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Prof. Dr. Ernst KistlerINIFES, Internationales Institut fürEmpirische Sozialökonomie, gGmbH86391 Stadtbergen
Armut und Reichtum in Rheinland-Pfalz
Einführung in die Fachveranstaltung
Mainz, 22. Juni 2015
Vorbemerkungen
Armut (und Reichtum) sind facettenreiche Phänomene. Ursachen, Ausprägungen und Folgen können daher nicht eindimensional ermittelt werden.Ressourcenansatz, Lebenslagenkonzept, Teilhabekonzepte etc. sind keine Gegensätze, sondern sollten sich ergänzen.Die Vorgaben der Ausschreibung für den 5. ARB orientierten klar in Richtung quantitativer Empirie.Nicht alle Wünsche waren datenseitig erfüllbar (z. B. EVS-2013).In unseren drei Inputreferaten
= nur exemplarische Befunde= vor allem zu 2012 (einige aktuellere Daten werden eingewoben)
2
Selbstkritik und Kritik
Selbstkritika) Wir haben zwar nicht ausgeklammert, aber zu vielen Einzelwünschen
nachgegeben.b) Der Bericht ist viel zu lang geraten.
Kritik (z. B. Presseerklärung der Liga)a) zu starke Individualisierung und zu starke Konzentration auf relative
Einkommensarmutb) zu geringe Auseinandersetzung mit strukturellen Armutsursachen und
ordnungspolitischen Aspektenc) fehlender Verweis auf Solidarität/soziale Verantwortung und
sozialräumliche Differenzierung
3
Ein wichtiger Befund vorab
Rheinland-Pfalz liegt bei vielen Indikatoren auf dem dritten PlatzBei „Rahmenbedingungen“ (Armutsursachen) wie
= Erwerbslosenquote/Arbeitslosenquote= Langzeiterwerbslosenquote= Personen (unter 18 Jahre/18 bis unter 60 Jahre) in Haushalten ohne Erwerbstätige
Bei „Output-Indikatoren“ wie = Mindestsicherungsquote = SGB-II-Quote = SGB-II-Quote der nicht erwerbsfähigen Hilfebezieher unter 15 Jahren
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Es gibt aber auch schlechte Nachrichten
Rheinland-Pfalz liegt bei anderen Indikatoren auf schlechten Rang-PlätzenZ. B. bei den „Rahmenbedingungen“
= Anteil von frühen Schulabgängern¹ (13,1 % in 2013; drittschlechtester Wert)= Anteil Personen mit niedrigem Bildungsstand² (16,7 % in 2013; drittschlechtester Wert)
Z. B. bei „Output Indikatoren“ wie = Armutsrisikoquote insgesamt, gemessen am Landesmedian (15,8 % in 2012; 16,7 % in 2013; jeweils drittschlechtester Wert) = Armutsrisikoquote ab 65-Jährige (18,8 % in 2012; 19,8 % in 2013; jeweils zweitschlechtester Wert)
1)Bevölkerung im Alter von 18<25 Jahren, die sich nicht in Bildung oder Ausbildung befindet und über keinen Abschluss des Sekundarbereichs II verfügt.2)Anteil 25>65-Jährige ohne beruflichen Abschluss und ohne (Fach-)Hochschulreife.
5
Tabelle: Median der monatlichen Bruttoarbeitsentgelte von Vollzeitbeschäftigten(ohne Auszubildende) 2013 (in Euro)
am Arbeitsort
am Wohnort
insgesamtInsgesamt
davon darunter
Männer Frauenohne
Berufs-abschluss
mit Berufs-
abschluss
mit FH-/Uni-
abschluss
Rheinland-Pfalz 2950 3116 2599 2336 2989 5017 3013
Westdeutschland 3034 3305 2701 2493 3079 5137 3097
Deutschland 2960 3146 2631 2451 2920 4836 29606
Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit (Beschäftigtenstatistik)
Niedrigere Löhne, aber bei geringerer Streuung
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Darstellung: Einkommens-Armutsrisikoquoten für ausgewählte Bevölkerungsgruppen Rheinland-Pfalz 2005 bis 2013 (Landesmedian, in Prozent)
Darstellung: Entwicklung der Ungleichheit in den Haushaltsnettoäquivalenzeinkommen 2005 bis 201 – gemessen am Gini-Koeffizienten
8Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2014b, Mikrozensen 2005-2013)
Land Jahr
2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013
RP 0,286 0,282 0,284 0,29 0,290 0,300 0,290 0,290 0,300
D 0,289 0,285 0,286 0,286 0,290 0,290 0,290 0,290 0,290
WD 0,291 0,287 0,288 0,288 0,290 0,290 0,290 0,290 0,290
Darstellung: Vermögensverteilung* in Deutschland 2007 – Erweiterte Analyse des DIW
9* Nettovermögensverteilung Personen ab 16 Jahren in Privathaushalten** Erweitert um inputierte SpitzenvermögenQuelle: Bach u. a. 2014, S. 11
SOEP Erweitertes** SOEP
Perzentile Insgesamt Perzentile Insgesamt
1.000 Euro Mrd. Euro % 1.000 Euro Mrd. Euro %
1.-5. Dezil \ 103 1,7 \ 103 1,4
6.-9. Dezil 16 2.310 38,2 16 2.310 32,0
10. Dezil 210 3.633 60,1 210 4.813 66,6
Insgesamt \ 6.045 100,0 \ 7.225 100,0
Oberste 7,5 % 256 3.227 53,4 256 4.408 61,0
Oberste 2,5 % 492 2.046 33,9 492 3.227 44,7
Oberste 1 % 772 1.409 23,3 772 2.590 35,8
Oberste 0,5 % 1.200 1.072 17,7 1.200 2.252 31,2
Oberste 0,1 % 4.079 520 8,6 6.080 1.627 22,5
Gini-K. 0,7726 0,8097
Darstellung: Pen-Parade für Rheinland-Pfalz in Bezug auf das private Nettovermögen in der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts
10Quelle: Eigene Berechnungen (mit EVS 2008)
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35
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,80
m)
Minuten
Pen-Parade
Arithm. Mittel
Darstellung : Skizzierte Lorenzkurven der Vermögensverteilung in Deutschland ohne bzw. mit Einbeziehung von sehr hohen Vermögen 2007
Quelle: Bach u. a. 2011, S. 11 (auf SOEP-Grundlage)
0,00
0,10
0,20
0,30
0,40
0,50
0,60
0,70
0,80
0,90
1,00
0,00
0,02
0,04
0,06
0,08
0,10
0,11
0,13
0,15
0,17
0,19
0,21
0,23
0,25
0,27
0,29
0,30
0,32
0,34
0,36
0,38
0,40
0,42
0,44
0,46
0,48
0,49
0,51
0,53
0,55
0,57
0,59
0,61
0,63
0,65
0,67
0,68
0,70
0,72
0,74
0,76
0,78
0,80
0,82
0,84
0,86
0,87
0,89
0,91
0,93
0,95
0,97
0,99
Kum
ulie
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Ver
mög
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l
Kumulierter Bezieheranteil
Deutschland 2007, ohne Spitzenvermögen Deutschland 2007, mit Spitzenvermögen Gleichverteilung
11
Quelle: Westermeier, Grabka 2015, S. 131
Ohne die Vermögen der Superreichen bleibt das Bild von der Vermögensverteilung unvollständig
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3. Einkommensarmut/Vermögensreichtum
Konsequenzen aus der Unterfassung der extrem hohen Vermögen
-Aussagen über die Vermögensverteilung (Dezilanteile, Gini-Koeffizienten etc.) bzw. Aussagen über die Entwicklung der Ungleichheit sind eigentlich nicht möglich-Die politische Debatte wird dadurch ausgebremst
= Es wird als Reichtum behandelt, was nicht wirklich Reichtum ist= Konsequenzen extremen Reichtums bleiben unter dem Teppich (z.B. Konzentration)
-Hinweis: Tendenziell Ähnliches gilt auch für Einkommensreichtum-Hinweis: Ähnliche Probleme auch bei der Nicht-Erfassung von Armut am anderen Ende der Verteilungen (Anstaltsbevölkerung, Obdachlose)
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3. Einkommensarmut/Vermögensreichtum
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Nochmals zur Kritik am Bericht (Presseerklärung der LAK)
Der Bericht thematisiert sehr wohl (vgl. v. a. Kapitel 10) Themen wie Öffentliche Armut bei Privatem Reichtum und die negativen Folgen und die fehlende Akzeptabilität des extremen Reichtums („0,1 ‰“).Die neuen Analysen des DIW (vgl. Schlussdiskussion mit M. Grabka) untermauern unsere Aussagen zum extremen Reichtum (vgl. Pen-Diagramm). Es wäre jedoch falsch und für Verteilungsanalysen problematisch, bei der modischen Kritik an der relativen Armuts- und Reichtumsmessung das Kind mit dem Bade auszuschütten. Man muss nur schauen, aus welcher Ecke diese Argumentation stammt.Armut und Reichtum sind immer auch relative Kategorien. Und (Es steht recht klar in unserem Bericht): Sie bedingen sich gegenseitig! Strukturelle Armut entsteht aus den ordnungspolitischen Sündenfällen der letzten 35 Jahre in Deutschland.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Kontakt:
Prof. Dr. Ernst KistlerInternationales Institut für EmpirischeSozialökonomie (INIFES) gGmbHHaldenweg 2386391 Stadtbergen
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