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1 Prof. Dr. Birgit Lütje-Klose Musik und Rhythmus in der Sprachförderung mehrsprachiger Kinder Vortrag bei der Fortbildungstagung des Amts für Integration und interkulturelle Angelegenheiten Bielefeld 06.06.2013, 11:10-12:30 Uhr

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Prof. Dr. Birgit Lütje-Klose

Musik und Rhythmus in derSprachförderung mehrsprachiger Kinder

Vortrag bei der Fortbildungstagung des Amts für Integration und interkulturelle Angelegenheiten Bie lefeld

06.06.2013, 11:10-12:30 Uhr

O Elele -Hey guten Morgen – o ele aloa aloe!

Hey good morning – Hey buenos dias –Hey günaydin – Hey kalimera – …

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Geplanter Verlauf:• Öffner: „O elele - Hey Guten Morgen!“• Spracherwerb unter der Bedingung von

Mehrsprachigkeit • Zusammenhänge von Musik und Sprache• Prinzipien und Strategien der Sprachförderung• Musikalische Sprachförderung mit

Bilderbüchern• Untersuchungsergebnisse zum Erfolg

rhythmisch-musikalischer Sprachförderung• Tanzlied zum Ausklang

Kognition

Wahrnehmung

Sozialverhalten

Motorik

EmotionMotivation

Konzentration

GesprocheneSprache

RhythmusProsodie

nonverbaleKommunikation

phonetisch u. phonologisch

syntaktisch u.morphologisch

semantisch u.lexikalisch

pragmatisch u.kommunikativ

Kom

munikation

Dimensionen menschlicher Entwicklung Ebenen von Sprache

Entwicklung von Kommunikation und Sprache

GeschriebeneSprache

narrativ

metasprachlich

Spracherwerb unter der Bedingung der Mehrsprachigkeit

• lebensweltliche Mehrsprachigkeit –Sprachbesitz der Kinder, so wie er sich unter den besonderen Sprachlern- und Lebensbedingungen entwickeln konnte, als Ausgangspunkt (Gogolin1987, 2012)

• Wertschätzung aller Sprachen der Kinder!

• Anknüpfen am sprachlichen und kommunikativen Wissen der Kinder in allen ihren Sprachen

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Spracherwerbskonstellationen bei Mehrsprachigkeit

„Ungesteuerter“ Erwerb:• Gleichzeitiger Erwerb von zwei (oder mehr)

Sprachen (doppelter Erstspracherwerb)• Nachzeitiger Erwerb von zwei oder mehr

Sprachen bei Kindern (früher Zweitspracherwerb)– „Kritische Phase“ des Spracherwerbs: Prinzipien des

Erstspracherwerbs greifen

• Nachzeitiger Erwerb von zwei oder mehr Sprachen bei Jugendlichen oder Erwachsenen

-> Lebensweltliche Mehrsprachigkeit (Gogolin)

„Gesteuertes“ Lernen : Fremdsprachenerwerb

Spracherwerb als eine Dimension der

kindlichen Entwicklung

Entwicklungspsychologische Grundannahmen

• Spracherwerb findet in konkreten sozialen und kulturellen Lebenszusammenhängen statt

• Spracherwerb basiert auf vorsprachlichenErfahrungen:– Sensomotorische Erfahrungen in der Lebenswelt

(nach Piaget / Inhelder 1981 u.a., Zollinger 2003)

– Vorsprachliche Kommunikation zwischen Kind und Bezugspersonen (nach Bruner 1987, 2006)

– Rolle des Spiels für den Spracherwerb (nach Bruner1987, Bürki 1998, Peter 1998)

Jambo Afrika (Christoph Studer, Benjamin Mgonzwa)

Salibonani, Salibonani!Guten Morgen, Felix, Salibonani!

Guten Morgen, Dilek, Salibonani!

Entwicklungspsychologische Zusammenhänge

von Musik und Sprache

• Ebenen von Sprache und Musik:

• Prosodie : Intonation, Tonhöhe, Dynamik• Aussprache : gesungene oder gesprochene Sprachlaute• Grammatik : Sprechrhythmus unterstützt Durchgliederung in

Silben, Reime, Satzbildung, Strophen • Semantik : Textgebundenes Singen - Verweis auf

Wortbedeutungen, • Narrativ : in Liedern können Geschichten erzählt werden• Kommunikativ-pragmatisch : in der Musik wird kommuniziert

• Aber auch: Lustvolles Erleben , Entlastung von sprachlichen Anforderungen!

Wir sind Freunde (Unmada Manfred Kindel) http://www.youtube.com/watch?v=CDcM6Um5IvY

• Unterstützung gesprochener bzw. gesungener Sprache durch Gebärden

• Erleichtert Sinnorientierung • Ermöglicht Beteiligung auch für nicht-sprechende Kinder

Ganzheitlich orientierte Sprachförderung

• Sprachförderung durch Musik und Bewegung: Rhythmik, Tanz, Spiel mit Instrumenten und Stimme

• Bewegungs-, Wahrnehmungs-, Ausdrucks- und Kommunikationsförderung (Amrhein 2000, 2006)

„Ich bin die kleine Hexe und habe braune Schuh´,Ich reite auf dem Besen und sing ein Lied dazu.

Hei Hopphopphopp Hei Hopphopphopp“(Wolfgang Hering)

A: „Ich bin der schnelle Julian und habe weiße Schuh´“B: „Das ist der schnelle Julian und der hat weiße Schuh´.A: „Ich reite auf dem Besen und sing ein Lied dazu.“B: „Er reitet auf dem Besen und singt ein Lied dazu.“

Scaffolding– Sprachlernen in Formaten

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Formate...

• ...sind routinemäßige Abläufe, die verwendet werden, um Gruppenalltag zu strukturieren

• ...erleichtern Kindern die Orientierung und damit den Erwerb neuer sprachlicher Strukturen

• Übergabe-Prinzip

• „Variationen innerhalb eines gebundenen Regelsystems“ (Bruner 2006,115)

– z.B.: Spiellieder, – Rituale bei Begrüßung und Verabschiedung, – Benennungsspiel beim Bilderbuch betrachten …

Spielformate• Z.B. Tiere verzaubern:

• Hokus pokus Simsalabim• Alle Kinder sind in kleinen Kästchen drin • Hokus pokus Simsalabaus• Aus den kleinen Kästchen kommen

kleine Katzen (Tiger, Elefanten, …) raus

• Hokus pokus simsalabim• Alle Kinder sind in ihren Kästchen drin

Prinzipen der Gestaltung von Sprachfördersituationen

• Schaffung von vielfältigen Sprachlerngelegenheiten • Eröffnen von Sprachlerngelegenheiten statt Übung

isolierter sprachlicher Strukturen• Natürliche Situationen, Thematische Einheiten• Redundanz statt Wiederholung: Gelegenheiten zum

vielfältigen und variationsreichen Hören und Sprechen• Gezielter Einsatz der PädagogInnensprache:

Entwicklungsanregendes Sprachangebot• Anregung zur Reflexion über Sprache, Entdecken

sprachlicher Regeln

Spielformatez.B. Katzentatzentanz

Igel, Hase, Hamster, Dackel und Kater wollen

mit der Katze tanzen

Prinzipien einer komplexen Sprachentwicklungsförderung für

mehrsprachige Kinder• Wertschätzende Haltung gegenüber den

Erstsprachen und Kulturen der Kinder– Mehrsprachige Lieder, z.B. Paule Puhmanns

Paddelboot, Ekmek buldum, Elefant auf dem Spinnennetz

– Sprachvergleiche: Gespräch über Wörter, Formen …– Instrumente aus den Herkunftsländern der Kinder,

z.B. Trommeln, Rasseln, Saz– Einbindung mehrsprachiger Bilderbücher

• Nutzung der Ressourcen in der Schule und im Umfeld: Eltern, Peers, Institutionen

Mehrsprachige Bilderbücherund Spiellieder kombinieren

• Kombination von Bildern und Schrift in zwei Sprachen

• Gleichzeitige Präsentation der Inhalte auf ikonischer und symbolischer Ebene

• Schriftform ermöglicht exakte Wiederholung, Sprache in materialisierter Form

• Direkte Einbeziehung der verschiedenen Sprachen, die die Kinder einer Lerngruppe sprechen

• Lit: Der Fuchs geht um – auch anderswo!

Verschiedene Arten von Spielliedern

• Lieder, die Benennung und Beschreibung provozieren, z.B. Kuckuck- da – Spiele:

- „Mein Kasper ist verschwunden, ich hab gar keinen Kaspar mehr!

- Ach da ist der Kasper wieder, und das freut mich ja so sehr!“

- Beispiel von Wolfgang Hering

• Spielliedern in Formatstruktur mit wiederkehrenden sprachlichen Mustern

• Unterstützung von Aufzählung und Skriptaufbau, z.B.

– Die kleine Raupe Nimmersatt (Eric Carle)

(Lied von Stephen Janetzko)

Vorteile des Einsatzes mehrsprachiger Lieder

• Anstrengungen der Kinder bei ihrem mehrsprachigen Spracherwerb werden transparent gemacht und anerkannt

• Wertschätzung der Sprachen der Kinder, Einsatz ihrer besonderen sprachlichen Fähigkeiten

• Sprachvergleich wird möglich• Interessen an anderen Sprachen wird bei

einsprachigen und mehrsprachigen Kindern geweckt

z.B. Begrüßungsformeln:Umsetzung im Rollenspiel,

Trommeln, Singen Begrüßung auf deutsch

Begrüßung auf türkisch

Begrüßung auf italienisch ...

Guten Tag Đyi günler Buona tarde

Guten Morgen Günaydın Buon giorno

Hallo Merhaba Ciao

ForschungsergebnisseGrimm (2012): Rhythmus und Tonhöhe • ermöglichen als suprasegmentale Elemente die

Wahrnehmung und Verarbeitung sprachlicher Einheiten• erlauben durch die Durchgliederung des Gehörten ein

besseres Sprachverständnis Höhle (2005): für frühen Spracherwerb von großer

Bedeutung, um Kindern neue Wörter gezielt zu präsentieren und zu erproben.

Pathe (2008): mehrmals wöchentlich eingesetzte musikalische Sprachförderung wirkt bei mehrsprachigen Kindern im letzten KiTa-Jahr positiv auf pragmatisch-kommunikative, semantisch-lexikalische und grammatischen Kompetenzen

Körperteile wecken• Kopf und Schultern, Knie und Fuß (Wolfgang Hering)• Head and shoulders, knees and toes (Robert Metcalf)

ForschungsergebnisseSallat (2011 ): Meta-Analyse empirischer Studien

Rhythmisch-musikalische Elemente - können Sprachförderung unterstützen- tragen zur Vielfalt der Übungen bei- lenken die Aufmerksamkeit der Kinder von ihren

sprachlichen Problemen weg und - führen so zu lustbetonten und trotzdem sehr

intensiven Fördersituationen- Allerdings: für Kinder mit Sprachentwicklungs-

störungen nicht als Allheilmittel geeignet! Musik muss gezielt und selektiv eingesetzt werden, um wirksam zu werden

Ebenen sprachlicher Intervention(nach Dannenbauer 1991, 2003, Norris/Hoffman 1990, 2008; Bindel 2007)

• Gestaltung einer sprachentwicklungsförderndenLernumgebung: – Beziehungsaufbau, Formate, sensemaking, – handlungsbegleitendes Sprechen

• Etablierung gemeinsamer Gegenstände:– Bereitstellen von Kommunikationsgelegenheiten– Fragestrategien, Sprecherwechsel

• Einsatz von Strategien des Modellierens i.e.S.:– Bestätigende und erweiternde Strategien– Konfrontierende Strategien– Kognitives Modellieren

Fördergerüst psychomotorisch orientierter Sprachförderung

(nach Kleinert-Molitor 1989)

Psychomotorische Förderanteileexplizit implizit

Wahrnehmungs-und Bewegungs-

handeln mit Sprachbegleitung

Begegnung von Sprach- und Bewegungs-

handeln

Sprachhandeln mit Bewegungs-

begleitung

Sprachförderanteile

Spielidee / Thema als Rahmenhandlung

eherunspezifisch

eherspezifisch

Unmada: Einmal vor und zurück• Einmal vor und zurück • Und dann vorwärts, Schritt für Schritt.• Einmal vor und zurück, • So kommen wir nicht aus dem Tritt.

• Hoch zu den Sternen sehen, • Und uns im Kreise drehen,• Runter auf die Erde gehen• Und dann wieder stehen.

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Feinabstimmung durch Strategien des Modellierens

(Norris/ Hoffman 2003, Danenbauer 1999)

- Strategien, die der kindlichen Äußerung vorausgehen :- Modelläußerungen durch Erwachsene oder andere Kinder- Vorgabe von Satzanfängen, - Schriftliche oder bildliche Präsentation von Schlüsselwörtern- Fragestrategien

- Bestätigende / erweiternde Strategien, die der kindlichen Äußerung folgen - Expansion (syntaktische Erweiterung)- Extension (semantische Erweiterung)- Umformulierung - Kommentierung

- Konfrontierende Strategien: - Alternativfragen - Konsequenzen auf der Handlungsebene

Tsche Tsche KuleTsche KofisaKofi SalangaLala SilangaKum Adende

Ooooh!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

www.uni-bielefeld.de/personensuche/luetje

Verwendete Musik:

• Hering, Wolfgang & Meyerholz, Bernd: Riesengroße Zwerge. Deutsche Grammophon, LC 0173

• Hohberger, Mathilda & Kiwit, Ralf: Weltrhythmus und Klangzauber. Ökotopie LC 10476

• Kindel, Manfred Unmada: Wir sind Freunde. Musikverlag Kindel, LC 01948

• Metcalf, Robert: Das wilde Tier. Musiverlag Nubel, LC 11047• Studer, Christoph & Mgonzwa, Benjamin: Jambo Afrika. Fidula, LC

6553• Vahle, Frederik: Der Elefant- Lieder in unserer und eurer Sprache.

Patmos Verlag LC 8547• Zuckowski, Rolf u.a.: Frühlingszeit, Osterzeit. TCM, LC 00245

Literaturverzeichnis• Amrhein, F. (2000). Bewegungs-, Wahrnehmungs-, Ausdrucks- und Kommunikationsförderung mit Musik.

In I. Merkt (Hrsg.), Ein Lied für Christina (S. 25–40). Regensburg: ConBrio.• Grimm, H. (2012). Störungen der Sprachentwicklung (3. überarb. Aufl.). Stuttgart: Hogrefe.• Huhn, M. (2012). Musizieren in heterogenen Gruppen. Methoden der Ensemblearbeit in

sonderpädagogischen Arbeitsfeldern. In M. Papst-Krüger & J. Terhag (Hrsg.), Musizieren mit Schulklassen. Praxis - Konzepte – Perspektiven. Musikunterricht heute; 9 (S. 129-139) Handorf: Lugert.

• Jähnke, L. (2008). Macht Musik schlau? Neuere Erkenntnisse aus den Neurowissenschaften und der kognitiven Psychologie. Bern: Huber.

• Lütje-Klose, B. (2012): Psychomotorik als Kontext der Sprachförderung im Grundschulalter. In: Braun, O./ Lüdtke, U. (Hrsg.): Sprache und Kommunikation. Enzyklopädisches Handbuch der Behindertenpädagogik: Behinderung, Bildung und Partizipation Band 8 Stuttgart: Kohlhammer,

• Lütje-Klose, B. (2011): Szenen psychomotorischer Sprachentwicklungsförderung - analysiert aus sprachganzheitlicher Perspektive. In: Kuhlenkamp, S. (Hrsg.): Sprache in Bewegung. Psychomotorische Perspektiven in Förderung, Therapie, Beratung. Lemgo: Aktionskreis Psychomotorik, S. 97-115

• Lütje-Klose, B. (2010): Präventive Sprachförderung mehrsprachiger Kinder in der Schuleingangsphase. In: Schildmann, U. (Hrsg.): Umgang mit Verschiedenheit in der Lebensspanne. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, 94-102.

• Lütje-Klose, B. / Fuchs, A. (2010): Perspektiven einer ganzheitlich orientierten Sprachförderung im Anfangsunterricht. In: Sprachheilarbeit 4, 55. Jg., S. 184-189.

• Pathe, R. (2008). Zusammenhänge musikalischen und sprachlichen Lernens - eine Untersuchung.Regensburg: ConBrio.

• Sallat, S. (2011). Hilft Musik sprachentwicklungsgestörten Kindern? Musik im normalen und gestörten Spracherwerb. Sprachheilarbeit 56 (4), 186–193.

• Vahle, Frederik & Heine, Helme: Der Katzentatzentanz.