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Zeitschrift f~r Pr&ventivmedizin 16, 85-89 (1971) Revue de M6decine prdventive Probleme der Schwerh6rigkeit im Alter H. Schaller Aus der Universit&tsklinik fSr Ohren-, Nasen- und Halskranke des B0rgerspitals Basel Artikel eingegangen am 2. Oktober 1970 Zusammenfassung Die vorliegende Arbeit diskutiert die wesentlichen Ur- sachen der SchwerhSrigkeit im Alter. Unter den endo- genen pathogenetischen Faktoren wird die zentrale Be- deutung der arteriellen und venSsen Kreislaufverh~lt- nisse des Innenohres betont. Die MSglichkeiten, wir- kungsvofle Pr~ventivmaBnahmen durchzuf~hren, sind bei endogenen sch~cligenden Faktoren noch begrenzt. Exogene Sch#digungen hingegen, insbesonclere die Folgen des akuten und chronischen L&rmtraumas und der entz(Jndlichen Erkrankungen, werden durch eine sinnvolle Prophylaxe einerseits, durch medikament(~se und operative Therapie andererseits entscheidend be- einfluBt. Der Facharzt kann somit in diesen F#llen h#ufig die HSrfunktion erhalten oder wiederherstellen. Einfeitung Pr#.ventivmaBnahmen eines Krankheitspro- zesses sind begrenzt durch die pathophysio- Iogischen Kenntnisse seinerUrsache und die M6glichkeit, diese in vorbeugendem oder heilendem Sinne zu beeinflussen. Die Atio- Iogie der Schwerh6rigkeit im Alter kann als Summe dreier individuell unterschiedlicher Komponenten angesehen werden: -- eigentlicher ProzeB der Alterung, - endogene pathogenetische Faktoren, - exogene pathogenetische Faktoren. Anatomische, physiologische und funktionel- le Besonderheiten des HSrorgans sind dafLir verantwortlich, dab wesentliche, grundlegen- de Erkenntnisse der Schwerh6rigkeit erst durch elektronenoptische Untersuchungen, Fortschritte in der Elektrophysiologie und den Ausbau funktioneller Teste durch iJber- schwellige und zentrale H6rprOfungen m6g- lich wurden. Zahlreiche pathogenetische Kri- terien endogener, zur FunktionseinbuBe des H6rorgans fQhrender Noxen und Faktoren sowie die eigentliche Ursache der Altersver- ~,nderungen dieses Organs k6nnen heute erst hypothetisch gedeutet oder bis zu einem ge- wissen Grade statistisch erfaBt werden, im Gegensatz zu exogenen Sch&digungen, die wesentlich frLiher durch grundlegendeArbei- ten erforscht wurden. Wir denken dabei an Ramazini, der 1700 die M6glichkeit der Er- taubung als Berufskrankheit erw&hnte, und an die Tierexperimente von Wittmaack und Siebenmann 1917-1917, an KSrner, der 1904 den Begriff Herpes oticus pr&gte, und als weiteres Beispiel an die Habilitationsschrift Holmgrens 1908 Liber die eitrigen Erkrankun- gen des lnnenohrs. In einer tabellarischen Obersicht werden wir die wichtigsten Ursachen einer Leistungs- minderung des GehSrsinns aufzeichnen. Da- bei unterteilen wir das Ohr als Sinnesorgan in den Schalleitungsapparat, der eine ad- Aquate Funktion auf mechanischem Wege si- cherstellen muB, und in den nervSsen Appa- rat, der, mit physikalisch-chemischer Um- wandlung des hydrodynamischen Reizes im Sinnesepithel des Corti-Organes beginnend, einerseits fQr die Reizleitung Liber das Gan- glion spirale, Teile des 8. Hirnnerven, in die Schaltstationen des Hirnstammes und bis zur Verarbeitung in der Area acustica ver- antwortlich ist, andererseits, entsprechend neuesten Untersuchungen, durch efferente Bahnen mSglicherweise Selektions- und Oberdeckungsmechanismen, eventuell sogar Schutzfunktionen weiterleiten kann. lch wer- de versuchen, die entsprechenden prim&ren und sekund&ren Pr&ventivmaBnahmen zu dis- kutieren und zus&tzlich auf die apparative Versorgung als soziale Wiedereingliede- rungsmal3nahme eingehen (Tab. 1). Presbyakusis und endogene pathogenetische Faktoren Weitgehend in Analogie zu AbniJtzungser- scheinungen der entsprechenden Gewebe im Gesamtorganismus kSnnen die Ver&nde- rungen des Schalleitungsapparates betrach- tet werden. Wir denken dabei an den Elasti- zit&tsverlust und ringf6rmige Kalkablagerun- gen des Trommelfells, an die Atrophie der Mittelohrmuskeln und an die Einschr&nkung der Beweglichkeit der Gelenke von Hammer, 85

Probleme der Schwerhörigkeit im Alter

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Page 1: Probleme der Schwerhörigkeit im Alter

Zeitschrift f~r Pr&ventivmedizin 16, 85-89 (1971) Revue de M6decine prdventive

Probleme der Schwerh6rigkeit im Alter H. Schaller

Aus der Universit&tsklinik fSr Ohren-, Nasen- und Halskranke des B0rgerspitals Basel

Artikel eingegangen am 2. Oktober 1970

Zusammenfassung

Die vorliegende Arbeit diskutiert die wesentlichen Ur- sachen der SchwerhSrigkeit im Alter. Unter den endo- genen pathogenetischen Faktoren wird die zentrale Be- deutung der arteriellen und venSsen Kreislaufverh~lt- nisse des Innenohres betont. Die MSglichkeiten, wir- kungsvofle Pr~ventivmaBnahmen durchzuf~hren, sind bei endogenen sch~cligenden Faktoren noch begrenzt. Exogene Sch#digungen hingegen, insbesonclere die Folgen des akuten und chronischen L&rmtraumas und der entz(Jndlichen Erkrankungen, werden durch eine sinnvolle Prophylaxe einerseits, durch medikament(~se und operative Therapie andererseits entscheidend be- einfluBt. Der Facharzt kann somit in diesen F#llen h#ufig die HSrfunktion erhalten oder wiederherstellen.

Einfeitung

Pr#.ventivmaBnahmen eines Krankheitspro- zesses sind begrenzt durch die pathophysio- Iogischen Kenntnisse seinerUrsache und die M6glichkeit, diese in vorbeugendem oder heilendem Sinne zu beeinflussen. Die Atio- Iogie der Schwerh6rigkeit im Alter kann als Summe dreier individuell unterschiedlicher Komponenten angesehen werden:

-- eigentlicher ProzeB der Alterung, - endogene pathogenetische Faktoren, - exogene pathogenetische Faktoren.

Anatomische, physiologische und funktionel- le Besonderheiten des HSrorgans sind dafLir verantwortlich, dab wesentliche, grundlegen- de Erkenntnisse der Schwerh6rigkeit erst durch elektronenoptische Untersuchungen, Fortschritte in der Elektrophysiologie und den Ausbau funktioneller Teste durch iJber- schwellige und zentrale H6rprOfungen m6g- lich wurden. Zahlreiche pathogenetische Kri- terien endogener, zur FunktionseinbuBe des H6rorgans fQhrender Noxen und Faktoren sowie die eigentliche Ursache der Altersver- ~,nderungen dieses Organs k6nnen heute erst hypothetisch gedeutet oder bis zu einem ge- wissen Grade statistisch erfaBt werden, im Gegensatz zu exogenen Sch&digungen, die wesentlich frLiher durch grundlegendeArbei- ten erforscht wurden. Wir denken dabei an

Ramazini, der 1700 die M6glichkeit der Er- taubung als Berufskrankheit erw&hnte, und an die Tierexperimente von Wittmaack und Siebenmann 1917-1917, an KSrner, der 1904 den Begriff Herpes oticus pr&gte, und als weiteres Beispiel an die Habilitationsschrift Holmgrens 1908 Liber die eitrigen Erkrankun- gen des lnnenohrs. In einer tabellarischen Obersicht werden wir die wichtigsten Ursachen einer Leistungs- minderung des GehSrsinns aufzeichnen. Da- bei unterteilen wir das Ohr als Sinnesorgan in den Schalleitungsapparat, der eine ad- Aquate Funktion auf mechanischem Wege si- cherstellen muB, und in den nervSsen Appa- rat, der, mit physikalisch-chemischer Um- wandlung des hydrodynamischen Reizes im Sinnesepithel des Corti-Organes beginnend, einerseits fQr die Reizleitung Liber das Gan- glion spirale, Teile des 8. Hirnnerven, in die Schaltstationen des Hirnstammes und bis zur Verarbeitung in der Area acustica ver- antwortlich ist, andererseits, entsprechend neuesten Untersuchungen, durch efferente Bahnen mSglicherweise Selektions- und Oberdeckungsmechanismen, eventuell sogar Schutzfunktionen weiterleiten kann. lch wer- de versuchen, die entsprechenden prim&ren und sekund&ren Pr&ventivmaBnahmen zu dis- kutieren und zus&tzlich auf die apparative Versorgung als soziale Wiedereingliede- rungsmal3nahme eingehen (Tab. 1).

Presbyakusis und endogene pathogenetische Faktoren

Weitgehend in Analogie zu AbniJtzungser- scheinungen der entsprechenden Gewebe im Gesamtorganismus kSnnen die Ver&nde- rungen des Schalleitungsapparates betrach- tet werden. Wir denken dabei an den Elasti- zit&tsverlust und ringf6rmige Kalkablagerun- gen des Trommelfells, an die Atrophie der Mittelohrmuskeln und an die Einschr&nkung der Beweglichkeit der Gelenke von Hammer,

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Ambo8 und SteigbEJgel. Ihre funktionellen Auswirkungen sind abet im allgemeinen ge- ring. Sie dE~rfen deshalb im Hinblick auf eine soziale BeeintrAchtigung des alternden Men- schen, im Gegensatz zu den VerAnderungen am Sinnesepithel und an den nerv6sen Strukturen, vernachtAssigt werden. Otto Mayer hat 1919 die Presbyakusis, das heist die eigentliche Altersschwerh6rigkeit, wie folgt definiert: ,,Die bei jedem Menschen auftretende, durch das Alter selbst hervor- gerufene SchwerhOrigkeit,,. Diese Definition beh&lt ihre G(Jltigkeit. Wesen und Gewicht der einzelnen zu dieser sogenannten alters- bedingten FunktionseinbuSe f(Jhrenden Fak- toren sind aber noch wenig erforscht. Wir m(Jssen heute annehmen, dab prim~re patho- Iogische VerAnderungen als Ausdruck der

Alterung dieses Sinnesorgans, wahrschein- lich einsetzend mit Funktionsbeginn, eindeu- tig klinisch faSbar im 3. Lebensjahrzehnt, im Bereiche des Sinnesepithels liegen, wobei sekund&r die Degeneration der Ganglien- zelle und eventuell auch des Stetzgewebes eintritt. 1968 kann Bredberg bei seinen Rei- henuntersuchungen einerseits eine Degene- ration der &uSeren Haarzellen am basalen und apikaien Ende der Schnecke, anderer- seits eine Degeneration der inneren Haarzel- len, auf die Basalwindung beschr&nkt, nach- weisen und zeigen, dab erst als Folge dieses Zellunterganges die for die Presbyakusis verantwortlich gemachten Ver&nderungen an den ganglion&ren Strukturen eintreten. K~)nig (1957, 1960 und 1969) vermittelt uns die ent- sprechenden funktionellen Aspekte und Da-

Tabelle 1

SCHALLEITUNG

(?)

NOXE

hcredit&r

pracnatal

perina'taI

Iokalcr 3nfckt

aUgm.Onfekt (Virus)

Otosk|¢ros¢

Stoffw¢chs¢l

Tumor

mech, Trauma

L~.rmt rauma

ototoxisch¢ Substanzcn

"Attcrungsprozei3"

REZEPTOR-& NERVOSE STRUKTUREN

m,

,,o,

J

SCHALLEITUNGS - SCHWERHORIGKEIT

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SCHALLEMPFINDUNGS - SCHWERHORIGKEIT

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ten. Richtungweisend fLir die Ursache dieses mit dem Alter zunehmenden Zellverlustes dLirfen die von Rosen und anderen (1964 und 1969) verSffentlichten Populationsunter- suchungen gelten. Einschr&nkend muB dabei gewertet werden, dab sich diese Ergebnisse auf schwellenaudiometrische Resultate be- schr&nken und bekannterweise geringe Ver- &nderungen im Innenohr nur durch Schwel- lenaudiometrie in Verbindung mit ~ber- schwelliger Untersuchung frehzeitig und ge- zielt erfaSt werden kSnnen. SechsVolksgrup- pen, die unter verschiedenen Voraussetzun- gen in bezug auf L&rmexposition, Biutdruck, Fettstoffwechsel, das heiBt Cholesteringehalt des Blutes und Anteil ges&ttigter und unge- s&ttigter Fetts&uren der Nahrung, leben, wer- den audiometrisch verglichen. Der EinfluB einer geringen L&rmexposition, g~nstiger Stoffwechselbedingungen wird dabei im Schwellenaudiogramm offensichtlich und 1&St erkennen, dab den UmwelteinflOssen, denen das HSrorgan w&hrend des Lebens ausgesetzt ist, fLir die sogenannten Alters- ver&nderungen als mehr oder weniger kon- stantes Durchschnittsph&nomen eine ent- scheidende Bedeutung zukommt. Vergleichs- untersuchungen dokumentieren, dab dabei spezifische Rassenfaktoren keinen EinfluB haben. Wir kSnnen nicht entscheiden, ob eine physiologische funktionelle Beanspru- chung des Sinnesephitels auf jeden Fall eine langsame Rarefizierung an Zellen im Sinne eines Aufbrauchph&nomens bewirkt oder ob nur in Kombination mit individuellen und mo- mentanen Stoffwechselbedingungen eine endg01tige Sch&digung resultiert. An der zentralen Bedeutung der arteriellen und venSsen Kreislaufverh&ltnisse einerseits und am entscheidenden EinfluB der funktio- nellen Belastung und vor allem 0berlastung andererseits darf heute nicht mehr gezwei- felt werden. Das Oz-Angebot in der Phase der gesteigerten Zellt&tigkeit und der Abtrans- port der Iokal anfallenden Abbauprodukte,

sowohl w&hrend des Funktionszustandes wie auch bei Degeneration von Zellen, sind si- cher wesentlich. Diese fL~r das H6rorgan bis zu einem gewissen Grade spezifischen Be- dingungen lassen keine direkten Analogie- schlOsse zu Reaktionen der ebrigen Organe zu. Arbeiten von Bosatra (1956) und anderen haben am Beispiel der Arteriosklerose ge- zeigt,JdaB morphologisch eine Korrelation zwischen Gef&Bver&nderungen des KSrpers und der Arteria labyrinthi sowie der Stria- gef&Be nur begrenzt nachweisbar ist, w&h- rend klinisch ein Zusammenhang zwischen dem Funktionszustand des kardiovaskul&ren Systems und der Intaktheit des peripheren HSrorgans eindeutig erscheint. Im Gegensatz dazu k6nnen wir die sich kli- nisch sp&ter auswirkenden Altersver&nde- rungen der zentralen Bahnen und Strukturen in Analogie zum allgemeinen Alterungspro- zeB des Gehirns betrachten. Die relativ groBe Reserve des Gehirns, seine F&higkeit zur Kompensation lassen den erst mit 50 bis 70 Jahren audiometrisch faSbaren Beginn der zentralen Komponente erkl&ren. In diesem Sinne messen wir die heute gelten- den Durchschnittskurven interpretieren, wo- bei aber eigentliche Reihenuntersuchungen des zentralen HSrens bei klinisch h6rgesun- den Menschen in Verbindung mit morpholo- gischen Studien noch fehlen. ZahlreicheVerSffentlichungen berichten eber Pr&ventiv- und Behandlungserfolge periphe- rer und zentraler SchallempfindungsstSrun- gen bei derPresbyakusis und bei endogener Sch&digung. Hormonbehandlungen, Vasodi- latanzien, Antikoagulanzien, Adenosintri- phosphors&ure, Medikamente, die den Fett- stoffwechsel beeinflussen, und Vitamine ha- ben in einzelnen F&llen zu guten Resultaten gef(Jhrt, blieben aberwiederum zu einem gro- Ben Prozentsatz erfolglos. Diese klinischen Erfahrungen lassen somit erkennen, daB, ab- gesehen vom EinfluB heredit&rer Struktur- voraussetzungen, erst das individuelle Erfas-

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sen sch&digender oder die Zelldegeneration begL~nstigender Faktoren eine gezielte und erfolgreiche Pr&ventivmaBnahme erm6gli- chen wird.

Exogene Faktoren

Das akute und chronische L&rmtrauma und die entz~ndlichen Erkrankungen des Mittel- ohres stehen im Vordergrund der exogenen Faktoren. Durch individuellen Schallschutz, entsprechend den Ergebnissen von L&rm- pegelmessungen, durch Isolation und Be- rL~cksichtigung des L&rmfaktors bei der tech- nischen Konstruktion, in Kombination mit einer positiven Auslese zurAusschaltung des gef&hrdeten und erkrankten Ohres, wird in einer groBen Zahl von Betrieben eine sinn- voile Prophylaxe angestrebt. Ein schwerer Schaden entsteht in der Regel als Folge von einmaligen oder wiederholten funktionellen Spitzenbelastungen des Corti- Organs. Wir mOssen aber berecksichtigen, dab wahr- scheinlich die bis zur ZellerschSpfung fL~h- rende Dauerbelastung, abh&ngig von den einzelnen Erholungsintervallen einerseits, vonder unterschiedlichen individuellen Emp- findlichkeit und den Stoffwechselbedingun- gen andererseits, selbst dann mit der Zeit zu einer HSreinbuBe fL)hren kann, wenn sie auf der MeBskala unter der experimentell nach- gewiesenen Toleranzgrenze liegt. Diese Dau- erbelastung unseres HSrorgans nimmt aber mit der Technisierung, vor allem in den St&d- ten, weiter zu. Ungl~cklicherweise kSnnen wir weder die momentane Reaktionslage un- seres GehSrs erfassen noch in der Regel den Umgebungsl&rm gezielt ausschalten. Effektiver sind die Pr&ventiv- und Sanie- rungsvoraussetzungen in bezug auf entzL~nd- liche Ver&nderungen im Mittelohr, ihre defi- nitiv sch&digenden Auswirkungen auf den Schalleitungsapparat und ihre toxische und vaskul&re Gef&hrdung des Innenohres. FrL~h-

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zeitig durchgefehrte, gezielte medikamen- tSse und operative MaBnahmen helfen, den Schalleitungsapparat zu erhalten oder wie- derherzustellen und das Innenohr vor einer Sch&digung zu bewahren. Die guten Erfolge der Otoskleroseoperation zur Wiederherstellung der Schalleitung sind allgemein bekannt. Auch die Auswirkungen des in seiner H&ufigkeit zunehmenden Sch&- deltraumas auf das Mittelohr kSnnen operativ behoben werden. D6r durch das Trauma ge- setzte mechanische Schaden im Innenohr und an den zentralen HSrstrukturen hinge- gen ist in begrenztem Rahmen definitiv. In Analogie zu traumatischen Ver&nderungen im Gehirn liegt aber der SchluB nahe, dab ein sekund&rer Zelluntergang als Folge toxi- scher Abbauprodukte und 5dembedingter ungenL~gender Zirkulationsverh&ltnisse durch bessere Kenntnisse der Stoffwechselbedin- gungen und der vaskul&r wirksamen Kompo- nenten verhindert und somit bei frLihzeitig therapeutischer Erfassung die Restitution re- versibel gesch&digter Zelletemente des Sin- nesepithels und der nerv6sen Strukturen ge- fSrdert werden kann. Abgesehen vonder Impfprophylaxe der Ru- beolen-Erkrankung bei der Frau zur Vermei- dung eines intrauterinen Schadens fehlt heu- te eine spezifische Therapie derjenigen vi- ralen Infektionen, die eine besondere Gefahr fL~r das Innenohr bedeuten (zum Beispiel Pa- rotitis epidemica, Herpes zoster). Wir dLirfen aber erwarten, dab weitere Kenntnisse der lnnenohrzirkulation und des Stoffwechsels mit groBer Wahrscheinlichkeit auch die vi- rale L&sion des HSrorgans genstig beeinflus- sen lassen. Sowohl in diesen F&llen wie beim vaskul&r bedingten pl6tzlichen HSrsturz ist deshalb eine sofortige Erfassung durch den Spezialarzt Voraussetzung. Dieser muB auch dann beratend und 5berwachend mitwirken, wenn aus therapeutischer Notwendigkeit oder vitaler Indikation ototoxische Medika- mente angewendet werden.

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Apparative Versorgung

Die vorliegenden AusfCihrungen zeigen, dab heute erst begrenzte Pr&ventivm6glichkeiten der Schwerh6rigkeit im Alter zur VerfLigung stehen, dal3 sie aber, sinnvoll und rechtzeitig angewendet, in vielen F&llen eine sozial ge- n0gende HSrf&higkeit erhalten oder wieder- herstellen lassen.Viel zu h~iufig muB als letz- ter Ausweg eine apparative Versorgung durchgefCihrt werden. Die technischen Voraussetzungen zu einer guten Versorgung sind weitgehend gegeben. Die kosmetische Beeintr&chtigung des Pa- tienten ist nur noch unbedeutend. Da aber die im Sinnesepithel durchgefiJhrte Kodifi- zierung des Schalireizes noch nicht bekannt ist, kann der HOrapparat nur verst&rkend auf vorhandene Rezeptorstrukturen wirksam wer- den. Die Leitung in hOhere Zentren und die Verarbeitung mLissen gew&hrleistet sein. Hier liegen aber zus&tzliche Schwierigkeiten bei der apparativen Versorgung des altern- den Menschen. Nicht nur sein altersbeding- tes organisches Defizit an Leit-, Schalt- und Verarbeitungsstrukturen, audiologisch faBbar ais Verlangsamungs- und Verzerrungsph~,no- men der Signale, sondern auch seine oft ver- minderte Anpassungsf&higkeit, geistige Be- weglichkeit und psychische Bereitschaft sind ein groBes Hindernis und stellen oft eine fi~r Arzt und Patient befriedigende apparative Versorgung in Frage.

Literatur

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Adresse des Autors:

Dr. Hermann Schaller, Universit&tsklinik fi~r Hals- Nasen-Ohren, BCirgerspital, 4000 Basel (Schweiz)

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