Prof.Dr.jur.HelmutSatzger DierelevantenGrenzwerteder ... · PDF filegrenzen, die die Menge an Alkohol im Blut zum Zeitpunkt der Tat kennzeichnen. Diese BAK-Grenzwerte muss jeder Studierende

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    Prof. Dr. jur. Helmut Satzger

    Die relevanten Grenzwerte derBlutalkoholkonzentration im Strafrecht*

    Helmut Satzger:Der Autor ist Inhaber des Lehrstuhls fr Deutsches,Europisches und Internationales Strafrecht und StrafprozessrechtsowieWirtschaftsstrafrecht der Ludwig-Maximilians-UniversittMnchen, undMitherausgeber dieser Zeitschrift.

    In einem gewissen Bezug zu der in Heft10/2012 behandeltenFragestellung nach den Sach- und Vermgenswertgrenzenim StGB soll dieser Beitrag weitere Grenzwerte beleuchten,die ebenfalls allerdings in vllig anderem Kontext straf-rechtliche Bedeutung erlangen. Es sind die Grenzwerte derBlutalkoholkonzentration (BAK) bei Straftaten, bei denenAlkohol im Spiel ist.

    I. Allgemeines zurBlutalkoholkonzentration

    1. Bedeutung der Blutalkoholkonzentration(BAK)

    Der Studierende wird im Strafrecht nicht nur bei den Sach-und Vermgensdelikten mit Grenzwerten konfrontiert.Auch im Zusammenhangmit Straftaten, die unter Alkohol-einfluss begangen werden, ist die Kenntnis von Grenzwer-ten unverzichtbar. In beiden Fllen handelt es sich nichtum im Gesetz konkret bezifferte Werte, sondern um vonder Rechtsprechung in Auslegung abstrakter Rechtsbegrif-fe gefundene Zahlenwert. So wie dort der Eurowert einerSache von bedeutendem Wert von der Rechtsprechungbeziffert wurde, geht es im Bereich der BAK um Promille-grenzen, die die Menge an Alkohol im Blut zum Zeitpunktder Tat kennzeichnen. Diese BAK-Grenzwerte muss jederStudierende sicher beherrschen, nur zu oft wird derenKenntnis in universitren Klausuren wie auch im 1. und 2.Staatsexamen vorausgesetzt. Auch jenseits der Ausbil-dung haben die BAK-Werte eine eminent groe Bedeu-tung, da der Alkohol in der strafrechtlichen Praxis eine

    leider nicht unbedeutende Rolle spielt. Dies wird durcheinen Blick in die Statistik deutlich: So entfielen 2010 vonden insgesamt 174.558 wegen Straenverkehrsdeliktenverurteilten Personen 91.836 Verurteilungen auf in Trun-kenheit begangene Straenverkehrsdelikte1.

    2. Nachweis der BAK

    Die Blutalkoholkonzentration ist das wichtigstes Beweis-anzeichen zur strafrechtlichen Beurteilung der Auswirkun-gen von Alkoholkonsum. Die Angabe in Promille zeigt an,wie viel Alkohol (in Gramm) sich in 100 ccm Blut befindet.Grundstzlich gibt es zwei Wege, um die BAK zu ermitteln:Liegt eine Blutprobe vor, so kann anhand bestimmter Ana-lysemethoden sowie einer Rckrechnung die Tatzeit-BAKermittelt werden. Ohne das Vorliegen einer Blutprobekann die BAK anhand der Trinkmenge und des Trinkver-laufs errechnet werden. Eine nhere Erluterung findetsich in einem Exkurs am Ende dieses Beitrags (siehe dazuunter III.).

    a) Die Ermittlung der BAK wird in der Regel aufgrundder Analyse einer Blutprobe festgestellt, die im Wegeeiner Anordnung nach 81a StPO entnommen worden istund die der Beschuldigte somit gegen sich zu dulden hat2.Voraussetzung fr eine Anordnung ist, dass ein hinrei-chender Verdacht auf Alkoholkonsum besteht, wobei je-doch Alkoholgeruch ausreicht3. Hinsichtlich des Verfah-

    * Fr die tatkrftige Untersttzung und Mitarbeit gebhrt meinerwiss. Hilfskraft Frau RRef.MonikaWerndl grter Dank.

    1 Statistisches Bundesamt, Lange Reihen zur Strafverfolgungsstatis-tik, II.2 Verurteilte nach ausgewhlten Straftaten, Geschlecht undAltersgruppen (Deutschland seit 2007), 2010; zu finden ber: https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Rechtspflege/Straf-verfolgungVollzug/StrafverfolgungsstatistikDeutsch-landPDF_5243104.pdf?__blob=publicationFile.2 BGHSt 34, 39; OLG Hamm NJW 1974, 713; Karlsruher Kommentarzur StPO/Senge, 6.Auflage (2008), 81 a, Rn.4; als Verfahrenssubjektmuss der Beschuldigte nicht aktiv an seiner berfhrung mitwirken(nemo-tenetur-Grundsatz), allerdings hat er die Ermittlungen gegensich zu erdulden und hat daher auch Eingriffe und Zwangsmanah-men gegen sich hinzunehmen, vgl. dazu auch Volk, Grundkurs StPO,7.Auflage (2010), 9 Rn.37.3 OLG Kln NStZ 1986, 234.

    DOI 10.1515/jura-2013-0045 Juristische Ausbildung 2013(4): 345360

    Angemeldet | [email protected] am | 18.04.14 19:17

  • rens sind dabei die vom Bundesgesundheitsamt (BGA)1966 entwickelten und den tatschlichen und rechtlichenEntwicklungen laufend angepassten Richtlinien zu beach-ten. Danach muss jede Blutprobe grundstzlich in fnfEinzelanalysen untersucht werden, wobei wenigstens zweiunterschiedliche Untersuchungsmethoden anzuwendensind4. Aus den Werten der Einzelanalysen ist dann derarithmetische Mittelwert zu bilden5. In der Regel wird dieBlutprobe jedoch erst einige Zeit nach der Tat entnommen,so dass die Tatzeit-BAK daraus erst noch durch Rckrech-nung zu ermitteln ist (zur Rckrechnungsproblematik sie-he unter III.).

    b) Fehlt eine Blutprobe, so kann die Blutalkohol-konzentration anhand der Trinkmenge und des Trink-verlaufs nach der sog.Widmark-Formel errechnet werden.Damit eine Berechnung jedoch berhaupt mglich ist,sind zum einen glaubhafte Angaben ber die Art undMenge des genossenen Alkohols durch den Angeklagtenoder durch Zeugen festzustellen, zum anderen ms-sen Geschlecht, Gre und Gewicht des Tters festste-hen6. Daraus ergibt sich, dass der Beweiswert einer nachder Widmark-Formel errechneten BAK geringer wird, jevager die Angaben durch den Tter bzw. die Zeugenwerden, was letztlich auch zur Unverwertbarkeit fhrenkann7.

    Die Formel zur Ermittlung der theoretischen BAK nach Widmarklautet:

    Die Variablen haben dabei folgende Bedeutung:

    c = Alkoholkonzentration im Blut in Gramm pro Kilogramm Blut(BAK)A = aufgenommeneMasse des Alkohols in Gramm8

    m =Masse der Person in Kilogrammr = Reduktions- bzw. Verteilungsfaktor im Krper (Mnner 0,7;Frauen und Jugendliche 0,550,60)

    Von dem errechneten theoretischen Promillewert ist je-doch noch das Resorptionsdefizit wie auch der stndlicheAbbauwert abzuziehen (genauer zur Ermittlung der Tat-zeit-BAK siehe III.).

    c) Schlielich besteht auch noch eine dritte Mglich-keit der Alkoholbestimmung, und zwar durch Bestimmungder Atemalkoholkonzentration (AAK). So handelt nach24a I StVG ordnungswidrig, wer im Straenverkehr einKraftfahrzeug fhrt, obwohl er 0,25mg/l oder mehr Alko-hol in der Atemluft oder 0,5 Promille oder mehr Alkohol imBlut () hat. Hier gibt die Vorschrift selbst den mageb-lichen Grenzwert vor. Damit hat der Gesetzgeber denGrenzwert fr die AAK als Tatbestandsmerkmal festgelegtund somit die Messung der AAK als unmittelbares Beweis-mittel fr die Feststellung von Ordnungswidrigkeiten an-erkannt. Dies gilt nach ganz hM jedoch nicht fr das Straf-verfahren, da eine direkte Umrechnung der AAK-Werte inBAK-Werte nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht mg-lich ist9. Schlielich ist zu beachten, dass die AAK-Mess-werte durch eine Vielzahl verschiedener Einflsse ver-flscht werden knnen.

    II. Funktion der BAK-Grenzwerte

    Den BAK-Werten knnen bei einer strafrechtlichen Pr-fung grundstzlich zwei unterschiedliche Funktionenzukommen. Einerseits kann das Vorliegen eines bestimm-ten BAK-Wertes strafhemmende (strafausschlieende oder

    4 Die gngigsten Verfahren sind dabei das Widmarkverfahren, dieADH (Alkoholdehydrogenase)-Methode und das sehr viel genauereGC-Verfahren (gaschromatographisches Verfahren); so sind bei jederBAK-Bestimmung grds. drei Untersuchungen nach dem Widmark-Verfahren und zwei nach der ADH-Methode zugrunde zu legen, vgl.dazu BGHSt 21, 167. Wird die exaktere GC- Methode angewandt, sindvier Einzelanalysen ausreichend, zwei nach der GC-Methode und zweinach einem anderen Verfahren, vgl. dazu BGA-Gutachten 1977, 7 f;BGH VRS54, 452, 453; NZV 2002, 559; SSW-StGB/Ernemann, 2009,316 Rn.20; NK/Herzog, 3.Auflage (2010), 316 Rn.215 BGHSt 28, 1, 2; OLG Dsseldorf NZV 1997, 445; Schnke/Schrder/Cramer/Sternberg-Lieben/Hecker, 28.Auflage (2010), 316, Rn.16; Al-lerdings ist der Mittelwert nur dann verwertbar, wenn die Einzelwertenicht mehr als 10%, bei Mittwerten von unter 1,0 nicht mehr als0,1, vom Mittelwert abweichen, BGHSt 45, 140; Hentschel, Trun-kenheit, 10.Auflage (2006), Rn.85.6 Krumm, NJW 2010, 1577, 1578; BGH BeckRS2009, 1405.7 BGH NStZ 1994, 334, 335; LK/Knig, 12.Auflage (2008), 316,Rn.37.

    8 In einschlgigen Kommentaren gibt es ausfhrliche Tabellen, indenen bezogen auf die einzelnen Getrnkearten der Alkoholgehalt inProzent und Gramm angegeben wird, so dass eine Umrechnung nichtimmer notwendig ist, siehe dazu Burmann/He/Janke/Janker-StVR/Burmann, 22.Auflage (2012), 316, Rn.39.9 BGHSt 46, 358, 363; BayObLG NZV 2000, 295; Knig, JA 2003, 131,132; Hentschel, Trunkenheit, 10.Auflage (2006), Rn.121, 123; iE a.A.LK/Knig, 12.Auflage 2008, 316 Rn.56 ff, der zur Begrndung vor-trgt, dass es im Rahmen der 316, 315c StGB allein auf das Kriteri-um der Fahruntauglichkeit ankomme und sich der Tatrichter dieerforderliche berzeugung vom Vorliegen eines dem Grenzwert von1,1 entsprechenden Alkoholisierungsgrades im Einzelfall auch an-hand hoher AAK-Werte verschaffen knne, da das BGA imWege einerWahrscheinlichkeitsrechnung auf der derselben Grundlage wie bei24a I StVG die den im Strafverfahren relevanten BAK-Grenzwertekorrelierenden AAK-Werte errechnet hat.

    346 Aufsatz Helmut Satzger: Die relevanten Grenzwerte der Blutalkoholkonzentration im Strafrecht

    Angemeldet | [email protected] am | 18.04.14 19:17

  • zumindest strafmindernde) Wirkung entfalten. Das istdann der Fall, wenn aufgrund des Trunkenheitszustandesdie Schuldfhigkeit ausgeschlossen bzw. eingeschrnkt.ist. Andererseits kann einem Trunkenheitszustand straf-begrndende Wirkung zukommen, nmlich immer dann,wenn ein Tatbestand explizit oder implizit an die Alkoholi-sierung als Strafbarkeitsvoraussetzung anknpft.

    1. BAK- Wert mit strafhemmenderWirkung

    Fall1: X wurde von seiner Freundin F wegen seines Hangs zumAlkohol verlassen. Er sucht wie immer Zuflucht im Alkohol,um zu vergessen! In diesem Zustand begegnet er zufllig derF; bei X brennen alle Lampen durch, er strzt sich auf F undversetzt ihr meh