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Hans Irtel Psychophysische Invarianzen in der Farb- und Helligkeitswahrnehmung Universit¨ at Regensburg 1991

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Hans Irtel

Psychophysische

Invarianzen

in der Farb- und

Helligkeitswahrnehmung

Universitat Regensburg

1991

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Vorwort

Wahrnehmung dient der Orientierung. Sie ermoglicht eine mentale Reprasenta-tion der physikalischen Umwelt, eine Reprasentation, die in mancher Hinsichtsehr zuverlassig ist, in mancher Hinsicht aber auch zu falschen Vorstellungenuber die Welt gefuhrt hat. Man denke etwa an das Bild von der Erde als fla-cher Scheibe, uber der sich auf einer Kugelschale die Sonne bewegt. Solche Vor-stellungen uber die Welt lassen sich nicht durch unmittelbare Beobachtungenkorrigieren, erst mittelbare Beobachtungen, etwa mit Hilfe eines Fernrohrs undeiner prazisen Zeitmessung, sind geeignet, die Unterschiede zwischen der Wahr-nehmung und den physikalischen Sachverhalten aufzudecken. Psychophysik alsTeilgebiet der Psychologie interessiert sich nicht fur mittelbare, also durch Hilfs-mittel unterstutzte, sondern nur fur unmittelbare Beobachtungen, also etwa nichtfur die mit Hilfe eines Maßbandes gemessene Entfernung, sondern fur die voneinem Beobachter geschatzte Entfernung.

Der Zusammenhang zwischen der physikalischen und der psychologischen,also der wahrgenommenen, Auspragung, etwa der Distanz zwischen zwei Punk-ten im Raum, wird als psychophysische Funktion bezeichnet. Seit ihren Anfangenwurde in der Psychophysik untersucht, welche mathematische Form die psycho-physischen Funktionen verschiedener Sinnesgebiete haben. Als Begrundung furseine ,,Massformel“ benutzt Fechner (1860) das Webersche Gesetz und ein ma-thematisches Hilfsprinzip, aus dem sich als Losung die logarithmische Form desZusammenhangs zwischen Reiz und Empfindung ergibt. Bei der psychologischenInterpretation der so konstruierten psychophysischen Funktion beschrankt sichFechner nicht auf die dem Weberschen Gesetz zugrunde liegenden Diskrimi-nationsdaten, sondern betrachtet die ,,Massformel“ als allgemeines Gesetz furEmpfindungsgroßen.

Stevens (1957) kritisiert diese Interpretation auf der Grundlage zahlreicherempirischer Befunde, die zeigen, daß direkte Großenschatzungen nicht zu dengleichen Ergebnissen fuhren wie Diskriminationsmaße. Er entwickelt neue Ver-fahren der Messung subjektiver Großen und eine Theorie der Skaleneigenschaf-ten, die diesen Methoden eine formale Grundlage geben soll (Stevens, 1946).Schon der Titel der Arbeit von Stevens (1957) ,,On the psychophysical law“ zeigt,daß auch hier nicht nur die Form der psychophysischen Funktion im Mittelpunktsteht, sondern daß angenommen wird, es gabe eine eindeutige Losung fur dieKonstruktion einer Funktion, die den Zusammenhang zwischen physikalischenReizen und Empfindungsgroßen angibt. Neu entwickelte Methoden der Psycho-physik der letzten drei Jahrzehnte zeigen, daß eine streng empirisch begrundete,eindeutige Losung dieses Problems nicht moglich ist (Falmagne, 1985).

Die Frage, ob sich ein Datensatz mit Hilfe einer logarithmischen Funktionoder mit einer Potenzfunktion besser beschreiben laßt, verliert damit an Be-deutung. In den Vordergrund treten empirische Gesetzmaßigkeiten, die als Be-grundung fur bestimmte Meßverfahren dienen konnen. Der Kern solcher Ge-setzmaßigkeiten sind psychophysische Invarianzen, die strukturelle Eigenschaf-ten des Systems charakterisieren. Eine strukturelle Eigenschaft der Wahrneh-mung ist eine von situativen Gegebenheiten weitgehend unabhangige Eigen-schaft. Strukturelle Eigenschaften werden durch ihre Invarianzen charakterisiert.Eine psychophysische Invarianz liegt dann vor, wenn sich ein Wahrnehmungsur-teil nicht andert, obwohl die beurteilten physikalischen Reize geandert werden.

Die experimentelle Prufung von Invarianzeigenschaften hat gegenuber psy-chophysischen Methoden, bei denen nur die Anpassung eines Datensatzes an einebestimmte Formel gepruft wird, wesentliche Vorteile. Invarianzleistungen sind inder Regel direkt experimentell prufbar, da sie empirische Aussagen darstellen.Die Suche nach Invarianzen erzeugt neue experimentelle Anordnungen und Da-

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Vorwort iii

ten aus solchen Experimenten sind selten auf spezielle Theorien zugeschnitten,sondern lassen sich in der Regel als experimentelle Prufung unterschiedlicher,theoretischer Konzepte auswerten. So ist etwa die Gultigkeit des WeberschenGesetzes fur ein bestimmtes Sinnesgebiet nicht nur als empirisches Faktum zuwerten, sondern ist auch als Prufstein fur jede Theorie der Empfindungsgroßendieses Sinnesgebietes aufzufassen. Selbst wenn in bestimmten Reizbereichen Ab-weichungen von sonst bestehenden Invarianzen auftreten, wird man dies als em-pirischen Sachverhalt werten und von einer Theorie verlangen, daß sie dieseAbweichungen erklaren kann.

Die Bedeutung von Invarianzleistungen ist auch Fechner (1860) und Stevens(1957) bewußt. Stevens schreibt: ,,The basic principle seems to be that equalstimulus ratios tend to produce equal sensation ratios“ (Stevens, 1957, S. 162).Eine streng formale Analyse dieser Annahme wird jedoch erst mit Hilfe neuererMethoden moglich. Zur Begrundung sei darauf verwiesen, daß die Bedeutungvon ,,equal sensation ratios“ nur dann klar werden kann, wenn hier von verhalt-nisskalierten Großen die Rede ist.

Von Falmagne (1985) werden die modernen Methoden der Psychophysik um-fassend dargestellt. Der weit uberwiegende Teil dieser Methoden beschrankt sichauf eindimensionale und additive Theorien. Der Gegenstand dieser Arbeit sindPhanomene, die entweder, wie im Falle der Farbwahrnehmung, nicht eindimen-sional, oder, wie im Fall der binokularen Fusion, nicht additiv sind. Kontext-effekte in der Farbwahrnehmung werden durch Invarianzeigenschaften beschrie-ben, die eine Darstellung der unter Adaptation wahrgenommenen Farbanderun-gen durch Transformationen des Reizmaterials erlauben. Als Grundlage dazudient die Invarianz kontextubergreifender Aquivalenzen gegenuber bestimmtenTransformationen der Reize. Die binokulare Mischung von Farben erlaubt we-gen der starken Interaktionseffekte, die bei der binokularen Fusion der Helligkeitauftreten, keine additive Modellierung. Wir benutzen eine dem Weberschen Ge-setz ahnliche Invarianzeigenschaft, um die nichtmonotone Fusion der binokula-ren Helligkeit zu analysieren. Aus einer allgemeinen Invarianzannahme werdenFolgerungen fur einzelne qualitative Merkmale abgeleitet und empirisch gepruft.

Fur die Darstellung der theoretischen Uberlegungen wird ein halb-formalerStil gewahlt, der vor allem Wert darauf legt, die wesentlichen Grundgedankenherauszuarbeiten. Nur dort, wo nicht auf publizierte Literatur verwiesen werdenkann, oder Voraussetzungen fur folgende empirische Arbeiten dargestellt wer-den, sind die formalen Begrundungen im Detail ausgefuhrt. Fur das Verstandnisder psychologischen Farbenlehre sind Grundkenntnisse in linearer Algebra undanalytischer Geometrie notwendig. Als Einfuhrung seien dazu die Bucher vonFischer (1985, 1986) empfohlen.

Farbensehen wird hier als psychologisches Phanomen betrachtet, wir gehennur an wenigen Stellen auf physiologische Aspekte ein. Die Geschichte der Far-benlehre ist zwar gepragt von physiologischen Hypothesen, oder besser von phy-siologischen Spekulationen, die experimentellen Daten waren aber bis in die 60erJahre nahezu ausschließlich psychologischer Art, d. h. also Verhaltensdaten. Soschreibt etwa Konig (1897) ,,Das letzte Ziel farbentheoretischer Untersuchungenbesteht u. a. darin, die Grundempfindungen und ihre spectrale Vertheilung zufinden.“ Durch die Arbeiten von Konig und Dieterici (1893) und anderen (vgl.Kap. 2) waren diese ,,Grundempfindungen“, womit die Empfindlichkeitsfunk-tionen der Rezeptoren gemeint sind, lange bekannt, bevor Schnapf, Kraft undBaylor (1987) die ersten direkten physiologischen Messungen der Rezeptorpo-tentiale von Zapfen einer menschlichen Retina gelangen.

Auch wenn hier wenig auf physiologische Sachverhalte eingegangen wird, sinddoch Grundkenntnisse der Anatomie und Physiologie des visuellen Systems furdas Verstandnis der psychologischen Farbenlehre notwendig. Als physiologischorientierte Einfuhrung in die visuelle Wahrnehmung sei hier die ausgezeichneteMonographie von Levine und Shefner (1981) empfohlen.

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Vorwort iv

UBERSICHT

Kapitel 1 enthalt die Grundlagen fur die Konstruktion des psychologischen Farb-raums und dessen Koordinaten. Ausgehend von der Struktur der Farbreize wirddas Experiment zum Erzeugen von Farbgleichungen und die darauf aufbauendeEntwicklung des Vektorraums der Farben beschrieben. Der abstrakten Vektor-raumdarstellung folgt die empirische Konstruktion von verschiedenen Koordina-tensystemen des Farbraums und den damit verbundenen Farbtafeln.

Psychologisch ausgezeichnete Unterraume des Farbraums werden in Kapitel2 behandelt. Am Beispiel der Helligkeit wird gezeigt, wie Farbattribute als Funk-tionale im Farbraum durch ihre strukturellen Merkmale charakterisiert werdenkonnen. Farbgleichungen von Farbfehlsichtigen und Urteile uber besonders aus-gezeichnete Farben des Sytems der Gegenfarbenpaare Rot/Grun und Blau/Gelbwerden zur Konstruktion psychologisch bedeutsamer Koordinatisierungen desFarbraum herangezogen.

Die Kapitel 3 und 4 sind experimentelle Anwendungen der theoretischenGrundlagen der Anfangskapitel. In Kapitel 3 wird eine allgemeine Theorie vonKontexteffekten als affine Transformationen im Farbraum vorgestellt und imRahmen eines Adaptationsexperiments einer empirischen Prufung unterzogen.

In Kapitel 4 wird die Metrisierung des Farbraums durch Diskriminationsmaßediskutiert und aufgezeigt, welche Probleme durch variierende Adaptationsbedin-gungen dabei entstehen konnen. In einem Experiment wird die Veranderung derDiskriminationsleistung im Farbraum durch lokale Kontexteinflusse untersucht.Zur Beschreibung der Diskriminationsleistung und ihrer Veranderungen wirdeine lokale Metrik benutzt.

Die nichtlinearen Interaktionseffekte bei der binokularen Fusion von Farbeund Helligkeit sind der Gegenstand der Kapitel 5 und 6. Wir gehen kritischauf mehrere empirische Untersuchungen ein und leiten dann aus einer allgemei-nen Invarianzforderung mehrere empirische Fragestellungen ab, die experimen-tell gepruft werden. Auf der Grundlage dieser Daten wird abschließend ein neuesModell der binokularen Helligkeitsfusion entwickelt und dessen Vorhersagen furverschiedene Versuchsanordnungen diskutiert.

Dieses Buch ist eine uberarbeitete Fassung meiner Habilitationsschrift an derPhilosophischen Fakultat II—Psychologie und Padagogik—der Universitat Re-gensburg. Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Jan Drosler, der in mirdas Interesse an der psychologischen Farbenlehre geweckt und meine experimen-telle Arbeit stets großzugig unterstutzt hat. Wertvolle Anregungen zu Kapitel 3verdanke ich Sofia Wurger und zu Kapitel 4 Karl Gegenfurtner.

Zum Erstellen des Manuskripts wurden mehrere Public-Domain Textverar-beitungsprogramme benutzt. Den Autoren dieser Programme (D. E. Knuth furTEX und die Schriftenfamilie Computer Modern, L. Lamport fur LaTEX, M. J.Wichura fur PICTEX und J. Payne fur jove) sei an dieser Stelle fur die großzugigeWeitergabe ihrer Programme gedankt. Ohne sie ware das Manuskript in der vor-liegenden Form nicht moglich gewesen.

Regensburg, September 1990 Hans Irtel

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Inhalt

1 Der Farbraum 11.1 Farbreize . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

1.1.1 Der Raum der Farbreizfunktionen . . . . . . . . . . . . . 41.1.2 Das Erzeugendensystem der Spektralreize . . . . . . . . . 5

1.2 Konstruktion des Farbraums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61.2.1 Aquivalenzklassen nicht unterscheidbarer Farbreize . . . . 61.2.2 Die Reprasentation von Farben . . . . . . . . . . . . . . . 91.2.3 Konvexitat und lineare Abbildungen . . . . . . . . . . . . 121.2.4 Empirische Gultigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

1.3 Farbkoordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141.3.1 Konstruktion im Mischungsexperiment . . . . . . . . . . . 141.3.2 Vereinfachungen durch die Struktur des Farbraums . . . . 151.3.3 Das (R,G,B)-System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171.3.4 Die Normfarbtafel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201.3.5 Koordinatentransformationen . . . . . . . . . . . . . . . . 23

2 Farbattribute 262.1 Funktionale im Farbraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

2.1.1 Skalar invariante Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . 282.1.2 Additiv invariante Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . 30

2.2 Helligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312.2.1 Experimentelle Methoden der Helligkeitsmessung . . . . . 312.2.2 Spektraler Hellempfindlichkeitsgrad . . . . . . . . . . . . 332.2.3 Nichtlineare Helligkeitsskalen . . . . . . . . . . . . . . . . 34

2.3 Farbfehlsichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362.3.1 Dichromatische Unterraume . . . . . . . . . . . . . . . . . 362.3.2 Fehlfarben und Grundspektralwerte . . . . . . . . . . . . 39

2.4 Gegenfarben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

3 Adaptation 483.1 Kontexteffekte als Transformationen im Farbraum . . . . . . . . 493.2 Kontextubergreifende Aquivalenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . 503.3 Farbadaptation als affine Transformation . . . . . . . . . . . . . 563.4 Ein Experiment zur Farbadaptation . . . . . . . . . . . . . . . . 583.5 Diskussion der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

4 Diskrimination 694.1 MacAdam-Ellipsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 694.2 Diskriminationsmaße als Metriken im Farbraum . . . . . . . . . . 714.3 Zum Einfluß des Umfeldes auf die Farbreizdiskrimination . . . . 754.4 Diskussion der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80

5 Binokulare Fusion 855.1 Binokulare Farbenmischung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 865.2 Binokulare Helligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 875.3 Automorphismen der binokularen Helligkeit . . . . . . . . . . . . 985.4 Experimenteller Vergleich monoptischer und dichoptischer Reize 1015.5 Die Helligkeit monoptischer und dichoptischer Reize . . . . . . . 104

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Inhalt vi

6 Intensitatsinvarianz der binokularen Helligkeit 1096.1 Minimalreize und Intensitatsinvarianz . . . . . . . . . . . . . . . 1106.2 Ein Experiment zur Intensitatsinvarianz . . . . . . . . . . . . . . 1116.3 Der binokulare Helligkeitsvorteil dichoptischer Reize . . . . . . . 1166.4 Ein Modell der binokularen Helligkeit . . . . . . . . . . . . . . . 118

Literatur 129

Anhang 135Die Messung von Farbreizen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135

Personenregister 138

Sachregister 140

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Kapitel 1

Der Farbraum

And if at any time I speak of light and rays as colouredor endued with colours, I would be understood

to speak not philosophically and properly, but grossly,and accordingly to such conceptions as vulgar people

in seeing all these experiments would be apt to frame.For the rays, to speak properly, are not coloured.

Sir Isaac Newton, 1704

Die experimentellen Paradigmen der Psychophysik des Farbensehens lassensich in drei Gruppen einteilen. Die erste Gruppe untersucht, ob zwei Farbreizevisuell unterscheidbar sind oder nicht. Die Reize werden kontextfrei oder beikonstantem Kontext dargeboten und die Versuchsanordnung ermoglicht eine op-timale Diskriminationsleistung. Die von der Versuchsperson erwarteten Urteilesind binar: ,,gleich“ oder ,,nicht gleich“. Urteile dieser Art sind die empirischeGrundlage der in diesem Kapitel dargestellten Konstruktion des psychologischenFarbraums.

Die zweite Gruppe von Paradigmen benutzt im wesentlichen die gleiche Ver-suchsanordnung wie die erste Gruppe, verlangt aber von der Versuchspersonandere Urteile. In diesen Experimenten muß die Versuchsperson Attribute vonFarbreizen beurteilen. Die Darbietung besteht aus einem oder moglicherweiseauch mehreren Farbreizen unter konstanten Kontextbedingungen und die Ver-suchsperson hat einzelne Eigenschaften der Reize zu vergleichen oder sie absolutzu beurteilen. Dies konnen etwa Ordnungsurteile uber die Helligkeit der Reize(,,a ist heller als b“) oder auch Absoluturteile uber die wahrgenommene Farbeeines Reizes sein (,,enthalt weder Rot, noch Grun“). In Kapitel 2 wird darge-stellt, wie Experimente dieser Art benutzt werden konnen, um Unterraume desFarbraums auszuzeichnen und deren strukturelle Eigenschaften aufzuklaren.

Die dritte Gruppe experimenteller Paradigmen unterscheidet sich von den er-sten beiden dadurch, daß der Kontext mit einbezogen wird. Reize werden nichtmehr kontextfrei oder mit konstantem Kontext dargeboten, sondern der Kon-text wird als unabhangige Variable behandelt. Die Aufgaben fur die Versuchs-person sind bei diesen Experimenten ahnlich denen der ersten beiden Gruppen,sind aber durch die komplexe Reizanordnung fur die Versuchspersonen haufigsehr viel schwieriger auszufuhren. Kontexteffekte sind der Gegenstand der Ka-pitel 3 und 4, wobei in Kapitel 3 der zeitliche und in Kapitel 4 der raumlicheKontext betrachtet wird. Der theoretische Ausgangspunk ist in beiden Fallender Farbraum, in dem Kontexteffekte als strukturerhaltende Transformationenreprasentiert werden.

Die Grundlage der psychologischen Farbenlehre bilden die psychophysischenBeziehungen zwischen den physikalischen Eigenschaften der Farbreize und ihrenwahrgenommenen Attributen. Diese Beziehungen stellen nicht nur einen einfa-chen Zusammenhang zwischen einzelnen Farbreizen und Farben als ihren wahr-genommenen Qualitaten her, sondern daruber hinaus lassen sich wesentlichestrukturelle Merkmale der Farbreize in der Farbwahrnehmung wiederfinden. DieUntersuchung dieser Invarianzen setzt die Kenntnis der fur die Farbwahrneh-

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Kapitel 1 Der Farbraum 2

300 400 500 600 700 800

Wellenlange [nm]

0

400

800

1200[W

m2µm

]

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Abbildung 1.1. NASA Standard der spektralen Bestrahlungsstarke durch Sonnenlicht

auf der Erdoberflache bei einem Sonnenstand von etwa 30◦ uber dem Horizont (nach

Wyszecki & Stiles, 1982, S. 5).

mung bedeutsamen physikalischen Reizstruktur voraus. Sie besteht im Uber-einanderprojizieren von Strahlungen, der ,,additiven Farbenmischung“ und denstrukturerhaltenden Eigenschaften dieser Operation. Diese erlauben die Darstel-lung der Farbreize als Vektorraum. Die Begrundung des psychologischen Far-braums bilden kontextunabhangige Urteile uber die Farbgleichheit von Strah-lungen. Solche Urteile sind invariant gegenuber den physikalischen Operationen,die den Vektorraum der Reize bilden. Die folgende Darstellung der physikalischenStruktur der Farbreize beschrankt sich auf die fur psychologische Untersuchun-gen bedeutsamen Bereiche. Ein kurzer Uberblick uber die physikalische Messungvon Strahlungen und die zu ihrer Beschreibung ublichen Großen findet sich imAnhang.

1.1 FARBREIZE

Der Reiz fur visuelle Wahrnehmung ist elektromagnetische Strahlung mit einerWellenlange von etwa 380 bis 780 nm. Die physikalische Beschreibung von Strah-lung dieser Art ist eine Funktion, die fur jede Wellenlange im Intervall [380, 780]die von der Strahlungsquelle abgegebene Strahlungsenergie angibt. Abbildung1.1 zeigt eine solche Funktion fur die von der Sonne abgegebene Strahlung. VieleStrahlungsquellen geben neben der sichtbaren Strahlung auch Strahlung in an-deren Wellenlangenbereichen ab, etwa Infrarotstrahlung im Bereich von 1 bis100 µm, die als Warme wahrgenommen werden kann. Wir betrachten hier nurelektromagnetische Strahlungen, deren Wellenlangen im sichtbaren Bereich von380 bis etwa 780 nm liegen.

Abbildung 1.2 zeigt spektrale Strahlungsverteilungen kunstlicher Lichtquel-len, die sich visuell stark unterscheiden. Die dargestellte Lichtart A entsprichtder Strahlung einer handelsublichen Gluhlampe, die Lichtart D65 der des Son-nenlichts an einem Sommertag um die Mittagszeit. Bei einem direkten visuellenVergleich der beiden Strahlungsquellen sieht die Lichtart A gelblich, die LichtartD65 blaulich weiß aus. Strahlungen unterschiedlicher spektraler Zusammenset-zung konnen als farblich verschieden wahrgenommen werden.

In der Psychophysik der Farbwahrnehmung werden Farbreize heute immerdurch ihre spektrale Energieverteilung beschrieben. Auch wenn diese der Ein-fachheit halber haufig direkt an der Strahlungsquelle gemessen wird, so wird alsReiz in der Regel nur die Strahlung betrachtet, die ins Auge der Versuchspersongelangt, haufig sogar nur der Anteil, der auf der Netzhaut auftrifft. Die im An-

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Kapitel 1 Der Farbraum 3

400 450 500 550 600 650 700 750

Wellenlange [nm]

0

100

200

300

A

C

D65

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Abbildung 1.2. Relative spektrale Strahlungsverteilungen der Normlichtarten A, C

und D65 (Wyszecki & Stiles, 1982, S. 144). Die Lichtart A wird von einem Planckschen

Strahler bei einer Temperatur von 2856◦ K abgegeben, was etwa dem Licht einer

Wolfram-Gluhlampe entspricht. Die Lichtart C reprasentiert mittleres Tageslicht mit

einer Farbtemperatur von etwa 6774◦ K, die Lichtart D65 reprasentiert Tageslicht

bei einer Farbtemperatur von 6504◦ K. Dies entspricht etwa dem Tageslicht um die

Mittagszeit bei klarem Himmel.

hang kurz dargestellten Methoden der physikalischen Strahlungsmessung tragendem durch verschiedene, speziell fur psychologische Zwecke definierte Großen,Rechnung. Bei diesen Meßverfahren wird unterschieden zwischen Strahlungs-und Licht-Großen. Letztere berucksichtigen die Tatsache, daß elektromagneti-sche Strahlung nur dann visuell wirksam ist, wenn ihre Wellenlange im oben ange-gebenen Intervall liegt. Die spektrale Beschreibung visuell wirksamer Strahlung,also von Licht, geht aus der physikalischen Strahlungsverteilung durch Multi-plikation mit einer Funktion hervor, die die visuelle Wirksamkeit der Strahlungangibt. Diese Funktion wird Hellempfindlichkeitsgrad genannt und durch V (λ)abgekurzt. Ihre exakte Definition ist Gegenstand von Abschnitt 2.2 in Kapitel2.

Die von einer Strahlungsquelle wie der Sonne oder einer Gluhlampe abge-gebene Strahlung gelangt meist nicht direkt ins Auge eines Beobachters, son-dern erst nach mehrmaliger Reflexion an Oberflachen von Gegenstanden, diedie spektrale Zusammensetzung der Strahlung verandern. Beim Auftreffen vonelektromagnetischer Strahlung auf eine Oberflache wird ein Teil der Strahlungabsorbiert und ein Teil reflektiert. Die Reflexionseigenschaften von Oberflachenkonnen durch Reflexionsfunktionen beschrieben werden. Diese geben fur jedeWellenlange den Anteil der auftreffenden Strahlung an, der reflektiert wird. Diespektrale Energieverteilung der reflektierten Strahlung ergibt sich einfach ausdem Produkt der spektralen Energieverteilung der Strahlungsquelle und derspektralen Reflexionsfunktion der Oberflache. Fur die wahrgenommene Farbeist allein dieses Produkt verantwortlich. Beim Durchtreten von Strahlung durchlichtdurchlassige Stoffe, wird die eintretende Strahlungverteilung mit der Trans-missionsfunktion multipliziert. Benutzt man zur Reizbeschreibung die ins Augegelangende Strahlung, so ist eine besondere Behandlung von Reflexions- oderTransmissionsfunktionen uberflussig.

Die in der Psychologie heute ubliche, alleinige Betrachtung von elektromag-netischer Strahlung als Reiz fur Farbensehen unterscheidet sich vom alltaglichenUmgang mit dem Phanomen ,,Farbe“ erheblich. Im Alltag wird Farbe als Eigen-schaft von Objekten betrachtet. Die Objektorientierung unserer Wahrnehmungfuhrt dazu, daß wir Farbe nicht als eine allein dem Subjekt zugangliche Emp-findung, sondern als außere Objektqualitat erleben. Fur die Psychologie war die

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Kapitel 1 Der Farbraum 4

Analyse der Farbwahrnehmung allerdings nur dort erfolgreich, wo Farb- undObjektwahrnehmung getrennt wurden.

Wir folgen dieser Trennung und beschranken uns hier auf Farbempfindung alsGegenstand der Analyse. Experimentell bedeutet dies, daß nur solche Versuchs-anordnungen betrachtet werden, bei denen durch stark eingeschrankte Reizbe-dingungen Farben nicht als einem Objekt anhaftend wahrgenommen werden.Dies ist dann der Fall, wenn die Reizsituation aus einem weitgehend homoge-nem Gesichtsfeld besteht, in dem sich nur eine kleine Zahl von in sich ebenfallshomogenen Farbfeldern befindet, die als Test- oder Umfelder benutzt werden.Jedes Farbfeld ist in sich vollig strukturlos und von jedem Punkt eines Reizfel-des wird die gleiche Strahlung abgegeben. Verschiedene Reizfelder unterscheidensich allein durch ihre Position im Gesichtsfeld, durch ihre außere Form und durchdie abgegebene Strahlung.

1.1.1 Der Raum der Farbreizfunktionen

Eine vollstandige Beschreibung des Reizes fur Farbensehen verlangt die An-gabe der Strahlungsverteilung fur jeden Punkt der Gesichtsfelder der beidenAugen. Ein homogener Teil des Gesichtsfeldes kann durch die Farbreizfunktionbeschrieben werden: die spektrale Verteilung der Strahlungsenergie fur jede Wel-lenlange, die von jedem Punkt des homogenen Feldes abgegeben wird. Die Mengeder spektralen Strahlungsenergieverteilungen bezeichnen wir im folgenden mitA, ihre Elemente, die einzelnen Farbreizfunktionen, mit a, b, c, . . . Wird aufdie spektrale Zusammensetzung einer Farbreizfunktion Bezug genommen, dannschreiben wir a(λ), b(λ), c(λ), . . ., um die Abhangigkeit der Strahlungsenergievon der Wellenlange anzudeuten. Die genaue Benennung der Funktionswertea(λ) ist fur uns von untergeordneter Bedeutung, da sie nur von der physikali-schen Meßgeometrie abhangt und die verschiedenen, fur diese Zwecke benutztenGroßen leicht ineinander umgerechnet werden konnen (vgl. Anhang).

Die fur eine systematische psychologische Betrachtung wesentlichen physi-kalischen Eigenschaften der Farbreize sind strukturelle Merkmale, die deneneines Vektorraums ahnlich sind. Die Menge A ist eine Menge nichtnegativer,reellwertiger Funktionen auf dem reellen Intervall [380, 780]. Die Addition ⊕dieser Funktionen als Abbildung von A×A auf A erfolgt komponentenweise:(a ⊕ b)(λ) = a(λ) + b(λ). Experimentell kann der Reiz a ⊕ b durch Uberein-anderprojektion der Strahlungen a und b erzeugt werden. Die Operation ⊕ istassoziativ , kommutativ und erfullt die Kurzungsregel. Das Paar 〈A,⊕〉 ist damiteine kommutative, regulare Halbgruppe. Die folgende Darstellung lehnt sich engan die von Krantz (1975a) und Suppes, Krantz, Luce und Tversky (1989) an.

Definition 1.1. Sei A eine nichtleere Menge und ⊕ eine Operation auf A, d.h.eine binare Abbildung von A×A in A.

1. Das Paar 〈A,⊕〉 ist eine Halbgruppe, wenn ⊕ assoziativ ist: Fur alle a, b, caus A gilt (a⊕ b) ⊕ c = a⊕ (b⊕ c).

2. Eine Halbgruppe 〈A,⊕〉 ist kommutativ, wenn die Abbildung ⊕ auf Akommutativ ist: Fur alle a, b aus A gilt a⊕ b = b⊕ a.

3. Eine Halbgruppe 〈A,⊕〉 is regular, wenn die Abbildung ⊕ auf A dieKurzungsregel erfullt: fur alle a, b, c aus A folgt aus a⊕ b = c⊕ b, daß a = c.

Neben der Addition von Strahlungsenergie wird zur Definition eines Vek-torraums die skalare Multiplikation der spektralen Strahlungsverteilungen mitpositiven, reellen Faktoren benotigt. Diese Abbildung von R

+×A auf A wirdebenfalls komponentenweise definiert: (t ∗ a)(λ) = ta(λ). Experimentell kanndie Operation ∗ durch Filter realisiert werden, die alle spektralen Komponenteneiner Strahlung um den gleichen Faktor abschwachen. Bei elektronisch gesteuer-ten Strahlungsquellen, die kaltes Licht abgeben, kann die Operation ∗ oft durchdie Variation der Steuerspannung erzeugt werden, da die relativen Spektralver-teilungen dieser Lichtquellen in weiten Intensitatsbereichen konstant sind. Diesist etwa bei den Fluoreszenzstrahlungen der Phosphore eines Videobildschirmsder Fall. Die physikalische Abbildung ∗ von R

+×A auf A hat die Eigenschafteneiner Skalarmultiplikation, so daß 〈A,⊕, ∗〉 die strukturellen Eigenschaften eineskonvexen Kegels aufweist:

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Kapitel 1 Der Farbraum 5

Definition 1.2. Sei 〈A,⊕, ∗〉 eine kommutative, regulare Halbgruppe und ∗ einebinare Abbildung von R

+×A in A. Das Tripel 〈A,⊕, ∗〉 ist ein konvexer Kegel,wenn die Abbildung ∗ eine Skalarmultiplikation auf 〈A,⊕〉 ist: Fur alle a, b inA und alle positiven reellen Zahlen t, u gilt

1. t ∗ (a⊕ b) = t ∗ a ⊕ t ∗ b;2. (t+ u) ∗ a = t ∗ a⊕ u ∗ a;3. (tu) ∗ a = t ∗ (u ∗ a);4. 1 ∗ a = a.

Ein konvexer Kegel hat im wesentlichen die gleichen strukturellen Eigen-schaften wie ein reeller Vektorraum. Der Unterschied besteht lediglich darin, daßdie Halbgruppe 〈A,⊕〉 kein neutrales Element und keine inversen Elemente be-sitzt, und daß die Skalarmultiplikation nur fur positive reelle Zahlen definiert ist.Durch die Gultigkeit der Kurzungsregel fur die Operation ⊕ auf A×A laßt sichjedoch der konvexe Kegel 〈A,⊕, ∗〉 mit Hilfe geeigneter Definitionen isomorph ineinen reellen Vektorraum einbetten. Wir kommen auf diese Standardkonstruk-tion spater zuruck.

Zwischen den Reizen a in A und der Operation ⊕ auf A laßt sich—wie injeder Gruppe—eine besondere Verbindung herstellen, die wir spater an einigenStellen benotigen werden. Zu jedem a in A gibt es eine Transformation αa auf A,so daß die Menge dieser Transformationen zusammen mit der Komposition vonTransformationen eine zu 〈A,⊕〉 isomorphe Halbgruppe darstellt. Die Transfor-mationen αa lassen sich einfach folgendermaßen definieren: αa(b) = b ⊕ a. DieTransformation αa ist also die Addition der Strahlungsverteilung a. Die Opera-tion © der Transformationshalbgruppe besteht im Hintereinanderausfuhren derTransformation: (αa©αb)(c) = αa(αb(c)) = (c ⊕ b) ⊕ a. Die Assoziativitat undKommutativitat von ⊕ ubertragt sich auf die Komposition der Transformatio-nen. Der Isomorphismus zwischen der Menge A und der Menge der Transforma-tionen laßt sich besonders einfach konstruieren, wenn die Existenz einer Spek-tralverteilung θ(λ) angenommen wird, deren Wert uberall Null ist: θ(λ) = 0 furλ ∈ [380, 780]. Dann wird jedem a in A die Transformation αa(θ) zugeordnet,da αa(θ) = a.

1.1.2 Das Erzeugendensystem der Spektralreize

Fur praktische Anwendungen der Farbenlehre ist eine Eigenschaft der Farbreizevon besonderer Bedeutung, auf die bisher nicht explizit eingegangen wurde, dieaber aus der Vektorraum-ahnlichen Struktur folgt. Jeder Vektorraum besitzt einErzeugendensystem. Dies ist eine Teilmenge B ⊂ A derart, daß jedes a in A alsLinearkombination von Elementen aus B dargestellt werden kann:

a = (t1 ∗ b1) ⊕ · · · ⊕ (t|B| ∗ b|B|).

Ein minimales Erzeugendensystem ist eine Basis. Als Erzeugendensystem von〈A,⊕, ∗〉 konnen die monochromatischen Spektralreize betrachtet werden; sieenthalten im Idealfall nur Strahlungsenergie einer einzigen Wellenlange λ. Furdie meisten psychologischen Anwendungen konnen auch Farbreizfunktionen mitendlicher Bandbreite von 5 bis 10 nm als ,,monochromatisch“ betrachtet wer-den. Ein Erzeugendensystem des konvexen Kegels der Farbreize besteht dann ausetwa 40-80 Farbreizfunktionen. Wie bereits oben angedeutet, sind monochroma-tische Reize vor allem fur praktische Anwendungen von Bedeutung, was unteranderem daran liegt, daß sie durch zwei Zahlenangaben—die Wellenlange λ ihresEnergiemaximums und ihre Strahlungsenergie a(λ) an der Stelle λ—beschriebenwerden konnen, wahrend zur Beschreibung polychromatischer Strahlung in derRegel die vollstandige Farbreizfunktion anzugeben ist. Wir werden im folgendenfur einen monochromatischen Spektralreiz a(λ) mit einem Energiemaximum beider Wellenlange λ die Bezeichnung aλ benutzen.

Aus psychologischer Sicht sind monochromatische Reize in keiner Weise aus-gezeichnet, auch wenn ein großer Teil der experimentellen Arbeiten diesen Ein-druck vermittelt. Wir werden spater sehen, daß eine der wesentlichen Eigenschaf-ten der Farbwahrnehmung darin besteht, daß bestimmte Klassen von Farbreizen

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Kapitel 1 Der Farbraum 6

nicht unterscheidbar sind. Innerhalb einer solchen Klasse konnen monochroma-tische und polychromatische Reize enthalten sein. In diesem Fall sind fur keinenBetrachter die monochromatischen von den polychromatischen Reizen unter-scheidbar. Alle Reize in einer solchen Klasse haben unter allen Beobachtungs-bedingungen den gleichen psychologischen Effekt. Ein besonderes Hervorhebender Reaktionen auf monochromatische Reize ist deshalb nicht psychologischbegrundbar. In den psychologischen Experimenten, in denen die Diskriminationvon Strahlungen nicht direkt Gegenstand der Untersuchung ist, besteht deshalbauch kein besonderer Anlaß, mit monochromatischen Reizen zu arbeiten.

Die fur psychologische Untersuchungen hinreichenden strukturellen Eigen-schaften der Farbreize sind damit beschrieben. Sie bilden einen konvexen Kegel〈A,⊕, ∗〉, der aus der kommutativen, regularen Halbgruppe 〈A,⊕〉 und der Ska-larmultiplikation ∗ auf 〈A,⊕〉 besteht. Wir werden spater sehen, daß sich dieserkonvexe Kegel isomorph in einen reellen Vektorraum einbetten laßt. Man kanndaher auch vom Vektorraum der Farbreize sprechen. Topologische Eigenschaf-ten dieses Vektorraums werden wir nicht annehmen, da diese fur psychologischeExperimente nicht benotigt werden.

400 450 500 550 600 650 700 750

Wellenlange [nm]

0

20

40

60

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Abbildung 1.3. Farbgleiche Farbreizfunktionen. Alle hier dargestellten Farbreizfunk-

tionen sind fur den CIE Normalbeobachter farbgleich. Sie wurden aus dem Produkt

von bedingt metameren spektralen Reflexionsfunktionen (Wyszecki & Stiles, 1982, S.

190) und der spektralen Energieverteilung der Normlichtart D65 berechnet.

1.2 KONSTRUKTION DES FARBRAUMS

1.2.1 Aquivalenzklassen nicht unterscheidbarer Farbreize

Die erste und wichtigste Fragestellung der Psychophysik des Farbensehens ist,welche Farbreize unterscheidbar sind und welche nicht. Ihre besondere Bedeu-tung bekommt diese Fragestellung vor allem dadurch, daß die Form der spek-tralen Energieverteilung von Farbreizen nicht erkennen laßt, ob zwei Reize un-terscheidbar sind oder nicht. Wie Abbildung 1.3 zeigt, gibt es Farbreize mitsehr unterschiedlichen spektralen Energieverteilungen, die visuell nicht vonein-ander unterscheidbar sind. Die fur die Untersuchung der Unterscheidbarkeit vonFarbreizen ubliche Versuchsanordnung besteht aus einem kreisrunden Testfeld,das dem Beobachter foveal unter einem Sehwinkel von 2◦ erscheint. Dieses Test-feld befindet sich vor einem neutralen Umfeld mit einer Große von mindestens8◦, wie es in Abbildung 1.4 dargestellt ist. Ublicherweise erscheint das Umfeldunbunt. Das Testfeld ist halbiert. Von einer Halfte des Testfeldes gelangt die

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Kapitel 1 Der Farbraum 7

Strahlung a ins Auge des (monokular beobachtenden) Beobachters, von der an-deren Halfte die Strahlung b. Die Aufgabe des Beobachters ist, anzugeben, obdie beiden Halften des Testfeldes genau gleich aussehen oder nicht. Ein Krite-rium fur ,,gleich aussehen“ kann sein, daß zwischen beiden Halften des Testfeldeskeine Trennungslinie erkennbar ist.

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Abbildung 1.4. Die Anordnung der Reizfelder fur Experimente zur Farbreizdiskrimi-

nation. Der großere Kreis stellt das neutrale Umfeld dar, das unter einem Sehwinkel

von etwa 8◦ erscheint. Der innere Kreis enthalt die Testfelder, er erscheint unter ei-

nem Sehwinkel von 2◦. Als Kriterium fur ,,gleich aussehen“ wird in der Regel benutzt,

daß die Trennungslinie zwischen den beiden inneren Halbfeldern nicht mehr sichtbar

ist.

Urteile dieser Art erzeugen als Daten eine binare Relation ∼ auf der Menge Ader Farbreize. Wir schreiben ,,a ∼ b“ genau dann, wenn die Versuchsperson dieReize a und b nicht voneinander unterscheiden kann. Die wesentlichen Ergebnissevon experimentellen Untersuchungen der oben beschriebenen Art lassen sichdurch folgende Aussagen zusammenfassen:

1. Die Relation ∼ ist eine Aquivalenzrelation auf A.2. Die Relation ∼ ist invariant gegenuber additiver Mischung und3. gegenuber skalarer Multiplikation.

Definition 1.3. Sei 〈A,⊕, ∗〉 ein konvexer Kegel nach Definition 1.2 und ∼sei eine binare Relation auf A. 〈A,⊕, ∗,∼〉 ist eine Graßmann-Struktur, wennfolgende drei Bedingungen gelten:

1. Aquivalenz . Die Relation ∼ ist eine Aquivalenzrelation auf A:1.1. a ∼ a;1.2. wenn a ∼ b, dann ist b ∼ a;1.3. wenn a ∼ b und b ∼ c, dann ist a ∼ c.

2. Additive Invarianz. Die Relation ∼ auf A ist invariant gegenuber der Ope-ration ⊕: Fur alle a, b, c in A gilt a ∼ b genau dann, wenn a⊕ c ∼ b⊕ c.

3. Skalare Invarianz. Die Relation ∼ auf A ist invariant gegenuber der Ope-ration ∗: Fur alle a, b in A und alle positiven Skalare t gilt: wenn a ∼ b, dannist auch t ∗ a ∼ t ∗ b.Eine Graßmann-Struktur heißt eigentlich, wenn es in A keine Elemente a, b gibt,so daß a⊕ b ∼ a.

Die erste Bedingung ist im wesentlichen eine Anforderung an die Prazisionder experimentellen Anordnung und an die Genauigkeit der Urteile der Versuchs-person. Die wichtigste inhaltliche Eigenschaft einer Aquivalenzrelation ist dieTransitivitat: wenn a ∼ b und b ∼ c, dann ist auch a ∼ c. Diese Eigenschaft kannimmer dann falsifiziert werden, wenn nur sehr kleine Reizunterschiede vorliegen.Auch in der Farbwahrnehmung konnen solche Verstoße gefunden werden. Diesesind aber nicht wesentlich, da sie nur auf mangelhafte Unterscheidungsfahigkeit

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Kapitel 1 Der Farbraum 8

,,im kleinen“ zuruckzufuhren sind. Ein wesentliches Merkmal des Farbensehensist namlich, daß Transitivitatsverletzungen bei großen Reizunterschieden nichtauftreten, obwohl auch stark unterschiedliche Farbreizfunktionen, wie sie etwain Abbildung 1.3 dargestellt sind, ununterscheidbar sein konnen.

Die Invarianz der Relation ∼ gegenuber positiver, skalarer Multiplikationwird fur die Begrundung des Farbraums nur benotigt, um die Verwendung derreellen Zahlen als Koordinatenkorper begrunden zu konnen. Von Schrodinger(1920) wird sie deshalb auch nicht als psychologisch-empirische Bedingung be-trachtet. Bei Gultigkeit der additiven Invarianz stellt die skalare Invarianz keinewesentliche empirische Bedingung dar, da alle experimentell realisierbaren Mul-tiplikationsfaktoren durch rationale Zahlen hinreichend genau angegeben werdenkonnen. Gilt die additive Invarianz allerdings nicht, was bei einzelnen Farbat-tributen durchaus vorkommen kann, dann kann die skalare Invarianz durchauseine wichtige empirische Bedingung sein, aus der sich auch theoretische Konse-quenzen ableiten lassen. Wir werden spater bei der Betrachtung additiver undhomogener Funktionen darauf zuruckkommen.

In der deutschsprachigen Literatur werden Aquivalenzklassen bezuglich ∼nach Richter (1954) als ,,Farbvalenz“ bezeichnet (Scheibner, 1969), ein Begriff,der auch Eingang in die deutschen Normen gefunden hat (DIN 5033, Blatt 1).Nach Ostwald (1923) werden Reize a und b, fur die a ∼ b gilt, als ,,metamer“bezeichnet, wahrend Reize a und b mit identischer Strahlungsverteilung, fur diealso a = b gilt, als ,,isomer“ bezeichnet werden.1

Die Graßmann-Struktur ist durch die Aquivalenzrelation ∼ und ihre Inva-rianz gegenuber der Addition von Strahlungen und gegenuber Intensitatsande-rungen bestimmt. Die empirische Tatsache, daß physikalisch stark verschiedeneFarbreize als gleich aussehend wahrgenommen werden konnen, deutet auf einegegenuber dem Raum der Farbreize reduzierte Dimension des Raums der wahr-genommenen Farben hin.

Die Dimension des Farbraums laßt sich empirisch durch die Anzahl der exi-stierenden, linear unabhangigen Farbreize bestimmen. Aus der folgenden Fest-stellung ergibt sich, daß die Dimension des Farbraums kleiner als 4 ist: JedeMenge A von 4 Farbreizen laßt sich so in zwei disjunkte, nichtleere TeilmengenB und C zerlegen, daß eine Mischung der Reize in der einen Menge genausoaussieht, wie die Mischung der Reize in der anderen Menge: Es gibt also Skalaret1, . . . , t|B| und u1, . . . , u|C|, so daß fur b1, . . . , b|B| in B und c1, . . . , c|C| in Cmit A = B ∪ C gilt

(t1 ∗ b1) ⊕ · · · ⊕ (t|B| ∗ b|B|) ∼ (u1 ∗ c1) ⊕ · · · ⊕ (u|C| ∗ c|C|).

Daß die Dimension des Farbraums mindestens gleich 3 ist, folgt aus der Tatsache,daß es Mengen A mit drei Farbreizen gibt, fur die diese Bedingung bei normal-sichtigen Beobachtern nicht gilt. Aus beiden Bedingungen zusammen ergibt sichfur normalsichtige Beobachter ein dreidimensionaler Farbraum.

Definition 1.4. Sei 〈A,⊕, ∗,∼〉 eine Graßmann-Struktur nach Definition 1.3.Sie heißt m-chromatisch wenn folgende zwei Bedingungen gelten:

1. Fur alle a0, a1, . . . am in A gibt es positive, reelle Zahlen ti, ui mit 0 ≤i ≤ m, so daß fur mindestens ein i ti = ui und so daß gilt

(t0 ∗ a0) ⊕ · · · ⊕ (tm ∗ am) ∼ (u0 ∗ a0) ⊕ · · · ⊕ (um ∗ am).

2. Es gibt a1, . . . am in A, so daß fur alle positiven Zahlen ti, ui mit 1 ≤ i ≤ maus

(t1 ∗ a1) ⊕ · · · ⊕ (tm ∗ am) ∼ (u1 ∗ a1) ⊕ · · · ⊕ (um ∗ am)

folgt, daß fur alle i ti = ui.

1In der Literatur wird die Einteilung in ,,metamer“ und ,,isomer“ haufig als exklusiv be-trachtet, von metameren Reizpaaren wird gefordert, daß sie nicht isomer sind (Richter, 1987;Wyszecki & Stiles, 1982). Diese Definition von ,,metamer“ ist aber nicht mit der Relation ∼vertraglich, da eine Aquivalenzrelation immer reflexiv ist, aus a = b folgt also a ∼ b. IsomereReizpaare sollten daher auch als metamer betrachtet werden.

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Kapitel 1 Der Farbraum 9

Die hier benutzte abstrakte Darstellung verzichtet auf einige gelaufige Be-griffe aus der Farbenlehre, da diese eher experimentell-technischer Natur sindund fur die eigentliche Struktur des Farbensehens wenig Bedeutung haben. EinBeispiel fur einen solchen Begriff ist der der ,,uneigentlichen“ Farbenmischung.Dieser Begriff wird dann benotigt, wenn die Dimension des Farbraums durcheinen Satz wie ,,es gibt drei Reize a1, a2 und a3, so daß sich die Farbe jedes be-liebigen Reizes a aus ihnen ermischen laßt“ definiert werden soll. Da dieser Satzwortlich genommen falsch ist, wird das Konzept der ,,uneigentlichen“ Mischungeingefuhrt. Falls namlich die Aquivalenz

a ∼ (t1 ∗ a1) ⊕ (t2 ∗ a2) ⊕ (t3 ∗ a3)

nicht erzeugt werden kann, dann wird mit der Menge A = {a, a1, a2, a3} dieoben beschriebene Zerlegung mit den Teilmengen B = {a, a1} und C = {a2, a3}durchgefuhrt, so daß etwa die Aquivalenz

a⊕ (t1 ∗ a1) ∼ (t2 ∗ a2) ⊕ (t3 ∗ a3)

entsteht. Auch dies wird dann als ,,Mischung“ der Farbe von a betrachtet, stelltaber eigentlich nur eine ,,Farbgleichung“ dar.

1.2.2 Die Reprasentation von Farben

Die Definitionen 1.1 bis 1.4 stellen die wichtigste empirische Grundlage der Psy-chophysik des Farbensehens dar. Die folgenden Satze zeigt nun, daß die em-pirischen Eigenschaften der Farbreize und der psychologischen Aquivalenzrela-tion ∼ durch einen Vektorraum dargestellt werden konnen: den Farbraum. Dieersten Ansatze zu einer solchen Betrachtungsweise finden sich bereits in New-ton’s Schwerpunktkonstruktion zur Darstellung von Farbreizmischungen. Die er-ste formale Analyse der empirischen Grundlagen des Farbraums stammt vonGraßmann (1853). Die fur die Konstruktion hinreichenden, psychologischen An-nahmen Graßmann’s wurden von mehreren Autoren aufgegriffen und prazisiert(Schrodinger, 1920; Bouma, 1946; Scheibner, 1966). Die heute als wesentlichgeltenden, psychologischen Bedingungen wurden zuerst von Schrodinger (1920)exakt formuliert. Wir verwenden die Darstellung von Krantz (1975a; vgl. auchSuppes et al. 1989), da sie einerseits eine sehr sorgfaltige Trennung zwischenphysikalischen und psychologischen Begriffen erlaubt und andererseits die struk-turellen Merkmale des Farbraums besonders klar herausarbeitet.

Theorem 1.1. Sei 〈A,⊕, ∗,∼〉 eine Graßmann-Struktur nach Definition 1.3,dann gibt es einen Vektorraum 〈A∗,+, ·〉 uber dem Korper der reellen Zahlen,eine konvexe Teilmenge C in A∗ und eine Abbildung φ von A auf C, so daß furalle a, b in A, alle t in R

+ und alle x in A∗ gilt1. φ(a⊕ b) = φ(a) + φ(b);2. φ(t ∗ a) = t · φ(a);3. a ∼ b gdw. φ(a) = φ(b);4. es gibt c, d in A, so daß x = φ(c) − φ(d).

Ist φ′ eine Abbildung von A auf einen anderen konvexen Kegel C′ in einemVektorraum 〈A∗′,+′, ·′〉, die diese Bedingungen ebenfalls erfullt, dann gibt eseine nichtsingulare lineare Transformation T von A∗ auf A∗′, so daß T (C) = C′

und fur alle a in A, φ′(a) = T [φ(a)].

Theorem 1.2. Sei 〈A,⊕, ∗,∼〉 eine Graßmann-Struktur und 〈A∗,+, ·〉 der Vek-torraum aus Theorem 1.1. Der Vektorraum 〈A∗,+, ·〉 ist genau dann m-dimensional, wenn 〈A,⊕, ∗,∼〉 m-chromatisch (Def. 1.4) ist.

Der Vektorraum 〈A∗,+, ·〉 wird ublicherweise als ,,Farbraum“ bezeichnet.,,Farben“ sind hier im Sinne von Schrodinger (1920) Aquivalenzklassen nichtunterscheidbarer Farbreize. Den nichtnegativen Farbreizfunktionen aus A ist inA∗ eine konvexe Teilmenge C zugeordnet, der ,,Farbkegel“.

In der Literatur wird die Operation a⊕ b als ,,Farbenmischung“ bezeichnet.Wir benutzen diesen Ausdruck hier im allgemeinen nicht, da es sich bei ⊕ um eine

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Kapitel 1 Der Farbraum 10

Farbreizmischung handelt. Diese Operation durch einen Satz wie ,,Bei diesemVersuch addieren sich also zwei Farbeindrucke unmittelbar“ (Richter, 1987, S.704) zu beschreiben, stellt eine Verwechslung von Theorie und Empirie dar. DieVektoraddition im Farbraum ist ein theoretisches Konstrukt und selbst wennman die Punkte des Farbraums als ,,Farbempfindungen“ bezeichnet, kann voneiner ,,unmittelbaren“ Addition nicht die Rede sein. Jeder Reiz erzeugt nur eineeinzige dieser ,,Farbempfindungen“. Die Operation + auf A∗ ist eine formaleOperation mit deren Hilfe die ,,Farbempfindung“ φ(a⊕b) berechnet werden kann,die der Reiz a⊕ b erzeugt, wenn die ,,Farbempfindungen“ φ(a) und φ(b), die vona und b erzeugt werden, bekannt sind.

Fur die Dimension des Farbraums ist allein die Zahlm aus Definition 1.4 aus-schlaggebend. Diese zeigt auch, daß als ,,Basis-Reize“ des Vektorraums ein belie-biges Tripel (a1, a2, a3) benutzt werden kann, mit der einzigen Einschrankung,daß a1, a2, a3 nicht linear abhangig sein durfen. D.h. das Tripel (a1, a2, a3) kannnur dann Basis des dreidimensionalen Farbraums sein, wenn es Bedingung 2 ausDefinition 1.4 erfullt.

Farbreize, die diese Bedingung erfullen, werden ,,Primarreize“ genannt2. We-gen Bedingung 1 aus Definition 1.4 kann fur ein Primarreiztripel (a1, a2, a3) undeinen beliebigen Farbreiz a folgende ,,Farbgleichung“ aufgestellt werden:

(t∗a)⊕(t1∗a1)⊕(t2∗a2)⊕(t3∗a3) ∼ (u∗a)⊕(u1∗a1)⊕(u2∗a2)⊕(u3∗a3). (1.1)

Der Faktor t soll hier von u verschieden sein, da sich diese ,,Gleichung“ sonstauf den trivialen Fall ti = ui fur alle i = 1, 2, 3 von Definition 1.4, Bedingung 2reduziert. Damit kann wegen der ,,Rechenregeln“ aus Definition 1.3 geschriebenwerden

a ∼ (v1 ∗ a1) ⊕ (v2 ∗ a2) ⊕ (v3 ∗ a3), (1.2)

mit vi = (ui − ti)/(t− u).Aus den drei Primarreizen kann also mit entsprechenden Intensitatsfakto-

ren ein Farbreiz gemischt werden, der mit a gleichfarbig ist. Die Einschrankunghierbei ist, daß die vi positiv sind. Um im Fall negativer vi die Diskussion die-ser ,,uneigentlich“ genannten Farbreizmischung zu vermeiden, wurde die obigeForm von Definition 1.4 gewahlt. Bedingung 1 sichert, daß die Dimension desVektorraums kleiner als 4 ist, da alle Quadrupel (a0, . . . , a3) ,,linear abhangig“sind, wahrend Bedingung 2 die Dimension auf mindestens 3 fixiert.

Die ,,Gleichungen“ (1.1) und (1.2) sind dazu geeignet, einen konstruktivenBeweis von Theorem 1.1 zu geben: Definiert man mit fest gewahlten (a1, a2, a3)fur alle a die Abbildung φ mit φ(a) = (v1, v2, v3) wie in Gleichung (1.2), so laßtsich leicht zeigen, daß eine solche Abbildung φ Theorem 1.1 erfullt.

Der Beweis von Theorem 1.1 von Krantz (1975a) verzichtet auf die direkteKoordinatenkonstruktion, sondern zeigt, daß die Vektorraumeigenschaft des Farb-raums im wesentlichen durch die additive und skalare Invarianz der Aquivalenz-relation ∼ begrundet ist. Dieser Beweis ist besonders deshalb interessant, weiler es ermoglicht, die Frage nach der Vektorraumstruktur von der Frage der Di-mensionalitat zu trennen. Diese wird allein durch Definition 1.4 bestimmt. Da-durch wird es moglich, die gleichen Bedingungen auch bei der Definition vonUnterraumen, wie etwa dem Farbraum eines Dichromaten, zu verwenden.

Da wir spater diesen Beweis benotigen werden, soll er hier kurz skizziertwerden. Eine ausfuhrliche Darstellung ist in Suppes, Krantz, Luce und Tversky(1989, Kap. 15) zu finden. Das wesentliche Problem dabei ist die Konstruktioneiner Gruppe aus einer kommutativen, regularen Halbgruppe. Es muß ein neu-trales Element und es mussen Inverse definiert werden. Zu diesem Zweck wirdauf ,,Differenzen“ der Elemente aus A eine Aquivalenzrelation definiert: Sei ≈

2Gelegentlich liest man fur solche Reize auch die Bezeichnung ,,Primarfarben“, aber es istklar, daß es sich dabei um eine Verwechslung von Reiz und Empfindung handelt. Als Tripel von,,Primarfarben“ kann nur das Tripel (φ(a1), φ(a2), φ(a3)) bezeichnet werden. Haufig wird auchauf einzelne Reize ai die Bezeichnung ,,Primarfarbe“ angewandt: ,,Rot ist eine Primarfarbe“.Dabei wird aber außer acht gelassen, daß von einem einzelnen Reiz nicht entscheidbar ist, obes sich dabei um einen Primarreiz handelt oder nicht, da diese Eigenschaft immer nur fur einTripel von Reizen feststellbar ist.

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Kapitel 1 Der Farbraum 11

eine binare Relation auf A×A fur die gilt

(a, b) ≈ (c, d) gdw. a⊕ d ∼ c⊕ b. (1.3)

Die Relation ≈ ist eine Aquivalenzrelation auf A×A. Reflexivitat und Symmetriefolgen direkt aus den Eigenschaften von ∼. Transitivitat folgt aus Definition 1.3und der Assoziativitat und Kommutativitat der Operation ⊕: Gilt (a, b) ≈ (c, d)und (c, d) ≈ (e, f), dann folgt

(a⊕ d) ⊕ (c⊕ f) ∼ (c⊕ b) ⊕ (c⊕ f)

∼ (c⊕ f) ⊕ (c⊕ b)

∼ (e⊕ d) ⊕ (c⊕ b)

∼ (e⊕ b) ⊕ (c⊕ d).

Da aber (a⊕d) ⊕ (c⊕f) gleich (a⊕f) ⊕ (c⊕d) ist, folgt daraus (a⊕f) ∼ (e⊕b)und damit (a, b) ≈ (e, f).

Sei nun A∗ = (A×A)/≈ die Menge der Aquivalenzklassen bezuglich ≈. [a, b]sei die Aquivalenzklasse, die (a, b) enthalt. Die Vektoraddition wird dann kom-ponentenweise definiert:

[a, b] + [c, d] := [a⊕ c, b⊕ d].

Die Operation + ist wohldefiniert, denn eine Uberlegung ahnlich der zur Transi-tivitat von ≈ zeigt, daß aus (a, b) ≈ (a′, b′) und (c, d) ≈ (c′, d′) folgt (a⊕c, b⊕d) ≈(a′ ⊕ c′, b′ ⊕ d′). Das Paar 〈A∗,+〉 ist eine kommutative Gruppe. Das neutraleElement ist [a, a] fur beliebige a aus A, das Inverse −[a, b] zu [a, b] ist [b, a].

Die Skalarmultiplikation · kann fur alle reellen Zahlen t in folgender Weisedefiniert werden:

t · [a, b] :=

⎧⎪⎪⎨⎪⎪⎩

[t ∗ a, t ∗ b], falls t > 0

[a, a], falls t = 0

[(−t) ∗ b, (−t) ∗ a], falls t < 0.

Damit ist 〈A∗,+, ·〉 ein Vektorraum uber den reellen Zahlen. Um die Abbildungφ von A nach A∗ zu erhalten, wird definiert

φ(a) = [a⊕ e, e],

wobei e irgend ein festes Element aus A ist. Diese Definition ist unabhangig vone, denn fur alle e, e′ aus A gilt

[a⊕ e, e] = [a⊕ e′, e′] gdw. (a⊕ e, e) ≈ (a⊕ e′, e′)

gdw. (a⊕ e) ⊕ e′ ∼ (a⊕ e′) ⊕ e

gdw. a⊕ (e⊕ e′) ∼ a⊕ (e⊕ e′).

Damit ist leicht zu zeigen, daß φ die Bedingungen 1 bis 4 von Theorem 1.1erfullt. Bedingung 4 gilt, da x = [c, d] = φ(c) − φ(d). Der konvexe Kegel C seiC = {φ(a) | a ∈ A}.

Sind sowohl φ als auch φ′ Homomorphismen von A in Vektorrame 〈A∗,+, ·〉und 〈A∗′,+′, ·′〉 bzw. auf konvexe Kegel C und C′ in diesen Vektorraumen, wiein Theorem 1.1 verlangt, so kann die Transformation T einfach durch T ([a, b]) =φ′(a) −′ φ′(b) definiert werden. T ist wohldefiniert und eineindeutig, denn

[a, b] = [a′, b′] gdw. a⊕ b′ ∼ a′ ⊕ b

gdw. φ′(a⊕ b′) = φ′(a′ ⊕ b)

gdw. φ′(a) +′ φ′(b′) = φ′(a′) +′ φ′(b)gdw. T ([a, b]) = T ([a′, b′]).

Es ist leicht zu zeigen, daß T linear und damit ein Vektorraum-Homomorphismusvon A∗ auf A∗′ ist. Der konvexe Kegel C wird von T auf den konvexen Kegel C′

abgebildet.

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Kapitel 1 Der Farbraum 12

Die Dimension des Vektorraums 〈A∗,+, ·〉 ergibt sich, wenn die Aquivalenzenaus Definition 1.4 mit Hilfe der Bedingungen 1 bis 4 von Theorem 1.1 in dieentsprechenden Gleichungen ubersetzt werden. Es folgt dann, daßm+1 Elementeaus C linear abhangig sind, so daß die Dimension von 〈A∗,+, ·〉 hochstens mist. Die Dimension ist aber mindestens gleich m, da wegen Bedingung 2 vonDefinition 1.4 mindestens m linear unabhangige Elemente in C existieren. DieDimension von 〈A∗,+, ·〉 ist deshalb genau gleich m.

1.2.3 Konvexitat und lineare Abbildungen

Wie oben angedeutet, ist nicht nur die Menge A der Farbreize ein konvexer Kegelim Sinne von Definition 1.2, sondern auch die Bilder der Farbreize in A∗ stelleneinen konvexen Kegel dar: Schreiben wir zur Vereinfachung der Darstellung a∗ =φ(a) fur das Bild eines Reizes a aus A in A∗, dann ist C = {a∗ | a ∈ A} die Mengeder Bilder von Farbreizen aus A. C ist ein Kegel, denn fur alle a∗ aus C ist auchka∗ mit k > 0 in C: wenn a ∈ A, dann ist auch k ∗ a ∈ A und (k ∗ a)∗ = ka∗.Der Kegel C ist konvex: fur alle a∗, b∗ aus C, k ∈ [0, 1] ist auch (ka∗ +(1−k)b∗)in C. Sei a∗ und b∗ in C, dann sind (k ∗ a)∗, ((1 − k) ∗ b)∗ und deren Summe inC. Sei C0 eine konvexe Teilmenge der konvexen Menge C, so daß mit 0 < k < 1fur x = ka∗ + (1 − k)b∗ aus x ∈ C0 folgt, daß sowohl a∗, als auch b∗ in C0 sind,dann heißt C0 Oberflache der konvexen Menge C. Eine Kante Ca von C ist eineOberflache, fur die ein Punkt a∗ existiert, so daß aus x ∈ Ca folgt, x = ka∗ furk > 0.

Ein Vektorraum-Homomorphismus bildet konvexe Teilmengen wieder in kon-vexe Teilmengen ab. Dies folgt einfach daraus, daß die konvexen Teilmengendurch die Vektorraum-Operationen + und · definiert sind und diese von Ho-momorphismen ubertragen werden. Das gleiche gilt fur Oberflachen, auch diesewerden in Oberflachen abgebildet. Der konvexe Kegel der Farbreize wird daherin einen konvexen Kegel im Farbraum abgebildet. Die monochromatischen Spek-tralreize stellen Oberflachen bzw. Kanten des konvexen Kegels der Reize dar undihre Bilder sind deshalb auch im Farbraum 〈A∗,+, ·〉 Oberflachen des Bildkegels.Da jede von den Kanten zweier Spektralreize aufgespannte Oberflache auch in Cliegt, kann der Kegel C nur durch Bilder von Kanten oder aus ihnen gebildetenOberflachen begrenzt sein. Eine Oberflache von C wird durch die Bilder der bei-den extremen Spektralreize a380 und a780 gebildet, ihre Darstellung in der Ebenewird ,,Purpurlinie“ genannt. Abbildung 1.6 auf Seite 19 zeigt eine solche Dar-stellung, die als Schnitt durch den Kegel der Farbreize aufgefaßt werden kann.Monochromatische Spektralreize aλ mit Wellenlangen unter ca. 545 nm erzeugenauch in 〈A∗,+, ·〉 Kanten von C. Die Bilder a∗545 und a∗780 der Spektralreize mitden Wellenlangen von 545 und 780 nm spannen im Farbraum eine Oberflachevon C auf, die nicht nur die Bilder aller Spektralreize mit Wellenlangen zwischen545 und 780 nm sondern auch deren Mischungen enthalt.

Die Konvexitat der Teilmenge C in A∗ und die Tatsache, daß C durch dieBilder von Spektralreizen begrenzt wird, ist also eine Folge physikalischer Eigen-schaften der Reize, namlich der Konvexitat der Menge der Farbreize, die durchdie lineare Invarianz der Aquivalenzrelation ∼ in den Farbraum ubertragen wird.Als Begrundung fur uber die Vektorraumstruktur des Farbraums hinausgehende,psychologische Aussagen ist sie nicht geeignet, da sie keinen psychologischenGehalt hat, der nicht bereits durch die Relation ∼ erfaßt ware. Gudder (1977)benutzt die Konvexitat der Einbettung der Farbreize in A∗ als Ausgangspunktzu einer Axiomatisierung des Farbraums als konvexe Struktur. Als Primitivadienen dabei die konvexe Mischung von Farbreizen und eine Aquivalenzrelation,die im wesentlichen die gleichen Eigenschaften hat wie die Relation ∼. Wir ge-hen hier nicht weiter auf diese Axiomatisierung ein, da sie gegenuber der hiervorgestellten keine Vorteile bietet.

1.2.4 Empirische Gultigkeit

Die empirischen Bedingungen von Definition 1.3 konnen unter den angegebenenBeobachtungsbedingungen (2◦ Testfeld, neutrales Umfeld, foveales Sehen) alsaußerordentlich gut validiert gelten (Brindley, 1970; Wyszecki & Stiles, 1982).

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Kapitel 1 Der Farbraum 13

Eine Anderung der Beobachtungsbedingungen fuhrt nicht in jedem Fall zu Ver-letzungen dieser Bedingungen, auch wenn die Meßergebnisse dabei anders aus-fallen konnen. Solche Veranderungen der Meßergebnisse konnen etwa bei einerVergroßerung des Testfeldes von 2◦ auf 10◦ durch die individuell sehr unter-schiedliche Gelbfarbung der Augenmedien im fovealen Bereich auftreten. Bei ei-ner weiteren Vergroßerung des Testfeldes oder einer Verlagerung des Testfeldesin den parafovealen oder gar den peripheren Bereich des Gesichtsfeldes konnendurch zunehmende Beteiligung der Stabchen am Sehvorgang Verletzungen derBedingungen von Definition 1.3 oder auch der Dimensionsbedingungen von De-finition 1.4 auftreten.

Wie bei jedem linearen System konnen auch beim Farbensehen durch zugroße oder zu kleine Intensitaten Verletzungen der Linearitat auftreten. AlsUntergrenze fur rein (Zapfen-vermitteltes) photopisches Sehen und damit furlineares Farbensehen sind Reizintensitaten von etwa 10 cd/m2 anzusehen. Zuhohe Intensitaten fuhren zu einer starken Reduktion der Diskriminationsleistung,Strahlungen extrem hoher Intensitat werden als unbunt wahrgenommen, was zuVerletzungen der skalaren Invarianz fuhrt.

Das Umfeld in der Anordnung von Abbildung 1.4 kann zwar die wahrge-nommene Farbe des Testreizes betrachtlich verandern, hat aber keinen Einflußauf die Gultigkeit der Farbgleichungen, sie sind davon unabhangig. Wir werdendarauf in Kapitel 3 zuruckkommen.

Die Aquivalenzen der Relation ∼ durfen nicht uberinterpretiert werden. Siegeben keine Auskunft uber die Farbe im Sinne der Farbnamen ,,Rot“ oder,,Grun“, sondern bedeuten nur, daß zwei Farbreize, wenn sie in der Relation∼ enthalten sind, nicht unterscheidbar sind. Diese Interpretation kann nochverstarkt werden: Gilt fur zwei Farbreize a und b, die Aquivalenz a ∼ b, dannsind diese beiden Reize unter keinen Umstanden voneinander unterscheidbar.Der Reiz a kann dann in jedem Kontext durch den Reiz b ersetzt werden, ohnedaß dies von einer Versuchsperson festgestellt werden kann. Die beiden Reizesind visuell identisch.3 Wir werden spater bei der Behandlung von Farbattribu-ten noch sehen, daß gerade darin ein ganz wesentlicher Gewinn der Graßmann-Struktur steckt. Das Prinzip der visuellen Substituierbarkeit ermoglicht es derFarbenlehre, alle theoretischen Uberlegungen im Farbraum statt im wesentlichkomplexeren Raum der Farbreizfunktionen darzustellen. Alles was es uber eineAquivalenzklasse (im Sinne von ∼) farbgleicher Reizen zu sagen gibt, gilt furalle Reize in der Aquivalenzklasse in genau der gleichen Weise, da das visuelleSystem keine Moglichkeit hat, die einzelnen Elemente dieser Aquivalenzklassevoneinander zu unterscheiden.

Die gleichen Einschrankungen fur die psychologische Interpretation von Punk-ten im Farbraum gelten auch fur Linien und andere Teilmengen. Punkten aufeiner Geraden im Farbraum kann im Rahmen der Graßmann-Struktur kein ge-meinsames, visuelles Attribut zugeordnet werden. Es gibt also keine ,,Geradenkonstanten Farbtons“ oder ahnlich bestimmte Teilmengen, die durch visuelleAttribute ausgezeichnet sind. Wir werden erst in Kapitel 2 darauf eingehen,wie Teilmengen des Farbraums visuelle Attribute zugeordnet werden konnen.In jedem Fall sind dazu neue Daten notwendig. Mit der Aquivalenzrelation ∼konnen Linien nur im Sinne der in Abschnitt 1.2.3 dargestellten Operation derkonvexen Mischung interpretiert werden. Eine durch die Endpunkte a∗ und b∗

definierte Strecke im Farbkegel enthalt alle Farben, die durch konvexe Kombi-nation aus den Reizen a und b ermischt werden konnen. Selbst wenn a∗ undb∗ den gleichen Farbton haben, dann bedeutet das nicht, daß auch die Punkteauf der Verbindungsgeraden von a∗ und b∗ den gleichen Farbton haben mussen:,,gleichen Farbton Haben“ ist in der Graßmann-Struktur nicht definiert.

Die Definition von ,,Farbe“ als ,,Aquivalenzklasse farbgleicher Reize“ wurde,wie oben erwahnt, bereits von Schrodinger (1920) vorgeschlagen. Sie ist weder

3Eine derart starke Interpretation der Relation ∼ als ,,kontextunabhangige visuelle Substi-tuierbarkeit“ gilt allerdings nicht uneingeschrankt. So konnen etwa die Abbildungsfehler desoptischen Systems ,,Auge“ Unterscheidungen ermoglichen, auch wenn dies dann keine Unter-scheidungen aufgrund der Farbe, sondern aufgrund anderer Reizmerkmale, etwa raumlicher,sind.

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Kapitel 1 Der Farbraum 14

tautologisch, noch versucht sie, den Begriff ,,Farbe“ auf Physikalisches zuruck-zufuhren. Das Vorkommen von ,,farbgleich“ im Definiendum fuhrt nicht zu einerTautologie, da es unabhangig von ,,Farbe“ durch die (empirische) Relation ∼definiert ist.4 ,,Farbe“ als ,,Menge von Farbreizen“ ist auch keine physikalischeReduktion, da eben eine Menge von . . . etwas grundsatzlich anderes ist, als dieElemente dieser Menge.5 Farben sind damit von Farbreizen grundsatzlich ver-schieden. ,,Menge farbgleicher Reize“ ist ein psychologischer Begriff, da die Zerle-gung der Farbreize in Farben allein aufgrund von Verhaltensdaten von Versuchs-personen geschenen kann, fur die eine unmittelbare Beobachtung der Reize not-wendig ist. Psychologische Daten wie die Relation ∼ werden von physikalischenDaten wie die Relation = dadurch unterschieden, daß fur die psychologischen Da-ten eine unmittelbare Beobachtung durch die Versuchsperson vorausgesetzt ist,wahrend zur Gewinnung physikalischer Daten mittelbare Beobachtungen, etwamit Hilfe eines Meßgerates, erlaubt sind.

1.3 FARBKOORDINATEN

Theorem 1.1 zeigt die Vektorraumstruktur der Farben in abstrakter Weise.〈A∗,+, ·〉 ist zwar ein Vektorraum uber dem Korper R der reellen Zahlen, dieReprasentation φ is aber fur praktische Zwecke unbrauchbar, da sie keine Koor-dinaten angibt. Ein Koordinatensystem eines m-dimensionalen Vektorraums A∗

bezuglich einer Basis (a∗1, . . . , a∗m) ist eine isomorphe Abbildung K von Rm auf

A∗, mit K(x1, . . . , xm) = x1a∗1+ · · · +xma

∗m. Der Vektor (κ1(a∗), . . . , κm(a∗)) =

K−1(a∗) heißt Koordinatenvektor von a∗. Aufgrund der Definition gilt fur ihna∗ = κ1(a∗)a∗1 + · · · + κm(a∗m). Da jeder m-dimensionale Vektorraum 〈A∗,+, ·〉isomorph zu 〈Rm,+, ·〉 ist, kann man mit Theorem 1.1 immer eine Reprasenta-tion einer m-dimensionalen Graßmann-Struktur in 〈Rm,+, ·〉 konstruieren. Wirbetrachten im folgenden Abschnitt eine Konstruktion, die Koordinaten im Far-braum liefert.

1.3.1 Konstruktion im Mischungsexperiment

Zur Konstruktion von Koordinaten sucht man ein Primarreiztripel (a1, a2, a3),also Farbreize, die der Bedingung 2 von Definition 1.4 genugen. Die Bilder dieserReize im Farbraum sind linear unabhangig. Zwischen ihnen kann von normalsich-tigen Personen keine Farbgleichung hergestellt werden, d.h. es gibt keine Skalareti, tj , tk, so daß

(ti ∗ ai) ⊕ (tj ∗ aj) ∼ (tk ∗ ak)

fur i, j, k = 1, 2, 3.Ist das Primarreiztripel (a1, a2, a3) festgelegt, dann konnen fur jeden Farbreiz

a die Koordinaten von φ(a) bezuglich (a1, a2, a3) konstruiert werden. Zu diesemZweck werden Skalare t1, t2, t3 gesucht, so daß sich durch Zerlegung der MengeB = {b, t1 ∗ a1, t2 ∗ a2, t3 ∗ a3} in zwei disjunkte Teilmengen B1 und B2 eineAquivalenz der Form ⊕

x∈B1

x ∼⊕y∈B2

y (1.4)

ergibt. Haufig wird die Zerlegung von B zu einer Aquivalenz der Form

a ∼ (t1 ∗ a1) ⊕ (t2 ∗ a2) ⊕ (t3 ∗ a3) (1.5)

fuhren. Als Koordinatenvektor κ(φ(a)) wird dann das Tripel (t1, t2, t3) benutzt.Zur Vereinfachung schreiben wir statt κ(φ(a)) einfach: κ(a) = (t1, t2, t3). Ergibtsich fur eine Zerlegung von B in der Form (1.5) keine Aquivalenz, so kann siedie Form

a⊕ (t1 ∗ a1) ∼ (t2 ∗ a2) ⊕ (t3 ∗ a3). (1.6)

4Diese Art der Definition ist vollkommen analog zur Definition von ,,Zahl“ durch ,,gleich-zahlige Mengen“, oder von ,,Parallele“ durch ,,Gerade gleicher Richtung“.

5Man kann sich dies am einfachsten an der leeren Menge ∅ klar machen, sie enthalt nichts.Die Menge {∅} dagegen, enthalt etwas, namlich eine Menge. Die Menge ∅ ist also wesentlichverschieden von dem, was sie enthalt.

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Kapitel 1 Der Farbraum 15

annehmen. In diesem Fall wird die Farbgleichung durch Mischen des Zielreizesa mit der Komponente (t1 ∗ a1) erzeugt. Das Skalar t1 geht dann in den Koor-dinatenvektor κ(a) mit negativem Vorzeichen ein: κ(a) = (−t1, t2, t3). Diese Artder Mischung wird in der Literatur uneigentliche Farbenmischung genannt.

Die Konstruktion von Farbkoordinaten nach der beschriebenen Methode istfur jedes Tripel von Primarreizen (a1, a2, a3) und fur jeden beliebigen Farbreiza immer moglich. Dies folgt aus Bedingung 1 von Definition 1.4, denn danachgibt es zu a, a1, a2, a3 die Skalare u0, . . . , u3 und v0, . . . , v3, so daß

(u0 ∗a)⊕(u1∗a1)⊕(u2 ∗a2)⊕(u3 ∗a3) ∼ (v0 ∗b)⊕(v1 ∗a1)⊕(v2 ∗a2)⊕(v3 ∗a3).(1.7)

Um einen Trivialfall zu vermeiden, nehmen wir an, daß u0 = v0. Mit Hilfe derin den Definitionen 1.2 bis 1.3 enthaltenen Bedingungen ist es moglich, Bezie-hung (1.7) in eine der Formen (1.5) oder (1.6) bringen. Das Ergebnis sind danndie Koordinaten ti = (vi − ui)/(u0 − v0), wobei negative Werte fur ti dadurchvermieden werden konnen, daß (1.7) in die Form (1.6) statt in die Form (1.5)uberfuhrt wird.

Die Konstruktion der Farbkoordinaten ist fur normalsichtige Versuchsperso-nen auch eindeutig. Dies folgt aus Bedingung 2 von Definition 1.4, bzw. aus denVektorraumeigenschaften der Graßmann-Struktur. Die Losung einer Gleichungder Form

φ(a) + t1φ(a1) + t2φ(a2) + t3φ(a3) = 0

ist namlich eindeutig, wenn die Vektoren φ(a1), φ(a2) und φ(a3) linear un-abhangig sind. Da dies durch die Auswahl von Reizen a1, a2, a3, die Bedingung2 von Definition 1.4 erfullen, garantiert ist, folgt daraus, daß diese Konstrukti-onsmethode fur jeden Vektor φ(a) eindeutige Koordinaten ergibt.

Damit kann jedem Vektor φ(a) aus dem konvexen Kegel C im Farbraum,ein Koordinatentripel κ(a) zugeordnet werden. Die Ausdehnung auf beliebigePunkte a auch außerhalb von C ist wegen Bedingung 4 von Theorem 1.1 durchκ[φ(a)] = κ[φ(c) − φ(d)] moglich.

Es laßt sich sehr einfach zeigen, daß diese Zuordnung von Koordinaten gleich-zeitig eine homomorphe Abbildung der Graßmann-Struktur 〈A,⊕, ∗,∼〉 in denreellen Vektorraum 〈R3,+, ·,=〉 darstellt. Fur jeden Reiz konnen damit Farbko-ordinaten konstruiert, und die homomorphe Abbildung κ: A → R

3 kann als psy-chophysische Funktion aufgefaßt werden. Eine Besonderheit dieser psychophysi-schen Funktion ist, daß ihre Werte Vektoren sind, da die Farbstruktur mehrdi-mensional ist. Die Vektoren κ(a) sind jedoch eine echte Reprasentation der Farb-struktur, sie erfullen die Reprasentationsbedingungen von Theorem 1.1. Fur siegilt also: a ∼ b gdw. κ(a) = κ(b), κ(a⊕ b) = κ(a)+ κ(b) und κ(t ∗ a) = tκ(a).

Mit (a1, a2, a3) als Primarreiztripel sind φ(a1), φ(a2) und φ(a3) die Basis-vektoren des so konstruierten Farbraums und deren Koordinatenvektoren habendie Werte κ(a1) = (1, 0, 0), κ(a2) = (0, 1, 0) und κ(a3) = (0, 0, 1), wovon mansich leicht durch Einsetzen der Reize a1, a2, und a3 als Zielreiz a in Gleichung(1.5) uberzeugen kann.

1.3.2 Vereinfachungen durch die Struktur des Farbraums

Die Konstruktion von Farbkoordinaten ist, so wie sie hier beschrieben wurde,allerdings sehr aufwendig, da die Menge A der moglichen Farbreize unendlichviele Elemente enthalt. Will man fur beliebige Reize vorhersagen, ob sie voneiner Versuchsperson unterscheidbar sind oder nicht, so mussen fur alle mogli-chen Reize Koordinaten bestimmt werden. Dies ist praktisch nicht fur alle Reizemoglich, da der zeitliche Aufwand zu groß ware.

Die Losung dieses Problems ergibt sich daraus, daß die strukturellen Ei-genschaften des Farbraums fur die Koordinatenkonstruktion ausgenutzt werden.Angenommen, man hat fur einen Reiz a die Koordinaten κ(a) bestimmt. Aus derReprasentationsbedingung 2 von Theorem 1.1 folgt dann fur einen Reiz u∗a, daßκ(u∗a) = uκ(a). Ist κ(a) = (t1, t2, t3), dann ist also κ(u∗a) = (ut1, ut2, ut3). DieReize a und u ∗ a unterscheiden sich nur durch den Intensitatsfaktor u. Dies be-deutet, daß man aus den Koordinaten eines Reizes a mit bestimmter spektraler

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Kapitel 1 Der Farbraum 16

Zusammensetzung die Koordinaten aller Reize u ∗ a mit der gleichen relativen,spektralen Zusammensetzung erhalten kann. Fur jede relative spektrale Ener-gieverteilung a muß daher nur eine einzige Aquivalenz der Form (1.4) empirischhergestellt werden. Die Koordinaten aller Reize u ∗ a, die die gleiche relative,spektrale Energieverteilung haben wie a, konnen durch skalare Multiplikationmit dem Intensitatsfaktor u gewonnen werden.

Durch die Additivitat ist eine weitere Vereinfachung der Koordinatenkon-struktion moglich. Sind die Koordinaten κ(a) und κ(b) zweier Farbreize a und bbekannt, dann ergeben sich aus diesen aufgrund der Reprasentationsbedingung1 von Theorem 1.1 die Koordinaten von a⊕ b einfach durch κ(a) + κ(b).

Die Linearitatseigenschaften des Farbraums werden bei der praktischen Kon-struktion von Farbkoordinaten in folgender Weise benutzt: Sei a der Reiz, dessenFarbkoordinaten bestimmt werden sollen. Ferner seien a1, . . . , an Farbreize, de-ren Farbkoordinaten κ(a1), . . . , κ(an) bereits bekannt sind und die mit bestimm-ten Intensitatsfaktoren t1, . . . , tn zusammengemischt den Reiz a ergeben:

a = (t1 ∗ a1) ⊕ . . .⊕ (tn ∗ an).

Der Reiz a ist also eine Mischung der Reize a1,. . . , an, wobei die einzelnen Kom-ponenten a1, . . . , an mit den Intensitatsfaktoren t1, . . . , tn in der Mischung ver-treten sind. Da die Farbkoordinaten von a1, . . . , an bekannt sein sollen, ergibtsich:

κ[(t1 ∗ a1) ⊕ . . .⊕ (tn ∗ an)] = κ(t1 ∗ a1) + . . .+ κ(tn ∗ an)

= t1κ(a1) + . . .+ tnκ(an).

Da aber (t1 ∗ a1) ⊕ . . .⊕ (tn ∗ an) mit a identisch ist, erhalten wir

κ(a) = t1κ(a1) + . . .+ tnκ(an).

Fur die praktische Verwendung dieses Konstruktionsverfahrens sind zunachstReize a1, . . . , an auszuwahlen, deren Koordinaten direkt experimentell bestimmtwerden mussen. Die Reize a1, . . . , an wird man so auswahlen, daß sich alle mogli-chen Farbreize als Mischung von a1, . . . , an in geeigneter Dosierung erzeugen las-sen. Man benutzt dafur das in Abschnitt 1.1.2 beschriebene Erzeugendensystemmonochromatischer Spektralreize. Fur praktische Anwendungsfalle reichen etwa80 Komponenten aus, um jeden Farbreiz zu erzeugen. Als Komponenten wer-den schmalbandige Reize benutzt, wobei die Maxima der einzelnen Reize einenAbstand von 5 nm haben. Der Wellenlangenbereich von 380 bis 780 nm wird inIntervalle der Breite 5 nm geteilt. Jedem Intervall wird ein Reiz aλ zugeordnet,dessen Spektrum sehr schmalbandig ist (etwa 5 nm breit) und das Maximum beider Wellenlange λ hat. Die Strahlungsenergie aller Reize wird auf den gleichenWert gesetzt. Man nennt die Mischung einer solchen Menge von Farbreizen einauf der Basis der Wellenlange energiegleiches Spektrum. Die Intensitatsfaktoren,die man benotigt, um einen Reiz a durch Mischung aus den monochromatischenKomponenten aλ zu erzeugen, werden mit Pa(λ) bezeichnet:

a = Pa(380) ∗ a380 ⊕ · · · ⊕ Pa(780) ∗ a780, (1.8)

Die Menge der Werte Pa(λ) mit λ = 380, . . . , 780, ∆λ = 5 nm ist die Farbreiz-funktion des Reizes a. Gleichung (1.8) kann durch

a =780⊕

λ=380

Pa(λ) ∗ aλ, ∆λ = 5 nm. (1.9)

abgekurzt werden.Die Farbkoordinaten jedes Reizes aλ werden durch ein Mischungsexperiment

mit Hilfe der Aquivalenz (1.4) bestimmt. Das Ergebnis sind Koordinaten κ(aλ)fur alle Reize aλ mit λ = 380, . . . , 780 nm, ∆λ = 5 nm. Abbildung 1.5 zeigtKoordinatenfunktionen κ1(aλ), κ2(aλ) und κ3(aλ) dieser Art fur ein bestimmtesPrimarreiztripel.

Wegen Gleichung (1.9) gibt die Funktion Pa(λ) fur jeden Reiz aλ an, mitwelcher Intensitat er in der Mischung aller aλ vertreten sein muß, damit das

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Kapitel 1 Der Farbraum 17

Ergebnis identisch mit a ist. Wegen der Linearitat der Abbildung κ gilt daherfur die Koordinaten von a:

κ(a) =780∑

λ=380

Pa(λ)κ(aλ), ∆λ = 5 nm.

Zur Konstruktion von Koordinaten fur beliebige Farbreize ist damit nur noch diephysikalische Messung der Farbreizfunktion Pa(λ) und die empirische Bestim-mung der Koordinaten κ(aλ) der einzelnen monochromatischen Komponentendes energiegleichen Spektrums notwendig. Aus diesen Koordinaten konnen mitder Farbreizfunktion Pa(λ) eines Reizes a dessen Koordinaten κ(a) bestimmtwerden.

−0.5

0.0

0.5

1.0

1.5

400 450 500 550 600 650 700

Wellenlange [nm]

• • •435.8 546.1 700

r(λ)

g(λ)

b(λ)

.......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

...............................................

................................

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................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

Abbildung 1.5. Spektralwerte r(λ), g(λ) und b(λ) der monochromatischen Kom-

ponenten aλ des energiegleichen Spektrums mit einer Strahlungsintensitat von einer

Einheit. Die Primarreize sind monochromatische Strahlungen mit den Wellenlangen

700, 546.1 und 435.8 nm, deren Strahlungsintensitaten im Verhaltnis 72.10 : 1.38 : 1.0stehen. Die markierten Werte fur 510 nm bedeuten, daß die Mischungen a510 ⊕ 0.3∗Rund 0.44 ∗G ⊕ 0.09 ∗B gleichfarbig sind.

1.3.3 Das (R,G,B)-System

Als Primarreize fur die Konstruktion eines Koordinatensystems werden heuteauf Vorschlag der Commission Internationale de l’Eclairage (CIE) monochro-matische Reize mit den Wellenlangen 700, 546.1 und 435.8 nm benutzt. DasPrimarreiztripel dieser drei Reize wird mit (R,G,B) bezeichnet, da Strahlungder Wellenlange 700 nm rot, der Wellenlange 546.1 nm grun und der Wellenlange435.8 nm blau aussieht. Fur die Verwendung der Reize (R,G,B) in einem Mi-schungsexperiment ist noch festzulegen, welche Strahlungsintensitat jeder derReize R, G und B abgeben soll. Diese Strahlungsintensitaten werden von derCIE nicht absolut festgelegt, sondern es werden nur die relativen Strahlungsin-tensitaten der drei Primarreize bestimmt. Die Festsetzung geschieht so, daß dieMischung R ⊕ G ⊕ B nicht vom energiegleichen Spektrum unterscheidbar ist:

a380 ⊕ · · · ⊕ a780 ∼ R ⊕ G ⊕ B. (1.10)

Dies ist fur die gewahlten Wellenlangen dann der Fall, wenn die Strahlungs-verhaltnisse der Primarreize IR : IG : IB gleich 72.1 : 1.38 : 1.0 sind. Die Strah-lungsenergie des Primarreizes R muß also 72.1 mal und die des Reizes G muß

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Kapitel 1 Der Farbraum 18

1.38 mal so groß sein, wie die des Reizes B. Die Komponenten aλ des energieglei-chen Spektrums haben die gleiche Strahlungsenergie wie B. Das energiegleicheSpektrum erhalt wegen Beziehung (1.10) die Koordinaten

κ(a380 ⊕ · · · ⊕ a780) = (1, 1, 1).

Fur die Koordinaten der Reize a700, a546.1 und a435.8 gilt

κ(a700) = ( 172.1 , 0, 0),

κ(a546.1) = (0, 11.38 , 0),

κ(a435.8) = (0, 0, 1).

Mit der Festlegung der Wellenlangen der monochromatischen Primarreize, ihrerrelativen Intensitat und der Intensitat der monochromatischen Reize aλ, derenFarben erzeugt werden sollen, konnen die Mischungsexperimente zur Bestim-mung der Koordinaten der Reize aλ durchgefuhrt werden. Als Ergebnis die-ser Experimente erhalt man die Intensitatsfaktoren, mit denen die Primarreize(R,G,B) in einer Mischung vertreten sein mussen, damit diese vom Reiz aλ

nicht unterscheidbar ist. Die Koordinaten des Vektors κ(aλ) eines Reizes aλ derWellenlange λ werden mit r(λ), g(λ) und b(λ) bezeichnet, um den Bezug zumPrimarreiztripel (R,G,B) deutlich zu machen. Fur einen Reiz aλ, dessen Farbedurch eigentliche Mischung aus (R,G,B) erzeugt werden kann, gilt also

aλ ∼ r(λ) ∗ R ⊕ g(λ) ∗ G ⊕ b(λ) ∗ B.

Ist dagegen die Koordinate r(λ) negativ, dann ergibt sich die Aquivalenz

aλ ⊕ r(λ) ∗ R ∼ g(λ) ∗ G ⊕ b(λ) ∗ B.

Die Koordinaten r(λ), g(λ), b(λ) fur monochromatische Strahlung der Wel-lenlange λ werden als Spektralwerte bezeichnet. Eine Tabelle der von der CIEnormierten Spektralwerte fur λ = 380 bis 780 nm ist bei Wyszecki & Stiles (1982,S. 750) zu finden. Die Tabellenwerte stellen gemittelte Einstellungen mehrerernormalsichtiger Versuchspersonen dar, die teilweise bereits von Guild (1931, zit.nach Wyszecki & Stiles, 1982) und von Wright (1928, zit. nach Wyszecki & Sti-les, 1982) erhoben wurden. Die Spektralwerte r(λ), g(λ) und b(λ) werden haufigauch graphisch wie in Abbildung 1.5 als Spektralwertfunktionen dargestellt.

Sind fur alle monochromatischen Strahlungen mit λ = 380, . . . , 780, ∆λ = 5nm die Spektralwerte bestimmt, dann konnen fur alle Reize a, deren spektraleEnergieverteilung Pa(λ) bekannt ist, die Farbkoordinaten berechnet werden. Aus

a =780⊕

λ=380

Pa(λ) ∗ aλ (1.11)

folgt

a ∼780⊕

λ=380

Pa(λ) ∗ (r(λ) ∗ R ⊕ g(λ) ∗G ⊕ b(λ) ∗ B

)

∼( 780⊕

λ=380

Pa(λ) r(λ) ∗ R)

⊕( 780⊕

λ=380

Pa(λ) g(λ) ∗ G)

⊕( 780⊕

λ=380

Pa(λ) b(λ) ∗ B)

∼( 780∑

λ=380

Pa(λ) r(λ))∗ R ⊕

( 780∑λ=380

Pa(λ) g(λ))∗ G

⊕( 780∑

λ=380

Pa(λ) b(λ))∗ B

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Kapitel 1 Der Farbraum 19

Als Koordinaten κ(a) = (R(a), G(a), B(a)) erhalt man daher

R(a) =780∑

λ=380

Pa(λ)r(λ),

G(a) =780∑

λ=380

Pa(λ)g(λ),

B(a) =780∑

λ=380

Pa(λ)b(λ),

wobei die Summation jeweils in Schritten von ∆λ = 5 nm erfolgt. Die auf dieseWeise bestimmten Farbkoordinaten (R(a), G(a), B(a)) eines Reizes a bezuglichder Primarreize (R,G,B) werden als Farbwerte bezeichnet. Diese Bezeichnungwird benutzt, um die Koordinaten beliebiger Farbreize anzugeben, wahrend mitSpektralwert die Koordinaten monochromatischer Reize bezeichnet werden.

−0.5

0.0

0.5

1.0

1.5

2.0

g

−1.5 −1.0 −0.5 0.0 0.5 1.0 1.5

r

•E

R

G

B••

••

•380450

475

490

500

510 520

530

540

550

575

600

700.....................................

..............................

.........................

........................

.......................

......................

......................

......................

....................

....................

.....................

....................

....................

...............................

........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

Abbildung 1.6. Spektralwertanteile r(λ) und g(λ) der monochromatischen Kom-

ponenten aλ des energiegleichen Spektrums in der (r, g)-Farbtafel bezogen auf die

Primarreize (R,G,B). Der Punkt E zeigt den Farbort des energiegleichen Spektrums.

Die gepunktete Linie mit der die Enden des Spektralzuges verbunden sind, stellt die

Farborte aller moglichen Mischungen von a380 und a780 dar, er wird Purpurlinie ge-

nannt.

Die graphische Darstellung der Spektralwerte kann wie in Abb. 1.5 in derEbene durch drei Graphen geschehen, die fur jeden monochromatischen Reiz aλ

die zugehorigen Spektralwerte r(λ), g(λ) und b(λ) angeben. Fur die Darstellungder Farbwerte eines beliebigen Reizes a mit der spektralen EnergieverteilungPa(λ) ware jedoch eine dreidimensionale Grafik mit den Achsen R, G und Berforderlich. Da solche Grafiken aber schwierig herzustellen sind, verzichtet manauf die vollstandige Darstellung der Farbwerte beliebiger Reize und stellt nureinen Teil der Information—die sogenannte Farbart—in einer zweidimensionalenGrafik dar. Man berechnet dazu aus den Farbwerten R(a), G(a) und B(a) dieFarbwertanteile:

r(a) =R(a)

R(a) +G(a) +B(a),

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Kapitel 1 Der Farbraum 20

g(a) =G(a)

R(a) +G(a) +B(a),

b(a) =B(a)

R(a) +G(a) +B(a).

Durch diese Normierung erhalten alle Farbreize mit gleichen relativen Farbreiz-funktionen die gleichen Farbwertanteile, es gilt etwa r(t ∗ a) = r(a). Da furFarbwertanteile gilt, daß r(a) + g(a) + b(a) = 1, genugt es, zwei von ihnen ineinem Koordinatensystem darzustellen. Man benutzt dafur die Achsen r und gwie in Abb. 1.6. Das Koordinatensystem zur Darstellung der Farbwertanteiler(a) und g(a) eines Farbreizes a wird als (r, g)-Farbtafel bezeichnet. Meist wer-den in die (r, g)-Farbtafel die Farbwertanteile r(λ) und g(λ) der Spektralwerter(λ), g(λ) und b(λ) eingezeichnet. Diese erscheinen in der (r, g)-Farbtafel alshufeisenformige Linie, die durch die Punkte (0, 0), (0, 1) und (1, 0) geht.

Die Berechnung der Farbwertanteile aus den Farbwerten kann auch geome-trisch gedeutet werden. In einer 3-dimensionalen Darstellung der Farbwerte be-schreibt die Gleichung R(a)+G(a)+B(a) = 1 eine Ebene durch die drei Punkte(1, 0, 0), (0, 1, 0) und (0, 0, 1). Die Farbwertanteile r(a), g(a) und b(a) sind dannPunkte auf dieser Ebene, die genau an der Stelle liegen, an der der Vektor vomUrsprung zum Punkt (R(a), G(a), B(a)) durch diese Ebene tritt. Der durch dieFarbwertanteile (r(a), g(a), b(a)) beschriebene Punkt ist damit die Projektiondes durch die Farbwerte (R(a), G(a), B(a)) beschriebenen Punktes auf die EbeneR(a) + G(a) + B(a) = 1, wobei der Ursprung als Projektionszentrum benutztwird. Die (r, g)-Farbtafel ist eine Parallelprojektion der Punkte (r(a), g(a), b(a))auf die (r, g)-Koordinatenebene, wobei die Projektion parallel zur b-Achse er-folgt.

0.0

0.5

1.0

1.5

2.0

400 450 500 550 600 650 700

Wellenlange [nm]

x(λ)y(λ)

z(λ)

............................................................................

.............................................................................................................................................................................................................................................................................................................

.............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

.........................................................

......................................................................................................................................................................................................................................................................................................

...................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

Abbildung 1.7. Normspektralwerte x(λ), y(λ) und z(λ) der monochromatischen

Komponenten des energiegleichen Spektrums. Im (X,Y,Z)-System sind treten keine

negativen Spektralwerte auf und die Funktion y(λ) ist identisch mit der photopischen

Hellempfindlichkeitsfunktion V (λ).

1.3.4 Die Normfarbtafel

Das (R,G,B)-System eignet sich zur Konstruktion von Farbwerten, weil es aufdas physikalisch realisierbare Tripel von Primarreizen (R,G,B) aufgebaut ist. Inder Farbliteratur wird jedoch zur Darstellung von Farben haufig ein anderes Sy-stem benutzt, bei dem die Einheitsvektoren des Koordinatensystems keine phy-sikalisch realisierbaren Farbreize reprasentieren. Wie der Reprasentationssatz 1.1

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Kapitel 1 Der Farbraum 21

der Graßmann-Struktur zeigt, werden die Farbreize in eine konvexe TeilmengeC des Farbraums abgebildet, wobei diese Menge gegenuber der Mischungsopera-tion ⊕ und der Intensitatsanderung ∗ abgeschlossen ist. Der Vektorraum enthaltjedoch auch Vektoren, die selbst keine Farbreize reprasentieren, da sie außerhalbder konvexen Bildmenge C der Farbreize liegen.

Bedingung 4 von Theorem 1.1 sichert, daß diese Vektoren durch Linearkom-binationen (etwa durch Differenzen) von Bildvektoren von Farbreizen erreichtwerden konnen. Umgekehrt konnen dadurch auch Vektoren außerhalb des Farb-kegels als Basis des Vektorraums benutzt werden, da sich alle anderen Vektorenauch als Linearkombinationen solcher Vektoren darstellen lassen. Wir haben beider Darstellung des (R,G,B)-Systems gesehen, daß darin viele Farbwerte ne-gativ sind (Abb. 1.6). Dies liegt daran, daß mit den Primarreizen R,G undB fur viele Farben nur durch uneigentliche Mischung Koordinaten konstruiertwerden konnen. Ein großer Teil der Farbreize erzeugt Farben, die außerhalb desdurch die Einheitsvektoren R,G und B aufgespannten Kegels dargestellt werdenmussen.

Hat man ein Koordinatensystem, in dem alle Farbwerte positiv sind, dannmussen alle Bildvektoren von Farbreizen innerhalb des durch die Einheitsvek-toren aufgespannten Kegels liegen. Da die Begrenzung des Kegels der Farb-werte keine Geraden sind, folgt daraus, daß Einheitsvektoren, die nur posi-tive Farbwerte erzeugen, selbst keine Farbreize reprasentieren konnen, sondernaußerhalb des Kegels der Farbwerte von physikalisch realisierbaren Farbreizenliegen mussen.

Als Basisvektoren fur ein solches Koordinatensystem konnen Aquivalenz-klassen [a1, b1], [a2, b2], [a3, b3] aus 〈A∗,+, ·〉 benutzt werden. Diesen entspre-chen zwar keine physikalisch realisierbaren Reize aus der Graßmann-Struktur〈A,⊕, ∗,∼〉, sie lassen sich aber empirisch als ,,Differenzen“ (ai, bi) im Sinne derBeziehung (1.3) interpretieren. Fur einen Reiz c, geschrieben als (c, 0) gilt dann

(c, 0) ≈⊕

i

κi(c) ∗ (ai, bi).

Bezuglich der ,,Primarreize“ [(a1, b1), (a2, b2), (a3, b3)] werden die Koordinatenκ dann durch die empirische Aquivalenz

c⊕⊕

i

κi(c) ∗ bi ∼⊕

i

κi(c) ∗ ai

definiert. Mit einer geeignet konstruierten (allerdings ziemlich komplexen) Farb-mischapparatur ließen sich also auch die Koordinaten dieses Systems direkt em-pirisch bestimmen.

Ein Koordinatensystem, das nur positive Farbwerte ergibt, wurde 1931 vonder CIE eingefuhrt und wird auch heute noch zur Bezeichnung von Farben be-nutzt. Farbwerte aus diesem System werden mit (X,Y, Z) bezeichnet und dasSystem selbst wird als (X,Y,Z)-System oder als Normvalenz-System bezeichnet.Die Basisvektoren dieses Systems liegen vollstandig außerhalb des konvexen Ke-gels, der die Menge der Farbreize reprasentiert. In einer graphischen Darstellungdes (X,Y,Z)-Systems liegt der konvexe Kegel der Farbwerte deshalb vollstandiginnerhalb des Kegels, der durch die Einheitsvektoren X , Y und Z aufgespanntwird (Abb. 1.8).

Die Farbwerte X(a),Y (a) und Z(a) eines Reizes a bezuglich des (X,Y,Z)-Systems werden Normfarbwerte genannt. Entsprechend den Farbwertanteilen im(R,G,B)-System lassen sich auch im (X,Y,Z)-System Farbwertanteile definie-ren, die dann Normfarbwertanteile genannt und mit x(a), y(a) und z(a) bezeich-net werden. Die Normfarbwerte von Spektralreizen werden Normspektralwertegenannt und mit x(λ), y(λ) und z(λ) bezeichnet. Die Vorsilbe ,,Norm“ stellt alsoimmer den Bezug auf das (X,Y,Z)-System heraus. Eine Zusammenfassung derublichen Bezeichnungen von Farbsystemen gibt Tabelle 1.1.

Bei der Definition des (X,Y,Z)-Systems sollten zwei Punkte berucksichtigtwerden: (1) alle Farbwerte sollten positiv sein und (2) die Farbwerte sollten In-formation uber die Helligkeit der Farbreize enthalten. Der erste Punkt dient derVereinfachung numerischer Berechnungen, die zum Zeitpunkt der Konstruktion

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Kapitel 1 Der Farbraum 22

0.0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

0.8

0.9

y

0.0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8

x

••••

••

••••••

380450

470

480

490

500

510

520

530

540

550

560

570

580

590

600

620

650

720

..............................................

......................

............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

•E

Abbildung 1.8. Normfarbtafel mit dem Kurvenzug der Spektralwertanteile (x(λ),y(λ)), der (punktierten) Purpurlinie und dem Farbort des energiegleichen Spektrums

(E). Im (X,Y,Z)-System sind keine Spektralwerte negativ.

Tabelle 1.1. Nomenklatur und symbolische Bezeichnungen von Farbsystemen

Farbreize (R,G,B)-System (X,Y,Z)-System

monochromatisch Spektralwerte: Normspektralwerte:

r(λ), g(λ), b(λ) x(λ), y(λ), z(λ)

Spektralwertanteile: Normspektralwertanteile:

r(λ), g(λ), b(λ) x(λ), y(λ), z(λ)

polychromatisch Farbwerte: Normfarbwerte:

R(a), G(a), B(a) X(a), Y (a), Z(a)

Farbwertanteile: Normfarbwertanteile:

r(a), g(a), b(a) x(a), y(a), z(a)

des (X,Y,Z)-Systems noch sehr aufwendig waren. Außerdem erleichtern aussch-ließlich positive Spektralwerte die Konstruktion eines Sensors, dessen Empfind-lichkeitsfunktion mit einer Spektralwertfunktion identisch ist. Solche Sensorenerlauben die direkte Bestimmung von Farbwerten mit Hilfe physikalischer Mes-sungen und sind deshalb fur die praktische Anwendung sehr wichtig.

Der zweite Gesichtspunkt, der bei der Auswahl der Basisvektoren X, Y undZ eine Rolle gespielt hat, war die Absicht, in die Farbwerte Information uber dieHelligkeit der Farbreize aufzunehmen. Wie wir bei der Konstruktion der Farbko-ordinaten gesehen haben, kommt jedoch in Farbmischexperimenten der Begriff,,Helligkeit“ nicht vor, so daß die Graßmann-Struktur 〈A,⊕, ∗,∼〉 keine Infor-

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Kapitel 1 Der Farbraum 23

mation uber Helligkeit enthalt. Nimmt man jedoch an, daß sich die Helligkeit alslineare Funktion der Farbkoordinaten schreiben laßt, dann kann diese selbst alseine der Koordinaten eines Farbvektors benutzt werden. Die Koordinate Y (a)des (X,Y,Z)-Systems ist proportional zur Leuchtdichte des Reizes. Wir werdendarauf in Abschnitt 2.2 naher eingehen.

Die empirische Grundlage des Normvalenz-Systems bilden Daten aus meh-reren Untersuchungen, die in ein gemeinsames System umgerechnet und uberdie beteiligten Versuchspersonen mit unterschiedlichen Gewichtungen gemitteltwurden (Wyszecki & Stiles, 1982, S. 130 ff). Die hypothetische Versuchspersondes CIE Normvalenz-Systems wird Normalbeobachter genannt.

Wie in Abschnitt 1.2.4 bereits angedeutet, sind die Ergebnisse eines Farbab-gleichs von den Beobachtungsbedingungen abhangig. Um praktischen Anforde-rungen besser gerecht zu werden, wurde von der CIE 1964 ein weiteres Systemvon Farbkoordinaten standardisiert. Es beruht auf einer experimentellen An-ordnung, bei der dem Beobachter die Testreize unter einem Sehwinkel von 10◦

erscheinen. Durch den Einfluß der Stabchen und der Macula lutea unterscheidensich die Farbwerte im 10◦-System von den Normfarbwerten.

1.3.5 Koordinatentransformationen

Die Skalenwerte einer Graßmann-Struktur sind eindeutig bis auf nichtsingularelineare Transformationen (Theorem 1.1). Dies sind Transformationen der Form⎛

⎜⎜⎝κ′1κ′2κ′3

⎞⎟⎟⎠ =

⎛⎜⎜⎝

α11 α12 α13

α21 α22 α23

α31 α32 α33

⎞⎟⎟⎠

⎛⎜⎜⎝

κ1

κ2

κ3

⎞⎟⎟⎠ .

Mit A = (αij) scheiben wir dafur kurzer

κ′ = Aκ.

Die Matrix A ist invertierbar, ihre Determinante ist von Null verschieden. Hatman Koordinaten bezuglich einer bestimmten Basis konstruiert, so konnen dieseeinfach in ein anderes System von Koordinaten umgerechnet werden, ein Pro-blem das bei Anwendungen der Farbenlehre haufig auftritt und deshalb hierkurz demonstriert werden soll. Wir wollen eine Transformationsmatrix suchen,mit der die Koordinaten (X,Y, Z) des (X,Y,Z)-Systems in die Koordinaten(RV , GV , BV ) eines RGB-Videomonitors transformiert werden konnen. Die Pri-marreize (RV ,GV ,BV ) sind die Phosphore des Monitors. Die einfachste Losungergibt sich durch Betrachtung der Transformation fur die Koordinaten der Ba-sisvektoren. Da die Primarreize (RV ,GV ,BV ) im neuen System Basisvektorensein sollen, haben sie dort die Koordinaten (1, 0, 0), (0, 1, 0) und (0, 0, 1). Dadie Koordinaten der neuen Basisvektoren im alten System durch die gesuchteTransformationsmatrix A in die Koordinaten der Basisvektoren im neuen Sy-stem transformiert werden mussen, ergibt sich fur jeden Primarreiz eine Trans-formationsgleichung wie die folgende fur RV :⎛

⎜⎜⎝1

0

0

⎞⎟⎟⎠ = A

⎛⎜⎜⎝

X(RV )

Y (RV )

Z(RV )

⎞⎟⎟⎠ .

Zusammengefaßt als Matrixgleichung ergibt dies fur alle drei Primarreize⎛⎜⎜⎝

1 0 0

0 1 0

0 0 1

⎞⎟⎟⎠ = A

⎛⎜⎜⎝

X(RV ) X(GV ) X(BV )

Y (RV ) Y (GV ) Y (BV )

Z(RV ) Z(GV ) Z(BV )

⎞⎟⎟⎠ .

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Kapitel 1 Der Farbraum 24

Die Inverse der Koordinatenmatrix der neuen Primarreize im alten System istdamit die gesuchte Transformationsmatrix:

A =

⎛⎜⎜⎝

X(RV ) X(GV ) X(BV )

Y (RV ) Y (GV ) Y (BV )

Z(RV ) Z(GV ) Z(BV )

⎞⎟⎟⎠

−1

.

Die Koordinaten der Primarreize (RV ,GV ,BV ) im (X,Y,Z)-System mussenaus den Farbreizfunktionen berechnet oder den Angaben des Herstellers imDatenblatt des Monitors entnommen werden. Dort sind in der Regel nur dieNormfarbwertanteile der Phosphore angegeben. Als Beispiel nehmen wir dieWerte [x(RV ), y(RV )] = (0.640, 0.330), [x(GV ), y(GV )] = (0.290, 0.600) und[x(BV ), y(BV )] = (0.150, 0.060) an. Damit konnen allerdings noch nicht dieEinheiten der Basisvektoren festgelegt werden. Wir wahlen die Einheiten so,daß ein Reiz mit einer in allen drei Komponenten gleichen Strahlungsintensitatdie Farbe der Normlichtart D65, dem Standard-Weiß fur Videosysteme mit einerFarbtemperatur von 6500◦ K, ergibt. Die Leuchtdichte der drei Phosphore mußdafur im Verhaltnis von LR : LG : LB = 0.2219 : 0.7068 : 0.0713 stehen (Lang,1978). Die Einheiten werden so festgesetzt, daß ein Reiz mit den Monitorkoordi-naten (1, 1, 1) die Leuchtdichte 1 cd/m2 hat. Mit dieser Normierung konnen dieNormfarbwertanteile in Normfarbwerte umgerechnet werden. Mit Y (a) = L(a)gilt

X(a) =x(a)y(a)

Y (a), Z(a) =z(a)y(a)

Y (a).

Fur unser Beispiel ergeben sich die Werte⎛⎜⎜⎝

X(RV ) X(GV ) X(BV )

Y (RV ) Y (GV ) Y (BV )

Z(RV ) Z(GV ) Z(BV )

⎞⎟⎟⎠ =

⎛⎜⎜⎝

0.4303 0.3416 0.1782

0.2219 0.7068 0.0713

0.0202 0.1296 0.9387

⎞⎟⎟⎠ .

Die Inverse davon ist die Transformationsmatrix A:

A =

⎛⎜⎜⎝

3.0651 −1.3942 −0.4761

−0.9690 1.8755 0.0415

0.0679 −0.2290 1.0698

⎞⎟⎟⎠ .

Abbildung 1.9 zeigt die Spektralwertfunktionen der Komponenten des ener-giegleichen Spektrums im System der Primarreize des in diesem Beispiel benutz-ten Videomonitors. Da diese Primarreize keine monochromatischen Spektralreizesind, gibt es keine Spektralreize mit ausschließlich positiven Koordinaten. DerMonitor ist nicht in der Lage Reize zu erzeugen, die farbgleich mit Spektralreizensind. Abbildung 3.3 auf Seite 65 zeigt die Farborte der drei Videophosphore desMonitors in der Normfarbtafel. Alle Farben innerhalb des Dreiecks konnen mitdem Monitor erzeugt werden.

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Kapitel 1 Der Farbraum 25

−1.0

0.0

1.0

2.0

3.0

400 450 500 550 600 650 700

Wellenlange [nm]

.................................................................................................

..................................................................................................................................................................................................................................................................................................

.....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

..........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

.............................................................................................................................................................................................

...........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

.............................................................................................................................................................................................................................................................................................................

Abbildung 1.9. Spektralwerte rv(λ), gv(λ) und bv(λ) der monochromatischen Kom-

ponenten aλ des energiegleichen Spektrums bezogen auf die Phosphore eines RGB-

Videomonitors. Die Normfarbwerte der Primarreize sind im Text angegeben.

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Kapitel 2

Farbattribute

Wenn man sich ein blauliches Orange,ein rotliches Grun oder ein gelbliches Violett denken will,

wird einem so zumute wie bei einem sudwestlichen Nordwinde.Philipp Otto Runge, 1806

Die Weiterentwicklung einer psychologischen Theorie wie der Graßmann-Struktur, verlangt eine Erweiterung des Erklarungsbereichs. In der formalenDarstellung der Farbenlehre bedeutet dies, neue Daten in das empirische Re-lativ 〈A,⊕, ∗,∼〉 aufzunehmen und durch numerische Relationen zu reprasentie-ren. Eine Erweiterung des empirischen Relativs hat zwei Konsequenzen fur denHomomorphismus φ vom empirischen ins numerische Relativ: Die Aussagekraftvon φ wird großer, es konnen neue theoretische Beziehungen zwischen einzel-nen Werten von φ empirisch interpretiert werden und die Menge der moglichenHomomorphismen, die die entsprechenden Reprasentationsbedingungen erfullen,wird eingeschrankt, so daß sich die Eindeutigkeitseigenschaften von φ verbessern.

Die Vektoren des Farbraums enthalten bisher nur Information daruber, obzwei Farbreize unter kontextfreien Bedingungen gleich aussehen oder nicht. Dereinzige psychologisch-empirische Term einer Graßmann-Struktur 〈A,⊕, ∗,∼〉 istdie Relation ∼. Alle psychologischen Aussagen, die durch eine solche Strukturmoglich sind, mussen deshalb Aussagen uber die Relation ∼ sein. An dieserStelle zeigt sich ein wesentlicher Vorteil der axiomatischen Formulierung einerempirischen Theorie: Es kann bei einer solchen Formulierung keine Unklarheitdaruber geben, was die empirischen Aussagen der Theorie sind. Empirische Aus-sagen sind ausschließlich uber die Terme moglich, die im empirischen Relativder Theorie—in unserem Fall der Graßmann-Struktur—enthalten sind. Daß dieskeine triviale Einschrankung ist, zeigen die in der Literatur ublichen Interpre-tationen der Farbtafel aus Abbildung 1.8. In nahezu allen Monographien zurpsychologischen Farbenlehre finden sich Darstellungen des Farbraums, bei de-nen einzelne Punkte oder Teilmengen des Vektorraums mit Farbnamen wie ,,rot“,,,gelb“, . . . beschriftet sind. Derartige Bezeichnungen sind aber in diesem Zusam-menhang vollig sinnlos, da die Versuchsperson beim Herstellen der Relation ∼nichts daruber aussagt, wie ein bestimmter Reiz aussieht, sondern nur entschei-den muß, ob zwei Reize gleich aussehen oder nicht. Farbbezeichnungen konnendaher nicht mit der Relation ∼ begrundet werden, sondern erfordern neue expe-rimentelle Anordnungen, wie etwa die von Boynton und Gordon (1965), in derVersuchspersonen Farbreize mit Farbnamen benennen mussen.

Der Eindeutigkeitsteil von Theorem 1.1 zeigt, daß der Farbraum bisher nureindeutig bis auf nichtsingulare lineare Transformationen ist. Empirisch begrun-det sind neben der in Theorem 1.2 festgelegten Dimension des Farbraums nurdie in den Bedingungen 1 bis 4 von Theorem 1.1 explizit formulierten Aussa-gen und solche die sich aus ihnen ableiten lassen, wie etwa die in Abschnitt1.2.3 dargestellten Konvexitatsbedingungen. Ein erster Schritt zur Erweiterungder empirischen Aussagekraft des Farbraums besteht darin, bestimmte Vekto-ren besonders auszuzeichen, d.h. ihnen eine besondere empirische Bedeutung zugeben. Im Farbraum nach Theorem 1.1 haben ja selbst die Basisvektoren keine

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Kapitel 2 Farbattribute 27

besondere Bedeutung, sie konnen ohne Einschrankung des empirischen Gehaltsgewechselt werden. In diesem Kapitel wird einerseits dargestellt, wie bestimmteVektoren im Farbraum empirisch identifiziert werden konnen und andererseitswerden Methoden angegeben, die zu Koordinatensystemen fuhren, bei denendie Koordinatenachsen eine besondere empirische Bedeutung haben. Die empi-rischen Grundlagen dazu stellen Farbreizaquivalenzen von farbfehlsichtigen Per-sonen und Urteile von Normalsichtigen uber bestimmte Farbattribute dar. Inbeiden Fallen werden hier nur Reizdarbietungen betrachtet, die unter konstan-ten, in der Regel neutralen, Kontextbedingungen stattfinden. Reizdarbietungen,in denen der Kontext mit einbezogen wird, betrachten wir im Kapitel 3 und 4.

Wir gehen im folgenden auf Methoden ein, mit denen einzelne Attribute vonFarbreizen beschrieben werden. Solche Attribute sind etwa ,,Helligkeit“, ,,Satti-gung“ oder ,,Farbton“. Auch die Eigenschaften weder Rot noch Grun oder wederBlau noch Gelb zu enthalten, die die Grundlage der Theorie von Hering (1920)bilden, lassen sich mit den folgenden Methoden darstellen. Das wichtigste Er-gebnis dieses Abschnitts ist, daß alle eindimensionalen Attribute von Farbreizenals reelle Funktionen im Farbraum dargestellt werden konnen. Neben den direktbeurteilbaren, visuellen Attributen, wie Helligkeit oder Farbton, betrachten wirauch indirekt konstruierte Attribute, wie sie Verwechslungslinien von Farbfehl-sichtigen oder Empfindlichkeitsfunktionen von Rezeptoren darstellen. Fur dieallgemeine Bezeichnung solcher eindimensionalen Funktionen im Farbraum be-nutzen wir in Anlehnung an Krantz (1975a) den Ausdruck ,,Farbcode“.

2.1 FUNKTIONALE IM FARBRAUM

Als Farbcodes betrachten wir eindimensionale Merkmale von Farbreizen, die zuderen Unterscheidung dienen konnen. Unterscheiden sich zwei Farbreize bezuglicheines solchen Merkmals, dann sind sie generell unterscheidbar, sie konnen nichtin der Relation ∼ enthalten sein. Gleichheit bezuglich eines eindimensionalenMerkmals impliziert dagegen nicht, daß die Reize nicht unterscheidbar sind, daes andere Merkmale geben kann, die zur Unterscheidung benutzt werden konnen.

Definition 2.1. Sei 〈A,⊕, ∗,∼〉 eine Graßmann-Struktur und f eine Abbildun-gen von A in die Menge der reellen Zahlen R. Die Abbildung f ist ein Farbcodewenn aus f(a) = f(b) folgt, daß nicht a ∼ b gilt. Ein Farbattribut ist ein Farb-code, der ein direkt visuell beurteilbares Merkmal beschreibt.

Ist f ein Farbcode, dann ist die auf A definierte Relation ∼f mit

a ∼f b gdw. f(a) = f(b) (2.1)

eine durch f induzierte Aquivalenzrelation auf A. Sie zerlegt die Menge A inAquivalenzklassen, die großer sind als die Aquivalenzklassen, die von ∼ erzeugtwerden: a ∼ b impliziert a ∼f b. Eine Skala der Helligkeit ist ein Beispiel furein Farbattribut. Wenn sich zwei Farbreize in der Helligkeit unterscheiden, dannsind sie unterscheidbar. Haben zwei Reize gleiche Helligkeit, dann folgt darausaber nicht, daß sie nicht unterscheidbar sind, denn sie konnen unterschiedlicheFarbtone erzeugen.

Farbcodes konne auch im Farbraum 〈A∗,+, ∗,=〉 mit dem Farbkegel C be-trachtet werden. Jede reelle Funktion auf der Teilmenge C von A∗ erzeugt einenFarbcode auf A. Umgekehrt erzeugt jeder Farbcode auf A eine reelle Funktionauf C. Die wichtigsten Funktionen dieser Art sind die im Abschnitt 1.3 behan-delten Farbkoordinaten. Die Bedingung

a ∼ b gdw. (κ1(a), κ2(a), κ3(a)) = (κ1(b), κ2(b), κ3(b)) (2.2)

zeigt, daß die einzelnen Koordinaten κi als Farbcodes aufgefaßt werden konnen,denn aus κi(a) = κi(b) folgt a ∼ b. Fur die Farbenlehre ist vor allem vonInteresse, wie verschiedene Farbcodes untereinander zusammenhangen. Dabeispielen die Farbkoordinaten eine besondere Rolle, da sie eine vollstandige Mengevon Farbcodes bilden:

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Kapitel 2 Farbattribute 28

Definition 2.2. Eine Menge {f1, . . . , fm} von m Farbcodes auf einerGraßmann-Struktur 〈A,⊕, ∗,∼〉 ist vollstandig, wenn fur alle a, b in A gilt

(f1(a), . . . , fm(a)) = (f1(b), . . . , fm(b)) gdw. a ∼ b.

Die Menge {f1, . . . , fm} von Farbcodes ist unabhangig, wenn kein einzelner Codeaus den anderen m− 1 Codes berechnet werden kann.

Aus Gleichung (2.2) folgt sofort, daß Farbkoordinaten eine vollstandige Mengevon Farbcodes sind. Daruber hinaus sind sie eine unabhangige Menge von Farb-codes. Jeder Farbcode auf A kann als Funktion F der Koordinaten geschriebenwerden:

f(a) = F (κ1(a), κ2(a), κ3(a)). (2.3)

Die Begrundung ist einfach, denn Gleichung (2.3) kann benutzt werden, um dieFunktion F zu definieren. F ist wohldefiniert, da aus (κ1(a), κ2(a), κ3(a)) =(κ1(a′), κ2(a′), κ3(a′)) folgt, daß a und a′ nicht unterscheidbar sind und da-her auch f(a) = f(a′) gilt. In jedem Fall ist eine so definierte Funktion F einFarbcode. Es laßt sich leicht zeigen, daß jede vollstandige Menge unabhangigerFarbcodes genau gleich viele Elemente enthalt (Krantz, 1975a; Suppes et al.1989).

Gleichung (2.3) stellt einen Zusammenhang zwischen Farbcodes und den Ko-ordinaten des Farbraums her. Dieser Zusammenhang ist aber sehr schwach, ergarantiert nur die Existenz der Funktion F und sagt vor allem nichts daruberaus, ob und welche strukturellen Eigenschaften des Farbraums von F erhaltenwerden. Die folgenden Abschnitte beschreiben strukturelle Bedingungen, die esermoglichen, den in der Funktion F in Gleichung (2.3) ausgedruckten forma-len Zusammenhang zwischen Farbcodes und den Koordinaten des Farbraumsgenauer zu bestimmen.

2.1.1 Skalar invariante Funktionen

Skalar invariante Funktionen sind Farbcodes, die zur Definition von spektralenEmpfindlichkeitsfunktionen benutzt werden konnen (Elzinga, 1984).

Definition 2.3. Ein Farbcode f auf einer Graßmann-Struktur 〈A,⊕, ∗,∼〉 wirdskalar invariant genannt, wenn fur alle a, b in A und alle positiven reellen Zahlent gilt, daß f(a) = f(b) genau dann, wenn f(t ∗ a) = f(t ∗ b).Damit laßt sich fur jedes a in A durch f(a) = f(v(a)∗b) eine spektrale Empfind-lichkeitsfunktion v definieren. b ist ein beliebiges Element aus A, denn die relativeEmpfindlichkeitsfunktion ist unabhangig von b: Gilt namlich f(b) = f(r ∗ b′) furein anderes b′ aus A, so ist f(a) = f(rv(a) ∗ b′). Da Empfindlichkeitsfunktio-nen in der Regel begrenzt sind, konnen sie normiert werden, etwa auf ihrenMaximalwert. Die relative spektrale Empfindlichkeitsfunktion ist dann fur alleBezugsreize b identisch.

Eine derart definierte Empfindlichkeitsfunktion v(a) ist homogen, es gilt

v(t ∗ a) = tv(a). (2.4)

Der Wert der Empfindlichkeitsfunktion v kann daher fur alle Reize t ∗ a(λ) beiKenntnis des Intensitatsfaktors t aus dem Wert von v[a(λ)] berechnet werden.Gleichung (2.4) reicht aber nicht aus, um den Funktionswert von a⊕ b aus v(a)und v(b) zu berechnen. Die Empfindlichkeit fur eine Mischung von Reizen kannalso mit Gleichnug (2.4) allein nicht aus der Empfindlichkeit fur die Kompo-nenten der Mischung berechnet werden. Die Funktionalgleichung (2.4) wird unsspater noch beschaftigen, wo wir sie auf dem Korper der reellen Zahlen betrach-ten werden. Sie hat dort die Losung v(x) = αx.

Die skalare Invarianz einer Funktion f hat bestimmte Konsequenzen fur dieForm von f . Fur jede skalar invariante Funktion f auf A gibt es eine FunktionF derart, daß

f(t ∗ a) = F (t, f(a)). (2.5)

Die Begrundung lautet folgendermaßen: Sei f skalar invariant, so daß aus f(a) =f(b) folgt f(t ∗ a) = f(t ∗ b). Dann wird F definiert durch F (t, f(a)) := f(t ∗ a).

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Um zu zeigen, daß F wohldefiniert ist, muß aus t = u folgen, daß F (t, f(a)) =F (u, f(a)), was offensichtlich der Fall ist. Ferner muß aus f(a) = f(b) folgen,daß F (t, f(a)) = F (t, f(b)). Angenommen f(a) = f(b) gilt, dann ist wegen derskalaren Invarianz f(t ∗ a) = f(t ∗ b). Damit ist

F (t, f(a)) = f(t ∗ a)= f(t ∗ b)= F (t, f(b)).

Die Funktion F ist damit wohldefiniert. F erfullt folgende Funktionalgleichung,die eine verallgemeinerte Form der Assoziativitat darstellt:

F (tu, x) = F (t, F (u, x)).

Dies folgt einfach aus der Definition von F :

F (tu, f(a)) = f(tu ∗ a)= f(t ∗ (u ∗ a))= F (t, f(u ∗ a)= F (t, F (u, f(a)).

Die Losung dieser Funktionalgleichung ist nach Aczel (1966, S. 327ff)

F (t, x) = h(th−1(x)).

Im Fall der Form F (t, f(a)) = f(t ∗ a) gibt es also eine streng monotone Trans-formation h von f(a), so daß

f(t ∗ a) = h(th−1(f(a))).

Setzt man fur (h−1 ◦ f) die Funktion g, dann ergibt sich

g(t ∗ a) = tg(a). (2.6)

Jedes skalar invariante Funktional im Farbraum laßt sich also durch eine strengmonotone Abbildung in ein homogenes Funktional transformieren. Diese Glei-chung stellt selbst eine Funktionalgleichung dar. Betrachtet man statt a dieKoordinaten κ1, κ2, κ3 von a im Farbraum, dann folgt aus der Homogenitats-gleichung (2.6)

g(tκ1, tκ2, tκ3) = tg(κ1, κ2, κ3)

und fur t = 1/κ1

g

(1,κ2

κ1,κ3

κ1

)=

1κ1

g(κ1, κ2, κ3).

Substituiert man (h−1 ◦ f) wieder zuruck, dann ergibt sich

f(κ1, κ2, κ3) = h

(κ1 g

′(κ2

κ1,κ3

κ1

)).

Die skalar invariante Funktion f laßt sich also immer als Funktion von zweiFaktoren schreiben: einer davon (die Funktion g′) hangt nur von den relativenKoordinaten ab, der andere (κ1) ist selbst eine Koordinate und damit, wie wirim Abschnitt 2.1.2 sehen werden, ein lineares Funktional im Farbraum.

Die inhaltliche Bedeutung der Gleichungen (2.5) und (2.6) kann man sich aneinem Beispiel klar machen. Angenommen das Attribut f(a) ist die Helligkeit desReizes a und wir betrachten zwei Reize a und b mit f(a) = f(b), also mit gleicherHelligkeit, aber moglicherweise verschiedenem Farbton. Ist a ein rot aussehenderund b ein grun aussehender Reiz, dann sind a und b zwei Reize gleicher Helligkeitund unterschiedlichen Farbtons. Verdoppelt man jetzt die Strahlungsintensitatder beiden Reize, so haben diese die Helligkeit f(2 ∗ a) und f(2 ∗ b). Da in dieFunktion F nur der fur beide Reize gleiche Faktor t = 2 und der ebenfalls gleicheHelligkeitswert f(a) und f(b) eingeht, muß auch f(2 ∗ a) = f(2 ∗ b) gelten. Furden Wert der Funktion F ist es unerheblich, ob die Helligkeit f(), die in ihr alsArgument auftritt von einem roten oder grunen Reiz stammt, es kommt nur aufden Helligkeitswert f(a) nicht auf den Reiz a an.

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Kapitel 2 Farbattribute 30

2.1.2 Additiv invariante Funktionen

Skalare Invarianz reicht nicht aus, um den Wert des Farbcodes einer Mischungvon Reizen aus den Farbcodes der Komponenten zu berechnen. Um dies zuermoglichen, muß auch additive Invarianz gefordert werden.

Definition 2.4. Ein Farbcode f auf einer Graßmann-Struktur 〈A,⊕, ∗,∼〉 wirdadditiv invariant genannt, wenn fur alle a, b und c aus A aus f(a) = f(b) folgtf(a⊕ c) = f(b⊕ c).

Ist ein Farbcode f additiv und skalar invariant, dann gilt das auch fur diedurch f induzierte Aquivalenzrelation ∼f und 〈A,⊕, ∗,∼f〉 ist eine 1-chromati-sche Graßmann-Struktur. Wegen Theorem 1.1 existiert dann eine aufA definiertereellwertige Abbildung ρ mit den Eigenschaften

1. ρ(a⊕ b) = ρ(a) + ρ(b);2. ρ(t ∗ a) = tρ(a);3. ρ(a) = ρ(b) gdw. f(a) = f(b) gdw. a ∼f b.

Die Abbildung ρ ist ein lineares Funktional auf 〈A,⊕, ∗〉 und es gibt wegenBedingung 3 eine eineindeutige Abbildung F von ρ(A) nach R, so daß f(a) =F [ρ(a)]. Das folgende Theorem von Krantz (1975a) faßt dies alles zusammen:

Theorem 2.1. Ein Farbcode f auf einer Graßmann-Struktur 〈A,⊕, ∗,∼〉 ist ge-nau dann additiv und skalar invariant, wenn es ein lineares Funktional ρ auf〈A,⊕, ∗〉 und eine eineindeutige Funktion F von ρ(A) in R gibt, so daß f = F (ρ).

Jede Funktion auf A, die additiv und skalar invariant ist, kann als Funktioneines linearen Funktionals auf dem Farbraum dargestellt werden. Ein linearesFunktional ist eine lineare Funktion der Koordinaten: fur jedes lineare Funktionalρ auf A gibt es Konstanten k1, k2, k3, so daß

ρ =3∑

i=1

kiκi.

Da jedes lineare Funktional auf dem Farbraum als Linearkombination von Farb-koordinaten geschrieben werden kann, laßt sich deshalb jede additiv und ska-lar invariante Funktion im Farbraum als Funktion einer Linearkombination derFarbkoordinaten darstellen:

f(a) = F

(∑i

kiκi(a)), (2.7)

wobei κi die Koordinaten und ki reelle Konstanten sind. Ist die Funktion fdaruber hinaus selbst linear, dann kann fur F immer die identische Abbildungeingesetzt werden: Jede lineare Funktion auf den Farbreizen ist als Linearkombi-nation von Farbkoordinaten darstellbar. Zulassige Transformationen der Koordi-naten erzeugen immer lineare Funktionale, die Menge aller linearen Funktionaleist selbst ein Vektorraum, der zu A∗ duale Vektorraum. Er hat die gleiche Di-mension wie A∗.

Additiv invariante Funktionen haben den Vorteil, daß sich bei ihnen derFunktionswert eines Reizes durch die Funktionswerte der Basis des Vektorraumsder Farbreize berechnen laßt, wie das in Abschnitt 1.3 fur die Farbkoordinatengezeigt wurde. An Gleichung (2.7) kann man auch sofort sehen, daß bei additiverund skalarer Invarianz der Wert des Farbcodes einer Mischung a⊕ b von Reizenaus den Farbcodes der Komponenten berechnet werden kann, denn∑

i

kiκi(a⊕ b) =∑

i

kiκi(a) +∑

i

kiκi(b)

folgt direkt aus den Reprasentationsbedingungen von Theorem 1.1. Genau dieserSachverhalt wurde bei der in Abschnitt 1.3 beschriebenen Konstruktion vonFarbkoordinaten extensiv ausgenutzt.

Die Konstruktion von Farbcodes geht haufig von einer Aquivalenzrelation∼f auf der Reizmenge A aus, wir werden das im folgenden Abschnitt am Bei-spiel des Attributs ,,Helligkeit“ sehen. Aus Theorem 2.1 folgt, daß eine solcheAquivalenzrelation genau dann als lineares Funktional im Farbraum dargestelltwerden kann, wenn

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1. 〈A,⊕, ∗,∼f〉 eine 1-chromatische Graßmann-Struktur ist (d.h. ∼f muß ad-ditiv und skalar invariant sein) und

2. wenn ∼ eine Teilmenge von ∼f ist (d.h. Farbgleichheit muß Gleichheit desAttributs implizieren).Sind diese Bedingungen erfullt, dann kann die Relation ∼f durch ein linearesFunktional ρ reprasentiert, oder sogar als Koordinate im Farbraum benutzt wer-den, denn die Koordinaten sind selbst auch nur lineare Funktionale im Farbraum.

2.2 HELLIGKEIT

Unter ,,Helligkeit“ versteht man diejenige Eigenschaft einer Farbe, die sich dannam starksten andert, wenn die Strahlungsintensitat des Reizspektrums fur alleWellenlangen mit einen konstanten Faktor geandert wird. Die Helligkeit einerFarbe korrespondiert also vor allem mit der Strahlungsintensitat des Farbreizes.Bei Anderungen der Strahlungsintensitat eines Farbreizes konnen jedoch auchFarbtonanderungen auftreten (Bezold-Brucke Effekt).

Das Ergebnis einer Helligkeitsmessung hangt—wie bei den meisten Farbattri-buten—sehr stark von den Beobachtungs- und Beurteilungsbedingungen ab. Esgibt daher verschiedene Meßverfahren, die sich durch die Art der Operationali-sierung der Relation ,,gleich hell“ unterscheiden. Die wichtigsten Methoden sind:die Flimmermethode, die Minimalkontrastmethode, Schwellenmessungen und diedirekte Helligkeitsbeurteilung. Das gemeinsame aller Verfahren ist, daß sie dazudienen sollen, eine Aquivalenzrelation auf der Menge der Farbreize zu erzeugen.Die Versuchsperson muß beurteilen, ob zwei Farbreize a, b gleich hell sind odernicht. Der Versuchsperson wird wie in Abbildung 1.4 ein rundes Testfeld mitca. 2◦ Durchmesser vor einem neutralen Hintergrund angeboten. Die zu beur-teilenden Strahlungen werden in das Reizfeld projiziert, wobei die ortliche bzw.zeitliche Verteilung der Reize bei den verschiedenen Methoden unterschiedlichist.

2.2.1 Experimentelle Methoden der Helligkeitsmessung

Die Flimmermethode zur Herstellung von Helligkeitsaquivalenzen basiert darauf,daß das zeitliche Auflosungsvermogen des visuellen Systems fur Intensitatsande-rungen sehr viel besser ist, als fur Farbtonanderungen. Dadurch ist die Flimmer-verschmelzungsfrequenz fur Farbtonanderungen niedriger als fur Intensitatsande-rungen (Wyszecki & Stiles, 1982, S. 392). Bei der Flimmermethode werden ab-wechselnd zwei Strahlungen a und b in das Reizfeld projiziert, so daß immer nureine einzige Strahlung sichtbar ist. Die Frequenz, mit der die Reize wechseln,ist so hoch (etwa 15 Hz), daß die Farbtone der Reize a und b verschmelzen undeine einheitliche Mischfarbe erzeugen. Die Wechselfrequenz wird jedoch so ein-gestellt, daß sie noch unter der Verschmelzungsfrequenz fur Intensitatsflimmernliegt. Die Versuchsperson wird daher bei beliebigen Reizen a und b im Reiz-feld in der Regel einen einheitlichen Farbton wahrnehmen, wobei gleichzeitig eindeutliches Helligkeitsflimmern sichtbar sein wird. Ihre Aufgabe besteht entwederdarin, anzugeben, ob sie ein Helligkeitsflimmern wahrnimmt oder nicht, oder siemuß im Herstellungsverfahren das Helligkeitsflimmern minimieren. Wenn zweiReize a und b kein Helligkeitsflimmern erzeugen, dann werden sie nach der Flim-mermethode als gleich hell betrachtet.

Die Minimalkontrastmethode nach Boynton und Kaiser (1968) wird auch,,Methode der minimalen Trennliniendeutlichkeit“ genannt. Bei ihr wird nicht,wie bei der Flimmermethode, das zeitliche, sondern das ortliche Auflosungsver-mogen des visuellen Systems ausgenutzt. Auch das ortliche Auflosungsvermogenist fur Intensitatsanderungen sehr viel besser als fur Farbtonanderungen. DasReizfeld wird bei der Minimalkontrastmethode in zwei direkt aneinandergren-zende Halften geteilt und der Reiz a wird in eine, der Reiz b in die andere Halfteprojiziert. Wenn die Trennungslinie zwischen den beiden Reizfeldern scharf her-vortritt, dann werden die beiden Reize als unterschiedlich hell betrachtet. Istdagegen die Trennungslinie nur unscharf oder uberhaupt nicht erkennbar, dannwerden die Reize als gleich hell bezeichnet. Zur Einstellung wird das Herstel-lungsverfahren benutzt. Die Versuchsperson hat die Aufgabe, die Intensitat von

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einem der beiden Reize so einzustellen, daß die Deutlichkeit der Trennlinie zwi-schen den Reizfeldern moglichst gering ist.

Die Reizsituation bei der direkten Helligkeitsbeurteilung unterscheidet sichvon der Minimalkontrastmethode nur dadurch, daß sich zwischen den beidenReizhalften ein trennendes Feld befindet, so daß die Reize nicht direkt aneinan-dergrenzen. Dadurch kann die Versuchsperson die Kante nicht als Kriterium furihr Urteil benutzen. Ihre Aufgabe ist hier, direkt zu beurteilen, ob die Helligkeitder beiden Reize a und b gleich ist oder nicht. Bei diesem Verfahren konnen auchOrdnungsurteile verlangt werden.

Die Methode der minimalen Scheinbewegung wurde erstmals von Anstis undCavanagh (1983) vorgeschlagen. Von Cavanagh, MacLeod und Anstis (1987)wird sie in verbesserter Form ausfuhrlich dargestellt. Die Grundlage dieser Me-thode ist eine Reizsituation, die genau dann Scheinbewegung induziert, wennzwei Farbreize sich in der Helligkeit unterscheiden. Sind die beiden Farbreize inihrer Helligkeit gleich, so entsteht keine Scheinbewegung. Der Ausgangspunktfur die Methode der minimalen Scheinbewegung ist die Beobachtung, daß mitisoluminanten Reizmustern nur sehr schwer Scheinbewegungen erzeugt werdenkonnen. Man erzeugt also ein raumlich-zeitliches Reizmuster, das zur Wahrneh-mung von Bewegung fuhrt. Zum Erzeugen des Reizmusters benutzt man diebeiden Farbreize, deren Helligkeit einander angeglichen werden soll. Das Reiz-muster ist so beschaffen, daß die Bewegungsrichtung fur die von einem Farbreizgebildete Komponente davon abhangt, ob diese Komponente heller oder dunklerist, als der zweite im Muster enthaltene Farbreiz. Bei diesem Verfahren kann einPaarvergleich (,,bewegt sich eher nach rechts/links“) oder ein Herstellungsver-fahren benutzt werden.

Ein Vergleich der Ergebnisse verschiedener Verfahren zum Helligkeitsabgleichwurde von Wagner und Boynton (1972) durchgefuhrt. Sie fanden nahezu iden-tische Ergebnisse fur die Flimmer- und Minimalkontrastmethode. Davon ver-schieden jedoch waren die Ergebnisse bei direkten Helligkeitsvergleichen. Furdie Konstruktion des Farbraums ist ein Farbcode dann von besonderer Bedeu-tung, wenn er als Koordinate benutzt werden kann. Die Graßmann-Strukturliefert zwar den Farbraum als Vektorraum, ihre Koordinaten sind jedoch ein-zeln nicht psychologisch bedeutsam. Jede lineare nichtsingulare Transformationvon Farbraumkoordinaten liefert einen neuen Farbraum mit genau dem gleichenpsychologischen Gehalt. Die einzige Bedeutung der Kordinaten besteht darinanzugeben, ob zwei Reize gleich aussehen oder nicht.

Ein Experiment zur Helligkeitsmessung ist zur Konstruktion einer linearenHelligkeitsskala geeignet, wenn die dem Experiment zu Grunde liegende Aquiva-lenzrelation ∼H additiv und skalar invariant ist (Bed. 2 und 3 von Def. 1.3, Def.2.3 und 2.4). In diesem Fall stellt 〈A,⊕, ∗,∼H〉 eine 1-chromatische Graßmann-Struktur dar. Fur je zwei Reize a und b gibt es dann wegen Bedingung 1 vonDefinition 1.4 genau ein t, so daß

a ∼H t ∗ b.In einem Experiment kann mit einem konstanten Farbreiz b fur jeden Reiz ader Faktor t gesucht werden, so daß diese Aquivalenz gilt. Als Helligkeit h(a)wird der Faktor t benutzt: h(a) = t. Es ist leicht nachzuprufen, daß aufgrund deradditiven und skalaren Invarianz von ∼H die Funktion h ein lineares Farbattributist. So folgt etwa aus a ∼H h(a) ∗ b und a′ ∼H h(a′) ∗ b wegen der Additivitat,daß

a⊕ a′ ∼H [h(a) ∗ b] ⊕ [h(a′) ∗ b]∼H [h(a) + h(a′)] ∗ b,

so daß1

h(a⊕ a′) = h(a) + h(a′).

1Um dies exakt zu beweisen ist eine starkere Form der Additivitat notig, als dies die additiveInvarianz in Definition 1.3 verlangt. Aus a ∼ b und a′ ∼ b′ muß folgen, daß a⊕a′ ∼ b⊕b′. Eineleichte Abanderung des Beweises der Transitivitat der Relation ≈ zu Theorem 1.1 auf Seite11 genugt, um zu zeigen, daß in einer Graßmann-Struktur diese starkere Form der Additivitatgilt.

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Diese Additivitatsbedingung fur Helligkeit wird als Abneysches Gesetz bezeich-net. Sie wurde auch von Graßmann (1853) zur Begrundung des Farbraums an-genommen, ist, wie Theorem 1.1 zeigt, hierfur aber nicht notwendig.

In experimentellen Untersuchungen zeigt sich, daß die Flimmermethode unddie Minimalkontrastmethode ubereinstimmende Ergebnisse liefern (Wagner &Boynton, 1972), und beide Methoden zu linearen Helligkeitsskalen fuhren (Wy-szecki & Stiles, 1982). Die Methode der minimalen Scheinbewegung fuhrt nachersten Ergebnissen von Cavanagh et al. (1987) ebenfalls zu den gleichen Ergeb-nissen wie die Flimmermethode. Direkte Helligkeitsvergleiche ergeben genau wieSchwellenmessungen keine additive Helligkeitsskala (Guth, Donley & Marocco,1969)

2.2.2 Spektraler Hellempfindlichkeitsgrad

Fur praktische Anwendungen ist eine lineare Helligkeitsskala von besonderer Be-deutung, da nur sie eine einfache Messung der Helligkeit eines Gemisches vonStrahlungen aufgrund der Helligkeit der Komponenten erlaubt. Ist eine Hellig-keitsfunktion gefunden, die skalar und additiv invariant ist, dann kann in ein-facher Weise ein physikalisches Meßgerat konstruiert werden, das zur Messungdieser Helligkeitsfunktion geeignet ist. Das Meßgerat braucht dazu nur einen(ebenfalls skalar und additiv invarianten) Sensor enthalten, der die gleiche Emp-findlichkeitsfunktion besitzt, wie das visuelle System des Menschen (,,Photome-trie“).

Die Grundlage fur die Definition des von der CIE 1924 normierten spektra-len Hellempfindlichkeitsgrades fur Tagessehen sind mehrere Datensatze, die mitunterschiedlichen Methoden erhoben und zu einer einzigen Funktion verarbeitetwurden. Sie wird ublicherweise mit V (λ) bezeichnet. Die Werte der FunktionV (λ) sind auf den maximalen Funktionswert bei Strahlung der Wellenlange 555nm normiert. Fur die Komponenten aλ des energiegleichen Spektrums gilt alsostets die Aquivalenz

aλ ∼H V (λ) ∗ a555.

Die Funktionswerte V (λ) sind benennungslose Gewichtungsfaktoren. Sie wer-den benutzt, um Strahlungsgroßen in Lichtgroßen umzurechnen. Ein Reiz mitder spektralen Strahldichte Le(λ) hat die spektrale Leuchtdichte K Le(λ)V (λ),wobei K das photometrische Strahlungsaquivalent mit K = 683 [lm/W] ist.

Wegen der Linearitat der flimmerphotometrisch gemessenen Leuchtdichtekann die Leuchtdichte einer Mischung von Reizen aus der Leuchtdichte der Kom-ponenten berechnet werden. Fur die Leuchtdichte L eines Reizes mit der spek-tralen Strahldichte Le(λ) gilt daher

L = K

∫Le(λ)V (λ) dλ,

wobei uber den sichtbaren Bereich von λ = 380 . . . , 780 nm integriert wird.Da physikalische Strahldichten meßbare Funktionen sind, ist das Ersetzen derSummation uber Wellenlangenintervalle bestimmter Breite durch die Integrationunproblematisch.

Eine flimmerphotometrische Helligkeitsskala ist ein lineares Farbattribut undkann als lineare Funktion der Koordinaten des Farbraums geschrieben werden.Daruber hinaus ist es moglich, eine Koordinatisierung des Farbraums zu kon-struieren, in der dieses Farbattribut selbst eine Koordinate darstellt. Diese Ko-ordinate allein gibt dann die Leuchtdichte des Farbreizes an. Ein Koordinaten-system dieser Art ist das in Abschnitt 1.3.4 dargestellte Normvalenz-System. Indieser Koordinatisierung des Farbraums ist die Y -Koordinate proportional zurLeuchtdichte eines Farbreizes. Der Proportionalitatsfaktor ist das photometri-sche Strahlungsaquivalent K. Abbildung 1.7 auf Seite 20 zeigt die Farbwerteder Komponenten aλ des energiegleichen Spektrums im Normvalenz-System, dieNormspektralwerte. Die y(λ)-Funktion ist identisch mit V (λ).

Die Funktion V (λ) ist aus heutiger Sicht unbefriedigend, da ihre Werte imBereich kurzwelliger Strahlung nach neueren Daten zu niedrig sind. Von Judd

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−5

−4

−3

−2

−1

0

1

400 450 500 550 600 650 700

Wellenlange [nm]

V (λ)

V ′(λ)

....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

..............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

..........................................

.......................................................

..............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

..................................

........

...

Abbildung 2.1. Relative spektrale Hellempfindlichkeitsgrade fur Tages- und Nachtse-

hen. Die Kurve mit dem Maximum bei 507 nm ist V ′(λ), der normierte Hellempfind-

lichkeitsgrad fur Nachtsehen. Die durchgezogene Kurve mit dem Maximum bei 555

nm ist der normierte Hellempfindlichkeitsgrad fur Tagessehen V (λ) und die gepunk-

tete Kurve ist die Korrektur von Judd (1951, zit. nach Wyszecki & Stiles, 1982). Die

Darstellung ist logarithmisch. Die relative vertikale Lage der Kurven fur Tages- und

Nachtsehen deutet die unterschiedliche absolute Empfindlichkeit zwischen Zapfen-

und Stabchensehen an. Sie druckt sich auch im Unterschied vom photopischen (K =

683 lm/W) zum skotopischen (K = 1700 lm/W) Strahlungsaquivalent aus.

(1951, zit. nach Wyszecki & Stiles, 1982) wurde deshalb eine Korrektur vorge-schlagen, die im Bereich von Forschungsarbeiten der ursprunglichen Form vonV (λ) vorzuziehen ist. Sie wird ublicherweise als ,,die von Judd (1951) modifi-zierte Form der V (λ)“ bezeichnet. Eine Veranderung des Hellempfindlichkeits-grades hat naturlich auch eine Veranderung der Koordinaten des Normvalenz-Systems zur Folge, da eine dieser Koordinaten ja proportional zur Leuchtdichteist. Farbwertanteile des modifizierten Systems werden mit x′, y′, z′ bezeichnet.Abbildung 2.1 zeigt eine logarithmische Darstellung von V (λ) mit der Korrekturvon Judd.

Neben dem spektralen Hellempfindlichkeitsgrad V (λ) fur das Tagessehen,wurde fur das durch Stabchen vermittelte Nachtsehen ein Hellempfindlichkeits-grad V ′(λ) normiert, der sich von V (λ) in der Form nur wenig, in der Lagedes Maximums aber stark unterscheidet (Abb. 2.1). Die Funktion V ′(λ) hatihr Maximum bei einer Wellenlange von 507 nm. Durch diese Verschiebung derHellempfindlichkeit zu kurzwelliger Strahlung kann bei Dunkeladaptation eineUmkehr der relativen Helligkeit verschiedener Reize zueinander auftreten, einPhanomen, das als Purkinje-Effekt bezeichnet wird. Bemerkenswert ist auch,daß im Bereich langwelliger Strahlungen die absolute Empfindlichkeit des Zap-fensystems großer ist, als die des Stabchensystems.

2.2.3 Nichtlineare Helligkeitsskalen

Die oben beschriebenen Methoden zur Konstruktion von Helligkeitsskalen ge-hen alle von einer Aquivalenzrelation ∼H auf der Menge der Farbreize aus. Die

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empirischen Bedingungen fur die Existenz einer Helligkeitsskala, wie die derLeuchtdichte, sind in der Aussage zusammengefaßt, daß 〈A,⊕, ∗,∼H〉 eine 1-chromatische Graßmann-Struktur ist. Durch die Forderung, daß FarbgleichheitHelligkeitsgleichheit impliziert, wird die Reprasentation der Helligkeit durch einlineares Funktional im Farbraum moglich. Aus dem Eindeutigkeitsteil von Theo-rem 1.1 folgt, daß eine solche Helligkeitsskala eine Verhaltnisskala, also eindeutigbis auf Transformationen der Form h′ = αh, mit α = 0, ist. Durch eine einfacheZusatzbedingung kann der Faktor α, wie bei Verhaltnisskalen ublich, auf R

+

beschrankt werden (etwa: h(a⊕ b) ≥ h(a)).Auch wenn durch das Skalenniveau einer solchen Helligkeitsskala etwa Quo-

tienten von Skalenwerten empirisch bedeutsam sind, so sind Aussagen wie ,,Reiza ist k-mal so hell wie Reiz b, denn h(a) = k h(b)“ mit Vorsicht zu interpretie-ren. Der Grund ist, daß die Aussage der k-fachen Helligkeit nur indirekt ubereine Aquivalenz der Form a ∼H k ∗ b validiert ist. Der empirische Gehalt dieserAussage ist, daß ein Reiz der k-fachen Strahlungsintensitat von b genauso hellaussieht, operationalisiert durch das entsprechende Kriterium, wie der Reiz a.Das muß nicht heißen, daß ein Beobachter, der gebeten wird, zu b einen Reiz derk-fachen Helligkeit herzustellen, den Reiz k ∗ b herstellt. Der Grund ist, daß ausder Aquivalenzrelation keine Vorhersagen fur direkte Urteile uber Helligkeitsun-terschiede abgeleitet werden konnen. Soll eine Verhaltnisskala Vorhersagen uberdirekt wahrgenommene Unterschiede erlauben, dann muß sie mit Hilfe einer Re-lation fundiert werden, die Aussagen uber Unterschiede enthalt.

Zur Konstruktion von Helligkeitsskalen mit direkten Urteilen uber Hellig-keitsunterschiede eignen sich die bekannten Skalierungsmethoden fur psycholo-gische Großen: Differenzen-Skalierung, Mittenbildung oder im Fall der Helligkeitauch additiv verbundene Messung (vgl. hierzu Krantz, Luce, Suppes und Tver-sky, 1971). Bei der Mittenbildungsmethode etwa werden der Versuchsperson zweiReize a und b vorgelegt und sie hat die Aufgabe einen Reiz m(a, b) herzustellen,dessen Helligkeit genau in der Mitte zwischen der Helligkeit von a und der von bliegt. Ein Experiment dieser Art wurde von Plateau (1872, zit. nach Falmagne,1985) durchgefuhrt. Die Urteile der Versuchspersonen waren skalar invariant, dieAbbildung m homogen:

t ∗m(a, b) = m(t ∗ a, t ∗ b).Von Falmagne (1985) wird gezeigt, daß aus dieser Bedingung und der Reprasen-tation der Operation m als arithmetisches Mittel, folgt, daß eine Helligkeitsskalaψ, die diese Urteile reprasentiert, entweder die Form

ψ(a) = α logL(a) + β

oder die Formψ(a) = αL(a)β + γ (2.8)

haben muß (L(a) soll die Leuchtdichte, bzw. ein lineare Helligkeitsskala sein).Beide Formen sind mit einer skalar und additiv invarianten Relation ∼H vertrag-lich, es kann weiterhin a ∼H b gdw. ψ(a) = ψ(b) und a ∼H b gdw. a⊕ c ∼H

b⊕c gelten. Die Funktion ψ wird jedoch nicht additiv sein: ψ(a⊕b) = ψ(a)+ψ(b).Die ψ-Helligkeit einer Mischung (a ⊕ b) kann nicht einfach als Summe der ψ-Helligkeiten der Komponenten berechnet werden. Die Reprasentation der Mit-tenbildungsoperation durch die Skala ψ fuhrt also zum Verlust einer einfachenReprasentation der Operation ⊕. Fur die meisten praktischen Anwendungenwird heute Gleichung (2.8) als psychophysische Funktion der Helligkeit ange-nommen. Der Wert des Exponenten liegt etwa bei 1/3 (Wyszecki & Stiles, 1982,S. 494). Die Parameter α und γ hangen von den Beobachtungsbedingungen ab.

Benutzt man nicht wie Plateau unbunte, sondern beliebige Farbreize, dannkompliziert sich die Situation erheblich, denn bei mehreren Experimenten mit di-rektem Helligkeitsvergleich wurde ein nicht-monotoner Zusammenhang zwischenHelligkeit und Strahlungsintensitat gefunden (Guth et al., 1969). Da in jedemFall Helligkeit als Farbattribut eine Funktion der Farbkoordinaten darstellt, istdie additiv verbundene Messung (Krantz et al. 1971, Kap. 6) eine geeignete Me-thode, um die Abhangigkeit der Helligkeit verschiedenfarbiger Lichter von denFarbkoordinaten zu untersuchen.

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2.3 FARBFEHLSICHTIGKEIT

Fur die weit uberwiegende Mehrzahl aller Personen sind die Bedingungen vonDefinition 1.4 fur m = 3 empirisch gultig. Das Farbensehen dieser Personen isttrichromatisch, ihr Farbraum dreidimensional. Daneben gibt es aber eine Gruppevon Personen, die beim Herstellen von Farbgleichungen mit zwei oder gar einemPrimarreiz auskommen. Man nennt diese Personen Dichromaten oder Monochro-maten, je nach der Anzahl der notwendigen Primarreize. Ihre Daten sind fur diePsychologie des Farbensehens von besonderer Bedeutung, weil sie—zumindest ineinigen Formen—eine vereinfachte Analyse des Farbensehens ermoglichen. Un-ter bestimmten Hypothesen uber das Zustandekommen der Farbfehlsichtigkeitenkonnen aus solchen Daten auch wichtige Informationen uber trichromatischesFarbensehen gewonnen werden.

Der erste systematische Versuch, die Struktur des Farbensehens mit Hilfeder Daten von Farbfehlsichtigen genauer zu analysieren wurde von Konig undDieterici (1893) durchgefuhrt. Aufbauend auf den theoretischen Vorstellungenvon Thomas Young, James Clerk Maxwell und Hermann von Helmholtz nah-men Konig und Dieterici (1893) an, daß fur die ,,Dimensionstatsache“ (die Drei-dimensionalitat des normalen Farbensehens) drei Typen von Rezeptoren mitunterschiedlicher spektraler Empfindlichkeit verantwortlich sind. Farbfehlsich-tigkeit wird durch eine ,,Reduktionshypothese“ erklart: Trichromaten besitzenRezeptoren aller drei Arten, bei Dichromaten kommen nur zwei, bei Monochro-maten nur ein Rezeptortyp vor. Eine wichtige Konsequenz dieser Hypotheseist, daß Farbfehlsichtige die Farbgleichungen von Normalsichtigen akzeptierenmussen, ein Sachverhalt der bei der uberwiegenden Mehrzahl der Fehlsichtigkei-ten empirisch bestatigt wird.

Es treten drei Typen von Dichromaten auf, die nach von Kries (1897) alsProtanopen, Deuteranopen und Tritanopen bezeichnet werden. Protanopen undDeuteranopen konnen Farbreize, die fur normalsichtige Personen gelb-grun bisrot-orange erscheinen, nicht unterscheiden (,,Rot/Grun-Blindheit“), wobei je-doch Protanopen eine erheblich hohere Intensitat langwelliger Strahlung benoti-gen, um Farbgleichheit mit einer Strahlung mittlerer Wellenlange herzustellen.Bei ihnen fehlt der fur langwellige Strahlung empfindliche Rezeptortyp. NachPokorny, Smith und Verriest (1979) sind 2 % der mannlichen und 0.03 % derweiblichen europaischen Bevolkerung Dichromaten. Protanopen und Deuterano-pen kommen etwa gleich haufig vor. Tritanopen sind sehr viel seltener (wenigerals 0.01 %), als die anderen beiden Formen der Farbfehlsichtigkeit. Sie konnenFarbreize, die fur normalsichtige Personen zwischen Blau und Gelb liegen nichtunterscheiden.

Neben den reinen Formen der Dichromasie kommen die drei erwahnten Ty-pen auch in abgeschwachter Form als Anomalien vor, bei denen zwar grundsatz-lich ein dreidimensionales Farbensehen vorliegt, die Diskriminationsleistung inden entsprechenden Bereichen aber gegenuber der Normalsichtigkeit erheblicheingeschrankt ist. Etwa 4.5 % der mannlichen Europaer sind deuteranomal, etwa0.8 % sind protanomal. Nur etwa 0.4 % der weiblichen europaischen Bevolkerunghaben eine der beiden Anomalien.

Als Extremform sind auch Monochromaten bekannt, Personen mit eindi-mensionalem ,,Farben“-sehen. Dabei handelt es sich haufig um extreme Defektedes Zapfensystems, die von weiteren visuellen Beeintrachtigungen begleitet sind,wie mangelhafte foveale Sehscharfe, Nystagmus und extreme Lichtempfindlich-keit, die darauf hindeuten, daß bei diesen Personen nur das Stabchen-Systemintakt ist. Es sind aber auch Monochromaten ohne diese Nebenerscheinungenbekannt (Alpern, 1974). Eine ausfuhrliche Darstellung aller Formen von angebo-renen und erworbenen Farbfehlsichtigkeiten ist in Pokorny, Smith, Verriest undPinckers (1979) zu finden. Die genetische Kodierung der Tri- und Dichromasienwurde von Nathans, Thomas und Hogness (1986) aufgeklart.

2.3.1 Dichromatische Unterraume

Wir bezeichnen die von Protanopen, Deuteranopen und Tritanopen auf derMenge der Farbreize erzeugten Aquivalenzrelationen mit ∼P , ∼D und ∼T . Fer-

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ner gehen wir davon aus, daß alle diese Fehlformen die Farbgleichungen vonnormalsichtigen Personen akzeptieren. Aus diesem Grund ist die Relation ∼ injeder der drei speziellen Aquivalenzrelationen enthalten:

(∼P ∩ ∼D ∩ ∼T ) ⊃ ∼ .

Das Ziel der folgenden Uberlegungen nach Suppes at. al (1989) ist die Konstruk-tion eines Farbraums, der gleichzeitig die Farbgleichungen von normalsichtigenund von farbfehlsichtigen Personen reprasentiert. Wir betrachten dazu die Struk-tur 〈A,⊕, ∗,∼,∼P 〉, wobei 〈A,⊕, ∗,∼〉 eine 3-chromatische Graßmann-Struktur,〈A,⊕, ∗,∼P 〉 eine 2-chromatische Graßmann-Struktur und ∼ eine Teilmenge von∼P sein soll: ∼P ⊃∼. Wegen Theorem 1.1 gibt es dann eine homomorphe Ab-bildung φ von 〈A,⊕, ∗,∼〉 auf die Struktur 〈C,+, ·,=〉, in der C ein konvexerKegel aus einem 3-dimensionalen Vektorraum A∗ ist. Auf C kann durch

φ(a) =P φ(b) gdw. a ∼P b

eine Aquivalenzrelation =P definiert werden. Sie ist wohldefiniert, denn ausφ(a) = φ(a′) und φ(b) = φ(b′) folgt a ∼ a′ und b ∼ b′, und, da ∼P die Re-lation ∼ enthalt, auch a ∼P a′ und b ∼P b′. Wegen der Transitivitat von ∼P

gilt daher a ∼P b gdw. a′ ∼P b′. Die Struktur 〈C,+, ·,=P 〉 ist dann eine 2-chromatische Graßmann-Struktur und die Abbildung φ ist ein Homomorphismusvon 〈A,⊕, ∗,∼P 〉 auf 〈C,+, ·,=P 〉. Da letztere eine 2-chromatische Graßmann-Struktur ist, gibt es eine homomorphe Abbildung φ′P von 〈C,+, ·,=P 〉 auf dasRelativ 〈CP ,+, ·,=〉, wobei CP ein konvexer Kegel ist, der einen zweidimensio-nalen Vektorraum A∗

P uber R generiert. Sei φP = φ′P φ die Komposition vonAbbildungen von A uber C auf CP . φP ist dann ein Homomorphismus von〈A,⊕, ∗,∼P 〉 auf 〈CP ,+, ·,=〉.

Das Ziel ist nun die Konstruktion eines Homomorphismus φ = (φ1, φ2, φ3) derStruktur 〈A,⊕, ∗,∼,∼P 〉 auf die Struktur 〈C,+, ·,=,=P 〉, wobei = die Relation∼ und =P die Relation ∼P in der Form

[φ1(a), φ2(a), φ3(a)] =P [φ1(b), φ2(b), φ3(b)]gdw. [φ1(a), φ2(a)] = [φ1(b), φ2(b)]

gdw. a ∼P b

reprasentiert. Die Abbildung φ′P von C auf CP kann analog zum Beweis vonTheorem 1.1 auf eine Abbildung von A∗ auf A∗

P ausgedehnt werden: wir definie-ren dazu φ′P [φ(a) − φ(b)] = φ′P φ(a) − φ′P φ(b). Da die Dimension von A∗

P um 1kleiner ist, als die von A∗, ist der Kern der Abbildung φ′P ein 1-dimensionalerUntervektorraum von A∗. D.h. es gibt in A∗ einen Vektor vP = 0, der die Mengealler Vektoren v = t ·vP generiert, die von φ′P auf den Nullvektor abgebildet wer-den: φ′P (v) = 0. Der Vektor vP spannt einen Untervektorraum von A∗ auf, dernur von der Relation ∼, nicht aber von ∼P zur Diskrimination von Farbreizenbenutzt werden kann. Er wird daher als Fehlfarbe bezeichnet.

Man wahlt nun Vektoren v1, v2 in A∗ derart, daß {v1, v2, vP } eine Basis vonA∗ ist. φ1, φ2, φ3 seien die Koordinaten von φ(a) bezuglich dieser Basis:

φ(a) = φ1(a)v1 + φ2(a)v2 + φ3(a)vP .

Der Homomorphismus φ = (φ1, φ2, φ3) ist dann die gesuchte Reprasentationvon 〈A,⊕, ∗,∼,∼P 〉. Um zu zeigen, daß φ die Relation ∼P reprasentiert, geltea ∼P b. Dann ist φ′P φ(a) = φ′P φ(b), da die Komposition φ′P φ die Relation ∼P

reprasentiert. Der Vektor φ(a) − φ(b) wird daher von φ′P auf den Nullvektorabgebildet, er liegt im Kern von φ′P und es gibt ein t, so daß φ(a)−φ(b) = t ·vP .Fur die Koordinaten von φ(a) und φ(b) gilt dann

[φ1(a) − φ1(b)]v1 + [φ2(a) − φ2(b)]v2 + [φ3(a) − φ3(b) − t]vP = 0.

Da die Vektoren v1, v2 und vP linear unabhangig sind, folgt daraus φ1(a) = φ1(b)und φ2(a) = φ2(b). Die umgekehrte Argumentation ist analog zu fuhren. Es giltfolgendes Theorem (Suppes et al., 1989, S. 274):

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Theorem 2.2. Seien 〈A,⊕, ∗,∼〉 eine 3-chromatische, 〈A,⊕, ∗,∼P 〉 eine 2-chromatische Graßmann-Struktur und ∼ sei eine Teilmenge von ∼P : ∼P

⊃∼. Dann gibt es einen Homomorphismus (φ1, φ2, φ3) von 〈A,⊕, ∗,∼〉 in〈R3,+, ·,=〉, so daß (φ1, φ2) gleichzeitig ein Homomorphismus von 〈A,⊕, ∗,∼P 〉in 〈R2,+, ·,=〉 ist. Der Homomorphismus (φ1, φ2, φ3) ist eindeutig bis auf Trans-formationen der Form⎛

⎜⎜⎝φ′1φ′2φ′3

⎞⎟⎟⎠ =

⎛⎜⎜⎝

α11 α12 0

α21 α22 0

α31 α32 α33

⎞⎟⎟⎠

⎛⎜⎜⎝

φ1

φ2

φ3

⎞⎟⎟⎠ ,

wobei die Matrix (αij) vollen Rang (3) hat.

Wird neben den Relationen ∼ und ∼P auch die Relation ∼D einbezogen undauch ∼D erfullt Theorem 2.2, dann konnen Homomorphismen φ′P und φ′D vonA∗ auf Vektorraume A∗

P und A∗D konstruiert werden. Sie haben verschiedene

Kerne, da sonst ∼P =∼D ware. Es gibt daher zwei linear unabhangige VektorenvP und vD, die Fehlfarben der Protanopen und der Deuteranopen. Zusammenmit einem von {vP , vD} linear unabhangigen Vektor v1 ergibt sich dann eineBasis {v1, vP , vD}. Mit den Koordinaten (φ1, φ2, φ3), relativ zu dieser Basis,folgt aus Theorem 2.2, daß (φ1, φ2) die Graßmann-Struktur 〈A,⊕, ∗,∼P 〉 und(φ1, φ3) die Graßmann-Struktur 〈A,⊕, ∗,∼D〉 reprasentiert. Die Reprasentation(φ1, φ2, φ3) ist eindeutig bis auf Transformationen der Form⎛

⎜⎜⎝φ′1φ′2φ′3

⎞⎟⎟⎠ =

⎛⎜⎜⎝

α11 0 0

α21 α22 0

α31 0 α33

⎞⎟⎟⎠

⎛⎜⎜⎝

φ1

φ2

φ3

⎞⎟⎟⎠ .

Die Koordinate φ1 ist damit eindeutig bis auf Ahnlichkeitstransformationen. Diesist genau die Koordinate, die zur Reprasentation der dritten Form von Dichro-masie, der Tritanopie nicht benotigt wird, d.h. deren Fehlfarbe reprasentiert.

Eine Erweiterung von Theorem 2.2 um die Relation ∼T ergibt die Homo-morphismen φ′P , φ′D und φ′T mit Kernen, die durch Vektoren vP , vD und vT

generiert werden. Sind diese linear unabhangig, dann bilden sie eine Basis vonA∗ und bestimmen die Koordinaten (φ1, φ2, φ3) eindeutig bis auf Transforma-tionen der Form φ′i = αiφi. Zusammengefaßt erhalt man also folgendes Theorem(Suppes et al., 1989, S. 275):

Theorem 2.3. Sei 〈A,⊕, ∗,∼〉 eine 3-chromatische Graßmann-Struktur,〈A,⊕, ∗,∼P 〉, 〈A,⊕, ∗,∼D〉 und 〈A,⊕, ∗,∼T 〉 seien 2-chromatische Graßmann-Strukturen, (∼P ∩ ∼D ∩ ∼T ) ⊃ ∼ und die Relationen ∼P , ∼D und ∼T seienunabhangig. Dann gibt es reellwertige Funktionen φ1, φ2 und φ3 auf A, so daß(φ1, φ2, φ3) ein Homomorphismus von 〈A,⊕, ∗,∼〉 in 〈R3,+, ·,=〉 und (φ1, φ2),(φ1, φ3) und (φ2, φ3) jeweils Homomorphismen von 〈A,⊕, ∗,∼P 〉, 〈A,⊕, ∗,∼D〉und 〈A,⊕, ∗,∼T 〉 in 〈R2,+, ·,=〉 sind. Diese Funktionen sind eindeutig bis aufTransformationen der Form φ′i = αi φi mit αi = 0 fur i = 1, 2, 3.

Eine empirische Definition fur die Unabhangigkeit der Relationen ∼P , ∼D

und ∼T geben Suppes et al. (1989). Fur uns genugt es, die Unabhangigkeit derAquivalenzrelationen ∼P , ∼D und ∼T mit der linearen Unabhangigkeit der Vek-toren vP , vD und vT zu identifizieren. Die Existenz der Funktionen φi folgt ausden gleichen Uberlegungen wie bei Theorem 2.2. Auch die Eindeutigkeitseigen-schaften sind leicht abzuleiten: Angenommen die Funktionen φ′ erfullen ebenfallsdas Theorem, dann gibt es wegen Theorem 1.1 eine nichtsingulare lineare Ab-bildung T von A∗ auf R

3, so daß [φ′1(a), φ′2(a), φ

′3(a)] = T [φ(a)]. Wird dann

a und b so gewahlt, daß vT = φ(a) − φ(b), dann gilt a ∼T b, φ′2(a) = φ′2(b)und φ′3(a) = φ′3(b), da (φ′2, φ

′3) die Relation ∼T reprasentiert. Damit ist aber

T (vT ) = (φ′1(a) − φ′1(b), 0, 0). Dies gilt fur alle drei Vektoren vP , vD und vT

analog. Da diese den ganzen Farbraum erzeugen und die Abbildung T linear ist,

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Kapitel 2 Farbattribute 39

muß jede einzelne Komponente der Reprasentation φ′ eine lineare Funktion derentsprechenden Komponente von φ sein:

φ′i = αi φi, (2.9)

mit αi = 0 und i = 1, 2, 3.Die Eindeutigkeitsaussage von Theorem 2.2 zeigt, daß durch eine dichroma-

tische Aquivalenzrelation zwar die Fehlfarbe dieser Relation eindeutig bestimmtist, nicht aber deren Koordinate im Farbraum. Koordinaten sind lineare Funk-tionale im Farbraum. Um ein solches Funktional eindeutig zu bestimmen, ist dieKenntnis des Kerns der Abbildung vom Farbraum in den Koordinatenkorpernotwendig. Die Farbkoordinate φ3 wird von Protanopen nicht zur Diskrimina-tion von Farbreizen benutzt, sie wird zur Reprasentation von ∼P nicht benotigt.Von Deuteranopen und Tritanopen dagegen wird sie ausgewertet, kann alsonicht in dem durch vD und vT aufgespannten Untervektorraum liegen. Dieser2-dimensionale Untervektorraum von A∗ ist daher der Kern der Abbildung φ3

von A∗ in R und bestimmt diese eindeutig bis auf Ahnlichkeitstransformationen.

2.3.2 Fehlfarben und Grundspektralwerte

Zur Illustration der Farbreizaquivalenzen von Dichromaten lassen sich im Farb-raum Bilder von Reizmengen betrachten, die fur einen bestimmten Typ derDichromasie gleichfarbig sind. Fur jeden Farbreiz b stellt die Menge aller Reizea, fur die es einen Koeffizienten t ∈ R

+ gibt, so daß a ∼P t ∗ b, im Farbraumeine Ebene dar, die den Ursprung und den Punkt φ(b) enthalt. Da außerdemalle Farben der Form t · vP in jeder dieser Ebenen liegen mussen, ist {t · vP }deren Schnittgerade. Die Bilder dieser Ebenen stellen in der Farbtafel Gera-den dar, die durch φ(b) gehen und im Bildpunkt von {t · vP } konvergieren. DieKonvergenzpunkte fur die drei Typen der Dichromasie in der Farbtafel werdenFehlpunkte genannt. Fur zwei Punkte φ(a) und φ(b) auf einer gemeinsamen Ver-wechslungslinie eines Dichromaten gilt, daß sie fur den Dichromaten bei geeig-neten Intensitatsfaktoren farbgleich sind. Er kann also eine Farbreizaquivalenzder Form a ∼P t ∗ b herstellen, wenn φ(a) und φ(b) auf einer Verwechslungslinievon Protanopen liegen.

Die erste systematische Bestimmung von Fehlfarben wurde von Konig undDieterici (1893) durchgefuhrt. Neuere Bestimmungen der Fehlfarben stammenvon Vos und Walraven (1971), Smith und Pokorny (1972, 1975) und von Vos,Estevez und Walraven (1990). Die Tabelle in Abbildung 2.2 zeigt die Koordinatender von Smith und Pokorny (1975) benutzten Fehlfarben in der Farbtafel dernach Judd modifizierten Form des Normvalenz-Systems (nach Wyszecki & Stiles,1982, S. 615). Die Abbildung zeigt auch die Verwechslungslinien der drei Typenvon Dichromaten bezuglich dieser Fehlpunkte.

Abbildung 2.3 zeigt die Spektralwerte des energiegleichen Spektrums bezug-lich der von Smith und Pokorny (1972, 1975) gefundenen Fehlfarben als Basis-vektoren. Sie werden auch Grundspektralwerte genannt. Diese Funktionen wer-den heute als die beste Schatzung der nicht fur die Transmissionseigenschaf-ten der Augenmedien korrigierten, spektralen Absorptionsfunktionen der dreiZapfentypen der Retina betrachtet. Die ersten direkten physiologischen Messun-gen der Erregung einzelner Zapfen einer menschlicher Retina gelangen Schnapf,Kraft und Baylor (1987). Die dabei gefundenen Empfindlichkeitskurven stim-men, ebenso wie die von Baylor, Nunn und Schnapf (1987) an Macaca Fascicu-laris durchgefuhrten Messungen, sehr gut mit den aus Verhaltensdaten gewon-nenen Grundspektralwerten von Smith und Pokorny (1975) uberein.

In Abbildung 2.3 ist zu beachten, daß die relative Lage der Kurven zueinandernicht allein durch Farbaquivalenzen bestimmt werden kann. Dies geht aus Glei-chung (2.9) hervor. Die Koordinaten konnen nur eindeutig bis auf Multiplikationmit von Null verschiedenen, reellen Konstanten bestimmt werden. Dies bedeutet,daß die Einheiten der Koordinatenachsen unabhangig voneinander sind und diedrei Kurven in Abbildung 2.3 wegen der logarithmischen Darstellung beliebigvertikal verschoben werden konnen.

Um die Eindeutigkeit der Reprasentation einer Skala zu erhohen, gibt es nureine Moglichkeit: es mussen neue empirische Relationen herangezogen und durch

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die Skala reprasentiert werden. Im Fall der Grundspektralwerte werden dazu Da-ten aus Helligkeitsvergleichen benutzt. Man bezieht in die Reprasentation eineadditiv und skalar invariante Relation ∼H gleicher Helligkeit mit ein. Fur dieReprasentation φ der Farbaquivalenzen wird verlangt, daß sie auch die Hellig-keitsgleichheit reprasentiert. Aus Gleichung (2.7) folgt, daß es dann Koeffizientenki geben muß, so daß

a ∼H b gdw.3∑

i=1

kiφ′i(a) =

3∑i=1

kiφ′i(b), (2.10)

wobei φ′ ein Homomorphismus ist, der Theorem 2.3 erfullt. Aus der Theorieder additiv verbundenen Messung (Krantz et al., 1971) folgt aber, daß es danneine Reprasentation φ gibt, die sowohl Theorem 2.3, als auch Bedingung (2.10)erfullt und eindeutig bis auf Transformationen der Form φ′i = αφi mit α = 0 undi = 1, 2, 3 ist. Die drei Koordinaten haben dann eine gemeinsame Einheit. Eineempirische Interpretation der vertikalen Lage der drei Kurven aus Abbildung 2.3ist nur in diesem Fall sinnvoll. Aus Gleichung (2.10) wird dann

a ∼H b gdw.3∑

i=1

φi(a) =3∑

i=1

φi(b). (2.11)

Betrachtet man diese Aquivalenz fur zwei Reize a und b mit den Koordinatenφ(a) = (x, 0, 0) und φ(b) = (0, x, 0), dann kann man sofort sehen, daß die φi

eindeutig bis auf Multiplikation mit der gleichen Konstanten α sind. Fur dieseReize folgt namlich aus Gleichung (2.11), daß a ∼H b und damit fur jede andereReprasentation φ′ auch

3∑i=1

φ′i(a) =3∑

i=1

φ′i(b).

Wegen φ′i(a) = αiφi(a) mit α = 0 muß aber dann φ′1(a) = φ′2(b) sein und daherα1 = α2. Das gleiche gilt fur alle αi.

Von Smith und Pokorny (1975) kann allerdings die Lage der Grundspek-tralwerte fur die kurzwellig empfindlichen Rezeptoren (,,B-Rezeptoren“) nichtangegeben werden, da sie annehmen, daß diese nicht in die Gleichung (2.10)eingehen. Es wird in Ubereinstimmung mit zahlreichen empirischen Ergebnissenangenommen, daß die B-Rezeptoren nichts zur Helligkeit beitragen (Eisner &MacLeod, 1980; Cavanagh, MacLeod & Anstis, 1987). Die Kurven in Abbildung2.3 sind daher nach einem Vorschlag von Vos und Walraven (1971) so gezeich-net, daß die Große ihrer Maxima in etwa den relativen Haufigkeiten der dreiRezeptortypen in der Fovea entsprechen.

2.4 GEGENFARBEN

Ein wesentlicher Schritt zur Erweiterung der Graßmann-Struktur ist die Theorieder Gegenfarben, die auf Hering (1920) zuruckgeht und von Jameson & Hurvich(1955) zu einer quantitativen Theorie weiterentwickelt wurde. Die Gegenfar-bentheorie beruht auf der Beobachtung, daß es keine bunten Farben gibt, dieals Mischungen von Rot und Grun oder von Blau und Gelb wahrgenommenwerden, sondern daß alle bunten Farben—mit Ausnahme der vier genannten—als Mischungen einer Farbe des Paares Rot/Grun mit einer Farbe des PaaresBlau/Gelb erlebt werden. So fanden etwa Boynton und Gordon (1965) Reize,die von Versuchspersonen als Mischungen von Rot und Gelb oder von Rot undBlau beschrieben wurden, es gab jedoch keine Reize, die als Mischungen vonRot und Grun oder als Mischungen von Blau und Gelb beschrieben wurden.Diese bereits von Hering (1920) beschriebene Beobachtung wurde von Jameson& Hurvich (1955) benutzt, um eine quantitative Operationalisierung der Rot-bzw. Grun- und der Blau- bzw. Gelb-Komponenten einer Farbe anzugeben. Dazuwird die experimentelle Anordnung, wie sie in Abbildung 1.4 dargestellt ist, infolgender Weise geandert: Die Versuchsperson betrachtet ein Reizfeld vor neu-tralem Hintergrund. In diesem Reizfeld wird die physikalische Mischung zweier

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Kapitel 2 Farbattribute 41

Farbreize angeboten. Ist etwa a ein Farbreiz, der rotlich aussieht, so wird derRotanteil in a quantitativ bestimmt durch den Faktor t mit dem ein gruner Reizb in der Mischung (t ∗ b) ⊕ a vertreten sein muß, so daß die Versuchspersonsagt, der Reiz (t ∗ b) ⊕ a enthalt weder Rot noch Grun. Ist a ein Reiz, der grunaussieht, so wird fur b ein rot aussehender Reiz verwendet. Die Idee zu dieserOperationalisierung stammt nach Bruckner (1927) von Hering. Bruckner (1927)berichtet auch bereits von derartigen Experimenten, die um 1900 in HeringsLabor durchgefuhrt wurden und deren Ergebnisse in Anbetracht der damaligentechnischen Moglichkeiten gut mit den Ergebnissen von Jameson und Hurvich(1955) ubereinstimmen. Der Gehalt von Rot in einer beliebigen Farbe wird alsodurch die Intensitat bestimmt, die man benotigt, um durch Mischung mit einemfesten (grunen) Reiz diesen Rotanteil zu kompensieren.

Das Ergebnis einer derartigen Mischung, der Reiz t ∗ b ⊕ a, enthalt fur denBeobachter weder Rot noch Grun, da der gesamte Rotanteil von a durch denkompensierenden Effekt der Gegenfarbe Grun in t∗b ausgeglichen wurde. Krantz(1975b) nennt die Farbreize, die fur eine Versuchsperson weder Rot noch Grunenthalten, ,,Rot/Grun-Aquilibria“. Analog dazu heißen die Farbreize aus A, dieweder Blau noch Gelb enthalten, ,,Blau/Gelb-Aquilibria“. Ist nun A1 die Mengeder Rot/Grun-Aquilibria und A2 die Menge der Blau/Gelb-Aquilibria, so mussenalle Farbreize in A1 fur einen Beobachter blau, gelb oder unbunt und alle Far-breize in A2 rot, grun oder unbunt aussehen. Die Teilmenge der unbunten Far-breize von A ist genau der Durchschnitt von A1 und A2.

Wir gehen in der folgenden Formalisierung des beschriebenen Experimentsvon einer Graßmann-Struktur 〈A,⊕, ∗,∼〉 aus. Ai mit i = 1, 2 seien Teilmengenvon A, also etwa A1 die Menge der Rot/Grun-Aquilibria und A2 die Mengeder Blau/Gelb-Aquilibria. Die folgenden Bedingungen sollen die Quantifizierungder Gegenfarbenanteile durch die Konstruktion skalar und additiv invarianterFarbattribute ermoglichen.

Definition 2.5. Sei 〈A,⊕, ∗,∼〉 eine 3-chromatische, eigentliche Graßmann-Struktur (Def. 1.3) und A1 und A2 seien Teilmengen von A. Dann ist〈A,⊕, ∗,∼, A1, A2〉 eine Gegenfarbenstruktur wenn fur alle a, b aus A und alle taus R

+ fur i = 1, 2 gilt:1. wenn a ∼ b und a ∈ Ai, dann ist b ∈ Ai;2. wenn a ∈ Ai, dann ist t ∗ a ∈ Ai und es ist b ∈ Ai gdw. a⊕ b ∈ Ai;3. es gibt ai, bi ∈ (A1 ∪A2) −Ai, so daß ai ⊕ bi ∈ Ai.

Bedingung 1 sichert, daß die Gegenfarben als Farbattribute dargestellt werdenkonnen, denn Reize, die gleichfarbig sind, gehoren der gleichen Gegenfarben-menge Ai an. Bedingung 2 fordert, daß die Gegenfarbenmengen abgeschlos-sen sind gegenuber der additiven Farbreizmischung und gegenuber der Inten-sitatsanderung. Fur die Farbattribute bedeutet dies, daß sie additiv und skalarinvariant sind. Bedingung 3 sichert die Existenz von Komplementarfarbreizen,die miteinander gemischt unbunt aussehen und fur andere Farben als Kompen-sationsreize dienen konnen.

Seien ai, bi mit i = 1, 2 wie in Bedingung 3 gefordert und a3 sei ein Elementaus A1∩A2, z. B. a3 = a1⊕ b1. Dann laßt sich zeigen, daß a1, a2, a3 Primarreizeder Graßmann-Struktur darstellen, d.h. Bedingung 2 von Definition 1.4 erfullen.Ware das nicht der Fall, dann mußte eine nichttriviale Form der Gleichung

(t1 ∗ a1) ⊕ (t2 ∗ a2) ⊕ (t3 ∗ a3) ∼ (u1 ∗ a1) ⊕ (u2 ∗ a2) ⊕ (u3 ∗ a3) (2.12)

gelten. Wegen der additiven Invarianz der Relation ∼ kann zu beiden Seitendieser Gleichung u1 ∗ b1 addiert und die rechte Seite dann zu

[u1 ∗ (a1 ⊕ b1)] ⊕ (u2 ∗ a2) ⊕ (u3 ∗ a3)

umgeformt werden. Da jede einzelne Komponenten dieser Mischung aufgrundder Annahmen und der Bedingungen in Definition 2.5 in A1 ist, muß auch dieMischung und damit auch der Reiz auf der linken Seite von Gleichung (2.12)in A1 sein. Da auch von der (mit u1 ∗ b1 gemischten) linken Seite von (2.12)alle Komponenten als in A1 enthalten angenommen wurden, muß dies auch fur

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Kapitel 2 Farbattribute 42

(t1 ∗ a1) ⊕ (u1 ∗ b1) gelten. Daraus folgt aber, daß t1 = u1. Denn ware etwat1 > u1, dann mußte im Widerspruch zur Voraussetzung wegen

[(t1 − u1 + u1) ∗ a1] ⊕ (u1 ∗ b1) = (t1 − u1) ∗ a1 ⊕ [u1 ∗ (a1 ⊕ b1)]

(t1 − u1) ∗ a1 und damit auch a1 in A1 sein. Eine analoge Begrundung gilt furt2 = u2. Gleichung (2.12) reduziert sich deshalb auf t3 ∗a3 ∼ u3 ∗a3 mit t3 = u3.Dies kann aber nicht gelten, da dann mit

(t3 − u3) ∗ a3 ⊕ u3 ∗ a3 ∼ u3 ∗ a3

die Annahme von Definition 2.5 verletzt ware, daß die Graßmann-Struktur ei-gentlich ist. Damit ist bewiesen, daß Gleichung (2.12) nur fur t1 = u1 mit i= 1, 2 gelten kann und a1, a2, a3 daher Primarreize der Graßmann-Struktur〈A,⊕, ∗,∼〉 darstellen. Wegen Bedingung 1 von Definition 1.4 gibt es dann furjeden Reiz a in A eine nichttriviale Aquivalenz der Form

a⊕ (t1 ∗ a1) ⊕ (t2 ∗ a2) ⊕ (t3 ∗ a3) ∼ (u1 ∗ a1) ⊕ (u2 ∗ a2) ⊕ (u3 ∗ a3). (2.13)

Sei φi(a) = ui − ti die i-te Koordinate bezuglich der Primarreize a1, a2, a3. Ista ∈ Ai, dann kann die gleich Argumentation wie bei Gleichung (2.12) benutztwerden, um zu zeigen, daß dann ti = ui gelten muß. Umgekehrt impliziert ti = ui

in (2.13), daß a ∈ Ai. Damit ist fur i = 1, 2 φi(a) = 0 gdw. a ∈ Ai.Ist in Gleichung (2.13) fur ein i ti > ui, dann kann nach Hinzuaddieren

von ui ∗ bi auf beiden Seiten gezeigt werden, daß a ⊕ [(ti − ui) ∗ ai] ∈ Ai undentsprechend fur ui > ti, daß a ⊕ [(ui − ti) ∗ bi] ∈ Ai. Daraus folgt, daß furjeden beliebigen Reiz a ∈ Ai ein Koeffizient φi(a) existiert, so daß entwedera⊕ [φi(a) ∗ ai] oder a⊕ [φi(a) ∗ bi] in Ai ist.

Ist a ∈ A1 ∩A2, dann reduziert sich Gleichung (2.13) auf die Aquivalenz

a ∼ φ3(a) ∗ a3.

Der Koeffizient φ3 muß daher positiv sein und stellt gleichzeitig eine Reprasen-tation der 1-chromatischen Graßmann-Struktur 〈A1 ∩A2,⊕, ∗,∼〉 dar. Durchdiese Uberlegungen ist das folgende Theorem bewiesen (Suppes et al., 1989, S.283):

Theorem 2.4. Sei 〈A,⊕, ∗,∼, A1, A2〉 eine Gegenfarbenstruktur. Dann gibt eses reelle Funktionen φ1,φ2,φ3 auf A mit folgenden Eigenschaften:

1. φ = (φ1, φ2, φ3) ist ein Homomorphismus von 〈A,⊕, ∗,∼〉 in 〈R3,+, ·,=〉,der die Bedingungen 1 bis 4 von Theorem 1.1 erfullt;

2. fur i = 1, 2 ist a in Ai gdw. φi(a) = 0.Sind φ′1, φ

′2, φ

′3 andere Funktionen mit diesen Eigenschaften, dann gibt es Kon-

stanten α1, α2, β1, β2 und β3, so daß α1, α2 und β3 von Null verschieden sindund gilt ⎛

⎜⎜⎝φ′1φ′2φ′3

⎞⎟⎟⎠ =

⎛⎜⎜⎝

α1 0 0

0 α2 0

β1 β2 β3

⎞⎟⎟⎠

⎛⎜⎜⎝

φ1

φ2

φ3

⎞⎟⎟⎠ .

Die Funktionen φ1 und φ2 sind also eindeutig bis auf Maßstabs- und Vorzei-chenanderungen.

Die axiomatische Formulierung zeigt alle impliziten Annahmen auf, die beider Quantifizierung der Gegenfarbenkomponenten nach der oben beschriebenenMethodik gemacht werden mussen. Dabei sind vor allem die empirischen Bedin-gungen 2 von Definition 2.5 bedeutsam, da sie fur die Linearitat der Gegenfar-benattribute sorgen.

In den Aufhebungsexperimenten von Jameson und Hurvich (1955) wurdendiese Bedingungen nicht uberpruft, sondern die Gegenfarbenkoeffizienten wur-den als Farbattribute empirisch bestimmt. Zur Bestimmung des Rot/Grun-Ko-effizienten φ1(a) eines Reizes a kann man eine Vorgehensweise wahlen, die anden Beweis von Theorem 2.4 angelehnt ist. Man wahlt einen roten Reiz a1 und

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Kapitel 2 Farbattribute 43

einen grunen Reiz b1, so daß a1 ⊕ b1 weder Rot noch Grun enthalt (Bed. 3 vonDef. 2.5) zur Verwendung als Loschreize. Zu einem Reiz a, der Rot enthalt, wirddann t∗b1 gemischt, so daß die Mischung a⊕(t∗b1) kein Rot mehr enthalt. Siehta grun aus, dann wird t∗a1 hinzugemischt, so daß die Mischung kein Grun mehrenthalt. Im ersten Fall setzt man φ1(a) = t, im zweiten Fall φ1(a) = −t. Reizea, die weder Rot noch Grun enthalten, bekommen den Skalenwert φ1(a) = 0.Zur Bestimmung des Blau/Gelb-Koeffizienten φ2 wahlt man einen blauen Reiza2 und einen gelben Reiz b2, so daß a2 ⊕ b2 weder Blau noch Gelb enthalt,als Loschreize und fuhrt das analoge Experiment durch. Ergibt sich fur einenTestreiz a die Bedingung a⊕ (t ∗ a2) ∈ A2, dann setzt man φ2(a) = t und ergibtsich a⊕ (t ∗ b2) ∈ A2, dann setzt man φ2(a) = −t.

Abbildung 2.4 zeigt Ergebnisse von Messungen dieser Art, die von Wernerund Wooten (1979b) aus den Daten mehrerer Experimente berechnet wurden.Dargestellt sind die Gegenfarbenkoeffizienten φi(aλ) der Komponenten aλ desenergiegleichen Spektrums. Die Interpretation dieser Ergebnisse im Sinne vonTheorem 2.4 verlangt allerdings eine Uberprufung der empirischen Vorausset-zungen der Gegenfarbenstruktur, wie sie in Definition 2.5 formuliert sind. Liegteine solche Prufung nicht vor, dann ist eine Interpretation der Gegenfarbenko-effizienten als Koordinaten des Farbraums nicht zulassig, was die ausfuhrlichenUberlegungen zur Struktur von Farbattributen in Abschnitt 2.1 belegen.

Von Larimer, Krantz & Cicerone (1974, 1975) wurden die Linearitatsbedin-gungen der Gegenfarbenstruktur empirisch gepruft. Sie wurden fur die Rot/Grun-Koeffizienten bestatigt (Larimer et al., 1974). Fur die Blau/Gelb-Koeffizientenwurden jedoch deutliche Verletzungen der Bedingungen 2 von Definition 2.5 ge-funden (vgl. hierzu auch Suppes et al., 1989). Der Blau/Gelb-Anteil einer Farbeist damit nicht durch einen linearen Code zu beschreiben. Zu ahnlichen Er-gebnissen kommen Werner & Wooten (1979a) mit einer Methodik, bei der dieVersuchspersonen direkt den Gehalt von Rot/Grun bzw. Blau/Gelb nennen.

Eine Erganzung der Gegenfarbentheorie ist durch das Einbeziehen der Hel-ligkeit als dritte unabhangige Komponente moglich. Gelingt es, einen linearenCode der Helligkeit von Farben zu finden, dann kann dieser durch die Koordi-nate φ3 reprasentiert werden, so daß damit die Reprasentation φ eindeutig bisauf Maßstabsanderungen ware: φ′i = αiφi, mit αi = 0, i = 1, 2, 3. Helligkeits-skalen sind jedoch in der Regel nicht linear, so daß eine solche Reprasentationnur fur die in Abschnitt 2.2 beschriebenen, skalar und additiv invarianten Ope-rationalisierungen der Helligkeit sinnvoll ist. Abbildung 2.5 geht von linearenGegenfarbenachsen aus und zeigt deren Lage in der Farbtafel. Die Farborte derreinen Gegenfarben wurden aus den Daten von Abbildung 2.4 abgelesen.

Die hier beschriebene Axiomatisierung der Gegenfarbentheorie von Krantz(1975b) lehnt sich sehr eng an die experimentelle Technik der Konstruktion vonGegenfarbenanteilen durch die Loschung des Farbtons, wie sie auf Seite 42 be-schrieben ist, an. Da diese Konstruktion physikalisch realisierbare Primarreizeai und deren Komplemente bi benotigt, werden die Primarreize ai nicht not-wendig auf die Basisvektoren zu den Koordinaten (φ1, φ2, φ3) von Theorem 2.4abgebildet, da in Theorem 2.4 die dritte Koordinate keine eindeutige Nullebenebestimmt und die Primarreize a1 und a2 nicht, wie von Schrodinger (1925) und inAnlehnung daran auch von Scheibner und Wolf (1985) gefordert, leuchtdichtefreisind.

Eine entsprechende Modifikation ist aber leicht moglich. Man erweitert dazudie Gegenfarbenstruktur 〈A,⊕, ∗,∼, A1, A2〉 um eine additiv und skalar invari-ante Aquivalenzrelation ∼H fur gleiche Helligkeit, so daß 〈A,⊕, ∗,∼H〉 eine 1-chromatische, eigentliche Graßmann-Struktur ist, die durch eine Koordinate φ3

bezuglich eines Primarreizes a3 ∈ A1∩A2 reprasentiert werden kann. Die Hellig-keit der Primarreize kann dann durch Aquivalenzen der Form ai ∼H βi ∗ a3 be-stimmt werden. Man erhalt φ3(a1) = β1, φ3(a2) = β2 und φ3(a3) = 1. Die neuenGegenfarbenkoordinaten ψ1 und ψ2 werden dann im Farbraum A∗ bezuglich derAufhebungsfarben [a1, β1 ∗a3] und [a2, β2 ∗a3] als Basisvektoren bestimmt. Diesgeschieht fur jeden Reiz c uber die Beziehung

[c, 0] + ψi · [ai, βi ∗ a3] ∈ A∗i ,

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Kapitel 2 Farbattribute 44

wobei A∗i die Bilder der Mengen Ai in A∗ sind. Man erhalt

[c⊕ ψi ∗ ai, ψi ∗ βi ∗ a3] ∈ A∗i ,

was empirisch bedeutet, daß c ⊕ ψi(c) ∗ ai ∈ Ai sein muß, da, wie man sichleicht klar machen kann, fur alle a′, b′ aus Ai gilt [a, a′] ∈ Ai gdw. [a, b′] ∈ Ai,eine einfache Folge der Bedingung 2 von Definition 2.5. Die auf diese Weisedefinierten Koordinatenwerte ψ1 und ψ2 sind daher mit den Koordinatenwertenφ1 und φ2 aus Theorem 2.4 identisch. Sie beziehen sich allerdings nicht aufdie Primarfarben [a1, 0] und [a2, 0], sondern auf die Vektoren [a1, β1 ∗ a3] und[a2, β2 ∗ a3] mit φ([ai, βi ∗ a3]) = φ(ai) − βiφ(a3) fur i = 1, 2 als Basisvektoren.Diese liegen in der nach Schrodinger (1925) ,,Alychne“ genannten, lichtlosenEbene, da ihre φ3-Koordinate den Wert 0 hat.

Eine ahnliche Koordinatisierung der Gegenfarbenstruktur, bei der die Gegen-farbenachsen ebenfalls im Kern des Leuchtdichtefunktionals liegen, wird in derFarbfernsehtechnik angewandt (Lang, 1978). Die Leuchtdichte φ3 eines Bildeswird von der ,,Chrominanz“ (φ1, φ2) abgetrennt und so ubertragen, daß dasEmpfangssignal auch von Schwarz-Weiß-Empfangern dekodiert werden kann.Das Chrominanzsignal ist leuchtdichtefrei und benutzt Basisvektoren, die denAchsen der Gegenfarbenstruktur ahnlich sind.

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Kapitel 2 Farbattribute 45

0.0

0.2

0.4

0.6

0.8

y′

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8

x′

Protanopen

••494

.......................................................................................................................................

......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

................................................................

.......................................................

................................................

..........................................

0.0

0.2

0.4

0.6

0.8

y′

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8

x′

Deuteranopen

• 501

.......................................................................................................................................

......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

.............................................................

..............................................

......................................................

0.0

0.2

0.4

0.6

0.8

y′

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8

x′

Tritanopen

•570

.......................................................................................................................................

......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

..

..

..

..

..

..

..

..

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..

..

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..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

.

................................................

..........................................

........................................

x′ y′ λ

P 0.7465 0.2535 494

D 1.4000 −0.4000 501

T 0.1748 0.0000 570

Abbildung 2.2. Verwechslungslinien von Protanopen, Deuteranopen und Tritanopen

und Farbwertanteile der von Smith & Pokorny (1975) angegebenen Fehlfarben fur

die drei Arten von Dichromasien. Die Koordinaten beziehen sich auf die von Smith

& Pokorny (1975) benutzte, von Judd (1951, zit. nach Wyszecki & Stiles, 1982)

modifizierte Form der Normfarbtafel. Aus den Verwechslungslinien kann abgelesen

werden, daß es fur jeden Typ von Dichromasie einen spezifischen monochromatischen

Farbreiz aλ geben muß, der fur farbfehlsichtige Personen dieses Typs farbgleich zum

energiegleichen Spektrum ist. Die Wellenlangen dieser Reize sind in der Abbildung

und in der letzten Spalte der Tabelle angegeben.

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Kapitel 2 Farbattribute 46

−5

−4

−3

−2

−1

0

400 450 500 550 600 650 700

Wellenlange [nm]

r(λ)

g(λ)

b(λ)...................................................................................................................................................

.............................................................

................................................................................................................................................................................................................................

............................................................

...............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

..................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

.......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

.......................................................................................................................................

.......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

Abbildung 2.3. Grundspektralwerte nach Smith und Pokorny (1975). Die Ordinate

ist logarithmisch skaliert, um den großen Unterschied zwischen den Maxima darstellen

zu konnen. Die Skalierung der drei Funktionen ist so, daß die relativen Maxima in

etwa den relativen Haufigkeiten der drei Rezeptortypen in der Fovea entsprechen.

−2.0

−1.5

−1.0

−0.5

0.0

0.5

1.0

1.5

400 450 500 550 600 650 700

Wellenlange [nm]

Rot

Blau

Grun

RotGelb

• ••

• • ••

••

• ••

•• •

••

•• • • • •◦

◦◦

◦◦

◦ ◦◦ ◦ ◦ ◦

◦◦

◦ ◦ ◦ ◦ ◦ ◦ ◦ ◦. . ... . . . . . . . .

... .

................. . .

............................. . . . .

.......... . . . . . . .

. . ....................

................................ . . . . . . . . . . .

............ . . . . . . . . . . . .

Abbildung 2.4. Gegenfarbenkoeffizienten fur die monochromatischen Komponenten

aλ des energiegleichen Spektrums. Die Daten stammen aus mehreren Experimenten

und wurden von Werner und Wooten (1979b) uber die beteiligten Versuchspersonen

gemittelt. Die gefullten Kreise stellen die Rot/Grun-Koeffizienten, die offenen Kreise

die Blau/Gelb-Koeffizienten dar. Bei der Interpretation ist zu beachten, daß die Dar-

stellung in Form von spektralen Empfindlichkeitsfunktionen nur dann sinnvoll ist, wenn

die Koeffizienten skalar invariant sind, was fur die Blau/Gelb-Koeffizienten vermutlich

nicht der Fall ist (vgl. Text).

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Kapitel 2 Farbattribute 47

0.0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

0.8

0.9

y′

0.0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8

x′

.............................................................................................................

.............................

............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

. . .. . .

. . .. . .

. . .. . .

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. . .. . .

. . .. . .

. . .. . .

. . .. . .

. . ..

A1

A2

........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

.............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

473

575

503

Abbildung 2.5. Nach Judd modifizierte Normfarbtafel mit den Farborten der

Rot/Grun- (A1) und Blau/Gelb-Aquilibria (A2). Die Farborte der Aquilibria sind von

den Nullstellen der in Abbildung 2.4 dargestellten Daten von Werner & Wooten (1979)

und dem Farbort des energiegleichen Spektrums abgelesen. Fur Rot/Grun werden 473

nm (reines Blau) und 575 nm (reines Gelb) und fur Blau/Gelb wird 503 nm (reines

Grun) als Nullstelle der Funktion der Aufhebungskoeffizienten angenommen.

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Kapitel 3

Adaptation

Wenn das Auge die Farbe erblickt,so wird es gleich in Tatigkeit gesetzt,

und es ist seiner Natur gemaß, auf der Stelleeine andre, so unbewußt als notwendig, hervorzubringen,

welche mit der gegebenen die Totalitatdes ganzen Farbenkreises enthalt.

Johann Wolfgang von Goethe, 1810

Adaptation und Umfeld beeinflussen die Erscheinungsweise von Farben sosehr, daß eine davon unabhangige Zuordnung von Farbnamen zu Reizen unmoglichist. Das Licht einer Gluhlampe erscheint unter normalen Umstanden weiß, wirktaber am Abend von außen durch ein Fenster betrachtet, stark gelb eingefarbt.Manche Farben treten gar nur unter bestimmten Kontextbedingungen auf. Braunetwa kann durch einen isolierten Testreiz nur dann erzeugt werden, wenn die-ser von einem hellen Umfeld umgeben ist. Vor dunklem Umfeld erscheinen diegleichen Testreize dagegen gelb oder orange. Um ein tiefes Schwarz zu erzeugengenugt es nicht, einen Reiz geringer Strahlungsintensitat darzubieten, der Dar-bietung muß entweder ein Reiz hoher Intensitat vorausgehen, oder sie muß ihnals Umfeld enthalten. Erst dann entsteht der Eindruck von Schwarz.

Die experimentellen Anordnungen, die bisher betrachtet wurden, gingen da-von aus, daß die zu beurteilenden Testreize in ,,neutralem“ und vor allem kon-stantem Kontext angeboten werden. Soll das raumliche Umfeld in die Analysemit einbezogen werden, so wird dazu im einfachsten Fall eine Reizdarbietungwie in Abbildung 3.1 benotigt, mit der zwei unterschiedliche Umfeldbedingun-gen realisiert werden konnen. Fur die experimentelle Untersuchung des zeitlichenGeschehens wird ,,Kontext“ als der dem Testreiz zeitlich vorausgehende Reizoperationalisiert. In beiden Fallen wird der Einfluß des Kontextreizes auf dieErscheinungsweise des Testreizes untersucht. Die Kombination aus homogenemKontextreiz, sei es zeitlich oder raumlich wie in Abbildung 3.1, und homogenemTestreiz ist nach Evans (1964) hinreichend, um alle moglichen Farbeindrucke zuerzeugen.

Wir werden auch bei der Analyse von Kontexteffekten eine Aquivalenzrela-tion als Ausgangspunkt der theoretischen Uberlegungen benutzen. Die Aufgabefur die Versuchsperson besteht darin anzugeben, ob ein Reiz a, der im Kontextr angeboten wird, genauso aussieht, wie ein Reiz b, der im Kontext s angebotenwird. Dabei ist es fur die formalen Uberlegungen unerheblich, ob ,,Kontext“ alsraumliches Umfeld oder als Adaptationsbedingung operationalisiert wird. Dieexperimentelle Untersuchung, die in diesem Kapitel dargestellt wird, analysiertden Einfluß der Adaptation, also der zeitlich vorausgehenden Reizbedingungen,auf die Farbwahrnehmung. In Kapitel 4 werden die hier vorgestellten Methodenbenutzt, um den Einfluß des raumlichen Umfelds auf die Unterscheidbarkeit vonFarbreizen zu untersuchen.

48

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Kapitel 3 Adaptation 49

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Abbildung 3.1. Reizanordnung bei kontextubergreifenden Aquivalenzurteilen. Die

Aufgabe der Versuchsperson besteht darin anzugeben, ob der Reiz a im Kontext

r genauso aussieht wie der Reiz b im Kontext s.

3.1 KONTEXTEFFEKTE ALS TRANSFORMATIONEN IMFARBRAUM

Wir betrachten im folgenden wieder Farbreize a, b, . . . aus einer Menge A undKontextelemente r, s, . . . aus einer Menge T von Farbreizfunktionen. Fur diekontextubergreifende Relation ,,Reiz a im Kontext r sieht genauso aus, wie Reizb im Kontext s“ schreiben wir

(a, r) ∼ (b, s). (3.1)

Die Relation ∼ ist dann eine Teilmenge von (A×T )×(A×T ). Die in Kapitel 1betrachtete kontextfreie Farbaquivalenzrelation entspricht dann der Bedingung(a, r) ∼ (b, r), bei der beide Testreize im gleichen Kontext dargeboten werden.

Der oben angesprochene Sachverhalt, daß manche wahrgenommenen Farbennur unter bestimmten Kontextbedingungen auftreten, bedeutet, daß es fur man-che Kontextbedingungen r, s und Testreize a keinen zweiten Testreiz x gibt,der die Aquivalenz (a, r) ∼ (x, s) erfullt. Eine einfache funktionale Zuordnungvon Reizen im Kontext r zu Reizen im Kontext s ist daher nicht moglich. For-mal stellt dieses Problem einen Mangel an Losbarkeit dar, der die Analyse vonKontexteffekten wesentlich kompliziert. Der naheliegende Zugang zur Reprasen-tation von Kontexteffekten bestunde namlich darin, diese durch Abbildungen zuerfassen, die etwa jedem Reiz a im Kontext r einen im Kontext s aquivalentenReiz gsr(a) zuordnen. Damit wurde fur die Abbildung gsr von A in A gelten:(a, r) ∼ (gsr(a), s). Durch die mangelnde Losbarkeit ist dieser Zugang aber nichtohne weiteres moglich, da eben die Abbildung gsr nicht fur alle a in A definiertist.

Wir werden im folgenden eine Losung dieses Problems vorstellen und sie aufFarbadaptation und in Kapitel 4 auf Diskrimination anwenden. Wir benutzendazu Methoden, die von Krantz (1968) fur die Beschreibung kontextubergreifen-der Aquivalenzrelationen entwickelt wurden. Die Losung besteht darin, daß furdie Abbildungen gsr bestimmte strukturelle Annahmen gemacht werden, die esdann erlauben, sie aufgrund weniger Reizubergange zu konstruieren. Dazu wer-den nicht einzelne korrespondierende Farbreizpaare betrachtet, sondern Trans-formationen von Farbreizmengen, die eine endlich generierte Gruppenstrukturhaben. Die Vorgehensweise soll anhand von Abbildung 3.2 erlautert werden. Derobere Teil der Abbildung steht fur die einfache Aquivalenz (a, r) ∼ (b, s), die demReiz a im Kontext r den Reiz b in Kontext s zuordnet. Dieser einfache Zuganghat einerseits den Nachteil, daß er auf unbeschrankte Losbarkeit der Aquiva-lenzen angewiesen ist und er berucksichtigt andererseits nicht die strukturellenEigenschaften der Reizmenge A, da nur eine punktweise Zuordnung von Reizendurchgefuhrt wird.

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Kapitel 3 Adaptation 50

Im mittleren Teil von Abbildung 3.2 werden nicht Reize, sondern Transforma-tionen zugeordnet. Der Transformation α im Kontext r wird die Transformationδ im Kontext s zugeordnet: Aus (a, r) ∼ (b, s) folgt (α(a), r) ∼ (δ(b), s). Die we-sentliche empirische Grundlage fur die Zuordnung von Transformationen stattReizen ist, daß die Zuordnung von δ zu α unabhangig vom Reiz a ist, eine Bedin-gung, die wir spater als Kontextinvarianz bezeichnen werden. Um Losbarkeits-probleme zu vermeiden, wird schließlich im unteren Teil der Abbildung 3.2 jederTransformation in r analog zur Konstruktion des Farbraums in Abschnitt 1.2.2eine ,,Differenz“ von Transformationen zugeordnet. Der Transformation α imKontext r wird das Paar [β, γ] von Transformationen im Kontext s zugeordnet.Die Zuordnung muß auch hier unabhangig von a sein. Die Transformationsdiffe-renz [β, γ] ist dadurch bestimmt, daß β den Reiz b und γ den Reiz c auf ein undden selben Reiz β(b) = γ(c) abbilden.

Der bedeutendste Vorteil der kontextubergreifenden Zuordnung von Trans-formationen statt von Reizen besteht darin, daß auf diese Weise die Struktur derReizmenge ausgenutzt werden kann, um den Kontexteinfluß zu beschreiben. AufSeite 5 wurde bereits darauf hingewiesen, daß die Menge der Farbreize isomorphzu einer Menge von Transformationen ist, man kann sogar sagen, daß die Mengeder Farbreize von einer Menge von Transformationen generiert wird. Das gleichegilt fur den Farbraum, der ja ein endlich generierter Vektorraum ist. Gelingtes nun den Transformationen in einem Kontext Transformationen im anderenKontext zuzuordnen, dann konnen mit Hilfe der Transformationen auf empiri-sche Weise Abbildungen im Farbraum erzeugt werden, die die Kontextubergangemodellieren. Es wird sozusagen durch die kontextspezifischen Transformationenein kontextspezifischer Farbraum generiert.

Die Interpretation der Transformationen im Farbraum kann im einfachstenFall durch die von der Operation ⊕ induzierte Gruppe der Additionen von Far-breizfunktionen erfolgen. Diese Interpretation ist aber nicht zwingend, wir wer-den am Beispiel der Adaptationstheorie von Jameson und Hurvich (1964) sehen,daß die Theorie auch auf nichtlineare Funktionen im Farbraum angewandt wer-den kann. Im Kapitel 4 werden wir eine zweite Anwendung der Theorie vorstel-len, dort wird die von einem Kontextwechsel erzeugte Anderung der Diskrimi-nationsleistung untersucht.

3.2 KONTEXTUBERGREIFENDE AQUIVALENZEN

Annahmen

Fur einen homogenen Farbreiz a, der im Kontext r angeboten wird, schreibenwir (a, r). Mit a, b, c, . . . bezeichnen wir Testreize aus der Reizmenge A, mit r,s, t, . . . Kontextelemente aus der Menge T . α, β, γ, . . . stehen fur Elemente einerMenge G von Transformationen auf A. Die Relation ∼ bezeichnet eine binareRelation auf A×T , eine kontextubergreifende Aquivalenzrelation. Wir gehen vonfolgenden Bedingungen aus:

Aquivalenz. Die Relation ∼ auf A×T ist eine Aquivalenzrelation. Von Sup-pes et al. (1989, S. 252) wird darauf hingewiesen, daß allein die Existenz kon-textubergreifender Aquivalenzen weitreichende Konsequenzen hat. Gibt es nam-lich fur beliebige Paare von Kontextreizen kontextubergreifende Aquivalenzen,dann folgt daraus, daß eine Anderung der Kontextbedingungen keine neue Di-mension im Raum der wahrgenommenen Farben erzeugen kann. Der Raum derbei wechselnden Kontextbedingungen wahrgenommenen Farben muß daher diegleiche Dimension haben, wie der kontextfreie Farbraum. Die Vermutung vonEvans (1964), der Raum der wahrgenommenen Farben sei 4-dimensional, ist da-her falsch. Aus der Anzahl der unabhangigen Parameter einer Reizsituation laßtsich nicht auf die Anzahl der Dimensionen einer Empfindungsgroße schließen.

Persistenz. Fur alle a, b in A und alle r, s in T folgt aus (a, r) ∼ (b, r), daß(a, s) ∼ (b, s). Die Partition der Farbreizmenge durch die kontextubergreifendeAquivalenzrelation ist fur jeden Kontext gleich. Diese Bedingung wird von v.Kries (1905) als Persistenzsatz bezeichnet und gilt als gut validiert (Brindley,1970).

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Kapitel 3 Adaptation 51

Transformationshalbgruppe der Reize. G ist eine kommutative Halbgruppevon eineindeutigen Transformationen auf A, vollstandig bezuglich A. Eine Halb-gruppe G von Transformationen auf einer Menge A heißt vollstandig bezuglichA, wenn fur alle a, b in A Transformationen α und β in G existieren, so daßα(a) = β(b).

Transformationsinvarianz der Reize. Fur jedes α in G, alle a, b in A und rin T folgt aus (a, r) ∼ (b, r), daß (α(a), r) ∼ (α(b), r). Die kontextubergreifendeAquivalenzrelation ist also bei gleichem Kontext fur beide Testreize invariantgegenuber den Transformationen aus G. Interpretiert man die Transformationenals Addition von Farbreizfunktionen, dann ist diese Bedingung identisch mit deradditiven Invarianz der Graßmann-Struktur.

Kontextinvarianz. G ist kontextinvariant bezuglich T . Fur alle a, b, c, a′, b′,c′ in A, r, s in T und α, β, γ, β′, γ′ in G gilt: wenn

(a, r) ∼ (b, s),(α(a), r) ∼ (c, s),

(a′, r) ∼ (b′, s),

(α(a′), r) ∼ (c′, s),

β(b) = γ(c),

β′(b′) = γ′(c′),

dannβγ′ = β′γ.

Die Bedeutung der Kontextinvarianz kann man sich an Abbildung 3.2 klarma-chen. Fuhrt man die dort im unteren Teil dargestellte Konstruktion fur zweiverschiedene Ausgangsreize a und a′ durch, so daß man die Transformationenβ, β′, γ und γ′ erhalt, dann muß das Ergebnis fur a und a′ das gleiche sein.Die Differenz [β, γ] muß gleich der von [β′, γ′] sein und das bedeutet analog zuGleichung (1.3) auf Seite 11, daß die Komposition βγ′ gleich der Kompositionβ′γ sein muß.

Losbarkeit. Wenn (a, r) ∼ (b, s) und (a′, r) ∼ (b′, s), dann gibt es α, α′ in G,und c in A, so daß α(a) = α′(a′) und (α(a), r) ∼ (α′(a′), r) ∼ (c, s).

Die Zuordnung von Transformationen unter Kontextubergangen

Seien r1, . . . , rn Umfeldelemente aus T . Wir nennen sie uberlappend, falls furalle α, β in G und fur alle i, i = 1, . . . , n Reize a, a1, . . . , an, b1, . . . , bn, c1, . . . ,cn in A existieren, so daß

(a, ri) ∼ (a1, r1) ∼ . . . ∼ (an, rn)

(α(a), ri) ∼ (b1, r1) ∼ . . . ∼ (bn, rn)

(β(a), ri) ∼ (c1, r1) ∼ . . . ∼ (cn, rn).

r, s seien uberlappende Umfeldelemente aus T . Fur jedes α aus G sucht mana, b, c aus A, so daß

(a, r) ∼ (b, s)

(α(a), r) ∼ (c, s)

Wegen der Vollstandigkeit von G in A gibt es dann β, γ in G, so daß β(b) =γ(c). Die Aquivalenzklasse [β, γ] aus G∗ ist dann wegen der Kontextinvarianzunabhangig von a, b und c. Sie hangt nur von der Transformation α aus G ab.Damit ist durch diese Konstruktion eine Abbildung fsr von G in G∗ definiert:

fsr(α) = [β, γ].

Diese Abbildung ordnet jeder Transformation α im Kontext r eine Differenzvon Transformationen [β, γ] im Kontext s zu, so daß die Transformationsdiffe-renz [β, γ] im Kontext s auf jedes Element den gleichen Effekt ausubt wie dieTransformation α im Kontext r.

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Kapitel 3 Adaptation 52

Die Multiplikativitat der Transformationszuordnung

Fur uberlappende Kontexte zeigt Krantz (1968), daß die Abbildung fsr multi-plikativ ist:

fsr(αβ) = fsr(α)fsr(β).

Dies erlaubt die Ausdehnung von fsr auf G∗: Sei [α, β] ein Element von G∗. Mandefiniert

fsr([α, β]) = fsr(α)f−1sr (β)

und kann damit zeigen, daß fsr ein Automorphismus von G∗ ist (Krantz, 1968).Der Beweis der Multiplikativitat von fsr sei hier kurz angedeutet: Seien a, b, cund c′ aus A derart, daß

(a, r) ∼ (b, s)

(α(a), r) ∼ (c, s)

(α′(α(a)), r) ∼ (c′, s).

Dann gibt es aufgrund der Vollstandigkeit von G in A die Transformationenβ, γ, γ′ in T , so daß

β(b) = γ(c) = γ′(c′).

Nach Definition von frs und der Kontextinvarianz folgt

fsr(α) = [β, γ],fsr(α′) = [γ, γ′],

fsr(αα′) = [β, γ′].

Aufgrund der Definition der Multiplikation in G∗ gilt dann

[β, γ][γ, γ′] = [β, γ′].

Die Differenz [β, γ′] kann durch das Produkt [β, γ][γ, γ′] berechnet werden.

Ausdehnung auf mehrere Kontextubergange

Die Abbildungen fsr sind auch uber mehrere Kontexte hinweg multiplikativ: Furuberlappende Kontexte r, s, t aus T gilt mit [α, β] aus G∗

ftsfsr([α, β]) = ftr([α, β])

(Krantz, 1968). Die Abbildung fss ist eine identische Abbildung und die Inversezu fsr ist frs. Die Abbildungen fsr sind damit Elemente der Automorphismen-gruppe der Transformationsgruppe G∗. Fur uberlappende Kontexte haben siedie Eigenschaft

ftsfsr = ftr. (3.2)

Die Gruppe G∗ der Transformationen der Farbreize ist ein dreidimensionalerVektorraum. Damit ist diese Gruppe endlich generiert, alle Elemente in G∗

konnen durch Linearkombination aus drei (linear unabhangigen) Basiselementenerzeugt werden. Ist damit fsr fur drei linear unabhangige Elemente in G∗ be-kannt, so kann fsr fur alle anderen Transformationen vorhergesagt werden. DerUmfeldubergang von r nach s kann durch die Schatzung einer 3×4 Matrix furalle Reize berechnet werden, da den Transformationen in G∗, die ja Transforma-tionsdifferenzen darstellen, auf der Menge A der Reize affine Transformationenentsprechen.

Vorhersage von Reiztransformationen

Die Abbildungen fsr ordnen Transformationen von Reizen andere Transforma-tionen so zu, daß diese Zuordnung dem Wechsel des Umfeldes von r nach sentspricht. Der Transformation α im Umfeld r entspricht die Transformations-differenz fsr(α) im Umfeld s.

Aus der Kenntnis des Umfeldeffektes fur wenige Reize kann der Umfeldef-fekt fur alle Reize vorhergesagt werden. Die bisherigen Ergebnisse konnen auch

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Kapitel 3 Adaptation 53

dazu benutzt werden, den Einfluß des Umfeldwechsels nicht nur auf Reiztrans-formationen, sondern auch auf die Reize direkt vorherzusagen. In diesem Fallbetrachtet man die Reize gsr(a), die im Umfeld s genauso aussehen wie a imUmfeld r:

(a, r) ∼ (gsr(a), s).

Eine direkte Konstruktion von gsr als Abbildung von A auf A ware nur dannmoglich, wenn zu jedem Reiz a im Umfeld r ein Reiz b im Umfeld s existierenwurde, der aquivalent ist. Dies ist aber beim Farbensehen nicht der Fall. ZurKonstruktion von gsr wird daher die Transformationsgruppe G∗ benutzt. DieGruppe A∗ der Aquivalenzklassen von Differenzen in A ist isomorph zu G∗. Zujedem [a, b] in A∗ gibt es ein [β, α] in G∗, so daß (α(a), s) ∼ (β(b), s) fur beliebigess aus T . Die Aquivalenzklasse [a, b] kann deshalb mit h(β, α) bezeichnet werden.h ist dann ein Isomorphismus von G∗ auf A∗. Sei θ ein beliebiges Element aus A.Jedes a in A wird dann wie in Abschnitt 1.2.1 mit [a, θ] aus A∗ identifiziert. Wirdefinieren gsr als Abbildung von A nach A∗ durch gsr(a) = [b, θ] genau dann,wenn (a, r) ∼ (b, s). Fur alle a aus dem Kontext r, zu denen ein aquivalentesb im Kontext s existiert, ist damit gsr definiert. In allen anderen Fallen wirdfolgende Konstruktion benutzt: Wenn (a, r) ∼ (a′, s) und (b, r) ∼ (b′, s), dannist

gsr(b) = gsr(a) + [b′, a′].

Die Gultigkeit dieser Gleichung kann man sehen, wenn fur jedes gsr die Definitioneingesetzt wird:

[b′, θ] = [a′, θ] + [b′, a′].

Wenn sich s und r uberlappen, laßt sich nach Krantz (1968) das fehlende [b′, a′]mit Hilfe von [b, a] und der Funktion fsr berechnen:

[b′, a′] = hfsrh−1([b, a])

Es gilt alsogsr(b) = gsr(a) + hfsrh

−1([b, a]). (3.3)

Diese Gleichung kann immer dann zur Definition von gsr benutzt werden, wennsich s und r uberlappen. Angenommen, s und r uberlappen sich. Man suche bund b′ derart, daß (b, r) ∼ (b′, s). Fur alle a in A sei dann gsr(a) definiert durch

gsr(a) = [b′, θ] + hfsrh−1([a, b]).

Es laßt sich zeigen, daß diese Definition nicht von der Wahl von b abhangt, unddaß fur die Falle, in denen (a, r) ∼ (a′, s) gilt, gsr(a) = [a′, θ]. gsr kann auf A∗

ausgedehnt werden:

gsr([a, b]) = gsr(a) − gsr(b) + gsr(θ),

und es laßt sich ferner zeigen, daß mit dieser Definition gilt

gsr([a, b]) = gsr(θ) + hfsrh−1([a, b])

gsr([a, b] + [a′, b′]) = gsr([a, b]) + gsr([a′, b′]) − gsr(θ).

Wie die zweite Bedingung zeigt, stellt die Funktion gsr keine lineare, sonderneine affine Transformation der Reizdifferenzen dar. gsr(θ) ist dabei die durchden Kontextwechsel induzierte Verschiebung des Nullvektors.

Strukturierte Kontextelemente

Bisher kann jeder Kontextwechsel durch eine affine Transformation der Reizdif-ferenzen beschrieben werden. Dieses Ergebnis ist noch nicht befriedigend, da dieZuordnung der Transformationen fsr zu den Kontextpaaren sr noch vollig un-strukturiert ist. Da bisher keine Annahmen uber die Struktur der Kontextreizebenutzt wurden, laßt sich auch nichts uber die Abhangigkeit der Transformatio-nen fsr von den Kontextreizen r und s aussagen. Die Formel

fsr = fstftr

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Kapitel 3 Adaptation 54

wurde bereits fruher als Gleichung (3.2) vorgestellt. Sie deutet bereits daraufhin, daß bei strukturierten Kontextelementen die Struktur der Kontextmenge Tbenutzt werden kann, um die Transformationen fsr aus den Kontextelementens und r zu konstruieren. Beim Farbensehen sind die Kontextelemente selbstFarbreize und haben deshalb die gleiche Struktur wie die Menge A. Im folgendensei T ∗ der Vektorraum der Kontextelemente, die wiederum Aquivalenzklassenvon ,,Strahlungsdifferenzen“ darstellen. H sei analog zu G auf A eine Menge vonTransformationen auf T .

Transformationshalbgruppe der Kontextreize. H ist eine kommutative Halb-gruppe von eineindeutigen Transformationen auf T , vollstandig bezuglich T .

Transformationsinvarianz der Kontextreize. Fur alle a, b in A, r, s in T undσ in H folgt aus (a, r) ∼ (b, s), daß (a, σ(r)) ∼ (b, σ(s)).

Die wesentliche Konsequenz dieser Forderungen ist, daß damit die Funktionenfsr und gsr nur noch von den Differenzen [s, r] der Gruppe T ∗ abhangen. Dasbedeutet, daß fur uberlappende r, s, t, u aus T aus [s, r] = [u, t] folgt fsr = fut

und gsr = gut. Damit kann auch jedem Element von T ∗ eine Transformationf[s,r] und g[s,r] zugeordnet werden, wobei sich die Struktur von T ∗ auf dieseTransformationen ubertragt. Es gilt also

f[s,r]+[u,t] = f[s,r]f[u,t]

und analogg[s,r]+[u,t] = g[s,r]g[u,t].

Die einzige zusatzliche Voraussetzung hierfur ist, daß sich r, s, t und u hin-reichend ahnlich sind, so daß zwischen je zweien von r, s, t und u immer einKontextelement existiert, das sich mit beiden uberlappt. Da die Operation +auf T ∗ kommutativ ist, mussen dann auch die Abbildungen f[s,r] und g[s,r] kom-mutativ sein.

Die Elemente der Gruppen A∗ und T ∗ sind ,,Differenzen“. Da jeder Farbreizals ,,Differenz“ zu dem ,,Reiz“ θ betrachtet werden kann, dessen spektrale Ener-gieverteilung uberall den Wert 0 hat, schreiben wir fur [a, θ] und [s, θ] kurzera∗ und s∗. In der Aquivalenzklasse a∗ sind also alle Reizpaare (b, c), fur die mitbeliebigem a′ gilt

[a⊕ a′, a′] = [b, c],

was wiederum heißt, daßa⊕ a′ ⊕ c ∼ b⊕ a′.

In dieser Schreibweise gilt dann

gs∗(a∗ + b∗) = gs∗(a∗) + gs∗(b∗) − gs∗(θ) (3.4)

undgs∗+r∗(a∗) = gs∗gr∗(a∗). (3.5)

Konstruktion der Transformationsmatrizen

Im Farbraum lassen sich immer drei Primarfarben a∗1, a∗2, a

∗3 angeben, so daß

fur jedes beliebige a∗ gilt

a∗ = ρ1a∗1 + ρ2a

∗3 + ρ3a

∗3,

wobei die ρi reelle Zahlen sind. Dies gilt naturlich auch fur die Elemente desVektorraums T ∗. Aus den obigen Gleichungen folgt dann

gs∗(ρa∗) = ρgs∗(a∗) + (1 − ρ)gs∗(θ)

und mit der Darstellung von a∗ durch die Primarfarben a∗1, a∗2 und a∗3

gs∗(a∗) = ρ1gs∗(a∗1) + ρ2gs∗(a∗2) + ρ3gs∗(a∗3)

+(1 − ρ1 − ρ2 − ρ3)gs∗(θ).

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Kapitel 3 Adaptation 55

Die rechte Seite dieser Gleichung enthalt 4 lineare Abbildungen des Farbraums,jede davon hat 3 Parameter. Mit Hilfe von 12 Parametern kann daher fur jedenKontextwechsel s∗ die entstehende Farbe vorhergesagt werden. Bei Gultigkeitvon Axiom 5 konnen nun aber auch die Funktionen gs∗ aus der Basis von T ∗

erzeugt werden. Es gibt ja auch fur die Kontextmenge T ∗ Primarfarben s∗1, s∗2

und s∗3, so daßs∗ = ρ1s

∗1 + ρ2s

∗2 + ρ3s

∗3.

Die Abbildungen, die jeweils einem Element s∗ aus T ∗ eine Transformation gs∗

zuordnen mussen — wie oben gezeigt wurde — Losungen der Funktionalglei-chung

gs∗+r∗ = gs∗gr∗

sein. Zur Losung werden von Krantz (1968) Funktionen fs∗ benutzt, die mit derDefinition

fs∗(a∗) = gs∗(a∗) − gs∗(θ) (3.6)

in A∗ analog zu den Abbildungen fsr in G∗ sind (man vergleiche hierzu Gleichung(3.3)). Mit dieser Definition gilt aufgrund von Gleichung (3.4) und (3.5)

fs∗(a∗ + b∗) = fs∗(a∗) + fs∗(b∗)

fs∗+r∗(a∗) = fs∗fr∗(a∗).

Die erste Gleichung zeigt, daß die fs∗ lineare Abbildungen sind. Um die Losungender zweiten Funktionalgleichungen zu beschreiben, benotigt man Exponential-funktionen linearer Abbildungen. Sei f eine solche lineare Abbildung und fn

bedeute die n-fache Verknupfung von f mit sich selbst. Die Exponentialfunktionist dann in folgender Weise definiert:

exp(f)(a∗) = a∗ +f(a∗)

1!+f2(a∗)

2!+ . . .

exp(f) ist eine lineare Transformation und fur sie gilt, wie fur Exponentialfunk-tionen ublich, exp(f1 + f2) = exp(f1) exp(f2).

Sind nun s∗1, s∗2, s

∗3 linear unabhangige Elemente aus T ∗ und gilt

s∗ = ρ1s∗1 + ρ2s

∗2 + ρ3s

∗3,

dann laßt sich mit Hilfe dreier paarweise kommutativer, linearer Transformatio-nen f1, f2, f3 von A∗ in sich selbst die lineare Abbildung f ′

s∗ definieren

f ′s∗(a∗) = ρ1f1(a∗) + ρ2f2(a∗) + ρ3f3(a∗).

Die Abbildung fs∗ = exp(f ′s∗) ist dann eine Losung der obigen Funktionalglei-

chung, denn es giltf ′

s∗+r∗ = f ′s∗ + f ′

r∗ .

Um fs∗ zu finden, werden also fur drei Kontextubergange s∗1, s∗2 und s∗3 die

Transformationen fs∗1, fs∗

2und fs∗

3benotigt. Deren ,,Logarithmen“ f1, f2 und f3

und die Koordinaten ρ1, ρ2 und ρ3 von s∗ bezuglich s∗1, s∗2 und s∗3 genugen, um die

Transformation fs∗ zu berechnen. Diese stellt sozusagen den linearen Anteil desKontexteffektes dar. Der in Gleichung (3.6) vorkommende affine Anteil gs∗(θ) istnoch unbestimmt. gs∗(θ) beschreibt die durch den Kontextubergang s∗ erzeugteTransformation des ,,Nullpunktes“ θ. Im Farbraum kann θ mit dem Nullvektoridentifiziert werden. In jedem Fall ist θ ein konstanter Vektor, so daß durch gs∗(θ)eine Abbildung g(s∗) = gs∗(θ) von T ∗ in A∗ definiert wird. Die Funktionen g(s∗)lassen sich wegen Gleichung (3.6) durch die Transformationen

hs∗(a∗) = fs∗(a∗) − a∗ (3.7)

beschreiben. Sie stellen den Anteil von gs∗ dar, der nicht durch die lineare Trans-formation fs∗ erklart wird.

Durch die Kontextstruktur reduziert sich die Anzahl der Parameter erheblich.Im allgemeinen Fall sind drei 3×3-Matrizen fur f1, f2 und f3 und die Koordina-ten des Nullvektors, also 30 Parameter zu bestimmen. Damit konnen aber alle

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Kapitel 3 Adaptation 56

Kontextubergange beschrieben werden. Im Gegensatz dazu waren beim Verzichtauf die Kontextstruktur 36 Parameter fur die Vorhersage eines Kontextwech-sels notwendig. Die Parameterzahl reduziert sich daruber hinaus noch dadurch,daß fur die Abbildungen fi nur kommutative Matrizen in Frage kommen. DieseBedingung erzeugt eine Abhangigkeit der einzelnen Eintrage der Transformati-onsmatrizen untereinander. Im dreidimensionalen Farbraum bleiben dann nurnoch drei unabhangige Parameter (fur eine genaue Ableitung der Parameterzahlvgl. etwa Jacobson (1953) und Wedderburn (1934)).

Angenommen, der lineare Anteil fs∗(a∗) von gs∗(a∗) besteht nur aus deridentischen Abbildung, dann ist hs∗(a∗) aus Gleichung (3.7) immer null. Istfs∗(a∗) von a∗ verschieden, kann der Fall eintreten, daß hs∗(a∗) fur bestimmtea∗ null wird und diese auf θ abbildet. Spezielle Losungen fur g(s∗) konnen diesberucksichtigen (Krantz, 1968).

3.3 FARBADAPTATION ALS AFFINE TRANSFORMATION

Bevor wir einige der bekannten Theorien zur Farbadaptation innerhalb unseresRahmens darstellen, seien noch einmal die wesentlichen Ergebnisse des letztenAbschnittes kurz zusammengefasst.

Wenn die Transformationshalbgruppe G der Farbreize A kontextinvariant ist,dann laßt sich fur jeden Kontextwechsel von r nach s eine affine Abbildung gsr

konstruieren, die den Einfluß des Kontextwechsels auf die Farbe eines Reizesbeschreibt: Der Reiz a sieht im Kontext r genauso aus wie der Reiz gsr(a) imKontext s, sofern ein solcher Reiz existiert. Die Konstruktion der Abbildunggsr erfolgt uber Elemente fsr aus der Gruppe der Automorphismen der Reiz-transformationen G∗. Da G∗ ein dreidimensionaler Vektorraum ist, werden zurSchatzung von fsr drei affine Transformationen mit je einer 3×4-Matrix benotigt,also insgesamt 36 Parameter fur jeden Kontextwechsel.

Eine erhebliche Vereinfachung ergibt sich dann, wenn die Struktur der Kont-extreize benutzt wird und die kontextubergreifende Aquivalenzrelation invariantgegenuber den Transformationen der Kontextreize ist. In diesem Fall lassen sichdie Reiztransformationen aus dem Kontextwechsel berechnen. Wir erhalten furjeden Kontextwechsel s∗ die Abbildungen gs∗ und fs∗ mit der Beziehung:

gs∗(a∗) = fs∗(a∗) + gs∗(θ).

gs∗ ist eine affine Transformation von Reizdifferenzen. Sie setzt sich aus demlinearen Anteil fs∗ , angewandt auf die Reizdifferenz a∗, und der Verschiebungdes Nullpunktes gs∗(θ) zusammen. Die Funktionen fs∗ konnen als Bilder einerAbbildung betrachtet werden, die jeder Kontextdifferenz s∗ eine Funktion fs∗

zuordnet. Diese Abbildung erfullt die Funktionalgleichung

fs∗+r∗ = fs∗fr∗ .

Ihre Losungen sind Exponentialfunktionen kommutativer, linearer Abbildungen.Fur den dreidimensionalen Farbraum werden diese Abbildungen durch drei un-abhangige Parameter festgelegt.

Von Burnham, Evans und Newhall (1957) werden affine Transformationenbenutzt, um kontextubergreifende Aquivalenzen vorherzusagen. Fur eine Aqui-valenz (a, r) ∼ (b, s) wird der Reiz a vor dem Umfeld r im linken und derReiz b vor dem Umfeld s im rechten Auge angeboten. Die Umfelder sind we-nig gesattigte Strahlungen, die verschieden gefarbten Tageslichtern entsprechen.Die Daten konnen durch affine Transformationen sehr gut beschrieben werden,lineare Transformationen dagegen reichen nicht aus. Da die Arbeit von Burnhamet al. mehr praktischen Zwecken dient, wird von den Autoren keine Beziehungzwischen den von ihnen geschatzten Transformationsmatrizen und bestehendenFarbtheorien hergestellt.

Nach dem ,,Koeffizientensatz“ von v. Kries (1905) gibt es im Farbraum eineausgezeichnete Basis (a∗1, a∗2, a∗3, ), so daß fur uberlappende Kontexte r und sKoeffizienten g1(s, r), g2(s, r) und g3(s, r) existieren, fur die gilt

gsr(ρ1a∗1 + ρ2a

∗2 + ρ3a

∗3) = ρ1g1(s, r)a∗1 + ρ2g2(s, r)a∗2 + ρ2g2(s, r)a∗2.

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Kapitel 3 Adaptation 57

Jedes Element in A∗ kann in der Form ρ1a∗1 + ρ2a

∗2 + ρ2a

∗2 dargestellt werden,

wodurch diese Gleichung die Funktion gsr vollstandig spezifiziert. Die Gleichungzeigt auch, daß hier die Transformation gsr linear ist und bezuglich der Basis(a∗1, a∗2, a∗3, ) als Diagonalmatrix geschrieben werden kann. Die Koordinaten einesReizes werden als Auspragungen von ,,Grundempfindungen“ (vgl. Abschnitt 2.3)aufgefaßt, die beim Kontextwechsel von r nach s durch die Faktoren gi(s, r) neu,,skaliert“ werden: ihr Betrag andert sich von ρi zu ρigi(s, r). Diese Theorie kannauch zur Bestimmung der Basis (a∗1, a

∗2, a

∗3, ) benutzt werden. In diesem Fall wird

die Gultigkeit des Koeffizientensatzes angenommen und es wird eine Basis desFarbraums gesucht, so daß die Transformationen gsr fur alle Kontextubergangebezuglich dieser Basis zu Diagonalmatrizen werden. Wyszecki und Stiles (1982)weisen darauf hin, daß sich zwar fur einzelne Kontextubergange eine solche Basisfinden laßt, daß aber bei mehreren Kontextwechseln nie die gleiche Basis alleTransformationen diagonalisiert.

Auch in der Theorie von Land (1977, 1986) sind Ansatze des Koeffizien-tensatzes enthalten. Hier werden stets die Koordinaten jedes Punktes im Ge-sichtsfeld durch die Mittelwerte der Koordinaten aller Punkte im Kontext nor-miert. Dazu ist ein ausgezeichnetes Koordinatensystem erforderlich, da dieseNormierung nicht invariant gegenuber linearen Transformationen ist. Es wirdangenommen, daß die Normierung in den Koordinaten von Rezeptorfunktionenstattfindet. Das eigentliche Ziel der Theorie von Land ist ein Mechanismus, derin komplexen Reizsituationen mit wechselnder Beleuchtung Farbkonstanz zeigt,also den Reflexionsfunktionen von Objekten unabhangig von der Beleuchtungkonstante Farbkoordinaten zuweist. Der von Land vorgeschlagene Mechanismusist nur dann funktionsfahig, wenn der Kontext aus hinreichend vielen, verschie-denen Farbreizfunktionen besteht. Da wir hier voraussetzen, daß der Kontextdurch eine einzige Farbreizfunktion beschrieben werden kann, ist die Theorievon Land nicht als Spezialfall der Kontextinvarianz aufzufassen und mit unse-ren Methoden nicht testbar. Von Brainard und Wandell (1986) wird allerdingsdurch Simulationen gezeigt, daß der Algorithmus von Land (1977) nicht zu Farb-konstanz fuhrt. Die Annahme Lands, daß fur die wahrgenommene Farbe oderHelligkeit eines Reizes Bezuge zu allen Punkten des Gesichtsfeldes hergestelltwerden, wird durch empirische Untersuchungen von Reid und Shapley (1988)widerlegt.

Die Theorie von Jameson und Hurvich (1964) fordert eine nichtlineare Trans-formationen der Testreize. Daraus folgt, daß die kontextubergreifende Aquiva-lenzrelation ∼ unter der Operation ⊕ nicht kontextinvariant ist. Krantz (1968)geht deshalb nicht von der Kontextinvarianz der durch die Operation ⊕ indu-zierten Transformationen aus, sondern von additiven Transformationen, die aufFunktionen p1s, p2s und p3s im Farbraum stattfinden. Fur diese Funktionensoll (a, r) ∼ (b, s) gelten, genau dann, wenn pis(a) = pir(b), fur i = 1, 2, 3.Vektoradditionen auf den Funktionen pir der Form pir(α(a)) = pir(a) + ai mita = (a1, a2, a3) sollen kontextinvariant sein. Aus diesen Annahmen folgt, daß

pir(gsr(a∗)) = gi1(r, s)p1r(a∗) + gi2(r, s)p2r(a∗) + gi3(r, s)p3r(a∗) + gi4(r, s),

wobei die gij(r, s) Elemente einer 3×4-Matrix sind, die von r und s abhangt,aber nicht von a∗. Die Matrixelemente gij(r, s) konnen noch genauer festgelegtwerden, falls die Funktionen pis fur alle drei Koordinaten i = 1, 2, 3 eigenekontextubergreifende Aquivalenzrelationen ∼i reprasentieren, deren Konjunk-tion die Relation ∼ ist. In diesen Fall gilt (a, r) ∼i (b, s) genau dann, wennpir(a) = pis(b). Fur die Kontextwechsel gilt dann

pir(gsr(a∗)) = gii(r, s)pir(a∗) + gi4(r, s). (3.8)

Der lineare Anteil der Transformation gsr ist auch hier durch eine Diagonal-matrix beschrieben. Die Begrundung dafur ist allerdings ganz anders als beivon Kries (1905). Die Diagonalmatrix in Gleichung (3.8) entsteht durch die furjede Koordinate pir existierende Aquivalenzrelation ∼i, die unabhangig vomKontextwechsel bestimmt werden muß. Damit kann hier auch kein System vonGrundempfindungen aus den Kontextwechseln abgeleitet werden, da der Zu-

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Kapitel 3 Adaptation 58

sammenhang zwischen den linearen Farbraumvektoren und den Koordinaten pir

nicht bekannt ist.Von Walraven (1976) und Shevell (1978) werden nicht kontextubergreifende

Aquivalenzrelationen als Daten benutzt, sondern die Versuchspersonen mussenin diesen Experimenten Absoluturteile daruber abgeben, ob die Testreize unterbestimmten Kontextbedingungen noch Rot oder Grun enthalten. Wir gehen hiertrotzdem kurz auf diese Arbeiten ein, da sie Modelle vorschlagen, die zu den hierbesprochenen affinen Transformationen und vor allem zum Modell von Jamesonund Hurvich (1964) und dem Koeffizientensatz in enger Beziehung stehen. VonWalraven (1976) wird angenommen, daß der Koeffizientensatz dann gilt, wenner auf die Differenz der Test- und Kontextreizfunktion angewandt wird. Die An-nahme, daß das visuelle System auf die ,,Differenz“ von Test- und Umfeldreizreagiert, wurde bereits von Helmholtz (1867) geaußert. Die Daten von Walraven(1979) konnen diese Annahme allerdings nur teilweise bestatigen. Die Untersu-chungen von Shevell (1978, 1982) und Drum (1981) zeigen, daß eine einfache,,Subtraktion“ nicht ausreicht, sondern daß neben dem ,,multiplikativen“ Fak-tor, wie er in Gleichung (3.8) durch den Term gi(r, s)pir(a∗) enthalten ist, auchein additiver Term notwendig ist.

Die experimentelle Uberprufung der Theorie der Kontextinvarianz wird ana-log zur theoretischen Entwicklung auf zwei Stufen durchgefuhrt. Die erste Stufebezieht sich allein auf die Kontextinvarianz bezuglich einzelner Kontextwechsel,die durch einzelne Abbildungen gsr beschrieben werden. Der Test, ob die Abbil-dungen gsr, die den Umfeldeinfluß beschreiben, kontextinvariant sind, kann aufzwei Arten geschehen:

1. direkt, durch die Uberprufung des Axioms;2. indirekt, durch die Konstruktion einer affinen Transformation gsr.Da die Kontextinvarianz die einzige empirisch kritische Annahme ist, die zur

Begrundung der affinen Transformation gsr notig ist, sind beide Tests gleich-wertig. Die zweite Methode ist aber experimentell einfacher zu verwirklichen.Fur jeden Umfeldubergang wird eine 3×4-Matrix, die Koeffizienten der affinenAbbildung gsr, fur alle Testreize gleichzeitig geschatzt. Nach einem Gradien-tenverfahren wird die euklidische Distanz zwischen den vorhergesagten und denempirischen Werten minimiert. Die Verwendung der euklidischen Metrik ist furkleine Farbdifferenzen unkritisch (Indow, 1988). Das Axiom fordert, daß dieWirkung des Umfeldes auf jeden Reiz gleich ist, und daß jeder Reiz durch dieTransformation vorhergesagt werden kann. Ein statistischer Signifikanztest ent-scheidet, ob die Daten durch die Theorie prazise vorhergesagt werden.

Die zweite Stufe der experimentellen Uberprufung bezieht sich auf die Ad-ditivitat der Kontexteffekte. Aus dieser folgt die Kommutativitat der affinenTransformationen, die sich zur empirischen Uberprufung besser eignet als eindirekter Test der Transformationsinvarianz von Kontextreizen. Kommutativitatin Verbindung mit Kontextinvarianz der Transformationen wird im folgendenExperiment indirekt uberpruft, indem fur jeden Umfeldubergang eine affine Ab-bildung gs∗ konstruiert wird, die mit den affinen Abbildungen gr∗ und gt∗ an-derer Umfeldubergange kommutiert und alle Testreize simultan vorhersagt. Furjeden Umfeldubergang wird eine 3×4 Matrix, die die Koeffizienten der affinenAbbildung darstellen, geschatzt. Die Anzahl der Parameter, die unabhangig von-einander geschatzt werden konnen, reduziert sich aufgrund der Kommutativitatauf drei.

3.4 EIN EXPERIMENT ZUR FARBADAPTATION1

Experimentelle Methoden

Versuchsaufbau

Der Versuchsaufbau ist weitgehend identisch mit dem von Irtel (1982). Er be-steht aus zwei Komponenten: einem Prozeßrechner (DIETZ 621/8) und einemFarbfernsehbildschirm. Der Rechner erzeugt die Reize auf dem Bildschirm und

1Die experimentelle Uberprufung der Theorie und die Datenauswertung wurde von SofiaWurger im Rahmen einer Diplomarbeit durchgefuhrt (Wurger, 1986).

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Kapitel 3 Adaptation 59

registriert die Reaktionen der Versuchsperson. Der Monitor vom Typ BARCOCDCT 51/3 wird mit einer Bildwiederholfrequenz von 50 Hz ohne Zeilensprungbetrieben. Die nutzbare Bildschirmflache ist 35.0 cm breit und 26.7 cm hoch. DieBildschirmphosphore des RGB-Monitors spannen das in der Abbildung 3.3 ein-gezeichnete Dreieck in der Normfarbtafel auf. Das Innere des Dreiecks stellt dieMenge der realisierbaren Farben dar. Jeder der drei Farbkanale wird von einemDigital-Analog-Wandler mit einer Auflosung von 8 Bit betrieben. Abbildung 3.4zeigt die Kennlinien der Bildschirmphosphore. Durch die starke Nichtlinearitatsind spezielle Maßnahmen zur Vorentzerrung notwendig. Im Abstand von etwa 4Wochen werden diese Kennlinien gemessen und gespeichert. Wahrend eines Ex-periments werden immer die aktuellen Kennlinien benutzt. Die Messung erfolgtmit einem Prazisionsphotometer vom Typ LMT 1000 (Lichtmeßtechnik Berlin)von der Position der Versuchsperson aus. Die Koordinaten der Bildschirmphos-phore im Normfarbdiagramm sind vom Hersteller des Monitors gemessenen. Umauf dem Bildschirm einen bestimmten Farbreiz zu erzeugen, werden die Koordi-naten berechnet und in den Vorentzerrungstabellen der Wert der Steuerspannunggesucht, der zu den optimalen Leuchtdichtewerten fuhrt.

Abbildung 3.5 zeigt die Anordnung der Farbreize auf dem Bildschirm. DieReize werden in zwei Rechtecken mit einer Breite von 11 und einer Hohe von 10mm dargestellt, die vertikal angeordnet sind. Zwischen den Reizen ist eine Luckevon 10 mm. Jede Farbreizflache ist oben und unten von Markierungslinien (7.7cd/m2) umgeben, wobei die mittlere Linie als Fixationslinie dient. Die Streckezwischen dem oberen Rand des oberen Reizes und dem unteren Rand des unterenReizes erscheint unter einem Sehwinkel von 2◦. Bei dieser Winkelgroße kannder Einfluß der Stabchen auf die Farbwahrnehmung vernachlaßigt werden. DieVersuchsperson sitzt in einer Entfernung von 1 m vom Bildschirm, ihr Kopf istdurch eine Kinn- und Stirnstutze weitgehend fixiert, sie beobachtet binokular.

Der Kontext wird als ein dem Testreiz zeitlich vorhergehender Farbreiz ope-rationalisiert. Ein Durchgang hat folgenden zeitlichen Ablauf: Nach einer dreimi-nutigen Dunkeladaptation, die jedem Block vorausgeht, adaptiert die Versuchs-person eine Minute an die beiden Kontextreize, die in der oberen bzw. unterenFarbreizflache dargeboten werden. Dann setzt die Darbietung der Testreize ein.Die Versuchsperson sieht in den beiden Farbreizflachen in abwechselnder Rei-henfolge den Testreiz und den Kontextreiz. Die Phase fur die Darbietung desKontextreizes dauert 1400 msec, die Phase fur den Testreiz 600 msec. Sobalddie Versuchsperson eine Farbaquivalenz zwischen dem Testreiz in der oberenund dem in der unteren Reizflache hergestellt hat, wiederholt sich die Reizdar-bietung mit vorangehender einminutiger Adaptation an die Kontextreize.

Die Experimente von Burnham et al. (1957) zeigen, daß eine weitere Re-duktion der Darbietungszeit des Testreizes die Starke der Adaptation nichtverandert. Bei einer Testreizdarbietung von 6% der gesamten Beobachtungs-zeit ist keine starkere Adaptation festzustellen, als bei einer Testreizdarbietungvon 30%. Die Aufgabe der Versuchsperson erschwert sich jedoch durch kurzereDarbietungszeiten des Testreizes erheblich.

Die Versuchsperson kann durch die Benutzung eines Tastenfeldes, den Test-reiz in der oberen Farbreizflache kontinuierlich verandern und zwar den Rot/Grun-Anteil, den Gelb/Blau-Anteil und die Leuchtdichte des Reizes. Diese Ach-sen hatten sich nach langen Voruntersuchungen in Irtel (1982) als optimal erge-ben. Aufgabe der Versuchsperson ist es, den Testreiz in der oberen Farbreizflacheso zu verandern, daß er genauso aussieht wie der Vergleichsreiz im unteren Feld.Die Versuchsperson stellt also die Farbaquivalenz (a ⊕ c, r) ∼ (b, s) her, wobeia den Testreiz, b den Vergleichsreiz und s, t die Kontextreize bezeichnen. DieDifferenz c wird dann als Maß fur den Einfluß des Kontextreizes benutzt.

Versuchsablauf

Der Versuchsperson wird zuerst erklart, daß es bei diesem Experiment um dieBeurteilung von Farbgleichheit geht. Sie erhalt die Anweisung, die mittlere Linieauf dem Bildschirm zu fixieren. Es erweist sich als hilfreich, das Programm zurReizdarbietung zu starten und der Versuchsperson so zu erklaren, welche Reizesie auf Gleichheit einstellen soll. Im Anschluß daran wird ihr die Bedienung des

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Kapitel 3 Adaptation 60

Tastenfeldes erklart und es wird ihr empfohlen, nicht bereits am Anfang dieHelligkeitstaste zu verwenden, sondern erst zu versuchen, den gleichen Farbtonherzustellen. Diese Aufforderung ist sinnvoll, da sich die Kontext- und Testreizenicht sehr stark in ihrer Helligkeit unterscheiden. Sie wird darauf hingewiesen,daß keine Zeitgrenze fur die Farbeneinstellung besteht.

An einem vorbereitenden Experiment zur Reizauswahl, auf das hier nichteingegangen werden kann (vgl. hierzu Wurger (1986)), nehmen drei Versuchs-personen teil. Hier werden Daten von zwei weibliche Versuchspersonen berichtet.Beide sind Studentinnen der Psychologie, 20 und 22 Jahre alt und normalsichtig.

Innerhalb eines Durchgangs wird der Umfeldubergang konstant gehalten unddie Versuchsperson stellt jeden Testreiz dreimal auf Farbgleichheit mit dem Ver-gleichsreiz ein. Fur jeden von drei Kontextwechseln werden 4 Testreize vorge-geben. Als Kontextwechsel (r, s) werden jeweils zwei Kontextreize bezeichnet,fur die der Vergleichsreiz im Umfeld s und der einzustellende Reiz im Umfeldr dargeboten wird. Die Vorgabereize, die variiert werden konnen, weichen vonden Vergleichsreizen zufallig ab. Die xy-Koordinaten der Kontext- und Testreizekonnen den Abbildungen 3.6 bis 3.8 entnommen werden. Die Leuchtdichte derReize wird aufgrund der Voruntersuchungen so ausgewahlt, daß alle etwa gleichhell aussehen. Es ergeben sich Werte zwischen 5 und 12 cd/m2. Diese Werte sindzwar sehr gering, aber unter Dunkeladaptation wirken sie verhaltnismaßig hell.

Fur jeden der drei Kontextwechsel werden drei Durchgange mit je 12 Ein-stellungen absolviert. Insgesamt wird jeder Testreiz von jeder Versuchspersonneunmal eingestellt. Jede Versuchsperson arbeitet zwischen 25 und 30 Stundenan dem Experiment.

Tabelle 3.1. Statistische Prufgroßen fur die Versuchspersonen 1 und 2. Die Ergeb-

nisse von Versuchsperson 1 sind im oberen und die von Versuchsperson 2 im unteren

Teil der Tabelle enthalten. α = 0.1. Fkrit = 3.2888 mit 36

Freiheitsgraden.

Kontextinvarianz Additivitat

Reiz (st) (tu) (vu) (st) (tu) (vu)

0 0.14 0.37 0.40 10.22 1.89 1.26

1 0.76 0.36 2.81 4.30 15.12 2.85

2 4.56 0.13 0.12 6.56 12.34 0.32

3 1.88 0.50 0.37 3.03 17.61 3.20

0 0.51 0.14 0.42 55.96 7.74 0.51

1 0.67 0.02 0.33 65.31 7.57 0.61

2 6.99 0.21 0.33 1.74 8.95 4.24

3 2.63 0.24 0.41 14.27 6.63 2.16

Ergebnisse des Experiments

Zur Uberprufung, ob die aufgrund der Kontextinvarianz zu erwartenden unddie beobachteten Werte ubereinstimmen, wird ein multivariater Signifikanztestdurchgefuhrt, wobei die Varianz als unbekannt vorausgesetzt wird. (Tatsuoka,1971). Dieser Test wird fur jeden Reiz einzeln durchgefuhrt. Die Abweichungenzwischen erwarteten und beobachteten Werten werden in drei Dimensionen inNormfarbwerten berechnet. Die Normalverteilung der Farbaquivalenzen, die die-ser Test voraussetzt, kann auf Grund der Untersuchungen von Brown (1952) alsgultig angenommen werden. Problematisch bei diesem multivariaten Test ist,daß der Farbraum als metrisch angenommen werden muß, um die Differenzenzwischen beobachteten und erwarteten Werten berechnen zu konnen. Außerdemgeht die Metrik als Varianz in die Schatzung ein.

Tabelle 3.1 enthalt die F -verteilten Prufgroßen fur beide Versuchsperson furdie drei Umfeldubergange. Das Signifikanzniveau wird auf 0.1 festgelegt. Derkritische F -Wert ist fur alle Testreize gleich, da alle Reize gleich oft (n = 9)

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Kapitel 3 Adaptation 61

vorgegeben werden (Fkrit = 3.2888). Unter der Annahme der Kontextinvari-anz, also im linken Teil der Tabelle, weicht bei beiden Versuchspersonen je eineVorhersage signifikant von den beobachteten Werten ab. Im rechten Teil derTabelle, also unter der Annahme der Kommutativitat, weichen bei der erstenVersuchsperson 6 und bei der zweiten 8 von jeweils 12 Werten signifikant vonden Beobachtungen ab.

Zur Veranschaulichung der Gute der Vorhersagen werden die Varianzellipsen(Silberstein & MacAdam, 1945) fur jeden Reiz berechnet. Die Große der Ellipsenwird so gewahlt, daß 90 % der aufgrund der Normalverteilung zu erwartendenWerte im Inneren der Ellipse liegen. Fur diese 90%-Konfidenzintervalle werdennur zwei Dimensionen (x, y) des Reizes berucksichtigt. Die Entscheidung, ob dieTheorie die Werte angemessen vorhersagt, ist allerdings nur vom Signifikanztestabhangig, in dem drei Dimensionen berucksichtigt werden.

In den Abbildungen 3.6 bis 3.8 sind die beobachteten und erwarteten Wertefur die drei Umfeldubergange fur eine der beiden Versuchspersonen dargestellt.Die Varianzellipsen beschreiben 90 %-Konfidenzintervalle. Vorgabereize und vor-hergesagte Werte sind durch Symbole gekennzeichnet, der Mittelwert der einge-stellten Reize durch die Pfeilspitzen. Die Gute der Vorhersagen, die unter derAnnahme von kommutativen und zugleich kontextinvarianten Transformationengemacht werden, sind fur beide Versuchspersonen anhand der Prufgroßen in derTabelle 3.1 dargestellt. Die Abbildungen 3.6 bis 3.8 zeigen auch die Vorhersagenunter der Annahme kontextinvarianter und kommutativer Transformationen.

3.5 DISKUSSION DER ERGEBNISSE

Von der Theorie der Kontexteffekte, wie sie von Krantz (1968) formuliert undhier experimentell uberpruft wurde, werden zwei Ebenen der Farbadaptation klarherausgearbeitet: Die erste Ebene ist die, auf der fur einen festen Kontextuber-gang bestimmte Farbreize einander als gleichfarbig zugeordnet werden. Auf die-ser Ebene kann die von einem einzigen Kontextwechsel erzeugte Farbanderunguntersucht werden. Das Axiom der Kontextinvarianz fordert, daß die von einemfesten Kontextwechsel erzeugte Farbanderung fur alle Farbreize durch die glei-che Reiztransformation beschrieben werden kann. Der Testreiz kann in diesemFall keinen Einfluß auf den Adaptationszustand der Versuchsperson haben. Diezweite Ebene, die durch die Theorie analysierbar wird, ist die Abhangingkeit derdurch einen Kontextwechsel generierten Reiztransformation von den Kontextrei-zen selbst. Wahrend auf der ersten Ebene jedem Kontextwechsel eine beliebigeaffine Transformation zugeordnet wird, kann auf der zweiten Ebene eine syste-matische Zuordnung dieser Transformationen vorgenommen werden, die Trans-formationen konnen aus den Kontextreizen ,,berechnet“ werden, da sich durchdie Annahme der der Kontexteffekte die Struktur der Kontextreize auf die vonihnen generierten Transformationen ubertragt.

Die Abbildungen 3.6 bis 3.8 und vor allem die statistischen Prufgroßen inTabelle 3.1 zeigen, daß die Transformationen gtu und gvu fur beide Versuchsper-sonen kontextinvariant sind. Nur die Prufgroße fur je einen von vier Testreizenim Umfeldubergang (s, t) in Abbildung 3.6 uberschreitet den kritischen Wert.Die Testreize werden fur einen der drei Umfeldubergange nicht prazise vorher-gesagt. Im wesentlichen wird die Annahme der Kontextinvarianz jedoch durchdie Daten bestatigt.

Diese Ergebnisse stimmen mit denen von Burnham et al. (1957) uberein.Diese Autoren verwenden funf Kontextubergange. Statt der monokularen Farb-gleicheinstellung wird jedoch eine binokulare Versuchsanordnung benutzt. DieVorhersagen, die auf der Anpassung an ein inhomogenes Gleichungssystem mitadditivem Term beruhen, sind prazise und konnen ebenfalls als Bestatigung derKontextinvarianz betrachtet werden.

Die Anpassung unter der Bedingung von kommutativen Transformationen istschlechter. Fur Versuchsperson 1 weichen 6 der 12 vorhergesagten Werte uber-zufallig von den eingestellten Werten ab, fur Versuchsperson 2 sogar 8 von 12.Daher muß die Additivitat der Kontexteffekte als empirisch widerlegt betrach-tet werden. Die Farbgleichheit zweier Reize ist nicht invariant gegenuber der

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Kapitel 3 Adaptation 62

Addition von Umfeldreizen. Diese Ablehnung hat Konsequenzen fur die Vorher-sagekraft der Theorie, die wesentlich von dieser Invarianz abhangt. Die Strukturder Kontextreize kann nicht zur Vorhersage der affinen Abbildungen auf derMenge der Testreize benutzt werden. Die Abbildungen 3.6 bis 3.8 zeigen aller-dings, daß auch in den Fallen, in denen signifikante Abweichungen vorliegen,die vorhergesagten Einstellungen in oder am Rand des 90%-Konfidenzintervallsliegen. Die Vorhersagen sind damit nicht so schlecht, wie die statistischen Er-gebnisse vermuten lassen. Dies fallt vor allem dann auf, wenn der starke Effektden die Kontextanderung hat, mit der geringen Abweichung der vorhergesagtenWerte von den beobachteten verglichen wird.

Ein Vergleich dieser Ergebnisse mit denen von Burnham et al. (1957) ist andieser Stelle nicht moglich, da die Additivitat der Kontexteffekte von Burnhamet al. (1957) nicht uberpruft wird. Wie bereits in Abschnitt 3.3 erwahnt, unter-scheiden sich die Versuchsanordnungen von Shevell (1982) und Walraven (1976)von der einer kontextubergreifenden Aquivalenzrelation, so daß deren Ergebnissemit unseren nur bedingt vergleichbar sind. Daruber kommen beide Autoren zuunterschiedlichen Ergebnissen, obwohl sie im wesentlichen identische Versuchs-anordnungen benutzen. Shevell (1982) lehnt aufgrund seiner Experimente, imGegensatz zu Walraven (1976), eine lineare Theorie der Umfeldeinflusse ab undbeschreibt den Umfeldeinfluß ebenfalls durch eine affine Transformation. Dieswird auch durch die vorliegenden Ergebnisse zur bestatigt. Walraven stellt fest,daß ein nichtlinearer Zusammenhang besteht zwischen dem Koeffizienten, derden Umfeldeinfluß beschreibt, und dem Umfeld. Dadurch wird die Additivitatder Umfeldeinflusse, wie in der vorliegenden Arbeit, ausgeschlossen.

Die hier gefundene Bestatigung der Kontextinvarianz bei einer gleichzeiti-gen Widerlegung der Additivitat der Kontexteffekte deutet darauf hin, daß zwi-schen den Koeffizienten der affinen Transformationen einzelner Kontextwechselund den Kontextreizen ein nichtlinearer Zusammenhang besteht. Durch diesennichtlinearen Zusammenhang entstehen Verletzungen des Axioms der Trans-formationsinvarianz der Kontextreize, nach dem aus (a, r) ∼ (b, s) folgt, daß(a, σ(r)) ∼ (b, σ(s)). Dabei wurde hier angenommen, daß die Transformations-halbgruppe H der Kontextreize die Additionen der spektralen Strahlungsenergiesind: σt(r) = r ⊕ t. Dies ist aber, wie bereits bei der Besprechung der Adapta-tionstheorie von Jameson und Hurvich (1964) in Abschnitt 3.3 demonstriertwurde, fur die Anwendung der Theorie von Krantz (1968) nicht notwendig. Injedem Fall ist aber eine Annahme daruber notwendig, welche Transformationenin der Menge H enthalten sind, da sonst eine empirische Prufung der Theorienicht moglich ist.

Wir haben am Anfang dieses Abschnittes darauf hingewiesen, daß eine Er-klarung der Farbadaptation mindestens die beiden dort besprochenen Aspektedes Problems berucksichtigen muß. Ein Vergleich verschiedener experimentellerArbeiten zur Farbadaptation zeigt, daß dies nicht die einzigen Aspekte sind,sondern daß von verschiedenen Autoren das Problem der Farbadaptation ganzunterschiedlich gesehen wird. Dies kommt etwa an den verschiedenen Versuchs-anordnungen zum Ausdruck, die zur empirischen Untersuchung der Farbadapta-tion benutzt werden: MacAdam (1956) verwendet ein monokulares, zweigeteil-tes Testfeld, Burnham et al. (1957) verwenden dichoptische Darbietung, wobeidie Test- und Kontextreizpaare den beiden Augen getrennt dargeboten wer-den. Cicerone, Krantz und Larimer (1975), Walraven (1976) und Shevell (1978)verwenden keine Aquivalenzrelation, sondern ein Absoluturteil, was den Vor-teil hat, daß immer nur ein Paar von Kontext- und Testreiz dargeboten werdenmuß. Alle diese Versuchsanordnungen definieren implizit verschiedenen Formender Adaptation, und es ist keineswegs zu erwarten, daß eine einzige Theorie alleverschiedenen Daten zur Farbadaptation erklaren kann. Eine solche Erwartungware schon deshalb unbegrundet, weil sie voraussetzt, daß es entweder im gesam-ten visuellen System nur einen einzigen Mechanismus gibt, der der Adaptationunterliegt, was sicher falsch ist, oder daß alle adaptierenden Mechanismen mitHilfe einer einzigen Transformation beschrieben werden konnen. Die Strukturder an der Farbwahrnehmung beteiligten Mechanismen mußte dann invariantgegenuber den strukturellen Eigenschaften dieser Transformation sein, im Fall

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Kapitel 3 Adaptation 63

einer affinen Transformation also linear. Diese Annahme ist aber bereits furmehrere Mechanismen der Farbwahrnehmung widerlegt, etwa fur die Gegenfar-benanteile des Blau/Gelb-Kanals durch Larimer, Krantz und Cicerone (1975),oder fur heterochromatische Helligkeitsaquivalenzen durch Guth, Donley undMarocco (1969).

Die Konsequenz aus diesen Uberlegungen kann nur darin bestehen, Experi-mente zur Farbadaptation zu finden, bei denen einzelne Mechanismen des far-breizverarbeitenden Systems isoliert werden. Dies bedeutet vor allem, daß dieAufgaben der Versuchperson in solchen Experimenten moglichst einfach seinmussen und alle moglichen Randbedingungen sehr genau kontrolliert sind. Dahier vor allem eine psychophysische Analyse angestrebt wird, gilt es außerdem,alle kognitiven Faktoren weitgehend auszuschalten. Dies kann etwa dadurch ge-schehen, daß aus der Aufgabe, die der Versuchsperson gestellt wird, nicht ohneweiteres erkennbar ist, daß Farbadaptation untersucht wird. Eine Versuchsanord-nung, die diese Bedingungen weitgehend erfullt, ist die von Diskriminationsex-perimenten. Die Fragestellung dabei ist immer, wie unterschiedlich zwei physika-lische Reize sein mussen, damit dieser Unterschied gerade wahrgenommen wird.Adaptation kann als ein Mechanismus betrachtet werden, der die Diskrimina-tionsleistung in Abhangigkeit von den vorwiegenden Reizbedingungen optimiert.Aus dieser Sicht ist es erstaunlich, daß bei der Untersuchung der Farbreizdiskri-mination nur sehr selten auf die Rolle der Adaptation fur die Diskriminationslei-stung eingegangen wurde. Eine Ausnahme bildet Brown (1952), der im Rahmeneiner Diskriminationsuntersuchung verschiedene Umfeldparameter variiert. Erstin den neueren Arbeiten von Wandell (1982, 1985) wird der Zusammenhang vonAdaptation und Diskriminationsleistung im Detail untersucht. Wir werden imnachsten Kapitel auf diese Arbeiten eingehen und eine eigene Untersuchung zumEinfluß der Adaptation auf die Diskriminationsleistung darstellen.

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Kapitel 3 Adaptation 64

r

r

r

s

s

s

•a

a

a

b

b

b

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..........

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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α(a)

α(a)

δ(b) = c

δ(b) = c

γ(c)

β(b)

Abbildung 3.2. Kontextubergreifende Abbildungen unterschiedlicher Komplexitat.

Die obere Abbildung steht fur die einfache Aquivalenz (a, r) ∼ (b, s), die dem Reiz aim Kontext r den Reiz b in Kontext s zuordnet. In der mittleren Abbildung werden

nicht Reize, sondern Transformationen zugeordnet. Der Transformation α im Kon-

text r wird die Transformation δ im Kontext s zugeordnet: Aus (a, r) ∼ (b, s) folgt

(α(a), r) ∼ (δ(b), s). Kontextinvarianz bedeutet hier, daß diese Zuordnung unabhangig

vom Reiz a ist. In der unteren Abbildung werden Differenzen von Transformationen

zugeordnet. Der Transformation α im Kontext r wird das Paar [β, γ] von Transforma-

tionen im Kontext s zugeordnet. Die Zuordnung muß auch hier kontextinvariant, also

unabhangig von a sein. Die Transformationsdifferenz [β, γ] ist dadurch bestimmt, daß

β den Reiz b und γ den Reiz c auf ein und den selben Reiz β(b) = γ(c) abbilden.

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Kapitel 3 Adaptation 65

0.0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

0.8

0.9

y

0.0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8

x

••••

••

••••••

380450

470

480

490

500

510

520

530

540

550

560

570

580

590

600

620

650

720

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R

G

B

C•

Abbildung 3.3. Farborte der Phosphore des fur die Experimente benutzten Video-

monitors in der Normfarbtafel. Alle Farben innerhalb des durch die Punkte R, G und

B aufgespannten Dreiecks konnen auf dem Bildschirm erzeugt werden. Der Punkt Cmarkiert den Farbort der Normlichtart C.

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Kapitel 3 Adaptation 66

0 32 64 96 128 160 192 224 256

Steuerspannung

0.0

0.2

0.4

0.6

0.8

1.0

Relative

Leucht-

dichte

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Abbildung 3.4. Kennlinien der Bildrohre des RGB-Monitors fur den roten, den grunen

und den blauen Kanal, normiert auf ihren Maximalwert. Die Kennlinien unterschei-

den sich kaum, trotzdem wird bei der Vorentzerrung fur jeden Farbkanal eine eigene

Kennlinie angenommen. Die Abbildung zeigt die 256 unterschiedlichen Stufen der Aus-

steuerung, die bei einer Auflosung von 8 Bit zur Verfugung stehen. Der Maximalwert

der Leuchtdichte ist fur die Summe der drei Kanale etwa bei 170 cd/m2.

Abbildung 3.5. Die Anordnung der Reizfelder fur das Experiment zur Farbadap-

tation. Bei einer Aquivalenz der Form (a, r) ∼ (b, s) wird der Kontextreiz r und der

Testreiz a im oberen Reizfeld, der Kontextreiz s und der Testreiz b im unteren Reizfeld

dargeboten. ,,Kontext“ ist operationalisiert als ,,zeitlich vorausgehend“. Das Umfeld

ist dunkel. Die horizontalen Linien dienen der Fixation. In dem in Kapitel 4 beschrie-

benem Experiment zur Farbreizdiskrimination fehlt die obere und untere horizontale

Linie.

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Kapitel 3 Adaptation 67

0.0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

y

0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7

x

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⊗•

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×

×

×

×

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Abbildung 3.6. Ergebnisse fur den Umfeldubergang (s, t) von Grun (⊗) nach Rot

(�) fur eine Versuchsperson mit den Parameterschatzungen zur Kontextinvarianz und

zur Kommutativitat. Von jedem Testreiz, der im Kontext s dargeboten wird, geht ein

Pfeil aus, dessen Spitze auf den Mittelwert der Einstellungen im Kontext t zeigt. Die

Ellipsen sind 90%-Konfidenzintervalle, die unter der Annahme normalverteilter Ein-

stellungen geschatzt sind. Der Kontextreiz s ist durch ⊗, der Kontextreiz t durch �angedeutet. Die Kreuze geben die nach der Umfeldinvarianz vorhergesagten Punkte

und die offenen Kreise geben die aufgrund von Umfeldinvarianz mit Hilfe kommutativer

Transformationen, also unter der Annahme additiver Umfeldeinflusse vorhergesagten

Punkte an. Die Abbildungen 3.7 und 3.8 enthalten die Ergebnisse fur andere Kon-

textubergange.

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Kapitel 3 Adaptation 68

0.0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

y

0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7

x

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×

×

×

×

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Abbildung 3.7. Ergebnisse fur den Kontextwechsel von Blau (⊗) nach Grun (�). Die

Darstellung ist analog zu Abbildung 3.6.

0.0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

y

0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7

x

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• •••

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×

×××

◦◦◦

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Abbildung 3.8. Ergebnisse fur den Kontextwechsel von Blau (⊗) nach Gelb (�). Die

Darstellung ist analog zu Abbildung 3.6.

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Kapitel 4

Diskrimination

Es durfte nicht schwer sein, die bei derConstruction der Farbentafel (resp. der Farbengeraden)gemachten willkuhrlichen Annahmen so zu modificiren,

dass der Abstand zweier Punkte auf derselben ein Maass gabefur die Verschiedenheit in der Empfindung der ihnen

entsprechenden Farben, z. B. in der Art, dass Farben,welche eben merklich verschieden sind, in der Farbentafel

(resp. Farbengeraden) uberall gleichen Abstand haben,gleichviel nun, ob dieser Unterschied (bei der Farbentafel)

durch Nuance oder Sattigung bedingt ist.

Arthur Konig, 1886

Fur die Einfuhrung des Farbraums wird angenommen, daß die Farbgleich-heitsurteile von Versuchspersonen eine Aquivalenrelation bilden. Dies setzt Tran-sitivitat voraus: wenn a ∼ b und b ∼ c, dann a ∼ c. Die durch die Relation ∼induzierte Abbildung des Vektorraums der Farbreize in den dreidimensionalenFarbraum zeigt, daß es Reize mit sehr unterschiedlichen Farbreizfunktionen ge-ben kann, die von keiner Versuchsperson unterschieden werden. Ein wesentlichesMerkmal der Relation ∼ ist, daß sie bei einer entsprechenden Operationalisie-rung fur solche Reize, die stark unterschiedliche Farbreizfunktionen haben, dieTransitivitat erfullt. Diese Tatsache ist gerade die Basis der Abbildung des Funk-tionenraums der Reize in den dreidimensionalen Farbraum. Trotzdem treten beiFarbgleichheitsurteilen Fehler auf, namlich dann, wenn entweder zwei Reize aund a′ verglichen werden, deren Spektralfunktionen sehr ahnlich sind, oder wenndiese Reize sehr ahnlich zu solchen sind, die zwar unterschiedliche Spektralfunk-tionen haben, aber als farbgleich bezeichnet werden.

4.1 MACADAM-ELLIPSEN

Die erste systematische Untersuchung der Diskriminationsleistung fur Farbreizestammt von MacAdam (1942). Der Umfeldreiz in diesem Experiment ist dieNormlichtart C (vgl. Abb. 1.2) mit einer Leuchtdichte von 24 cd/m2, das Um-feld erscheint unter einem Sehwinkel von 42◦. Das wie in Abbildung 1.4 ge-teilte Testfeld mit einem Durchmesser von 2◦ hat in beiden Teilen ein konstanteLeuchtdichte von 48 cd/m2. Eine Halfte des Testfeldes wird von einer konstantenMischung aus drei Primarreizen ausgeleuchtet, dem Standardreiz. In die andereHalfte wird eine Mischung der gleichen Primarreize projiziert. Die Versuchsper-son kann die Mischung auf einer einzigen Dimension verandern. Die Leucht-dichte wird dabei konstant gehalten und die Bewegung der Versuchsperson istnur auf einer Geraden moglich, die durch den vom Standardreiz gebildeten Punktgeht. Die Diskriminationsleistung wird dadurch bestimmt, daß die Versuchs-person wiederholt eine Aquivalenz zwischen dem Standard- und dem von ihrkontrollierten Vergleichsreiz erzeugen muß. Als Ergebnisse werden die Standard-abweichungen der wiederholten Einstellungen auf den vorgegebenen Geradenbenutzt. An die Punkte, die in der Normfarbtafel jeweils eine Standardabwei-

69

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Kapitel 4 Diskrimination 70

0.0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

0.8

0.9

y

0.0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8

x

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Abbildung 4.1. Diskriminationsellipsen von MacAdam (1942) nach Tabelle 2(5.4.1)

aus Wyszecki & Stiles (1982, S. 309). Die Ellipsenparameter sind unter der Annahme

normalverteilter Daten geschatzt. Die Ellipsen sind mit zehnfacher Vergroßerung ge-

zeichnet.

chung vom Standardreiz entfernt liegen, werden Ellipsen angepaßt. Abbildung4.1 aus Wyszecki und Stiles (1982, S. 308) zeigt diese Ellipsen in zehnfacherVergroßerung. Insgesamt werden 25 verschiedene Standardreize benutzt, alle vordem gleichen Umfeld. Von Silberstein und MacAdam (1945) wird gezeigt, daßdie Einstellungen der Versuchsperson von MacAdam (1942) als normalverteilteZufallsvariablen betrachtet werden konnen. In den auf MacAdam (1942) fol-genden Untersuchungen von Brown und MacAdam (1949), Brown (1957) undWyszecki und Fielder (1971) werden dreidimensionale Reizanderungen durch dieVersuchsperson zugelassen, so daß sich statt Diskriminationsellipsen Ellipsoideergeben. Bezogen auf die Normfarbtafel sind diese Ergebnisse zwar ahnlich zu de-nen von MacAdam (1942), vor allem aus der Arbeit von Wyszecki und Fielder(1971) geht jedoch deutlich hervor, daß derartige Diskriminationsellipsen vor-sichtig zu interpretieren sind, da sowohl die intra- als auch die interindividuelleReliabilitat nicht fur alle Ellipsenparameter gleich gut ist. Die großte Reliabi-litat weist die Neigung der Hauptachsen der Ellipsen in der Normfarbtafel auf.Fur diesen Parameter finden Wyszecki und Fielder (1971) die großte Korrela-tion innerhalb und zwischen ihren Versuchspersonen. Die Flache der Ellipsenkorreliert ebenfalls, aber deutlich weniger als die Hauptachsenneigung. Fur dieForm der Ellipsen, ausgedruckt durch den Quotienten der Hauptachsen ergibtsich weder zwischen den verschiedenen Versuchspersonen, noch bei wiederholtenMessungen innerhalb einzelner Personen ein bedeutsamer Zusammenhang.

Ein wesentliches Merkmal aller hier erwahnten Untersuchungen zur Diskrimi-nation von Farbreizen ist, daß fur jeden Standardreiz das gleiche Umfeld benutztwird, immer ein neutraler Farbton. Damit ist nicht zu erwarten, daß die Diskrimi-nationsleistung fur jeden Standardreiz optimal ist. Obwohl der Umfeldreiz bei

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Kapitel 4 Diskrimination 71

den verschiedenen Experimenten konstant ist, kann nicht davon ausgegangenwerden, daß der Adaptationszustand der Versuchspersonen konstant ist, dennder Versuchsleiter hat bei der benutzten Herstellungsmethode keine Kontrolledaruber, wie lange ein Reiz sichtbar ist. Dies wird durch das Verhalten der Ver-suchperson bestimmt, so daß eine Konfundierung der Einstellgenauigkeit unddes Adaptationszustandes zu erwarten ist. In Anbetracht dieser experimentel-len Mangel ist es nicht verwunderlich, daß die theoretischen Analysen auf derBasis der Diskriminationsdaten, wie sie etwa von Wyszecki und Stiles (1982)zusammengefaßt werden, ein wenig einheitliches Bild ergeben.

Variable Adaptationsreize werden von Brown (1952) benutzt. Die Vorge-hensweise in diesem Experiment ist identisch mit der von MacAdam (1942),allerdings werden Daten unter verschiedenen Adaptationsbedingungen erhoben.Dabei zeigt sich ein großer Einfluß der Farbe des Umfeldreizes auf Form undOrientierung der Diskriminationsellipsen. Im folgenden Experiment werden we-sentlich besser kontrollierte Versuchsbedingungen benutzt, um die Diskriminati-onsleistung und den Einfluß der Adaptationsbedingungen auf diese zu untersu-chen.

4.2 DISKRIMINATIONSMASSE ALS METRIKEN IMFARBRAUM

Zur formalen Beschreibung der Ergebnisse von Diskriminationsexperimentender im vorausgehenden Abschnitt beschriebenen Art werden haufig zweistelligeFunktionen im Farbraum benutzt, die die Eigenschaften einer Metrik besitzen.Eine reellwertige Funktion d auf dem Kreuzprodukt einer Menge X mit sichselbst heißt Metrik, wenn sie folgende Bedingungen erfullt:

Positivitat. d(x, x) = 0 und d(x, y) > 0, falls x = y.

Symmetrie. d(x, y) = d(y, x).

Dreiecksungleichung. d(x, y) + d(y, z) ≥ d(x, z).

Das Paar 〈X, d〉 wird metrischer Raum genannt. Da sich auf jeder Menge trivialeMetriken definieren lassen, sind metrische Raume nur dann interessant, wenn sieneben den oben genannten noch weitere strukturelle Eigenschaften haben. Dieskann etwa dann der Fall sein, wenn die Menge auf der die Metrik definiert wird,bereits Struktur besitzt. In diesem Fall laßt sich unter anderem die Vertraglich-keit der Metrik mit der schon vorhandenen Struktur untersuchen.

Die psychologische Interpretation der Metrik im Zusammenhang mit Dis-kriminationsdaten ist ganz analog zu der der ebenmerklichen Unterschiede inder eindimensionalen Psychophysik: Die Funktionswerte d(x, y) und d(x′, y′) furzwei Farbenpaare (x, y) und (x′, y′) sollen dann gleich groß sein, wenn die beidenFarben des ersten und des zweiten Paares gleich gut unterscheidbar sind. Wirsprechen hier absichtlich von ,,Farben“ und nicht von ,,Farbreizen“, da die Funk-tion d im Farbraum definiert sein soll. Die Bedingung ,,gleich gut unterscheidbar“wird in der Regel empirisch so interpretiert, daß beide Paare zum gleichen Dis-kriminationsindex fuhren, also etwa in beiden Fallen der zweite Reiz auf einerDiskriminationsellipse um den ersten Reiz liegt. Das methodische Problem einersolchen Behandlung von Diskriminationsdaten besteht darin, eine Funktion zufinden, mit deren Hilfe aus den Koordinaten der Farben x und y im Farbraumder Funktionswert d(x, y) berechnet werden kann.

Die in der Farbenlehre ublichen Annahmen fur die Losung des Problemswerden von Wandell (1982) dargestellt. Man nimmt an, daß ein bestimmtes Ko-ordinatensystem des Farbraums durch die Existenz eines Skalarprodukts ausge-zeichnet werden kann, so daß in einem solchen Koordinatensystem die Distanzzwischen zwei Punkten als Funktion des dem Skalarprodukt zugeordneten, metri-schen Fundamentaltensors und der Koordinatendifferenzen geschrieben werdenkann:

d(x, y) = [κ(x) − κ(y)]tG[κ(x) − κ(y)].

Dabei ist κ(x) der Koordinatenvektor der Farbe x in dem durch das Skalarpro-dukt ausgezeichneten Koordinatensystem, xt steht fur die Transposition von x

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Kapitel 4 Diskrimination 72

und G steht fur den metrischen Fundamentaltensor, in unserem Fall eine sym-metrische, positiv definite, 3×3-Matrix. Sind gij die Elemente der Matrix G,dann wird die Formel

(ds)2 =∑ij

gijdidj

als ,,Linienelement“ bezeichnet. Sie gibt die Distanz zwischen zwei Punkten an,deren Koordinaten κi sich um di unterscheiden. Metrische Raume fur die injedem Punkt ein derartiges Linienelement existiert, werden Riemannsch genannt.Die euklidische Metrik ist dadurch ausgezeichnet, daß in ihrem Fall die MatrixG eine Einheitsmatrix darstellt.

Linienelemente wurden in der Farbenlehre erstmals von Helmholtz (1891,1896) zur Erklarung der Diskriminationsdaten von Konig und Dieterici (1893)vorgeschlagen. Von Schrodinger (1920) wird das Konzept aufgegriffen und alsTheorie einer globalen Metrik des Farbraums entwickelt. Von Stiles (1946) undanderen Autoren werden modifizierte Linienelemente vorgeschlagen, eine Zusam-menfassung daruber geben Wyszecki und Stiles (1982). In Anbetracht der obengeaußerten Kritik an den ublichen Experimenten zur Farbreizdiskrimination, ge-hen wir nicht naher auf die einzelnen Linienelemente ein, da ihre ,,theoretischeGrundlage“ haufig nur darin besteht, einen bestimmten Datensatz moglichst gutzu beschreiben.

Auf eine wesentliche Gemeinsamkeit der Linienelemente wird von Wandell(1982) hingewiesen: Alle nehmen fur den metrischen Fundamentaltensor G eineMatrix an, die durch lineare Transformation in die euklidische Einheitsmatrixuberfuhrt werden kann. Die Komponenten einer solchen Matrix konnen keineFunktionen der Koordinaten sein. Die angenommenen Metriken unterscheidensich lediglich darin, welcher Zusammenhang zwischen den Koordinaten des durchdie Metrik festgelegten Raumes und dem Raum der Aquivalenzklassen A∗ farb-gleicher Reize besteht. Fur einen festen Adaptationszustand wird dabei immerangenommen, daß der Zusammenhang durch eine positiv definite Matrix, alsoeine lineare Transformation, beschrieben werden kann. Die Distanz zwischen zweiPunkten hangt nur von der Koordinatendifferenz ab, so daß zwei Punkte, diegleiche Koordinatendifferenz haben, auch gleiche Distanzen haben.

Angenommen ein Beobachter ist auf den Kontextreiz a adaptiert. Dann gibtes nach diesen Annahmen ein Koordinatensystem fur A∗, in dem gleich gutunterscheidbare Reize den gleichen Abstand haben, so lange diese Reize nahe beia liegen. κ(b) seien die Koordinaten einer Farbe b in diesem Koordinatensystem.B sei die Transformationsmatrix, die die Koordinaten κ(b) in den VektorraumA∗ abbilden, was aufgrund der Annahmen durch eine lineare Transformationmoglich ist, B ist also positiv semidefinit. Sei nun b+ δ eine zweite Farbe, nichtweit von b, so daß sich der Abstand zwischen b+ δ und b durch die Distanz

d2(δ) = [κ(b+ δ) − κ(b)]tG[κ(b+ δ) − κ(b)]

berechnen laßt. Wegen der Linearitat ist dann

d2(δ) = [κ(δ)]tG[κ(δ)].

Transformiert man κ(δ) in den Vektorraum A∗, dann erhalt man Bκ(δ). Wirbetrachten nun die Formel

d2(δ) = [Bκ(δ)]tG[Bκ(δ)]

= [κ(δ)tBt]G[Bκ(δ)]= κ(δ)t[BtGB]κ(δ).

Da die Matrix B nicht singular ist, sie stellt eine in A∗ zulassige Transformationdar, ergibt BtGB wieder eine positiv definite, quadratische Form, so daß

d2(δ) = κ(δ)t[BtGB]κ(δ). (4.1)

eine Metrik in A∗ ist. Einen Beweis dafur gibt Wandell (1982). Steht G fur dieeuklidische Metrik, dann wird BtGB in der Regel keine euklidische Metrik sein.

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Kapitel 4 Diskrimination 73

Es gibt jedoch in diesem Fall eine lineare Transformation von A∗, die zu einereuklidischen Metrik fuhrt, wobei naturlich die Einschrankung zu berucksichtigenist, daß dies alles nur fur Reize in der nahen Umgebung des Adaptationsreizesa gilt, der immer konstant sein muß.

Aus Gleichung (4.1) kann man sofort erkennen, daß unter diesen Annahmender Linienelemente auch im Farbraum A∗ die Distanz, und damit ihre Diskri-minierbarkeit, nur von der Vektordifferenz zweier Farben abhangt. Diese denLinienelementen zugrunde liegende Vektordifferenzhypothese benutzt Wandell(1982) zu einem experimentellen Test. Die Versuchsperson wird auf den Reiza adaptiert, der ein großes Umfeld ausfullt. Dann wird der Reiz t ∗ b und derReiz t ∗ b⊕ it∗b ∗ δ in zwei aufeinander folgenden Zeitintervallen auf das Umfeldprojiziert. Als Datum wird die Intensitat it∗b bestimmt, die der Differenzreiz δhaben muß, damit die beiden Reize t ∗ b und t ∗ b⊕ it∗b ∗ δ gerade unterscheidbarsind. Wenn die Vektordifferenzhypothese richtig ist, dann muß diese Intensitatkonstant sein, solange t ∗ b den Adaptationszustand der Versuchsperson nichtandert. Die Ergebnisse von Wandell (1982) sind negativ. Die Intensitaten it∗b

sind nicht konstant, allerdings sind die Abweichungen nur gering, so daß eineEntscheidung uber die Vektordifferenzhypothese aufgrund der wenigen Datenverfruht erscheint. Wandell selbst erwahnt mogliche Einwande gegen die vonihm herangezogene Operationalisierung: Im Gegensatz zu den ublichen stati-schen Versuchsbedingungen, werden bei ihm die Reize nur kurzzeitig dargeboten.Die Darbietungszeit der Reize ist 200 msec, eine Dauer die durchaus den Ad-aptationszustand verandern kann. Der nach unserer Ansicht wichtigste Einwandbesteht darin, daß die zu vergleichenden Reize nicht gleichzeitig sichtbar sind,sondern von der Versuchsperson sequentiell verglichen werden mussen. Dies isteine sehr wesentliche Abwandlung des Diskriminationsparadigmas, das bei al-len anderen Experimenten in der Unterscheidung gleichzeitig sichtbarer Reizebesteht. Eine weitere Besonderheit des Experiments von Wandell im Vergleichetwa zu dem von MacAdam (1942) ist, daß die Reize, die Wandell verwendet,sich nicht nur in der Farbart, sondern auch in der Leuchtdichte unterscheiden,da bei ihm die Strahlungen einfach ubereinanderprojiziert werden.

Im folgenden Experiment1 werden dagegen Reize konstanter Leuchtdichtebenutzt, die stets gleichzeitig sichtbar sind. Die Darbietungszeit wird noch wei-ter verkurzt, um den Einfluß der Testreize auf den Adaptationszustand so weitwie moglich auszuschalten. Die oben dargestellte Hypothese der Linienelementewird außerdem auf eine Art gepruft, die sich mehr an die fruheren Experimenteanlehnt, bei denen Diskriminationsellipsen bestimmt wurden. Dazu wird dasProbelem in zwei Stufen betrachtet: die ubliche Fragestellung ist, wie sich dieMetrik in Abhangigkeit vom Testreiz andert, wenn der Adaptationszustand kon-stant ist, die neue Fragestellung ist, wie sich die Metrik andert, wenn der Um-feldreiz geandert wird.

Sei Q die Menge der positiv definiten, quadratischen Formen im FarbraumA∗. Aus den Uberlegungen die zu Gleichung (4.1) fuhrten, folgt, daß zu jederzulassigen Transformation B in A∗ eine Transformation BtGB korrespondiert,die symmetrisch ist und so daß BtGB und G die gleichen Definitheitseigen-schaften haben, also BtGB wieder eine Metrik auf A∗ ist. Wir nehmen nunan, daß zu einer Kontextanderung immer eine Transformation in A∗ korrespon-diert, sich durch den Hintergrundwechsel also die Struktur des Vektorraumsder Farbreizaquivalenzklassen nicht andert, da die linearen Transformationendie Automorphismen dieses Vektorraums (ohne Metrik) sind. Damit induziertjeder Hintergrundwechsel eine symmetrische Transformation auf der Menge Qder Metriken auf A∗. Das umgekehrte gilt ebenso, da sich jede positiv definiteMatrix G durch die Cholesky-Zerlegung in ein Produkt der Form LtL zerlegenlaßt. Bei zwei Formen G und H mit den Zerlegungen G = LtL = LtIL undH = RtR = RtIR kann dann mit I = (Lt)−1GL−1 so eingesetzt werden, daßH = RtIR = Rt(Lt)−1GL−1R. Die Matrix B = L−1R uberfuhrt dann dieMetrik G in die Metrik H und stellt gleichzeitig eine lineare Transformation aufA∗ dar. Die Matrizen L und R sind orthogonal, die Matrix B ist eindeutig bis

1Das hier berichtete Experiment wurde von Karl Gegenfurtner im Rahmen einer Diplom-arbeit durchgefuhrt und ausgewertet (Gegenfurtner, 1985).

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Kapitel 4 Diskrimination 74

auf orthogonale Transformationen.Damit ist die Abbildung πx von der Menge der linearen Transformationen

H(T ) auf der Menge T der Kontextreize in die Menge S(Qx) der symmetrischenTransformationen der Metriken Qx im Punkt x des Farbraums A∗ wohldefiniert.Wird aber fur jeden Punkt im Farbraum eine eigene Metrik zugelassen, dann istdiese Abbildung trivial, da wir ja oben gezeigt haben, daß sie immer konstruiertwerden kann. Wir forderen deshalb, daß die Abbildungen πx fur alle Farbenx in A∗ identisch sind. Diese Bedingung wird Testreizunabhangigkeit genannt.Sie bedeutet, daß eine Kontextanderung auf jeden Testreiz den gleichen Effekthaben soll, die Metrik sich in jedem Punkt des Farbraums also in der gleichenWeise verandern muß.

Testreizunabhangigkeit erlaubt uns die durch einen Kontextwechsel herbei-gefuhrte Anderung der Metrik in einem Punkt des Farbraums dafur auszunut-zen, die Anderung der Metrik in jedem anderen Punkt vorherzusagen. Allerdingskann damit allein keine Aussage uber den Zusammenhang der Transformationder Metrik und dem Kontextwechsel gemacht werden, da fur jeden Kontext-wechsel eine beliebige Transformation der Metrik moglich ist, vorausgesetzt sieerzeugt wieder eine Metrik. Ein solcher Zusammenhang kann mit Hilfe der fol-genden Annahme hergestellt werden. Wir nehmen an, daß die Abbildungen πx

translationsinvariant sind: Mit σ und σ′ aus H(T ) soll σ(r)−r = σ′(r)−r genaudann gelten, wenn πx(σ) = πx(σ′). Zwei Kontextwechsel, deren Vektordifferenzim Vektorraum der Kontextreize identisch ist, sollen also die gleiche Anderungder Metrik herbeifuhren. Damit laßt sich die Abbildung πx als Funktion vonDifferenzen von Kontextreizen schreiben. Auf den Index x von πx kann auchverzichtet werden, da wegen der Testreizunabhangigkeit alle πx identisch sind.

Die folgende empirische Uberprufung unserer Annahmen besteht darin, un-ter verschiedenen Kontextbedingungen Diskriminationsellipsen fur verschiedeneTestreize zu schatzen. Diese werden als lokale Metriken betrachtet. Zur Prufungder Testreizunabhangigkeit wird dann fur jeweils einen Kontextwechsel, also furein Paar von Kontextreizen eine lineare Transformation gesucht, die jede Diskri-minationsellipse bezuglich des ersten Kontextreizes in die bezuglich des zweitenKontextreizes uberfuhrt. Gilt Testreizunabhangigkeit, dann muß es eine solchelineare Transformation geben. Da hier ein Optimierungsverfahren benutzt wird,durfen sich bei Gultigkeit der Testreizunabhangigkeit die aufgrund der Verande-rung der Diskriminationsellipse eines Testreizes fur die anderen Testreize vorher-gesagten Diskriminationsellipsen fur den zweiten Kontext nicht signifikant vonden empirisch beobachteten unterscheiden.

Die Prufung der Translationsinvarianz ist etwas aufwendiger. Translations-invarianz heißt, daß die Anderungen der Metrik durch den Kontextwechsel nurvon der Differenz der beteiligten Kontextreize abhangt. Die Abbildung der Kon-textwechsel in die Transformationen der Metrik hangt also nur von der Differenzder Kontextreize ab. Eine solche Abbildung wurde bereits in Abschnitt 3.2 mitden Methoden von Krantz (1968) untersucht. Aus den dortigen Uberlegungenfolgt, daß diese Abbildung die Funktionalgleichung

π(x+ y) = π(x)π(y)

erfullt und daß damit als Transformationen der Metriken bei Gultigkeit derTranslationsinvarianz nur die Losungen dieser Funktionalgleichung in Frage kom-men. Dies sind wie in Abschnitt 3.2 nur solche Transformationen, die paarweisekommutativ sind.

Die empirische Prufung der Translationsinvarianz wird folgendermaßen durch-gefuhrt. Fur drei Kontextreize r, s und t werden die Diskriminationsellipsen derTestreize bestimmt. Dann werden kommutative Transformationsmatrizen Bsr

und Brt geschatzt, die die Anderung der Diskriminationsellipsen unter den ent-sprechenden Kontextwechseln beschreiben. Das Produkt dieser Matrizen dientdann zur Vorhersage der Anderung der Diskriminationsellipsen beim Kontext-wechsel von t nach s. Fur die statistische Uberprufung werden stets die Para-meter der vorhergesagten mit den direkt aus den Daten geschatzten Ellipsenverglichen.

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Kapitel 4 Diskrimination 75

Tabelle 4.1. Tabelle der Reizkoordinaten im Diskriminationsexperiment. Die Koor-

dinaten beziehen sich auf die Normfarbtafel. Die Leuchtdichte ist fur alle verwendeten

Reize 24 cd/m2.

Reiz x y

R 0.475 0.300

G 0.280 0.385

B 0.228 0.250

W 0.310 0.316

4.3 EIN EXPERIMENT ZUM EINFLUSS DES UMFELDES AUFDIE FARBREIZDISKRIMINATION

Experimentelle Methoden

Versuchsaufbau und Reizmaterial

Der Versuchsaufbau des Experiments ist im wesentlichen mit dem aus Abschnitt3.4 identisch. Im Gegensatz zum Adaptationsexperiment besteht im Diskrimi-nationsexperiment das Umfeld aus dem gesamten Bildschirm, dessen Diagonaleunter einem Sehwinkel von 16◦ erscheint. Tabelle 4.1 enthalt die Koordinatender vier Test- und Umfeldreize. Es handelt sich dabei um Reize, die auch vonMacAdam (1942) benutzt werden, wobei in unserem Fall einerseits darauf zuachten ist, daß die Reize innerhalb des in Abbildung 3.3 dargestellten Dreiecksder durch den Monitor darstellbaren Farben liegen, und daß andererseits einmoglichst großer Farbunterschied zwischen den Reizen bestehen soll, um mas-sive Adaptationseffekte zu erzielen. Der unbunte Reiz entspricht der NormlichartC. Es werden ausschließlich Reize einer Leuchtdichte von 24 cd/m2 verwendet.

Versuchsablauf

Eine Sitzung beginnt mit einer Adaptationsphase von 3 Minuten, in der lediglichdas Umfeld und die Fixationslinien sichtbar sind. Danach kann die Versuchsper-son das Experiment selbst starten, indem sie eine Taste druckt. Eine Reizdar-bietung besteht darin, daß in einem der beiden Reizfelder der Standardreiz undim anderen der Vergleichsreiz fur eine Dauer von 40 msec sichtbar sind. Die Ver-teilung der Reize auf die Felder erfolgt zufallig. Die Darbietungsdauer wird kurzgehalten, damit die Testreize den Adaptationszustand der Versuchperson nichtverandern konnen. Nach der Reizdarbietung hat die Versuchsperson zu entschei-den, ob die beiden Reize gleich aussahen oder nicht. Die Entscheidungszeit istnicht begrenzt, da in dieser Zeit konstante Adaptationsbedingungen bestehenbleiben. In der Regel werden nur etwa 2 bis 3 Sekunden fur eine Entscheidungbenotigt. Durch eine dritte Taste kann die Versuchsperson eine Pause anfordern,wahrend der die Umfeldbedingungen aber nicht verandert werden. Eine Sitzungdauert etwa eine Stunde, jede Versuchsperson arbeitet etwa zwischen 25 und 30Stunden in diesem Experiment, wobei etwa ein Drittel der Zeit in Vorversuchenverbraucht wird, die gleichzeitig als Training fur die Hauptversuche dienen. Diedrei Versuchspersonen deren Daten hier berichtet werden, sind normalsichtigeStudenten der Psychologie im Alter von 19 bis 25 Jahren.

Statt einer Herstellungsmethode, wie in den fruheren Experimenten zur Farb-reizdiskrimination wird von uns die Konstanzmethode benutzt. Fur ein festesUmfeld und einen festen Standardreiz, beide aus den Reizen in Tabelle 4.1, wer-den dazu jeweils 4 Linien im Farbraum bestimmt und auf jeder dieser Linienwerden 11 Vergleichsreize festgesetzt. Die vier Linien inzidieren alle mit demStandardreiz und enthalten nur Punkte der Leuchtdichte 24 cd/m2. Jeder der11 Reize auf den vier Linien wird 30 mal zusammen mit dem Standardreiz ange-boten und von der Versuchsperson auf Farbgleichheit beurteilt. Als Kombinationaus Standard- und Umfeldreiz werden alle moglichen Paare aus den vier Reizenin Tabelle 4.1 gebildet, bei denen beide Reize verschieden sind. Die Kombination

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Kapitel 4 Diskrimination 76

bei der Standard- und Umfeldreiz identisch ist, wird nicht benutzt, da sich indiesem Fall die Aufgabe der Versuchsperson von einer Diskriminations- zu einerDetektionsaufgabe andern wurde, deren Ergebnisse nicht vergleichbar sind.

Tabelle 4.2. Ellipsenparameter der Diskriminationsellipsen, die fur die Prufung der

Testreizunabhangigkeit bei Versuchsperson ME benutzt werden. Die erste Spalte gibt

den Kontextreiz, die zweite den Standardreiz an. Die zu den Bezeichnungen gehoren-

den Farbkoordinaten sind in Tabelle 4.1 angegeben. Die dritte Spalte (a) gibt die

Haupt-, die vierte (b) die Nebenachse und die funfte Spalte (θ) den Neigungswinkel der

Hauptachse zur Horizontalen an. Die Tabelle enthalt fur jede Kombination zwei Mes-

sungen. Die gute Ubereinstimmung der Ellipsenparameter fur die Meßwiederholungen

zeigt die hohe Reliabilitat der Daten. Die letzte Spalte gibt als Anhaltspunkt fur

die Gute der Anpassung die Wahrscheinlichkeit dafur an, daß bei Gultigkeit der Nor-

malverteilungsannahme ein χ2-Wert beobachtet wird, der kleiner ist, als der unserer

Daten.

Kontext Standard a b θ 1 − P (χ2)

R G 0.01231 0.00815 -34.89 0.734

R G 0.01333 0.00780 -32.93 0.358

W G 0.01036 0.00652 -63.28 0.001

W G 0.01010 0.00656 -61.44 0.012

R B 0.01215 0.00991 34.24 0.714

R B 0.01296 0.01148 22.57 0.935

W B 0.01196 0.00551 58.84 0.001

W B 0.01146 0.00554 57.30 0.002

0.265 0.270 0.275 0.280 0.285 0.290 0.295

x

0.370

0.375

0.380

0.385

0.390

0.395

0.400

y

...................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

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Abbildung 4.2. Diskriminationsellipsen fur Beobachter ME bei verschiedenen Um-

feldreizen und zu wiederholten Zeitpunkten. Die Ellipsen zum ersten Zeitpunkt sind

durchgezogen, die zum zweiten Zeitpunkt sind gestrichelt gezeichnet. Die Ellipsenpa-

rameter der Wiederholungen unterscheiden sich nicht, wahrend die Umfeldreize einen

großen Einfluß auf die Form der Ellipsen haben. Die Geraden zeigen die Linien durch

das Ellipsenzentrum, auf denen sich die Vergleichsreize befinden, die von der Versuchs-

person mit dem Standardreiz, dem Zentrum der Ellipse, verglichen werden mussen.

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Kapitel 4 Diskrimination 77

Ergebnisse des Experiments

Aus der Verteilung der Urteile auf ,,farbgleich“ entlang der ausgewahlten Li-nien von Vergleichsreizen wird nach der Methode von Silberstein und MacAdam(1945) fur jede Kombination aus Standard- und Adaptationsreiz eine Diskrimina-tionskontur unter der Annahme normalverteilter Urteile geschatzt. Die gleichzei-tige Anpassung einer zweidimensionalen Normalverteilung an alle Datenpunkteum einen Standardreiz erfolgt durch iterative Minimierung des χ2-Wertes fur dieAbweichung der beobachteten von den erwarteten Haufigkeiten. Tabelle 4.2 zeigtdie Ergebnisse der Parameterschatzungen fur die Versuchsperson ME. Die Ta-belle enthalt fur jede Kombination aus Test- und Kontextreiz zwei Schatzungen,da die Messungen wiederholt wurden, um die Reliablititat der Daten fur unserenVersuchsaufbau zu prufen. Die Tabelle und Abbildung 4.2 zeigen, daß die wie-derholten Schatzungen nur sehr wenig voneinander abweichen. Die Versuchsan-ordnung kann daher als zuverlassig betrachtet werden. Die folgende Auswertungbezieht sich nur noch auf die Parameter der Diskriminationsellipsen.

Die Uberprufung der Testreizunabhangigkeit erfolgt dadurch, daß ein Um-feldwechsel fur zwei oder mehr Testreize betrachtet wird. Zu diesem Umfeldwech-sel wird eine Matrix B geschatzt, die die Diskriminationsellipsen aller Testreizeunter den beiden Kontextreizen ineinander uberfuhrt. Die Schatzung der Trans-formationsmatrix geschieht in folgender Weise: Fur jeden Testreiz liegen auf jederder durch den Farbort des Testreizes gehenden Geraden, auf denen sich die Ver-gleichsreize befinden, Schatzungen der Standardabweichungen der Diskriminati-onsellipsen vor. Diese Geraden bilden verschiedene Winkel zur x-Achse. Zu jederPrufung werden zwei Kontextreize benotigt: der Ausgangs- und der Zielkontext,die zusammen den Kontextwechsel bilden. Wir berechnen nun eine Transfor-mationsmatrix B, die alle Diskriminationsellipsen der benutzten Testreize un-ter dem Ausgangskontext in die Diskriminationsellipsen unter dem Zielkontextuberfuhrt. Da wir nur Reize konstanter Leuchtdichte haben, ist die Matrix Beine 2×2-Matrix. Eine solche Transformation wird keine perfekten Vorhersagenmachen konnen, so daß eine Transformation gesucht werden muß, die optimaleVorhersagen macht. Als Optimierungskriterium wird die Summe der quadriertenund standardisierten Differenzen zwischen den direkt aus den Daten geschatz-ten Ellipsenparametern und den Parametern der vorhergesagten Ellipsen be-nutzt. Fur die Berechnungen wird das Verfahren PRAXIS von Brent (1973)benutzt. Um eine moglichst gut durch die vorliegenden Daten kontrollierte Op-timierung zu erhalten, werden jedoch nicht einfach die Achsen der Ellipsen undihre Neigung als Parameter benutzt, sondern die Standardabweichungen der Ur-teilsverteilungen auf den Geraden der Vergleichsreize. Die Optimierung beziehtsich damit direkt auf die Daten, nicht auf eine nichtlineare Funktion davon, wiees die Ellipsenparameter der Diskriminationsellipsen sind. Der Nachteil diesesVerfahrens ist, daß die dadurch erhaltenen Abweichungsquadrate zwar einzelnχ2-verteilt, aber nicht alle unabhangig sind, da mehrere Punkte zusammen jaeine Diskriminationsellipse ergeben. Statt eines einfachen χ2-Tests mussen wirdeshalb die Konfidenzintervalle der Parameter betrachten, um die Gute der An-passung zu beurteilen.

Die Abbildungen 4.3 und 4.4 zeigen die Ergebnisse. Tabelle 4.3 enthalt dieParameterschatzungen. Fur jeden Testreiz sind 90%-Konfidenzintervalle der di-rekt aus den Daten bestimmten Parameter und die geschatzten Parameter, zu-sammen mit den Transformationsmatrizen angegeben. Alle vorhergesagten Para-meter liegen innerhalb der 90%-Konfidenzintervalle. Die Hypothese der Testrei-zunabhangigkeit kann daher fur diese Daten beibehalten werden. Von Gegen-furtner (1986) wird die gleiche Analyse auf die Daten von Brown (1952) an-gewandt. Im Gegensatz zu den Ergebnissen bei unserer Versuchsperson zeigendie der beiden Versuchspersonen von Brown deutliche Abweichungen. Fur Ver-suchsperson WRJB liegen von den 48 vorhergesagten Parametern 26 im 90%-Konfidenzintervall und fur die Versuchsperson DLM nur 11 von 30. Die Hypo-these muß daher fur die Daten von Brown (1952) abgelehnt werden.

Fur den zweiten Teil der Ergebnisse wird angenommen, daß nicht nur dieTestreizunabhangigkeit, sondern auch die Translationsinvarianz gilt. Hier stehenErgebnisse von zwei Versuchspersonen zur Verfugung. Tabelle 4.4 enthalt die El-

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Kapitel 4 Diskrimination 78

Tabelle 4.3. Ergebnisse der Uberprufung der Testreizunabhangigkeit. Die Koordi-

naten des ersten Umfeldreizes sind (0.475,0.300), die des zweiten Umfeldreizes sind

(0.310, 0.316). Die letzten beiden Zeilen enthalten die berechnete Transformations-

matrix. In den Zeilen ,,Testreiz“ sind die xy-Koordinaten der Testreize angegeben.

In den anderen Zeilen die Ellipsenparameter. Die Grenzen beziehen sie jeweils auf ein

90 % Konfidenzintervall.

Testreiz: 0.280 0.385

untere Grenze: 0.0075 0.0049 -84.85

geschatzt: 0.0085 0.0065 -72.90

obere Grenze: 0.0127 0.0082 -37.96

Testreiz: 0.228 0.250

untere Grenze: 0.0085 0.0041 44.14

geschatzt: 0.0116 0.0068 63.47

obere Grenze: 0.0144 0.0070 70.46

Transformation: 1.7152 -0.2673

-0.2038 1.1407

0.215 0.220 0.225 0.230 0.235 0.240 0.245

x

0.235

0.240

0.245

0.250

0.255

0.260

0.265

y +

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Abbildung 4.3. Anderung der Diskriminationsellipsen durch den Umfeldwechsel von

Rot nach Grau bei einem blauen Testreiz. Die unter rotem Umfeld beobachtete El-

lipse ist durchgezogen eingezeichnet, die bei grauem Umfeld beobachtete Ellipse ist

gestrichelt gezeichnet. Die gepunktete Ellipse ist die aufgrund der Parameterschatzung

bei Testreizunabhangigkeit erwartete Ellipse. Abbildung 4.4 zeigt die entsprechenden

Ergebnisse fur einen grunen Testreiz.

lipsenparameter der beiden Versuchspersonen fur die vier verschiedenen Kontex-treize und drei verschiedene Testreize. Als Testreize wurden nur die bunten Reizebenutzt, da diese den großtmoglichen Farbunterschied zum Kontextreiz erzeu-gen. Die Prufung der Theorie erfolgt fogendermaßen: Je zwei Kontextreize bildeneinen Kontextwechsel. Zu jedem Kontextwechsel wird eine Transformation ge-sucht, die die Diskriminationsellipsen der Testreize ineinander uberfuhrt, analogzur Prufung der Testreizunabhangigkeit. Wahrend dort fur diese Transforma-tion keine weitere Einschrankung besteht, mussen die Transformationen zweierKontextwechsel hier kommutieren. Hat man also zwei Differenzen von Kontext-reizen r∗ und s∗ und die zu ihnen korrespondierenden TransformationsmatrizenBr und Bs, dann laßt sich aus der hier benutzten Struktur der Kontextreize ein

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Kapitel 4 Diskrimination 79

0.265 0.270 0.275 0.280 0.285 0.290 0.295

x

0.370

0.375

0.380

0.385

0.390

0.395

0.400

y +

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Abbildung 4.4. Anderung der Diskriminationsellipsen durch den Umfeldwechsel von

Rot nach Grau bei einem grunen Testreiz.

Tabelle 4.4. Ellipsenparameter der Diskriminationsellipsen, die fur die Prufung der

Translationsinvarianz benutzt werden. Der obere Teil der Tabelle entalt die Werte von

Versuchsperson EF, der untere Teil die von Versuchsperson PB. Die Bedeutung der

einzelnen Spalten entspricht denen von Tabelle 4.2.

Kontext Standard a b θ 1 − P (χ2)

B G 0.01035 0.00592 60.10 0.279

R G 0.01257 0.00883 -27.42 0.912

G B 0.01003 0.00575 87.63 0.876

R B 0.01206 0.01176 -58.84 0.930

G R 0.01286 0.00608 -22.07 0.835

B R 0.01313 0.00808 13.37 0.907

W G 0.00832 0.00635 -75.22 0.003

W R 0.01005 0.00711 23.97 0.358

B G 0.01118 0.00863 36.28 0.059

R G 0.01221 0.00877 -39.41 0.456

G R 0.01009 0.00585 -23.42 0.913

B R 0.00960 0.00737 15.91 0.894

W G 0.00714 0.00536 84.04 0.002

W B 0.01063 0.00419 61.71 0.017

W R 0.00758 0.00519 2.43 0.001

dritter Kontextwechsel als Linearkombination schreiben: t∗ = ρ1r∗ + ρ2s

∗. Diezu t∗ korrespondierende Transformationsmatrix Bt ist dann

Bt = Bρ1r Bρ2

s

= exp(ρ1 lnBr) exp(ρ2 lnBs).

Die Exponentialfunktion einer Matrix wurde in Abschnitt 3.2 definiert. Da dieTransformation exp(x) linear ist, wird hier statt B direkt der Logarithmus lnBgeschatzt. Das Optimierungsproblem wird wieder mit dem Verfahren PRAXISvon Brent (1973) gelost. Die Abbildungen 4.5 und 4.6 zeigen die Ergebnisse von

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Kapitel 4 Diskrimination 80

0.0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

0.8

0.9

y

0.0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8

x

..............................................

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+ �

Kontextreize:

W (+)

R (�)

G (◦)B (�)

Abbildung 4.5. Beobachtete Diskriminationsellipsen fur Beobachter EF bei verschie-

denen Umfeld- und Testreizen. Die Koordinaten der Umfeldreize sind in der Abbil-

dung durch die unterschiedlichen Strichlangen der Ellipsen angedeutet, die Farborte

der Umfeld- und Standardreize durch die Symbole. Die Ellipsen sind um den Faktor

5 vergroßert. Abbildung 4.6 enthalt die Vorhersagen fur die hier dargestellten Daten.

einer der beiden Versuchspersonen. Die Diskriminationsellipsen sind in beidenAbbildungen um den Faktor 5 vergroßert gezeichnet. Fur die statistische Beur-teilung der Ergebnisse werden die aufgrund der kommutativen Transformationenvorhergesagten Ellipsenparameter mit den direkt beobachteten verglichen. DieTabellen 4.5 und 4.6 enthalten die Ergebnisse fur die beiden Versuchspersonen.Bei der Versuchsperson EF liegen 11 der 15 Parameter, bei Versuchsperson PB7 von 12 Parametern innerhalb des 90%-Konfidenzintervalls. Die Hypothese derTranslationsinvarianz kann bei diesen Ergebnissen nicht beibehalten werden. Einahnliches Ergebnis zeigt hier die von Gegenfurtner (1986) durchgefuhrte Ana-lyse der Daten von Brown (1952). Dort weichen insgesamt 23 der 69 Parameterbeider Personen von den aufgrund von Testreizunabhangigkeit und Translati-onsinvarianz vorhergesagten Werten ab.

4.4 DISKUSSION DER ERGEBNISSE

Die Tabelle 4.2 zeigt, daß die Daten der Versuchsperson ME bei der Uberprufungder Testreizunabhangigkeit sehr zuverlassig sind. Wir mussen daher die Diskre-panz unserer Ergebnisse zu denen von Brown (1952) auf die dort vorliegendeKonfundierung von Beobachtungsdauer und Adaptation zuruckfuhren. Die bei-den Beobachter von Brown (1952) konnen im Herstellungsverfahren den Testreizbeliebig lange betrachten. Dadurch ist von einer Veranderung des Adaptations-zustandes durch den Testreiz auszugehen. In unserem Experiment wird dagegendie Beobachtungszeit sehr kurz gehalten, um eine solche Konfundierung zu ver-meiden. Das Ergebnis ist, daß hier die Hypothese der Testreizunabhangigkeitbeibehalten werden kann. Anders dagegen die Hypothese der Translationsin-varianz, sie muß sowohl fur unsere, als auch fur die Daten von Brown (1952)verworfen werden. Der Effekt eines Kontextwechsels laßt sich also nicht alleinaufgrund der Differenz der Kontextreize erklaren, sondern die absolute Lage derKontextreize im Farbraum muß dabei berucksichtigt werden. Trotz dieser sta-tistischen Abweichungen, konnen mit der Theorie ausgezeichnete Vorhersagen

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Kapitel 4 Diskrimination 81

0.0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

0.8

0.9

y

0.0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8

x

..............................................

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+ �

Kontextreize:

W (+)

R (�)

G (◦)B (�)

Abbildung 4.6. Vorhersagen fur die Diskriminationsellipsen aus Abbildung 4.5 auf-

grund von Testreizunabhangigkeit und Translationsinvarianz. Die Ellipsen sind auch

hier um den Faktor 5 vergroßert gezeichnet. Die Diskriminationsellipsen zu den Stan-

dardreizen R im Kontext G, G im Kontext B und B im Kontext G stimmen mit denen

aus Abbildung 4.6 uberein, da sie als Basis der linearen Transformationen angenom-

men werden, mit deren Hilfe die Effekte der Kontextwechsel vorhergesagt werden (vgl.

Seite 74).

gemacht werden. Diese zeigt Abbildung 4.7 in der ein Vergleich der Diskrimi-nationsellipsen von MacAdam (1942) mit Ellipsen dargestellt ist, die aufgrundder Translationsinvarianz und der Testreizunabhangigkeit aus den Daten vonMacAdam (1942) von Gegenfurtner (1986) berechnet wurden. Der Berechnungliegt die Annahme zugrunde, daß bei der von MacAdam (1942) benutzten Her-stellungsmethode die Versuchsperson immer auf den Standardreiz adaptiert. AlsKontextwechsel werden deshalb die Differenzvektoren der Standardreize betrach-tet. Die 75 Parameter aller 25 Diskriminationsellipsen konnen damit durch 11geschatzte Parameter erklart werden. Die 11 geschatzten Parameter setzten sichaus 3 Parametern einer Diskriminationsellipse und aus je 4 Parametern fur zwei2×2-Matrizen zusammen, der Basis des Vektorraums der Transformationen derMetrik.

Die ausgezeichneten Vorhersagen der MacAdam-Ellipsen relativieren die ne-gative Entscheidung uber die Translationsinvarianz aufgrund der statistischenKonfidenzintervalle. Ein rein statistisches Vorgehen berucksichtigt eben nicht,daß durch die große Zahl der Beobachtungen auch Abweichungen signifikantwerden, die gegenuber dem durch die Theorie erklarten Anteil eines Effektesunbedeutend sind.

In Abschnitt 4.2 wurde auf das Experiment von Wandell (1982) hingewiesen,in dem die Hypothese, daß die Diskrimination bei festen Adaptationsbedingun-gen nur von der Differenz der Farbvektoren der Testreize abhangt, widerlegtwurde. Dieses Ergebniss widerspricht ebenfalls der Testreizunabhangigkeit. Al-lerdings zeigt Wandell (1985) in einer neueren Untersuchung, daß die Ablehnungder Hypothese auf einen Spezialfall beschrankt werden muß, der in unseren Un-tersuchungen nicht vorlag. Von Wandell (1985) werden sehr kurzzeitige Reize be-nutzt, die den Adaptationszustand der Versuchsperson nicht verandern konnen.Die Testreize werden auf das Umfeld projiziert, es wird ein Zwangswahlverfahrenbenutzt. Die Versuchsperson muß angeben, ob der Testreiz im ersten Zeitinter-

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Kapitel 4 Diskrimination 82

Tabelle 4.5. Ergebnisse der Uberprufung der Translationsinvarianz fur Versuchsper-

son EF. Die vier letzten Zeilen enthalten die berechneten, kommutierenden Transfor-

mationsmatrizen durch deren Komposition die Vorhersage erfolgt.

Testreiz: 0.280 0.385

untere Grenze: 0.0093 0.0066 -56.31

geschatzt: 0.0127 0.0089 -34.35

obere Grenze: 0.0158 0.0111 1.47

Testreiz: 0.228 0.250

untere Grenze: 0.0090 0.0087 -114.00

geschatzt: 0.0154 0.0096 -81.46

obere Grenze: 0.0152 0.0148 -3.85

Testreiz: 0.475 0.300

untere Grenze: 0.0097 0.0060 -7.78

geschatzt: 0.0127 0.0086 20.16

obere Grenze: 0.0165 0.0102 33.90

Testreiz: 0.280 0.385

untere Grenze: 0.0062 0.0047 -113.20

geschatzt: 0.0082 0.0077 54.81

obere Grenze: 0.0105 0.0080 -37.25

Testreiz: 0.475 0.300

untere Grenze: 0.0075 0.0053 -5.56

geschatzt: 0.0141 0.0079 -15.88

obere Grenze: 0.0126 0.0089 53.50

Transformation B1: 14.3273 -4.9876

-12.8037 6.2033

Transformation B2: 0.7154 -0.2637

-0.6769 0.2859

vall gleich dem im zweiten ist. Das fur uns wesentliche Ergebnis dieser Arbeit ist,daß die Vektordifferenzhypothese nur dann abgelehnt wird, wenn sich Test- undVergleichsreiz in der Leuchtdichte unterscheiden. Sind die Reize isoluminant, sokann die Hypothese beibehalten werden. Dies ist in Ubereinstimmung mit unse-ren eigenen Ergebnissen, da in unserem Fall alle Reize konstante Leuchtdichtehaben.

Ein sehr wesentliches Ergebnis kann indirekt aus unseren Daten gefolgert wer-den. Der Einfluß der Adaptationsbedingungen auf die Diskriminationsleistungist nicht nur sehr groß, sondern er ist auch so geartet, daß die Interpretationvon Diskriminationsellipsen als Metrik dadurch wenig sinnvoll erscheint. Wieoben erlautert wurde, kann Adaptation als Anpassung interpretiert werden, de-ren wesentlicher Effekt eine Optimierung der Diskriminationsleistung ist. Ausder grundsatzlich lokalen Information eines Diskriminationsmaßes auf globaleMaße zu schließen ist daher nur unter besonderen Einschrankungen moglich.Da Testreizunabhangigkeit gilt, ist es grundsatzlich moglich, eine Formel zufinden, die bei festem Adaptationszustand die Diskriminationsmetrik fur be-liebige Testreize angibt. Nur ist eine solche Formel wertlos, da unter wenigerstark eingeschrankten Beobachtungsbedingungen jeder Testreiz die Adaptati-onsbedingungen andert und wegen der mangelnden Translationsinvarianz dieprinzipiell verschiedenen Formeln fur feste Adaptationsbedingungen nicht auf-grund der Kontextreize konstruiert werden konnen. Fur die Farbenlehre ist unserErgebnis der Testreizunabhangigkeit allerdings sehr wichtig, zeigt es doch, daß

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Kapitel 4 Diskrimination 83

Tabelle 4.6. Ergebnisse der Uberprufung der Translationsinvarianz fur Versuchsper-

son PB. Die vier letzten Zeilen enthalten die berechneten, kommutierenden Transfor-

mationsmatrizen durch deren Komposition die Vorhersage erfolgt.

Testreiz: 0.280 0.385

untere Grenze: 0.0091 0.0065 -70.36

geschatzt: 0.0110 0.0082 -38.58

obere Grenze: 0.0154 0.0110 -8.47

Testreiz: 0.475 0.300

untere Grenze: 0.0071 0.0055 -23.10

geschatzt: 0.0099 0.0070 11.49

obere Grenze: 0.0121 0.0093 54.91

Testreiz: 0.280 0.385

untere Grenze: 0.0053 0.0040 50.18

geschatzt: 0.0103 0.0087 -37.69

obere Grenze: 0.0090 0.0068 121.78

Testreiz: 0.475 0.300

untere Grenze: 0.0056 0.0039 -24.32

geschatzt: 0.0096 0.0067 -15.21

obere Grenze: 0.0096 0.0065 29.20

Transformation B1: 0.9719 -1.2109

-0.0140 1.0215

Transformation B2: 0.5583 -2.7578

-0.0319 0.6713

unter entsprechenden Versuchsbedingungen die Diskriminationsellipsen reliabelbestimmt werden konnen und daß sich ihre Lage bei einem Kontextwechsel sy-stematisch andert. Die negativen Ergebnisse von Wyszecki und Fielder (1971),nach denen die Diskriminationsellipsen eher als Zufallsprodukte erscheinen, sinddamit zu relativieren.

Ahnlich wie Fechner (1860) die Diskriminationsleistung als Maß benutzenwollte, um Empfindungsunterschiede zu messen, werden, wie etwa im ,,UniformChromaticity Scale“-Diagramm der CIE von 1976 (Wyszecki & Stiles, 1982), Li-nienelemente gelegentlich als Grundlage einer Metrik des Farbraums betrachtet,mit deren Hilfe wahrgenommene Farbunterschiede gemessen werden sollen. Einesolche Interpretation entbehrt aber jeder empirischen Grundlage. Eine fundierteMessung von wahrgenommenen Farbunterschieden ist nur dadurch moglich, daßVersuchspersonen Aussagen uber Farbunterschiede abgeben. Dies kann etwa inForm einer vierstelligen Relation geschehen, so daß (a, b) � (c, d) genau danngilt, wenn sich a und b ahnlicher sind, als c und d. Hinreichende Voraussetzungenfur die Reprasentation einer solchen Relation durch einen metrischen Raum ge-ben Beals, Krantz und Tversky (1968). Der einzige dem Autor bisher bekannteVersuch, Diskriminationsdaten und Abstandsurteile simultan zu skalieren, wirdvon Krantz (1967) durchgefuhrt. Er benutzt einen probabilistischen Triadenver-gleich. Die Versuchsperson hat aus einem Tripel (a, b, c) anzugeben, ob der Reiza oder der Reiz c naher an b liegt. Es zeigt sich, daß die Versuchspersonen zwarsehr reliabel urteilen, daß die Urteile aber nicht durch einen eindimensionalenAbstand reprasentiert werden konnen (Distanzfunktionen sind immer eindimen-sional, nur der Raum auf dem sie definiert sind, kann mehrdimensional sein).Als Ursache fur die aufgetretenen Transitivitatsverletzungen vermutet Krantz(1967) die unterschiedliche Schwierigkeit der Triadenaufgabe in den Fallen, indenen die Reize a und c auf der ,,gleichen Seite“ von b liegen im Vergleich mit

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Kapitel 4 Diskrimination 84

0.0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

0.8

0.9

y

0.0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8

x

..............................................

......................

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Abbildung 4.7. Vorhersagen fur die Diskriminationsellipsen aus Abbildung 4.1 von

MacAadam (1942) (durchgezogene Ellipsen) aufgrund von Testreizunabhangigkeit

und Translationsinvarianz (gepunktete Ellipsen). Den Vorhersagen liegt die Annahme

zugrunde, daß bei der Messung von MacAdam (1942) die Versuchsperson auf den

Standardreiz adaptiert. Der Kontextwechsel ist also jeweils durch die Differenz der

Standardreize bestimmt. Aus den Daten von MacAdam (1942) werden 11 Parameter

geschatzt.

den Fallen, in denen a und c auf ,,verschiedenen Seiten“ von b liegen.

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Kapitel 5

Binokulare Fusion

In der Regel gilt als selbstverstandlich, dass,wo uberhaupt Empfindlichkeit fur das Licht besteht,

durch vermehrten Lichtzutrittvermehrte Helligkeit begrundet werde.

Gustav Theodor Fechner, 1861

Farbattribute konnen durch direkte Urteile von Versuchspersonen erzeugtwerden, wie etwa Farbkoordinaten durch ein Mischungsexperiment, oder siekonnen indirekt durch ihre Invarianzeigenschaften definiert werden, wie etwa die,,Grundempfindungen“ von Konig und Dieterici (1893) oder die π-Mechanismenvon Stiles (1978). Sie lassen sich als unterschiedliche Stufen der visuellen Reizver-arbeitung auffassen. Fur eine Theorie des Farbensehens, die nicht nur Ergebnisseeinzelner Experimente, sondern Daten verschiedener Paradigmen erklaren will,sind die Invarianzen dieser Mechanismen immer experimentelle Prufmoglichkei-ten, an denen die Vorhersagekraft der Theorie getestet werden kann. Auch wenneine Theorie durch derartige Experimente in einigen Punkten widerlegt wird,wie etwa die von Jameson und Hurvich (1955, 1956) durch die Experimentevon Larimer et al. (1975), konnen die Ergebnisse solcher Prufungen wieder alsGrundlage neuer Modelle dienen.

Die Moglichkeit Funktionale im Farbraum immer als Funktion der Farbko-ordinaten darzustellen, macht diese Funktionale nicht redundant, da die spezi-elle Form der Abhangigkeit fur verschiedene Attribute verschieden sein kann.Die in Kapitel 2 dargestellten Invarianzeigenschaften bieten die Moglichkeit, be-stimmte Klassen von Abhangigkeiten experimentell zu isolieren, wobei aber dieexperimentelle Operationalisierung der speziellen Invarianzeigenschaft durch dieformale Definition nicht festgelegt ist.

Haufig werden Funktionale im Farbraum physiologisch interpretiert, auchwenn sie durch Verhaltensdaten und nicht durch physiologische Messungen ge-wonnen werden. Die formalen Methoden der Psychophysik des Farbensehenssind naturlich nicht nur auf psychologische Daten anwendbar, aber bisher wurdenur selten erfolgreich versucht, eindeutige Korrespondenzen zwischen bestimm-ten psychologischen Daten und physiologischen Messungen herzustellen. Die er-folgreichen Ausnahmen hiervon sind nahezu ausnahmslos Arbeiten, die sich aufdie Rezeptoren in der Retina beziehen, wie etwa von Baylor et al. (1987) undSchnapf et al. (1987). Yellott, Wandell und Cornsweet (1984) stellen fest, daß bisdahin nur wenige psychologische Phanomene des Farbensehens eindeutig physio-logisch erklart sind. Sie rechnen dazu die Dreidimensionalitat des Farbraums, denPurkinje-Effekt und bestimmte Kontrastmechanismen. Aber auch diese Phano-mene waren lange vor ihrer physiologischen Erklarung aufgrund psychologischerUntersuchungen bekannt und wurden durch psychologische Modelle erklart. Diephysiologischen Ergebnisse konnen in diesen Fallen als externe Validierungenpsychologischer Konzepte aufgefaßt werden. Psychologische Daten und Modellehaben im Rahmen physiologischer Untersuchungen des Farbensehens meist eineheuristische Funktion. Dabei zeigen etwa die Arbeiten von De Valois und DeValois (1975), Zrenner (1983), Derrington, Krauskopf und Lennie (1984) und

85

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Kapitel 5 Binokulare Fusion 86

Krauskopf, Williams, Mandler und Brown (1986), daß im Bereich der Farb-wahrnehmung psychologische Daten haufig ebenso reliabel sind wie physiologi-sche Messungen.

In dieser Arbeit wird auf die Verwendung von Begriffen wie ,,Rezeptor“ oder,,Neuron“ weitgehend verzichtet, denn so lange fur ein psychologisches Phanomenkeine explizit physiologische Messung mit eindeutig nachgewiesenen Korrespon-denzen zu Verhaltensdaten vorliegt, ist eine abstrakt funktionale Darstellung derZusammenhange einer pseudophysiologischen Interpretation vorzuziehen.

5.1 BINOKULARE FARBENMISCHUNG

Verschiedene Ebenen der Verarbeitung von Farben werden bereits von Muller(1930) zur Integration der Theorien von Helmholtz und Hering angenommen.Aufgegriffen werden diese Vorstellungen von Judd (1951) und spater von Jame-son und Hurvich (1955). Das wesentliche Problem der experimentellen Prufungeiner derartigen Theorie ist, experimentelle Anordnungen zu finden, mit de-nen einzelne von der Theorie postulierte Mechanismen isoliert werden konnen.Die binokulare Mischung von Farben ist ein solches Paradigma. Von Hurvichund Jameson (1951) wird die binokulare Mischung von Rot und Grun als Testder Gegenfarbentheorie vorgeschlagen. Ergabe eine solche Mischung Gelb, dannwurde das Ergebnis die Gegenfarbentheorie widerlegen. Ergabe sich dagegenGrau, dann konnte das als Bestatigung aufgefaßt werden. Einen ausfuhrlichenUberblick und eine kritische Analyse dieser Argumente gibt Irtel (1982). Dortwird ein wesentliches, methodisches Problem der Verwendung binokularer Mi-schungen fur die Prufung von Theorien der Farbwahrnehmung gelost. Es werdendie formalen Bedingungen angegeben, unter denen binokulare Farbenmischun-gen als additiv betrachtet werden konnen. Um einen Vergleich der Ergebnisse ad-ditiver Farbreizmischungen und der von binokularen Farbenmischungen durch-zufuhren, ist erst genau anzugeben, was unter Additivitat im Zusammenhang mitbinokularer Farbenmischung zu verstehen ist.

Bei der binokularen Farbenmischung werden der Versuchsperson fur beideAugen unabhangig voneinander verschiedene Farbreize so dargeboten, daß diebeiden Reize fusionieren und ein einziges Bild wahrgenommen wird. Unter ge-eigneten Bedingungen verschmelzen die monokularen Komponenten zu einemhomogenen Farbeindruck. Die Farbe dieser Mischung wird als binokulare Far-benmischung bezeichnet. In der Regel erhalt jedes Auge ein homogenes Umfeldauf dem sich ein kleiner Testreiz befindet. Ist die Form des Reizes fur beide Augenidentisch, dann fusionieren die beiden monokularen Teilbilder und immer dann,wenn sich die Reize in ihrem monokularen Farbton nicht extrem unterscheiden,entsteht eine homogene Mischfarbe.

Zur Prufung der Additivitat binokularer Farbenmischungen wird von Irtel(1982, 1987) eine binokulare Graßmann-Struktur definiert. Sie geht von einerbinokularen Aquivalenzrelation ∼ auf der Menge der Reizpaare A×T aus. A seidie Menge der Reize, die dem rechten und T die Menge der Reize, die dem linkenAuge angeboten werden. (a, r) ∼ (b, s) bedeutet dann, daß das Reizpaar (a, r)genau die gleiche Farbe erzeugt, wie das Reizpaar (b, s). Dabei wird jeweils aund b an verschiedenen Positionen im Gesichtsfeld des linken und r und s anverschiedenen Positionen im Gesichtsfeld des rechten Auges so dargeboten, daß amit r und b mit s verschmilzt. Von Irtel (1982) wird gezeigt, daß die in Abschnitt1.2.1 definierten Bedingungen der additiven und skalaren Invarianz fur die Paare(a, r) aus A×T hinreichend dafur sind, daß eine binokulare Aquivalenzrelation∼ auf A×T durch die Addition von Farbvektoren reprasentiert werden kann. Esgibt dann Vektorraume 〈A∗,+, ·〉, 〈T ∗,+, ·〉 und Abbildungen φ1 von A in A∗

und φ2 von T in T ∗, so daß gilt

(a, r) ∼ (b, s) gdw. φ1(a) + φ2(r) = φ1(b) + φ2(s). (5.1)

Die Vektorraume 〈A∗,+, ·〉 und 〈T ∗,+, ·〉 entsprechen jeder fur sich dem mono-kularen Farbraum aus Kapitel 1, konnen aber untereinander verschieden sein, dasich die psychophysischen Funktionen, die den Vektorraum der Reize in den Far-braum abbilden, fur beide Augen unterscheiden konnen. Es laßt sich auch eine

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Kapitel 5 Binokulare Fusion 87

empirisch prufbare Bedingung angeben, die zu identischen Reprasentationen furbeide Augen fuhrt. Gleichung (5.1) zeigt, wie in dieser Axiomatisierung die Ad-ditivitat von binokularen Farbenmischungen interpretiert wird: Sie werden alsadditiv betrachtet, wenn die Farbe, die bei der Darbietung von (a, r) entsteht,als Summe monokularer Farbvektoren φ1(a) und φ2(r) berechnet werden kann.Diese Summe muß nicht mit der ,,monokularen“ Farbe von a⊕ r identisch sein,denn es gilt zwar φ1(a ⊕ r) = φ1(a) + φ1(r), wenn r auch in A ist, aber es giltnicht notwendig φ1(a) + φ1(r) = φ1(a) + φ2(r), denn φ1 und φ2 konnen sichunterscheiden.

Die additive Invarianz der binokularen Farbenmischungen wird von Irtel(1982) experimentell gepruft. Die Versuchspersonen erzeugen binokulare Aqui-valenzen der Form (a, r) ∼ (b, s). Drei der vier Reize werden dazu vorgegebenund der vierte wird von der Versuchsperson im Herstellungsverfahren erzeugt.Danach wird ein Reizpaar (c, t) auf (a, r) und der Reiz c auf b addiert und dieVersuchsperson stellt t′ ein, so daß

(a⊕ c, r ⊕ t) ∼ (b⊕ c, s⊕ t′).

Wenn additive Invarianz gilt, dann muß t′ mit t identisch sein, da bei dem Expe-riment ein dreidimensionaler Reizraum benutzt wird. Bei 90% der verwendetenReize uberlappen sich die Konfidenzbereiche von t′ und t, so daß von der Gultig-keit der additiven Invarianz ausgegangen werden kann.

Bei diesem experimentellen Test wird allerdings ein Problem ausgeklammert,dessen Losung hier dargestellt wird. Es werden nur solche Reize benutzt, dieannahernd gleich hell erscheinen. Der Grund dafur ist, daß bei der binokula-ren Fusion von Reizen unterschiedlicher Helligkeit bereits von Fechner (1861)ein Effekt beobachtet wurde, der mit einer additiven Kombinationsregel nichtvertraglich ist. Dieser Effekt besteht in einem nicht monotonen Zusammenhangzwischen der Reizintensitat und der wahrgenommenen Helligkeit. Der folgendeTeil dieser Arbeit schildert die bisher publizierten, empirischen Ergebnisse undModelle der binokularen Fusion der Helligkeit und stellt neue Methoden fur de-ren Untersuchung und eine Theorie zur Erklarung der Ergebnisse vor.

5.2 BINOKULARE HELLIGKEIT

In Experimenten zur Untersuchung der binokularen Verarbeitung der Hellig-keit werden verschiedenartige Versuchsanordnungen benutzt, die Daten unter-schiedlicher Art ergeben. Die zwei wesentlichen Gruppen, die sich hier unter-scheiden lassen, sind solche, bei denen schwellennahe Reize benutzt werden, alsoDetektions- und Diskriminationsexperimente, und solche, bei denen sicher uber-schwellige Reize benutzt werden, man kann diese im weitesten Sinne ,,Skalier-ungsexperimente“ nennen. Auch innerhalb dieser beiden großen Gruppen gibtes jeweils eine Reihe verschiedenartiger Fragestellungen, die untersucht wurden,und aufgrund derer Modelle fur die aus den Experimenten gewonnenen Datenentwickelt wurden. Wir werden hier nur auf Experimente eingehen, bei denenuberschwellige Reize benutzt werden, also auf Skalierungsexperimente im Sinneunserer Einteilung. Der zentrale Gegenstand unserer Untersuchung ist der nichtmonotone Zusammenhang zwischen Reizintensitat und binokularer Helligkeit,der bei uberschwelligen, dichoptischen Reizkombinationen beobachtet wird. Die-ser Effekt tritt bei Reizen in Schwellennahe nicht auf (Blake & Fox, 1973; Blake,Sloan & Fox, 1981; Campbell & Green, 1965; Cogan, 1987; Legge, 1984a, 1984b).Wir werden daher auf binokulare Diskriminations- und Detektionsexperimentenicht weiter eingehen. Die Ergebnisse der folgenden Experimente werden darauf-hin untersucht, welche Information sie uber die formale Struktur der binokularenHelligkeitsverarbeitung liefern konnen. Es wird gezeigt werden, daß in mehrerenModellen der binokularen Helligkeit grundlegende psychophysische Annahmengemacht werden, die mit den von den Autoren benutzten Methoden nicht gepruftwerden konnen. Diese Annahmen werden hier experimentell uberpruft und dieDaten zeigen, daß die formalen Modelle der binokularen Helligkeit, die bishervorgestellt wurden, nicht haltbar sind.

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Kapitel 5 Binokulare Fusion 88

Eine der ersten experimentellen Arbeiten zur binokularen Helligkeit stammtvon G. Th. Fechner (1861). Sein ,,paradoxer Versuch“ sieht folgendermaßen aus:Man halt vor eines der beiden Augen ein Graufilter, das etwa 90 % der Strahlungabsorbiert und beobachtet binokular. Schließt man nun das Auge, vor dem sichdas Filter befindet, dann erscheint das Gesichtsfeld heller, als mit beiden Augengeoffnet. Obwohl bei monokularer Beobachtung weniger Strahlung in die Augengelangt, als bei binokularer, erscheint das Gesichtsfeld bei monokularer Beob-achtung heller. Fechner nennt diesen Versuch deshalb den ,,paradoxen Versuch“.Fechners Beobachtungen sind in Abbildung 5.1 zusammengefaßt. Sie zeigt dieAbhangigkeit der binokularen Helligkeit von der Durchlassigkeit des vor einemAuge befindlichen Filters. Das zweite Auge beobachtet frei. Die Versuchsper-sonen sollen hier die Helligkeit bei monokularer und binokularer Betrachtungvergleichen. Sie haben also das Filter vor einem Auge und konnen beim Off-nen oder Schließen des Auges die Veranderung der Helligkeit beobachten. Umdiese Veranderung der Helligkeit fur verschiedene Filterdichten zu vergleichen,mussen die Beobachter zwei Filter abwechselnd vor ein Auge halten und beurtei-len, bei welchem Filter die Veranderung der Helligkeit beim Schließen des Augesgroßer ist. Die Beobachtungen werden im Freien bei verschiedenen Witterungs-bedingungen durchgefuhrt, wodurch sich verschiedene Beleuchtungsbedingungenergeben.

Bei Fechners Beobachtungsmethode sind drei wesentliche Punkte festzuhal-ten:

1. Es werden hochstrukturierte Bilder mit identischem Kontrast fur beideAugen verwendet, da durch das Filter alle Reizintensitaten gleichmaßig abge-schwacht werden.

2. Die Beobachtungszeit ist unbegrenzt, damit ist der Beobachter immer weit-gehend an die vorherrschende Reizintensitat adaptiert.

3. Die Urteile der Beobachter sind sequentielle Urteile uber Helligkeitsunter-schiede. Es wird festgestellt, ob beim Schließen des Auges mit dem Filter x1

die Helligkeit starker zu- oder abnimmt, als beim Schließen des Auges mit demFilter x2.

Abbildung 5.1 wurde nach Fechners Ergebnissen hergestellt. Sie soll zurErlauterung dienen. Dargestellt ist die Abhangigkeit der binokularen HelligkeitB(x, y) bei konstanter Beleuchtung x von der Durchlassigkeit y des vor daslinke Auge gehaltenen Filters. Die Filterdurchlassigkeit y = 0 entspricht der mo-nokularen Beobachtungssituation, die Durchlassigkeit y = 1.0 der binokularenBeobachtung ohne Filter. Beginnend mit der monokularen Beobachtung nimmtmit steigender Durchlassigkeit des Filters die binokulare Helligkeit zuerst ab, bissie etwa bei y = m(x) = 0.12 ein Minimum erreicht. Die Reizkomponente m(x)erzeugt, kombiniert mit der Komponente x als dichoptischer Reiz (x,m(x)), dieminimale binokulare Helligkeit aller Reize, von denen eine der beiden Kompo-nenten die Intensitat x hat. Der Indifferenzpunkt i(x) ist derjenige Reiz, derzusammen mit x in der dichoptischen Kombination genauso hell aussieht, wiex monokular beobachtet. Es gilt also: B(x, 0) = B(x, i(x)). Fur y = 1, alsobei binokularer Beobachtung des Reizes x, ist die binokulare Helligkeit hoher,als bei monokularer Beobachtung von x. Fechner bemerkt ausdrucklich, daß derUnterschied zwischen B(x, x) und B(x, 0) kleiner ist, als der zwischen B(x, 0)und B(x,m(x)).

Die von Fechner gefundene Form der binokularen Helligkeitsfunktion bei kon-stanter Reizung eines Auges wurde von mehreren Autoren mit unterschiedlichenMethoden repliziert (Fry & Bartley, 1933; de Weert & Levelt, 1974; Curtis &Rule, 1978). Ein neueres Beispiel zeigt Abbildung 5.2 mit Daten von Curtis undRule (1980). Diese Daten sind mit Hilfe einer Kategorienskala erhoben. Auch hierist der fur diese Funktion charakteristische nichtmonotone Verlauf zu sehen.

Die Daten aus Abbildung 5.3 stammen von Irtel (1986), sie sind mit der Kon-stanzmethode erhoben. Der Standardreiz ist hier ein Reiz der Form (x, y0), derVergleichsreiz ein Reiz der Form (x, yi). Die Komponente x wird als Bezugsreizbezeichnet und ist der Kurvenparameter der drei Kurven in der Abbildung. DieWerte fur x sind x = 1, 10, 100 cd/m2. Die Komponente y0 des Standardreizeswird mit Hilfe von Voruntersuchungen moglichst nahe am zu erwartenden Wert

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Kapitel 5 Binokulare Fusion 89

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0

Filterdurchlassigkeit y

B(x, y)

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............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. B(x, 0)B(x, 0)

B(x, x)

m(x)

i(x)

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.............

.............

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.............

.............

.............

.............

.............

.............

.............

.............

.............

....................................

Abbildung 5.1. Die Abbildung zeigt Fechners Ergebnisse zur binokularen Helligkeit.

Dargestellt ist die Abhangigkeit der binokularen Helligkeit B(x, y) bei konstanter Be-

leuchtung x von der Durchlassigkeit y des vor eines der beiden Augen gehaltenen

Filters. Die Filterdurchlassigkeit y = 0 entspricht der monokularen Beobachtungssi-

tuation, die Durchlassigkeit y = 1.0 der binokularen Beobachtung ohne Filter. Be-

ginnend mit der monokularen Beobachtung nimmt mit steigender Durchlassigkeit des

Filters die binokulare Helligkeit zuerst ab, bis sie etwa bei y =m(x)= 0.12 ein Mi-

nimum erreicht. Die Reizkomponente m(x) erzeugt kombiniert mit der Komponente

x als dichoptischer Reiz (x,m(x)) die minimale binokulare Helligkeit aller Reize, von

denen eine der beiden Komponenten die Intensitat x hat. Der Indifferenzpunkt i(x) ist

derjenige Reiz, der zusammen mit x in der dichoptischen Kombination genauso hell

aussieht, wie x monokular beobachtet. Es gilt: B(x, 0) = B(x, i(x)). Fur y = 1, also

bei binokularer Beobachtung des Reizes x ist die binokulare Helligkeit hoher, als bei

monokularer Beobachtung von x.

0 1 10 100 1000

Leuchtdichte des rechten Reizes [(cd/m2)1/3]

0

1

2

3

4

5

6

7

• •••

•• •

•• • • •

•• 1838

• ••• • •

•• •

• ••

••

• 3210

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Abbildung 5.2. Ergebnisse einer Kategorien-Skalierung von Curtis und Rule (1980).

Die obere der beiden Kurven sind Einschatzungen mit einem Bezugsreiz von 3210

cd/m2 fur das linke Auge, bei der unteren Kurve wurde ein Bezugsreiz von 1838 cd/m2

benutzt. Die Abszisse gibt die Leuchtdichte der variablen Reizkomponente an, sie ist

allerdings durch die Transformation L1/3 verzerrt. Die Ordinate zeigt Kategorienwerte.

von m(x) des Minimalreizes festgelegt. Die Abbildung zeigt die relative Haufig-keit mit der jeweils der Vergleichsreiz (x, yi) als der hellere Reiz ausgewahlt wird,

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Kapitel 5 Binokulare Fusion 90

0 1 2 3 4 5

Leuchtdichte des variablen Reizes [cd/m2]

0.0

0.2

0.4

0.6

0.8

1.0

Relative

Haufigkeit

der

Auswahl

....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

..................................................

..................................................

......................................................

.......................................................

.......... (100,0.97)

.......................................................................................................................................................................................

.............................................

................................................................. (10,0.75)

................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. (1,0.33)

Abbildung 5.3. Die Abbildung zeigt die relativen Haufigkeiten mit denen ein Reiz des-

sen linke Komponente gleich dem großeren Kurvenparameter (1, 10 oder 100 cd/m2)

und dessen rechte Komponente gleich dem x-Wert ist, als der hellere ausgewahlt

wird, wenn er mit dem Standardreiz gemeinsam angeboten wird. Die Auspragungen

der Reizkomponenten der Standardreize sind an den Kurven als Parameter angegeben.

Die rechte Komponente des Standardreizes liegt in der Nahe des Minimalreizes. Alle

Zahlenangaben sind in cd/m2.

wenn zugleich (x, y0) und (x, yi) sichtbar sind.Auch diese Abbildung zeigt den fur diese Situation typischen Verlauf. Die

relative Haufigkeit nimmt zuerst ab, erreicht ein Minimum und steigt danachmonoton an. Daruber hinaus sind hier noch zwei weitere Punkte zu erkennen:Die Kurven verlaufen umso flacher, je hoher die Intensitat des Bezugsreizes istund die Position des Minimums verschiebt sich mit der Bezugsreizintensitat.

Eine ahnliche Untersuchung wurde von De Silva und Bartley (1930) durch-gefuhrt. Sie suchen Reize x, so daß fur verschiedene Werte von t < 1 bei einembestimmten y gilt:

(x, x) ∼ (y, t ∗ y).Das Minimum der binokularen Helligkeit ergibt sich bei Werten von t = 1/8 bist = 1/4. Die Leuchtdichte von y ist hier zwischen 0.29 und 1.45 cd/m2, also sehrgering. Der Reizhintergrund ist dunkel, die Versuchspersonen sind dunkeladap-tiert und die Beobachtungszeit ist unbegrenzt.

Wie bereits Fechners Ergebnisse zeigen, ist der Vergleich der Punkte B(x, 0)und B(x, x) besonders interessant. Eine Untersuchung hierzu stammt von Fryund Bartley (1933). Dabei wird ein konstanter Reiz der Form (x, 0) vorgegebenund die Versuchsperson muß dazu einen Reiz (y, y) erzeugen, der gleich hell aus-sieht. Das Ergebnis ist, daß die Intensitat des binokularen Reizes immer kleinergewahlt wird, als die des monokularen. Der monokulare Reiz muß die 1.27 bis1.44-fache Leuchtdichte des binokularen haben, um gleich hell auszusehen.

Von Levelt (1965) werden Kurven konstanter binokularer Helligkeit erhoben.Seine Reize bestehen aus dichoptisch dargebotenen, hellen Scheiben vor dunklemHintergrund. Der Durchmesser der Scheiben ist 3◦. In den Scheiben befindetsich ein konzentrischer Ring mit einem Durchmesser von 2◦ (Abb. 5.2). In jedemDurchgang wird ein konstanter dichoptischer Reiz der Form (x, x) und ein Reizder Form (y, z) vorgegeben, wobei vom zweiten Reiz (y, z) eine Komponente,etwa y, konstant und die andere variabel ist. Die Aufgabe der Versuchspersonbesteht darin, die variable Komponente z so zu verandern, daß (x, x) und (y, z)gleich hell erscheinen. Die beiden dichoptischen Reize werden nicht simultan,sondern im zeitlichen Wechsel an der gleichen Stelle im Gesichtsfeld angeboten.

Abbildung 5.2 zeigt ein typisches Ergebnis von Levelt (1965). Die Leucht-

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Kapitel 5 Binokulare Fusion 91

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Abbildung 5.4. Das Reizmuster von Levelt (1965). Die Versuchspersonen sollen nur

das Innere des kleinen Kreises beurteilen. Die Flache innerhalb des großeren Kreises

ist hell beleuchtet. Die Flache außerhalb des großeren Kreises ist stets dunkel. Der

große Kreis erscheint unter einem Durchmesser von 3◦. Der innere Kreis hat einen

Durchmesser von 2◦. Das linke Auge sieht nur das linke Feld, das rechte Auge nur

das rechte Feld, die beiden Felder verschmelzen zu einem einzigen Bild. Abbildung

5.2 zeigt Daten aus diesem Experiment. Bei einigen Experimenten von Levelt (1965)

fehlt der innere Kreis bei einem der beiden Reizfelder. Daten aus einem Experiment

dieser Art sind in Abbildung 5.2 dargestellt.

labelfig:leveltstim

0 10 20 30 40 50 60 70 80

Rechter Reiz [cd/m2]

0

10

20

30

40

50

60

70

80

Linker

Reiz

[cd/m2]

◦◦ ◦◦◦ ◦◦◦◦◦

◦◦◦◦◦◦◦◦

◦◦◦◦ ◦◦◦◦◦◦

◦◦ ◦◦

◦◦

◦•••• •

• •••

•• •• •

•••• •

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••

Abbildung 5.5. Daten von Levelt (1965). Bei den gefullten Datenpunkten ist der

innere Kreis in Levelts Reizmuster (vgl. Abb. 5.2) fur beide Augen sichtbar. Bei den

offenen Punkten wird nur dem rechten Auge ein Kreis dargeboten. Der Effekt ist eine

deutliche Erhohung des Beitrags, den die rechte Reizkomponente fur die binokulare

Helligkeit leistet.

tet.

dichte der beiden Komponenten des Standards ist bei dieser Abbildung 20 cd/m2.Die Abszisse gibt die Leuchtdichte der rechten Komponente und die Ordinatedie der linken Komponente des Vergleichsreizes an. Jeder Punkt stellt also einedichoptische Reizkombination (y, z) dar, die genauso hell aussieht, wie der Reiz(20,20).

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Kapitel 5 Binokulare Fusion 92

Die durch die Reizpaare erzeugte Isohelligkeitskurve verlauft im mittlerenTeil linear, was Levelt (1965) zu sehr weitgehenden Schlussen veranlaßt, auf diewir spater noch zuruckkommen werden. Nahert sich eine der beiden Reizkom-ponenten des Vergleichsreizes dem Wert null, dann bricht jedoch die Linearitatals Folge des Fechnerschen Paradoxons zusammen. Die Kurven kehren an denEnden um und treffen die Koordinatenachse dort, wo die dem binokularen Reiz(20,20) aquivalente monokulare Intensitat (x, 0) liegt.

0 10 20 30 40 50 60 70 80

Rechter Reiz [cd/m2]

0

10

20

30

40

50

60

70

80

Linker

Reiz

[cd/m2]

◦◦ ◦◦◦ ◦◦◦◦◦

◦◦◦◦◦◦◦◦

◦◦◦◦ ◦◦◦◦◦◦

◦◦ ◦◦

◦◦

◦•••• •

• •••

•• •• •

•••• •

• • •• ••••

••

Abbildung 5.6. Daten von Levelt (1965). Bei den gefullten Datenpunkten ist der

innere Kreis in Levelts Reizmuster (vgl. Abb. 5.2) fur beide Augen sichtbar. Bei den

offenen Punkten wird nur dem rechten Auge ein Kreis dargeboten. Der Effekt ist eine

deutliche Erhohung des Beitrags, den die rechte Reizkomponente fur die binokulare

Helligkeit leistet.

tet.

Die Abbildung 5.2 zeigt noch einmal Daten von Levelt (1965). Die ersteGruppe von Daten ist in der gleichen Weise erhoben, wie die Daten aus Abbil-dung 5.2, allerdings mit einem Standardreiz der Leuchtdichte 30 cd/m2 fur jedesAuge. Die experimentelle Anordnung mit der die zweite Gruppe von Punktenbestimmt wird, ist hierzu identisch, mit einer einzigen Ausnahme: In der Ab-bildung 5.2 fehlt der konzentrische, dunkle Kreis im Reiz des linken Auges furden Vergleichs- und den Standardreiz. Der Effekt ist eine deutliche Zunahme desBeitrags, den das rechte Auge fur die Gesamthelligkeit leistet. Die rechte Reiz-komponente des Vergleichsreizes benotigt deutlich weniger Intensitat als vorher.

Die Modelle der binokularen Helligkeit auf die hier eingegangen werden soll,stammen von Engel (1969), de Weert und Levelt (1974), Curtis und Rule (1978)und Lehky (1983). Das Modell von de Weert und Levelt (1974) wird von Schrodin-ger (1926) zum ersten mal im Zusammenhang mit der binokularen Mischung vonFarben vorgeschlagen. Er sagt, daß sich die Farbe einer binokularen Mischungzweier Farbreize nicht durch die additive Farbreizmischung, sondern durch einegewichtete Summation beschreiben laßt, wobei die Gewichtung einer Farbreiz-komponente von der relativen Intensitat der einen gegenuber der anderen dich-

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Kapitel 5 Binokulare Fusion 93

optischen Reizkomponente abhangt. Man kann dies so ausdrucken:

B(x, y) = w1(x, y)f(x) + w2(x, y)f(y), (5.2)

wobei wi(x, y) = gi(x/y). Die Gewichtsfunktionen lassen sich als Funktion derReizquotienten darstellen. Das Schrodinger - Modell wird von Levelt (1965),MacLeod (1972) und von de Weert & Levelt (1974) aufgegriffen.

Von Levelt (1965) wird die additive Form des Modells damit begrundet,daß die Isohelligkeitskurven aus Abbildung 5.2 im mittleren Teil annahernd li-near verlaufen. Aus diesem Grund nimmt Levelt an, daß die monokulare Ein-gangstransformation f(x) eine lineare Abbildung und die binokulare Kombinati-onsregel additiv ist. Das Abknicken der Isohelligkeitskurven an den Randern wirddamit erklart, daß dort die Konturen einer Reizkomponente zu schwach seien,um eine hinreichende Auspragung der Helligkeit zu erzeugen. Die Ergebnisse desExperiments bei dem nur eine der beiden dichoptischen Reizkomponenten einendunklen Ring enthalt, nimmt Levelt als Beleg dafur, daß die Gewichtungsfunk-tionen wi(x, y) in erster Linie von der Ausgepragtheit der Konturen der Reizeabhangen, nicht von deren Leuchtdichte. Die Formel der binokularen Helligkeitlaßt sich daher so schreiben, daß die Gewichtsfunktionen nicht von der Leucht-dichte abhangen:

B(x, y) = w1f(x) + w2f(y). (5.3)

Dieses Argument ist aber nicht zwingend. In der Versuchsanordnung Leveltsgibt es keinen Vergleich eines dichoptischen Reizes bei dem beide Komponentenden konzentrischen Ring (Abb. 5.2) enthalten mit einem solchen, bei dem nureine Komponente den Ring enthalt. Dadurch ist nicht nachprufbar, ob die Reizemit nur einem Ring und die mit zwei Ringen die gleiche binokulare Helligkeiterzeugen. Nach Levelt mußte dies der Fall sein, da sich die Gewichte in seinemModell zu 1 addieren und sich die Leuchtdichten der beiden Reizkomponenten—zumindest die von der Versuchsperson zu beurteilenden inneren Bereiche derRinge—nicht verandern, wenn ein Ring weggenommen wird. Der einzige Effekt,den der zusatzliche Ring hat, besteht darin, die Werte der Gewichtungsfunktionfur das Auge mit der starker ausgepragten Kontur zu erhohen.

Die Veranderung der binokularen Helligkeit durch die Einfuhrung des Ringsin Levelts Reiz kann aber einfach darauf zuruckzufuhren sein, daß der dunkleRing die Helligkeit der von dem Ring eingeschlossenen Flache aufgrund einesKontrasteffektes erhoht. Dieser Kontrasteffekt ist besonders bei geschlossenenFlachen wirksam und fuhrt dort zu einer homogenen Veranderung der Helligkeit(Cornsweet, 1970). In diesem Fall verandert der Ring den monokularen Beitrageines Auges, so daß die binokulare Helligkeit von dichoptischen Reizen mit zweiund mit einem Ring nicht mehr die gleiche sein muß. Ein solcher Vergleich istaber in Levelts Versuchsaufbau nicht moglich.

Die Uberlegungen von Levelt (1965) zum Einfluß der Konturen eines Reizesauf die binokulare Verknupfung werden von Engel (1967, 1969) aufgegriffen.Engel (1969) nimmt fur die binokulare Helligkeit folgende Formel an:

B(x, y) =√

(wl(x, y)fe(x))2 + (wr(x, y)fr(y))2 (5.4)

mit wl(x, y)2 +wr(x, y)2 = 1. Die Gewichtsfunktionen wl und wr sollen von demin den beiden dichoptischen Reizkomponenten enthaltenen Betrag an ,,Kontur-energie“ abhangen, der uber die quadrierte Autokorrelationsfunktion der mon-optischen Komponenten berechnet wird. Ist vl die ,,Konturenergie“ des linkenund vr die des rechten Reizes, dann soll gelten:

wr(x, y)wl(x, y)

=vr

vl, (5.5)

wobei vr und vl nicht nur von x und y, sondern von der gesamten Intensitatsver-teilung im monokularen Gesichtsfeld abhangen. Allerdings interagieren vr undvl nicht direkt, vl hangt also nur von der Intensitatsverteilung der linken Reiz-komponenten und vr nur von den rechten Reizkomponenten ab. Die Interaktion

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Kapitel 5 Binokulare Fusion 94

bei der binokularen Helligkeit ergibt sich in diesem Modell durch die Beziehung(5.5). Aus ihr folgt, zusammen mit Gleichung (5.4):

wl(x, y)2 =1

1 +(vrvl

)2

wr(x, y)2 =

(vrvl

)2

1 +(vrvl

)2 .

Die Gewichtsfunktionen sind also Funktionen der Quotienten (vr/vl). Engel(1969) zeigt, daß ein solches Modell die Daten von Levelt (1965) und von Fry undBartley (1933) sehr gut erklaren kann. Die Bewertung dieses Modells und derGute der Anpassung ist allerdings schwierig. So geht aus der Arbeit von Engel(1969) nicht zweifelsfrei hervor, welchen Einfluß mehrere zur Schatzung notwen-dige Annahmen uber die Parameter des Modells haben. Fur die monokularenEingangstransformationen fl und fr in Gleichung (5.4) wird eine Großenschatz-skala angenommen. Dies ist problematisch, da jede Helligkeitsbeurteilung prinzi-piell ,,binokular“ erfolgt, so daß eine von der binokularen Kombinationsregel un-abhangige Bestimmung der Eingangstransformationen ohne weitere Annahmennicht moglich ist. Wir werden spater in Abschnitt 5.3 auf Annahmen eingehen,die eine solche Isolation der monokularen Eingangstransformation zulassen.

Fur die Berechnung der Autokorrelationsfunktion eines Reizes mussen vonEngel (1969) Annahmen uber die wahrgenommene Helligkeit der Hintergrund-reize gemacht werden. Wir werden in Abschnitt 6.4 sehen, daß solche Annahmenuber den Adaptationszustand des Beobachters sehr wesentlich fur die Modellan-passung sind. Eine willkurliche Auswahl dieses Parameters scheint daher nichtgerechtfertigt. Aus theoretischer Sicht leidet das Modell von Engel vor allemdaran, daß es eine sehr komplexe Form hat, aber nur an wenig Daten uberpruftwerden kann. So ist es etwa nicht sinnvoll, zwei Reizmuster, die sich in den Kon-turen nicht unterscheiden, durch ihre Autokorrelationsfunktion zu beschreiben,da der einzige Unterschied der Muster, ihre Reizintensitat, einfacher durch dieWerte der Reizintensitat selbst ausgedruckt werden kann. In Gleichung (5.4)ist auch nicht klar, warum die Gewichte in quadrierter Form auftreten, da siedies in allen Gleichungen des Modells tun. Man konnte genausogut die Qua-drate selbst als die Gewichte betrachten. Ein Modell, wie es Engel (1969) vor-schlagt, empirisch zu uberprufen, ist außerordentlich schwierig, da in diesemModell sehr weitreichende und komplexe Annahmen gemacht werden. Die einfa-che Uberprufung von Engel (1967) reicht dazu nicht aus. In dieser Arbeit werdenTestreize benutzt, die aus mehreren Feldern bestehen. Entgegen den Aussagendes Autors kann aber dort nicht zwingend nachgewiesen werden, daß die Kont-extreize die Helligkeit der Testreize beeinflussen. Es wird gezeigt, daß Testreizemit Kontextfeldern bei monokularer Betrachtung zu niedrigeren Einschatzun-gen der Helligkeit fuhren, als binokular betrachtete Testreize ohne Kontextfelder(Engel, 1967, Abb. 3). Damit ist aber die Betrachtungsweise und der Kontextkonfundiert. Bereits die Ergebnisse von Fechner (1861) zeigen, daß monokulareBetrachtung weniger effektiv ist, als binokulare. Auch die Reizauswahl von En-gel (1967) ist nicht geeignet, das Modell zu testen, da die meisten Reizpaare immonotonen Bereich der psychophysischen Funktion liegen. Von den 10 verwende-ten Reizpaaren zeigt nur eines den aus dem Fechnerschen Paradoxon bekanntennicht monotonen Zusammenhang zwischen Reizintensitat und wahrgenommenerHelligkeit (Engel, 1967, Tab. 1).

Engel (1969) benutzt auch das oben beschriebene Experiment von Levelt(1965), bei dem der Reiz aus Abbildung 5.2 benutzt wird, aber nur ein Augeden inneren Ring zu sehen bekommt, als Argument fur die Abhangigkeit derGewichte von der Ausgepragtheit der Konturen. Wir haben bereits oben dar-auf hingewiesen, daß das in Abbildung 5.2 dargestellte Ergebnis durch Hel-ligkeitsinduktion erklart werden kann und nicht zwingend eine Kontur- oderKontrastabhangigkeit notwendig macht. Es gibt daher keinen Grund, bei dich-optischen Reizen mit identischen Konturen eine Abhangigkeit der binokularen

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Kapitel 5 Binokulare Fusion 95

Gewichtsfunktion von der Ausgepragtheit oder der Varianz der Konturen anzu-nehmen.

Die Annahme intensitatsunabhangiger Gewichtungsfunktionen fur die mon-okularen Eingangstransformationen wird von de Weert und Levelt (1974) fallengelassen. In dieser Arbeit wird angenommen, daß die monokulare Eingangstrans-formation eine Potenzfunktion f(x) = xβ ist und daß die Gewichtungsfunktionenvon der relativen Auspragung der monokularen Eingangsfunktion abhangen:

w(x, y) =f(x)

f(x) + f(y). (5.6)

Diese Gewichtungsfunktion ergibt zusammen mit einem Exponenten von β =0.35 fur die Eingangstransformation eine Isohelligkeitsfunktion, die im mittle-ren Bereich annahernd linear ist und an den Randern das fur das FechnerscheParadoxon typische Abknicken zeigt (Abb. 5.2). Auf die Moglichkeit, daß eineGewichtungsfunktion der Form (5.6) zusammen mit einer nicht linearen Ein-gangstransformation in bestimmten Intensitatsbereichen ahnliche Isohelligkeits-kurven erzeugen kann, wird auch von MacLeod (1972) hingewiesen. Er schlagtjedoch eine logarithmische Funktion als monokulare Eingangstransformation vor.

Das Modell von de Weert und Levelt (1974) hat einen Mangel, der Curtisund Rule (1978) veranlaßt, ein eigenes Modell zu entwickeln. Dieser Mangelbesteht darin, daß das Verhaltnis von monokularer zu binokularer Helligkeitfalsch vorhersagt wird. Aus dem Modell folgt, daß ein Reiz binokular betrachtet,genauso hell aussieht wie monokular betrachtet. Wie wir oben sahen, wird diesaber bereits von Fechner (1861) und von Fry und Bartley (1933) widerlegt. DasModell von Curtis und Rule (1978) hat folgende Form:

B(x, y) =√f(x)2 + f(y)2 − αf(x)f(y). (5.7)

Die monokulare Eingangstransformation ist mit f(x) = xβ identisch mit der vonde Weert und Levelt (1974), der Unterschied besteht in der Kombinationsregel.Fur die Parameter werden von Curtis und Rule die Werte α = 0.78 und β = 0.13angegeben.

Von Buffart (1981) wird darauf hingewiesen, daß das Modell von de Weertund Levelt (1974) leicht abgeandert werden kann, so daß monokulare und bin-okulare Beobachtung nicht mehr zur gleichen Helligkeit fuhren. Dies ist dannder Fall, wenn die Funktion f die Form f(x) = xβ + c hat. In der Arbeit von deWeert und Levelt (1974) wird diese Moglichkeit bereits diskutiert und fur c wirdder Wert 10−4 cd/m2 vorgeschlagen. Dieser Wert ist aber gegenuber einer klein-sten Reizintensitat von 10 cd/m2 verschwindend klein und kann vernachlassigtwerden. Wir werden spater sehen, daß auch noch andere empirische Ergebnissegegen das Modell von de Weert und Levelt (1974) sprechen.

Von Curtis und Rule (1978) wird keine besondere Begrundung fur die Formel(5.7) angegeben, außer der, daß sie nicht monoton ist und daß B(x, x) > B(x, 0).Auf den empirischen Test dieses Modells werden wir spater noch eingehen. EinVergleich der psychophysischen Funktion dieses Modells, die in Abbildung 5.7dargestellt ist, mit den Daten von Curtis und Rule (1980) in Abbildung 5.2 zeigtaber bereits, daß die Formel (5.7) durch diese Daten nicht bestatigt werden kann.Wesentliche Eigenschaften der Daten, wie etwa die Lage der Minima, oder dieKrummung der Kurven, werden durch die Formel nicht erklart.

Von Lehky (1983) wird eine Parallele hergestellt zwischen der binokularenKombination der Helligkeit und der binauralen Verarbeitung der Lautheit. Erschlagt ein Modell vor, das als ruckgekoppelter Inhibitionsmechanismus konzi-piert ist. Das Modell hat folgende Form:

B(x, y) = gl(x, y) + gr(x, y) (5.8)

mit

gl(x, y) = wl(x, y)f(x),

gr(x, y) = wr(x, y)f(y),

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Kapitel 5 Binokulare Fusion 96

0 1 10 100 1000

Rechter Reiz [(cd/m2)1/3]

2.5

2.6

2.7

2.8

••••••••

••

••

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Abbildung 5.7. Vorhersagen des Modells von Curtis und Rule (1978) fur einen Be-

zugsreiz von 1838 cd/m2, wie er von Curtis und Rule (1980) benutzt wird. Die Ab-

bildung ist mit den in Abbildung 5.2 dargestellten Daten von Curtis und Rule (1980)

zu vergleichen und zeigt die schlechte Anpassung des Modells bei Leuchtdichtewerten

im Bereich des Minimalreizes.

wl(x, y) = 1 −m

(gr(x, y)

gl(x, y) + gr(x, y)

)k

,

wr(x, y) = 1 −m

(gl(x, y)

gl(x, y) + gr(x, y)

)k

.

Mit m = k = 1 unterscheidet sich dieses Modell von den von de Weert und Levelt(1974) benutzten Gleichungen (5.2) und (5.6) nur dadurch, daß als Argumenteder Gewichtsfunktionen nicht die monokularen Eingangsgroßen, sondern mono-kulare Ausgange eines binokular wirksamen, inhibitorischen Systems benutztwerden. Das System ist dadurch ruckgekoppelt. Nimmt man nicht die mono-kularen Ausgange des inhibitorischen Stadiums als Argumente der Gewichts-funktionen, sondern die monokularen Eingangsgroßen, dann ist das Modell vonLehky (1983) und das von de Weert und Levelt (1974) sehr ahnlich, denn dieGewichtsfunktionen lassen sich aufgrund der Beziehung

f(x)f(x) + f(y)

= 1 − f(y)f(x) + f(y)

ineinander uberfuhren. Dies gilt nicht mehr, wenn die Parameter m und k ausGleichung (5.8) von 1 verschieden sind. Wir werden in Abschnitt 6.4 zeigen,daß durch die Ruckkopplung und den zusatzlichen Parameter m das Modell vonLehky komplizierter ist, als notwendig, um die vorhandenen Daten zur binokula-ren Helligkeit zu erklaren. Die Analogie, die Lehky (1983) zwischen der binoku-laren Helligkeit und der binauralen Lautheit herstellt, laßt sich nicht belegen.Die einzige Art von Daten, die von Lehky hierfur als Begrundung herangezo-gen wird, sind Isohelligkeits- und Isolautheitskurven. Wir haben aber bereitsoben darauf hingewiesen, daß ein derart komplexes Modell viele verschiedenar-tige Daten vorhersagen soll. Ein wesentliches Argument gegen eine Analogie vonbinokularer Helligkeit und binauraler Lautheit besteht ferner darin, daß bisher inkeiner experimentellen Untersuchung der binauralen Lautheit ein Analogon zumFechnerschen Paradoxon der binokularen Helligkeit gefunden wurde. Weder dievon Lehky (1983) herangezogenen Daten von Marks (1978), noch in den Datenvon Falmagne, Iverson und Marcovici (1979) und Gigerenzer und Strube (1983)sind Hinweise auf eine nichtmonotone psychophysische Funktion der binauralenLautheit zu finden.

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Kapitel 5 Binokulare Fusion 97

Die Modelle von de Weert und Levelt (1974) und Curtis und Rule (1978)sind Spezialfalle der Gleichung

B(x, y) = G(f(x), f(y)), (5.9)

wobei die Funktion G in keinem der beiden Argumente monoton ist. Da furG keine Monotonie gefordert werden kann, lassen sich kaum empirische Konse-quenzen aus der allgemeinen Form des Modells ableiten. In der psychophysischenLiteratur finden sich nach Wissen des Autors keine formalen Methoden, um nichtmonotone Funktionen empirisch zu untersuchen. So befaßt sich etwa Falmagne(1985) ausschließlich mit Operationen, die in beiden Argumenten monoton sind.Auch die gesamte meßtheoretische Literatur kennt nur solche Operationen, diein beiden Argumenten monoton sind. Aus diesem Grund ist es verstandlich, daßsowohl von de Weert und Levelt (1974) als auch von Curtis und Rule (1978) einAnpassungstest benutzt wird, um ihr Modell zu testen. In beiden Fallen findendie Autoren eine zufriedenstellende Anpassung und halten damit ihr Modell furbestatigt. Dabei stellen sich jedoch mindestens zwei Fragen: erstens, auf welcheEigenschaften des Modells der Anpassungstest anspricht und zweitens, ob diesauch die Eigenschaften sind, die einer experimentellen Prufung bedurfen.

Die zweite Frage ist hier zuerst zu beantworten. Ein Modell der binokularenHelligkeit muß die wesentlichen qualitativen Eigenschaften der binokularen Hel-ligkeitsverarbeitung erklaren: das Verhaltnis der Helligkeit bei binokularer undmonokularer Beobachtung, der nicht-monotone Verlauf der binokularen Hellig-keit bei konstanter Reizung eines Auges und die Isohelligkeitskurven, die immittleren Bereich annahernd linear sind. Die quantitative Beurteilung eines Mo-dells mußte also darin bestehen, zu prufen, wie gut diese Eigenschaften von demModell vorhergesagt werden.

Gerade dies leistet ein Anpassungstest aber nicht. Als Beispiel seien hier dieDaten von Curtis und Rule (1978) betrachtet. Fur jeweils konstante Intensitatauf einem Auge sind die variablen Intensitaten fur das andere Auge auf die Werte0, . . . , 960 cd/m2 gesetzt. Die Ergebnisse von Curtis und Rule (1978, Seite 135)zeigen, daß die binokulare Helligkeit, etwa fur einen Bezugsreiz von 23.7 cd/m2,nur zwischen dem ersten variablen Reiz von 0 cd/m2 und dem zweiten von 0.696cd/m2 monoton fallend ist. Fur alle restlichen Punkte ist die Kurve monotonsteigend. Fast alle Minima liegen beim zweiten Vergleichsreiz.

Ebenso ungunstig ist die Reizauswahl in der Untersuchung von de Weert undLevelt (1974), deren Ergebnisse in Abbildung 5.2 dargestellt sind. Dort liegenalle Minima auf dem gleichen Reiz, bei 10 cd/m2. Zwischen 0 und 10 cd/m2 sindkeine Reize vorhanden. Bis auf den ersten Reiz von 0 cd/m2 sind daher alle Hel-ligkeitsfunktionen monoton steigend. De Weert und Levelt (1974) versuchen, inihren Daten die Additivitat fur alle Reize nachzuweisen, deren Intensitat nichtnull ist. Sie nehmen die dichoptischen Reize mit je einer Nullkomponente ausden Daten heraus und zeigen, daß die restlichen Daten nur sehr wenige Verstoßeder Ordnungsunabhangigkeit und der Doppelaufhebung enthalten1. Das wesent-liche Ergebnis der Anpassungstests von de Weert und Levelt (1974) und Curtisund Rule (1978) besteht darin, daß gezeigt wird, mit welchen Parametern dasjeweilige Modell den großen monotonen Bereich der psychophysischen Funktionam besten beschreiben kann. Es ist klar, daß die nicht monotonen Bereiche derpsychophysischen Funktion auf die Anpassung kaum einen Einfluß haben.

1Aus diesem Ergebnis kann aber nicht auf Additivitat geschlossen werden. Unabhangigkeitund Doppelaufhebung sind nicht, wie gelegentlich behauptet wird (Levelt, Riemersma & Bunt,1972; de Weert & Levelt, 1974), hinreichend fur die Existenz einer additiven Reprasentation.Hierfur ist im endlichen Fall auch die Gultigkeit der Aufhebungsaxiome hoherer Ordnung nach-zuweisen. Am einfachsten geschieht dies nicht durch Auszahlen von Verletzungen einzelner In-stanzen von Axiomen, sondern durch (approximatives) Losen des durch die Daten generiertenUngleichungssystems (vgl. etwa Krantz, et al. 1971, Kap. 9). Daruber hinaus ist die Katego-risierung der Erfullungsbedingungen in ,,prufbar“ und ,,nicht prufbar“, wie sie nicht nur vonde Weert & Levelt (1974), sondern etwa auch von Orth (1974) und Van der Ven (1980) vorge-nommen wird, unsinnig. Fur logische Satze gibt es nur zwei semantische Kategorien: ,,wahr“oder ,,falsch“. Die empirische Instanz einer Implikation, deren Pramisse empirisch falsch ist,ist daher als eine Bestatigung aufzufassen, nicht als ,,nicht prufbar“. Es laßt sich außerdemleicht zeigen (Michell, 1988), daß die Einstufung in ,,prufbar“ oder ,,nicht prufbar“ von derArt und Weise abhangt, in der ein Axiom — bei gleichem Wahrheitswert — formuliert ist.

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Kapitel 5 Binokulare Fusion 98

0 10 20 30 40 50 60 70 80

Leuchtdichte des rechten Reizes [cd/m2]

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

Haufigkeit

der

Auswahl

. . . . . . ......... . . . . . . .

............................. . . . . . . . . . . .

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........................................

............................................................................................................................................

0

10

20

31

50

63

79

Abbildung 5.8. Daten von de Weert und Levelt (1974). Die Kurven zeigen die abso-

luten Haufigkeiten mit denen der Reiz, dessen linke Komponente durch den Kurvenpa-

rameter und dessen rechte Komponente durch den x-Wert bestimmt ist, vor einem der

anderen Reize als heller ausgewahlt wurde. Die gepunktete Linie sind die Ergebnisse

eines Reizes der Form (x, 0). Die durchgezogenen Linien sind Auswahlhaufigkeiten

dichoptischer Reize bei denen beide Komponenten großer als 0 sind. Alle durchge-

zogenen Linien lassen das Fechnersche Paradoxon erkennen. Durch die Auswahl der

Reizintensitaten liegen alle Minimalreize bei 10 cd/m2.

dat

Im folgenden werden wir bestimmte Eigenschaften der binokularen Hellig-keitsverarbeitung herausgreifen und diese theoretisch und experimentell unter-suchen. Der Ausgangspunkt dafur ist die Frage, welche Moglichkeiten es gibt,die Form der bei der binokularen Helligkeit vorkommenden Funktionen auf be-stimmte Formen festzulegen. Gibt es experimentelle Methoden, mit denen esmoglich ist, nicht nur einzelne Funktionen auf ihre Anpassungsgute hin zu prufen,sondern konnen durch qualitative, empirische Bedingungen die moglichen For-men der psychophysischen Funktionen auf bestimmte Klassen eingeschrankt wer-den?

5.3 AUTOMORPHISMEN DER BINOKULAREN HELLIGKEIT

Eine Methode, mit der solche Einschrankungen gefunden werden konnen, bestehtdarin, die strukturellen Eigenschaften der binokularen Helligkeit zu untersuchen.Diese strukturellen Eigenschaften konnen durch die Invarianz definiert werden,die bei bestimmten Reiztransformationen auftreten. Diese Methode, die Struktureines Systems anhand der in ihm auftretenden Invarianzen zu definieren, wurdevor allem in der Geometrie mit Erfolg angewandt und von Luce (1959), Narens(1985) und Falmagne (1985) auf empirische Strukturen ubertragen. Psycholo-gische Anwendungen dieser Methoden geben Falmagne et al. (1979) fur denBereich des binauralen Horens, oder Drosler (1988) fur die binokulare Raum-wahrnehmung. Von Luce (1959) wird zum ersten Mal darauf hingewiesen, daßsich aus Annahmen uber den Skalentyp eines Modells Konsequenzen uber dessenmathematische Form ableiten lassen. In den neueren Arbeiten von Narens (1985)wird gezeigt, daß den zulassigen Transformationen eines Modells auch empirischeTransformationen entsprechen, und daß deren Kenntnis hinreicht, um die Struk-

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Kapitel 5 Binokulare Fusion 99

tur eines Modells festzulegen. Es sind dies die Automorphismen einer Struktur,die Abbildungen der Reizmenge in sich selbst, die die empirischen Relationenauf der Reizmenge invariant lassen.

Nun ist in psychologischen Experimenten nicht a priori erkennbar, was dieAutomorphismen einer Struktur sind, und ob uberhaupt solche existieren. Inpsychophysischen Experimenten ist hier die erste Moglichkeit die, zu prufen, obsich die Automorphismen der physikalischen Reizstruktur auf die psychologischeubertragen. Sowohl das Modell von de Weert und Levelt (1974), als auch dasvon Curtis und Rule (1978) nehmen implizit an, daß die Ordnung der binokula-ren Helligkeit invariant gegenuber den physikalischen Automorphismen ist. Fureine solche Annahme spricht auch eine Beobachtung von Fechner (1861), aus derhervorgeht, daß die Beleuchtungsanderung die strukturellen Verhaltnisse der bin-okularen Helligkeit nicht andert. Auch die Ergebnisse von Fry und Bartley (1933)konnen so gedeutet werden, daß der Ubergang von monokularer zu binokularerBeobachtung eine Abbildung darstellt, die aus der Menge der Automorphismender Reizstruktur stammt. Nicht zuletzt zeigen die Ergebnisse zum Helligkeitskon-trast, daß bei monokularer Beobachtung oder bei binokularer Beobachtung mitidentischen Reizen fur beide Augen multiplikative Intensitatsanderungen kom-pensiert werden, ein Effekt, der ,,Helligkeitskonstanz“ genannt wird (Cornsweet,1970).

Fechner (1861) bemerkt bei der Beschreibung seiner Ergebnisse:

,,. . . daß die Helligkeit des Himmels von keinem wesentlichen Einflußauf die Lage des Indifferenzpunctes ist“ (Fechner, 1861, S. 422).

Diese Annahme wird Intensitatsinvarianz der binokularen Helligkeit genannt.Schreiben wir (x, y) fur einen dichoptischen Reiz, bei dem das linke Auge dieStrahlungsintensitat x und das rechte die Strahlungsintensitat y erhalt, dannlaßt sich diese Invarianzbedingung folgendermaßen formulieren:2

wenn (x, y) � (u, v) dann (tx, ty) � (tu, tv). (5.10)

wobei der Reiz tx die t-fache Strahlungsintensitat des Reizes x haben soll. MitHilfe der Intensitatsinvarianz lassen sich nun bestimmte Bedingungen fur dieForm der binokularen Helligkeitsfunktion ableiten. Dazu betrachten wir einigespezielle Punkte der Kurve aus Abbildung 5.1, die den Zusammenhang zwischeneiner variablen dichoptischen Reizkomponente und der binokularen Helligkeitangibt. Der Indifferenzpunkt i(x) ist eine Abbildung der Reizmenge in sich selbst.Er ist definiert durch

(x, 0) ≈ (x, i(x)).

Ahnlich kann der Aquivalenzpunkt e(x), wie er von Fry und Bartley (1933) be-nutzt wird, definiert werden:

(e(x), 0) ∼ (x, x).

Der Minimalreiz m(x) hat die Eigenschaft, daß fur alle y gilt

(x, y) � (x,m(x)).

Diese Definitionen erzeugen zusammen mit der Intensitatsinvarianz die folgendenFunktionalgleichungen:

i(tx) = ti(x)e(tx) = te(x)

m(tx) = tm(x).

Fur diese Gleichungen gibt es jeweils nur eine einzige Losung. Alle Funktionenmussen Ahnlichkeitstransformationen der physikalischen Reizintensitat sein:

i(x) = αx

e(x) = βx

m(x) = γx.

2Wir werden im folgenden immer von physikalisch gemessenen Reizen x, y ausgehen, sodaß wir statt t∗x einfach tx schreiben konnen, um die Multiplikation der Reizintensitat x mitdem Faktor t anzudeuten.

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Kapitel 5 Binokulare Fusion 100

Falls also die Intensitatsinvarianz gilt, dann sind die Funktionen i(x), e(x) undm(x) selbst Automorphismen der binokularen Helligkeit.

Die bisherige Argumentation nimmt als Hypothese an, daß die binokulareOrdnungsrelation � invariant gegenuber Intensitatsanderungen ist und leitetdaraus Konsequenzen fur die Zusammenhange bestimmter Reizparameter ab.Die Argumentation laßt sich fur den Vergleich der monokularen mit der binoku-laren Helligkeit auch in der anderen Richtung fuhren. Die wesentliche Annahmeist in diesem Fall, daß die Abbildung, die jedem binokular betrachtetem Reizx einen monokular betrachteten Reiz y gleicher Helligkeit zuordnet, ein Auto-morphismus der binokularen Helligkeit ist und daß die Automorphismen der bin-okularen Helligkeit Multiplikationen mit positiven reellen Zahlen sind. Der letzteTeil der Annahme bedeutet, daß binokulare Helligkeit auf einer Verhaltnisskalameßbar ist. Der kritische Punkt ist hier zweifellos der letztere, denn es gibt bis-her keine empirischen Belege dafur, daß binokulare Helligkeit als Verhaltnisskalafundiert meßbar ist. Allerdings—und dies ist an dieser Argumentation beson-ders interessant—ließe sich hier empirisch prufen, ob es grundsatzlich moglichist, binokulare Helligkeit als Verhaltnisskala zu definieren. Ist man namlich be-reit alle anderen Annahmen der folgenden Argumentationskette zu akzeptieren,dann kann mit Hilfe der Intensitatsinvarianz die Verhaltnisskalierbarkeit der bin-okularen Helligkeit getestet werden, ohne daß eine Skalierung im ublichen Sinndurchgefuhrt werden muß.

Angenommen, es gibt fur jeden Reiz x eine positive reelle Zahl α so daßB(αx, 0) = B(x, x). Diese Annahme folgt aus den Daten von Fry und Bartley(1933). Man nimmt weiter an, daß die binokulare Helligkeit die Struktur einerVerhaltnisskala hat, so daß ihre Automorphismen Multiplikationen mit positivenreellwertigen Konstanten sind. Es muß also gelten, daß B(x, x) = gB(x, 0) mitg > 0, wenn der Wechsel von monokularer zu binokularer Beobachtung einAutomorphismus der visuellen Helligkeitsverarbeitung ist. Die Annahme, daßder Wechsel von monokularer zu binokularer Beobachtung ein Automorphismusder binokularen Helligkeit ist, ist kaum zu bezweifeln. Der wesentliche Kern derobigen Annahme ist aber, daß diese Automorphismen Multiplikationen sind, diesist bisher als offen zu betrachten.

Aus diesen beiden Annahmen folgt, daß fur beliebige α B(αx, 0) = g(α)B(x, 0)gilt. Schreibt man nun M(x) fur B(x, 0), dann erhalten wir die Funktionalglei-chung

M(αx) = g(α)M(x),

deren Losung fur regulare Funktionen von Aczel, Roberts und Rosenbaum (1986)angegeben wird: Es muß gelten daß g(x) = kM(x) und

M(x) =1kxβ .

Ein Modell, bei dem die binokulare Helligkeit B(x, x) eines Reizes x proportionalzur monokularen Helligkeit B(x, 0) des gleichen Reizes ist, und das von derProportionalitat der aquivalenten monokularen und binokularen Reize ausgeht,impliziert eine Potenzfunktion als psychophysische Funktion fur die Falle vonmonokularer Reizung und binokularer Reizung mit gleichen Komponenten.

Ist also binokulare Helligkeit verhaltnisskalierbar, dann ist der Wechsel vonmonokularer zu binokularer Beobachtung ein Automorphismus. Die erste derobigen Annahmen ist aufgrund der Ergebnisse von Fry und Bartley (1933) vali-diert. Damit ist fur monokulare und binokulare Beobachtung des gleichen Rei-zes gezeigt, daß eine physikalische Transformation des Reizes in Form des derReizstruktur zugehorigen Automorphismus zu einem Automorphismus der bin-okularen Helligkeit fuhrt. Nun wurde aber bisher nichts daruber ausgesagt, obMultiplikationen die einzigen Automorphismen der binokularen Helligkeit sind.Von Narens (1985) wird gezeigt, daß dies dann der Fall sein muß, wenn binokulareHelligkeit verhaltnisskalierbar ist. In diesem Fall kann es nur eine einzige Gruppevon Automorphismen geben und diese sind Multiplikationen. Damit ergibt sicheine Moglichkeit, die Verhaltnisskalierbarkeit empirisch zu widerlegen: Gelingtes empirisch zu zeigen, daß die Multiplikationen der Reize nur in bestimmtenFallen, aber nicht in allen zu psychologischen Automorphismen fuhren, dann

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Kapitel 5 Binokulare Fusion 101

heißt dies, daß die Multiplikationen nicht in der gesamten Struktur als Auto-morphismen auftreten. Damit kann die Struktur nicht verhaltnisskalierbar sein.

Die entscheidende empirische Bedingung ist also, daß in einer Teilstrukturder binokularen Helligkeit nachgewiesen wird, daß Multiplikationen Automor-phismen sind, und daß gleichzeitig gezeigt wird, daß sich diese nicht auf diegesamte Struktur ausdehnen lassen. Da es in einer verhaltnisskalierbaren Struk-tur nur eine einzige Gruppe von Automorphismen gibt, kann eine solche Strukturnicht veraltnisskalierbar sein.

Im vorhergehenden Abschnitt wird angenommen, daß binokulare Helligkeitverhaltnisskalierbar ist. Eine alternative Annahme ist Intervallskalierbarkeit. Fureine solche Skala ergibt sich dann

B(αx, 0) = g(α)B(x, 0) + h(α).

Fur M(x) erhalt man hier die Funktionalgleichung

M(αx) = g(α)M(x) + h(α).

Die Losungen dieser Gleichung geben bereits Luce (1959) und fur etwas schwa-chere Annahmen auch Aczel et al. (1986). Die Funktion M(x) ist in diesem Falleine logarithmische Funktion oder eine Potenzfunktion:

M(x) = k log x+ b

oderM(x) = kxβ + b.

Intensitatsinvarianz laßt also zusammen mit einer Skalierbarkeitsannahme Aus-sagen uber die monokulare psychophysische Funktion zu. Damit konnen indirektdie Skalierungsannahmen empirisch getestet werden, ohne direkte Skalierungs-experimente durchfuhren zu mussen. Ist daruber hinaus der Wechsel von dermonokularen zur binokularen Beobachtung strukturerhaltend, dann kann davonausgegangen werden, daß die monokulare psychophysische Funktion mit der mo-nokularen Eingangstransformation bei binokularer Beobachtung identisch ist.Die monokulare psychophysische Funktion muß dann mit der binokularen furgleiche Reize auf beiden Augen uber eine zulassige Transformation der binoku-laren Helligkeitsskala zusammenhangen, da der Wechsel der Beobachtungsweiseein Automorphismus der Skala ist.

Die empirische Grundlage fur die Annahme, daß die Komponente x eines Rei-zes (x, 0) proportional zur Komponente y eines Reizes (y, y) sein muß, um gleichhell auszusehen, bildet die Arbeit von Fry und Bartley (1933). In dieser Arbeitwird aber nur ein sehr kleiner Intensitatsbereich von etwa 20 cd/m2 benutztund es findet keine Kontrolle der Adaptationszeiten statt, die Versuchspersonenkonnen beliebig lange beobachten und justieren. Damit ist davon auszugehen,daß sie sich bei den helleren Reizen nicht im gleichen Adaptationszustand be-finden wie bei den dunkleren. Die Daten von Fry und Bartley (1933) verlaufenim Bereich von 0 bis 10 cd/m2 weitgehend linear. Im Bereich uber 10 cd/m2

sind jedoch Abweichungen von der Linearitat deutlich. Diese konnen durch dieVeranderung des Adaptationszustandes herbeigefuhrt sein. Eine Wiederholungdes Experiments erscheint deshalb notwendig. Um eine bessere Kontrolle der Ad-aptation zu erreichen, werden wir fur jeden einzelnen Reiz eine verhaltnismaßiglange Adaptationszeit benutzen und den Reiz selbst nur kurz darbieten. Dieswird dadurch moglich, daß ein adaptives Verfahren auf der Basis des Paarver-gleichs benutzt wird, um den Punkt der subjektiven Gleichheit des monokularenmit dem binokularen Reiz zu finden.

5.4 EIN EXPERIMENT ZUM VERGLEICH MONOPTISCHERUND DICHOPTISCHER REIZE

Experimentelle Methoden

Versuchsaufbau

Der Versuchsaufbau besteht aus einem Tischrechner, einem speziellen Farbgra-phikcontroller und dem RGB-Monitor, der bereits in den fruheren Experimenten

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Kapitel 5 Binokulare Fusion 102

Monitor

Trennwand

Sichtblende

Kinnstutze

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Haploskop............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. .............

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Abbildung 5.9. Der Versuchsaufbau zu den Experimenten zur binokularen Helligkeit.

Eine Beschreibung wird im Text gegeben.

benutzt wurde. Die Versuchsperson sitzt vor einem Haploskop aus 4 Spiegeln wiein Abbildung 5.9. Der Kopf ist durch eine Kopfstutze fixiert. Die Spiegel sind soangebracht, daß das linke Auge nur die linke Seite und das rechte Auge nur dierechte Seite des Monitors sehen kann. Die effektive Entfernung der Versuchsper-son zum Monitor betragt 180 cm. Das Gesichtsfeld wird nach allen Seiten durchBlenden auf etwa 8◦ begrenzt.

Auf dem Monitor sind vor dunklem Hintergrund Adaptationsfelder mit einerLeuchtdichte von 120 cd/m2 sichtbar, in deren Mitte befindet sich ein dunklesKreuz als Fixationsmarke (Abb. 5.10). Diese Adaptationsfelder haben Ellipsen-form und sind 4◦ breit und 6◦ hoch. Wenn die Testfelder erscheinen, verschwin-den die Adaptationsfelder. Die beiden Reizfelder, die von der Versuchspersonzu vergleichen sind, werden als gefullte Kreishalften dargestellt, zwischen deneneine Lucke von 1/2◦ ist. Die Kreisradien sind ebenfalls 1/2◦. Durch die Justageder Spiegel und durch die Adaptationsfelder ist stets fur eine einwandfreie bin-okulare Fusion der beiden Bildhalften gesorgt. Die Hintergrundleuchtdichte liegtbei etwa 0.01 cd/m2. Die Adaptationsphase dauert 6 sec. Die Darbietungszeitist 1200 msec. Durch die zweimalige Umlenkung an den Oberflachenspiegeln desHaploskops reduziert sich die effektive Intensitat der Reize um 15 %. Alle fol-genden Leuchtdichteangaben beziehen sich auf Messungen der vom Bildschirmabgegebenen Strahlung vor dem Haploskop.

Durch die relativ lange Adaptationszeit und die hohe Adaptationsleucht-dichte wird gleichzeitig verhindert, daß die Reaktion der Pupillen die Ergebnissebeeintrachtigen konnen. Die Pupillenreaktion zwischen den beiden Augen istgekoppelt und so langsam, daß wahrend der kurzen Darbietungszeit keine diffe-rentielle Reaktion der beiden Pupillen stattfinden kann.

Die Besonderheit des Graphikcontrollers vom Typ Matrox PIP 1024 bestehtdarin, daß er durch Farbtabellen mit jeweils 8 Bit pro Farbkanal und einemBildspeicher von 8 Bit/Pixel die gleichzeitige Darstellung von 256 verschiede-

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Kapitel 5 Binokulare Fusion 103

nen Farbreizen auf dem Bildschirm ermoglicht, wobei diese aus einer Palettevon 224 verschiedenen Farbreizen ausgewahlt werden konnen. Fur Helligkeits-untersuchungen ergeben sich dabei genau 256 verschiedene Graustufen, die beidem verwendeten Monitor bis maximal 170 cd/m2 reichen. Durch die gleich-zeitige Darstellbarkeit vieler verschiedener Farbreize ist es moglich, Farbfehlerund Unregelmaßigkeiten in der Intensitatsverteilung auf der Bildrohre durch dieAnsteuerung auszugleichen.

Tabelle 5.1. Parameter des Experiments zum Vergleich monokularer und binoku-

larer Reize. Alle Zahlenwerte sind in cd/m2 angegeben. Die erste Spalte sind die

dichoptisch angebotenen Bezugsreize. Die zweite Spalte sind die Anfangswerte der

adaptiven Sequenz. Die dritte Spalte ist die minimale Schrittgroße des Verfahrens,

die an den Bezugsreiz angepasst werden muß, da auf dem Bildschirm nicht in allen

Intensitatsbereichen die gleiche Leuchtdichteauflosung zur Verfugung steht.

x y0 δ

3 3 0.4

6 6 0.6

12 15 0.8

24 30 1.2

48 60 2.0

96 120 3.0

Versuchsablauf

Es wird jeweils ein Reiz x binokular vorgegeben, Aufgabe der Versuchspersonist es, einen Reiz y zu finden, so daß (x, x) und (y, 0) gleich hell aussehen. DieHelligkeit steigt monoton mit der Intensitat y. Wir benutzen daher ein adaptivesVerfahren zur Bestimmung von y. Aufgrund der Ergebnisse von Fry und Bart-ley (1933) benutzen wir als Startwert y0 Leuchtdichtewerte, die fast bei allenAuspragungen von x hoher liegen als x. Die genauen Werte sind in Tabelle 5.1enthalten.

Tabelle 5.1 enthalt die Werte der 6 verschiedenen Auspragungen fur den Reizx und die dazu verwendeten Startwerte y0. Die auf y0 in der Sequenz folgendenVorgabereize werden in Abhangigkeit von den Reaktionen der Versuchspersonfestgelegt. Der Reizwert im Durchgang t > 0 ergibt sich durch folgende Formel:

yn = yn−1 ± y0cn.

Der Teiler cn ist 1 fur n = 0 und wird bei jedem Durchgang um 0.5 vergroßert.Das Pluszeichen in der obigen Formel wird dann benutzt, wenn die Versuchsper-son im Durchgang n−1 den Reiz (x, x) als heller wahrnimmt, das Minuszeichen,wenn sie (yn, 0) als heller wahrnimmt. Da die benutzte Apparatur nicht in allenBereichen der Leuchtdichte die gleiche Auflosung zulasst, ist es notwendig, dieSchrittgroße des Verfahrens zu begrenzen. Diese Grenze kann aber fur die ver-schiedenen Werte von x unterschiedlich sein. Tabelle 5.1 enthalt in der drittenSpalte die minimale Schrittgroße δ fur jeden Wert von x. Wird also im Verlaufdes Verfahrens der Wert cn so groß, daß y0/cn kleiner wird als δ, dann wird yn

nicht um y0/cn verandert, sondern um δ. Fur jede Sequenz werden 20 Darbie-tungen durchgefuhrt. Als Endergebnis wird nach einem Vorschlag von Wetherill(1963) der Mittelwert der Umkehrpunkte benutzt. Als Umkehrpunkte werdendiejenigen Werte yn bezeichnet, bei denen die Antwort der Versuchsperson nichtmit der beim vorausgehenden Reiz yn−1 identisch ist, sie also die Antwortrich-tung wechselt. Zu jedem Bezugsreiz x wird der Endwert y zweimal bestimmt.

Die Darbietungszeit der Reize betragt 1200 msec. Zwischen jeder Reizdarbie-tung sind mindestens 6 sec Adaptationszeit, die allerdings erst nach der Antwortder Versuchsperson gemessen wird. Die Versuchsperson kann ihr Urteil abgeben,

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Kapitel 5 Binokulare Fusion 104

sobald der Reiz sichtbar ist. Hat die Versuchsperson reagiert, wird der Reizgeloscht und das Adaptationsfeld erscheint. Reagiert die Versuchsperson spaterals 1200 msec nach dem Einschalten des Reizes, wird dieser trotzdem nach 1200msec abgeschaltet und es wird dann so lange gewartet, bis die Versuchspersonreagiert. Erst dann beginnt die gemessene Adaptationszeit von 6 sec.

Drei normalsichtige Versuchspersonen nehmen an dem Experiment teil. DieVersuchspersonen BK (weiblich) und PL (mannlich) sind Studenten der Psycho-logie an der Universitat Regensburg. Versuchsperson HA ist der Autor selbst.

Ergebnisse des Vergleichs monoptischer und dichoptischer Reize

Die Abbildungen 5.11, 5.12 und 5.13 zeigen die Ergebnisse des Experiments. Injeder Abbildung ist durch eine gestrichelte Linie die Gleichung y = x angedeu-tet. Alle Punkte oberhalb dieser Linie zeigen Datenpunkte, bei denen der mo-nokular betrachtete Reiz y mehr Strahlungsintensitat braucht, als der binokularbetrachtete Reiz x, damit beide gleich hell erscheinen. Keiner der Datenpunkteliegt unterhalb der Winkelhalbierenden. Dabei ist zu beachten, daß die einzel-nen Datenpunkte die Ergebnisse einer einzigen adaptiven Sequenz sind. Da furjeden Reiz x zwei Sequenzen erhoben werden, sind fur jeden Reiz zwei Punkteeingezeichnet3. Die Abbildungen enthalten je eine Regressionsgerade der Formy = αx, mit individuell geschatzten Parametern α. Diese liegen zwischen α =1.126 und α = 1.263. Die Abbildungen zeigen, daß die Regressionsgeraden durchden Ursprung eine sehr gute Beschreibung der Datenpunkte darstellen.

5.5 DIE BINOKULARE HELLIGKEIT MONOPTISCHER UNDDICHOPTISCHER REIZE

Die Daten bestatigen die Hypothese, daß der monokulare Aquivalenzpunkt e(tx)des mit dem Faktor t multiplizierten binokularen Reizes x gleich dem mit tmultiplizierten Aquivalenzpunkt e(x) des Ausgangsreizes x ist: e(tx) = te(x).Wie die Abbildungen 5.11 bis 5.13 zeigen, wachst e(x) proportional mit x, sodaß gilt: e(x) = αx. Fur das visuelle System heißt das, daß eine spezielle Formder Intensitatsinvarianz gilt:

wenn (x, 0) ∼ (y, y), dann (tx, 0) ∼ (ty, ty). (5.11)

Folgende Uberlegung kann die psychologische Bedeutung dieses Sachverhaltserlautern: Sei x ein Reiz, der monokular genauso hell aussieht wie ein Reiz y,binokular beobachtet: (x, 0) ∼ (y, y). Die binokulare Helligkeit der beiden Reizeist damit identisch: B(x, 0) = B(y, y). Wird nun der Reiz x oder der Reiz ymit dem Faktor t multipliziert, also in der Intensitat verandert, dann verandertsich auch die binokulare Helligkeit: B(tx, 0) = B(x, 0). Aber es gilt gleichzeitigB(tx, 0) = B(ty, ty).

Die durch den Faktor t erzeugte Veranderung von B(x, 0) und B(y, y) istalso in beiden Fallen gleich! Sie hangt allein von t ab. Die binokulare Helligkeitdes mit t veranderten Reizes ergibt sich damit aus der binokularen Helligkeitdes unveranderten Reizes, auf den die von t abhangige Veranderung angewandtwird. Ob der Ausgangswert durch den Reiz (x, 0) oder durch den Reiz (y, y)erzeugt wird, spielt keine Rolle.

Die eingeschrankte Form (5.11) der Intensitatsinvarianz zeigt auch, daß furReize der Form (x, 0) und (x, x) die reellen Multiplikationen Automorphismensind. Fur eine spezielle Teilmenge aus X2 sind damit Automorphismen der bin-okularen Helligkeit identifiziert. Die damit aufgezeigte strukturelle Eigenschaftder binokularen Helligkeit darf nicht mit einer bekannten Eigenschaft der mono-kularen Kontrastwahrnehmung verwechselt werden. Der wahrgenommene Kon-trast ist weitgehend unabhangig von den Beleuchtungsbedingungen, es gilt Hel-ligkeitskonstanz, auch wenn die Gesamtbeleuchtung gravierend geandert wird(Cornsweet, 1970). Die dabei vorgenommene Reizmanipulation unterscheidet

3Eine Ausnahme ist der Reiz x = 96 cd/m2 bei Versuchsperson PL. Dort konnte aufgrundeines Fehlers im Versuchsablauf nur ein Datenpunkt erhoben werden.

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Kapitel 5 Binokulare Fusion 105

sich aber wesentlich von der, die in unseren Experimenten stattfindet. Bei ei-ner Beleuchtungsanderung werden alle Reize des Gesichtsfeldes mit dem glei-chen Faktor multipliziert. In unseren Experimenten werden nur die Testreizeverandert, das Umfeld bleibt immer konstant. Der experimentelle Vergleich vonbinokular und monokular dargebotenen Reizen ist daher nicht exakt identischmit dem Schließen eines Auges bei naturlicher Beobachtung. Insofern stellt dieBezeichnung ,,monokular betrachteter Reiz“ fur einen Reiz der Form (x, 0) eineUngenauigkeit dar, da dieser Reiz naturlich auch binokular betrachtet wird. Al-lerdings ist seine rechte Komponente mit dem Umfeld identisch, so daß wir derEinfachheit halber diese Bezeichung benutzen. Durch die auch bei Reiztrans-formation konstante Umfeld- und Adaptationsintensitat kann unser Ergebnisder Intensitatsinvarianz von Helligkeitsvergleichen bei Reizen der Form (x, 0)und (x, x) nicht aus der allgemeinen, monokularen Helligkeitskonstanz erklartwerden, sondern muß als eine strukturelle Eigenschaft der binokularen Hellig-keitsverarbeitung betrachtet werden.

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Kapitel 5 Binokulare Fusion 106

+ +.....................................................................

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Abbildung 5.10. Reizmuster auf dem Monitor. Die obere Abbildung zeigt den Bild-

schirm wahrend der Adaptationsphase. Die elliptischen Felder sind hell, mit einer

Leuchtdichte von 120 cd/m2. Das Umfeld der elliptischen Adaptationsfelder ist dun-

kel (etwa 0.01 cd/m2). Die Fixationsmarken im Zentrum der Adaptationsfelder haben

eine Leuchtdichte von etwa 1 cd/m2. Die Adaptationsfelder sind 4◦ breit und 6◦ hoch.

Die mittlere Abbildung zeigt die Testreizvorgabe. Die Reize sind Halbkreise mit ei-

nem Radius von 0.5◦. Die Lucke zwischen den beiden Reizfeldern ist ebenfalls 0.5◦.Durch das Haploskop fusionieren die beiden Komponenten des Reizfeldes und die Ver-

suchsperon sieht, wie in der unteren Abbildung angedeutet, jeweils nur ein einziges

Testreizfeld. Dieses enthalt zwei Halbkreise, deren Helligkeit sie vergleichen soll. Ihre

Aufgabe besteht stets darin, anzugeben, ob ihr eher das obere oder eher das untere

Reizfeld als heller erscheint.

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Kapitel 5 Binokulare Fusion 107

36 12 24 48 96

Dichoptischer Reiz x in cd/m2

06

12

24

48

96

144

y

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y = 1.126x.......................................................................................................................................................................................................................................................

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Abbildung 5.11. Ergebnisse des Vergleichs dichoptischer und monoptischer Reize fur

Versuchsperson BK. Die Regressionslinie ist so geschatzt, daß sie durch den Ursprung

geht.

36 12 24 48 96

Dichoptischer Reiz x in cd/m2

06

12

24

48

96

144

y

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y = 1.207x.......................................................................................................................................................................................................................................................

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Abbildung 5.12. Ergebnisse des Vergleichs binokularer und monokularer Reize fur

Versuchsperson HA.

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Kapitel 5 Binokulare Fusion 108

36 12 24 48 96

Dichoptischer Reiz x in cd/m2

06

12

24

48

96

144

y

.....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

y = 1.263x.......................................................................................................................................................................................................................................................

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Abbildung 5.13. Ergebnisse des Vergleichs binokularer und monokularer Reize fur

Versuchsperson PL.

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Kapitel 6

Intensitatsinvarianzder binokularen

Helligkeit

Nachdem aber der paradoxe Versuch einmal da war,haben ihn die Meisten gar nicht mehr paradox gefunden,

und viele sogar ziemlich selbstverstandlich,was er denn doch nicht ist.

Gustav Theodor Fechner, 1861

Die Bestatigung der Intensitatsinvarianz beim Vergleich monoptischer unddichoptischer Reize zeigt, daß bei weitgehend naturlichen Beobachtungsbedin-gungen die Struktur der binokularen Helligkeit unabhangig von der absolutenReizintensitat ist. Die Verarbeitung erfolgt immer so, daß ein monokular be-obachteter Reiz etwa die 1.2-fache Intensitat abgeben muß, um genauso hellauszusehen, wie ein binokular beobachteter Reiz. Die Funktionalgleichungen inAbschnitt 5.3 zeigen aber, daß mit diesem Ergebnis noch wenig uber die bin-okulare Kombinationsregel ausgesagt werden kann. Wir wissen, daß im Fall derVerhaltnisskalierbarkeit die psychophysische Funktion der monokularen Hellig-keit eine Potenzfunktion und im Fall der Intervallskalierbarkeit eine Potenzfunk-tion oder eine logarithmische Funktion der Reizintensitat ist. Wir konnen keineAussagen uber die binokulare Kombinationsregel machen.

Aus den Skalierbarkeitsannahmen lassen sich aber auch fur die binokulareKombinationsregel als Funktion von zwei Argumenten strukturelle Konsequen-zen ableiten. Wir benutzen hier wiederum die Ergebnisse von Aczel et al. (1986).Ist B(x, y) eine Verhaltnisskala, dann gilt die Funktionalgleichung

B(αx, αy) = g(α)B(x, y)

mit der LosungB(x, y) =

√xy

βf(y/x). (6.1)

Wir gehen auch in diesem Fall davon aus, daß die Funktionen ,,regular“ sind, washier in etwa gleichbedeutend mit ,,stetig“ benutzt wird (vgl. hierzu Aczel et al.,1986). Ist B(x, y) eine Intervallskala, dann ergibt dies die Funktionalgleichung

B(αx, αy) = g(α)B(x, y) + h(α)

mit den LosungenB(x, y) =

√xy

βf(y/x) + c (6.2)

undB(x, y) = c log(xy) + f(y/x) (6.3)

Die Losungen fur Intervall- und Verhaltnisskala sind einander ahnlich. In beidenFallen geht in die Kombinationsregel eine Funktion f ein, die nur vom Quotien-ten der beiden monokularen Reizintensitaten abhangt. Die Potenzfunktion und

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Kapitel 6 Intensitatsinvarianz der binokularen Helligkeit 110

im Fall der Intervallskala die logarithmische Funktion wird in beiden Fallen aufdas Produkt der Reizintensitaten angewandt. Die Verwendung des Produktesist hier allerdings nicht zwingend, da sich die Losungen auch unsymmetrisch alsFunktion nur einer Komponente und einer Funktion des Quotienten schreibenlaßt (Aczel, 1966). Die beiden Losungen der Intervallskala unterscheiden sich nurdadurch, daß in einem Fall die physikalische Multiplikation des Reizes mit einemFaktor t als Multiplikation und im anderen Fall als Addition der psychologischenGroße mit einem von t abhangigen Term abgebildet wird.

Es laßt sich leicht zeigen, daß die Modelle von de Weert und Levelt (1974)und Curtis und Rule (1978) Spezialfalle der Gleichung (6.1) sind, also beideVerhaltnisskalierbarkeit und Intensitatsinvarianz annehmen. Allerdings ist dasModell von de Weert und Levelt (1974) durch die Ergebnisse des Experimentsin Kapitel 5 widerlegt, denn wie bereits fruher angedeutet, sagt dieses Modellnicht nur Proportionalitat zwischen aquivalenten binokularen und monokularenReizen voraus, sondern deren Identitat. Die Funktionalgleichungen (6.1), (6.2)und (6.3) konnen durch die Ergebnisse des Vergleichs der monokularen und derbinokularen Helligkeit nicht validiert werden, da von den Gleichungen Aussagenuber beliebige Kombinationen dichoptischer Reize gemacht werden. Eine weiter-gehende empirische Prufung der Intensitatsinvarianz ist auch deshalb notwendig,weil in einer fruheren Untersuchung, allerdings unter anderen Adaptationsbedin-gungen, eine Verletzung der Intensitatsinvarianz gefunden wurde (Irtel, 1986).

Diese Verletzungen beziehen sich auf die Veranderung der Minimalreize un-ter Intensitatsanderung. Aus der Intensitatsinvarianz folgt, daß die Minimalreizeproportional zum Bezugsreiz sein mussen. Bei den Daten von Irtel (1986) steigendie Minimalreize aber erheblich langsamer, als von der Proportionalitat vorher-gesagt wird. Die Versuchsanordnung von Irtel (1986) unterscheidet sich von derin Kapitel 5 durch die Adaptationsbedingungen. Von Irtel (1986) wird Dunke-ladaptation benutzt, wahrend hier ein helles Adaptationsfeld fur Helladaptationsorgt.

6.1 MINIMALREIZE UND INTENSITATSINVARIANZ

Im folgenden Experiment werden zwei Fragestellungen untersucht. Die erste be-zieht sich auf die Lage der Minimalreize und die zweite stellt einen allgemei-nen Test der Intensitatsinvarianz dar. Bei der Besprechung der Arbeiten vonde Weert und Levelt (1974) und von Curtis und Rule (1978) wurde gezeigt,daß in beiden Fallen die Reizauswahl keinen Schluß auf die exakte Lage desMinimalreizes zulaßt. Ein Modell der binokularen Helligkeit sollte aber geradedie spezielle Eigenschaft der binokularen Helligkeitsverarbeitung, die sich in dermangelnden Monotonie ausdruckt, gut vorhersagen konnen. Wir werden deshalbdie Minimalreize bestimmen und untersuchen, wie ihre Lage von der Intensitatdes Bezugsreizes abhangt. Da der Zusammenhang zwischen Bezugsreizintensitatund Minimalreiz aus der Intensitatsinvarianz folgt, stellt dies zusammen mit demVergleich monokularer und binokularer Reize auch einen Test der Intensitatsin-varianz dar.

Die zweite Gruppe von Experimenten uber die hier zu berichten ist, stellteinen direkten Test der Intensitatsinvarianz dar. Es wird gepruft, ob binokulareAquivalenzen invariant sind gegenuber Multiplikation der Reizintensitaten mitreellen Konstanten. Diese Untersuchung wird mit unterschiedlichen Verhaltnis-sen zwischen den Intensitaten der dichoptischen Reizkomponenten durchgefuhrt,um die Abhangigkeit der binokularen Helligkeit vom Quotienten der beiden Reiz-komponenten zu untersuchen. Die Ergebnisse der Funktionalgleichungen zeigen,daß dichoptische Reizpaare mit konstanten Quotienten der beiden Komponen-ten bei der binokularen Helligkeit eine besondere Rolle spielen konnen, da inallen Losungen Funktionen enthalten sind, die nur vom Quotienten der Reizkom-ponenten abhangen. Wir werden deshalb fur den Test der Intensitatsinvarianzdichoptische Reize auswahlen, die verschiedene Quotienten der Komponentenenthalten und die durch Multiplikation beider Komponenten mit einer positivenreellen Zahl auseinander hervorgehen. Durch die Multiplikation entsteht danneine Reihe von Reizen mit konstanten Quotienten, an denen die Veranderung

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Kapitel 6 Intensitatsinvarianz der binokularen Helligkeit 111

der binokularen Helligkeit mit zunehmender Reizintensitat und zunehmenderrelativer Intensitat der Komponenten beobachtet werden kann.

6.2 EIN EXPERIMENT ZUR INTENSITATSINVARIANZ

Experimentelle Methoden

Versuchsaufbau

Der Versuchsaufbau ist mit dem in Kapitel 5 identisch. Bei der Bestimmung derMinimalreize wird bei zwei Versuchsreihen eine Darbietungszeit von 1200 msecbenutzt. Bei allen anderen Daten der folgenden Experimente wird eine Reizdauervon 800 msec benutzt. Die Dauer der Adaptationsphase ist unverandert 6 sec.

Tabelle 6.1. Parameter des Experiments zur Bestimmung der Minimalreize. Alle

Zahlenwerte sind in cd/m2 angegeben. Die erste Spalte sind die dem linken Auge

angebotenen Bezugsreize. Die zweite und dritte Spalte enthalten zwei verschiedene

Anfangswerte y0 der adaptiven Sequenz. Jeder der beiden Anfangswerte wurde zwei-

mal benutzt, so daß sich insgesamt fur jeden Bezugsreiz vier Bestimmungen ergeben.

Die vierte Spalte gibt den Abstand von yn und yn + c an, also den Wert c. Die funfte

Spalte ist die Schrittgroße des Verfahrens.

x y0 y0 c δ

3 1.0 2.0 0.4 0.08

6 1.5 3.0 0.5 0.12

12 1.5 3.5 0.6 0.25

24 2.0 4.0 0.7 0.25

48 3.0 5.0 0.8 0.25

96 4.0 6.0 0.8 0.25

Versuchsablauf

Die Minimalreize sind durch die Eigenschaft definiert, daß sie die kleinste bin-okulare Helligkeit erzeugen, bezogen auf den festen Bezugsreiz. Fur alle y istalso (x, y) mindestens so hell wie (x,m(x)). In fruheren Experimenten (Irtel,1986) werden die Minimalreize folgendermaßen bestimmt: Zum Bezugsreiz xwirde eine Intensitat y0 festgesetzt, moglichst nahe am Minimalreiz m(x). Dannwerden in der Umgebung von y0 die relativen Haufigkeiten bestimmt, mit de-nen die Reize (x, yi) als heller gewahlt werden, als der Reiz (x, y0). Die dadurchentstehende, nicht monotone psychometrische Funktion wird durch eine glei-tende Mittelwertsbildung geglattet und als Minimalreiz wird der Reiz yi mitder kleinsten Haufigkeit bestimmt. Abbildung 5.3 ist ein Beispiel einer solchenpsychometrischen Funktion aus Irtel (1986).

Dieses Verfahren die Minimalreize zu bestimmen ist sehr aufwendig, es wer-den etwa 200 Beobachtungen fur einen einzigen Minimalreiz benotigt. Ein ge-wohnliches adaptives Verfahren ist hier nicht verwendbar, da die binokulare Hel-ligkeit im Bereich des Minimalreizes nicht monoton verlauft, was fur alle ublichenadaptiven Verfahren vorausgesetzt werden muß. Nach langeren Tests erwies sichfolgendes Verfahren als brauchbar.

Wir geben die dichoptischen Reize (x, y) und (x, y+c) vor, wobei c so gewahltwird, daß diese beiden Reize im Bereich des Minimalreizes gerade unterscheid-bar sind. Ist nun (x, yn) heller als (x, yn + c), dann wird yn+1 = yn + δ gesetztund falls (x, yn) nicht heller ist als (x, yn + c), dann wird yn+1 = yn − δ gesetzt.Als Anfangswert y0 werden zwei verschiedene Leuchtdichten benutzt, von deneneine unter- und eine oberhalb des zu erwartenden Minimalreizes liegen soll. DieDifferenz c liegt zwischen 0.4 und 0.8 cd/m2, ihr Wert muß an die verschiedenenBezugsreize angepasst werden, da die Diskriminationsleistung der Versuchsper-son vom Helligkeitsniveau abhangt (Webersches Gesetz). Die Schrittgroße δ wird

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Kapitel 6 Intensitatsinvarianz der binokularen Helligkeit 112

hier konstant gehalten. In Vorversuchen zeigt sich, daß die adaptive Bestimmungeines bestimmten Punktes einer nicht monotonen Funktion nur sehr selten kon-vergiert, wenn die Schritte zu groß und variabel sind. Wir benutzen deshalb einekonstante Schrittweite und erhohen die Anzahl der Durchgange pro Sequenz auf25. Tabelle 6.1 zeigt die Parameter der verwendeten Reize. Jede Kombinationaus Bezugsreiz und Anfangswert wird in einem Block zweimal bearbeitet. Furjeden Bezugsreiz wird daher der Minimalreiz viermal bestimmt. Als Ergebniseiner adaptiven Sequenz wird der um c/2 erhohte Mittelwert der Umkehrpunktefur yn benutzt.

Tabelle 6.2. Parameter des Experiments zur Intensitatsinvarianz. Alle Zahlenwerte

sind in cd/m2 angegeben. Die erste Spalte enthalt die linke Komponente des kon-

stanten Reizes, die zweite Spalte die rechte Komponente. Die dritte Spalte gibt den

Anfangswert des variablen Reizes, der beiden Augen angeboten wird. Die Tabelle ist in

drei Abschnitte eingeteilt. Die erste Zeile jedes Abschnitts enthalt den Ausgangswert.

Die folgenden Zeilen des Abschnitts gehen durch Multiplikation mit den Faktoren 2,

4 und 8 aus den Ausgangswerten hervor.

x y z0

6 12 9

12 24 18

24 48 38

48 96 72

6 24 15

12 48 30

24 96 60

6 48 27

12 96 54

Bei der direkten Prufung der Intensitatsinvarianz wird ein dichoptischer Reizder Form (x, y) vorgegeben und die Versuchsperson sucht den Reiz z derart, daßgilt

(x, y) ∼ (z, z).

Da hier der variable Reiz (z, z) identische Komponenten enthalt, steigt seineHelligkeit monoton mit der Intensitat z an. Wir konnen daher ein adaptivesVerfahren zur Bestimmung von z anwenden. Wir benutzen ein beschleunigtesadaptives Verfahren, wie es etwa von Falmagne (1985) vorgeschlagen wird. Beidiesem Verfahren wird nach jeder Antwort der Versuchsperson die Auspragungder Reizvariable verandert. Wahlt die Versuchsperson im Durchgang n den Reiz(zn, zn) als den helleren aus, dann wird zn um den Betrag δn verkleinert, wahlt sie(x, y) als den helleren, dann wird zn um δn vergroßert. Der Betrag von δn hangtvon den letzten beiden Antworten der Versuchsperson ab. Ist die letzte Antwort(im Durchgang n− 1) identisch mit der vorletzten (im Durchgang n− 2), dannwird δn gleich δn−1 gesetzt. Wechselt die Versuchsperson dagegen die Antwort,dann wird der Betrag von δn gegenuber δn−1 reduziert. So lange die Versuchs-person immer die gleiche Antwort gibt, wird die Auspragung der unabhangigenVariablen um den gleichen Betrag verandert. Wechselt die Versuchsperson dieAntwortrichtung, dann wird der Anderungsbetrag der unabhangigen Variablenverkleinert. Dieses Verfahren hat den Vorteil, daß es am Anfang, wenn die Reiz-vorgabe noch weit vom Ziel entfernt ist, schnell in den Bereich des Zielwerteskonvergiert. Spater, wenn die Reize um den Zielwert streuen, dann werden dieSchritte reduziert und man erhalt sehr feine Reizabstufungen. Die Schrittgroßeδn mit der der Reiz fur den Durchgang n aus dem Reiz des vorhergehendenDurchgangs n− 1 nach der Formel

zn = zn−1 ± δn

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Kapitel 6 Intensitatsinvarianz der binokularen Helligkeit 113

berechnet wird, ist folgendermaßen definiert: δn = δn−1, falls die Antworten derVersuchsperson im Durchgang n−1 und n−2 identisch sind, und δn = δn−1/σn,falls nicht. Fur den Teiler σn gilt: σn = σn−1 +γ. δ0 hat den Wert 3.0 und σ0 hatden Wert 1. Beim Berechnen des Wertes z1 wird angenommen, daß die Antwortim Durchgang n− 2 = −1 mit der Antwort im Durchgang 0 identisch war. Eineadaptive Sequenz wird abgebrochen, sobald 8 Umkehrpunkte aufgetreten sind.Um diese Kriterium zu erreichen werden zwischen 15 und 30 Darbietungen proReiz benotigt. Als Endergebnis wird wie beim Vergleich der binokularen undmonokularen Reize der Mittelwert der Umkehrpunkte berechnet.

Die Beobachtungszeit betragt bei allen Experimenten zur Intensitatsinvari-anz 800 msec, die Adaptationszeit ist immer 6 sec. Fur die Prufung der Inten-sitatsinvarianz werden drei verschiedene, dichoptische Reize als Ausgangsreizebenutzt: (6,12), (6,24) und (6,48). Der Quotient der Komponenten dieser dreiReize ist 2, 4 und 8. Als Multiplikationsfaktoren werden ebenfalls die Zahlen 2, 4und 8 benutzt. Damit ergeben sich die in Tabelle 6.2 dargestellten dichoptischenReize. Die Begrenzung der Reizintensitaten auf 96 cd/m2 ist durch die Moglich-keiten des Videobildschirms vorgegeben. Dadurch konnen nicht alle Multiplika-tionsfaktoren auf alle Ausgangsreize angewandt werden. Tabelle 6.2 zeigt auchdie Anfangswerte der Vergleichsreize (z0, z0) des adaptiven Verfahrens. Durchdie adaptive Reizvorgabe und die damit verbundene Abbruchregel wird nichtvon allen Versuchspersonen die gleiche Anzahl von Durchgangen benotigt. Alle9 Reize aus Tabelle 6.2 werden in einem Block ohne Pause bearbeitet. Die An-zahl der Darbietungen schwankt bei den Versuchspersonen zwischen 180 und 360bis bei allen Reizen das Abbruchkriterium erreicht ist.

3 6 12 24 48 96

Bezugsreiz x in cd/m2

0

4

8

12

m(x)

◦◦◦◦◦◦◦◦ ◦

◦◦◦

◦◦◦

◦◦◦

◦◦

◦◦◦

.................................................

......................................................

......................................

...............................................................................................................................................................................................................................

....................................................................................................................

...............................................................................

•• •

• ••

Abbildung 6.1. Minimalreize der Versuchsperson BK bei einer Beobachtungszeit von

1200 msec. Die offenen Punkte sind einzelne Datenpunkte, die Ergebnisse des ad-

aptiven Verfahrens. Die gefullten Punkte sind die arithmetischen Mittelwerte, zur

Erlauterung sind sie mit einer Linie verbunden.

3 6 12 24 48 96

Bezugsreiz x in cd/m2

0

4

8

12

m(x)

◦◦◦◦◦◦◦◦

◦◦◦◦◦◦◦

◦◦◦◦ ◦

◦◦◦

......................................

............................................

...............................................

..................................................................................................................................................................................................................................................

..................................................................................................................................................

................................

• • •• •

Abbildung 6.2. Minimalreize der Versuchsperson HA bei einer Beobachtungszeit von

1200 msec.

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Kapitel 6 Intensitatsinvarianz der binokularen Helligkeit 114

3 6 12 24 48 96

Bezugsreiz x in cd/m2

0

4

8

12

16

20

24

m(x)

◦◦◦◦◦◦◦◦

◦◦

◦◦◦◦◦

◦◦

◦◦

◦◦

◦◦◦

◦◦

...................................................................................................................................................................................................................

..............................................

..............................................

.............................................

.........................................

.........................................

........................................

.........................................

..........................................

.........................................

....................................

••

Abbildung 6.3. Minimalreize der Versuchsperson HA bei einer Beobachtungszeit von

800 msec.

Versuchspersonen

Die Versuchspersonen HA und BK, die bereits an dem Experiment in Kapitel 5teilnahmen, nehmen auch hier teil. Außer HA sind alle Versuchspersonen Stu-dentinnen oder Studenten der Psychologie an der Universitat Regensburg. DieVersuchspersonen BK, CLA, CHR, KAR und ULR sind weiblichen, alle anderenmannlichen Geschlechts. Ihr Alter liegt zwischen 20 und 26 Jahren. Alle Ver-suchspersonen sind normalsichtig, keine tragt eine Brille. Brillentrager werdenin diesem und im vorausgehenden Experiment nicht als Versuchspersonen zuge-lassen, da sich bei einer fruheren Untersuchung (Irtel, 1982) gezeigt hat, daß beiunterschiedlicher Sehkraft der beiden Augen die Gewichtung der beiden Augenfur dichoptische Farb- und Helligkeitsreize sehr stark verschieden sein kann.

Ergebnisse

Die Abbildungen 6.1 bis 6.4 zeigen die Positionen der Minimalreize fur verschie-dene Bezugsreizintensitaten. Die offenen Punkte in den Abbildungen sind dieempirischen Datenpunkte. Zu jedem Bezugsreiz gibt es 4 Meßwerte, da zu je-dem Bezugsreiz 4 adaptive Sequenzen erhoben werden. In den Abbildungen 6.1bis 6.3 sind die Rohdatenpunkte eingezeichnet, um einen Eindruck der in denDaten vorhandenen Varianz zu geben. Die gefullten und mit Linien verbunde-nen Punkte sind die arithmetischen Mittelwerte der Datenpunkte des jeweiligenBezugsreizes x. Die Abbildungen 6.1 und 6.2 enthalten Daten, bei denen die Dar-bietungszeit der Reize 1200 msec ist. Die Daten aus den Abbildungen 6.2 und 6.3stammen von der gleichen Versuchsperson. In Abbildung 6.3 betragt die Darbie-tungszeit allerdings 800 msec. Ein Vergleich zeigt, daß die Mittelwertskurve bei800 msec deutlich hoher liegt als bei 1200 msec. Die einzelnen Datenpunkte zei-gen aber auch, daß die Varianz bei 800 msec Darbietungszeit etwas großer ist alsbei 1200 msec. In der Abbildung 6.4 sind die Mittelwertskurven von 4 weiterenVersuchspersonen zusammen dargestellt. Auch hier ist die Darbietungszeit 800msec. Auf die Schatzung einer Regressiongeraden wird bei den Minimalreizdatenverzichtet, denn die Mittelwertskurven zeigen deutlich, daß der Zusammenhangzwischen Bezugsreiz und Minimalreiz nicht linear ist.

Die Ergebnisse der direkten Prufung der Intensitatsinvarianz sind in den Ab-

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Kapitel 6 Intensitatsinvarianz der binokularen Helligkeit 115

3 6 12 24 48 96

Bezugsreiz x in cd/m2

0

4

8

12

16

m(x)

.............................................................................

..............................

..............................

.........................................................................................................................................................

.............................................................................................

............................................................................................

.........................................................................

••

• ••

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.......................................................................................

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••

• ••

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..................................

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••

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.....................................................................................................................................................................................

.................................................................................................................

...............................................................................................................................

.............................................................................................................................

••

••

Abbildung 6.4. Minimalreize fur vier Versuchspersonen. Die Daten stammen in auf-

steigender Reihenfolge der Ergebnisse fur m(96) von den Versuchspersonen CHR,

ULR, KAI und KAR. Die Darbietungszeit ist in allen Fallen 800 msec. Hier sind nur

die Mittelwertskurven dargestellt.

1 2 4 8

Multiplikationsfaktor

0

20

40

60

80 y

....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

(6,12) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

...............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

(6,24) ..............................

....................................................................................................................................................................

(6,48) .................

Abbildung 6.5. Daten aus der allgemeinen Prufung der Intensitatsinvarianz von Ver-

suchsperson WOL. Der Ausgangswert des unabhangigen dichoptischen Reizes jeder

Kurve ist links am Anfangspunkt der Kurve eingetragen. Die Ordinate gibt die ein-

gestellte Leuchtdichte des abhangigen, dichoptischen Reizes an, der immer die Form

(y, y) hat. An der Abszisse ist der Multiplikationsfaktor aufgetragen, mit dem der

Anfangswert jeder Kurve multipliziert wird, um die restlichen unabhangigen Reizpa-

rameter zu erhalten. Die vier unabhangigen dichoptischen Reize der unteren Kurve

haben folgende Werte: (6,12), (12,24), (24,48) und (48,96). Bei Gultigkeit der Inten-

sitatsinvarianz mussen alle Punkte auf den gestrichelten Linien liegen. Die Abbildungen

6.6 bis 6.9 zeigen die Daten der Versuchspersonen KAI, ULR, CLA und AND.

bildungen 6.5 bis 6.9 dargestellt. Neben dem Anfangspunkt jeder Kurve ist ander Ordinate der dichoptische Ausgangsreiz der Kurve angegeben. Die untereder drei Kurven jeder Abbildung beginnt mit dem Reiz (6,12) bei einem Multi-plikationsfaktor von 1. Der erste Punkt dieser Kurve zeigt also die Leuchtdichtedes Reizes y, der binokular betrachtet, in der Form (y, y), genauso hell aussieht,wie der dichoptische Reiz (6,12). Der zweite Punkt der unteren Kurve ist dannder Reiz y, der gleich hell ist zu 2 ∗ (6, 12) = (12, 24). Fur den Ausgangswert

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Kapitel 6 Intensitatsinvarianz der binokularen Helligkeit 116

(6,12) konnen die Multiplikationsfaktoren 2, 4 und 8 realisiert werden. Die mitt-lere Kurve bezieht sich immer auf den Anfangswert (6,24), die obere auf denAnfangswert (6,48). Als maximale Reizintensitat wird immer 96 cd/m2 verwen-det.

Die gepunkteten Linien in den Abbildungen zeigen die Leuchtdichtewerte, dieman erwarten muß, wenn die Bedingung m(x) = αx gelten soll. Bei allen Ver-suchspersonen, bei allen Ausgangswerten und allen Multiplikationsfaktoren lie-gen die Datenpunkte unter dieser Linie. Bei allen Multiplikationsfaktoren steigtder vertikale Abstand zwischen den Datenpunkten und den gepunkteten Gera-den monoton. Die vertikalen Abstande der Datenpunkte von den gepunktetenLinien wachsen außerdem monoton bei konstantem Multiplikationsfaktor mit zu-nehmendem Unterschied zwischen den dichoptischen Reizkomponenten. DieserZuwachs ist bei allen Versuchspersonen und allen Multiplikationsfaktoren vor-handen. Die Abweichungen der Datenpunkte von den aufgrund der Intensitatsin-varianz vorhergesagten, gepunkteten Linien ist nicht bei allen Versuchspersonengleich. Versuchsperson WOL aus Abbildung 6.5 zeigt sehr geringe Abweichun-gen, wahrend sich bei den Versuchspersonen KAI und ULR aus Abbildung 6.6und 6.7 sehr große Abweichungen ergeben. Die Mittelwertskurven aus den Abbil-dungen sind—soweit dies mit den wenigen Punkten uberhaupt erkennbar ist—weitgehend linear. Nur in den Abbildungen 6.8 und 6.9 zeichnet sich eine leichteKrummung der Mittelwertskurven nach unten ab.

6.3 DER BINOKULARE HELLIGKEITSVORTEILDICHOPTISCHER REIZE MIT AUSGEGLICHENENKOMPONENTEN

Sowohl die binokulare Beobachtung dichoptischer Reize mit identischen Kompo-nenten, als auch die monokulare Beobachtung, entsprechen weitgehend naturli-chen Beobachtungsbedingungen. Die experimentellen Ergebnisse aus Kapitel 5zeigen, daß unter diesen Bedingungen Helligkeitsaquivalenzen intensitatsinvari-ant sind. Ganz anders dagegen sind die Ergebnisse der Minimalreizbestimmungenzu bewerten. Die Abbildungen 6.1 bis 6.4 zeigen eine klare Verletzung der In-tensitatsinvarianz. In Abschnitt 5.3 wurde gezeigt, daß bei Gultigkeit der In-tensitatsinvarianz die Minimalreize proportional mit dem Bezugsreiz anwachsenmussen. Dies ist in keiner der Abbildungen der Fall. Bei allen Versuchsperso-nen wachst die Minimalreizfunktion bei Bezugsreizen von 3 bis 12 cd/m2 schnellund flacht dann stark ab. Der Anstieg ist zwischen 24 cd/m2 und 96 cd/m2

deutlich kleiner als in den niedrigeren Intensitatsbereichen. Die Annahme derIntensitatsinvarianz muß fur diese Reize abgelehnt werden.

Vergleicht man die von uns gefundene Lage der Minimalreize mit den Datenvon de Weert und Levelt (1974) und Curtis und Rule (1978), so zeigt sich, daßdie Ergebnisse ahnlich sind, soweit ein solcher Vergleich uberhaupt moglich ist.Wie bereits in Abschnitt 5.2 angedeutet, enthalten die Daten von de Weert undLevelt zwischen 0 und 20 cd/m2 nur einen einzigen Datenpunkt, der dann auchzum Minimalreiz wird. In unserem Fall liegen bei aquivalenten Bedingungen dieMinimalreize zwischen 2 und 10 cd/m2. Dies stimmt auch mit den Daten vonCurtis und Rule (1978) uberein. Wie Abbildung 5.7 zeigt, sagt das Modell vonCurtis und Rule eine ganz andere Lage der Minimalreize voraus. Die in dieserAbbildung dargestellte psychophysische Funktion des Modells wurde mit denvon Curtis und Rule angegebenen Parametern berechnet. Sie ist in keiner derArbeiten von Curtis und Rule (1978, 1980) enthalten, zeigt aber deutlich, daßdieses Modell weder die Form der psychophysischen Funktion (im Vergleich zuAbb. 5.2), noch die Lage der Minimalreize korrekt vorhersagen kann. Wir werdendaher auf dieses Modell nicht weiter eingehen.

Die Minimalreize liegen bei Bezugsreizen von 3 und 6 cd/m2 bei der halbenBezugsreizintensitat, also etwa bei 1.5 oder 3 cd/m2 (vgl. Abb. 6.1 bis 6.4). Diesist wesentlich hoher als bei den Ergebnissen, die von Fechner (1861) berichtetwerden, dort liegen sie bei etwa 1/10 der Bezugsreizintensitat. Die Ursache furdiesen Unterschied ist, daß Fechners Bezugsreize eine sehr große Intensitat ha-ben, da er im Freien beobachten laßt. Auch unsere Daten ergeben bei hohen

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Kapitel 6 Intensitatsinvarianz der binokularen Helligkeit 117

Bezugsreizintensitaten von 96 cd/m2 Minimalreize um 10 cd/m2, stimmen hieralso mit den Ergebnissen Fechners uberein. Allerdings ist damit gezeigt, daß esnicht, genugt anzugeben ,,der Minimalreiz ist ein x-tel des Bezugsreizes“, dennin dieser Angabe fehlt die Bezugsreizintensitat. Da die Lage des Minimalreizesnicht proportional zum Bezugsreiz ist, muß der absolute Betrag des Bezugsreizesimmer mit angegeben werden.

Die von Fechner aufgestellte Behauptung ,,daß die Helligkeit des Himmelsvon keinem wesentlichen Einfluß . . .“ (Fechner, 1861, S. 422) sei, muß daher alswiderlegt betrachtet werden. Die Beleuchtungsschwankungen wahrend der Beob-achtungen Fechners waren wohl zu gering, um die dabei auftretenden Verande-rungen der psychophysischen Funktion beobachten zu konnen.

Die Daten aus den Experimenten zur direkten Prufung der Intensitatsinvari-anz konnen dazu dienen, die Diskrepanz zwischen den Ergebnissen der binokular-monokular-Vergleiche und denen der Minimalreizbestimmungen aufzuklaren.Wahrend bei den binokular-monokular-Vergleichen die Hypothese der Inten-sitatsinvarianz beibehalten werden kann, muß sie bei der Minimalreizfunktionabgelehnt werden. Die Transformationsdaten aus den Abbildungen 6.5 bis 6.9zeigen deutlich, daß die Verletzung der Intensitatsinvarianz von zwei Komponen-ten abhangt: dem absoluten Intensitatsniveau der Reize und dem Verhaltnis derdichoptischen Komponenten zueinander. Die in den Abbildungen 6.5 bis 6.9 ent-haltenen, gepunkteten Linien sind die unter Intensitatsinvarianz zu erwartendenEinstellungen. Jede dieser Einstellungen ist die Intensitat y, die ein binokularbetrachteter Reiz haben muß, damit er genauso hell aussieht wie der am linkenRand der Kurve angegebene, dichoptische Reiz, multipliziert mit dem auf derAbszisse angetragenen Multiplikationsfaktor. Jede durchgezogene Kurve stelltalso eine Aquivalenz der Form

(tx, trx) ∼ (y, y)

dar. Dabei ist r das Verhaltnis der Intensitaten der rechten zur linken Kom-ponente des dichoptischen Reizes und t ist der an der Abszisse abgetrageneIntensitatsfaktor. Der Reiz (y, y) entspricht den naturlichen, binokularen Beob-achtungsbedingungen. Wenn die durchgezogene Kurve unter der gestricheltenliegt, dann bedeutet dies, daß y kleiner ist, als aufgrund der Intensitatsinva-rianz zu erwarten ist. Der Reiz (y, y) ist also effektiver als erwartet, und derReiz (tx, trx) verliert mit zunehmendem t an Effektivitat. Der Helligkeitsvor-teil eines dichoptisch ausgeglichenen Reizes wachst mit zunehmender, absoluterReizintensitat.

Auf den dichoptischen Reiz (tx, trx) mit unterschiedlichen Komponenten be-zogen heißt das: mit zunehmender absoluter Reizintensitat nimmt die Hellig-keitsausbeute dichoptischer Reize mit unterschiedlichen Komponenten relativzur Helligkeitsausbeute von dichoptischen Reizen mit identischen Komponen-ten ab. Dies ist konsistent mit den Ergebnissen zur Minimalreizbestimmung.Die relative Helligkeit — immer bezogen auf dichoptische Reize mit identischenKomponenten — von dichoptischen Reizen mit unterschiedlichen Komponentennimmt mit wachsender Intensitat ab. Dadurch mussen sich die Minimalreize re-lativ zu den Bezugsreizen nach unten verschieben. Der Quotient aus Minimalreizund Bezugsreiz muß mit wachsender Intensitat kleiner werden. Genau dies ist inden Abbildungen 6.1 bis 6.4 der Fall.

Die Abbildungen 6.5 bis 6.9 zeigen noch eine zweite Abhangigkeit der Hel-ligkeitsausbeute dichoptischer Reize. Betrachtet man die Diskrepanz der Daten-punkte zu den gepunkteten Linien fur konstanten Multiplikationsfaktor t, alsoeinen vertikalen Schnitt in den Abbildungen, so wird deutlich, daß diese mit zu-nehmenden r fur die Bezugsreize (tx, trx) großer wird. Durch die physikalischenBeschrankungen des Versuchsaufbaus sind hier nur wenige Vergleichsmoglich-keiten vorhanden, aber der Effekt ist bei allen vorhandenen Datenpunkten undallen Versuchspersonen sichtbar. Mit Zunahme des Quotienten der Reizinten-sitaten der dichoptischen Komponenten nimmt die Helligkeitsausbeute, relativzum ausgeglichenen dichoptischen Vergleichsreiz, ab.

Die Abbildung 6.10 enthalt eine alternative Darstellung der Daten aus Abbil-dung 6.9. Die Datenpunkte sind hier als Punkte auf Isohelligkeitskurven analog

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Kapitel 6 Intensitatsinvarianz der binokularen Helligkeit 118

zu den Abbildungen 5.2 und 5.2 nach Levelt (1965) dargestellt. Die gestricheltenLinien dienen nur der Gruppierung der Punkte, sie sollen nicht die Isohelligkeits-linien darstellen. Betrachten wir die Graphen von Abbildung 6.10 oben links. Diedrei Punkte der dritten Gruppe von unten, deren mittlerer Punkt die Koordi-naten (36,36) hat, liegen nahezu exakt auf einer Geraden. Fur die kleinerenIntensitaten mit den mittleren Punkten bei (18.6, 18.6) und bei (9.5, 9.5) deutetsich eine konvexe Form der Isohelligkeitslinie zwischen den Punkten an. Bei denPunkten mit der hochsten Intensitat mit dem mittleren Punkt bei (65.2, 65.2)ist eine konkave Krummung der Isohelligkeitskurve deutlich. Ein Vergleich dieserFormen mit den Daten von Levelt (1965), wie sie etwa in Abbildung 5.2 dar-gestellt sind, bestatigt, daß Isohelligkeitskurven, die wie bei Levelt die Punkte(20,20) oder (30,30) enthalten, im mittleren Bereich gerade verlaufen. Daraufso weitreichende Schlusse fur die Form der binokularen Helligkeitskombinationaufzubauen, wie dies Levelt (1965) tut, ist aber nicht zulassig. Die Linearitat derIsohelligkeitskurven im mittleren Bereich ist, wie Abbildung 6.10 vermuten laßt,nur fur einen kleinen Bereich von Bezugsreizen zwischen (20,20) und (40,40) vor-handen. Die Begrundung des ,,Law of complementary shares“ von Levelt (1965)basiert auf der Auswahl der Reizintensitaten, die zufallig in einem Bereich liegen,der teilweise lineare Isohelligkeitskurven erzeugt.

Im Graphen oben rechts von Abbildung 6.10 liegen die außeren Punkteder beiden unteren Tripel vermutlich bereits unterhalb des Minimalreizes, alsoaußerhalb der Umkehrpunkte der Isohelligkeitskurve. Der konvexe Knick dergestrichelten Linie kann in diesem Fall nicht als konvexe Form der Isohelligkeits-kurve gedeutet werden, das gleiche gilt fur den unteren Teil von Abbildung 6.10.Abbildung 6.10 zeigt sehr deutlich die Art der Verletzung der Intensitatsinva-rianz. Wurde sie gelten, dann mußte die Form der gestrichelten Linien fur allePunktetripel in diesen Abbildungen identisch sein. In diesem Fall wurden alleIsohelligkeitskurven durch eine Ahnlichkeitsabbildung aus einer einzigen Kurvehervorgehen. Eine Intensitatsanderung der Reizkomponenten hatte dann einezentrische Streckung der Isohelligkeitskurven mit dem Fixpunkt (0,0) zur Folge.Die korrespondierenden Punkte der Tripel in Abbildung 6.10 liegen auf Geradendurch den Ursprung. Sie mußten bei Gultigkeit der Intensitatsinvarianz alle mitdem gleichen Streckungsfaktor nach außen geschoben werden. Bei allen Kurvenist aber deutlich, daß die Punke im mittleren Bereich, also die Reize (x, x), we-niger stark nach außen geschoben werden, als die Punkte im Randbereich. Diegestrichelten Linien wechseln daher in den oberen beiden Teilen von Abbildung6.10 ihre Krummung von konvex nach konkav und verlieren im unteren Teil vonAbbildung 6.10 mit zunehmender Intensitat an Krummung.

6.4 EIN MODELL DER BINOKULAREN HELLIGKEIT

Die Ergebnisse der Experimente widerlegen alle Modelle, die folgende Funktio-nalgleichung erfullen:

B(αx, αy) = Gα(B(x, y)). (6.4)

Gilt namlich Intensitatsinvarianz, dann laßt sich die Funktion Gα fur jedesB(x, y) in B(X2) durch

Gt(B(x, y)) = B(tx, ty)

definieren. Da tx und ty fur alle x, y in X definiert ist, genauso wie B fur alle(x, y) in X2, ist damit Gt fur jedes Element aus B(X2) definiert. Es ist nurzu zeigen, daß fur alle r, s aus B(X2) aus der Gleichung r = s die GleichungB(r) = B(s) folgt. Sei r = B(x, y) und s = B(u, v), dann gilt

r = s gdw. B(x, y) = B(u, v)

gdw. (x, y) ∼ (u, v)gdw. (tx, ty) ∼ (tu, tv)

gdw. B(tx, ty) = B(tu, tv).

Hieraus folgt aufgrund der Definition von Gt

Gt(B(x, y)) = Gt(B(u, v)),

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Kapitel 6 Intensitatsinvarianz der binokularen Helligkeit 119

so daß Gt(r) = Gt(s). Gt ist also wohldefiniert. Zur Losungsmenge von Glei-chung (6.4) gehoren die besprochenen Modelle mit verhaltnis- oder intervalls-kalierbarer, binokularer Helligkeit. Diese Modelle haben eine Gemeinsamkeit:sie enthalten keine dimensionalen Konstanten. Will man daher zumindest ander Intervallskalierbarkeit der binokularen Helligkeit festhalten, so ist nach ei-nem Modell zu suchen, das dimensionale Konstanten—also Konstanten, derenBenennungen die zulassigen Transformationen der unabhangigen Variablen un-wirksam machen—enhalten.

Um eine Erklarung des Verhaltnisses von monokularer zu binokularer Hellig-keit zu geben, muß das Verhaltnis der beiden Reizkomponenten in die binokulareGewichtungsfunktionen eingehen. Und zwar derart, daß folgende Bedingungengelten:

1. Verschwindet die Intensitat einer Reizkomponente, so muß sein Gewichtnull und das des anderen maximal sein.

2. Sind beide Reizkomponenten gleich, so mussen auch ihre Gewichte gleich,aber etwas hoher als die Halfte des Maximums sein. Der Betrag, um den dieGewichte das halbe Maximum ubersteigen, darf nicht von der Reizintensitatabhangen. — Der binokulare Vorteil war intensitatsinvariant!

3. Sind die dichoptischen Reizkomponenten verschieden (wobei nicht eine nullist), dann muß die Gewichtsfunktion von der Reizintensitat abhangen, und zwarderart, daß zunehmende Ahnlichkeit zu einem zunehmenden Vorteil bei der bin-okularen Helligkeit fuhrt. Dieser Vorteil selbst kann aber nicht allein vom Quo-tienten der dichoptischen Reizkomponenten abhangen, sondern muß auch mitzunehmender absoluter Intensitat immer großer werden.Das folgende Modell zeigt genau dieses Verhalten:

B(x, y) = δw(x, y)kf(x) +1δ(1 − w(x, y))kf(y) (6.5)

w(x, y) =f(x)

f(x) + f(y)(6.6)

f(x) =

{ψ0 + log (x/x0) falls x > x0,

ψ0 falls x ≤ x0

(6.7)

Die binokulare Kombinationsregel der Gleichung (6.5) ist nahezu identischmit der von de Weert und Levelt (1974) und Schrodinger (1926). Die Gewichts-funktionen in Gleichung (6.6) hangen ebenfalls vom Quotienten der monokularenEingangstransformationen f(x) ab. Allerdings gehen die Gewichtungsfunktionenerst nach einer nichtlinearen Transformation mit dem Exponenten k < 1 in diebinokulare Kombination ein. Da die Gewichte w ebenfalls kleiner als 1 sind,wird dadurch die effektive Summe der Gewichte fur identische Reize, also beiw(x, y) = 1

2 großer als 1. Abbildung 6.11 zeigt den Verlauf der Gewichtungs-funktion.

Tabelle 6.3. Schatzwerte fur die Bedingungen des Experiments von Irtel (1986).

Diese Daten wurden unter Dunkeladaptation erhoben. Die Werte der Tabelle sind

auch in Abbildung 6.12 dargestellt.

Bezugswert Mittelwert Standardabw. Modell

1.0 0.136 0.064 0.126

10.0 0.341 0.200 0.308

100.0 0.708 0.535 0.751

Der Exponent k < 1 fuhrt dazu, daß die Funktion (6.6) etwas nach obendurchgebogen wird, die Extrempunkte aber konstant bei 0 und 1 bleiben. Die-ser Effekt erzeugt den Helligkeitsvorteil dichoptischer Reize bei ausgeglichenenKomponenten. Dieser Vorteil ist, wie in den obigen Bedingungen formuliert, un-abhangig von der Intensitat, da die Gewichte bei gleichen dichoptischen Kom-ponenten immer den Wert (1/2)k annehmen, der unabhangig von x und y ist.

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Kapitel 6 Intensitatsinvarianz der binokularen Helligkeit 120

Der Faktor δ in den Gewichtungsfunktionen kontrolliert die Rolle der Augen-dominanz, die zu einer unterschiedlichen Gewichtung der beiden Augen fuhrenkann. Da ein solcher Effekt bei unseren Daten nicht beobachtet wird, setzen wirδ = 1.

Der zweite wesentliche Unterschied zum Modell von de Weert und Leveltbesteht in der monokularen Eingangstransformation (6.7). Hier folgen wir einemVorschlag von MacLeod (1972), der eine logarithmische Eingangstransformationannimmt. Fur den Parameter ψ0, der fur das Grundrauschen des Systems steht,wird in den folgenden Paramerschatzungen immer der Wert 0 angenommen. Einesolche Transformation wird auch bei Cornsweet (1970) benutzt, um zusammenmit lateraler Inhibition Helligkeitskonstanz zu erklaren. Cornsweet (1970) fuhrtzahlreiche, empirische Belege dafur an, daß relativ fruh im visuellen System einelogarithmische Transformation stattfindet.

Zur Erklarung des massiven Adaptationseffektes in der Lage der Minimal-reize, der sich beim Vergleich der hier dargestellten Ergebnisse mit den Ergebnis-sen aus Irtel (1986) zeigt, wird der Parameter x0 eingefuhrt. Dieser Parameterkontrolliert die Lage der Minimalreize und korrespondiert mit dem Adaptati-onszustand. Zur Prufung dieser Hypothesen werden die Parameterschatzungenfur die vorliegenden Daten unter Helladaptation mit denen zu den Daten vonIrtel (1986) unter Dunkeladaptation verglichen. Die Parameter werden dadurchgeschatzt, daß aufgrund des Modells die Daten der jeweiligen Experimente, alsodie aquivalenten monoptischen und dichoptischen Reize, die Minimalreize unddie transformierten Reize, vorhergesagt werden. Die Abweichungen dieser Vor-hersagen von den empirischen Mittelwerten aus allen Experimenten und vonallen Versuchspersonen werden mit einem einfachen Suchverfahren minimiert.

Fur die hier erhobenen Daten ergeben sich die Parameter x0 = 2.95 undk = 0.95. Fur die Daten von Irtel (1986) ergeben sich bei freier Parameterva-riation x0 = 0.032 und k = 0.92. Halt man fur diese Daten den Parameter kbei k = 0.95 fest, so ergibt sich x = 0.034, wobei sich der χ2-Wert der Anpas-sung nur sehr geringfugig andert. Dies zeigt, daß der Parameter k uber beideExperimente stabil ist, wahrend sich x0 durch die unterschiedlichen Adaptations-bedingungen gravierend verandert. Abbildung 6.12 und Tabelle 6.3 vergleichendie Vorhersagen des Modells mit den Daten von Irtel (1986). Auch wenn hiernur drei Datenpunkte verglichen werden, sind die Vorhersagen als sehr prazisezu betrachten, da nur ein einziger Parameter (x0) geschatzt wird, fur k wird derWert aus den Daten zur Helladaptation benutzt. Abbildung 6.15 zeigt, daß derParameter x0 im wesentlichen fur die Lage des Minimalreizes verantwortlich ist.Je kleiner x0 wird, desto niedriger liegen die Minimalreize, die Umkehrpunkteder Isohelligkeitsfunktion werden immer weiter nach außen verschoben.

Das Modell ist auch in der Lage, die Isohelligkeitskurven von Levelt (1965)vorherzusagen. Da aus der Arbeit von Levelt nicht genau zu entnehmen ist, wel-che Adaptationsbedingungen in diesen Experimenten herrschen, muß jedoch furdie Vorhersage dieser Daten der Parameter x0 speziell angepaßt werden. Abbil-dung 6.4 zeigt die Vorhersage des Modells fur die Daten, die bereits in Abbildung5.2 dargestellt wurden. Abbildung 6.14 zeigt zwei weitere Isohelligkeitskurven.Sie demonstriert, daß diese zwar im mittleren Bereich annahernd linear sind, anden Randern aber wegen des Fechnerschen Paradoxons nach innen abknicken.

In den Abbildungen 6.16 bis 6.18 sind die Vorhersagen des Modells fur dieDaten, die in dieser Arbeit beschrieben sind dargestellt. Ein Vergleich mit denAbbildungen 5.11 bis 5.13 und 6.1 bis 6.9 zeigt, daß alle wesentlichen Eigen-schaften der Daten genau vorhergesagt werden. Auf eine individuelle Anpassungder Parameter an die Daten der einzelnen Versuchspersonen wird verzichtet,da bereits die global geschatzten Parameter die ausgezeichnete Anpassung de-monstrieren. Das Modell zeigt alle der am Anfang dieses Abschnittes gefordertenEigenschaften und erklart alle in den Daten beobachteten Abweichungen von derIntensitatsinvarianz. In der Abbildung 6.19 schließlich ist die vom Modell mit denhier geschatzten Parametern vorhergesagte psychophysische Funktion anoalog zuAbbildung 5.1 dargestellt. Als Bezugsreizintensitat wird 30 cd/m2 benutzt. Eswird deutlich, daß B(x, x) großer ist als B(x, 0) und daß wie bei Fechner der Un-terschied zwischen B(x, 0) und B(x,m(x)) großer ist, als der zwischen B(x, 0)

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Kapitel 6 Intensitatsinvarianz der binokularen Helligkeit 121

und B(x, x). Die Funktion zeigt auch die fur die monokulare Helligkeit typischeRechtskrummung der psychophysischen Funktion bei großeren Intensitaten.

Nicht zuletzt die Fechnersche Bezeichnung ,,Paradoxon“ fur die nichtmono-tone psychophysische Funktion der binokularen Helligkeit druckt aus, daß essich dabei um einen Effekt handelt, der ahnlich einer geometrisch - optischenTauschung, dem Beobachter ,,falsche“ Information uber die Umwelt liefert. Einesolche Fehlinformation ist einer optimalen Anpassung eines Organismus an seineUmwelt sicher nicht forderlich und bedarf deshalb einer besonderen Begrundung.Diese kann darin bestehen, daß die in besonderen Reizsituationen auftretenden,,Fehlleistungen“ des visuellen Systems eine Folge anderer, im allgemeinen sehrvorteilhafter Leistungen sind. Eine solche Begrundung kann auch fur das Fech-nersche Paradoxon gegeben werden. Es tritt als Folge zweier Eigenschaften desvisuellen Systems auf, die beide unter Beleuchtungsbedingungen bei denen keinDetektionsproblem auftritt von großem Anpassungsvorteil sind:

1. Fur solche Reizsituationen, bei denen beide Augen weitgehend die glei-chen Reizintensitaten angeboten bekommen, also der unter naturlichen Beob-achtungsbedingungen auftretende Regelfall, ist die Beziehung zwischen wahrge-nommener Helligkeit und Reizintensitat monoton steigend.

2. Die wahrgenommene Helligkeit eines Reizes verandert sich nur geringfugig,wenn das eigentlich binokulare, visuelle System nur monokular arbeitet, entwederweil ein Auge geschlossen, oder weil durch raumliche Verdeckung der Reiz nurfur eines der beiden Augen sichtbar ist.Die erste Bedingung bedeutet, daß die Funktion B(x, y) in beiden Argumentenmonoton steigend ist, wenn der Quotient x/y hinreichend nahe bei 1 liegt. Ausder zweiten Bedingung folgt, daß sich B(x, 0) und B(x, x) nur geringfugig un-terscheiden durfen: B(x, 0) ≈ B(x, x). Betrachten wir die Fechnersche FunktionFy(x) = B(x, y) fur konstantes y in Abbildung 5.1. Die erste Bedingung bedeu-tet dann, daß Fy(x) fur x nahe bei y monoton steigend sein muß. Die zweiteBedingung hat zur Folge, daß Fy(0) etwa gleich Fy(y) ist. Wenn nun angenom-men wird, daß Fy zwischen x = 0 und x = y uberall definiert und stetig ist,dann muß es ein x′ mit 0 < x′ < y geben, bei dem Fy(x′) < Fy(y) und damitauch Fy(x′) < Fy(0) gilt. Zwischen x = 0 und x = y muß also ein x′ existie-ren, dessen binokulare Helligkeit in der Kombination mit y kleiner ist, als dieder dichoptischen Reize (0, y) und (y, y). Soll nun Fy(x) stetig sein, dann mußzwischen x = 0 und x = x′ ein Bereich existieren, in dem Fy(x) monoton fallendist und damit das Fechnersche Paradoxon erzeugt.

Das Paradoxon kann also als Folge der Moglichkeit monokularer Beobach-tung betrachtet werden, wobei gleichzeitig durch den Ubergang von binokularerzu monokularer Betrachtungsweise keine wesentliche Veranderung der Hellig-keitswahrnehmung stattfindet. Aus dieser Sicht ist ein zum Fechnerschen Pa-radoxon analoger Effekt in der binauralen Lautheitswahrnehmung entgegen derHypothese von Lehky (1983) (vgl. Abschnitt 5.3) nicht zu erwarten, da die Oh-ren weder einzeln, noch gemeinsam geschlossen werden konnen. Vergleiche derLautheit monauraler und binauraler Reize zeigen daher auch, daß beim kunstli-chen Verschließen eines Ohres die wahrgenommene Lautheit auf etwa die Halfteabnimmt (Treisman & Irwin, 1967).

Fur das visuelle System stellt die weitgehende Unabhangigkeit der wahrge-nommenen Helligkeit von der Betrachtungsweise eine wesentliche Konstanzlei-stung dar. Dies ist nur dadurch moglich, daß das System der binokularen Hel-ligkeitsverarbeitung bei monokularer und binokularer Betrachtungsweise zweiunterschiedliche Verarbeitungsmethoden realisiert.

Das mathematische Modell, wie es durch die Gleichungen (6.5) bis (6.7) de-finiert wird, erklart die bisher bekannten Daten zur binokularen Fusion der Hel-ligkeit bei uberschwelligen Reizen unter verschiedenen Adaptationsbedingungen.Eine Konsequenz, der von diesem Modell angenommenen binokularen Verarbei-tung ist auch der nicht monotone Zusammenhang zwischen Reizintensitat undbinokularer Helligkeit, wie er im Fechnerschen Paradoxon zum Ausdruck kommt.Bei monokularer Beobachtung wird das fehlende monokulare Signal ignoriert.Bei binokularer Beobachtung werden beide monokularen Komponenten beruck-sichtigt. Um ein zu starkes Uberwiegen der binokularen gegenuber der monoku-

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Kapitel 6 Intensitatsinvarianz der binokularen Helligkeit 122

laren Helligkeit zu verhindern, erzeugt jeder monokulare Kanal nicht nur einenBeitrag zur Helligkeit, sondern auch eine Hemmung der kontralateralen Kompo-nente. Dadurch werden bei gleichen Eingangsintensitaten auf beiden Kanalen dieSignale so abgeschwacht, daß die gesamte binokulare Helligkeit nicht wesentlichgroßer ist, als die des monokular arbeitenden Systems.

Die hier vorgeschlagene Gewichtungsfunktion kann als gegenseitige Inhibitionder monokularen Komponenten betrachtet werden. Liegt nur ein monokularesEingangssignal vor, dann hat dessen Gewichtungsfunktion den Wert 1 wahrendder nicht genutzte Kanal mit dem Wert 0 vollstandig unterdruckt wird. Bei zu-nehmender Intensitat auf dem zweiten Kanal wachst der inhibitorische Effektdieses Kanals auf den vorher dominierenden starker als der Helligkeitsbeitrag.Die wahrgenommene binokulare Helligkeit sinkt deshalb. Die Kurve in Abbil-dung 6.11 zeigt, daß die Gewichtungsfunktion von 0 an fur kleine x-Werte sehrschnell ansteigt, wahrend sie von 1 nach unten nur langsam abnimmt. Diesesschnelle Ansteigen der Gewichtung fur kleine Reize fuhrt gleichzeitig komple-mentar zu einem schnellen Abfallen der Gewichtung des uberwiegenden Reizes.Auf diese Weise entsteht der monoton fallende Abschnitt der psychophysischenFunktion Fechners (Abbildung 5.1). Im mittleren Bereich der Gewichtungsfunk-tion ist der Anstieg nahe bei 1. Das System verhalt sich daher so, als ob es einarithmetisches Mittel berechnen wurde, bei dem beide Komponenten gleich undlinear gewichtet werden.

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Kapitel 6 Intensitatsinvarianz der binokularen Helligkeit 123

1 2 4 8

Multiplikationsfaktor

0

20

40

60

80 y

KAI...................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

••

..................................

....................................................................................................................................................................................................................................................

......................

........................................................................................................................................

..............

Abbildung 6.6. Daten von Versuchs-

person KAI. Erlauterungen bei Abbil-

dung 6.5.

1 2 4 8

Multiplikationsfaktor

0

20

40

60

80 y

ULR...................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

••

..............................

..............................................................................................................................................................................................................................................

.......................

..................................................................................................................

..............

Abbildung 6.7. Daten von Versuchs-

person ULR. Erlauterungen bei Abbil-

dung 6.5.

1 2 4 8

Multiplikationsfaktor

0

20

40

60

80 y

CLA..........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

••

.....................................

..................................................................................................................................................................................................................................................

........................

.........................................................................................................................

..............

Abbildung 6.8. Daten von Versuchs-

person CLA. Erlauterungen bei Abbil-

dung 6.5.

1 2 4 8

Multiplikationsfaktor

0

20

40

60

80 y

AND.....................................................................................................................................................................................................................

..............................

..............................

..............................

..............................

..............................

..............................

..............................

.

••

....................................

....................................................................................................................................................................................................................................

.......................

.......................................................................................................................

..............

Abbildung 6.9. Daten von Versuchs-

person AND. Erlauterungen bei Abbil-

dung 6.5.

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Kapitel 6 Intensitatsinvarianz der binokularen Helligkeit 124

0 50 100

Rechter Reiz [cd/m2]

0

50

100

Linker

Reiz

[cd/m2]

•••

• • •

••

.............

..........................

..........................

..........................

..........................

..........................

............. ............. ............. ............. .

0 50 100

Rechter Reiz [cd/m2]

0

50

100

• ••

••

•............. ...............................

............. ............. ............. ..........................

.............

..........................

..........................

..........................

..........................

..........................

..........................

0 50 100

Rechter Reiz [cd/m2]

0

50

100

Linker

Reiz

[cd/m2]

••

............. ............. ............. ............. ....................................................

............. ............. ............. ............. ............. ............. ..........................

..........................

..........................

..........................

Abbildung 6.10. Daten von Versuchsperson AND. Die Abbildung zeigt die gleichen

Daten, wie Abbildung 6.9. Sie sind jedoch hier in der Form von Isohelligkeitskurven

dargestellt, um die Veranderung dieser Kurven mit wachsender Intensitat zu zeigen.

Die Abbildung oben links korrespondiert mit der unteren Kurve (Multiplikationsfaktor

2), die Abbildung oben rechts mit der mittleren Kurve (Multiplikationsfaktor 4) und

die untere Abbildung mit der oberen Kurve (Multiplikationsfaktor 8) aus Abbildung

6.9. Weitere Erlauterungen im Text.

0.0 10.0 20.0 30.0 40.0 50.0 60.0 70.0 80.0

x

0.0

0.2

0.4

0.6

0.8

1.0

f(x)

.................................................................................................................................................................................................

..................................

....................................

...........................................

...................................................

..........................................................

.........................................................................

...............................................................................................

......................................................................................................................

.......................................................................

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Abbildung 6.11. Die Gewichtungsfunktion des Modells fur die Parameter k = 0.95

und y = 30.0. Dargestellt ist die Funktion

(x

x + y

)k

. Bei x = y hat sie den Wert 0.5k.

Fur x → ∞ nahert sich die Funktion dem Wert 1.

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Kapitel 6 Intensitatsinvarianz der binokularen Helligkeit 125

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Bezugsreiz [cd/m2]

0.0

0.5

1.0

1.5

Minimal-

reiz

[cd /m2]

.........................................................................................

........................................................................................................

.......................................................................................................

........................................................................................................

.......................................................................................................

....................................................................................

••

....

....

. . . . .. . . . . .

. . . . . .. . . . . .

. . . . . .. . . . . .

. . . . . .. . . . . .

. . . . . .. . . . . .

. . . . . .. . . . . .

◦◦

Abbildung 6.12. Die Abbildung zeigt Ergebnisse der Bestimmung von Minimalreizen

bei Dunkeladaptation. Die vom Modell mit den Parametern x0 = 0.034 und k =0.95 vorhergesagten Werte sind durch die gepunktete Linie angedeutet. Die Daten

stammen aus Irtel (1986).

0 10 20 30 40 50

Rechter Reiz [cd/m2]

0

10

20

30

40

50

Linker

Reiz

[cd/m2]

............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

◦◦◦◦◦◦◦◦ ◦◦◦◦ ◦◦ ◦◦◦ ◦◦ ◦ ◦◦◦◦

Abbildung 6.13. Vergleich der Vorhersagen des Modells mit den Daten von Levelt

(1965). Der Standardreiz ist der dichoptische Reiz (20, 20). Die Parameter sind x0 =1.5 und k = 0.95. Bei Levelts Experiment ist das Umfeld dunkel, es gibt aber keine

Adaptationsphase, sondern es ist immer einer der beiden zu vergleichenden Reize

sichtbar. Es ist daher zu erwarten, daß der Adaptationsparameter zwischen dem Wert

bei Dunkel- und dem bei Helladaptation liegt.

egt.

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Kapitel 6 Intensitatsinvarianz der binokularen Helligkeit 126

0 10 20 30 40 50

Rechter Reiz [cd/m2]

0

10

20

30

40

50

Linker

Reiz

[cd/m2]

........

........

........

........

........

........

.........

.......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

Abbildung 6.14. Die Punkte stellen vom Modell vorhergesagte, dichoptische Reize

konstanter binokularer Helligkeit dar. Der Standardreiz ist bei der inneren Kurve der

dichoptische Reiz (20, 20) und bei der außeren der Reiz (30, 30). Die Kurve verlauft im

mittleren Bereich linear. Das Abknicken an den Randern ist ein Zeichen fur das Auf-

treten des Fechnerschen Paradoxons. Die Parameter sind hier die der Helladaptation

mit x0 = 2.95 und k = 0.95.

0 10 20 30 40 50

Rechter Reiz [cd/m2]

0

10

20

30

40

50

Linker

Reiz

[cd/m2]

............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

Abbildung 6.15. Die Punkte stellen vom Modell vorhergesagte Punkte konstanter

binokularer Helligkeit dar. Der Standardreiz ist immer der dichoptische Reiz (20, 20).Der Kurvenparameter ist x0, der die Werte x0 = 1.0, 1.5, 2.0, 2.5 und 2.95 hat.

Der Parameter k ist konstant mit k = 0.95. Kleinere Werte von x0 schieben die

Umkehrpunkte weiter nach außen, so daß die Minimalreize bei kleineren Intensitaten

liegen.

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Kapitel 6 Intensitatsinvarianz der binokularen Helligkeit 127

36 12 24 48 96

Dichoptischer Reiz x in cd/m2

06

12

24

48

96

144

y

.......................................................................................................................................................................................................................................................

•••

.........................................

Abbildung 6.16. Vorhersagen des Modells fur den Vergleich von Reizen der Form

(x, x) und (y, 0). Diese Abbildung ist mit den Daten in den Abbildungen 5.11 bis 5.13

zu vergleichen. Die Regressionslinie des Modells bei den hier gewahlten Parametern

ist y = 1.125x.

3 6 12 24 48 96

Bezugsreiz x in cd/m2

0

4

8

12

m(x)

..........................

..........................

..........................

............. .......................... .............

............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. .............

◦◦

◦◦

Abbildung 6.17. Vorhersagen des Modells fur die Minimalreize. Die Abbildung ist mit

den Daten in den Abbildungen 6.1 bis 6.4 zu vergleichen.

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Kapitel 6 Intensitatsinvarianz der binokularen Helligkeit 128

1 2 4 8

Multiplikationsfaktor

0

10

20

30

40

50

60

70

80

................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

(6,12) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

(6,24) .............................

............................................................................................................................................

(6,48) ...............

Abbildung 6.18. Vorhersagen des Modells fur die Daten der direkten Prufung der

Intensitatsinvarianz, die in den Abbildungen 6.5 bis 6.9 dargestellt sind.

0.0 5.0 10.0 15.0 20.0 25.0 30.0

Leuchtdichte rechts x [cd/m2]

0.8

0.9

1.0

1.1

.............................................................................................................................................................................................................................................................................................................

....................................

...............................

..............................

..............................

.............................................

..............................

.............................

................................

...............................

.................................

................................

...................................

................................

...................................

.....................................

.............

Abbildung 6.19. Psychophysische Funktion nach unserem Modell. Der konstante

Bezugsreiz des linken Auges wird hier mit 30 cd/m2 angenommen. Die Kurve zeigt

die binokulare Helligkeit fur Reize der Form (30.0, x).

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Literatur 134

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Anhang

DIE MESSUNG VON FARBREIZEN

Die Reizgrundlage fur visuelle Wahrnehmung ist elektromagnetische Strahlungs-energie mit einer Wellenlange von etwa 320 bis 780 nm. Zur physikalischen Be-schreibung visueller Reize werden Strahlungsgroßen benutzt. Da sowohl die phy-sikalischen als auch die psychologischen Wirkungen elektromagnetischer Strah-lung von der Wellenlange abhangen, muß zu einer vollstandigen Beschreibungeines visuellen Reizes die gesamte Verteilung seiner Energie innerhalb des Berei-ches von 320 bis 780 nm angegeben werden. Das Ziel der physikalischen Reizbe-schreibung ist es, fur jeden Punkt einer Retina anzugeben, welche Strahlungs-energie mit welcher Wellenlange pro Zeiteinheit auf ihn auftrifft.

Da bei der physikalischen Messung sichtbarer Strahlungsenergie sowohl phy-sikalische als auch geometrisch-optische und psychologische Uberlegungen eineRolle spielen, haben sich in der Strahlungsmessung mehrere unterschiedliche Be-griffssysteme entwickelt. Wir beschranken uns im folgenden auf die Erlauterungder Großen, die in der neueren Literatur zur Beschreibung visueller Reize be-nutzt werden. Eine allgemeine Einfuhrung in die Messung optischer Strahlunggibt Krystek (1987).

Strahlungsmessung

Punktformige Strahler

Wir betrachten eine punktformige Strahlungsquelle, die in alle Raumrichtungengleichmaßig elektromagnetische Strahlung einer bestimmten Wellenlange λ ab-gibt. Zur Messung der Strahlung wird eine Meßzelle benutzt, die elektrischenStrom erzeugt, der proportional der pro Zeiteinheit auf die Meßzelle auftref-fenden Energie ist. Da die Strahlung nur eine einzige Wellenlange enthalt, istdas Meßergebnis damit auch proportional der Anzahl der Photonen, die proZeiteinheit von der Meßzelle absorbiert werden. Fallt die gesamte Strahlung derStrahlungsquelle auf die Meßzelle, dann erzeugt sie Strom, der im Stromkreis derMeßzelle eine bestimmte Leistung erbringen kann. Die Strahlungsintensitat derStrahlungsquelle ist also proportional der im Stromkreis der Meßzelle erzeug-ten elektrischen Leistung. Als Einheit der Strahlungsintensitat wird diejenigeStrahlung betrachtet, die genau 1 Watt elektrische Leistung erzeugt.

Die von einer Strahlungsquelle in einer Zeiteinheit abgegenene Energie, wirdals Strahlungsfluß bezeichnet (engl.: ,,radiant flux“) und mit dem BuchstabenP reprasentiert. Die absolute Energie einer Strahlung kann in erg oder indirektdurch die Anzahl der Photonen angegeben werden. Sie wird in der Psychologienur selten gebraucht. Der Strahlungsfluß, also die in einer Sekunde transportierteEnergie, wird in Watt (W) gemessen und analog der mechanischen Leistung auchoft als Strahlungsleistung (engl.: ,,radiation power“) bezeichnet.

Wir nehmen nun an, unsere Strahlungsquelle sei punktformig und betrachteneine Kugel, in deren Mittelpunkt die Strahlungsquelle sitzt. Als Raumwinkelwird ein runder Kegel bezeichnet, dessen Spitze im Zentrum der Kugel liegt. DieEinheit des Raumwinkels ist der Kegel, der bei einem Kugelradius von 1 m vonder Kugel genau die Flache 1 m2 ausschneidet, sie wird Steradiant (sr) genanntund durch den Buchstaben ω reprasentiert. Eine Kugel besteht insgesamt aus4π Steradianten, da ihre Oberflache 4πr2 ist.

Als Strahlstarke (engl.: ,,radiant intensity“) wird der von einer punktfor-migen Strahlungsquelle in eine Raumwinkeleinheit abgegebene Strahlungsflußbezeichnet:

Ie = P/ω

135

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Anhang 136

Sie hat die Benennung Watt/Steradiant (W/sr). Der Index e deutet an, daßes sich dabei um eine Strahlungsgroße handelt. Die analogen photometrischenGroßen werden ohne den Index e geschrieben.

Die oben beschriebene Anordnung, bei der eine punktformige Strahlungs-quelle in einem Raumwinkel ω die Strahlungsleistung P abgibt, fuhrt zur Be-strahlung einer Flache innerhalb des Raumwinkels, die proportional dem Qua-drat der Entfernung der Flache ist. Als Bestrahlungsstarke Ee bezeichnet mangenau die Strahlungsleistung, die pro Flacheneinheit auf einer Flache A auf-trifft. Sie hat die Benennung Watt/Quadratmeter (W/m2). Zu beachten isthier, daß die Entfernug der Strahlungsquelle nicht in die Definition des Begriffs,,Bestrahlung“ eingeht. Die Bestrahlung einer Flache kann also direkt an derFlache, ohne Berucksichtigung der Strahlungsquelle gemessen werden. Die Ent-fernung der Strahlungsquelle ist fur die Bestrahlung nur dann relevant, wenndie Anderung der Bestrahlung in Abhangigkeit von der Anderung der Entfer-nug der Strahlungsquelle berechnet werden soll. Fur punktformige Lichtquellenlaßt sich namlich aus der bestrahlten Flache und der Entfernung r der entspre-chende Raumwinkel ausrechnen, so daß sich ein eindeutiger Zusammenhang vonStrahlstarke und Bestrahlung ergibt:

Ee = Iecosϑr2

,

wobei ϑ der Winkel ist, den die Flachennormale mit der Strahlrichtung bildet.

Ausgedehnte Strahler

Wir gehen von der Betrachtung einer punktformigen Strahlungsquelle uber zurBetrachtung einer ausgedehnten Strahlungsquelle. Bei ausgedehnten Strahlungs-quellen wird uber die von einer Flacheneinheit in eine bestimmte Richtung ab-gegebene Strahlung gesprochen. Der Einfachheit halber soll hier angenommenwerden, daß die strahlende Flache orthogonal zur uns interessierenden Richtung,der Beobachtungsrichtung, steht.

In genugend großer Entfernung kann eine Einheit der strahlenden Flache Aals punktformige Lichtquelle betrachtet werden, die eine bestimmte Strahlstarkein den durch die Richtung der Beobachtung definierten Raumwinkel abgibt. AlsStrahldichte (engl.: ,,radiance“) Le wird damit die von einer Flacheneinheit ab-gegebene Strahlstarke bezeichnet:

Le =IeA.

Die Strahldichte hat die Benennung W/m2/sr.Hierbei ist es wichtig zu sehen, daß die Strahldichte einer Flache zwar auf

eine Beobachtungsrichtung bezogen ist, aber nicht von der Entfernung des Be-obachters oder des Meßgerates abhangt!

Alle oben definierten Großen konnen naturlich auch spektral betrachtet wer-den, wobei jeweils die Energie fur jede Wellenlange λ separat zu messen ist. Dieentsprechenden Bezeichnungen werden dann zusatzlich mit λ indiziert: Pλ, Eeλ,Ieλ und Leλ. Abbildung 1.1 auf Seite 2 zeigt eine solche spektrale Strahlungs-verteilung.

PHOTOMETRIE

Wie bereits oben erwahnt, sind nur elektromagnetische Strahlungen mit einerWellenlange von etwa 320 bis 780 nm sichtbar. Aber auch innerhalb dieses Be-reichs sind nicht alle Strahlungen gleich wirksam. Abgesehen von den Unter-schieden im Farbton, der durch Strahlung unterschiedlicher Wellenlange her-vorgerufen wird, konnen Strahlungsquellen unterschiedlicher Wellenlange auchunterschiedlich hell erscheinen. Die Photometrie ist der Zweig der Strahlungs-messung, der diese visuelle Gewichtung berucksichtigt.

Die Wirksamkeit einer Strahlung bestimmter Wellenlange beim Hervorrufeneines Intensitatseindrucks wird fur Tagessehen durch den spektralen Hellempfind-lichkeitsgrad fur Tagessehen V (λ) beschrieben (vgl. Kap. 2). Die Funktionswerte

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Anhang 137

V (λ) geben an, mit welcher Gewichtung die Strahlungsenergie der Wellenlangeλ bei Tagessehen in ein Helligkeitsurteil eingeht. Zwei Lichtreize der Wellenlangeλ1 und λ2 und mit den Strahldichten Leλ1 , Leλ2 sind im Sinne der Photometriegenau dann gleich hell, wenn V (λ1) Leλ1 = V (λ2) Leλ2 . Die Hellempfindlichkeitdes visuellen Systems ist unter photopischen Beobachtungsbedingungen fur λ =555 nm am großten. Die Funktion V (λ) hat damit bei λ = 555 nm ein Maxi-mum, dessen Wert definitorisch auf 1 gesetzt wurde. Alle anderen Funktionswertewurden empirisch durch Herstellung monochromatischer Reizpaare gefunden, dienach einem bestimmten Kriterium gleich hell erscheinen. Ist das Reizpaar λ1 mitIeλ1 und λ2 mit Ieλ2 ein solches Paar, dann ist V (λ1)/V (λ2) = Ieλ2/Ieλ1 . Damiterhalt man fur alle Paare (λ1, λ2) die Quotienten V (λ1)/V (λ2), so daß sich nachFestsetzen von V (555) = 1 alle Funktionswerte eindeutig bestimmen lassen. Ausdieser Definition folgt auch, daß die Werte V (λ) benennungslose Zahlen sind.

Die Helligkeit eines Reizes der Strahldichte Ieλ wird vom Produkt V (λ) Ieλ

bestimmt. Die photometrischen Großen verwenden statt der Bezeichnung Strah-lung das Wort Licht oder Beleuchtung. So ist die Leuchtdichte definiert durch

Lλ = K V (λ) Ieλ,

dabei ist K eine Konstante, die von der Benennung von Lλ und Ieλ und derenEinheiten abhangt. Die Benennung von Lλ ist Lumen/Steradiant/Quadratmeter(lm/sr/m2), so daß K die Benennung Lumen/Watt hat. Aufgrund der Defini-tion der Einheit fur Lumen, auf die wir hier nicht naher eingehen, wird fur dasTagessehen K = 683 lm/W gesetzt. Ein Reiz der Strahldichte 1/683 W/sr/m2

und der Wellenlange 555 nm erzeugt damit eine Leuchtdichte von 1 lm/sr/m2

= 1 cd/m2. Fur ,,Lumen/Steradiant“ benutzt man die Bezeichnung Candela.Um die Leuchtdichte eines Strahlungsgemisches verschiedener Wellenlange

angeben zu konnen, wird angenommen, daß fur die Beurteilung der Helligkeitdieses Gemisches das Abneysche Gesetzgilt, das besagt, daß die Helligkeit einerMischung von Strahlungen gleich ist der Summe der Helligkeiten der monochro-matischen Komponenten. Als Leuchtdichte einer strahlenden Flache wird danndefiniert

L = K

∫V (λ)Leλdλ,

wobei nur uber die sichtbaren Wellenlangen integriert wird, da außerhalb diesesBereichs V (λ) = 0.

Nachdem nun der Begriff ,,Leuchtdichte“ als photometrisches Analogon zu,,Strahldichte“ definiert ist, konnen weitere photometrische Großen analog zuden Strahlungsgroßen eingefuhrt werden:

Lichtstarke I: I = L ·A [lm/sr]

Lichtstrom F : F = I · ω [lm]

Beleuchtungsstarke E: E = F/A [lm/m2]

Bei manchen Untersuchungen des visuellen Systems ist es wichtig, nicht nurdie Lichtquellen exakt zu beschreiben, sondern auch deren Bilder auf der Netz-haut. Haufig ist auch die Strahlungsverteilung auf der Netzhaut als eigentlicherReiz fur visuelle Wahrnehmung zu betrachten. Fur die Beleuchtungsstarke derNetzhaut sind neben der Leuchtdichte des außeren Reizes auch die Transpa-renz der Augenmedien und die Eintrittsoffnung der Pupille verantwortlich. DieBeleuchtungsstarke der Netzhaut ist dabei proportional dem Produkt aus derLeuchtdichte L des Reizes und der Pupillenflache S.

Das Produkt LS wird als retinale Beleuchtungsstarke bezeichnet und hat dieBenennung Troland (td), falls L in cd/m2 und S in mm2 angegeben ist. Dieretinale Beleuchtungsstarke eignet sich besonders dann zur Angabe der Reiz-parameter, wenn im Experiment kunstliche Puppillen verwendet werden, derenDurchmesser d exakt bekannt ist. Fur andere Falle gibt LeGrand (1975) dieNaherungsformel

d = 5 − 3 tanh(0.4 logL)

fur den Pupillendurchmesser d einer Person an, die auf die Leuchtdichte L ad-aptiert ist.

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Personenregister

Aczel, J. 29Alpern, M. 36Anstis, S.M. 32

Bartley, S.H. 88Baylor, D.A. iii

Beals, R. 83Blake, R. 87Bouma, P.J. 9Boynton, R.M. 26Brainard, D.H. 57Brent, R.P. 77Brindley, G.S. 12Brown, A.M. 86Brown, W.R.J. 60Bruckner, A. 41Buffart, H.F.J.M. 95Bunt, A.A. 97Burnham, R.W. 56

Campbell, F.W. 87Cavanagh, P. 32Cicerone, C.M. 43Cogan, A.I. 87Cornsweet, T.N. 85Curtis, D.W. 88

Derrington, A.M. 85Dieterici, C. iii

Donley, N.J. 33Drosler, J. 98Drum, B. 58

Eisner, A. 40Elzinga, C.H. 28Engel, G.R. 92Estevez, O. 39Evans, R.M. 48

Falmagne, J.-C. ii

Fechner, G.Th. ii

Fielder, G.H. 70Fischer, G. iii

Fox, R. 87Fry, G.A. 88

Gegenfurtner, K. 73Gigerenzer, G. 96Goethe, J.W.v. 48Gordon, J. 26Graßmann, H. 9Green, D.G. 87Gudder, S.P. 12Guth, S.L. 33

Heeley, D.W. 131

Helmholtz, H.v. 36Hering, E. 27Hogness, D.S. 36Hurvich, L.M. 40

Indow, T. 58Irtel, H. 86Irwin, R.J. 121Iverson, G. 96

Jacobson, N. 56Jameson, D. 40Judd, D.B. 34

Kaiser, P.K. 31Konig, A. iii

Kraft, T.W. iii

Krantz, D.H. 4Krauskopf, J. 85Kries, J.v. 36Krystek, M. 131

Land, E.H. 57Lang, H. 24Larimer, J. 43Legge, G.E. 87LeGrand, Y. 131Lehky, S.R. 92Lennie, P. 85Levelt, W.J.M. 88Levine, M.W. iii

Luce, R.D. 4

MacAdam, D.L. 61MacLeod, D.I.A. 32Mandler, M.B. 86Marcovici, S. 96Marks, L.E. 96Marocco, R.T. 33Maxwell, J.C. 36Michell, J. 97Muller, G.E. 86

Narens, L. 98Nathans, J. 36Newhall, S.M. 56Newton, I. 1Nunn, B.J. 39

Orth, B. 97Ostwald, W. 8

Pinckers, A.J.L.G. 36Plateau, M.J. 35Pokorny, J. 36

138

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Personenregister 139

Reid, R.C.Jr. 57Richter, M. 8Riemersma, J.B. 97Roberts, F.S. 100Rosenbaum, Z. 100Rule, S.J. 88Runge, Ph.O. 26

Scheibner, H. 8Schnapf, J.L. iii

Schrodinger, E. 8Shapley, R. 57Shefner, J.M. iii

Shevell, S.K. 58Silberstein, L. 61De Silva, H.R. 90Sloan, M. 87Smith, V.C. 36Stevens, S.S. ii

Stiles, W.S. 2Strube, G. 96Suppes, P. 4

Tatsuoka, M.M. 60Thomas, D. 36Treisman, M. 121Tversky, A. 4

De Valois, K.K. 85De Valois, R.L. 85Van der Ven, A.H.G.S. 97Verriest, G. 36Vos, J.J. 39

Wagner, G. 32Walraven, J. 58Walraven, P.L. 39Wandell, B.A. 57Wedderburn, J.H.M. 56de Weert, C.M.M. 88Werner, J.S. 43Wetherill, G.B. 103Williams, D.R. 86Wolf, E. 43Wooten, B.R. 43Wurger, S. 58Wyszecki, G. 2

Yellott, J.I. 85Young, Th. 36

Zrenner, E. 85

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Sachregister

Abneysches Gesetz 33Absoluturteil 1Adaptation iii

Adaptationszustand 61adaptives Verfahren 111additiv verbundene Messung 35Additivitat 16

der Kontexteffekte 61Alychne 44analytische Geometrie iii

Anomalien 36Aquilibrium 41Aquivalenzpunkt 99

monokularer 104Aquivalenzrelation 7

binokulare 86induzierte 27Interpretation einer 13kontextubergreifende 49

Assoziativitat 4Attribut

visuelles 13Augendominanz 120Autokorrelationsfunktion 94Automorphismus 99

Basis 5Basisvektoren 21Beleuchtungsstarke 137

retinale 137Beobachtung

mittelbare ii

unmittelbare ii

Bestrahlungsstarke 136Bezugsreiz 117binokulare Helligkeit iii

Automorphismen der 104Intervallskalierbarkeit und 101Verhaltnisskalierbarkeit und 109

Braun 48

Chromatizitat 8Chrominanz 44CIE 17

Datenphysikalische 14psychologische 14

Deuteranomalie 36Deuteranopen 36Dichromasie 38Dichromaten 36Differenzen-Skalierung 35Dimension des Farbraums 8

Dimensionstatsache 36DIN 5033, 8direkter Helligkeitsvergleich 32Diskrimination 1Diskriminationsdaten ii

Diskriminationsellipsen 70Diskriminationsexperimente 63Diskriminationskontur 77Diskriminationsleistung 13Diskriminationsmaß ii

Dreiecksungleichung 71Dunkeladaptation 60

ebenmerklicher Unterschied 71Eingangstransformation

monokulare 93elektromagnetische Strahlung 2Empfindlichkeitsfunktion

relative 28spektrale 28

Empfindung ii

Empfindungsgroße ii

Erzeugendensystem 5Exponentialfunktion 55

Farbabgleich 23Farbadaptation 56Farbart 19Farbattribut 1Farbcode 27Farbcodes

Menge vollstandiger 27Farbe

Definition von 13Objektqualitat der 3wahrgenommene 13

Farbempfindung 4Farbenmischung 9

additive 2binokulare 86uneigentliche 9

Farbfehlsichtigkeit 36Farbfernsehtechnik 44Farbkegel 9Farbkonstanz 57Farbkoordinaten 15

Konstruktion von 15Farbnamen 13Farbraum 1

Dimension 8Eindeutigkeit im 26Vektoraddition im 10

Farbreiz 12physikalisch realisierbarer 21

140

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Sachregister 141

Farbreizfunktion 4Farbreizmischung 10

uneigentliche 21Farbtabelle 102Farbtafel 20Farbton 13Farbvalenz 8Farbwertanteile 19Farbwerte 19Fechnersches Paradoxon 88

Anpassung und 121Fehlfarbe 37Fehlpunkt 39Flimmermethode 31Fluoreszenzstrahlung 4Fundamentaltensor 72Funktion

additiv invariante 30homogene 28lineare 29skalar invariante 28

Gegenfarben 40Gegenfarbenanteile 63

Quantifizierung der 41Gegenfarbenstruktur 41

Basisvektoren einer 43Gegenfarbentheorie 86Gelbfarbung der Augenmedien 13Gluhlampe 2Graßmann-Struktur 7

eigentliche 7psychologische Aussagen einer

26Großenschatzung ii

Grundempfindungen iii

Grundspektralwerte 39Gruppe 10

endlich generierte 52Gruppenstruktur

endlich generierte 49

Halbgruppe 4assoziative 4kommutative 4regulare 6vollstandige 51

Helladaptation 120Hellempfindlichkeitsgrad 3

fur das Nachtsehen 34fur das Tagessehen 33

Helligkeit 22als Komponente einer Gegenfar-

benstruktur 43binokulare 87Kurven konstanter binokularer

90Operationalisierung der 31Ordnungsurteile uber 32

Helligkeitsaquivalenzenheterochromatische 63

Helligkeitsausbeutedichoptischer Reize 117

Helligkeitsbeurteilungdirekte 32Flimmermethode der 31minimale Scheinbewegung 32minimale Trennliniendeutlichkeit

31Minimalkontrast 31Vergleich der Ergebnisse von 32

Helligkeitskonstanz 99Helligkeitsskala 33

Konstruktion durch direkte Ur-teile 35

Skalenniveau einer 35Hellikeit

Modell der binokularen 97Homomorphismus 11

Eindeutigkeitseigenschaften ei-nes 26

Horenbinaurales 98

Indifferenzpunkt 99Infrarotstrahlung 2Intensitatsinvarianz 99Interaktionseffekt iii

Invarianz ii

additive 7experimentelle Prufung einer ii

psychophysische ii

skalare 7inverses Element 5Isohelligkeitskurve 92Isolautheitskurve 96isomer 8

Kegel 12konvexer 5

Kern einer Abbildung 37Koeffizientensatz 56Kommutativitat 4Kompensationsreiz 41Kontextanderung 73Kontextbedingungen 48Kontexte

uberlappende 52Kontexteffekte iii

Additivitat der 58Kontextelement 50Kontextinvarianz 50Kontextstruktur 55Kontextwechsel 55Kontrasteffekt 93konvex 5konvexe Menge 12

Kante einer 12konvexe Teilmenge einer 12Oberflache einer 12

konvexe Mischung 12Konvexitat 12

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Sachregister 142

Koordinaten 14Konstruktion von 14

Koordinatensystem 14ausgezeichnetes 57

Koordinatentripel 15Koordinatenvektor 14Kurzungsregel 4

Lautheitbinaurale 95

Leuchtdichte 23Licht 3Lichtart A 2Lichtart D65, 2Lichtstarke 137Lichtstrom 137lineare Algebra iii

lineares Funktional 35lineares System 13Linearitat 13Linearkombination 5Linienelement 72Losbarkeit 49

Macula lutea 23metamer 8Methode der minimalen Scheinbewe-

gung 32Metrik 71

euklidische 58metrischer Raum 71Minimalkontrastmethode 31Minimalreiz 99Mittenbildung 35Monochromaten 36monochromatisch 5Multiplikativitat 52

neutrales Element 5Normalbeobachter 23Normfarbtafel 24Normfarbwertanteile 21Normfarbwerte 21Normspektralwerte 21Normvalenz-System 21Nystagmus 36

Ordnungsurteil 1Orientierung ii

Persistenzsatz 50Phosphore eines Videomonitors 23Photometrie 137photometrisches Strahlungsaquivalent

33photopisches Sehen 13polychromatisch 5Positivitat 71Potenzfunktion ii

Primarfarben 10Primarreize 10

Primarreiztripel 14Protanomalie 36Protanopen 36Psychophysik ii

Paradigmen der 1psychophysische Funktion ii

des Farbensehens 15logarithmische ii

Potenzfunktion als ii

Pupillenreaktion 102Purkinje-Effekt 34

Raumwahrnehmungbinokulare 98

Raumwinkel 135Reduktionshypothese 36Reflexion 3Reflexionsfunktion 3Reflexivitat 11regular 4Reiz fur visuelle Wahrnehmung 2Reizstruktur 99Relation

binare 7Reprasentation 14

Eindeutigkeit einer 39mentale ii

Rezeptor 40

Skalarmultiplikation 4Skalarprodukt 71Skaleneigenschaft ii

Sonne 2Sonnenlicht 2spektrale Strahlungsverteilung 2Spektralreize 5Spektralwerte 18Spektrum

energiegleiches 16Stabchen 23Steradiant 135Strahldichte 33Strahlstarke 135Strahlung 3

Messung von 135Strahlungsfluß 135Strahlungsgroßen 135Strahlungsleistung 135Strahlungsquelle 2

ausgedehnte 136elektronisch gesteuerte 4punktformige 136

Substituierbarkeitvisuelle 13

Symmetrie 11

Testfeld 6Testreiz 13Testreizunabhangigkeit 74Transformation 5

affine 52

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Sachregister 143

kontextinvariante 61nichtsingulare 32nichtsingulare lineare 23zulassige 98

Transformationshalbgruppe 56Transformationsinvarianz 51Transformationsmatrix 23Transitivitat 7

Falsifizierung der 7Translationsinvarianz 74Transmissionsfunktion 3Tritanopen 36Tritanopie 38Troland 137

Umfeld 6Umfeldelemente

uberlappende 51Umfeldwechsel 52Unterscheidbarkeit von Farbreizen 6Untervektorraum 37

Varianzellipsen 61Vektoraddition 11Vektorraum 5

dualer 30von Farbreizen 4

Verhaltnisskala 100binokulare Helligkeit als 100

Versuchsablauf 59Versuchsaufbau 58Versuchspersonen 60Videomonitor 23

Phosphore eines 23Primarreize eines 24

Vollstandigkeit einer Transformati-onsgruppe 51

Wahrnehmung ii

Objektorientierung der 3Webersches Gesetz ii

Zapfen 13spektrale Absorbtionsfunktionen

der 39