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Predigt über Römer 11, Vers 33-36 am Fest des Dreieinigen Gottes (Trinitatis) 2010 in Bruckmühl und Hohenfried: O welch eine Tiefe des Reichtums, beides, der Weis- heit und der Erkenntnis Gottes! Wie unbegreiflich sind SEINE Gerichte und unerforschlich SEINE Wege! Denn: »Wer hat des HERRN Sinn erkannt, oder wer ist SEIN Ratgeber gewesen?« (Jesaja 40,13) Oder: »Wer hat IHM etwas zuvor gegeben, daß Gott es ihm vergelten müßte?« (Hiob 41,3) Denn von IHM und durch IHN und zu IHM sind alle Dinge. IHM sei Ehre in Ewigkeit! Amen. > Nein, liebe Gemeinde, das „Amen!“ ist nicht der Schluß der Predigt ich habe ja noch gar nicht richtig angefangen sondern es gehört zu unse- rem Predigttext dazu, genau so steht es da im 11. Kapitel des berühmten Briefs des Apostels Paulus an die Christen der noch jungen Gemeinde in Rom. Wir sind es gewohnt, unsere Gebete mit „Amen!“ zu beschließen, und das bedeutet dann so viel wie „Das ist gewißlich wahr!“, jedenfalls hat Martin Luther es so übersetzt. Fast wie ein Gebet klingen aber auch diese Zeilen, nachdem der Apostel sich zuvor ge- schlagene zweieinhalb Kapitel lang darüber ausge- lassen hat, wie das denn nun eigentlich ist mit Ju- den und Heiden, mit Israels Verstockung und Israels Errettung. Eine Frage, die die meisten Menschen heute, 2.000 Jahre später, kaum noch beschäftigt, die aber den Christen der ersten und zweiten Ge- neration massiv auf den Nägeln brannte. ....Gott hat alle eingeschlossen in den Ungehorsam, damit er sich aller erbarme.“ schließt Paulus seine Gedanken ab. Mit anderen Worten: „Auch wenn wir vieles nicht verstehen, auch wenn wir oft den Sinn nicht sehen, glaube nur: ER meint es gut!“ Und ER meint es nicht nur gut, sondern ER macht es auch gut! Und da bricht es aus ihm heraus, das Lob dieses unbegreiflichen, gnädigen und barmherzigen Gottes, er kann gar nicht mehr anders als staunend jubeln: ....welch eine Tiefe des Reichtums, beides, der Weis- heit und der Erkenntnis Gottes! Wie unbegreiflich sind SEINE Gerichte und unerforschlich SEINE Wege!“ Und geht es uns heute nicht ganz ähnlich. Von Na- turwissenschaftlern also, ich meine, nicht irgend welchen oberflächlichen Sprücheklopfern, sondern wirklich großen und namhaften Naturwissenschaft- lern, Nobelpreisträgern und so kann man gele- gentlich hören, je mehr sie erforschen und entdek- ken, je weiter sie bei ihren Experimenten vorankom- men und je genauer sie alles auseinanderfieseln, desto mehr werde ihnen klar, wie wenig sie in Wirk- lichkeit wüßten, und für jede Antwort, die sie fän- den, täten sich ihnen 10 neue Fragen auf, so daß ihr Staunen und ihre Ehrfurcht vor der Natur und de- ren Geheimnissen nicht etwa ab-, sondern ganz im Gegenteil immer mehr zunähmen. Dreieinigkeit Hendrick van Balen der Ältere (ca. 1575-1632), ca. 1625. Der niederländische Maler des Barock wurde mit 17 Jahren in die St. Lukasgilde in Antwerpen aufgenommen und zeitweise sogar Dekan dieser Gilde. 1605 heiratete er Margarete Briers und hatte 11 Kinder mit ihr. Nach seinem Tod fand er seine letzte Ruhestätte in der St. Jakobskirche in Antwerpen, wo sich auch diese Darstellung der drei göttlichen Personen befindet. Von einem Nobelpreisträger für Biologie habe ich im Fernsehen einmal den bemerkenswerten Satz gehört, wenn er ein Gänseblümchen auf der Wiese sehe, könne er gar nicht begreifen, wie irgend ein intelli- genter Mensch nicht an Gott glauben könne zum einen, weil dieses unscheinbare Blümchen ein der- maßen komplexes Wunderwerk sei, daß man gera- dezu zwingend an einen Schöpfer glauben müsse, und zum andern, weil Gänseblümchen dermaßen unwichtig und überflüssig seien, daß man ihre Existenz nur mit der überschäumenden Freude des Schöp- fers an SEINER Schöpfung erklären könne. Sehen Sie, und so ähnlich geht es mir auch mit Gott: Je länger ich an IHN glaube, je länger ich mich mit der Bibel befasse, als Pfarrer in der Kirche arbeite, pre- dige, Gottesdienste halte, Abendmahl feiere usw., desto größer mein Staunen und meine Ehrfurcht und desto fester meine Überzeugung, daß wir Menschen

Predigt über Römer 11, Vers 33-36Predigt über Römer 11, Vers 33-36 . am Fest des Dreieinigen Gottes (Trinitatis) 2010 in Bruckmühl und Hohenfried: O welch eine Tiefe des Reichtums,

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Page 1: Predigt über Römer 11, Vers 33-36Predigt über Römer 11, Vers 33-36 . am Fest des Dreieinigen Gottes (Trinitatis) 2010 in Bruckmühl und Hohenfried: O welch eine Tiefe des Reichtums,

Predigt über Römer 11, Vers 33-36 am Fest des Dreieinigen Gottes (Trinitatis) 2010 in Bruckmühl und Hohenfried:

O welch eine Tiefe des Reichtums, beides, der Weis-heit und der Erkenntnis Gottes! Wie unbegreiflich sind SEINE Gerichte und unerforschlich SEINE Wege!

Denn: »Wer hat des HERRN Sinn erkannt, oder wer ist SEIN Ratgeber gewesen?« (Jesaja 40,13) – Oder: »Wer hat IHM etwas zuvor gegeben, daß Gott es ihm vergelten müßte?« (Hiob 41,3) – Denn von IHM und durch IHN und zu IHM sind alle Dinge. IHM sei Ehre in Ewigkeit! Amen.

Nein, liebe Gemeinde, das „Amen!“ ist nicht der Schluß der Predigt – ich habe ja noch gar nicht richtig angefangen – sondern es gehört zu unse-rem Predigttext dazu, genau so steht es da im 11. Kapitel des berühmten Briefs des Apostels Paulus an die Christen der noch jungen Gemeinde in Rom.

Wir sind es gewohnt, unsere Gebete mit „Amen!“ zu beschließen, und das bedeutet dann so viel wie „Das ist gewißlich wahr!“, jedenfalls hat Martin Luther es so übersetzt. Fast wie ein Gebet klingen aber auch diese Zeilen, nachdem der Apostel sich zuvor ge-schlagene zweieinhalb Kapitel lang darüber ausge-lassen hat, wie das denn nun eigentlich ist mit Ju-den und Heiden, mit Israels Verstockung und Israels Errettung. Eine Frage, die die meisten Menschen heute, 2.000 Jahre später, kaum noch beschäftigt, die aber den Christen der ersten und zweiten Ge-neration massiv auf den Nägeln brannte.

„....Gott hat alle eingeschlossen in den Ungehorsam, damit er sich aller erbarme.“ schließt Paulus seine Gedanken ab. Mit anderen Worten: „Auch wenn wir vieles nicht verstehen, auch wenn wir oft den Sinn nicht sehen, glaube nur: ER meint es gut!“ – Und ER meint es nicht nur gut, sondern ER macht es auch gut! Und da bricht es aus ihm heraus, das Lob dieses unbegreiflichen, gnädigen und barmherzigen Gottes, er kann gar nicht mehr anders als staunend jubeln: „....welch eine Tiefe des Reichtums, beides, der Weis-heit und der Erkenntnis Gottes! Wie unbegreiflich sind SEINE Gerichte und unerforschlich SEINE Wege!“

Und geht es uns heute nicht ganz ähnlich. Von Na-turwissenschaftlern – also, ich meine, nicht irgend welchen oberflächlichen Sprücheklopfern, sondern wirklich großen und namhaften Naturwissenschaft-lern, Nobelpreisträgern und so – kann man gele-gentlich hören, je mehr sie erforschen und entdek-ken, je weiter sie bei ihren Experimenten vorankom-men und je genauer sie alles auseinanderfieseln, desto mehr werde ihnen klar, wie wenig sie in Wirk-lichkeit wüßten, und für jede Antwort, die sie fän-den, täten sich ihnen 10 neue Fragen auf, so daß ihr Staunen und ihre Ehrfurcht vor der Natur und de-ren Geheimnissen nicht etwa ab-, sondern ganz im

Gegenteil immer mehr zunähmen.

Dreieinigkeit – Hendrick van Balen der Ältere (ca. 1575-1632), ca. 1625. Der niederländische Maler des Barock wurde mit 17Jahren in die St. Lukasgilde in Antwerpen aufgenommen und zeitweise sogar Dekan dieser Gilde. 1605 heiratete er MargareteBriers und hatte 11 Kinder mit ihr. Nach seinem Tod fand er seineletzte Ruhestätte in der St. Jakobskirche in Antwerpen, wo sich auch diese Darstellung der drei göttlichen Personen befindet.

Von einem Nobelpreisträger für Biologie habe ich im Fernsehen einmal den bemerkenswerten Satz gehört, wenn er ein Gänseblümchen auf der Wiese sehe, könne er gar nicht begreifen, wie irgend ein intelli-genter Mensch nicht an Gott glauben könne – zum einen, weil dieses unscheinbare Blümchen ein der-maßen komplexes Wunderwerk sei, daß man gera-dezu zwingend an einen Schöpfer glauben müsse, und zum andern, weil Gänseblümchen dermaßen unwichtig und überflüssig seien, daß man ihre Existenz nur mit der überschäumenden Freude des Schöp-fers an SEINER Schöpfung erklären könne.

Sehen Sie, und so ähnlich geht es mir auch mit Gott: Je länger ich an IHN glaube, je länger ich mich mit der Bibel befasse, als Pfarrer in der Kirche arbeite, pre-dige, Gottesdienste halte, Abendmahl feiere usw., desto größer mein Staunen und meine Ehrfurcht und desto fester meine Überzeugung, daß wir Menschen

Page 2: Predigt über Römer 11, Vers 33-36Predigt über Römer 11, Vers 33-36 . am Fest des Dreieinigen Gottes (Trinitatis) 2010 in Bruckmühl und Hohenfried: O welch eine Tiefe des Reichtums,

IHN mit unserem Verstand nicht fassen und erfassen können – und wenn einer 30 Semester Theologie studiert und noch so gescheit ist. All unser Denken von Gott ist vorläufig und bruchstückhaft. Und unser Reden von Gott ist nur ein hilfloses Stammeln und Stottern. Wie schreibt Paulus im berühmten „Hohelied der Liebe“: „Denn unser Wissen ist Stückwerk, und unser prophetisches Reden ist Stückwerk. Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stück-werk aufhören. Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Ange-sicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin.“ (1.Kor 13)

Alles was wir haben, alles woran wir uns halten kön-nen, worauf der Glaube ruht, ist SEINE Selbstauskunft, SEIN ureigenes Reden, SEINE Offenbarung, SEIN Wort, die heilige Schrift. Wem das nicht gut genug ist, wer anderen Quellen und Einflüsterungen folgt – und sei es den eigenen – der wird im Glauben scheitern oder in die Irre gehen. Und an wenigen Tagen des Kirchenjahres wird das so deutlich wie heute.

„Trinitatis“, das heißt „Tri-Unitas“, das Fest der Drei-einigkeit oder besser gesagt: des dreieinigen Got-tes! Denn es geht nicht um philosophische Formeln oder theologische Denkmodelle, sondern um den lebendigen Gott, DER sich uns auf drei verschiede-ne Weisen offenbart und doch immer ein und der-selbe ist, wobei wir das mit dem „DER“ natürlich nicht geschlechtlich verstehen dürfen:

Gott ist selbstverständlich kein „Mann“. ER ist aber auch keine „Frau“, und eine „Sache“ ist ER-SIE-ES natürlich schon gleich gar nicht, womit die Mög-lichkeiten unserer Sprache bereits erschöpft sind, aber Gott ist eben Gott, und ein Gott, der wirklich in unsere menschlichen Vorstellungen und Begriffe „hineinpassen“ würde, wäre keiner. So aber ist ein-fach alles an IHM unbegreiflich und unfaßbar.

ER hat diese Welt erschaffen, auch wenn es natur-wissenschaftlich gesehen ein wenig anders zugegan-gen sein mag, als die Verfasser der biblischen Bücher es vor allem in 1. Mose 1 und 2 mit den Mitteln und Vorstellungen und Begriffen ihrer Zeit beschrieben haben. ER hat uns das Leben geschenkt, auch wenn unsere Eltern uns gezeugt haben. IHM verdankt sich alles, was ist und lebt und webt. Wo wären wir ohne IHN? Und es ist diese Seite Gottes, die wir – mit Jesus selber übrigens – den „Vater“ nennen.

ER ist für uns Mensch geworden, einer wie wir und doch keiner von uns, ein Mensch wie Du und ich, doch ohne Sünde, weil Gott die Verbindung zu SICH selber ja gar nicht abreißen lassen konnte. ER hat für uns gelebt, hat uns die Liebe und das Erbarmen Got-tes verkündigt und vorgelebt, hat für uns gelitten und ist für uns gestorben und auferstanden, für uns, immer wieder für uns – und zwar nicht nur irgend ein „Gu-ru“, „Religionsstifter“, „Sozialrevolutionär“ oder „Pro-phet“, sondern Gott selbst in IHM. ER ist uns nicht nur vorangegangen auf dem Weg zum Heil. ER hat das Heil nicht nur verkündigt oder kluge Reden darüber geführt. Nein, ER war und ist das Heil in Person! Jesus

Jesus Christus spricht: „ICH bin der Weg, die Wahr-heit und das Leben. Niemand kommt zum Vater denn durch MICH.“ – Und es ist diese Seite Got-tes, die wir meinen, wenn wir vom „Sohn“ spre-chen, die zweite Person der Dreieinigkeit.

Als SEINE Mission auf Erden erfüllt war – „Es ist voll-bracht!“ – da kehrte ER zu SEINEM himmlischen Va-ter zurück – die Kirche feiert dieses Ereignis an Christi Himmelfahrt. Aber ER ließ die SEINEN nicht im Stich, sondern sandte ihnen den Tröster, den Beistand, den Heiligen Geist. „Siehe, ich bin bei Euch alle Tage bis an das Ende der Welt!“ hatte ER ihnen beim Ab-schied versprochen. Und ER hielt Wort.

So ist ER bei uns und unter uns, wo immer zwei oder drei in SEINEM Namen sich versammeln, was immer wir tun und was uns widerfährt, welche Wege wir auch gehen müssen oder geführt werden. ER ist immer dabei. Keinem von uns ist ER fern.

Der irdische Jesus konnte sich immer nur einem ein-zelnen Menschen zuwenden, vielleicht noch einer Gruppe, aber doch nie der ganzen Menschheit gleichzeitig. ER heilte eben nicht alle Blinden, Tau-ben oder Gelähmten, nur die, denen ER zufällig auf SEINEM Weg durch Israel begegnete. Das ist jetzt anders. Ganz anders! Gelobt sei Gott, der Heilige Geist, die dritte göttliche Person.

Nimmt man einen von den Dreien heraus aus dem ganzen Gebilde, kracht alles in sich zusammen. Ein reiner Schöpfergott, der Leid und Tod nicht kennt und schön da oben sitzen bleibt und sich aus allem heraushält, muß sich ja fragen lassen, ob ER denn bei Trost war, als ER die Erde so schuf, wie wir sie ken-nen. Ein Glaube ohne den Heiligen Geist zerstört die Verbindung zwischen Vater und Sohn und macht das Reich Gottes zu einer Sache der Vergangen-heit und die Bibel zu einem Märchenbuch. Zusam-men genommen / gesehen aber wird daraus das Wunderbarste und Phantastischste, was mir und Dir und dieser ganzen Welt je passieren konnte.

Es ist schon wahr, wie man manchmal hören kann, daß der Begriff „Dreieinigkeit“ (also Drei in Einem) oder „Dreifaltigkeit“ (also Einer in Drei) in der Bibel so nicht vorkommt. Die Sache selbst springt uns aber aus jeder Zeile entgegen, und man muß schon sehr blind und vernagelt sein, um sie nicht zu sehen. Vater, Sohn und Heiliger Geist, Schöpfer und Erhalter, Retter und Heiler, Tröster und Vollender des Lebens: „welch eine Tiefe des Reichtums, beides, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unbegreiflich sind SEINE Gerichte und unerforschlich SEINE Wege!“

Natürlich „darf“ man fragen und forschen. Natürlich „darf“ man darüber nachdenken und reden und schreiben. Wirklich näherkommen wird man dem Geheimnis des dreieinigen Gottes so aber nicht. Dazu müssen wir auf die Knie gehen und die Hände falten und IHN dankbar und staunend anbeten. Anders ist ER letztlich nicht zu haben. „Denn von IHM und durch IHN und zu IHM sind alle Dinge. IHM sei Ehre in Ewig-keit! Amen.“ – Das ist gewißlich wahr!