen personliche Erfolgs­strategien entwickelt werden konnen. Die folgenden Strategien helfen Ihnen dabei, Ihren Verkaufserfolg sicherzustellen bzw. zu steigern. Wenn Sie als Vertriebs-Junior beginnen, ist es ratsam, dass Sie zunachst ein oder zwei der vorgesteliten Strategien auswahlen und „in Angriff" nehmen. Gehen Sie bei der Umsetzung schrittweise vor. Die Strategien sind konzeptioneil so angelegt, dass sie unabhangig voneinander ange-wendet werden konnen. Einige Strategien erfordern einen groSeren Arbeitseinsatz. Es ist hiifreich, sie gemeinsam mit dem Vorgesetzten, Tutor oder Mentor auszugestalten.

Die Erfolgsplanung

„Zwei Kundenabschltisse weniger und ich hatte das Verkaufsziel nicht mehr erreicht", sagte der Vertriebsmitarbeiter zu sich selbst

Machen Sie sich Ihren personlichen Erfolg sichtbar.

Eine der Grundfragen im Vertrieb ist, ob Erfolg iiberhaupt planbar ist. Theoretisch ist Planung die Vorwegnahme und Festlegung von Ereig-nissen, die erst in Zukunft eintreten werden. Ketzerisch wird gelegent-lich gesagt, die Planung sei systematischer Irrtum. In beiden Aussagen steckt ein Kornchen Wahrheit.

Zum einem besteht durchaus die Moglichkeit, in Zukunft liegende Ereig-nisse vorher zu planen, vor allem dann wenn der Grad der Beeinflussung, der zum Eintreten des Ereignisses fiihrt, besonders hoch ist, beispielsweise „ich plane alle mir zugeordneten Kunden innerhalb der nachsten drei Monate personlich aufzusuchen, urn sie iiber Produktneuerungen zu in-formieren". Bei Ereignissen mit einem geringen Grad an Beeinflussungs-moglichkeiten hingegen ist systematischer Irrtum wahrscheinlich. Im Um-feld des Vertriebs treffen wir auf alle Formen planbarer Ereignisse: auf jene mit hoher und auf jene mit geringer Beeinflussungsmoglichkeit.

160 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

Zu Beginn der Erfolgsplanung sollte man sich erst auf diejenigen Er-eignisse konzentrieren, die

» einen hohen Grad an personlicher Beeinflussung zulassen,

* fiir den Verkaufserfolg von Nutzen sind.

Mit der Erfolgsplanung verbunden ist das Stecken von Zielen und Teilzielen. Folglich miissen die zu planenden Ereignisse realistisch, er-reichbar, messbar und motivierend sein.

Die Erfolgsplanung ist fiir Vertriebsmitarbeiter in zweierlei Hinsicht von hoher Bedeutung. Zum einen werden die fiir den Verkaufserfolg notwendigen Tatigkeiten ins Blickfeld geriickt, sie werden fokussiert.

Beginnen Sie z. B. mit der Festlegung

* der Anzahl der Neukundenakquisetelefonate innerhalb eines Zeit-intervalls,

* der Anzahl der durchzufiihrenden Produktprasentationen,

*» der Anzahl von personlichen Kontakten bei Neukunden und Kunden,

* der Marktbearbeitungsstrategie (welches Marktsegment soil in wel-chem Zeitraum bearbeitet werden),

» von MaSnahmen im Kundenbereich innerhalb eines Zeitraumes (um z. B. die Moglichkeit von Anschlussgeschaften zu priifen).

Alle genannten MaSnahmen bieten dem Vertriebsmitarbeiter hohe Be-einflussungsmoglichkeiten und bilden gleichzeitig fundamentale Grund-lagen fiir den Verkaufserfolg als Ergebnis der Bemiihungen.

Zum anderen geht es bei der Erfolgsplanung darum, langerfristige Ziele, z. B. das Jahresverkaufsziel in Teil- oder Etappenziele herunterzubre-chen, um schon im Jahresverlauf Teilerfolge erzielen zu konnen und vor allem die Erreichbarkeit realistischer erscheinen zu lassen. Dem auf das Quartal oder Monat heruntergebrochenen Jahresziel konnen die kon-kreten Abschlusschancen, die in dieser Zeit zur Entscheidung gelangen, gegeniibergestellt werden.

Die Abschluss- oder Erfolgsplanung lasst eine fundierte Bewertung iiber das Erreichen der Teil- oder Jahresziele zu und liefert dem Ver-

Erfolgsstrategien fiir den einzelnen Vertriebsmitarbeiter 161

triebsmitarbeiter die notwendigen Hinweise dafiir, ob das Abschluss-polster schon ausreichend ist oder die Anstrengungen noch erhoht wer-den miissen.

Erfolgsplanung ist ein sehr gutes Instrument, um den Blick auf die we-sentlichen und wichtigen Tatigkeiten zu lenken, und hilft, den Fokus richtig zu setzen. Eine wirksame Strategie gegen Verzettelung!

Strukturiertes Kundenmanagement

„Das Geschaft mit dem Kunden Meier liegtja schon tiber zwei Jahre zuriick. Ich hatte schworen konnen, dass es letztes Jahr war, auRerdem hatte ich doch langst mit unserer neuen Maschine ein Geschaft machen kdnnen'% bemerkte der Vertriebsmitarbeiter als er im Rahmen eines Verkaufswettbewerbs, bei dem es um Kunden-bindung ging, seine Unterlagen durchsah.

Mischen Sie regelmaHig

Ihre Kundschaft auf!

Zur den Hauptaufgaben des Vertriebs zahlt einerseits, neue Kunden ausfindig zu machen, um den Marktanteil auszubauen zu konnen, an-dererseits gilt es, den bereits bestehenden Kundenstamm zu halten und mittels neuer oder Anschlussgeschafte weiter aufzubauen. Diese MaS-nahmen - Neukundengewinnung und Marktdurchdringung - fordern das Wachstum des Unternehmens.

Die Wachstums-Matrix in Abbildung 21 verdeutlicht diesen Zusam-menhang modellhaft.

162 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

Abbildung 21: Die Wachstums-Matrix

Beim Kundenmanagement kommt es taktisch darauf an, die bestehenden Kunden gegeniiber dem Wettbewerb langfristig zu binden und ferner zu priifen, ob zusatzliche Geschafte mit dem Kunden moglich sind. Kun-denbindung und Kundenausbau sind die Haupteiemente des Kundenma-nagements.

Der Vertrieb ist ergebnisorientiert ausgerichtet. Der Vertriebsmitarbeiter legt sein Hauptaugenmerk auf die Kunden, bei denen zusatzliche Geschafte mogUch sind. Er geht dabei so vor, dass er in regelmaSigen Abstanden und zu einem bestimmten Zeitpunkt seinen Kundenstamm durchsieht. Zu den Kunden, mit denen ein neues Geschaft angebahnt werden kann, steUt der Vertriebsmitarbeiter Kontakt her.

Bei der Durchsieht des Kundenstamms stoSt man auch auf Kunden, bei denen es zum jetzigen Zeitpunkt nicht moghch ist, ein (neues) Geschaft anzubahnen, sondern erst viel spater - moghcherweise erst in ein paar Jahren. Diese Kunden verschwinden schiiefiUch fiir iangere Zeit aus dem Bhckfeld des Vertriebsmitarbeiters.

Erfolgsstrategien fiir den einzelnen Vertriebsmitarbeiter 163

In der heutigen Zeit des Verdrangungswettbewerbs ein nicht zu unter-schatzender Fehler! Denn fiihrt ein Vertriebsmitarbeiter die Durchsicht des Kundenstammes zeidich unstrukturiert durch - eher zufallig oder nach Gefiihl - passiert es ihm, dass ihm bei dieser erneuten Durchsicht plotzHch auffallt, dass er bei einigen Kunden ein zusatzliches Geschaft schon viel friiher hatte anbahnen konnen oder Kunden plotzUch inter-essant werden, bei denen er anlasslich der letzten Aktion feststeUte, dass Geschafte erst zu einem sehr viel spateren Zeitpunkt vorstellbar sind.

Ursachen fiir diese Situationen konnen sein:

* Der tatsachUch verstrichene Zeitraum zwischen zwei Uberpriifungen des Kundenstamms ist viel groSer als man selber einschatzt oder ein-geschatzt hat.

* Im Laufe der Zeit konnen verkaufstaktische MaSnahmen des Anbie-ters, -wie Preissenkungen, neue Vertrags- oder Abrechnungsvarian-ten, Sonderverkaufe, Verkaufswettbewerbe oder neue Produkte, dazu fiihren, dass sich neue Verkaufschancen ergeben und sich fiir den Kunden wirtschaftliche Losungskonzepte darstellen lassen.

Um beide Situationen auszuschlieSen, ist es sinnvoU seine Kundenbear-beitung regelmaSig und strukturiert durchzufiihren. Diese Mafinahme wirkt wie ein Turbo und flankiert sehr wirkungsvoU die Akquisiti-onstatigkeit.

Die Zeitabstande zwischen den Aktionen sollten gleich gro6 sein. Die Dauer ist dabei von der Branche, der durchschnittlichen Vertrags- oder Nutzungsdauer, der Innovationsfreudigkeit der Anbieter usw. abhan-gig. Es ist wichtig, sich regelmaSig mit alien Kunden zu beschaftigen. Es gilt: je ofter, desto besser.

Sinnvolle Anlasse, um alle Kunden zu bearbeiten sind beispielsweise:

* Einladungen zu Messen

* Informationen iiber neue Produkte

* Einladungen zu eigenen Open-House-Veranstaltung

* Durchfiihrung einer eigenen „Zufriedenheitsbefragung"

* Preissenkungsmafinahmen oder neue Vertragskonditionen

» Verkaufswettbewerbe

164 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

Der friihe Verhandlungseintritt

„lch wusste, dass Sie friihzeitig anrufen werden", meinte der Kunde, „ln der Tat, jetzt miissen wir in die Beschaffung einsteigen. Konnen Sie noch diese lYoc/ie vorbeiliommen? Ubrigens, llir Wett-bewerber hat sich noch nicht gemeldet"

„Sind beim Kunden wir die ersten,

hat es der Wettbewerb am schwersten!"

Diese alte Vertriebsweisheit hat heute mehr Giiltigkeit denn je! Der friih-zeitige Einstieg in neue Beschaffungsprozesse versetzt den Vertriebsmitar-beiter in eine giinstige Ausgangsposition. Er hat die Chance, ohne Mitbe-werberbeteiligung Grundlagen fiir den spateren Verkaufserfolg zu legen.

Diese sind:

^ Auf- und/oder Ausbau der Beziehungsebene zum Kunden,

^ fundierte Analyse der Kundensituation,

' gemeinsame Entwicklung einer Losung, Diskussionen von Aherna-tiven,

*- Prasentation der Losung und Forcierung der Vorentscheidung,

ausreichend Zeit fiir Korrekturen und Optimierung der Losung.

Wenn beim Beschaffungsprozess der Zeitpunkt der Entscheidung naher riickt, wird die Zeit fiir den Entscheider knapper.

Diejenigen Vertriebsmitarbeiter (Mitanbieter), die erst spater in die Verhandlungen eintreten, haben gegeniiber dem ersten erhebUche Nachteile:

^ Durch die knapper werdende Zeit kann das Problem-Losungs-Konzept nicht mehr so fundiert ausgearbeitet werden.

^ Der Kunde hat sich mogHcherweise schon vorentschieden und inneriich die Beschaffungsaufgabe schon abgeschlossen.

* Der „Erste" hat durch die hohere Anzahl an personHchen Kontakten eine bessere Beziehungsebene und genieSt das groSere Vertrauen des Kunden.

Erfolgsstrategien fur den einzelnen Vertriebsmitarbeiter 165

• Aus der Sicht des Kunden ist der „erste" der fleiSigere und um den Auftrag bemiihtere Anbieter und hat somit eigentlich auch den Auf-trag „verdient". Er hat die gesamte Vorarbeit mit dem Kunden ge-leistet. Aus welchen Griinden soil der Kunde ihm jetzt eine Absage erteilen, wenn die Losung gut ist?

• Der Kunde gibt nun die Anforderungen vor und der Vertriebsmitar-beiter, der spater eintritt, kann nur noch reagieren. Der geschickte „erste" kann die Anforderungen bzw. Losungen an den Starken der eigenen und gleichzeitig an den Schwachen der Mitbewerberlosung ausrichten und Einfluss auf den Kunden ausiiben. Wenn die Losung in Ordnung ist, gibt es fiir den Kunden keinen Grund dem Losungs-vorschlag des „ersten" nicht zu folgen.

Als Erster beim Kunden zu sein, stellt fiir den Vertriebsmitarbeiter ei-nen extrem wirkungsvollen Wettbewerbsvorteil dar. Um sicherzustel-len, dass die richtigen Einstiegszeitpunkte nicht verpasst werden, ist es fiir den Vertriebsmitarbeiter notwendig, eine professionell gepflegte Kunden- und Interessentenkartei zu fiihren, aus der unter anderem die zeitlich besten Einstiegspunkte hervorgehen.

Das Vertragsauslaufdatum der bestehenden Losung oder iibliche Ab-schreibungs- oder Nutzungszeitraume sowie die eingepflegten Kunden-informationen bilden gute Kriterien und Anhaltspunkte fiir den opti-malen Einstiegszeitpunkt.

Im Gegensatz zu friiher, als Vertriebsmitarbeiter relativ aufwendig Kun-denkarteikarten pflegen muSten, die standig manuell sortiert werden mufiten, bietet es sich heutzutage an, auf PC-gestiitzte Softwarepro-gramme zur professionellen Kundenverwaltung zuriickzugreifen.

Diese Softwareprogramme sind unter dem Begriff Computer Aided Selling, kurz CAS-Systeme, zusammengefasst. Der Einsatz von CAS-Systemen ermoglicht dem Vertriebsmitarbeiter eine erhebliche Produk-tivitatssteigerung und einen hohen Komfort bei der Verwaltung von Kunden- und Interessentendaten.

Professionelle CAS-Systeme bieten die Moglichkeit der Terminfort-schreibung und automatischen Terminmeldung. Die Effizienz eines CAS-Programms hangt dennoch im Wesentlichen von der Pflege und Aktualisierung durch den Vertriebsmitarbeiter selbst ab. Diese wichtige

166 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

Aufgabe bleibt ihm nicht erspart. Dazu zahlt auch, regelmafiig eine Sicherung der Daten durchzufuhren oder einen Papierausdruck zu er-stellen, Im Falle eines technischen Defekts kann er auf diesen Bestand zuriickgreifen.

Die Vertragsabschlussmessung

„HStte ich jetzt noch zwei Abschlusschancen, dann konnte ich das Jahresziel erreichen. Jetzt muss mir bei meinen bestehenden Chan-cen aber alias gelingen, sonst schaffe ich as nicht", stellte der Ver-triebsmitarbeiter im letzten Monat des Geschaftsjahres fast

Miss es,

Oder vergiss es.

Eine zentrale Erfolgskennzahl stellt fiir den Vertriebsmitarbeiter die Abschiussquote dar. Sie zeigt auf, wie hoch die Anzahl der tatsachli-chen Geschafte im Vergleich zur Anzahl der Abschlussmoglichkeiten innerhalb eines Zeitraums sind. Diese Messung kann jeder Vertriebs­mitarbeiter selbst durchfiihren.

Das Bemerkenswerte an der Abschiussquote (Verhaltnis zwischen tatsachlichen Abschliissen und Abschlussmoglichkeiten) ist, dass diese Quote relativ stabil ist. In dieser Kennzahl kommen das vertriebliche Leistungsvermogen, das Konnen und die Erfahrung des Vertriebsmitar-beiters zum Ausdruck. Grundlage fiir diese Messung bildet die Ver-tragsabschlussplanung, also die Auflistung der Verkaufszyklen von denen der Vertriebsmitarbeiter iiberzeugt ist, dass er das Geschaft fiir sich realisieren wird (hohe Abschlusswahrscheinlichkeit).

Die Abschiussquote ist in der Kegel im Kundenbestand hoher als im Neukundengeschaft. Die Analyse der personlichen Abschiussquote ist dadurch zu ermitteln, dass der Vertriebsmitarbeiter die Abschlusschan-cen ins Verhaltnis zu den tatsachlichen Abschliissen des Vergleichszeit-raums setzt. Dieser Zeitraum ist abhangig von der durchschnittlichen Dauer eines Verkaufszyklus.

Bei Vertriebs-Junioren ist je nach notwendiger Einarbeitungszeit die Abschiussquote unterhalb des Durchschnitts, z. B. seines Verkaufs-teams, anzunehmen.

Erfolgsstrategien fur den einzelnen Vertriebsmitarbeiter 167

Nach Ermittlung der personlichen Abschlussquote ist dann leicht zu errechnen, wie viele Chancen der Vertriebsmitarbeiter standig benotigt, um das gesteckte Jahresziel (oder Teilziel) erreichen zu konnen. Je nach Quote legt der Vertriebsmitarbeiter die Anzahl benotigter Chancen fest und entwickelt einen Akquisitionsplan. Der Umfang der Anstrengun-gen kann erfasst und eingeschatzt werden. Reicht die bestehende Chan-cenmenge schon aus? Habe ich eine Erfolg versprechende Grundlage fiir die Zielerreichung? Miissen meine Prioritaten in der Tagesarbeit neu festgesetzt werden?

Der Vorzug dieser Strategie liegt darin, dass durch die regelmaSige Messung der eigenen Abschlussquote Uberraschungen am Geschafts-jahresende vorgebeugt werden kann. Der Vertriebsmitarbeiter kann im Laufe der Zeit die Entwicklung seiner Quote erkennen und seine Ak-quisition danach ausrichten.

Letztlich ist es fiir den Vertriebsmitarbeiter viel einfacher die notwen-dige Anzahl an Geschaften mittels Akquisition anzubahnen als zu versuchen, die personliche Abschlussquote kurzfristig zu erhohen. Die Steigerung der personlichen Abschlussquote ist nur schrittweise und uber einen langeren Zeitraum moglich, denn in dieser Abschlussquote driickt sich vor allem Erfahrung und Konnen aus. Der aktuellen Abschlussquote kann der Vertriebsmitarbeiter allerdings vertrauen.

Von den Besten lernen

„Jetzt kommt meine Kollegin schon wieder mit einem Vertrag in die Gescliaftsstelle, das ist nun schon der fiinfte Abschluss in diesem IVIonat, wie macht sie das bloR... ?"

Heften Sie sich an die Fersen

der Erfolgreichen,

lilften Sie ihr Geheimnis.

Den Kern dieser Strategie bildet die Bereitschaft, von den Besten zu lernen, sich zu vergleichen und herauszufinden, welche Tatigkeiten wann und in welcher Intensitat von den besonders erfolgreichen Ver-triebskollegen durchgefiihrt werden.

168 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

Dies ist nicht einfach, denn prinzipiell befinden sich Vertriebsmitarbei-ter, die in einem Verkaufsteam arbeiten, gleichzeitig in einer Konkur-renzsituation. Wer gesteht sich schon gerne das Gefiihl ein, dass der KoUege oder die KoUegin manche Dinge moglicherweise besser be-herrscht?

Es erfordert schon etwas Mut, auf die KoUegen zuzugehen, um heraus-zufinden, was sie so erfolgreich macht. Dazu ist auch manchmal erfor-derUch, Selbstkritik zuzulassen. Hat man diese Hiirde jedoch erst einmai iiberwunden, kann man sehr viel davon profitieren. Eine gute Gelegen-heit etwas von KoUegen iiber ihre Vorgehensweise zu erfahren ist, sie z. B. bei einer Angebotserstellung oder Gesprachsvorbereitung um Un-terstiitzung zu bitten. Es ist effektiver die KoUegen bei der praktischen Arbeit zu beobachten als sie nach ihrem „Erfolgsrezept" zu befragen.

Gerade fiir Vertriebseinsteiger ist es wichtig, Feedback iiber ihr eigenes Verkaufsverhahen und ihre Wirkung auf andere zu bekommen. Dies ist notwendig, um Ansatze fiir die personliche Weiterentwicklung zu fin-den, und um nicht Erfolg versprechendes Verhahen friihzeitig erkennen zu konnen. Fiir Menschen ist es auSerst schwierig allein herauszube-kommen, wie eigenes Verhahen auf andere wirkt. In der Psychologie spricht man - neben dem selbst wahrnehmbaren Verhahen - vom so genannten „Bhnden Fleck". Das ist der Teil des eigenen Verhahens, der von einem selbst nicht wahrgenommen werden kann.

Das ,Johari-Fenster", das von Joe Luft und Harry Ingham entwickelt wurde, stellt ein Erklarungsmodell fiir diesen Blinden Fleck dar. In die-sem Erklarungsmodell wird die Personlichkeit in vier Bereiche unter-teilt.

« Bereich, der fiir einen selbst und andere erlebbar ist (offentlicher Bereich)

• Bereich, der nur fiir einen selbst zuganglich ist (privater Bereich)

• Bereich, der niemandem sichtbar ist (unbekannter Bereich)

• Bereich, der nur fiir Mitmenschen wahrnehmbar ist (Blinder Fleck)

Erfolgsstrategien fiir den einzelnen Vertriebsmitarbeiter 169

Abbildung 22: Das „Johari-Fenster" von Joe Luft und Harry Ingham

Allein die Bereitschaft, diesen Schritt zu gehen, Selbstkritik zuzulassen bildet schon eine Grundlage, um seine Fahigkeiten zu verbessern und weiterzuentwickeln. Dabei ist es wichtig, dass der Vertriebsmitarbeiter sowie der bzw. die „Erfolgreiche" beim Feedbackgeben of fen mit-einander umgehen. Einem Kollegen Feedback zu geben, bedeutet gleichzeitig ein hohes Mai? an Verantwortungsiibernahme. Deshalb soUten dabei einige Regeln beachtet werden, damit das Feedback fiir den Partner den gewiinschten Nutzen bringt:

^^ Direkte Ruckmeldung an den Partner (der Partner erhalt eine Riick-meldung iiber den subjektiven Eindruck des Beobachters)

• Konkrete Informationen (so genau wie moglich formulieren)

• Konstruktiv sein

• unmittelbar Feedback geben (Ihr Partner soUte unmittelbar nach dem Erlebten ein Feedback geben. Sie soUten aufnahmebereit dafiir sein.)

170 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

• „Ich"-Botschaften senden (...mir ist aufgefalien, dass du/Sie...)

• Keine Riickmeldung zu Dingen, die nicht zu andern sind

• Riickmeldungen annehmen, zuhoren (nicht rechtfertigen, nicht unterbrechen)

Folgende Vertriebstatigkeiten bilden geeignete Lehrbereiche, um von den Besten lernen zu konnen:

• gemeinsames Telefonieren,

• dem Kollegen bei seiner Telefonakquisition zuhoren,

• gemeinsame Kundenbesuche, Erstbesuche, Abschlussverhandlungen,

» Teilnahme an Produktprasentationen und/oder Ahnlichem,

« gemeinsame Erstellung von Kunden-Losungs-Konzepten.

Neben dieser individuellen Vorgehensweise, die durch den Vertriebs-mitarbeiter selbst initiiert werden kann, konnen Lernmoglichkeiten auch vom Vorgesetzten strukturiert forciert and ermoglicht werden.

Dazu zahlen beispielsweise

« die zeitlich begrenzte und personliche Zuordnung eines erfolgreichen Kollegen zu einem Vertriebsmitarbeiter als Mentor oder Coach,

• Team-Meetings, in denen jeder Vertriebsmitarbeiter eine Prasentation zum Thema „besonders schwieriger Verkaufszyklus und wie ich ihn gemeistert habe" vorbereitet und prasentiert,

» die Durchfiihrung von regelmaSigen Team-Schulungen, bei denen besonders erfolgreiche Vertriebsmitarbeiter zu bestimmten Schwer-punktthemen Auskunft geben oder gemeinsam Losungsstrategien zu konkreten Praxisproblemen erarbeitet werden,

« gemeinsame Team-Aktionen, z. B. Akquisitionstage, um alien Team-mitgliedern die Chance zu geben, voneinander zu lernen,

• regelmaSige Kommunikation von Erfolgsstorys (Ausgangslage, Problemstellung im Verkaufszyklus und Losungsansatz) durch die Verkaufsleitung.

Erfolgsstrategien fur den einzelnen Vertriebsmitarbeiter 171

Die personliche Einstellung

„Auf Messen kann man doch nichts verkaufen", sagte ein Ver-triebsmitarbeiter des Nachbarstandes seinem bekannten Ver-triebskollegen bei einem Messebesuch. „Komisch", dachte sich der andere, „ich babe schon funf Messeabschlusse zusammen."

Wagen Sie eine

mutige Einstellung, setzen

Sie sich ungewohnliche Ziele!

Die personliche Einstellung schliefit das Phanomen der sich selbsterfiil-lenden Prophezeiung mit ein. Wenn ich glaube oder annehme, dass bei-spielsweise auf einer Messe keine Vertragsabschliisse moglich sind, dann treffe ich auch keine Vorbereitungen dafiir, verhalte mich gegenii-ber Kunden entsprechend zuriickhaltend und tatsachlich tatige ich auch keine Abschliisse. Das Unterbewusstsein steuert dieses Verhalten. Wird dieses Verhalten Jahr fiir Jahr wiederholt, setzt sich die Erkenntnis durch, dass auf einer Messe keine Vertragsabschliisse moglich sind.

Es ist ratsam, an derartigen „Tatsachen" zu zweifeln und stattdessen nach Moglichkeiten zu suchen, Voraussetzungen fiir Vertragsabschliisse auf der Messe zu schaffen. Tatsachlich ist es namlich so, dass der Ver-kaufserfolg - auch der auf einer Messe - iiberwiegend von der person-lichen Einstellung abhangt. Wenn sich ein Vertriebsmitarbeiter vor-nimmt, ein Verkaufsziel zu erreichen, dann beginnt er automatisch dariiber nachzudenken, wie er dieses Ziel erreichen kann. Er macht sich Gedanken daruber, wen er zur Messe einladt, ob bei den Kunden, die eingeladen werden, Abschlusschancen bestehen, er bereitet den Messe-termin vor, bittet die Geschaftsleitung um Messerabatt etc. Dadurch steigt die Erfolgswahrscheinlichkeit und es konnen Verkaufsabschliisse realisiert werden.

Die personliche Einstellung, die daraus folgende Zielsetzung sowie die kreative Entwicklung von Mafinahmen, um das gesteckte Ziel zu errei­chen, gilt nicht nur fiir den Vertrieb, sondern fiir viele andere Lebens-bereiche gleichermajSen.

Erika Spiel? stellt in ihrem Buch „Der Verkaufer als Psychologe" einen Versuch des amerikanischen Professors fiir Sozialpsychologie in Harvard, R. Rosenthal, vor.

172 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

Rosenthal fiihrte in mehreren Schulklassen Intelligenztests durch, wobei ihn die Ergebnisse nicht wirklich interessierten. Er erklarte „blind" in jeder Klasse lOProzent der Gepriiften zu sehr hoffnungsvollen Schiilern. Den Lehrern erklarte er, dass von diesen Kindern in naher Zukunft besondere Lernfortschritte zu erwarten seien. Acht Monate spater wiederholte Rosenthal seinen Test bei den Schiilern. Nun verg-lich er die Ergebnisse beider Tests und entdeckte, dass seine willkiirlich als „Schiller der Zukunft" Bezeichneten tatsachlich die groSten Fort-schritte gemacht hatten.

Diese „verbliiffende" Entwicklung ist darauf zuriickzufiihren, dass die Lehrer den als besonders begabt deklarierten Schiilern hohere Auf-merksamkeit widmeten. Diese Schiiler wurden freundlicher behandelt, ofter und griindlicher kontroUiert und korrigiert. Die Lehrer stellten diesen Schiilern schwierigere und interessantere Aufgaben und zeigten bei der Aufgabenlosung mehr Geduld. Der Glaube der Lehrer an die Unterschiede bewirkte also eine Veranderung in die gewiinschte Rich-tung.

Klar ist aber auch, dass Erfolge nur moglich sind, wenn eine Erfolgs-wahrscheinlichkeit gegeben ist. Wichtig und entscheidend ist jedoch, zu erkennen, dass es sich lohnt, an einer positiven Erfolgseinstellung zu arbeiten.

Erfolgsstrategien fiir den einzelnen Vertriebsmitarbeiter 173

Verkaufsforderung -Trumpfe im Tagesgeschaft

In den folgenden Abschnitten stelle ich Ihnen die Grundzuge der Ver­kaufsforderung und ihre unterschiedlichen Formen vor. Anhand von verschiedenen Beispielen zeige ich Ihnen, wie Sic Verkaufsforderungs-ma(?nahmen sinnvoU in Ihrem Tagesgeschaft einsetzen konnen. Funk-tional ist der Bereich der Verkaufsforderung in die Marketingabteilung eingegliedert. Konzeptionell ist die Verkaufsforderung Teil der Kommu-nikationspolitik eines Unternehmens und zahlt zum absatzpolitischen Marketinginstrumentarium - dem Marketing-Mix. Verkaufsforde-rungsmaSnahmen sind prinzipiell flankierende MaSnahmen. Sie sollen den Vertriebsmitarbeiter darin unterstiitzen, seine Kernaufgabe - Ver-kaufserfolge herbeizufuhren - besser wahrnehmen zu konnen. Fiir den Vertriebsmitarbeiter gehoren VerkaufsforderungsmaSnahmen zum Hand-werkszeug. Besonders gute und pfiffige Aktionen sind wie Triimpfe in einem Kartenspiel.

Die Zielsetzungen der Verkaufsf6rderungsmal?nahmen leiten sich von den iibergeordneten Marketing- und Unternehmenszielen ab. Sie kon­nen einen strategischen, operativen oder taktischen Charakter haben. Je nach Verkaufssituation sind die Zielsetzungen sehr unterschiedlich. Bei-spielsweise verfolgt die Verkostigung von Proben in einem Supermarkt das Ziel, Kunden zum sofortigen Kauf der verkostigten Produkte zu bewegen. In dieser Verkaufssituation ist eine soiche Anreizzielsetzung realistisch - die meisten Konsumenten sind in der Lage, einen Spontan-kauf zu tatigen bzw . sich dieses Produkt leisten zu konnen. Im Investi-tionsgiitervertrieb, beispielsweise im Verkaufsprozess einer neuen Stahl-presse, ware die oben beschriebene Zielsetzung eher unrealistisch. Eine Verkostigung im iibertragenen Sinne durch eine Vorfiihrung des Pro-duktes verfolgt im Rahmen dieses Verkaufszyklus andere Ziele als den sofortigen Verkauf, da sich die Entscheidungsfindung im Investitions-giiterbereich in der Regel iiber einen langeren Zeitraum hinzieht. Die Zielsetzung in dieser Verkaufssituation konnte sein: Vertrauensbildung im Kundenverhaltnis.

174 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

Formen der VerkaufsforderungsmaSnahmen

VerkaufsforderungsmaSnahmen konnen also sehr unterschiedliche Zielsetzungen haben. Daraus folgen sehr vieie unterschiedliche Formen und Kombinationen der MaSnahmen. Deshalb ist es schwierig, das System oder die Zielsetzung der Verkaufsforderung darzustellen. In der folgenden Abbildung habe ich VerkaufsforderungsmaSnahmen zu-nachst nach deren Charakter eingeordnet. Diese Darstellung gibt Ihnen einen ersten Uberblick. Die Aufteilung zeigt die MaSnahmen, die einen

Abbildung 23: Einteilung der VerkaufsforderungsmaKnahmen nach deren Charakter

Verkaufsforderung - Triimpfe im Tagesgeschaft 175

strategischen Charakter besitzen und diejenigen mit operativ-takti-schem Charakter. MaSnahmen mit operativ-taktischem Charakter zahlen zu den klassischen Verkaufsforderungsmafinahmen. Sie sollen kurzfristig und direkt im Verkaufsprozess wirken. Nach meiner Auf-fassung kann man diese Ansicht jedoch weiter fassen und auch auf stra-tegische Mafinahmen ausweiten. Wie wir sehen werden, entwickeln solche MaEnahmen ebenfalls verkaufsfordernde Effekte.

Verkaufsfordernde MaSnahmen mit strategischem Charakter dienen der Erfiillung von iibergeordneten Marketingzielsetzungen und sind Be-standteil der Marketingkonzeption eines Unternehmens. Ihre Form lei-tet sich aus der Marketingzielsetzung ab. Beispielsweise erhoht der Ein-satz eines einheitHchen Pkws mit Firmenaufdruck im AuSendienst den Bekanntheitsgrad des Unternehmens. Der verkaufsfordernde Effekt Hegt darin, dass ein Nichtkunde sich mogHcherweise an das Unternehmen er-innern kann, wenn er zum ersten Mai von einem Vertriebsmitarbeiter akquiriert wird. Das konnte ein Tiiroffner sein. Eine Kleiderordnung hat Einfluss auf das Erscheinungsbild des Unternehmens - z. B. die Vor-schrift „Servicemitarbeiter tragen Oberhemd mit Krawatte" lasst das Unternehmen serioser erscheinen. Das Marketingziel konnte lauten: Wir wollen als Unternehmen serios erscheinen und uns positiv vom Wettbe-werb abheben. Der verkaufsfordernde Effekt liegt in der flankierenden Wirkung. Diese unterstiitzt die Bemiihungen des Vertriebsbereiches indirekt. Die Kunden erhalten einen guten Eindruck von der Leistungs-erbringung des Unternehmens, und dies fordert die Vertrauensbildung. Kunden, die eine gute Meinung vom Anbieterunternehmen haben, er-leichtern dem Vertriebsmitarbeiter den Einstieg ins Kundengesprach. Die­se eher sekundaren Eigenschaften spielen eine nicht zu unterschatzende Rolle bei der Pragung des Gesamteindrucks von einem Unternehmen. Denken Sie im Gegenzug einmal daran, welche Schwierigkeiten fiir den Vertriebsmitarbeiter entstiinden, wenn ein Kunde aufgrund von Aufier-Hchkeiten einen negativen Eindruck erhalt. Diese auSerHchen Merkmale leiten sich aus den strategischen Corporate-Identity-Zielsetzungen des Unternehmens ab und konnen auch fiir den Vertriebsmitarbeiter direkt gelten. Dazu zahlen Anstecknadeln oder Pins, die Entscheidung fiir ge-deckte Farben bei der Anzugauswahl, vom Unternehmen zur Verfiigung gestellte hochwertige Aktentaschen sowie Schreibutensilien mit Aufdruck des Firmenlogos etc. Eine alte Vertriebsweisheit besagt, dass es fiir den ersten Eindruck keine zweite Chance gibt.

176 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

Die strategischen MaSnahmen werden zentral im Marketingbereich ausgearbeitet, vom Management entschieden und in der Regel flachen-deckend umgesetzt. Es sind oftmals Muss- und keine Kann-Bestim-mungen. Allerdings besteht immer die Gefahr, dass zu viele zentral durchgesetzte MaSnahmen Widerstand im Aufiendienst provozieren kdnnen. Die Mitarbeiter fiihlen sich unter Umstanden in ihren person-lichen Handlungsspielraumen eingeengt, sie erleben die MaSnahmen dann als etwas, das ihnen aufgezwungen wird. Der Aufdruck des Fir-menlogos auf dem PKW konnte zur Verargerung fiihren, vor allem dann, wenn dem Auf?endienstmitarbeiter die Moglichkeit der privaten Nutzung eingeraumt wird. Womoglich sind ihm die standigen Fragen im Privatbereich nach seinem Arbeitgeber lastig. Vor Einfiihrung sol-cher Ma6nahmen soUte geklart werden: Was woUen wir erreichen? Was bringt es dem Unternehmen? Welche Widerstande konnten auftreten? Erzielen wir verkaufsfordernde Effekte? Wie sehen diese aus? Letztere vermitteln den Sinn der MaEnahmen im Aufiendienst und ermoglichen, Verstandnis dafiir zu erhalten. Das vereinfacht deren Durch- und Um-setzung.

Kompetenzen - wer entscheidet iiber den Einsatz?

In den nun folgenden Ausfiihrungen werden wir uns auf die operativ-taktischen Mal?nahmen konzentrieren. Diese MaEnahmen unterstiitzen den Vertriebsmitarbeiter in seinem konkreten Tagesgeschaft - entweder direkt oder indirekt. Diese Mafinahmen verfolgen allesamt die iiber-geordneten Ziele, Verkaufsvorgaben besser, einfacher und schneller zu erreichen. Bei Verkaufsf6rderungsmal?nahmen ist die Entscheidungs-kompetenz fiir den Einsatz der jeweiligen Mittel von mal?geblicher Bedeutung. Es muss geklart werden, wer zu welchem Zeitpunkt den Einsatz der Mittel bestimmt. Die folgende Abbildung zeigt eine mog-liche Einteilung mit einigen Beispielen.

Verkaufsforderung - Trutnpfe im Tagesgeschaft 177

Abbildung 24: Entscheidungskompetenz beim Einsatz von Verkaufsforderungs-maKnahmen

Verkaufsforderung - der Vertriebsmitarbeiter bestimmt den Einsatz

In diesem Abschnitt beschaftigen wir uns mit VerkaufsforderungsmaS-nahmen, bei denen Sie als Vertriebsmitarbeiter die Auswahi und den Zeitpunkt des Einsatzes in der Kegel selbst bestimmen. Dadurch haben Sie einen grofien personlichen Handlungsspielraum. Das bedeutet aber auch, dass Sie die Verantwortung fiir die bestmogliche Auswahi und Zusammenstellung sowie fiir den richtigen Einsatzzeitpunkt iiberwie-gend selbst tragen. Es erfordert einige Erfahrung im Umgang mit dieser Verantwortung. Als Einsteiger im Vertrieb sollten Sie auf die Erfahrun-gen Ihrer Teamkollegen und Ihres Vorgesetzten zuriickgreifen. Holen Sie sich Tipps. Beobachten Sie, wie Ihre Kollegen vorgehen und pro-

178 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

bieren Sie es anschlieSend selbst aus. Im Vertrieb - wie bereits darge-stellt - gibt es nicht die beste oder nur eine richtige Vorgehensweise, um den Verkaufserfolg herbeizufiihren, denn unterschiedliche Verkaufsstile fiihren zu unterschiedlichen Vorgehensweisen. Je nach Verkaufssitua-tion, die eine Kombination der Kundensituation, des Wettbewerber-verhaltens sowie Ihrer personlichen Disposition darstellt, miissen Sie entscheiden, was zum jeweiligen Zeitpunkt zu tun ist. Sie klaren, ob Sie eine einzelne MaEnahme oder eine Kombination verschiedener Mittel einsetzen wollen. Wenn Sie unsicher sind, fragen Sie um Rat. Es ist nicht immer einfach - im Ubrigen auch nicht fiir gestandene Vertriebs-mitarbeiter - sofort zu erkennen, was in einer aktuellen Verkaufssituation der beste Weg ist, um ziigig in Richtung Vertragsabschluss weiterzukom-men. Eigene Erfahrungen im Laufe Ihrer beruflichen Entwicklung werden Ihnen gezielter Aufschluss dariiber geben, wie die aktuelle Verkaufssitua­tion einzuschatzen ist und was optimal zu Ihrer VerkauferpersonHchkeit passt. Es gibt Vertriebsmitarbeiter, die Weitmeister im Uberreichen von Kundengeschenken, so genannten Give-Aways, sind und dadurch Ihren Verkaufserfolg gezielt verbessern konnen. Andere Vertriebsmitarbeiter hingegen gehen mit dieser Mafinahme au&rst zuriickhaltend um, sind aber deshalb keineswegs weniger erfolgreich. Der eine kann diese Mal?-nahme gut in seinen personlichen Verkaufsstil einbeziehen, der Kollege hingegen setzt andere Schwerpunkte.

Die Verkaufssituation - jeweils abhangig von der Kundensituation, dem Wettbewerberverhalten und der personlichen Disposition - steckt den Rahmen fiir die zum Einsatz kommenden Mittel. Aus ihr leitet sich die Verkaufsforderungsstrategie des Vertriebsmitarbeiters ab. Um die Verkaufssituation noch besser beurteilen zu konnen, sind folgende vier Schliisselfragen hilfreich.

1. In welchem Stadium befindet sich der Verkaufszyklus? * In der Akquisitionsphase? ti In der Vorvertragsphase? « In der Entscheidungs-ZAbschlussphase? » In der Nachvertragsphase? * In der Wiedereinstiegsphase?

2. Wie schatzen Sie die aktuelle Kundensituation ein? * Ist die Beziehung zum Kunden (Entscheider und Anwender) in

Ordnung?

Verkaufsforderung - der Vertriebsmitarbeiter bestimmt den Einsatz 179

» 1st der Kunde von der Leistungsfahigkeit Ihres Unternehmens iiberzeugt?

• Vertraut Ihnen der Kunde? • Gibt es formelle Griinde (Vorschriften, Antikorruptionsbestim-

mungen), die bestimmte Mal?nahmen (z. B. Reise in den Show-Room) ausschliefen?

• Sind bereits jetzt Risiken erkennbar, die dazu fiihren konnten, den Kunden zu verlieren?

3. Wie schatzen Sic die aktuelle Interessentensituation ein? Kennt der Interessent Ihr Unternehmen? 1st der Kunde mit dem spezifischem Leistungsumfang Ihres Unter­nehmens vertraut?

• Wie zufrieden ist der Interessent mit der Leistung seines aktuellen Lieferanten?

• Hatte der Interessent Bedarf an Ihrem Leistungsumfang? • Gibt es formelle Griinde (Vorschriften), die bestimmte MaSnah-

men (z. B. Reise in den Show-Room) ausschlieSen?

4. Wie ist die Wettbewerbssituation einzuschatzen? • Wie ist der direkte Wettbewerber einzuschatzen (starker, auf ver-

gleichbarem Niveau, schwacher)? • Wie geht der Wettbewerb vor, welche Ma6nahmen hat er bereits

ergriffen? • Konnen Sic den Vertriebsmitarbeiter des Wettbewerbers in seiner

Vorgehensweise einschatzen?

Dazu ein Beispiel: Wenn Sie einen Interessenten zum ersten Mai besu-chen und feststellen, dass ihm Ihr Unternehmen noch unbekannt ist und er mit der Wettbewerbsleistung recht zufrieden ist, dann soUten Sie auf die Ubergabe eines Give-Aways zunachst verzichten und anstatt dessen eine Firmenbroschiire oder andere Unternehmensinformationen iiberreichen. Ein Give-Away in dieser friihen Phase des Verkaufszyklus konnte vom Gesprachspartner missverstanden werden und den gesam-ten weiteren Geschaftsverlauf negativ belasten. Es besteht noch kein vertrauensvoiles Verhaltnis zwischen Vertriebsmitarbeiter und Ge­sprachspartner. Damit ist auch noch keine Voraussetzung zur Uberrei-chung von Geschenken gegeben. Die Firmenbroschiire hingegen gibt dem Interessenten eine umfassende Information iiber Ihr Unternehmen in schriftlicher Form, es lasst eine Einordnung - Positionierung - des Unternehmens zu und rundet das Erstgesprach positiv ab.

180 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

Die Liste in der folgenden Abbildung gibt Ihnen einen Uberblick iiber VerkaufsforderungsmaSnahmen, die Vertriebsmitarbeiter in der Kegel nach eigenen Ermessen einsetzen konnen:

Imagebroschiire des Unternehmens vermittelt in anspruchsvoller Aufmachung den Zweck, die Zlele, den Leistungsumfang, die Vision sowie das Verhalten gegeniiber Kunden und Interessenten

Unternehmensprasentation vermittelt Historie und Leistungsumfang des Unternehmens in Papier- oder e!el<tronischer Form, z. B. als CD

NutzenorientiertesProspektmaterJal vermittelt teclinlsche Daten, stellt Leistung bildlich (Gerate) oder prozessorientiert (Software, Screenshots) dar und gibt Aufschluss (jber den Einsatzbereicfi des Leistungsumfangs

Hauseigene Kundenzeitschrift enthalt Leistungsumfang, neue Produkte und Dienstlelstungen, redaktionell anscfiaullche Anwenderberichte, Kontakte und Hinweise auf andere Informationsquellen

Sonderdrucke - Referenzanwendungen enthdit eine bedeutende anschaulictie Dokumentation des Leistungsumfangs bei einem Kunden

Presses pjegel enthalt die Zusammenstellung verschiedener verfiffentlichter Artlkel Im Rahman von Public Relations in der Tagespresse, Fachmagazinen oder Ahnliches

Leistungskatalog enthalt den gesamten Leistungsumfang in ubersichtlicher Form

iUuster/Exponate Produktionsresuitate, um den Leistungsumfang Im Kundengesprach zeigen zu konnen

Notebook als Prasentationsmedium professionelle und produktive Form der Unterstutzung im VerkaufsgesprSch

Give-Aways Kundengeschenke, die einen eindeutigen Bezug zum Leistungsumfang herstellen, bzw. das verschenkende Unternehmen erkennen lassen - Taschen, Kugelschreiber, Tlschtaschenrechner, usw.

Abbildung 25: VerkaufsforderungsmaSnahmen, auf die der Vertriebsmitarbeiter nach eigenem Ermessen zugreifen Icann

Diese Aufzahlung und Kurzbeschreibung erhebt keinen Anspruch auf Vollstandigkeit. Sie zeigt jedoch einen Uberblick iiber konkrete Mal?-nahmen, die im Investitionsgiitervertrieb Verwendung finden konnen. Ob ein Unternehmen seinen Vertriebsmitarbeitern alle Moglichkeiten zur Verfiigung stellt, hangt von der Marketingkonzeption, von der wirt-

Verl<aufsf6rderung - der Vertriebsmitarbeiter bestimmt den Einsatz 181

schaftlichen Lage und vom geplanten Budget, den Finanzmitteln ab. Die Marketingphilosophie des Unternehmens ist ebenfalls ausschlagge-bend bei der Zusammenstellung von Mafinahmen. So ist denkbar, dass ein marktfiihrendes, erfolgreiches Unternehmen auf derartige Mittel verzichtet und die Geldmittel lieber in die Entwicklung von Produkt-innovationen investiert, um sich einen Wettbewerbsvorsprung zu ver-schaffen. Ein anderes fiihrendes Unternehmen hingegen strebt an, durch die Zusammenstellung und Vielzahl unterschiedlicher Verkaufs-forderungsmaSnahmen noch erfolgreicher zu werden und seine Stel-lung im Wettbewerbsumfeld zu festigen und auszubauen. Leider ist es heutzutage immer noch so, dass die Qualitat von Aufmachung und In-halt der zur Verfiigung gestellten Mittel recht unterschiedlich sein kann. Das reicht von professionell - im besten Fall durch die Zusammenar-beit mit speziellen Agenturen - erstellten bis hin zu lieblos mit der heifien Nadel gestrickten Medien. Ich gehe davon aus, dass die vor-handenen Mittel einem guten Standard entsprechen.

Es stellt sich fiir den Vertriebsmitarbeiter die Frage, wann er welche MaS-nahme einsetzen soil, bzw. wann der Einsatz geeignet erscheint. Da es nahezu unmoglich ist auf alle erdenklichen Verkaufssituationen einzuge-hen, mochte ich Ihnen stattdessen zu jeder in der Aufzahlung vorgestell-ten MaEnahme jew eils drei Beispiele bzw. Situationen aufzeigen, die einen sinnvollen Einsatz rechtfertigen. Dies soli Ihnen helfen, sich fiir dieses The-ma zu sensibilisieren, und Ihnen Anregungen fiir Ihr Tagesgeschaft geben.

Imagebroschiire des Unternehmens

Die Imagebroschiire soUte in anspruchsvoUer Aufmachung einen Uberblick iiber das gesamte Unternehmen vermitteln und seine Werte aufzeigen. Sie verfolgt verschiedene Ziele und Funktionen. Dazu zah-len: die Informationsfunktion, die Schaffung von Bekanntheit, den Auf-bau des Unternehmensimage, die Positionierung des eigenen Unterneh­mens im Wettbewerbsumfeld. Die Imagebroschiire ist etwas Wertvolles und sollte - zumindest stilistisch - in wiirdevoUer Weise iibergeben wer­den. Folgende Situationen sind denkbar:

^ Beispiel 1: Der Vertriebsmitarbeiter bemerkt im Laufe des Verkaufsgesprachs, dass dem Kunden die Verlasslichkeit des Lieferanten sehr wichtig ist.

182 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

Im weiteren Verlauf stellt sich heraus, dass er mit seinem jetzigen Lieferanten diesbeziiglich keine gute Erfahrungen gemacht hat. Er scheint also auf der Suche nach einem Unternehmen zu sein, auf das er sich verlassen kann. Wenn der Vertriebsmitarbeiter jetzt die Imagebroschiire iiberreicht und gezieh auf die Werte des Unterneh-mens - wie die VerlassUchkeit - eingeht, dann unterstreicht er sein gesprochenes Wort nochmals in schriftUcher Form. Dadurch wirkt der Vertriebsmitarbeiter glaubwiirdig und serios.

P Beispiel2: Zur vereinbarten Produktprasentation erscheint unerwartet ein wei-terer Gast, der - wie sich herausstellt -, eine Management-Position bekleidet. Er ist zwar nicht der Entscheider, soil sich aber auch einen Eindruck iiber den Leistungsumfang verschaffen. Er kennt Ihr Unternehmen und den Leistungsumfang nur oberflachlich. In dieser Situation ist es sinnvoll, ihm eine Imagebroschiire zu iiberreichen. Er kann sich nun schnell einen Uberblick iiber das Unternehmen ver­schaffen. Er lernt nicht nur den technischen Leistungsumfang ken-nen, sondern das Unternehmen als Ganzes. Wie es sich positioniert, welche Visionen es hat, welche Werte es vertritt. Das ist personlicher und schafft eine gute Ausgangslage dafiir, dass der Gesprachspart-ner bereits zu diesem Zeitpunkt eine personliche Beziehung zum Unternehmen herstellen kann.

p- Beispiei 3: Sie stellen im Rahmen Ihrer Akquisitionsbemiihungen fest, dass der beste Weg, einen Einstieg in das Unternehmen zu finden, iiber die Geschaftsleitungsebene besteht. Sie planen, vor der Terminvereinba-rung einen Brief an den Geschaftsfiihrer zu schreiben. Fiigen Sie Ihrem Schreiben in der Anlage die Imagebroschiire bei. Damit Sie das Risiko verringern, dass die Zusendung im Papierkorb landet, konnte ein kurzes Telefonat mit dem Geschaftsfiihrungssekretariat, in dem Sie die Versendung vorab ankijndigen, hilfreich sein.

Unternehmensprasentation

Im Gegensatz zur Imagebroschiire richtet sich die Unternehmenspra­sentation starker auf die sachlichen, leistungsbezogenen Aspekte des Anbieters. Der Unternehmenszweck, die ethischen Grundsatze sowie Imagezielsetzungen werden weniger stark in den Vordergrund gestellt

Verkaufsforderung - der Vertriebsmitarbeiter bestimmt den Einsatz 183

als bei der Imagebroschiire. Die Unternehmensprasentation vermittelt unternehmensrelevante Eckdaten wie Griindungsjahr, Geschaftsvolu-men, Anzahl der Niederlassungen, Anzahl der Mitarbeiter und den An-gebotsumfang des Unternehmens. Diese Informationen stehen in der Regel als Dokumentation in Papierform oder heutzutage immer ofter auch in elektronischer Form (z. B. als CD) zur Verfiigung. Die Infor­mationen sind oder sollten so aufbereitet sein, dass sie sich einfach und anschaulich prasentieren lassen.

P' Beispiel 1:

Sie vereinbaren mit einem Interessenten einen Ersttermin. Ihr Ge-sprachspartner teilt Ihnen mit, dass fiir die anstehende Investition ein Projektteam gegriindet worden ist. Sie hingegen kennen den Be-darf noch nicht genau und hatten sich eigentlich vorgenommen, bei diesem Gesprach zunachst eine Bedarfsanalyse durchzufiihren. Es empfiehlt sich in dieser Situation jedoch das anstehende Gesprach in zwei Schwerpunkte zu gliedern. Erstens die Bekanntmachung Ihres Unternehmens mittels Unternehmensprasentation und daran an-schlieSend zweitens die Bedarfsanalyse.

ip Beispiel 2:

Ihr Kunde sagt einen seit langerem vereinbarten Terrain ab mit der Begriindung, dass er zunachst eine Zusammenstellung der potenzi-ellen Lieferanten erarbeiten muss. Sein Vorgesetzter wiinscht dies. Sie wissen, dass sich einige potenzielle Lieferanten um den Auftrag bemiihen werden. Sie konnten Ihrem Gesprachspartner anbieten, ihm die Unternehmensprasentation per E-Mail-Anhang zukommen zu lassen. Vielleicht erlaubt Ihnen Ihr Gesprachspartner, dass Sie auch dem Vorgesetzten die Unternehmensprasentation zukommen lassen.

P- Beispiel 3:

Sie haben mit einem Interessenten einen Terrain auf der Hannover-Messe vereinbart. Sie wissen, dass es dort sehr hektisch zugehen wird. Es korarat aber entscheidend darauf an, dass Ihr Interessent einen bestmoglichen Eindruck von Ihrem Unternehmen und Ihrer Leistung erhalt. Sie miissen es irgendwie schaffen, dass Sie sich positiv vom Wettbewerber abheben. Dafiir konnen Sie die Unter­nehmensprasentation einsetzen. Reservieren Sie einen Bespre-chungsraura und isolieren Sie dadurch Ihren Gesprachspartner vom

184 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

iiblichen Messestress. Durch die Prasentation kommt Ruhe in die Gesprachssituation, Ihr Ansprechpartner kann sich entspannen und wird wahrscheiniich Ihre fiir eine Messe eher ungewohnliche Aktion positiv im Gedachtnis behalten.

NutzenorientiertesProspektmaterial

Dieses Prospektmaterial vermittelt technische Daten, stellt Leistung bildlich (Cerate) oder prozessorientiert (Software, Screenshots) dar und gibt Aufschluss iiber den Einsatzbereich des Leistungsumfangs. Grundsatziich sind Prospekte keine Mafinahme zur Verkaufsforderung, da der Lieferant ohnehin seine Produkte oder Dienstleistungen doku-mentieren muss. Technische Daten beispielsweise haben rechtlich ver-bindlichen Charakter. Der Kunde kann sich darauf beziehen, solhe es im Konfliktfall dazu kommen, dass technisch zugesicherte Eigenschaf-ten nicht eingehalten werden konnen. Aber ein Prospekt wird dann zur verkaufsfordernden MaSnahme, wenn die Leistungsmerkmale mit kon-kreten Nutzenargumentationen anschaulich dargestellt werden. Anstel-le von „Druckleistung: 100 Seiten pro Minute" konnte die Leistung nutzenorientiert so dargesteUt werden: „Die Druckleistung dieser Maschine betragt 100 Seiten pro Minute und versetzt Sie in die Lage, Ihre Auftrage in kiirzerer Produktionszeit zu erledigen - dadurch konnen Sie Ihre Produktionskosten reduzieren".

» Beispiell:

Sie stelien fest, dass die Prospekte des Mitbewerbers Stiickwerk sind. Ihre Prospekte hingegen sind professionell aufgemacht. Nutzen Sie dies aus. Im Rahmen Ihrer Akquisition kann es hiifreich sein, wenn Sie Mappen zusammenstellen, in denen Sie die Imagebroschiire des Unternehmens mit einigen Prospekten kombinieren und dem Interessenten oder Kunden postaHsch iibermitteln. Liegen die Infor-mationen bereits in elektronischer Form vor, so konnen Sie diese Zusammenstellung auch als E-Mail versenden.

P' BeispielZ:

Nehmen Sie bei Ihrer Angebotsgestaltung Bezug auf die nutzenori-entierte Argumentation des Prospektes oder isoHeren Sie diesen Teil. Dadurch sparen Sie Zeit bei der Angebotserstellung - Sie miissen die Nutzenargumentation kein zweites Mai erfinden.

Verkaufsforderung - der Vertriebsmitarbeiter bestimmt den Einsatz 185

1 BeispielS: Sie haben einen Interessenten in Ihren Show-Room zur Produktpra-sentation eingeladen. Stellen Sie fiir Ihren Interessenten eine Infor-mationsmappe (neudeutsch: ein Hand-Out) mit den wichtigsten Prospekten zusammen, die Sie ihm im Anschluss an die Prasentation iiberreichen. Der Interessent erhah damit nochmals eine Zusam-menfassung des Gesagten und Gezeigten und die Produktprasenta-tion wird dadurch abgerundet.

Hauseigene Kundenzeitschrift

Prinzipiell sind Kundenzeitschriften sowohl inhaltiich als auch von der Aufmachung her frei gestaltbar. Das hangt im WesentHchen von den Marketingzielsetzungen ab. Welche Stellung nimmt das Magazin im Mediaplan ein? Wie oft soil es erscheinen? Wie hoch ist die Auflage? Wer ist die Zielgruppe - nur Kunden, nur Interessenten, alle? Wer soil das Magazin lesen - die Anwender oder die Entscheider? Usw. Ublicherweise findet man in Kundenzeitschriften die Darstellung des Leistungsumfangs, neuer Produkte und Leistungen, redaktionell an-schauliche Anwenderberichte sow ie Kontakte und Hinweise auf andere Informationsquellen. Sie erscheinen mehrmals im Jahr, wobei gilt: we-niger Seiten, dafiir ofter ist wirksamer als viele Seiten und dafiir selte-ner. Im Vergleich zu anderen Informationsquellen hat eine professionell aufgemachte Kundenzeitschrift eher den Charakter einer Public-Rela-tions-Mal?nahme. Der Kunde nimmt dieses Medium eher objektiv w ahr und ordnet es dem sachlich-informativen Bereich zu. Er versteht es weniger als WerbemaSnahme. Es gibt Kundenzeitschriften, die sogar den Charakter einer Fachzeitschrift eingenommen haben.

i> Beispiel 1: Sie haben den zweiten Besprechungstermin vereinbart. Sie kennen den Bedarf des Kunden und wollen ihm in dem nun anstehenden Gesprach eine Losungskonzeption prasentieren. In der aktuellen Ausgabe Ihrer Kundenzeitschrift finden Sie einen Anwenderbericht eines wichtigen Referenzkunden, der einen vergleichbaren Leis-tungsumfang einsetzt. Sie machen den Kunden darauf aufmerksam und iiberreichen ihm eine Ausgabe der Kundenzeitschrift. Das schafft Vertrauen. Ihr Kunde erkennt, dass die fiir ihn in Frage kom-mende Losung bereits funktioniert und dass ein bedeutender ande-rer Kunde damit sehr zufrieden ist.

186 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

^ Beispiel2: Sie stehen kurz vor einer Entscheidung. Ihr Kunde tendiert zu Ihrem Angebot, ist aber noch etwas unsicher, weil die Leistung so noch nirgends eingesetzt wird. Sie bieten Ihrem Kunden an, dass nach Installation der Produkte in Ihrer Kundenzeitschrift ein Anwender-bericht erscheinen wird. Sie signalisieren Ihrem Kunden damit, dass Ihr Unternehmen alles daran setzen wird, dass die Losung optimal funktioniert - Sie richten den Fokus Ihres Unternehmens auf diesen Kunden. Zum anderen kann Ihr Kunde die Veroffentlichung als Wertschatzung empfinden. Immerhin verschafft ihm dies in seiner Branche einige Bekanntheit.

f- BeispielS: Sie planen eine gezielte AkquisitionsmaSnahme. Sie haben die Ziel-gruppe identifiziert. Zur Vorbereitung Ihrer Akquisitionsgesprache versenden Sie vorab die neueste Ausgabe Ihrer Kundenzeitschrift. AnschlieSend nehmen Sie im Gesprach Bezug auf die Aussendung. Mit dieser Vorgehensweise erreichen Sie mehrere Ziele gleichzeitig. Sie machen Ihr Unternehmen bekannt, wecken Interesse und er-leichtern sich den Einstieg bei der Akquisition.

Sonderdrucke iiber Referenzanwendungen

Sonderdrucke iiber Referenzanwendungen beschreiben eine bedeuten-de Kundenanwendung in anschaulicher Form. Es sind sowohl Text als auch Bilder enthalten, eventuell noch ein Kurzinterview mit dem An-wenderkunden. Diese Sonderdrucke verfolgen das Ziel, in eindrucks-voller Weise die Leistungsfahigkeit unter Beweis zu stellen. Am Beispiel einer Kundeninstallation wird die Leistung konkret und anschaulich dargestellt. Der Leser dieser Sonderdrucke gewinnt Vertrauen in die Leistungsfahigkeit des Lieferanten. Sonderdrucke sind fiir das Unter­nehmen in der Erstellung kostengiinstiger als eine Kundenzeitschrift, da diese nicht so umfangreich sind. Oftmals reicht ein DIN-A-4-Bogen beidseitig voUfarbig aus. Sollte die Zielgruppe klein sein, so konnte der Sonderdruck auf Bedarf auch elektronisch abgerufen werden. In diesem Fall entfallt eine kostenintensive hohe Vorabauflage.

ii Beispiel 1: Ihr Ansprechpartner ist neu in seiner Funktion und kennt Ihr Unter­nehmen nur oberflachlich. Er mochte wissen, welche Unternehmen

Verkaufsforderung - der Vertriebsmitarbeiter bestimmt den Einsatz 187

bereits mit Ihren Produkten arbeiten. Sie stellen eine Referenzliste zusammen und erganzen diese durch die Sonderdrucke liber Refe-renzanwendungen. Jetzt hat der Kunde die Moglichkeit sich von der Leistungsfahigkeit zu iiberzeugen: wenn jenes Unternehmen mit der erbrachten Leistung zufrieden ist, warum dann nicht auch wir?

Beispiel 2: Sie stellen fest, dass die in einem Sonderdruck beschriebene Leistung auch auf andere Kunden iibertragbar ist. Nutzen Sie das aus: loka-lisieren Sie den Zielmarkt und versenden Sie mittels Direct-Mailing die Sonderdrucke. AnschlieSend fassen Sie telefonisch nach und ver-suchen einen Akquisitionseinstieg zu finden, indem Sie sich auf den Sonderdruck beziehen.

Beispiel 3: Sie erganzen bei der Angebotserstellung die Angebotsmappe um Sonderdrucke. Selbst dann, wenn der Leistungsumfang nicht deckungsgleich sein sollte, signalisieren Sie Ihrem Kunden, dass Ihr Unternehmen offen iiber Anwendungen sprechen kann und vermit-teln damit, dass Kunden Ihres Unternehmens mit der erbrachten Leistung zufrieden sind.

Pressespiegel

Der Pressespiegel enthalt die Zusammenstellung verschiedener verof-fentlichter Artikel iiber das Unternehmen, die Produkte und Leistungen etc. aus der Tagespresse oder aus Fachmagazinen. Er dient iiblicher-weise internen Zwecken, kann aber auch geschickt bei Entscheidern platziert werden.

> Beispiel 1: Ein Interessent mochte noch mehr Informationen iiber Ihr Unter­nehmen erhalten. Er kann es insgesamt noch nicht so gut einschat-zen. Sie stellen Ihrem Kunden den Pressespiegel zur Verfiigung. Der Kunde erhalt komprimiert Stellungnahmen zu Ihrem Unternehmen und zu Ihren Produkten aus verschiedenen Perspektiven. Diese MaSnahme ist auch geeignet, um den Wettbewerb in Schach zu hal-ten, besonders dann, wenn dieser dazu neigt, Ihr Unternehmen schlecht zu machen.

188 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

Beispiel 2: Sie werden von einem Interessenten aufgefordert sich an einer Ausschreibung zu beteiligen. Sie erganzen die Unterlagen mit dem Pressespiegel und zeigen dadurch, dass Sie nichts zu verbergen haben. Sie konnen sich auf diese Weise auch vom Mitbewerber ab-heben, da iiblicherweise bei einer Ausschreibung der Pressespiegel nicht beigefiigt wird.

Beispiel 3: Nach dem Motto „Tue Gutes und rede dariiber" sollten Sie den Pressespiegel fiir Ihre Kunden verfiigbar machen. Verschicken Sie die Information z. B. per E-Mail. Diese MaSnahme sollte aber im-mer mit der Marketingabteilung und dem Management abgestimmt werden.

Leistungskatalog

Der Leistungskatalog enthalt den gesamten Leistungsumfang in iiber-sichtlicher Form. Fiir Unternehmen mit einem sehr umfassenden Ange-bot - z. B. Distributoren - ist diese Form der Leistungsdarstellung ge-brauchlich. Bei der inhaltlichen Gestaltung und Aufmachung besteht die Kunst darin, so viel wie notig und so wenig wie moglich darzustel-len. Zur VerkaufsforderungsmaSnahme wird der Leistungskatalog, wenn er pfiffig aufgemacht ist. Beispielsweise konnte dieser im Format besonders klein gestaltet werden. Dadurch kann man ihn leichter im Geschaftsgepack verstauen, ist er schneller griffbereit und leicht zu handhaben.

> Beispiel 1: Ein Interessent hat zur Zeit keinen Bedarf, die Ersatzbeschaffung steht erst in zwei Jahren an. Er mochte dennoch uber den Leis­tungsumfang informiert sein - aber nicht zu aufwendig. Im Internet surfen ist dem Kunden zu aufwendig. Sie iiberreichen ihm in regel-maSigen Abstanden den Leistungskatalog und halten dadurch den Kontakt aufrecht. Es gibt immer wieder einen Anlass den Interes­senten aufzusuchen.

i Beispiel 2: Sie planen eine Aktion zur Neukundenakquisition. Sie versenden vorab im Rahmen einer Direct-Mailing-Mafinahme den aktuellen

Verkaufsforderung - der Vertriebsmitarbeiter bestimmt den Einsatz 189

Leistungskatalog. Im Akquisitionstelefonat beziehen Sie sich auf den Katalog und versuchen einen Gesprachstermin zu vereinbaren.

P- Beispiel3: Sie erstellen ein Angebot fiir einen Kunden. Der Kunde fragt zu die-sem Zeitpunkt eine spezielle Leistung nach. Sie haben jedoch ermit-telt, dass der Kunde durchaus zu spateren Zeitpunkten Bedarf nach anderen Leistungen Ihres Unternehmens haben konnte. Sie ver-senden mit dem Angebot den Leistungskatalog und geben Ihrem Kunden die MogHchkeit sich vollstandig zu informieren.

Muster und Exponate

Muster und Exponate sind Produktionsresultate, die den Leistungsum-fang im Kundengesprach beispielhaft zeigen konnen. Dazu zahlen: Druckmuster, Formteile, Stoffmuster und andere MateriaHen. Sie ver-mitteln dem Kunden im Rahmen eines Gesprachs einen konkreten Ein-druck iiber mogliche Produktionsergebnisse.

t'- Beispiel 1: Sie stellen im Verkaufsgesprach die gute Wiedergabequalitat Ihrer Druckmaschine heraus. Der Kunde hort Ihnen aufmerksam zu und er-widert Ihre Ausfiihrungen, indem er sagt: „Wissen Sie, alle behaupten, dass ihre Maschinen die beste QuaHtat erzeugen". Daraufhin prasen-tieren Sie ihm einige Druckmuster und zeigen Ihrem Gesprachspartner die besonderen Starken Ihrer Druckmaschine auf. Das macht Ein-druck und ist eine gute Vorbereitung fiir eine Produktvorfiihrung.

P- Beispiel 2: Im Rahmen der Produktvorfiihrung konnen Sie Muster erstellen. Am Beispiel eines Hochleistungsdrucksystems wird dies deutlich. Sie konnen die Wiedergabequalitat verandern, Sie konnen verschiedene Bedruckstoffe verwenden und Endverarbeitungsmoglichkeiten wie Heften, Binden oder Falten zeigen. Sammeln Sie die Muster und stel­len Sie dem Kunden daraus eine Mappe zusammen, die er anschlie-6end mitnehmen kann. Selbst wenn der Kunde meint, dass dies nicht notwendig sei, versuchen Sie ihn trotzdem dazu zu bewegen, Ihre Druckmuster mitzunehmen. Dadurch haben Sie anschlieSend die Moglichkeit in weiterfiihrenden Gesprachen auf diese Muster Bezug zu nehmen. Auch hat der Kunde die Moglichkeit sich immer wieder Ihre Ergebnisse zu vergegenwartigen.

190 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

Beispiel 3: Eine Produktinnovation Ihres Unternehmens produziert Ergebnisse -z. B. neue Dichtungsringe aus besonders leichtem Material, die einma-lig im Markt sind. Versenden Sie vorab kleine Mengen an Ihre wichti-gen Kunden, damit diese sich einen ersten Eindruck verschaffen bzw. weiterfiihrende Tests durchfiihren konnen. Nehmen Sie im Rahmen der Nachfassaktion Bezug auf die Aussendung der Exponate.

Give-Aways

Give-Aways sind Kundengeschenke, die entweder einen eindeutigen Be­zug zum Leistungsumfang lierstellen bzw. das verschenkende Unter-nehmen erkennen lassen. Der Phantasie sind dabei (fast) keine Grenzen gesetzt. Eine Reihe von Unternehmen haben es sich zur Aufgabe ge-macht, Give-Aways in den unterschiedlichsten Formen herzustellen und zu vermarkten. Zu den klassischen Give-Aways zahlen Taschen, Kugel-schreiber, Tischtaschenrechner usw. mit dem Firmenaufdruck, kleine Spielzeuge, Badehandtiicher oder Schreibblocke in Leder gefasst. Oder denken Sie an witzige Give-Aways wie Radios in Computermausform. Das Prinzip der Give-Aways hei6t: Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft und soUen die Beziehungsebene zum Gesprachspartner verbessern. Das ist so eindeutig, dass dies dem Gesprachspartner auch unmittelbar klar ist. Aber genau hier liegt auch die Gefahr dieser Ma6-nahme. Nicht jeder Gesprachspartner wiinscht „Nahe" zu seinem Lie­fer anten, die in dieser Form hergestellt wird. Einige Gesprachspartner verstehen dies eher als Vorteilsnahme oder als Versuch des Vertriebs-mitarbeiters Abhangigkeiten herzustellen. Man versucht, den zuletzt genannten Aspekt mittels Wertgrenzen oder Antikorruptionsvorschrif-ten zu erfassen bzw. unter KontroUe zu bringen. Das ist jedoch ein schwieriges Unterfangen. Letztlich kommt es auf die Absicht und die Einstellung beider Gesprachspartner an. Give-Aways gehoren zur Ge-schaftswelt dazu. Ein wenig Fingerspitzengefiihl reicht aus, um dem ne-gativen Anstrich dieser MaSnahme zu entgehen.

f* Beispiel 1: Ein Interessent besucht Sie auf Ihrem Messestand. Sie zeigen ihm die Neuheiten und stellen einige Unterlagen zusammen. Der Kunde hat keine Tasche dabei. Sie iiberreichen ihm eine Tasche mit Firmenauf­druck, die er auch noch anderweitig nutzen kann. Der Kunde freut

Verkaufsforderung - der Vertriebsmitarbeiter bestimmt den Einsatz 191

sich, dass das Transportproblem gelost ist und verlasst in guter Stimmung Ihren Messestand.

Beispiel 2:

Sie haben Ihrem Kunden in Ihrem Show-Room den Leistungsum-fang prasentiert. Zum Abschied iiberreichen Sie ihm ein Give-Away, das Ihren Kunden an die erfolgreiche Produktprasentation erinnern wird. Dadurch stellen Sie einen positiven Bezug zu Ihrer Leistung her.

Beispiel 3:

Es kommt zum Vertragsabschiuss. Im Anschluss daran iiberreichen Sie dem Kunden ein Give-Away als kleines Dankeschon.

Verkaufsforderung - im Team sind Sie stark

Einige VerkaufsforderungsmaEnahmen eignen sich sehr gut dafiir, im Verkaufsteam durchgefiihrt zu werden. Die gemeinsame Vorgehens-weise im Team ist motivierend und hilft dem Einzelnen seine Verkaufs-ziele besser erreichen zu konnen. Es entsteht ein gemeinschaftUches, leistungsorientiertes ArbeitskUma. Die foigende Abbildung gibt Ihnen zunachst einen Uberbiick von geeigneten Mafinahmen.

• Regionale Kundenveranstaltungen -

Open House mit dem Ziel der Leistungsprasentation

• Kundenwertschatzungsprogramme

• Anwenderbezogene Tagungen - Fachvortrage, Kundenauftritte

• Leistungsprasentationen bei Kunden vor Oil - Kunde lernt von Kunde

Abbildung 26: VerkaufsforderungsmaSnahmen, die im Team organisiert werden

konnen

192 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

Open-House-Veranstaltungen

Open-House-Veranstaltungen oder Hausmessen dienen in erster Linie der zeitlich begrenzten Leistungsprasentation fiir Kunden und Interessenten. Sie Ziehen sich in der Kegel iiber mehrere Tage bin. Bei der Ausrichtung einer Open-House-Veranstaltung konnen verschiedene Ziele oder Ziel-kombinationen verfolgt werden. Zu den iiblichen Zielsetzungen zahlen:

® Die Bekanntmachung von neuen Produkten oder Dienstieistungen, die auEerhalb der iiblichen Messenzeiten auf den Markt gebracht werden soUen.

* Beschleunigen der aktuell gefiihrten Verkaufszyklen, um den Vertrags-abschluss bzw. die Entscheidung schneller herbeifiihren zu konnen.

» Positionierung und Einordnung des eigenen Unternehmens im Wett-bewerbsumfeld.

« Verstarkung der Motivation in der Vertriebsmannschaft - neuer Schw^ung im Team.

* Vertiefung und Konkretisierung der auf einer iiberregionalen Messe gezeigten Leistungen - Messenachlese.

Die Planung und Vorbereitung einer derartigen Veranstaltung erfordert zusatzliche Anstrengungen jedes Einzelnen. Es ergeben sich jedoch so-wohl in der Planungs- als auch in der Durchfiihrungsphase einige Vor-teile fiir die Vertriebsmitarbeiter:

* In der Planungsphase vi ird unter anderem das Motto und die Ziel-setzung formuliert. Der Vertriebsmitarbeiter beginnt dariiber nach-zudenken, welche Starken das eigene Unternehmen hat. Mit dieser Denkleistung richtet er automatisch den Fokus auf die Starken - ihm werden die Starken seines Unternehmens bewusster.

« Die Zielgruppe wird definiert. Das Vertriebsteam trifft eine Ent­scheidung dariiber, fiir welche Kunden und Interessenten die Leistungsprasentation nutzbringend sein kann. Im Zuge dieses Planungsabschnittes arbeitet der Vertriebsmitarbeiter seine Kunden-und Interessentendatenbank dutch. Er beschaftigt sich gezielter mit seinem Kundenpotenzial und entdeckt vielleicht Interessenten, die ihm aktuell nicht im Bewusstsein waren und aus denen sich neue zu­satzliche Verkaufschancen entwickeln lassen.

Verkaufsforderung - im Team sind Sie stark 193

• Die Einladungsaktion wird vorbereitet. Das geschieht iiblicherweise mittels Einladungsbrief mit einer anschliefienden telefonischen Nachfassaktion, um die Termine zu bestatigen. Dies kommt einer konzentrierten Akquisitionstatigkeit gleich. Der Vertriebsmitarbeiter iibt sich am Telefon und trainiert seine Fertigkeiten.

« Der Vertriebsmitarbeiter setzt sich zur Vorbereitung gezielter mit dem Leistungsumfang auseinander. Infolgedessen verbessert sich sein Wissen und er wird einen hoheren Grad an Kompetenz ausstrahlen konnen. Er wird automatisch besser und sicherer in seiner Argu­mentation und kann seinen Kunden selbstbewusst gegeniibertreten.

* Werden im Rahmen der Open-House-Veranstahung „Live"-Prasen-tationen durch die Vertriebsmitarbeiter selbst durchgefiihrt, verbes­sert der Mitarbeiter seine Prasentationsfertigkeiten durch die geziei-te Vorbereitung.

• Wahrend der Veranstaitung selbst ist die Kontaktzahl deutlich grower als an einem durchschnitthchen AuSendiensttag. Die Produk-tivitat des Vertriebsmitarbeiters steigt. Er kann in gleicher Zeit mehr Kunden bzw. Interessenten personhch kontaktieren und seine Ver-kaufszykien zu seinen Gunsten positiv beeinflussen.

e Bei Open-House-Veranstaltungen werden iibUcherweise die Kunden und Interessenten bewirtet. Das gemeinsame Essen verbessert die Be-ziehungsebene zwischen Vertriebsmitarbeiter und Kunde.

Kundenwertschatzungsprogramme

Kundenwertschatzungsprogramme dienen in erster Linie der Verbes-serung der Beziehungsebene zum Kunden. Diese MaSnahme ist fiir Interessenten eher ungeeignet, da sie schnell als Angebot einer Vorteils-nahme missverstanden werden konnen. Folgende Zielsetzungen werden bei Kundenwertschatzungsprogrammen verfolgt:

» Verbesserung der Beziehungsebene zum Kunden.

« Verstarkung der Kundenbindung auSerhalb des geschaftlichen Rahmens.

« Schaffung von erneuter Kaufneigung fiir Anschlussgeschafte.

• Dankbarkeit praktizieren.

194 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

Zur professionellen Vorbereitung eines Kundenwertschatzungspro-gramms sollte das Vertriebsteam sollte folgende Rahmendaten klaren:

* Fiir wen soil die Veranstaltung gedacht sein - Anwender oder Ent-scheider?

* Welchen Anlass nehmen wir fiir die Wertschatzungsaktion?

® Welcher Veranstaltungsort erscheint geeignet?

* Wie sollen die Gaste bewirtet werden?

« Welches Rahmenprogramm soil angeboten werden?

Dem Vertriebsmitarbeiter fallt die Aufgabe zu, den Personenkreis in-nerhalb seiner Kundschaft auszuwahlen und wie bei der Open-House-Veranstaltung die Einladungs- und Nachfassaktion durchzufiihren. Gelungene Kundenwertschatzungsprogramme haben pragenden Cha-rakter und wirken nachhaltig. Oftmals erinnern sich Kunden noch nach Jahren an die Veranstaltung und denken gerne daran zuriick. Manche Kunden - vor allem Anwender - sind stolz darauf, von einem solchen Lieferanten die Leistung zu beziehen. Aber: Ahnlich wie bei den Kundengeschenken beschreitet das durchfiihrende Unternehmen eine Gratwanderung. Es ist Vorsicht geboten, im Rahmen der Durch-fiihrung nicht zu iibertreiben. Es darf keinesfalls der Eindruck von Vor-teilsnahme oder Schaffung von Abhangigkeiten entstehen. VoUkommen ausschliefen kann man das sicher nicht, allein schon deshalb, weil man es tut. Es sollten jedoch sorgfaltig die Grenzen ausgelotet werden. Die vorweihnachtliche Zeit eignet sich gut fiir ein Kundenwertschatzungs-programm. So ist es denkbar fiir diejenigen Mitarbeiter der Kunden-unternehmen eine Weihnachtsfeier zu organisieren, die als so genannte Bediener oder Operators tagtaglich mit den Geraten arbeiten. Haufig wird dieser Personenkreis im Investitionsgiiterbereich vernachlassigt, was ein Fehler ist, denn diese Mitarbeiter werden zunehmend starker an der Entscheidungsfindung beteiligt.

Anwenderbezogene Tagungen - Fachvortrage, Kundenauftritte

Anwenderbezogene Tagungen strahlen einen hohen Grad an Objekti-vitat aus. Im Rahmen der Tagung will das Unternehmen Moglichkeiten eroffnen, dazuzulernen, Wissen und Erfahrungen auszutauschen, um

Verkaufsforderung - im Team sind Sie starl< 195

Investitionsentscheidungen besser treffen zu konnen. Tagungen haben eher Informations- als Verkaufscharakter. Es erfordert Mut vom be-troffenen Unternehmen, im Rahmen einer Tagung aktuelle Themen zu diskutieren. Es besteht die Gefahr, dass einige Kunden - oder wahr-scheinlicher Interessenten - der Auffassung sind und dieses auch zum Ausdruck bringen, dass der Mitbewerber bestimmte Problemfelder durch seine Leistung besser losen kann. Dieser Gefahr soUte in geeig-neter Weise dadurch vorgebeugt werden, dass im Vorfeld foigende Fra-gen geklart werden miissen:

» Welchen Zweck verfolgen wir mit dieser Tagung?

• Was wollen wir erreichen?

# Wen wollen wir einladen?

• Wer soil Vortrage halten?

• Was haben die Zuhorer vom Vortragenden?

# Wie soil die Diskussion geleitet werden?

* Wie gehen wir mit kritischen Einwanden um?

Fachtagungen konnen, wie alle anderen Veranstaltungen auch, ver-schiedene Zielsetzungen verfolgen. Einige Zielsetzungen leiten sich aus den oben dargestellten Fragestellungen ab. Dazu zahlen:

s Verbesserung des Verstandnisses fiir die bearbeiteten Zielmarkte.

* Verbesserung des Unternehmensimage - Fachtagungen ziehen bei-spielsweise regionale Pressereaktionen nach sich.

» Verbesserung der eigenen Kompetenzwirkung nach au6en.

• Verbesserung des Wissens und Steigerung der Argumentationssicher-heit der Vertriebsmitarbeiter.

• Gemeinsames Erarbeiten (Kunden und Vertriebsmitarbeiter) von neuen Problemlosungsmoglichkeiten.

Fiir die Vertriebsmitarbeiter in einem Verkaufsteam stellt die Fachta-gung eine weitere verkaufsfordernde Mafinahme dar. Sie bietet eine weitere Moglichkeit, Kunden und Interessenten anzusprechen und ihr Interesse fiir das Unternehmen zu wecken. Kunden, die vielleicht nicht gerne zu einer Open-House-Veranstaltung gehen, weil sie dahinter ei-

196 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

nen verkaufsorientierten Charakter vermuten, lassen sich eventuell leichter dazu bewegen, an einer Tagung teilzunehmen. Auf den Ver-triebsmitarbeiter konnen in der Vorbereitungsphase folgende Aufgaben zukommen:

* Im Team Inhalt und Zweck der Veranstaltung festlegen.

* In Abstimmung mit der Marketingabteilung den Veranstaltungsort und -zeitpunkt festlegen.

® Einladungsschreiben entwickeln, versenden und telefonisch nachfassen.

* Gegebenenfalls eigene Vortrage vorbereiten.

Leistungsprasentationen vor Ort - Kunde lernt von Kunde

Die Leistungsprasentation bei Kunden vor Ort stellt eine Veranstaltung mit sehr grower Wirkung dar. Prasentationen von Kunden fiir Kunden und Interessenten werden als authentischer und ehrlicher eingestuft als Prasentationen von Vertriebsmitarbeitern im Show-Room. Bei letzteren unterstellt der Kunde - berechtigterweise - das Interesse des Vertriebs-mitarbeiters einen Vertragsabschluss herbeizufiihren. Die Kunden unter-stellen ihm zwar nicht, dass er mogelt oder gar liigt, aber es ist durch-aus denkbar, dass sie ihm unterstellen, dass er das eine oder andere Detail in einem etwas helleren Licht erscheinen lasst und vielleicht die eine oder andere Schwache schlichtweg vergisst zu erwahnen. Prasenta­tionen bei Kunden vor Ort sind aus Sicht vieler Kunden objektiver.

Der Umfang einer Leistungsprasentation bei Kunden vor Ort muss im Vorfeld hinsichtlich der Anzahl der Teilnehmer bestimmt w^erden. Im Vergleich zur Qpen-House-Veranstaltung, die noch einmal um einen Tag verlangert werden konnte, wenn der Zuspruch sehr hoch ist, soll-te auf die knappe Kapazitat und vor allem auf die Zumutbarkeit ge-achtet werden. Die schwierige Frage lautet: Welcher Kunde ist bereit, mit einer groSeren Gruppe eine gemeinsame Veranstaltung durchzu-fiihren? Denkbar sind Unternehmen, die mit dem von Ihrem Unterneh-men eingesetzten Leistungen im Business-to-Business-Geschaft tatig sind. In der Druckbranche scheinen grofere Druckereien geeignet zu sein, da sich das Unternehmen von der Durchfiihrung der Veranstal­tung neue Kontakte versprechen konnte. Bei der Zusammenstellung der Teilnehmer sollte die potenzielle Konkurrenzsituation der Kunden zu-

Verkaufsforderung - im Team sind Sie stark 197

einander beachtet werden. Unternehmen verschaffen sich durch geziel-te Investitionen in moderne oder zusatzliche Produktionsanlagen auch haufig Wettbewerbsvorteile oder beabsichtigen dies zumindest. Des-halb ware es ungiinstig, wenn sich zwei starke Konkurrenten treffen und herausfinden, was der jeweils andere plant oder woriiber er nachdenkt. Dieser Situation kann der Vertriebsmitarbeiter dadurch entgegentreten, indem er im Vorfeld den Stand der Zusagen den Teilnehmern offenlegt bzw. die Teilnehmerliste individuell mit jedem Einzelnen abstimmt.

Auf den Vertriebsmitarbeiter kommen in geringerem Umfang ver-gleichbare Vorbereitungsaktionen wie bei einer Open-House-Veranstal-tung zu - Einladung formulieren, telefonisch nachfassen und Kunden begleiten.

Diese Form der Kundenveranstaltung stellt fiir Vertriebsmitarbeiter und -teams eine weitere Option dar, dem Kunden die Leistung naher-zubringen. Der verkaufsfordernde Effekt liegt auf der Hand. Nicht der Vertriebsmitarbeiter sondern der Kunde prasentiert die Leistung. Ohne es erwahnen zu miissen, signalisiert er auch hohe Zufriedenheit mit dem Lieferanten. Ansonsten ware er wohl kaum bereit, die Miihen ei­ner solchen Veranstaltung auf sich zu nehmen. Da derartige Veranstal-tungen eher sehen durchgefiihrt werden, haben sie pragenden Charak-ter und bleiben bei den Teilnehmern fiir lange Zeit im Gedachtnis.

Verkaufsforderung - nutzen Sie die Power der Zentrale

Zentral im Unternehmen organisierte VerkaufsforderungsmaEnahmen bzw. fiir den Vertrieb zur Verfiigung gestellte Ressourcen besitzen eine gro6e Schlagkraft. Die MaSnahmen sind iiberregional angelegt und meistens von Verkaufsmanagement und Marketing initiiert worden. Damit stehen dann auch die entsprechend notwendigen Geldmittel zur Verfugung. Das bringt fiir Vertriebsmitarbeiter und -teams Vorteile mit sich. Sie konnen auf bereits fertige Konzepte oder erstellte Materialien zugreifen. Das erspart wertvoUe verkaufsaktive Zeit. Die folgende Ab-bildung gibt einen Uberblick iiber geeignete, zentral gesteuerte ver­kaufsfordernde Maf?nahmen:

198 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

• Messeteilnahme

• VIP-Trips

• Anwendertagungen

• Fabrikbesichtungen

• Internetkommunikation

• Zeitlich befristete Verkaufsaktionen

Abbildung 27: Verkaufsfordernde MaBnahmen, die zentral organisiertwerden

Messeteilnahme

Je nach Blickwinkel lassen sich bei einer Messeteilnahme unterschied-liche Zielsetzungen herausstellen. Das Top-Management konnte repra-sentative Zielsetzungen verfolgen. Die Abteilung Forschung und Ent-wicklung nutzt eine Messe, um Produktinnovationen zu zeigen und diese in den Vergleich zum Mitbewerb zu stellen. Geschichtlich gese-hen, erfiillte eine Messe den Zweck, Neuheiten einem breiten Publikum oder einem Fachpublikum zuganglich zu machen. Aus dem Blickwinkel der Vertriebsorganisation hat eine Messe jedoch verkaufsfordernden Charakter. Es gibt heute eine Vielzahl von Messen, die als so genannte Verkaufsmessen konzipiert worden sind. Der urspriingliche Zweck, Neuheiten einem breitem Publikum zuganglich zu machen, tritt dabei in den Hintergrund. Bei diesen Messen geht es um die Erreichung von Verkaufszielen.

Da es bei der Organisation von Messen eine Vielzahl von unterschied-lichen Varianten gibt, nehmen wir zur Verdeutlichung der verkaufs­fordernden Effekte modellhaft folgende Situation an: Die Zentrale ent-scheidet sich fiir die Teilnahme an einer iiberregionalen Messe, z. B. Hannover Messe. Auf dem Messestand werden das aktuelle Produkt-programm und einige Neuheiten ausgestellt. Ferner sind Exponate, Muster sowie Give-Aways in ausreichendem MaSe vorhanden. Durch entsprechend geschultes Personal konnen die Produkte vorgefiihrt wer­den. Jeder Vertriebsmitarbeiter hat die Moglichkeit einige Tage auf dem Messestand personlich prasent zu sein.

Verkaufsforderung - nutzen Sie die Power der Zentrale 199

Wie konnte der Vertriebsmitarbeiter diese Messe im Hinblick auf seine Verkaufszielsetzungen bestmoglich nutzen?

® Es ist sinnvoU, zunachst diejenigen Kunden und Interessenten zu be-stimmen, bei denen der Verkaufszyklus bereits weit fortgeschritten ist bzw. der Entscheidungszeitpunkt in absehbare Nahe geriickt ist. Mit diesen Kunden bzw. Interessenten soUte der Vertriebsmitarbeiter auf der Messe Termine ve.reinbaren und diese vor Ort personlich be-treuen. Ziel des Vertriebsmitarbeiters sollte es sein, moglichst viele personliche Termine zu vereinbaren. Er sollte die Messe nutzen, um diesen Personen nochmals eindrucksvoU die Stellung des Unterneh-mens zu vermitteln, die Leistung zu prasentieren und die Bezie-hungsebene zu vertiefen. Er sollte noch einmal herausarbeiten, dass der Kunde oder Interessent bei einer Entscheidung zugunsten des Un-ternehmens eine gute Entscheidung treffen wird. Sollte der Entschei­dungszeitpunkt in greifbarer Nahe sein, so sollte der Vertriebsmitar­beiter priifen, ob sich der Vertragsabschluss nicht auf der Messe rea-lisieren lasst. Als Anreiz konnte ein Messerabatt dienen. Da auf der Messe in der Kegel Vertreter des Top-Managements anwesend sind, sollte der Vertriebsmitarbeiter versuchen, eine Zusammenkunft zwi-schen Kunde und Management zu organisieren. Viele Kunden emp-finden es als Wertschatzung, wenn sich jemand vom Management personlich um ihn bemiiht, es fordert das Vertrauen auf beiden Sei-ten und verbessert die Beziehungsebene. Ein kleines Give-Away zur Verabschiedung rundet den Messebesuch ab.

* Bei denjenigen Kunden und Interessenten, die die Messe an einem Tag besuchen werden, an dem der Vertriebsmitarbeiter nicht auf dem Stand ist, sollte der Vertriebsmitarbeiter versuchen, eine Betreuung zu organi­sieren. Es ist natiirlich nicht zumutbar, dass ein Kollege - der ja seiner-seits die Verantwortung fiir seine eigenen Kunden hat oder haben soll­te - hundertprozentige Aufmerksamkeit auf den Kunden bzw. Interes­senten des nicht anwesenden KoUegen richten kann. Die Mitarbeiter am Counter soUten den Kunden aber in Empfang nehmen konnen, ihm eine Erfrischung anbieten und den Standbesuch managen. Vielleicht hat ein Kollege gerade etwas Zeit und kann sich um den Kunden bzw. In­teressenten kiimmern. Diese Vorarbeit schatzen die meisten Kunden. Obwohl der zustandige Vertriebsmitarbeiter selbst nicht anwesend ist, wurde sein Besuch geplant. Der Kunde fiihlt sich gut aufgehoben und dies wird sich auf die weitere Geschaftsbeziehung positiv auswirken.

200 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

Der Vertriebsmitarbeiter sollte jeden seiner Kontakte mittels Messebe-richt dokumentieren. Das ist nicht immer einfach, denn meistens geht es auf einer Messe hektisch zu, die Luft ist schlecht, die FiiSe tun weh. Aber: fiir eine professionelle Messenacharbeit ist der Messebericht un-erlasslich - er dient namlich keineswegs nur statistischen Zwecken. Ein erfolgreicher Messekontakt muss nachbearbeitet werden.

Oftmais stehen auf dem Messestand Muster, Exponate oder Ahnli-ches zur Verfiigung, die im normaien Tagesgeschaft gar nicht oder nur schwer zu bekommen sind. Nutzen Sie die Messe auch im Hin-blick darauf und versorgen Sie sich ausreichend mit Materialien.

VIP-Trips

Je komplexer der Leistungsumfang eines Unternehmens ist, desto mehr Bereiche gibt es, die ineinander spielen miissen, um beim Kunden die Leistung bestmoglich aufrecht erhalten zu konnen. Je grol?er das Inve-stitionsvolumen ist, desto mehr setzen die Entscheider sich mit den Ri-siken auseinander. Diese beiden Aspekte fiihren bei den meisten Ent-scheidern zunachst zu grofierer Entscheidungsunsicherheit. Sie fragen sich: Wir investieren sehr viel Geld in die Zukunft, kann das potenzielle Unternehmen die geforderte Leistung auch wirklich iiber den vertrag-lich vereinbarten Zeitraum aufrecht erhalten? Zwangslaufig beschaf-tigen sich viele Entscheider detaillierter mit dem Lieferantenunter-nehmen an sich und nicht nur mit dem konkreten Leistungsumfang. Sie interessieren Fragestellungen wie:

t Wachst oder stagniert das Unternehmen, oder ist es mit seinem Geschaftsvolumen gar riicklaufig?

s Wie hat das Unternehmen seine Prozesse organisiert?

* Wie werden die Cerate produziert?

s Wird das Unternehmen auch noch in fiinf Jahren am Markt sein?

« Wie funktioniert die Hotline?

* Ist das Unternehmen profitabel - wirtschaftlich gesund?

Verkaufsfbrderung - nutzen Sie die Power der Zentrale 201

Fiir den Vertriebsmitarbeiter ist die Klarung derartiger Fragestellungen vor Ort schwierig. Hinzu kommen qualitative Aspekte wie der, ob sich der Kunde mit dem Lieferanten wohlfiihlt, ob er Vertrauen fassen kann. Der VIP-Trip wirkt dieser kundenseitigen Verunsicherung entgegen. Der Kunde wird eingeladen, sich mit dem Unternehmen vor Ort direkt und unmittelbar vertraut zu machen. Der iiblicherweise als Tagesreise organisierte VIP-Trip erfiillt einerseits die Aufgabe, obige Fragestellun­gen zu klaren. Dem Kunden wird die Zentrale gezeigt, die Hotline, die Fabrik usw., so dass er sich ein eigenes Bild machen kann. Er lernt in der Kegel Mitglieder des Managements personlich kennen, erhalt Ein-blick in die vi^irtschaftliche Situation des Unternehmen. Die Manager stehen zur Beantwortung von Fragen zur Verfiigung. Andererseits hat der VIP-Trip auch wertschatzenden Charakter. Dem Kunden ist klar, dass eine solche Veranstaltung nicht fiir jeden Kunden organisiert und durchgefiihrt werden kann. Ihm wird signalisiert, dass er fiir das Un­ternehmen ein besonders wichtiger Kunde ist, den man gerne fiir sich gewinnen mochte und sich dementsprechend ernsthaft mit seinen An-liegen auseinander setzt.

Die Organisation dieser Mafinahme ist aufwendig und kostenintensiv. Der Vertriebsmitarbeiter sollte sich deshalb nicht nur auf sein eigenes Urteil verlassen und lieber einmal mehr mit KoUegen oder Vorgesetzten erortern, fiir welche Kunden diese Mafinahme sinnvoU sein kann.

Anwendertagungen

Stellt ein Unternehmen Maschinen her, die qualifiziert bedient werden miissen, z. B. GroSrechneranlagen, dann konnen Anwendertagungen durchgefiihrt werden. Angesprochen wird dabei schwerpunktmafiig der Personenkreis, der diese Maschinen bedient, also fiir das Operating und die Produktion verantwortlich ist. Zentral durchgefiihrte Anwen­dertagungen erfiillen zweierlei Zwecke. Zum einen den marketing-orientierten, zum anderen einen verkaufsfordernden Zweck. Fiir die Marketingabteilung ist es wichtig, einen konkreten Bezug zum aktuellen Marktgeschehen herzustellen. Wie zufrieden sind die Anwender mit der Leistung? Was konnte man besser machen? Wie schatzen die Anwender die Wettbewerber ein? Welche Markttrends sind sichtbar? In welche Bereiche sollte investiert werden? Oftmals wird dem Anwender zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Das ist ein Fehler. Die meisten An-

202 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

wender haben ein sehr gutes Gespiir dafiir, wie man Produkte verbes-sern oder weiterentwickeln kann. Unternehmen, die das erkennen und nutzen, schaffen sich eine gute Informationsgrundlage.

Der verkaufsfordernde Effekt besteht in der Wertschatzung gegeniiber dieser Personengruppe. Die Teilnehmer finden es gut, in dieser Art und Weise ernst genommen zu werden. Sie freuen sich, dass ihre Meinungen und Ideen auf der Managementebene Gehor finden, dass mit ihnen qualifiziert diskutiert und gearbeitet wird. Die Kundenbindung kann verstarkt werden. Bei den meisten Investitionsgiiterentscheidungen werden die Anwender direkt mit einbezogen. SchlieSlich muss dieser Personenkreis iiber einen langeren Zeitraum mit den Maschinen arbei-ten. Sie wissen oftmals am besten, worauf es in der Produktion ankommt. Kombiniert man die Anwendertagung mit einem anspre-chenden Rahmenprogramm, dann wirkt sich das zusatzhch auf die Kundenzufriedenheit aus. Der Vertriebsmitarbeiter lernt seine An-sprechpartner besser kennen und einschatzen. Zuriick in seinem Verkaufsbezirk kann der Vertriebsmitarbeiter auf diese Personen zahlen, wenn ein anderer Kunde eine Referenz wiinscht.

Fabrikbesichtigungen

Fabrikbesichtungen und VIP-Trips liegen eng beieinander. Die Besichti-gung der Produktionsstatte ist oft Bestandteil eines VIP-Trips. Im Ver-gleich dazu konnen jedoch Fabrikbesichtungen leichter geplant werden und sind nicht so aufwendig wie der oben dargestellte VIP-Trip. Der Zweck einer Fabrikbesichtigung ist etwas enger gefasst. Er dient zwar auch dem Abbau von Unsicherheiten beim Kunden, ist aber einge-schrankt auf den Produktionsbereich. Dem Kunden konnte bei einer Fabrikbesichtung Folgendes verdeuthcht werden:

* Das Unternehmen ist in der Lage, mit modernen Produktionsanlagen wirtschaftHch zu fertigen.

* Das Quahtatssicherungskonzept sorgt fiir eine gleichbleibend hohe Fertigungsquahtat.

* Das Unternehmen bezieht okologische Aspekte mit in die Fertigung ein.

* Das Unternehmen ist ein verlasshcher und kompetenter Partner.

Verkaufsforderung - nutzen Sie die Power der Zentrale 203

Diese Zielsetzungen haben verkaufsfordernde Effekte. Der Kunde fasst mehr Vertrauen in die Leistungsfahigkeit des Unternehmens. Er emp-findet die Fabrikbesichtung als personliche Wertschatzung, denn ihm wird Einblick in das „Allerheiligste" gewahrt. Unsicherheiten konnen abgebaut, die Beziehungsebene vertieft werden. Der Teilnehmerkreis sollte vom Vertriebsmitarbeiter sorgfaltig ausgewahlt werden. Pauschal-einladungen bergen die Gefahr von zu gro6en Streuverlusten.

Internetkommunikation

Der Internetauftritt ist eine weitere Visitenkarte eines Unternehmens. Der Kunde iibertragt vielfach die Darstellung eines Unternehmens im In­ternet auf die gesamte Leistungsfahigkeit der Organisation. Bei einer mittelmaSigen oder gar schlechten Prasentation wird der Vertriebsmit­arbeiter in eine ungiinstige Ausgangssituation gebracht. Er muss im Ge-sprach ausgleichend argumentieren und sich rechtfertigen. Earner be-steht zusatzlich die Gefahr, dass ein solcher Internetauftritt Verargerung beim Kunden hervorruft, weil z. B. die hinterlegten Informationen ver-altet oder fehlerhaft sind, zu viel Zeit beim Seitenaufbau verstreicht, die Fiihrung durch die Hompage uniibersichtHch oder zu kompliziert ist usw. Der Vertriebsmitarbeiter trifft zum Gesprachstermin ein und stoSt auf einen bereits im Vorfeld verargerten Kunden - keine besonders leich-te Aufgabe. Also, es sollte sehr viel Wert auf eine gute Gestaltung und Handhabbarkeit der Website gelegt werden, denn eine professionelle In­ternetkommunikation beinhaltet fiir den Vertriebsmitarbeiter viele ver­kaufsfordernde Effekte und kommt dem gesamten Unternehmen zugute. Der Informationsaustausch kann erheblich beschleunigt werden. Der Kunde hat die Moglichkeit, sich ohne personliche Beteiligung des Ver-triebsmitarbeiters umfassend iiber das Unternehmen zu informieren. Er kann sich auf anstehende Gesprache besser vorbereiten oder punktuell Informationen, die beim Gesprach vergessen wurden, abrufen. Fiir den Vertriebsmitarbeiter bedeutet die Internetkommunikation die Verbesse-rung seiner personlichen Produktivitat. Er spart schlichtweg Zeit. Vor-aussetzung dafiir - wie schon gesagt - ist allerdings, dass die Homepage sowie die bereitgestellten Informationen aktuell, leicht zu finden und verstandlich sind. Zusammenfassend lassen sich die folgenden verkaufs-fordernden Effekte zusammenfassen:

204 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

t Eine professionel! gestaltete Internetkommunikation wirkt sich posi-tiv auf das Image des Unternehmens aus und schafft fiir den Ver-triebsmitarbeiter giinstige Rahmenbedingungen.

• Ein starker Internetauftritt wird vom Kunden emotional auf die ge-samte Leistungsfahigkeit des Unternehmens iibertragen. Damit hat es der Vertriebsmitarbeiter leichter, die Abgrenzung zum Wettbewerb darzustellen.

» Der Vertriebsmitarbeiter spart wertvoUe verkaufsaktive Zeit, da der Kunde relevante Information vorab abrufen kann.

• Unterlagen, die im Internet hinterlegt sind, konnen vom Kunden direkt im Gesprach abgerufen und ausgedruckt werden. Der Ver­triebsmitarbeiter kann mit dem Kunden das Gesprach unmittelbar fortfiihren.

• Der Vertriebsmitarbeiter erspart sich die Zeit fiir das Nachreichen von Unterlagen, wenn diese einmal nicht im Gesprach griffbereit sind. Sie konnen vor Ort beim Kunden komplettiert werden.

Zeitlich befristete Verkaufsaktionen

Das Ziel von zeitlich befristeten Verkaufsaktionen ist die kurzfristige Steigerung des Absatzes. Diese Verkaufsaktionen konnen in verschiede-nen Formen gestaltet werden. Sie konnen isoliert und fiir sich stehen -z. B. im Zeitraum vom 01. Juli bis 31. August werden die Verkaufs-preise ohne Provisionskiirzung um fiinf Prozent abgesenkt -, oder sie werden in eine weiter reichende MaSnahme, z. B. einen Verkaufswett-bewerb, eingebunden (siehe dazu auch Kapitel Verkaufswettbewerbe und ihre Zielsetzungen auf Seite 217).

Die zeitlich befristete Verkaufsaktion ist in der Kegel damit verbunden, dass die Preise und Konditionen in diesem Zeitraum giinstiger gestaltet werden. Das Management will erreichen, dass der Vertriebsmitarbeiter die Leistung schneller und einfacher absetzen kann. Ferner soil der Ver­triebsmitarbeiter motiviert werden, seine Anstrengungen kurzfristig zu steigern, um dadurch die Absatzmenge zu erhohen. Diese verkaufsfor-dernde Mafinahme ist sehr wirkungsvoll und zugleich sehr verfiihre-risch. Sie birgt namlich die Gefahr in sich, dass es nach Beendigung der Maf?nahme fiir den Vertriebsmitarbeiter recht schwierig sein kann, das

Verkaufsforderung - nutzen Sie die Power der Zentrale 205

alte Preisniveau wieder im Markt durchzusetzen. Woraoglich hat der Wettbewerb diese Aktion bemerkt und seinerseits ebenfalls die Preise abgesenkt und behalt diese nun bei. In preissensiblen Markten mit ruinosem Charakter sind mogliche Folgen einer zeitlich befristeten Ver-kaufsaktion kaum vorhersehbar. Sie sollte deshalb nur dann eingesetzt werden, wenn die anderen Mittel erschopft sind.

Das Notebook als Prasentationsmedium

Viele Vertriebsorganisationen, deren Aufgabe es ist, erklarungsbediirf-tige Investitionsgiiter abzusetzen, stellen ihren Vertriebsmitarbeitern Notebooks oder Laptops zur Verfiigung. Diese Computer eignen sich hervorragend zu Prasentationszwecken. Sie sind leicht zu transportie-ren und netzunabhangig. Viele Kunden und Interessenten verfiigen iiber einen digitalen Tageslichtprojektor (Beamer), sodass es heutzuta-ge moglich ist, schneil ein prasentationsreifes Umfeld zu schaffen. Un-ternehmensprasentationen, Bedarfsszenarien, Losungskonzepte, Ma-schinen und Prozesse konnen marketingseitig optimal aufbereitet und im Vergleich zur Papierform sehr viel lebhafter gestaltet werden. Sprachliche Unterstiitzung, Soundeffekte und Farbgebung erhohen die Aufmerksamkeit und sind deshalb beeindruckender fiir Kunden und In­teressenten. So hat beispielsweise ein amerikanischer Konzern bei der Einfiihrung eines neuen Geschaftsfeldes das Problemszenario in Zu-sammenarbeit mit einer Werbeagentur in Form eines fiinfminiitigen Zeichentrickvideos entwickelt. Es wird bildlich und durch Sprache unterstiitzt in humorvoller Art und Weise ein auSerst komplexes Problemfeld aufgezeigt. Diese Videoprasentation stand den Vertriebs­mitarbeitern in ausreichender Anzahl als CD zur Verfiigung. Fiir den Vertriebsmitarbeiter ergaben sich mehrere nutzbringende Vorteile: Er musste sich weniger eigene Gedanken dariiber machen, wie er das Problemfeld beschreiben soil, er konnte auf etwas Vorgegebenes zuriickgreifen. Der Kunde ist von der Presentation beeindruckt. Die humorvoUe Aufmachung schafft ein freundliches Gesprachsklima und fordert die Beziehungsebene. Der Vertriebsmitarbeiter prasentiert sich und sein Unternehmen als modern und innovativ. Der Kunde kann die CD nutzen, um seinerseits intern das Investitionsvorhaben voran-zubringen.

206 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

Verkaufsforderung - nutzen Sie die Power der Zentrale 207

Der Entlohnungsprozess im Vertrieb

Der Vertrieb bietet generell gute Verdienstmoglichkeiten. Kaum ein ande-res Berufsbild ermoglicht dem Berufseinsteiger in gleichem MaSe, sein Ein-kommen in kurzer Zeit deudich zu steigern. Deshalb stellt die Endohnung fiir viele ein reizvolles Motiv dar, eine Vertriebsaufgabe anzunehmen.

Seit Jahren unterliegt die generelle Enriohnungsform im Vertrieb einem Wandel. Der aktuelle Trend ist die Kombination von fixen und varia-blen Gehaltsbestandteilen. Zusammen ergibt sich ein „nach oben offe-nes" Bezahlungssystem. Dies ermoglicht dem Vertriebsmitarbeiter, selbst gro6en Einfluss auf die Hohe seines Einkommens ausiiben zu konnen. Dem Unternehmen wiederum eroffnet sich dadurch die Mog-Hchkeit, iiber die Einkommenshohe die Vertriebsmitarbeiter effektiv -im Sinne der Zielsetzungen - zu steuern.

Im Investitionsgiitervertrieb kann bei Zielerreichung ein Einkommen von circa 50.000 Euro erreicht werden. Dies ist ein erster Anhalts-punkt. Von den meisten Berufseinsteigern kann dieses Einkommen -aufgrund der Lern- und Ubungsphase - zwar noch nicht im ersten Berufsjahr erzielt werden, es zeigt aber die Perspektive auf.

Die Entlohnung in der genannten Kombination ist sehr stark leistungs-orientiert. Die eigene Leistung - der Arbeitseinsatz - beeinflusst die Hohe der Bezahlung.

Die folgenden Abschnitte befassen sich mit den Grundlagen von Ent-lohnungsprozessen und zeigen die praktischen Vor- und Nachteile un-terschiedUcher Entlohnungssysteme auf.

GrundsatzHch ist die Entlohnung im Vertrieb - wie auch in anderen Be-reichen - abhangig von

» der in der Funktion moglichen Wertschopfung fiir das Unternehmen,

« der erforderlichen Qualifikation des Stelleninhabers,

# dem Schwierigkeitsgrad der Aufgabe,

# brancheniiblichen Einkommensmoglichkeiten,

# der individuellen Vorstellung der Unternehmensleitung iiber die Hohe des Einkommens.

208 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

Es wird unterschieden zwischen den Entlohnungsformen:

« fixe Entlohnung (Grundgehalt; fixe Beziige)

• variable Entlohnung (reines Provisions-, Pramien- und/oder Bonus-system)

« Kombination fixer und variabler Einkommensbestandteile

Vor- und Nachteile der fixen Entlohnung im Vertrieb

Die fixe Entlohnung bedeutet fiir den Vertriebsmitarbeiter, ein unab-hangig vom erzielten Geschaftserfolg gleich hohes Festeinkommen zu erhalten. Die Gehaltsentwicklung wird im Rahmen der iiblichen Gehaltsiiberpriifungstermine, Firmenzugehorigkeitsdauer, usw. festge-legt. Vorteil dieser Bezahlungsform ist, dass der Vertriebsmitarbeiter auch in Phasen „geringeren" Geschaftserfolges stets das gleiche Gehalt erhalt. Der Vertriebsmitarbeiter gerat nicht so schnell unter wirtschaft-lichen Druck. Nachteil dieser starren Bezahlungsform ist, dass nur wenig Motivationseffekte iiber das Einkommen erzielt werden konnen. Nachlassende Arbeitsfreude und nachlassender Arbeitseinsatz konnten sich als schleichender Prozess etablieren, der durch die variable Ent­lohnung mogliche Selbststeuerungs- und Motivationseffekt bleibt aus. Auch wird die Steuerungsmoglichkeit iiber variable (an Zielsetzung und Erfolg orientierte) Gehaltsbestandteile weitestgehend ausgeschlos-sen. Der Vertriebsleitung fehlt ein wichtiges Steuerungstool. Die Mog-lichkeit des Vertriebsmitarbeiters, die eigene Einkommenshohe kurz-fristig selbst gestalten und beeinflussen zu konnen, entfallt ebenfalls.

Fixe Entlohnungssysteme sind in Markten mit Verteilungscharakter und Betreuungs- anstelle von Vertriebsverhalten haufiger anzutreffen. In Verdrangungsmarkten ist die Entlohnung iiber ausschlieSlich fixe Einkommen eher selten, hier herrscht das kombinierte Entlohnungs-system vor, um alle iiber die Einkommensausgestaltung zur Verfiigung stehenden motivatorischen Effekte ausschopfen zu konnen.

Vor- und Nachteile der variablen Entlohnung im Vertrieb

Bei der variablen Entlohnung ist die Hohe des Einkommens vom er­zielten individuellen Geschaftserfolg abhangig. Das Einkommen wird

Der Entlohnungsprozess im Vertrieb 209

durch ein vorher festgelegtes und vereinbartes Provisions-ZPramien-und/oder Bonussystem festgelegt. In diesen Programmen werden die Bezahlungskriterien und die Hohe der Auszahlungsbetrage festgelegt. Umsatz, Deckungsbeitrag, Stiickzahl, Vertragsform sowie iibergeordnete Unternehmensziele wie Cashflow, Gewinn, usw. bilden dabei die Bezahlungskriterien.

Vorteil dieser Bezahlungsform ist die Genauigkeit der Relation zwischen dem Wert des Geschaftes und dem daran gekniipften Einkommen.

Nachteil dieser Bezahlungsform ist, dass

>^ der Vertriebsmitarbeiter standig unter Erfolgsdruck steht, urn seinen Lebensunterhalt bestreiten und sichern zu konnen Der Handelsvertreter, fiir den die rein variable Entlohnung iiblich ist (5 Prozent bis 15 Prozent vom Umsatz), verfiigt iiber mehrere Vertre-tungen und kann erfolgreiche und weniger erfolgreiche Vertretungen ausgleichen. Im Vergleich dazu hat der abhangig angestellte Ver­triebsmitarbeiter (Reisender) diese Moglichkeit des Ausgleichs nicht.

'P sich erfolglose Phasen zur existenziellen Bedrohung ausweiten konnen In einer anhaltend erfolglosen Phase erzielt der Mitarbeiter kein Ein­kommen mehr. Er muss seinen Lebensunterhalt von Ersparnissen bestreiten oder das Konto iiberziehen. Er wird zunehmend nervoser, verkrampfter und neigt zum Uberverkaufen, oder er denkt iiber den Wechsel in ein anderes Unternehmen nach. Das ist demotivierend und belastend fiir den betroffenen Mitarbeiter.

Die Kombination des f ixen und variablen Entlohnungssystems

Die Kombination von fixen Einkommensbestandteilen (Grundgehalt) und variablen Einkommensbestandteilen (Provisionen, Pramien, Bonus) ist eine aktuell iibliche und die beste well bewahrte Entlohnungsform im Vertrieb.

Die Summe der fixen und variablen Einkommensbestandteile (geplante Summen bei Zielerreichung) stellt das Solleinkommen bei Zielerrei-chung fiir den Vertriebsmitarbeiter dar.

Bei der Kombination von fixen und variablen Gehaltsbestandteilen ist es notwendig, ein Solleinkommen zu definieren. Das Solleinkommen ist

210 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

Abbildung 28: Die Ermittlung des Solleinkommens fiir Vertriebsmitarbeiter

das Planeinkommen bei 100 %-Zielerreichung. Man geht bei der Summe der variablen Beziige iiblicherweise von der durchschnittlichen Menge und Art der Geschafte, die innerhalb eines Jahres pro Vertriebsmitar­beiter abgeschlossen werden konnten, aus.

Das Solleinkommen selbst ist wie bei anderen Gehaltsfindungsprozessen, abhangig von

' der moglichen Wertschopfung fiir das Unternehmen,

der notwendigen Qualifikation und dem Schwierigkeitsgrad der Aufgabe,

' brancheniiblichen Einkommenshohen,

^ Vorstellungen der Unternehmensleitung.

Bei der Festlegung des Solleinkommens ist zunachst die Frage liber die Hohe des Grundgehaltes (fix) zu klaren. Wird das Grundgehalt sehr niedrig angesetzt, so dass in erfolglosen Phasen, der Lebensunterhalt nicht mehr bestritten werden kann, treten die gleichen Effekte wie bei der variablen Entlohnung ein. Wird das Grundgehalt zu hoch ange­setzt, werden die Motivations- und Steuerungseffekte der variablen Entlohnung geschmalert.

Diese sind

die Forderung des Ansporns, Geschafte zu realisieren, (Motivation)

Der Entlohnungsprozess im Vertrieb 211

|i Vertriebssteuerungsmoglichkeiten,

(Welche Ziel- oder Produktgruppe ist besonders wichtig fiir das Unternehmen?)

P' faire Bezahlung. („Gutes Geschaft, gutes Geld.")

Es ist sinnvoll, das Grundgehalt so anzusetzen, dass die Basiselemente des Lebensunterhalts damit abgedeckt werden konnen, so dass der Vertriebsmitarbeiter keine Angst davor haben muss in erfolgloseren Phasen existenziell bedroht zu werden.

Ist die Hohe des fixen Bestandteils festgelegt, wird im nachsten Schritt die Hohe des Solleinkommens festgelegt (bei lOOProzent der Zieler-reichung).

Der Unterschiedsbetrag zwischen Solleinkommen und fixem Gehalts-bestandteil ist der variable Bestandteil, der nunmehr zum Verkaufsziel in Abhangigkeit gesetzt wird.

Ist der variable Gehaltsbestandteil ermittelt und ist eine Verkaufsziel-vorgabe festgelegt, kann das Provisionssystem entwickelt werden. Man weilS, was man vom Vertriebsmitarbeiter erwartet (Verkaufsziel), kennt den Betrag des Solleinkommens (bei lOOProzent) und kann nun die Geschafte hinsichtlich der Verprovisionierung so berechnen, dass bei 100 %-Zielerreichung circa der variable Bestandteil und somit das Solleinkommen erreicht wird.

Der Vorteil dieses Bezahlungssystems iiber Solleinkommen liegt darin, dass der Vertriebsmitarbeiter bei Ubererfiillung der Verkaufsziele ein iiber dem Solleinkommen liegendes Einkommen erzielt, andererseits

SOLL-Einkommen bei 100%-Zielerreichung

Abzijglich fixer Bestandteil (Grundgehalt)

= variabler Bestandteil

Abbildung 29: Ermittlung des variablen Gehaltsbestandteils fiir Vertriebsmitarbeiter

212 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

derjenige der die Erwartungen noch nicht erfiillen kann (weniger als 100 Prozent) auch ein unter dem Solleinkommen liegendes Einkommen erzielt, aber aufgrund des verniinftigen Grundgehalts nicht um sein Auskommen fiirchten muss.

Grundziige und Aufbau eines Provisions-/Pramiensystems

Die Einfiihrung der kombinierten Bezahlungsform macht es erforder-lich, die Regeln fiir die Bezahlung fiir die variablen Gehaltsbestandteile festzulegen. Dies geschieht durch die Ausgestaltung eines Provisions-oder Pramienprogramms fiir den Vertrieb. Ublich ist, dass ein Provi-sionsprogramm fiir die gesamte Vertriebsmannschaft einheitlich gestal-tet wird. Eine individuelle Ausgestaltung soUte nur im Ausnahmefall, z. B. wenn die Vertriebsmannschaft in verschiedene Vertriebsmitarbeiter-typen aufgeteih ist, praktiziert werden. Das oberste Prinzip lautet: Fairness und Nachvollziehbarkeit fiir die Betroffenen.

Der Umfang sowie die Ausgestahung des Programms hangen ab von

i» der moglichen Anzahl der unterschiedlichen Geschaftsvorfalle,

I der Vertriebsstruktur,

(Anzahl Vertriebsmitarbeitertypen)

l> vertriebssteuerungstechnischen Uberlegungen.

Grundsatzlich ist durch Provisions-, Pramien- oder Bonuszahlungen

• der Geschaftsabschluss in Abhangigkeit von der Wertschopfung und Unternehmenszielsetzung,

* der Anstrengungsgrad zur Realisierung des Geschafts und

« der anschliefiende Betreuungsaufwand durch den Vertriebsmitarbeiter

zu entlohnen. Dabei sollte versucht werden, eine faire und nachvoll-ziehbare Relation zwischen den aufgezahlten Elementen herbeizu-fiihren, damit das Programm vom Vertriebsmitarbeiter angenommen und akzeptiert wird.

Der Entlohnungsprozess im Vertrieb 213

Grundprobieme von Provisions-ZPramiensystemen

Das System sollte, um hinsichtlich Motivation, Akzeptanz und Ver-triebssteuerung seine Wirkung entfalten zu konnen, anhand folgender Anforderungen ausgerichtet und entwickelt werden:

^ Plausible Relation zwischen dem „Wert" des Geschafts fiir das Unter-nehmen und dem Provisionsbetrag. Wenn ein Geschaft dem Unternehmen etwas bringt, dann muss es sich auch fiir den Vertriebsmitarbeiter auszahlen, bringt es dem Un­ternehmen wenig, dann wird auch eine geringere Provision bezahh.

Eindeutigkeit und Verstandlichkeit der Regeln. Der Raum fiir mogUche Auslegungen muss so gering w ie mogUch gehahen werden, damit keine Missverstandnisse entstehen konnen.

Beriicksichtigung der zukiinftigen Marktentwicklung. Beispielsweise wenn absehbar ist, dass das Preisniveau sinkt.

V Fairness fiir die Betroffenen Die betroffenen Vertriebsmitarbeiter miissen sich fair behandelt fiihlen, ansonsten bleibt der Motivationseffekt aus.

Bei einem einfachen Leistungsumfang eines Anbieters, ist die vollstan-dige Erfiillung obiger Anforderungen einfach umzusetzen. Ist der Leis­tungsumfang hinsichtUch der ProduktUnien (Anzahl und Tiefe) und den Zielmarkten jedoch sehr umfangreich, wird es schwierig die genannten Anforderungen hundertprozentig zu erfiillen. Hierin Hegt ein Grund-problem von Provisions- und Pramienprogrammen.

Bei einem sehr komplexen Leistungsumfang ist es sehr schwierig bis un-moghch, alle mogUchen Geschaftsvorfalle eindeutig zu erfassen, zu identifizieren und zu regeln.

Stellt man sich ein Unternehmen mit 10 Maschinen, die neu und gebraucht unter Anwendung von S unterschiedlichen Vertragsfor-men in 3 Zielmarlcten verliauft werden, vor, dann ergeben sich (Sonderfalle, Vertriebsstrulituren und Ausnahmen nicht beriicli-sichtigt) 10x2x5x3 = 300mogliche Standardgeschaftsvorfalle.

214 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

Der Raum fiir individuelle Auslegungen im „Regelnwald" nimmt zu, und es werden Geschafte getatigt, die vorher gar nicht gedanklich er-wagt wurden. Die Vertriebsmitarbeiter sind verunsichert, da ihnen nicht klar ist, wie die Provision ermittelt werden soil. Die Vertriebslei-tung wird immer wieder in Diskussionen iiber das, was eigentlich „ge-recht" und „richtig" ware, verwickelt. Die Mitarbeiter, die im administ-rativen Bereich arbeiten, werden immer wieder mit neuen Fallen kon-frontiert. Die KontroUe der Provisionsermittlung ist schwierig. Es miis-sen Sonderfallregeln her. Um einer solchen Entwicklung vorzubeugen, sollte die Vertriebsleitung sich ausreichend Zeit nehmen, um das Provi-sionssystem so einfach wie moglich zu gestalten.

Ebenfalls ist es in dynamischen Markten sehr schwierig bis unmoglich, die zukiinftigen Entwicklungen richtig vorherzusagen, sie konnen allenfalls eingeschatzt werden. Letztlich wird das Provisionssystem im Ergebnis zum Bestandteil des standigen Management-Prozesses. Es muss immer wieder iiberpriift, angepasst, weiterentwickelt und opti-miert werden. Es ist nicht moglich, ein Provisionssystem zu entwickeln und ohne Veranderungen iiber Jahre hinweg als geloste Aufgabe anzu-sehen. Es veraltet, die Akzeptanz der Betroffenen sinkt und die Effekte, die sich bei richtiger Ausgestaltung ergeben, verpuffen. Die Giiltig-keitsdauer eines Provisionssystems hangt im Wesentlichen von der Marktsituation ab. Ublich ist ein Zeitraum, der dem Geschaftsjahr ent-spricht. In besonders dynamischen Markten sollte das System aber auch im laufenden Geschaftsjahr iiberpriift und gegebenenfalls ange­passt werden. Fiir den Fall, dass das Provisionssystem mitbestim-mungspflichtig ist, sollte ausreichend Zeit fiir die Verhandlungen mit dem Betriebsrat eingeplant werden. Dann sollte das System so angelegt sein, dass Anderungen im Giiltigkeitszeitraum Ausnahmen darstellen, um die notwendige Zeit fiir erneute Verhandlungen zu reduzieren. Not-wendige Korrekturen konnen parallel zum Provisionssystem iiber zu-satzliche Verkaufswettbewerbe durchgefiihrt werden.

Der Veitriebssteuerungsaspekt durch Provisions-ZPramiensysteme

Das Provisionssystem erfiillt einerseits die Grundanforderung einer leis-tungsbezogenen Entlohnung. Dariiber hinaus ist das Provisionssystem ein wichtiges Werkzeug zur Vertriebssteuerung. Dabei wird der Moti-vationseffekt durch die variablen Einkommensmoglichkeiten genutzt.

Der Entlohnungsprozess im Vertrieb 215

Uber ein gut gestaltetes Provisionssystem konnen die Unternehmens-interessen mit dem Einzelinteresse des Vertriebsmitarbeiters (moglichst hohes Einkommen zu erzielen) in Einklang gebracht werden. Geschaf-te, die sich lohnen und/oder vom Unternehmen gewiinscht sind und so-mit von hoher Bedeutung sind, werden entsprechend hoch verprovisio-niert, Geschafte von geringem Interesse entsprechend niedriger.

Steht z. B. das Unternehmensziel Marktwachstum fiir das Unternehmen im Vordergrund, konnten die Geschafte, die mit neuen Kunden ge-schlossen werden, hoher verprovisioniert werden. Der wertmaSige Ab-stand zwischen dem Kundengeschaft und dem Neukundengeschaft konnte mit einem zusatzlichem Berechnungsfaktor ausgedriickt werden.

Eine weitere Moglichkeit, das Marktwachstum zu fordern, bestiinde darin, einen mehrstufigen Verprovisionierungsprozess zu etabHeren. Das iibliche lineare System wiirde proportional ausgestahet werden. Je nach Zielerreichungsgrad erhah der Vertriebsmitarbeiter zusatzhches Geld. Dabei bildet die Steigerung der Provision kurz vor der Zielerrei-chung und eine weitere Steigerung ab lOOProzent Zielerreichung und hoher die klassische Form der proportionalen Verprovisionierung.

„Z. E." steht fiir Zielerreichungsgrad. Je nach Zielerreichungsgrad wird die errechnete Provision nochmals mit einem Faktor multipliziert. Hinter diesem Beispiel einer proportionalen Ausgestaltung steht der Leitgedan-ke, dass der Vertriebsmitarbeiter kurz vor Zielerreichung nochmals durch den hoheren Faktor angespornt wird, das Ziel zu erreichen, und diejenigen, die bereits ihre Ziele erreicht haben, zu motivieren, weiter-zumachen, um das Einkommen iiber den Faktor deutlich zu erhohen.

Beispiel einer proportionalen Verprovisionierung

in einem dreistufigen System

bis80%Z.E. = Faktor 0,9

81 % bis 100 % Z. E. = Faktor 1,2

101% und hoher = Faktor 1,5

Abbildung 30: Beispiel einer mehrstufigen proportionalen Verprovisionierung

216 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

Um die Akzeptanz in der Vertriebsmannschaft fiir ein solches Modell sicherstellen zu konnen, ist es erforderlich, dass die Hintergriinde der Unternehmensstrategie und somit die Bedeutung bestimmter Geschafte fiir die Vertriebsmitarbeiter nachvollziehbar und verstandlich sind. Alles andere fiihrt zur Verwirrung.

Verkaufswettbewerbe und ihre Zielsetzungen

Bei Verkaufswettbewerben ist grundsatzlich der monetare Entloh-nungsaspekt vom Wertschatzungsaspekt zu trennen. Unter den Wert-schatzungsaspekten sind motivatorische Mafinahmen zu verstehen, die personlich fiir den Vertriebsmitarbeiter unter gruppendynamischen Ge-sichtspunkten durchgefiihrt werden. Dabei sollen Ehrgeiz, Siegeswillen, personliche Genugtuung, und personliche Befriedigung gefordert wer­den. Hierzu stehen die Moglichkeiten der offentlichen Ehrung, die Teil-nahme an Reisen, die Veroffentlichung der Ergebnisse durch Rankings, die Ubergabe von Urkunden, die Teilnahme am „Club der Besten" etc. zur Verfiigung.

Grundlage bilden Verkaufswettbewerbe, die in ihrer Gesamtheit ver-schiedene Zielsetzungen verfoigen konnen:

I* Schaffung eines zusatzlichen Anreizsystems Um z. B. dem urlaubsbedingten Riickgang des Geschafts in der Sommerzeit entgegenzuwirken oder das Geschaft zum Geschaftsjah-resende Kin zu pushen.

i Korrektur nicht geplanter Einkommensentwicklungen

Der Verkaufswettbewerb (zusatziich im laufenden Geschaftsjahr) kann negative Einkommenseffekte aufgrund nicht planbarer Markt-entwicklungen kompensieren, ohne das Provisionssystem andern zu miissen (die Anderung des Provisionssystems ist in der Regel mit-bestimmungspflichtig und erfordert Zeit und Anstrengung).

I Feinabstimmung und Ausrichtung auf ertragreiche Geschafte

SoUte sich im laufenden Geschaftsjahr herausstellen, dass geplante Stiickzahlen nicht erreicht werden, dient der Verkaufswettbewerb als FokussierungsmaSnahme, um die Vertriebsaktivitaten in die ge-wiinschte Richtung zu lenken und zu verstarken.

Der Entlohnungsprozess im Vertrieb 217

i Anderung der Unternehmensstrategie Ein anderer Grund stellt die Veranderung oder Anpassung der Unternehmensstrategie im laufenden Geschaftsjahr dar. Der Ver-kaufswettbewerb dient dann der Fokusanderung, die Vertriebs-schwerpunkte werden der veranderten Situation angepasst.

Die zeitliche Dauer eines Verkaufswettbewerbs ist grundsatzlich von der iiblichen Dauer eines Verkaufszyklus abhangig und kann demnach je nach Branche unterschiedlich lang sein.

Bei der Planung von Verkaufswettbewerben ist jedoch hinsichtlich der Zeitdauer darauf zu achten, dass eine Vorlaufzeit mit eingeplant wird. Diese Vorlaufzeit ist vor aliem bei Verkaufswettbewerben, die eine Fokusanderung zum Inhalt haben, wichtig, damit die Verkaufsmann-schaft innerhalb des Wettbewerbs Zeit fiir die Umstellung und die Neuausrichtung hat.

Unterschiedliche Wettbewerbsformen

Verkaufswettbewerbe konnen im Prinzip frei gestahet werden, der Rahmen wird durch die Zielsetzungen des Wettbewerbs gesteckt. Die Grundfrage bei der Gestaitung eines Verkaufswettbewerbs, der zusatz-Uch im laufenden Geschaftsjahr durchgefiihrt wird, lautet

'if- Handelt es sich um einen Einzelwettbewerb? (der Erfolg des Einzelnen wird anhand der Wettbewerbsregeln gemessen)

oder

P Handelt es sich um einen Teamwettbewerb? (die Ergebnisse eines Verkaufsteams werden gemessen, es wird ein Team-Ziel ausgelobt)

Mit der Frage ob Einzel- oder Teamwettbewerb ist die Frage der Ziel-erreichungspramie eng verkniipft. Ebenfalls muss die Fragestellung im Einklang zum laufenden Jahresverkaufswettbewerb stehen.

Ublicherweise wird neben dem Provisionsprogramm fiir das laufende Geschaftsjahr auch ein Jahresverkaufswettbewerb etabliert. Das Errei-chen des Verkaufsziels (lOOProzent), bedeutet dann nicht nur die

218 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

Realisierung des Zieleinkommens, sondern auch die Teilnahme an ei-nem Wertschatzungsprogramm.

Bei Zielerreichung im zusatzlichen Verkaufswettbewerb kann die Ent-lohnung mittels Pramie in Geld- oder Sachform durchgefiihrt werden. Die Entiohnung in Sachform (Kurzreise oder Sachpreise) ist genauso attraktiv wie eine Entiohnung durch Geld.

Ein US-Unternehmen der Fotoindustrie hat anlasslich eines Ver-kaufswettbewerbs einen Pramienkatalog zusammengestellt Jeder Vertrag, der im Wettbewerb erfasst war, wurde nach bestimmten Kriterien mit Punkten versehen. Die Summe der Punkte stellte einen Geldwert dar. Am Ende des Wettbewerbs hatte jeder Ver-triebsmitarbeiter die Moglichkeit, aus einem Pramienkatalog Sachpramien gegen Punkte einzutauschen (vom PC bis zur Wasch-maschine).

Incentives

Das Incentive (Wertschatzungsprogramm) stellt eine besondere Form der Mitarbeiterwertschatzung dar, die im Vertrieb weit verbreitet ist. Die Teilnahme an einer IncentivemaSnahme ist in der Kegel an die Erreichung von Zielen gekniipft.

Die klassische Form bildet das jahrliche Wertschatzungsprogramm fiir die-jenigen Vertriebsmitarbeiter, die die gesteckten Jahresverkaufsziele erreicht (mindestens lOOProzent) oder iibertroffen haben. Haufig v ird dieses Wertschatzungsprogramm mit einer Kurzreise inklusive Rahmenpro-gramm ausgestaltet. Einer der Hohepunkte einer Wertschatzungsreise bildet die personliche Ehrung der Vertriebsmitarbeiter durch die Verkaufs-leitung und/oder die Geschaftsfiihrung. Die Leistung wird nach auSen hin durch die Ubergabe einer Urkunde oder ahnliches dokumentiert.

Die personliche Wertschatzung beinhaltet eine emotionale Komponen-te von hochster Wirkung auf den Mitarbeiter, die sich in der Kegel sehr positiv auf seine Motivation auswirkt. Die auf den ersten Blick eher eigentiimlich v^irkenden Namen derartiger Veranstaltungen wie z. B. Top-Club, 100 %-Club, Club der Besten, usw. sind in ihrem Einfluss auf die Motivation jedoch uniibertroffen.

Der Entlohnungsprozess im Vertrieb 219

Jeder Mensch braucht Anerkennung fiir seine Leistung. Die Teilnahme an einem elitaren Kreis sowie die offentliche Ehrung durch das Manage­ment erfiilien den Vertriebsmitarbeiter mit Stolz auf die Erreichung der Ziele, geben ihm personliche Anerkennung und Dank fiir die Leistung. Zusammenfassend bildet die Motivation durch personliche Wertschat-zung die Hauptfunktion von Incentives.

Neben dem jahrUchen Wertschatzungsprogramm fiir diejenigen Ver­triebsmitarbeiter, die die Vertriebsziele erreicht haben, gibt es auch im laufenden Geschaftsjahr eine Reihe von Aniassen, um besondere Leis-tungen mittels Incentive zu wiirdigen. Dies gih zum Beispiel fiir das Erreichen von Etappenzielen im laufenden Geschaftsjahr, die z. B. durch zeitlich befristete Verkaufswettbewerbe ausgelobt werden.

In Abbildung 31 wird beispielhaft ein Incentivesystem vorgestellt. Grundsatzlich ist jedes Incentive frei gestaltbar, es muss jedoch nach-voUziehbar sein und eine sinnvolle BezugsgroSe haben.

Abbildung 31: Schematischer Aufbau eines moglichen Incentivesystems

220 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

Bei der Einfiihrung und Durchfiihrung von IncentivemaEnahmen muss sich das Unternehmen dariiber im Klaren sein, dass

» Incentives einen hohen organisatorischen Aufwand mit sich bringen. Das Unternehmen kann auf Incentive-Agenturen zuriickgreifen, die sich auf die Organisation und Durchfiihrung speziahsiert haben.

k> Incentives professionell durchgefiihrt werden miissen. Nichts verfehh die Wirkung mehr oder erreicht sogar das Gegenteil als halbherzig und oberflachig „zusammengebastehe" Incentives.

Der Vorbereitung und Zielsetzung muss hohe Aufmerksamkeit ge-widmet werden. Dazu zahlen

* Festlegung des Reiseziels (Jahreszeit beachten), * die Lange der Reise (An- und Abreise im Verhahnis zum Aufenthah

vor Ort), » das Rahmenprogramm (Abwechslung und Aiternativen), * Stil und Rahmen der Ehrung (Urkunden, Ansprache) * die Unterkunft, * Komfort bei An- und Abreise, * Reiseunterlagen vor Reiseantritt, *i Zeitpunkt der Reise, * Quahtat von Speisen und Getranken.

Wenn das Budget eines Unternehmens aufgrund der aktuellen Markt-situation nicht ausreicht, um das Incentive in der gewiinschten Form durchfiihren zu konnen, soUte ernsthaft gepriift werden, ob es nicht bes-ser ist, es einmal ausfallen zu lassen. Es ist einfacher, Verstandnis dafur aufzubringen, dass die aktuelle Unternehmenssituation das Incentive nicht zulasst (vor allem ist es ein wichtiges Signal fiir alle anderen Ab-teilungen) als den Schaden fiir einen Flop wieder gutzumachen.

Aber, Incentives sind nicht immer nur eine Frage von kostspieligen Aktionen, es kommt im Wesentlichen darauf an, dass der Mitarbeiter das ernsthafte Interesse des Unternehmens spiirt, ihm eine Wert-schatzung zukommen zu lassen. Es ist wie bei der Einladung zu einem Essen: Nicht das was auf den Tisch kommt ist in erster Linie entschei-dend, sondern der Cast sollte spiiren, dass sich sein Gastgeber um ihn bemiiht und dies auch zum Ausdruck kommt.

Der Entlohnungsprozess im Vertrieb 221

222 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

Key Account Management -die Konigsdisziplin im Vertrieb

Key Account Management ist ein standiges Thema in der einschlagigen Literatur und im Tagesgeschaft von Vertriebsorganisationen. Nahezu jeder Vertriebsmanager setzt sich mit Key Account Management aus-einander und sucht nach Wegen, dieses in der eigenen Vertriebsorgani-sation umzusetzen. Aber: weshalb ist Key Account Management so prasent? Welche Bedeutung hat es? Wo stecken seine Chancen, seine Risiken? Welchen Nutzen ziehen Unternehmen daraus?

tfbersetzt heiSt Key Account „Schlusselkunde". Schliisselkunden sind diejenigen Kunden und Interessenten, die fiir ein Unternehmen eine besondere Bedeutung besitzen. Welche Bedeutung das im Einzelfall ist, kann sehr unterschiedhch sein. Unternehmer und Manager versprechen sich generell von ihren Schliisselkunden, dass sie einen groSeren Beitrag zum Erreichen von Unternehmenszielen leisten als die anderen Kunden und Interessenten. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird der Schliissel-kunde haufig mit dem Grofikunden verwechselt. Sicherlich sind die meisten GroSkunden aufgrund ihres Geschaftsvolumens auch haufig Schliisselkunden, aber das gilt nicht grundsatzlich. Die Entscheidung, was einen Schliisselkunden tatsachlich ausmacht, hangt au6er von der Hohe des Geschaftsvolumens, also Umsatz oder Stiickzahlen, noch von vielen anderen Faktoren ab. Ein Praxisbeispiel: Nicht selten generiert ein sehr grower Kunde einen groi?eren Umsatz, erwirtschaftet aber auf­grund der ausgehandelten niedrigeren Preise und anderer zusatzlich vereinbarter Dienstleistungen, wie z. B. kostenlose Lieferung, einen im Ergebnis und im Vergleich geringeren Deckungsbeitrag. Haufig liegt der Grund darin, dass der Normalkunde zwar weniger umsetzt, aber dies zu hoheren Preisen und dass er keine zusatzlichen kostenlosen Dienstleistungen in diesem AusmaS verhandelt hat. In diesem Beispiel muss nun geklart wrerden, ob dieser groSe Kunde auch ein Key Account ist. Welche anderen Kriterien neben dem Deckungsbeitrag konnten dafiir sprechen, dass es sich um einen Key Account handelt? Die Krite­rien muss jedes Unternehmen fiir sich festlegen; es kann dann an-schliei?end seine Kunden und Interessenten analysieren und diese als Key Account bestimmen. In dem nun folgenden Abschnitt gehe ich naher auf diese grundsatzlichen Fragen ein.

223

Was ist ein Key Account? - Nicht einfach zu fassen

Der Einfiihrungsabschnitt hat bereits ahnen lassen, dass Key Account Management ein auSerst komplexes und bisweilen schwieriges Unter-fangen ist. Das wird in Praxis manchmal unterschatzt. In der Hektik des Tagesgeschaftes greift man gerne auf die TOP-500-Unternehmens-liste zuriick, legt die ersten 250 Namen als Key Account fest, baut sei­ne Vertriebsorganisation um und lauft dann Gefahr zu scheitern, da den unternehmensindividuellen Erfordernissen zu wenig Aufmerksam-keit geschenkt worden ist. Die Bestimmung, was ein Key Account fiir ein Unternehmen ist, beginnt immer mit der Analyse der unternehmens­individuellen Zielsetzungen und der Ableitung von Kriterien.

Festlegung von Kriterien

Der Festlegung von Kriterien zur Bestimmung von Key Accounts sowie die daraus folgende unternehmensindividuelle Definition von Key Accounts sind von zentraler Bedeutung. Es gibt eine Vielzahl unter-schiedlicher Einzelkriterien, die eine Bestimmung von Key Accounts ermoglichen. Die Kriterien konnen dabei auch zeitliche Komponenten (kurz-, mittel- und langfristige Wirkungen) und Uberlegungen zur zukiinftig gewiinschten Entwicklung des Unternehmens beinhalten; diese Komponenten konnen auch selbst zum eigenstandigen Kriterium ernannt v^ erden.

Die Basisziele von Wirtschaftsunternehmen sind in der Regel die Er-wirtschaftung von „Gewinn" und „Rendite" sowie „Wachstum" oder „Erhaltung" des Unternehmens, um seine Marktposition zu verbessern oder schlichtweg zu iiberleben. Aus diesen Basiszielen lassen sich erste Kriterien ableiten. Dabei lautet die Orientierungsfrage: Welche Kunden und Interessenten leisten einen groSeren Beitrag zur Erreichung dieser Basisziele?

Kriterien, die Wirkung auf die Basisziele haben

Nachfolgend stelle ich beispielhaft einige Kriterien dar, die Wirkungen auf unterschiedliche Basisziele eines Unternehmens haben konnen.

224 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

Abbiidung 32: Kriterien, die Wirkung auf die Basisziele haben

Kriterien, die Wirkung auf die notwendigen Zielsetzungen haben

Neben den Basiszieien, die jedes Wirtschaftsunternehmen festlegt, gibt es zusatzliche unternehmensindividuelle Ziele, die sich notwendiger-weise aus der gegenwartigen Markt- und Unternehmenssituation her-leiten, und diejenigen, die der zukiinftigen gewiinschten Entwicklung des Unternehmens zugeordnet werden konnen. Beispiele fiir Ziele, die sich notwendigerweise aus einer gegenwartigen Markt- und Unterneh­menssituation herleiten lassen konnen, sind:

^ Kurzfristige Steigerung des Umsatzes in einer Produktgruppe, da die bisherigen Umsatze unter Plan sind

^ Senkung der Kosten in der Administration, um Preisverfall und Margen-verlust entgegenwirken zu konnen

" Senkung der Servicekosten durch Konzentration auf Ballungszentren, um die Wettbewerbsfahigkeit zu verbessern

Abbiidung 33: Kriterien, die Wirkung auf die notwendige Zielsetzungen haben

Key Account Management - die Konigsdisziplin im Vertrieb 225

Kriterien, die Wirkung auf Zielsetzungen zur gewiinschten Entwicklung haben

Neben den Basiszielen und den notwendigerweise zu setzenden Zielen formulieren Unternehmen auch Zielsetzungen, die sich aus der ge­wiinschten zukiinftigen Entwicklung des Unternehmens ableiten lassen. Nachfolgend zahle ich einige solcher moglichen Ziele auf und stelle passende Kriterien gegeniiber:

5 Steigerung des Marktanteils von derzeit 30 auf 50 Prozent

4 Verbesserung des Unternehmensimages

^ Gesamtwachstum des Unternehmens durch Einfiihrung eines neuen Geschaftsfeldes

• Verbesserung des Cashflow um „x" Millionen Euro

Abbildung 34: Kriterien, die Wirkung auf Zielsetzungen zur gewunschten Entwick­lung haben

Auf der Grundlage unserer vorangegangenen Analyse sind bislang

folgende Kriterien erarbeitet worden:

1. Hohe des Mindestdeckungsbeitrages 2. Hohe des Mindestumsatzes 3. Hohe des zukiinftigen moglichen Geschaftsvolumens 4. Standort des Kunden im Ballungszentrum 5. GroSmengenabnehmer

226 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

6. Kurzfristige Ausweitung des Geschaftsvolumens moglich 7. Hoher Bekanntheitsgrad und erstklassiges Image 8. Erstklassige Bonitat und piinktlicher Zahler 9. Interessenten, die fiir Leistungen aus dem neuen Geschaftsfeld infrage

kommen

Diese Liste moglicher Kriterien ist keinesfalls voUstandig, es sind viele andere Kriterien noch denkbar, die unternehmensindividuellen Zielset-zungen und Beweggriinden entgegen kommen. Diese Liste soil Ihnen vielmehr verdeutlichen, dass Key Accounts unterschiedlich definiert werden konnen. Da sich die Kriterien kombinieren lassen, ist die An-zahl der moglichen Key-Account-Definitionen im Falle des obigen Bei-spiels schon jetzt mit neun Kriterien sehr grol?.

Kriterien, die im Mix zu Konfiikten fiihren konnen

Wenn ein Unternehmen seine Kriterien herausgearbeitet hat und nun beginnt, diejenigen Kriterien zusammenzustellen, anhand derer anschlie-fiend die Key Accounts definiert werden, dann soUte zusatzlich beach-tet werden, dass bestimmte Kriterienkombinationen zu Konfiikten fiihren konnen. Mit dem nachfolgenden Beispiel zeige ich Ihnen eine solche Konfliktsituation auf, die in der Praxis haufiger anzutreffen ist. Viele Unternehmen sind daran interessiert, zum einen hohe Deckungs-beitrage zu erwirtschaften und gleichzeitig auch ein gutes Unter-nehmensimage zu entwickeln oder zu besitzen. Diese Unternehmen versprechen sich-berechtigterweise, dass sich grol?e renommierte und bekannte Kunden mit einwandfreiem Ruf positiv auf das eigene Image auswirken konnen. Das Unternehmen kann sich sozusagen mit dem bekannten Top-Kundenunternehmen „schmiicken" und diese Referenz im Rahmen seiner Firmenbroschiiren veroffentlichen - getreu der Leit-idee: Wer ein Top-Unternehmen beliefert, ist selbst ein Top-Unter-nehmen. Diese Annahme trifft tatsachlich zu, denn die Auswahl der Lieferanten wirkt sich ebenfalls positiv oder negativ auf den Ruf eines Unternehmens aus.

Demnach ist davon auszugehen, dass ein Top-Unternehmen bei der Aus­wahl seiner Lieferanten mit Bedacht vorgeht. Fiir den Vertriebsmit-arbeiter stellt diese Referenz bei anderen Kunden und Interessenten einen Tiiroffner dar (siehe auch Abschnitt „Verkaufsforderung"). Mit

Key Account Management - die Konigsdisziplin im Vertrieb 227

diesen Top-Unternehmen erwirtschaftet man meist jedoch keine beson-ders hohen Deckungsbeitrage. Die Kunden kennen ihre Marktstellung und nutzen ihren „Referenzwert" im eigenen Interesse aus, um beson-ders preisgiinstig einzukaufen oder besondere Konditionen auszuhandeln.

Aus dieser Situation entsteht ein Dilemma: Soil das Unternehmen seine vertrieblichen Aktivitaten auf diese renommierten Kunden konzentrieren, wohl wissend, dass wahrscheinlich bei einem Vertragsabschluss nur ein geringer Deckungsbeitrag erwirtschaftet werden kann, oder soUen die ver­trieblichen Aktivitaten eher nicht auf diese Kundengruppe konzentriert v^erden? Es gibt dazu leider kein Patentrezept! Auf der einen Seite kann der Deckungsbeitrag zwar genau errechnet werden. Auf der anderen Seite ist die Wirkung auf Folgegeschafte durch den Referenzeffekt nicht genau vorhersagbar oder messbar, und die Wirkungen auf das eigene Image kon-nen ebenfalls nicht quantifiziert werden. Das Einzige, was mit Sicherheit angenommen werden kann, ist, dass es positive Wirkungen hat. Dieses Dilemma fiihrt regelmaSig zu Diskussionen zwischen Vertriebs- und Mar-ketingchefs und/oder den Finanzchefs, und oftmals orientiert man sich dann an der aktuellen Ergebnissituation des Unternehmens.

Definition von Key Account

Es wird deutlich, dass die Feststellung bzw. die Zusammenstellung von Kriterien bisweilen kompliziert sein kann. In jedem Fall zeigt sich, dass es zu sehr unterschiedlichen Key-Account-Bestimmungen fiihren kann. „Den" Key Account gibt es nicht. Ich mochte Ihnen zum Schluss dieses Abschnitts folgende Definition eines Key Accounts anbieten:

Ein Kunde oder Interessent wird zu einem Key Account, wenn er ein Kriterium oder ein Kriterienmix erfUllt, das ein Unternelimen zur Definition seiner Key Accounts festgelegt liat

228 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

Auswahl und Eignungsmerkmale von Key Account Managern

Schliisselkunden zu managen ist risikoreich und bietet gleichzeitig enorme Chancen im Hinblick auf die Zielerreichung des Unternehmens. Gewinnt der Key Account Manager einen Key Account, dann ist die Wirkung fiir das Unternehmen sehr bedeutsam. Verliert man hingegen einen Key Account, weil er sich beispielsweise fiir das Wettbewerbsangebot ent-scheidet, dann sind die negativen Wirkungen fiir das Unternehmen ebenfalls gr6i?er ais bei einem „normalen" Kunden. Einen Key Account zu verlieren, der melir als zehn Prozent des Gesamtumsatzes eines Unternehmens ausmacht, kann das Unternehmen sogar in ernsthafte Schwierigkeiten bringen, da der fehlende Cash-Zufluss die Liquiditat erheblich verschlechtert, was bis zur Insolvenz fiihren kann. Der Grad der Abhangigkeit von einem Kunden ist also ein weiteres Kriterium zur Bestimmung eines Key Accounts.

Das heil?t, dass der Key Account Manager, also der Vertriebsmitarbei-ter, dem die Verantwortung fiir Schliisselkunden iibertragen wird, eine gr6i?ere Verantwortung annehmen muss als andere Vertriebsmitarbei-ter. Aus diesem Umstand sollten die Anforderungen hergeleitet werden, die der Auswahl geeigneter Vertriebsmitarbeiter fiir das Key Account Management zugrunde liegen. AUgemein kann gesagt werden, dass die-jenigen Vertriebsmitarbeiter diese Basisanforderung am besten erfiillen, die bereits auf eine langjahrige und erfolgreiche Vertriebspraxis zuriick-blicken konnen. Die Position als Key Account Manager ist ein Karriere-schritt fiir erfolgreiche Vertriebsmitarbeiter, die sich in der Aufgabe des Verkaufers weiterentwickeln wollen. Deshalb wird Key Account Management auch als die Konigsdisziplin bezeichnet.

Das optimale Profil - zwei grundsatzliche Denkrichtungen

iJber das optimale Profil des Key Account Managers wird oft disku-tiert, bisweilen gestritten. Nach meiner Auffassung ist das Profil im Detail ebenfalls vom Profil der Key Accounts selbst abhangig, und das kann, wie wir gesehen haben, sehr unterschiedlich sein. Grundsatzlich jedoch stellt sich die Frage, welche Fahigkeiten in erster Linie fiir das Key Account Management ausschlaggebend sein sollten. Hier existie-ren unter anderem zwei grundsatzliche Denkrichtungen, die sich aus der Praxis heraus entwickelt haben. Die erste Denkrichtung geht davon

Key Account Management - die Konigsdisziplin im Vertrieb 229

aus, dass ein Key Account Manager eine andere Art der Kundenan-sprache, eine andere Art des Akquisitionsverhaltens und des Fiihrens eines Verkaufszyklus aufweisen muss als der normale Vertriebsmitar-beiter bei den Nicht-Key-Account-Kunden. Eigenschaften, die einen professionellen Berater, einen Consultant, einen Koordinator aus-machen, sollten an erster Stelle stehen. Alle anderen Fahigkeiten und Fertigkeiten sind in ihrer Bedeutung nachgelagert.

Die andere Denkrichtung stellt die verkauferische Kompetenz in den Vordergrund. Bei diesem Ansatz gilt, dass der Vertriebsmitarbeiter zunachst ein sehr guter Verkaufer sein soilte. Damit soil sichergestellt werden, dass der Vertriebsmitarbeiter ausreichend „Biss" und „Freude am Erfolg" mit in die Aufgabe einbringt. Alle anderen Fertigkeiten, die in der ersten Denkrichtung angesprochen wurden, sind nachgelagert, wenngleich auch in dieser Denkrichtung sehr bedeutsam. Aufgrund meiner personlichen Vertriebspraxis bin ich Anhanger der zweiten Denkrichtung. Die Herangehensweise an einen Key Account ist ahnlich wie in der ersten Denkrichtung beschrieben, aber im Ergebnis ist auch ein Key Account ein Kunde, mit dem der Key Account Manager als professioneller Verkaufer einen Vertragsabschluss zur Fortsetzung der Geschaftsbeziehung generieren muss. Am Ende gewinnt derjenige, der die besten verkauferischen Kompetenzen besitzt.

Eignungsmerkmale von Key Account Managern

Nun soUen diejenigen Eignungsmerkmale aufgelistet werden, die aus Sicht der Praxis relevant sind und die die jeweiligen Vertriebsmitarbei­ter auszeichnen sollten. Zu den personlichen Eignungsmerkmalen von Vertriebsmitarbeitern siehe auch Kapitel „Pers6nliche Eignungsmerkmale" ab Seite 28. Die Eignungsmerkmale fiir Key Account Manager sind:

• Hohe verkauferische Kompetenz • Mehrjahrige erfolgreiche Vertriebspraxis im Direktvertrieb • Hohe strategische Kompetenzen • Hohe Teamfahigkeit und Koordinationsgeschick • Sicheres Auftreten - Parkettsicherheit • Personliche Flexibilitat und besonders starke Belastbarkeit • Gutes betriebswirtschaftliches Grundlagenwissen • Gute Fremdsprachenkenntnisse - vor allem Englisch

230 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

Key Account Management als eigenstandiger Vertriebsbereich

An dieser Stelle werden wir auf die Frage eingehen, wie sich das Key Account Management in einer Vertriebsstruktur optimal einordnen lasst, um die bestmoglichen Ergebnisse zu erzielen. Zur Klarung soUten wir weitere grundsatzliche Beweggriinde erortern, die fiir das Key Account Management sprechen. Prinzipiell sucht ein Unternehmen im-mer nach Moglichkeiten, sein Geschaftsrisiko zu minimieren. Der Ver-lust von profitablen Kunden stellt fiir jedes Unternehmen ein Risiko dar. Weiterhin suchen Vertriebsorganisationen standig nach Moglich­keiten, die Effizienz in der Vertriebsorganisation zu verbessern oder, an-ders gesagt, die Vertriebsproduktivitat zu steigern. Beide Zielsetzungen konnen am besten erreicht werden, wenn es dem Unternehmen gelingt, die Vertriebsaktivitaten zielgerichtet zu fokussieren und gleichartige Zielgruppen oder Teilmarkte zu bearbeiten. Im Zuge dieser Uberlegun-gen wird augenfallig, dass die Bedeutung von Schliisselkunden und Normalkunden fiir das Unternehmen unterscheidbar und unterschied-lich ist. Auch aus diesem Grund kann das Key Account Management vom Normalkundenmanagement abgegrenzt werden. Die Bearbeitung dieser beiden Kunden-ZInteressentengruppen erfordert im Kern unter-schiedliche Zielsetzungs-, bezahl- und fiihrungstechnische Ansatze. In-sofern ist es nur konsequent, bei Einfiihrung von Key Account Manage­ment auch mindestens zwei voneinander abgrenzte Vertriebsbereiche zu schaffen. Nur das ermoglicht die Umsetzung von unterschiedlichen Vorgehensweisen, Zielsetzungen, Bezahlsystemen und Fuhrungsansat-zen. Die Einfiihrung eines neuen Vertriebsbereichs erfordert Kraft und Mut der Unternehmensfiihrung, da sich dies zu einem Kraftakt aus-weiten kann.

Einfiihrung des Vertriebsbereichs Key Account IVIanagement - ein Beispiel

Stellen wir uns zunachst folgende Ausgangssituation vor: Ein Unter­nehmen hat seinen Vertriebsbereich Deutschland in mehrere Verkaufs-gebiete mit den jeweiligen dazugehorigen Verkaufsbezirken gegliedert. Jedes Verkaufsgebiet wird von einem Gebietsverkaufsleiter gefiihrt. An den Gebietsverkaufsleiter berichten die Vertriebsmitarbeiter des jewei­ligen Verkaufsgebietes. Jedes Verkaufsgebiet umschliei?t einen geogra-phischen Teil von Deutschland, z. B. das Verkaufsgebiet Nordrhein-Westfalen. Das Verkaufsgebiet ist verantwortlich fiir alle Kunden und Interessenten innerhalb der festgelegten geographischen Grenzen.

Key Account Management - die Kbnigsdisziplin im Vertrieb 231

AUe Vertriebsmitarbeiter werden als Generalisten eingesetzt und sind fiir Kunden und Interessenten ihres jeweiligen Verkaufsbezirks verant-wortlich. Eine hierarchische Stufung innerhalb der Vertriebsmann-schaft gibt es nicht. Fiir Kunden und Interessenten, die verkaufsge-bietsiibergreifend von zwei Vertriebsmitarbeitern bearbeitet werden miissen, sind faire Teilungsregelungen fiir die betroffenen Vertriebsmit­arbeiter hinsichtlich der Darstellung im Ranking und im Provisions-system festgelegt worden. Es werden sowohl fiir das Verkaufsgebiet als auch fiir die Vertriebsmitarbeiter ein Umsatz- und ein Deckungsbei-tragsziel als 100-Prozent-Vorgabe festgelegt. Die Verkaufsgebiete sind weitestgehend allein fiir die Zielerreichung verantwortlich.

Als Generalisten wahlen die Vertriebsmitarbeiter unterschiedliche Vor-gehensweisen, um das Verkaufsziel zu erreichen. Der jiingere Vertriebs­mitarbeiter wendet sich womoglich eher an kleinere Kunden, der erfah-rene fasst die groSeren Kunden ins Auge, manch einer fiihlt sich im Um-gang mit Behorden sehr wohl, ein anderer sucht den Kontakt eher bei Industriekunden. Die potenziellen Schliisselkunden werden von mehr oder weniger jedem Vertriebsmitarbeiter bearbeitet und erfahren je nach Neigung und Verkaufsverhalten hohe, geringe oder bisweilen gar keine besondere Aufmerksamkeit. Bislang gibt es auch noch keine Kriterien, keine Definition des Key Accounts in dem beschriebenen Unternehmen.

Aufgrund einiger schmerzhafter Verluste von groSeren Kunden ent-schlieSt sich die Geschaftsleitung, Uberlegungen zur besseren Bearbei-tung ihrer wichtigsten Kunden anzustellen. Die Unternehmensleitung entscheidet, Kriterien festzulegen, um die wichtigsten Kunden - also die Schliisselkunden - definieren zu konnen. Die Key Accounts sollen anschliefiend aufgelistet und in einem eigenen Vertriebsbereich fokus-siert bearbeitet werden. Durch den neuen eigenstandigen Vertriebsbe­reich, also in Summe zwei nebeneinander arbeitende Vertriebsbereiche, sollen die Unterschiede in der Bearbeitung der Kunden, die Bezahlsysteme, die Fiihrung jeweils besser angepasst werden, um fokussierter zu arbeiten. Es kommt dadurch zu einer Spezialisierung in der Bearbeitung, was eine Erhohung der Vertriebsproduktivitat nach sich ziehen kann.

Folgende Arbeitsschritte werden nun festgelegt:

• Kriterien verabschieden und die Key Accounts festlegen

* Die Key Accounts namentlich auf einer Liste zusammenstellen

232 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

« Vertriebsmitarbeiter ausfindig machen, die dem Key-Account-Mana-gerprofil entsprechen

» Gehaltsstrukturen verabschieden

* Die neue Vertriebsstruktur beider Bereiche aufstellen

* Im Rahmen von Meetings die Struktur vorstellen und Ubergangs-zeitraume festlegen

* Den Vorgang der Potenzialaufteilung festlegen

* Ziigig in die Umsetzung gehen

Was Fiihrungskrafte unbedingt beachten sollten

Nach Ankiindigung der neuen Aufteilung in zwei Vertriebsbereiche kann mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass Vertriebsmit­arbeiter und -fiihrungskrafte sich fragen: Welche Auswirkungen hat dies auf mich? Was ist mit meinem Verkaufspotenzial (= meiner Ein-kommensquelle)? Der Vertriebsmitarbeiter, der zukiinftig keine Key Accounts bearbeiten wird, fragt sich: Welche Kunden und Interessenten muss ich abgeben, bleibt mir anschliefiend noch genug? Der Key Account Manager denkt sich: Bekomme ich ausreichend Key Accounts, um die Ziele zu erreichen und entsprechendes Einkommen zu realisieren? Nahezu alle fragen sich: Wird es bei der Aufteilung gerecht zugehen? Wird jemand bevorzugt oder benachteiligt? Wird das Ganze iiberhaupt klappen? Im Ergebnis wird es zu Diskussionen und Unruhe innerhalb der Vertriebsmannschaft kommen.

Ferner kann berechtigterweise unterstellt werden, dass nach Ankiindi­gung und Start der Umsetzung beide Vertriebsbereiche beginnen wer­den, sich im eigenen Interesse optimal zu positionieren und darauf zu achten, dass die Potenziale korrekt zugeordnet werden. Die Ressorts beginnen sich abzugrenzen und entwickeln ein eigenstandiges Grup-penverstandnis. Der Spagat zwischen eigenem Ressortinteresse und Unternehmensinteresse ist nicht immer einfach. In dieser Phase ist die Gefahr sehr gro6, dass sich zwischen den beiden Vertriebsbereichen Graben bilden und sich im schlimmsten Fall Fronten verharten, sofern nur der Verdacht entsteht, dass es bei der Aufteilung der Potenziale, der Festlegung der Ziele und der Zieleinkommen nicht gerecht zugehen konnte. Diese Phase ist meist emotional aufgeladen.

Key Account Management - die Konigsdisziplin im Vertrieb 233

Es ist deshalb sehr wichtig, dass die Umsetzung ziigig vonstatten geht und dass das Vertriebsmanagement eng daran mitarbeitet. Die Mitar-beiter diirfen in diesem Stadium nicht alleine gelassen werden. Ferner soUten die Vertriebsfiihrungskrafte ausgleichend auf die Vertriebsmitar-beiter einwirken. Bei Einfiihrung von zwei Vertriebsbereichen entsteht namlich das erste Mai eine hierarchische Einstufung der Vertriebsmit-arbeiter: zum einen in die Gruppe der Vertriebsmitarbeiter fiir den Normal- bzw. Nicht-Key-Account, zum anderen in die Gruppe der Key Account Manager. Sicher wird sich der eine oder andere sagen: „Key Account Manager ware ich auch gerne geworden, und im Ubrigen kann ich den Key Account genauso gut betreuen wie der Key Account Mana­ger, aber das traut man mir wohl nicht zu". Oder anders gesagt: Nicht jedem wird die neue Struktur gefallen, und es braucht Zeit, um sich mit der neuen Situation zu arrangieren. Ein weiterer Konfliktpunkt ist das zukiinftig unterschiedliche Zieleinkommen. In der Regel liegt das Ziel-einkommen eines Key Account Managers deutlich iiber dem Zielein­kommen seines Kollegen aus dem Vertriebsbereich Normalkunden. Um diesen nicht wiinschenswerten Folgen erfolgreich entgegenwirken zu konnen, sollte vor allem darauf geachtet werden, dass

• die Kriterien und die Definition der Key Accounts alien bekannt sind,

• in Ausnahmefallen eine andere Zuordnung erfolgen kann (setzt Uber-einstimmung beider Bereichschefs voraus),

• beiden Bereichen ihre spezifischen Chancen dargestellt worden sind,

• es auf keinen Fall zu unterschiedlichen Auslegungen kommen kann,

• die Vertriebsfiihrungskrafte ein gemeinsames Verstandnis haben und hinter der Sache stehen.

Hinweise zum Potenzialkonflikt

Nach der Umsetzung und Gewohnung an die neue Situation soUten die Vertriebsfiihrungskrafte darauf achten, bei aufkeimenden Konflikten zwischen den Bereichen bzw. zwischen Vertriebsmitarbeiter und Key Account Manager friihzeitig und konstruktiv einzugreifen. Die haupt-sachliche Konfliktursache ist auch nach der Einfiihrung des Key Ac­count Managements als eigenstandiger Vertriebsbereich das Verkaufs-

234 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

potenzial. In der Praxis ist zu beobachten, dass der Kreativitat in der Argumentation, warum es denn trotz Definition sinnvoU ist, den Kun-den von dem einem oder anderen Bereich betreuen zu lassen, kaum Grenzen zu setzen sind. Fiir die verantwortlichen Fiihrungskrafte ist es auch nicht einfach, denn ihre einkommensbezogenen Interessen sind ebenfails betroffen. Darunter leidet die so genannte „Objektivitat" im Einzelfall oft erheblich. Die Schlichtung im Einzelnen und der erhohte Bedarf an Konfliktmanagement zahien nach Einfiihrung des Key Account Managements zu den dauernden Fiihrungsthemen.

Die Konigsdisziplin in der Praxis

In den nun folgenden Ausfiihrungen sollen die wesentlichen Elemente des Key Account Managements in der taglichen Praxis dargestellt wer-den. Im Kern unterscheidet sich das Key Account Management nicht von der Vertriebspraxis fiir Normalkunden. Letztiich geht es auch im Key Account Management darum, Vertragsabschliisse herbeizufiihren, den Kunden gegeniiber dem Mitbewerber zu verteidigen, neue Kunden fiir das Unternehmen zu gew innen und bestehende Kunden auszubau-en. Der wesentHche Unterschied besteht darin, dass der Key Account gr6i?ere Chancen bietet, aber in jedem Fall ein hohes Risiko besitzt, da der Verlust eines Key Accounts groSe negative Folgen fiir das Unter­nehmen nach sich ziehen kann.

Daraus folgt ein weiterer Unterschied: Im Idealfall stehen alle Key Accounts unter dauernder Beobachtung oder, anders formuliert, ein Key Account soUte in standiger Bearbeitung sein. Die Liste der Key Accounts pro Key Account Manager soUte regelmaSig, z. B. im Rah-men des Monatsgesprachs, Name fiir Name besprochen und hinsicht-lich der gegenwartigen Situation aktualisiert werden. Es sollte unter alien Umstanden sichergestellt werden, dass der Key Account Manager immer „nahe am Geschehen" beim Kunden ist. Wenn ein Unternehmen Key Account Management einfiihrt, dann bietet es sich fiir den Einstieg in das Tagesgeschaft an, schrittweise das Key-Account-Potenzial zu erfassen und zu managen. Nachfolgend wird der Einstieg in das Key Account Management beispielhaft in Form von fiinf Schritten vor-gestellt.

Key Account Management - die Konigsdisziplin im Vertrieb 235

Schritt 1: Schaffung von sachlicher Transparenz - leistungsorientiert

In diesem ersten Schritt geht es darum, die gegenwartige Situation zunachst aus einer leistungsbezogenen Perspektive zu analysieren, um einen ersten Uberblick zu bekommen. Folgende Fragen soUten geklart werden:

« Seit wann besteht eine Geschaftsbeziehung mit dem Kunden?

« Welchen Gesamtumsatz erzielt das Unternehmen in einer Periode mit dem Kunden?

• Wie hat sich der Gesamtumsatz entwickelt (bei mehrjahriger Ge­schaftsbeziehung) ?

• Wie hoch ist der erwirtschaftete Deckungsbeitrag mit dem Kunden?

• Welche ZahlungsmodaUtaten wurden verhandeh - wie ist das tatsachliche Zahlungsverhalten?

« Mit welchen Leistungen wird der Kunde beUefert?

« Wie zufrieden ist der Kunde mit der Leistung?

• Gab es in der Vergangenheit berechtigte Reklamationen?

• Wer sind die hartesten Mitbewerber um den Kunden?

• Was kann iiber die zukiinftige Entwicklung des Kunden herausge-funden werden?

Die Klarung dieser Fragen hilft dem Key Account Manager, einen „voll-standigen" Uberblick iiber den derzeitigen Leistungsstand des Kunden zu erhalten. Es empfiehlt sich, diesen Uberblick schriftlich in einem Form-blatt oder einer Datei iibersichtlich festzuhalten. Damit ist gewahrleistet, dass diese Informationen im Rahmen von Besprechungen schnell vermit-telt werden konnen - das Formblatt stellt eine Arbeitsgrundlage dar.

Schritt 2: Schaffung von sozialer Transparenz - entscheidungsorientiert

Im zweiten Schritt sollte Klarheit iiber die soziale Beziehung zum Kun­den geschaffen werden. Folgende Fragen sollten geklart werden:

• Welche Ansprechpartner kennen wir personlich beim Kunden?

« Welche personlichen Beziehungen bestehen zu dem Kunden - wie kann die Qualitat der Beziehung eingestuft werden?

236 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

* Wie ist die Beziehung der Ansprechpartner untereinander - Hierar­chic, personliche Einstellungen zum Sachverhalt, sichtbare Konflikt-potenziale untereinander?

* Welche Beziehung ist besonders tragfahig?

* Existieren Beziehungsstorungen - welche Ursachen sind dafiir aus-schlaggebend?

* Wie wird gegenwartig beim Kunden eine Entscheidung herbeigefiihrt?

* Sind Veranderungen in den Entscheidungsstrukturen sichtbar - neue Organisation, neue Machtverteilung usw.?

* Welche Personen konnten neben den bereits bekannten Personen zu-satzlich am Entscheidungsprozess beteiligt sein?

* Gibt es eine Beziehung zur Geschaftsleitung?

Antworten auf Fragen im Schritt 2 geben wichtige Auskiinfte dariiber, wie der Kunde entscheidet, was seine Entscheidungen beeinflussen konnte, an welchen Stellen Konflikte oder Risiken im Beziehungs-geflecht vorhanden sind. Dadurch wird es moglich, geeignete Mai?-nahmen festzulegen und kritischen Situationen entgegenzuwirken. Die Praxis zeigt, dass die „menschliche" Komponente im Entscheidungs­prozess starker wiegt als die sachbezogene Komponente und dass sie letztlich in der Entscheidungsfindung den Ausschlag geben kann.

Schritt 3: Chancen-/Risikenanalyse

Die Chancen-ZRisikenanalyse ist ein klassisches Marketinganalyse-Instrument, um sich einen ersten Uberblick iiber seine Ausgangslage zu verschaffen. Diese Analyse kann anschlieSend als Grundlage genutzt werden, um eine Strategic zu entwerfen und einen MaSnahmenplan festzulegen. Im Nachfolgenden lernen Sie eine Moglichkcit kennen, wie eine solche Chancen-ZRisikenanalyse im Ergcbnis aussehen konnte. Wichtig im Analyseprozcss ist, dass die Sachvcrhaltc moglichst gcnau und treffend beschriebcn werden, damit sie auch fiir Dritte gut vermit-tclbar und verstandlich sind.

Key Account Management - die Konigsdisziplin im Vertrieb 237

Abbildung 35: Beispiel fur eine Chancen-ZRisikenanalyse

Nach der Chancen-ZRisikenanalyse ist es moglich, die eigene Position zu beurteilen und dariiber nachzudenken, mit welcher Strategie wir nun auf den Kunden zugehen. Das soil beispielhaft im folgenden Schritt 4 erarbeitet werden.

Schritt 4: Erarbeitung der Key Account-individuellen Strategie - Planung der Vertriebskapazitat

Die ersten drei Schritte haben sich ausschlieElich mit der analytischen Bewertung einzelner Elemente befasst. Die Ergebnisse der Analyse stel-len das Fundament und die Ausgangslage fiir den folgenden vierten Schritt dar. Nun beginnen wir damit, einen Plan zur zukiinftigen Vor-gehensweise aufzustellen. Planen heiCt zunachst, Ziele festzulegen und anschlieEend Maf?nahmen zur Zielerreichung zu bearbeiten. In unse-rem Beispiel der G'M GmbH konnten folgende Ziele festgelegt werden:

238 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

P- Ziel 1 Absicherung des Kunden iiber den 31. Marz des Folgejahres hinaus fiir weitere drei Jahre.

^ Ziel 2 Ausbau des Kunden mit neuen Leistungen im kommenden Jahr.

Wie konnte der MaSnahmenplan auf der Basis der Chancen-ZRisiken-analyse aussehen? Hierzu einige Anregungen:

'*• Chance 1: Der Kunde ist mit der Laufleistung unserer Maschinen sehr zufrieden. Bewertung: Der Kunde kann sich wahrscheinlich vorstellen, auch in Zukunft mit unserer installierten Maschine weiterzuarbeiten. Mafinahmen: Kundentermin vereinbaren, urn die Frage zu klaren, ob der Kunde sich vorstellen kann, mit uns weiterzuarbeiten, und Erarbei-tung eines Angebots.

$> Chance 2: Unsere Servicemitarbeiter haben gute Beziehungen zu den Anwendern aufgebaut. Bewertung: Die Anwender sind wahrscheinlich Befiirworter unseres Angebots, mit der jetzigen Installation fortzufahren. Mafinahmen: Die betroffenen Servicemitarbeiter iiber die aktuelle Ver-tragssituation aufklaren und mit ihnen das Angebotsvorhaben erortern. Gegebenfalls die Servicemitarbeiter darum bitten, die Anwender zu in-formieren und fiir unser Vorhaben zu sensibilisieren.

» Chance 3: Durch eine Neuentwicklung unseres Unternehmens konnten wir den Kunden auch in einem anderen Bereich gut beliefern. Bewertung: In Kombination mit unserem Anschlussangebot fiir die be-stehende Installation konnte fiir den neuen Bedarfsbereich ein sehr kundenorientiertes Gesamtkonzept ausgearbeitet werden. Mafinahmen: Kundentermin vereinbaren, um den neuen Leistungsum-fang vorzustellen und den Kundenbedarf zu analysieren. Anschliefiend Ausarbeitung einer Gesamtkonzeption.

P Chance 4: Die Maschinen konnten auch noch nach Vertragsende vom Kunden weitergenutzt werden, wir konnten einen kostengiinstigen An-schlussvertrag anbieten.

Key Account Management - die Konigsdisziplin im Vertrieb 239

Bewertung: wie bei Chance 1 Mafinahmen: wie bei Chance 1

> Chance 5: Der Organisationsleiter, der die Mitbewerberlosung favori-siert, verlasst das Unternehmen. Bewertung: Die potenziellen Widerstande gegen unser Vorhaben wer-den geringer. Mai nahme: Versuchen herauszufinden, wer die Nachfolge antreten wird.

Nachdem wir die einzelnen Chancen bewertet haben und geeignete MaSnahmen entwickelt worden sind, verfahren wir nun bei den Risi-ken in der gleichen Weise.

i> Risiko 1: Der bestehende Vertrag endet am 31. Marz des kommenden Jahres und ist seitens des Kunden fristgerecht gekiindigt worden. Bewertung: Der Kunde ware anschHefiend frei in seiner Entscheidung und konnte sich auch fiir einen Mitbewerber entscheiden. Mafinahmen: wie bei Chance 1

P Risiko 2: Unser Mitbewerber ware jetzt auch in der Lage, eine ahnliche Leistung zu erbringen wie wir. Bewertung: Hohes Risiko fiir uns, wir miissen davon ausgehen, dass unser Mitbewerber das nahe hegende Vertragsende kennt. Mafinahmen: Den Kunde mit hochster Prioritat bearbeiten und Mai?-nahmen unverziighch umsetzen.

I" Risiko 3: Zum Jahresende wird einer unserer wichtigsten Entscheider in eine neue Aufgabe gehen, den Nachfolger kennen wir noch nicht. Bewertung: Das Risiko (wie bei Risiko 2) wird verscharft, da unser Mitbewerber womogHch bereits Kontakt zu einem potenziellen Nach­folger hergestellt hat. MaSnahmen: Kundentermin vereinbaren und versuchen, die Entschei-dersituation zu klaren.

'$>• Risiko 4: Der Kunde war mit der Abwickiung einer Reklamation nicht zufrieden. Bewertung: Die mangelhafte Abwickiung konnte uns bei der Entschei-dungsfindung zum Nachteil werden, sofern die zugrunde Hegende Storung die unternehmensinternen Prozesse empfindlich beeintrachtigt hat.

240 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

Maf^nahmen: Vereinbarung eines Kundentermins auf hochstmoglicher Ebene. Der Termin wird vom Key Account Manager und seinem Vor-gesetzen gemeinsam wahrgenommen. Es wird die gesamte Geschafts-beziehung erortert, die Zufriedenheit festgestellt, die Reklamation an-gesprochen, Ursachen fiir die nicht zufrieden stellende Abarbeitung werden dargestellt und es wird aufgezeigt, was das Unternehmen getan hat, damit Reklamationen in Zukunft besser bearbeitet werden.

Zusammenfassend listen wir die MaSnahmen nochmals auf und planen nun den Einsatz der Vertriebskapazitat.

w- MaBnahmel: Kundentermin vereinbaren, urn die Frage zu klaren, ob der Kunde sich vorstellen kann, mit uns weiterzuarbeiten. Wer? Key Account Manager vereinbart Kundentermin 1 und nimmt diesen wahr.

p MaBnahme2: Erarbeitung eines Angebots. Wer? Key Account Manager, gegebenenfalls mit Vorgesetztem.

I* MaBnahme 3: Die betroffenen Servicemitarbeiter iiber die aktuelle Vertragssituation aufklaren und mit ihnen das Angebotsvorhaben erortern. Gegebenfalls die Servicemitarbeiter datum bitten, die Anwender zu informieren und fiir unser Vorhaben zu sensibilisieren. Wer? Key Account Manager im Rahmen einer internen Besprechung.

l» MaRnahme4: Kundentermin vereinbaren, um den neuen Leistungsumfang vorzustel-len und den Kundenbedarf zu analysieren. Anschlief?end Ausarbeitung einer Gesamtkonzeption. Wer? Key Account Manager vereinbart Kundentermin 2 oder integriert diese Aktivitat mit in den Termin 1.

i» MaBnahmeS: Versuchen herauszufinden, wer die Nachfolge antreten wird. Wer? Key Account Manager

Key Account Management - die Konigsdisziplin im Vertrieb 241

P MaBnahme6: Den Kunden mit hochster Prioritat bearbeiten und MaSnahmen unver-ziiglich umsetzen. Wer? Key Account Manager koordiniert die Aufgaben.

^ MaBnahme?: Kundentermin vereinbaren und versuchen die Entscheidersituation zu klaren. Wer? Key Account Manager vereinbart Termin 3, urn ein Abschiedsge-sprach zu fiihren.

^ MaBnahmeS: Vereinbarung eines Kundentermins auf hochstmoglicher Ebene. Der Termin wird vom Key Account Manager und seinem Vorgesetzen ge-meinsam wahrgenommen. Es wird die gesamte Geschaftsbeziehung erortert, die Zufriedenheit festgestellt, die Reklamation angesprochen, Ursachen fiir die nicht zufrieden steliende Abarbeitung werden darge-stellt und es wird aufgezeigt, was das Unternehmen getan hat, damit in Zukunft Reklamationen besser bearbeitet werden. Wer? Key Account Manager koordiniert den Termin 4.

Schritt 5: Aufsteiiung einer Watch-List - Grundlage fiir das wiederkehrende Kundenmanagement

Durch die schrittweise Vorgehensweise besitzen wir ein sehr effizientes Instrument, um einen Key Account professionell zu bearbeiten. Da diese Vorgehensweise bei jedem Key Account durchzufiihren ist, kann es bei einer grofieren Anzahl von Key Accounts schnell uniibersichtlich werden. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, eine so genannte Watch-List aufzustellen. In dieser Watch-List sind alle Key-Account-Kunden und -Interessenten aufgelistet mit einem Feld, in das die gegenwartigen Aktivitaten eingetragen werden. Diese Watch-List hat den Sinn, dass Key Account Manager und Fiihrungskraft sich regelmal?ig, z. B. im Rahmen eines Monatsgesprachs, iiber den aktuellen Stand jedes! Accounts abstimmen und den nachsten Schritt festlegen. Dadurch wird sichergesteih, dass alle Key Accounts im Blick gehalten und die jeweiii-gen festgelegten MaEnahmen sowie deren Ergebnis bewertet werden.

242 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

Zielsetzungen und Entlohnungsformen im Key Account Management

Von den Unternehmenszielen zu den Einzeizielen im Key-Account-Bereich

Die Ziele fiir den Key-Account-Vertriebsbereich werden grundsatzlich wie in anderen Vertriebsbereichen auch von den iibergeordneten Zielen des Unternehmens abgeleitet. Der Unterschied besteht im Detail darin, dass die besondere Bedeutung von Geschaftsvorfallen bei den Key Accounts ihren Niederschlag in den Einzeizielen fiir den Key Account Manager finden soUte. Wenn beispielsweise der Verlust von Key Accounts eine fiir das Unternehmen schadigende Tragweite hat, dann konnte das „Halten eines Key Accounts" bereits ein Teilziel fiir den Key Account Manager darstellen. Im Zielfindungsprozess ist die Orien-tierung an den Kriterien zur Bestimmung eines Key Accounts eine sehr gute Moglichkeit, um Einzelziele zu finden.

Das Zieleinkommen

Das Zieleinkommen eines Key Account Managers liegt im Regelfall deutlich iiber dem Zieleinkommen eines Vertriebsmitarbeiters, der Ver-antwortung fiir die Normalkunden tragt. Der Grund dafiir ist die im Kern groSere Verantwortung, die ein Key Account Manager iiberneh-men muss. Fiir das Vertriebsmanagement stellt sich die Frage, wie das Zieleinkommen ausgestaltet werden sollte. Neben dem reinem Fixein-kommen bietet es sich im Vertrieb generell an, das Zieleinkommen aus einem festen und einem variablen Bestandteil zusammenzusetzen (die Grundlagen zu Bezahlsystemen im Vertrieb konnen Sie in Kapitel „Der Entlohnungsprozess im Vertrieb" ab Seite 208 vertiefen). Beim varia­blen Bestandteil des Zieleinkommens kann iiblicherweise ein „Provisionssystem" von einem „Bonussystem" unterschieden werden. Die beiden Systeme sollen nun aus dem besonderen Blickwinkel des Key Account Managements beleuchtet werden.

Provisionssysteme im Key-Account-Bereich

Ein Provisionssystem ist in der Regel so gestaltet, dass jeder einzelne Vertragsabschluss direkt verprovisioniert wird. Die Bezahlung ist also

Key Account Management - die Konigsdisziplin im Vertrieb 243

an den einzelnen Vertragsabschluss gekniipft. In der Praxis wird dies haufig so ausgestaltet, dass der Provisionsanspruch bei Vertragsab­schluss entsteht und bei Beginn der Vertragserfiillung ausbezahit wird. Das Provisionsprogramm wird vom Vertriebsmanagement so angelegt, dass Geschafte, die fiir das Unternehmen besonders ertragreich sind, hoch verprovisioniert und die weniger ertragreichen Geschafte geringer verprovisioniert werden. Damit erfiillt das Provisionssystem neben sei­ner motivatorischen auch eine steuernde Wirkung fiir den Vertriebs-mitarbeiter. Im Normalkundengeschaft ist die variable Bezahlung in Form eines Provisionssystems sehr geeignet.

Bonussysteme im Key-Account-Bereich

Im Key Account Management trifft man gelegentlich auch Provisions-systeme an, das Bonussystem ist jedoch die geeignetere Entlohnungs-form. Warum? Im Gegensatz zum Provisionssystem stellt das Bonus-system eine andere Form der variablen Entlohnung dar. Der generelle Unterschied besteht darin, dass ein Bonus dafiir bezahlt wird, dass innerhalb eines bestimmten Zeitraums (Monat, Quartal, Halbjahr oder Jahr) ein bestimmtes Ziel oder eine Summe von Zielen erreicht wird. Es wird demnach nicht der einzeine Vertragsabschluss direkt variabel be-wertet, sondern die Ergebnisse aus der Summe einzelner erfolgreicher Aktivitaten innerhalb eines Zeitraums. Veranderungen des vertragli-chen Status bei Key Accounts haben sowohl positiv (bei einem neuen Geschaftsabschluss) als auch negativ (bei Key-Account-Verlust) grofie Auswirkungen auf das Geschaftsergebnis eines Unternehmens.

Insofern hat der Key Account Manager auch eine starkere Manage­ment- und/oder unternehmerische Komponente in seiner RoUe veran-kert, die auch Aktivitaten erfordert, die nicht direkt mit einem neuen Vertragsabschluss zusammenhangen. Es kommt vielmehr darauf an, dass die Summe seiner Aktivitaten ein Gesamtziel erreicht, das aus neuen Vertragsabschliissen, Vertragsverlangerungen, Vermeidung von Kundenverlusten, Erreichen einer hoher Kundenzufriedenheit, Generie-rung neuer Kunden erarbeitet wird. Das Bonussystem stellt also das Kriterium auf, z. B. Steigerung des Gesamtumsatzes der zugeordneten Kunden um zehn Prozent im laufenden Geschaftsjahr. Der Key Account Manager wird nun versuchen, a) moglichst wenige Kunden zu ver-lieren, b) neue Kunden hinzuzugewinnen, c) bestehende Kunden aus-

244 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

zubauen, um das Bonusziel zu erreichen. Je nach Hohe des Zieler-reichungsgrades wird dann ein Bonus ausbezahlt. Verliert er z. B. einen Kunden, so muss er dies durch Kundenausbau und/oder Neukunden-gewinnung wieder ausgleichen. Ublichweise wird bei Bonussystemen eine so genannte Eintrittsschweile festgelegt, d. h. erst ab einem be-stimmten Zielerreichungsgrad beginnt die Zahlung von Bonus. Haufig liegt diese Eintrittsschweile bei 80 Prozent fiir Verkaufsleiter und da-riiber liegenden Managementfunktionen. Wird das Ziel nur zu 79 Prozent erreicht, betragt der Bonus null. Bei der Einfiihrung eines Bonussystems fiir Key Account Manager soUte iiberlegt werden, die Eintrittsschweile geringer anzusetzen, um Harten zu vermeiden und seine motivatorische Wirkung nicht zu zerstoren.

Key Account Management - die Konigsdisziplin im Vertrieb 245

O Im Key Account Management ist es gebrauchlich, den variablen Anteil der Entlohnung in Form eines Bonussystems anstelle eines Provisionssystems auszugestalten.

O Die Entwicldung eines Junior- oder Seniorvertriebsmitarbeiters zum Key Account Manager stellt einen Karriereschritt dar.

246 Das Tagesgeschaft des Vertriebsmitarbeiters

Glossar

Basisziele Die Basisziele eines Wirtschaftsunter-nehmens stellen fundamentale Zielset-zungen dar, die Vorrang vor alien ande-ren Zielsetzungen haben. Basisziele zu erreichen bedeutet, entscheidende Bei-trage zum Fortbestand (Wachstum oder Erhaltung) eines Unternehmens zu leis-ten. Das Gewinnziel, die Hohe einer bestimmten Rendite oder der Liquiditat (Cashflow) sind Beispiele fiir Basisziele.

Benchmarking Unter Benchmarking versteht man den Vergleich von Daten der eigenen Organi­sation mit anderen Organisationen, z. B. die prozentuale Hohe der Verwaltungs-kosten zum Umsatz. Ziel des Benchmar­king ist es herauszufinden, welchen Rang das eigene Unternehmen im Vergleich zu anderen einnimmt und was andere Or­ganisationen besser machen, falls die eigene Organisation schlechter abschnei-det. Interessant wird Benchmarking, wenn brancheniibergreifend verglichen wird. Der kontinuierliche Vergleich von Produkten, Dienstleistungen, Prozessen und Methoden gibt dem Unternehmen Aufschluss iiber seine eigene Stellung. Benchmarking ist gleichzeitig ein Instru­ment zur Wettbewerbsanalyse.

Betriebswirtschaft Die Betriebswirtschaft oder Betriebs-wirtschaftslehre hat im Gegensatz zur Volkswirtschaftslehre den Betrieb, also das einzelne Unternehmen mit seinen Funktionen und Beziehungen zum Markt als Erkenntnisobjekt festgelegt.

Bonussystem Bei einem Bonussystem handelt es sich um eine Bezahlform, die in der Regel den variablen Gehaltsbestandteil von Managern eingrenzt und beschreibt. Es werden Einzelziele festgelegt, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums (z. B. Quartal, Halbjahr oder Jahr) erreicht werden miissen. In Abhan-gigkeit vom Zielerreichungsgrad wird dann die Hohe des Bonus ermittelt und ausbezahlt. Dieser fiir Manager iibliche Gehaltsbestandteil wird auch haufig fiir Key Account Manager, also Vertriebsmitarbeiter, die Verantwor-tung fiir Schliisselkunden haben, ange-wendet.

Cashflow Der Cashflow gibt Auskunft iiber die Zahlungsfahigkeit eines Unternehmens und darf nicht mit Gewinn verwechselt werden. Die meisten Organisationen miissen ihre Geschaftstatigkeit aufge-ben, weil sie nicht mehr zahlungsfahig sind (Konkurs) und nicht, weil ein Ver-lust erwirtschaftet wurde. Der Cash­flow ist ein zentraler betriebswirtschaft-licher Indikator.

Coaching Unter Coaching versteht man im be-triebswirtschaftlichen Sinne die perma-nente Begleitung und Unterstiitzung z. B. eines Vertriebs-Juniors durch einen zeitlich befristet zugeordneten Mentor. Er ist vergleichbar mit einem Trainer, der am Spielfeidrand stehend die Mannschaft oder einen einzelnen Spie-

247

ler iiber die gesamte Spielzeit hinweg unterstiitzt und steuert.

Controlling Controlling wird oftmals mit Kontrolle verwechselt. Controlling bedeutet, un-ternehmensrelevante Bereiche oder Zu-sammenhange messbar zu gestalten (z. B. Zeitdauer und Kosten fiir den Per-sonaleinstellungsprozess) und anhand der Daten Ziele und MaEnahmen fest-zulegen. Insofern ist das Vertriebssteue-rungssystem gleichzeitig ein Control­ling-Instrument.

Corporate Identity Dieser Begriff beschreibt ein Konzept fiir die jeweilige Identitat eines Unter-nehmens aus einer umfassenden ganz-heitlichen Perspektive. Es warden grund-satzliche verhaltensorientierte Fragestel-lungen geklart. Wie gehen die Mitarbei-ter miteinander um, welcher Fiihrungs-stil herrscht vor (Unternehmenskultur) ? Wie agiert das Unternehmen in seinem Markt, wie verhalt es sich gegeniiber seinen Mitbewerbern und anderen In-teressengruppen (Banken, gemeinnijtzi-gen Organisationen usw.)? Wie tritt das Unternehmen auf? Wie kommuniziert es medial (Corporate Design)? Welches Kundenverstandnis existiert? Welche iibergeordneten Zweck- und Zielsetzun-gen verfolgen die Inhaber oder das Top-Management? Die Klarung dieser Frage-stellungen fuhrt in der Kegel unterneh-mensintern zu einer Schaffung von Transparenz fiir die Mitarbeiter und Manager. Nach aufien tritt das Unter­nehmen geschlossener auf. Es wird fiir Kunden berechenbarer, lasst sich besser einordnen und abgrenzen.

Deckungsbeitrag Unter Deckungsbeitrag versteht man die Differenz zwischen Umsatz und Wareneinsatz, z. B. Verkaufspreis des

Waschetrockners fiir 620 € abziiglich des Einkaufspreises in Hohe von 400 € . Der Differenzbetrag oder Deckungsbeitrag betragt 220 € . Der Deckungsbeitrag soil dann die nachfol-genden Kosten wie Lohn/Gehalt, Mie-te, Strom etc. abdecken. Im Amerikani-schen wird der Deckungsbeitrag als Gross Marge bezeichnet.

DIssonanz, kognitive Eigentlich nichts typisch Betriebswirt-schaftliches, sondern vielmehr allzu Menschliches. Die kognitive Dissonanz beschreibt das unangenehme Gefiihl, dass sich nach einer wichtigen Ent-scheidung, z. B. Kauf eines neuen Pkws, Zweifel an der Richtigkeit der getroffe-nen Entscheidung einstellen. Im Inves-titionsgiitervertrieb ist es wichtig, den Kunden nach einer Kaufentscheidung in der Richtigkeit seiner Entscheidungs-findung zu bestarken.

Entscheider Person oder Personengruppe, die die Entscheidung fiir oder gegen eine In-vestition treffen. Bei mittelstandischen Unternehmen ist der Entscheider meis-tens mit der Geschaftsleitung gleichzu-setzen. In Groi?unternehmen konnen investionsrelevante Entscheidungen von einzelnen Mitarbeitern (Einkaufer, Or-ganisationsverantwortliche usw.) oder von einem Beschaffungsteam getroffen werden.

Erfolg Unter Erfolg versteht man das Errei-chen eines vorher gesteckten Ziels.

Erfolgsfaktoren Unter Erfolgsfaktoren versteht man diejenigen Tatigkeiten oder Instrumen-te, die hauptverantwortlich oder be-sonders wirksam im Hinblick auf eine Zielerreichung sind.

248 Glossar

Erfolgsmessung Die Erfolgsmessung ist notwendig, um festzustellen, ob ein Ziel erreicht wur-de. Voraussetzung dafijr ist, dass das Ziel oder der Grad der Zielerreichung messbar ist.

Fiihrungsphilosophie Fiihrungsphilosophie beschreibt die Leitideen des Fiihrungskonzeptes ei-nes Unternehmens. Oftmals wird die Fiihrungsphilosophie in den Leitlinien des Unternehmens, die schriftlich ver-fasst und veroffentlicht werden, ver-ankert.

Gesamtmarktvolumen Summe der Nachfrage eines Marktes innerhalb eines bestimmten Zeitraums. Es zeigt das mogliche Umsatzvolumen auf (= 100%) und lasst Planungen auf zu erreichende Anteile zu.

Gewinn Gewinn - im Amerikanischen als „pro-fit" bezeichnet - ist der positive Diffe-renzbetrag zwischen Umsatz abziiglich Wareneinsatz und Kosten.

Image Der Begriff Image umfasst die Meinun-gen und Einstellungen von Personen zu einer Sache oder einem Sachverhalt. Die gewollte positive Veranderung des Image eines Unternehmens ist nur mit-telfristig erreichbar, da Einstellungen verandert werden miissen. Hingegen ist der Imageverlust oder die Schadigung, z. B. ausgelost dutch einen Skandal, schnell erreicht.

Innovationen Innovationen sind Weiter- oder Neuent-wicklungen, die fortschrittlich sind und als neues Produkt oder neue Dienstleis-tung im Markt angeboten werden.

Investitionsg liter Im Privatbereich werden Konsumgiiter (z. B. Milch) von Gebrauchsgiitern (z. B. Staubsauger) unterschieden. Gebrauchs-giiter sind langlebig und erfiillen ihren Zweck mehrfach (z. B. reinigen). Ge-brauchsgiiter im betriebswirtschaft-lichen Sinne werden Investitionsgiiter genannt, z. B. eine Telefonanlage oder eine Produktionsmaschine.

Give-Aways Dabei handelt es sich um kleine Kundengeschenke oder Aufmerksam-keiten, die das Anbieterunternehmen dem Vertrieb als verkaufsfordernde MaSnahme zur Verfiigung stellt. Ziel ist die Verbesserung der Beziehung zum Kunden.

Handelsvertreter Nach dem HGB (Handelsgesetzbuch) ein selbststandig Tatiger, der im frem-den Namen, auf fremde Rechnung als Absatzmittler (Bindeglied zwischen Hersteller und Kunden) arbeitet. Im Gegensatz zum Handelsvertreter ist der Reisende im Unternehmen fest ange-stellt.

Kapazitat Unter Kapazitat versteht man die not-wendige Menge an Arbeitskraft (mensch-liche oder maschinelle), um eine geplan-te Zielsetzung oder Aufgabe zu errei-chen. Z. B. benotige ich x Maschinen und y Std. Arbeit, um 100 Stiick eines Produkts in einem definierten Zeitraum fertigzustellen.

Kernkompetenz Sich auf seine Kernkompetenzen zu konzentrieren heifit, hauptsachlich an den Dingen zu arbeiten, die dem eigent-lichen Zweck eines Unternehmens ent-sprechen. Nach der Aufkaufwelle der 70er- Jahre entfernten sich Unterneh­men wie seinerzeit AEG oder Kodak

Glossar 249

zunehmend von ihrer eigentlichen Kern-kompetenz. Die Mischkonzernkonzep-tion war geboren. Heute zeichnet sich ein gegenteiliger Trend ab, da erkannt wurde, dass as sehr schwierig ist, „un-ternehmensfremde" Bereiche optimal zu managen.

Key Account Unter einem Key Account wird ein Schliisselkunde verstanden, der fiir ein Unternehmen im Vergleich zu einem Normalkunden eine besonders groi^e Bedeutung besitzt. Bevor jedoch ein Un­ternehmen Key Accounts oder Schliis-selkunden bestimmt, miissen zuvor Bestimmungskriterien gefunden und festgelegt werden. Die Hohe des Um-satzes, die Hohe des Deckungsbeitra-ges, die Hohe der negativen Auswir-kungen bei einem Kundenverlust sind Beispiele fiir solche Kriterien. Wenn ein Unternehmen Key Accounts defi-niert, dann wird in der Kegel beab-sichtigt, diese Schliisselkunden in einer besonders aufmerksamen Form zu be-arbeiten.

Key Account Management Das Key Account Management umfasst alle Tatigkeiten, um Key Accounts pro-fessionell zu bearbeiten. Diese Aufgabe wird in der Kegel von Key Account Ma-nagern ausgefiihrt, also von Vertriebs-mitarbeitern, denen die Verantwortung fiir die Betreuung dieser wichtigen Kun-dengruppe iibertragen wird. Hauptziel-setzungen im Key Account Management sind beispielsweise a) das Halten der Key Accounts, da ein Verlust des Kunden und der damit verbundene Umsatz- oder Deckungsbeitragsausfall grofie negative Auswirkungen fiir das Unternehmen mit sich brachte, b) der Ausbau dieser Kun­den, um das Geschaftsvolumen zu stei-gern oder c) die Gewinnung neuer Key Accounts aus dem Interessentenbereich.

Konkurs Unternehmen, die Konkurs anmelden, sind zahlungsunfahig, d. h. es stehen keine Geldmittel mehr zur Verfiigung, um den Verpflichtungen nachzukom-men. Es wird ein Insolvenz-Antrag (Zahlungsunfahigkeitsanstrag) gestellt.

Kosten Kosten sind der in Geld bewertete Leistungsverzehr eines Unternehmens. Im Zeitpunkt der Entstehung von Kos­ten fiihren diese nicht zwangslaufig zu einer Auszahlung. Beispielsweise sind Abschreibungen, in denen der Wert-verzehr z. B. einer Produktionsmaschi-ne zum Ausdruck kommt, nicht zu bezahlen. Beim Kauf der Produktions-anlage wurde die Auszahlung bereits getatigt. Kosten und Auszahlungen sind nicht das Gleiche. Aus diesem Grund konnen Kosten auch nicht ge-spart, sondern allenfalls gesenkt oder erhoht werden.

Kosten, fixe Fixe Kosten sind mengenunabhangige Kosten, die z. B. bei einer Produktions-maschine auch dann entstehen, wenn diese gar nicht produziert (Abschrei­bungen, Versicherung).

Kosten, variable Variable Kosten sind mengenabhangige Kosten, die erst entstehen, wenn z. B. die Produktionsmaschine in Betrieb ge-nommen wird (Schmierstoffe, Material-stoffe).

Kosten-Management Das Kosten-Management umfasst die Aufgabenbereiche und Tatigkeiten, die notwendig sind, um die Kosten zu be-stimmen und Plane zu deren sinnvollen Senkung und/oder Erhohung zu ent-wickeln. Eine Kostensenkung erhoht den Gewinn im Verhaltnis 1:1.

250 Glossar

Kundenbindung Kundenbindung heifit, durch geeignete Marketing-MaSnahmen Kunden lang-fristig an das Unternehmen zu binden und somit dem Wettbewerb die Chance zu nehmen, diese Kunden fiir sich zu gewinnen. Z. B. stellt eine langfristige Vertragslaufzeit (Servicevereinbarung fiir die Heizungsanlage mit einem Hei-zungs- und Sanitarunternehmen) eine MaSnahme zur Kundenbindung dar.

Mailing Ein Mailing ist eine Kommunikations-maSnahme in Serienbriefform.

iUanagen Unter dem Begriff „managen" sind alle Tatigkeiten vereint, die eine Person (ein Manager) durchfiihren sollte oder muss, um im Sinne betriebswirtschaftlicher Rahmenbedingungen eine Aufgaben-stellung zu erfiillen. Fiihren, steuern, planen, umsetzen und entscheiden sind klassische Tatigkeiten von Managern.

IMarge Unter Marge wird der prozentuale Auf-schlag auf den Einkaufspreis einer Han-delsware verstanden.

Marketing Marketing ist das Konzept einer mark-torientierten Unternehmensfuhrung. Die Unternehmung richtet sich dabei am Kundenbedarf aus. Marktforschung un-terstiitzt die Unternehmen, die richtige Ausrichtung zu finden.

Marketing-Mix Das Marketing-Mix umfasst die ver-schiedenen Marktinstrumente, mit denen ein Unternehmen seinen Zielmarkt be-arbeitet. Zum Marketing-Mix zahlen die ProduktpoHtik, die Preispohtik, die Kommunikationspohtik, die Distribu-tionspolitik und die ServicepoHtik.

Positionierung Es handelt sich um einen zentralen Marketingbegriff, der in verschiedenen Marketingbereichen zu finden ist. Letzt-hch geht es um die eigene Einordnung des Unternehmens, der Produkte bzw. Leistungen im Marktumfeld (Kunden und Wettbewerber). Beispielsweise wird im Rahmen der PreispoUtik geklart, zu welchem Preisniveau die Leistung an-geboten werden soil - Preispositionie-rung. Ein anderes Beispiel ist die Wett-bewerbspositionierung - welche Stellung strebt das Unternehmen an? Will es Marktfiihrer, Angreifer oder Mitlaufer sein?

Potenzialkonflikt Der fiir einen Vertriebsmitarbeiter ab-gegrenzte Zielmarkt (Kunden und/oder Interessenten, die entweder geogra-phisch oder nach anderen Kriterien, z. B. Branchen, einem Vertriebsmitar­beiter zugeordnet werden) stellt fiir ihn sein Verkaufspotenzial dar. Durch Akquisition stellt er Kontakt her, ver-bunden mit seinem Interesse, einen Geschaftsabschluss anzubahnen. Ein Geschaftsabschluss wird in der Regel mittels Provision entlohnt. Insofern stellt das Verkaufspotenzial fiir den Vertriebsmitarbeiter seine „Einkom-mensquelle" dar. Bei einer Anderung der Vertriebsstruktur, z. B. Einfiihrung des Key Account Managements, kommt es zu einer Veranderung der Potenzialzuordnung. Hier liegt ein Konfliktpotenzial, wenn der Vertriebs­mitarbeiter entweder befiirchtet, zu viel abgeben zu miissen oder zu wenig zu bekommen, um ausreichend Ein-kommen zu erzielen bzw. seine Ver-kaufsziele erreichen zu konnen. Die Verantwortung zur Reduzierung oder Eliminierung von Potenzialkonflikten ist eine Kernaufgabe von Vertriebsfiih-rungskraften.

Glossar 251

Produktivitat Die Produktivitat beschreibt die Aus-bringungsmenge (z. B. gefertigte Stiicke) innerhalb eines Zeitraums. Der durch Produktivitatssteigerung erzielte Wohlstandseffekt ist eindrucksvoU am Beispiel der Stecknadelfertigung (Pro­duktivitatssteigerung durch Arbeitstei-iung und Spezialisierung) vom Natio-nalokonomen Adam Smith in seinem Werk „Wohlstand der Nationen" dar-gestellt.

Produktportfolio Produktportfolio ist ein Synonym fur „ An-gebotsspektrum" eines Untemehmens.

Profit Amerikanischer Begriff fiir Gewinn.

Prozess Beschreibung eines Ablaufs oder Vor-gangs in einem Unternehmen.

Qualitative Ziele Zielsetzungen, die nur schwer oder gar nicht zahlenmafiig ausgedriickt werden konnen und die somit auch nur qualita-tiv messbar werden (z. B. die Zielsetzung „Verbesserung des Betriebsklimas").

Referenzen Referenzen stellen Kundenbeispiele dar, an denen sich ein Interessent bei seiner Entscheidungsfindung orientieren kann. Fur den Vertriebsmitarbeiter stellen (Kun-den-) Referenzen ein wichtiges Mittel dar, um einen Interessenten von der Leistungs-fahigkeit des Untemehmens und seiner Produkte zu iiberzeugen. Referenzen sind vertrauensfordernd, da sie dem potenziel-len Kunden beweisen, dass der angebote-ne Leistungsumfang funktioniert und be-reits andere Kunden iiberzeugt hat.

Reisender Siehe dazu Handelsvertreter

Relaunch Der Begriff Relaunch wird haufig mit dem Produkt in Zusammenhang ge-bracht. Produktrelaunch bedeutet, die Auffrischung und Aktualisierung eines Produktes, um den erzielten Absatz zu halten oder zu steigern. Ein Produkt­relaunch wird in der Regel kurz vor dem Ende eines Produktlebenszyklus durchgefiihrt.

Rendite Der Gewinn oder Ertrag als prozen-tualer Anteil zum Eigenkapital oder Umsatz eines Untemehmens (z. B. die Eigenkapitalrendite betragt 15 %) .

Ressort Das Ressort ist ein aufgabenmal?ig ab-gegrenzter Verantwortungsbereich, z. B. Finanzressort oder Personalressort.

Riicklagen Riicklagen sind dem Eigenkapital gleich-zusetzen und werden vereinfacht aus­gedriickt in „guten" Zeiten gebildet, um „schlechte" Zeiten zu iiberbrii-cken.

Shareholder-Value Ubersetzt: Anteilseigner-Wert. Das Shareholder-Value-Prinzip meint die Optimierung und Ausrichtung der Organisation auf die Steigerung des Aktienwertes. Das Ergebnis soil dem Anteilseigner (Aktieninhaber) zugute kommen. Dieses Prinzip ist dann risi-koreich fiir das Unternehmen, wenn ausschlieSlich danach ausgerichtet wird. Die Entscheidungstrager im Finanzmanagement haben dann den starksten Einfluss. Finanzmanager nei-gen dazu, eher Kosten zu senken, und zeigen in der Regel wenig Risiko-bereitschaft, die jedoch notwendig ist, um Innovationen zu fordern, neue Markte zu erobem usw.

252 Giossar

Spieltheorie Die Spieltheorie stellt einen Ansatz zur Bewertung von Entscheidungsalternati-ven dar. Sie untersucht das wahrschein-liche Verhalten von Beteiligten (Perso-nen, Unternehmen, etc.), wobei an-genommen wird, dass die Beteiligten jeweils in ihrem eigenen besten Inte-resse handeln werden.

Strategic Eine Strategie beschreibt die Mafinah-me oder das Mal?nahmenbiindel, wie ein Ziel erreicht werden soil. Die Stra­tegie besitzt einen zeitlichen und einen inhaltlichen Bezug.

Umsatz Der Umsatz ergibt sich aus Absatzmen-ge X Verkaufspreis. Umsatz ist nicht im-mer gleichzusetzen mit Einzahlungen. Der Teil, der Umsatz bedeutet aber noch nicht als Einzahlung zur Verfiigung steht, wird als Forderung bezeichnet.

Unternehmenskonzept Im Unternehmenskonzept sind der Zweck eines Unternehmens, die Unter-nehmenszielsetzung (Rendite, Gewinn) sowie die Basisunternehmensstrategie (Wachstum oder Erhaltung) verankert.

Unternehmenskultur Die Unternehmenskultur umfasst die ethischen Grundsatze eines Unterneh­mens, die gewijnschten Umgangsfor-men der Mitarbeiter untereinander und die Richtlinien zum Dialog mit Drit-ten (Kunden oder Organisationen), die Fiihrungsphilosophie und den Fiih-rungsstil.

Verkaufsforderung Die Verkaufsforderung ist Bestandteil des Marketing-Mix, speziell der Kom-munikationspolitik eines Unternehmens. Sie umfasst eine Reihe von MaSnah-

men, die das Ziel verfolgen, den Ver-trieb bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben und Zielsetzungen zu unter-stiitzen. Dazu zahlen beispielsweise zeitlich begrenzte Aktionsangebote, Ver-anstaltungen fiir ausgewahlte Kunden, Messen aber auch Give-Aways und Prospektmaterial.

Verkaufspotenzial Das mogliche Umsatzvolumen im Ziel-markt, das unter Einsatz der absatzpo-litischen Instrumente (Marketing-Mix) erreicht werden konnte. Siehe auch Ge-samtmarktvolumen und Marketing-Mix.

Verkaufsstil Der Verkaufsstil beschreibt die Art und Weise, wie ein Verkaufer verkauft. Sein personlicher Stil wird im Wesentlichen von seinen charakterlichen und person-lichen Eigenschaften gepragt. Fiir den Verkaufer ist es also wichtig zu verste-hen, weshalb er sich in seiner Vorge-hensweise so verhalt, wie er es tut. Es gibt nicht nur einen oder den besten Verkaufsstil. Es kommt vielmehr darauf an, dass der Vertriebsmitarbeiter seinen personlichen Stil erkennt. Dann hat er die Moglichkeit, seine individuellen Starken auszubauen, seinen Verkaufs­stil positiv weiterzuentwickeln und „authentisch" aufzutreten.

Verkaufszyklus Der Verkaufszyklus beschreibt den Ver-kaufsprozess (vom Anfang bis zum Ende) in einer Marktsituation.

Vertriebsform Die Vertriebsform beschreibt die Art der Vermarktung: Verkauf iiber Reisen-de, Handelsvertreter (Direktvertrieb), stationarer Verkauf iiber Automaten oder im Ladenlokal durch Verkaufsper-sonal (Point-of-Sale), elektronischer Verkauf (E-Commerce) usw.

Glossar 253

Die Vertriebssteuerung ist ein Manage­ment-Tool fiir Vertriebsleiter und Ver-triebsmitarbeiter gleichermai?en. Ziel der Vertriebssteuerung ist es, durch Messungen und Vergleiche eine Grund-lage zur Mai?nahmenentwicklung zu er-halten. Vertriebssteuerung hilft ferner, den Fokus auf die Erfolg versprechen-den Bereiche zu lenken.

Wettbewerbsanalyse Im strategischen Dreieck (eigenes Un-ternehmen, Kunde, Wettbewerbsunter-nehmen) ist es fiir das eigene Unterneh-men unerlasslich, sich iiber die Starken und Schwachen der Mitbewerber im Klaren zu sein. Diese Informationen werden im Rahmen der Wettbewerbs­analyse beschafft.

Wettbewerbsumfeld Aus der Sicht eines Unternehmens stellt sein Wettbewerbsumfeld die Gruppe der Marktteilnehmer dar, die sich in sei-nem Zielmarkt bewegen und diesen gleichsam mitgestalten. Marktorientier-te Unternehmensfiihrung - Marketing -schlieSt den Mitbewerber und sein Ver-halten mit ein. Sein Wettbewerbsumfeld zu kennen ist letztlich genauso wichtig, wie seine Kunden zu kennen. Das gilt fiir Unternehmen und fiir Vertriebsmit-arbeiter gleichermaSen.

Zielmarkt Der Zielmarkt ist der vom Unterneh­men gewiinschte und zu bearbeitende Markt. Er ist fiir das Unternehmen be-sonders lohnend.

254 Glossar

Literatur

Biesel, Hartmut H.: Key Account Management erfolgreich planen und umsetzen, Wiesbaden 2002

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Glossar 255

Der Autor if^fijfi^^»>f'mif~

Martin Maas, Diplombetriebswirt, durchlief in einem Investitionsguterunternehmen die klassi-schen Vertriebspositionen vom Vertriebsbeauf-tragten bis zur Vertriebsleitung. Seit 2006 ist er als Regionalverkaufsleiter fiir dieses Unternehmen tatig.

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