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Quantenchemische Studien zu ausgewählten Themen der Biochemie vorgelegt von Diplom – Chemiker Sebastian Sinnecker aus Berlin Vom Fachbereich 5 -Chemie- der Technischen Universität Berlin zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Naturwissenschaften Dr. rer. nat. genehmigte Dissertation Promotionsausschuß: Vorsitzender: Prof. Dr. rer. nat. Martin Schoen Berichter: Prof. Dr. rer. nat. Wolfram Koch Berichter: Prof. Dr. rer. nat. Wolfgang Lubitz Tag der mündlichen Prüfung: 5. April 2001 Berlin 2001 D83

Quantenchemische Studien zu ausgewählten Themen der …webdoc.sub.gwdg.de/ebook/diss/2003/tu-berlin/diss/2001/... · 2003. 9. 9. · I Abstract. Sebastian Sinnecker: Quantenchemische

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  • Quantenchemische Studien zu ausgewählten Themen der

    Biochemie

    vorgelegt von

    Diplom – Chemiker

    Sebastian Sinnecker

    aus Berlin

    Vom Fachbereich 5 -Chemie-

    der Technischen Universität Berlin

    zur Erlangung des akademischen Grades

    Doktor der Naturwissenschaften

    Dr. rer. nat.

    genehmigte Dissertation

    Promotionsausschuß:

    Vorsitzender: Prof. Dr. rer. nat. Martin Schoen

    Berichter: Prof. Dr. rer. nat. Wolfram Koch

    Berichter: Prof. Dr. rer. nat. Wolfgang Lubitz

    Tag der mündlichen Prüfung: 5. April 2001

    Berlin 2001

    D83

  • I

    Abstract.

    Sebastian Sinnecker: Quantenchemische Studien zu ausgewählten Themen der Biochemie.

    In der vorliegenden Arbeit wurden Fragestellungen aus drei Gebieten der Biochemie unter

    Anwendung quantenchemischer Methoden untersucht.

    Kapitel 3 beschäftigt sich mit den Modellsystemen der Carboanhydrase (CA). Es wurden die

    wichtigsten stationären Punkte der Potentialhyperfläche für die Hydratisierung von

    Kohlenstoffdisulfid unter Verwendung der gängigsten CA – Modellsysteme ermittelt und mit

    dem natürlichen Prozeß, der Umsetzung von Kohlendioxid, verglichen. Die Reaktion mit CS2

    verläuft nach einem analogen Mechanismus, zeichnet sich jedoch durch eine höhere Barriere

    aus und ist stärker exotherm. Letzteres gefährdet die katalytische Umsetzung, da die

    Abtrennung des Reaktionsprodukts vom Katalysator erschwert ist.

    Die Untersuchungen wurden unter Anwendung des Hartree – Fock Modells und der

    Dichtefunktionaltheorie durchgeführt.

    In Kapitel 4 wird die Berechnung isotroper Hyperfeinkopplungskonstanten unter

    Verwendung von Dichtefunktionalmethoden an verschiedenen Bakteriochlorophyll- und

    Chlorophyllradikalen vorgestellt. Die Strukturen wurden vollständig geometrieoptimiert. Für

    einen Teil der untersuchten Systeme liegen experimentelle Daten vor, der Vergleich mit den

    berechneten Kopplungskonstanten zeigt eine gute Übereinstimmung. Für den anderen Teil

    können die theoretisch ermittelten Kopplungskonstanten zur Interpretation neu gewonnener

    EPR – Daten herangezogen werden.

    Kapitel 5 beschäftigt sich mit dem Selensulfidmolekül und seinem Anion. Es wurden die

    Potentialkurven für verschiedenste elektronische Zustände des neutralen Moleküls und des

    Anions berechnet und spektroskopische Konstanten bestimmt. Zum Einsatz kamen die multi

    reference CI und die coupled cluster Methoden. Wenn möglich, wurde ein Vergleich zu

    experimentellen Daten gezogen. Während die berechneten Größen für das neutrale

    Selensulfid eine gute Übereinstimmung mit den experimentellen Daten zeigten, besteht für

    das Anion Bedarf an weiteren theoretischen Untersuchungen.

  • II

  • III

    Meinen Eltern

  • IV

  • V

    Die vorliegende Arbeit entstand im Zeitraum von Oktober 1997 bis Februar 2001 im Institut

    für Organische Chemie der Technischen Universität Berlin unter Anleitung von Herrn Prof.

    Dr. W. Koch.

    Mein Dank gilt Herrn Prof. Dr. W. Koch für die Bereitstellung der Themen und die

    umfassende Betreuung meiner Arbeit. Die Möglichkeit, selber direkten Einfluß auf den Inhalt

    meiner Dissertation zu nehmen, habe ich stets hoch geschätzt. Prof. Dr. W. Koch war ein

    interessierter Doktorvater und Ansprechpartner, der mir mit zahlreichen Anregungen zur Seite

    stand.

    Ich möchte Herrn Prof. Dr. W. Lubitz für die Zusammenarbeit in den Untersuchungen zu den

    Chlorophyllradikalen danken. Sein Interesse an den Ergebnissen aus meiner Arbeit und die

    kontinuierlichen Anregungen für weitere Untersuchungen waren ein wichtiger Grund für die

    Freude, die ich an meiner Arbeit hatte.

    Ebenfalls danken möchte ich Herrn Prof. Dr. E. Anders und Herrn Dr. M. Bräuer. Unsere

    Zusammenarbeit in den Untersuchungen zur Carboanhydrase sorgte ebenfalls für

    Abwechslung und Spaß in meiner Arbeit. Besonders positiv sind mir die beiden Einladungen

    von Herrn Prof. Dr. E. Anders nach Jena, sowie die herzliche Betreuung durch ihn und Herrn

    Dr. M. Bräuer in Erinnerung.

    Ich danke weiterhin den Mitarbeitern des Konrad Zuse – Zentrums in Berlin, insbesondere

    Herrn Dr. T. Steinke, für die großzügige Bereitstellung von Rechenzeit und die technische

    Betreuung meiner Projekte auf den Supercomputern.

    Mein Dank gilt ebenfalls Frau H. Grauel und Frau Dr. N. Sändig, sie waren freundliche und

    hilfsbereite Arbeitskolleginnen.

    Ich möchte Herrn Prof. Drs. H. Schwarz danken, er sorgte für ein interessantes

    Vortragsangebot im Institut für Organische Chemie und er ermöglichte mir die Anstellung als

    Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der TU Berlin über den gesamten Zeitraum meiner

    Promotion. Weiterhin danke ich Herrn Prof. Dr. C. van Wüllen für die Möglichkeit, die im

  • VI

    Rahmen seiner Berufung angeschafften Computerressourcen uneingeschränkt nutzen zu

    können.

  • VII

    Inhaltsverzeichnis

    1. Einleitung 1

    2. Theoretische Grundlagen der Quantenmechanik 3

    2.1 Allgemeine Betrachtungen 5

    2.2 Das Hartree – Fock Modell 10

    2.2.1 Die Gestalt der Wellenfunktion 10

    2.2.2 Die Hartree – Fock Integro – Differentialgleichungen 11

    2.2.3 Das numerische Verfahren 13

    2.2.4 Weitere Anmerkungen 16

    2.3 Die Erfassung der Elektronenkorrelation mit klassischen ab initio Methoden 18

    2.3.1 Der Begriff der Korrelationsenergie 18

    2.3.2 Konfigurationswechselwirkung 19

    2.3.3 Die CASSCF Methode 21

    2.3.4 Das coupled cluster Modell 23

    2.4 Dichtefunktionalmethoden 25

    2.4.1 Die Elektronendichte 25

    2.4.2 Die Hohenberg – Kohn Theoreme 25

    2.4.3 Der Kohn – Sham Formalismus 26

    2.4.4 Austausch- und Korrelationsfunktionale 29

    2.5 Basissätze 31

    2.6 Solvatationsmodelle 35

    2.7 Populationsanalysen 36

    2.8 Die Untersuchung von Potentialhyperflächen 38

  • VIII

    3. Die katalytische CS2 Hydratisierung durch Modellsysteme der Carboanhydrase 41

    3.1 Einführung 43

    3.2 Verwendete Methoden und Programme 47

    3.3 Diskussion der Ergebnisse 48

    3.3.1 Vorbetrachtungen und die CS2 Umsetzung durch den [Zn-OH]+

    Komplex 48

    3.3.2 Die CS2 Umsetzung durch die [(NH3)3Zn-OH]+ und [(Imi)3Zn-OH]

    +

    Modellkomplexe in der Gasphase 57

    3.3.3 Vergleich zur CO2 Hydratisierung 81

    3.3.4 Der Einfluß einer polaren Umgebung – die Anwendung eines

    Solvatationsmodells und die Teilnahme eines Wassermoleküls am

    Reaktionsmechanismus 83

    3.4 Ausblick 91

    3.5 Zusammenfassung 94

    4. Die Berechnung isotroper Hyperfeinkopplungskonstanten von Bakteriochloro-

    phyll- und Chlorophyllradikalen mit Dichtefunktionalmethoden 97

    4.1 Einführung 99

    4.2 Durchführung der theoretischen Untersuchungen 102

    4.3 Diskussion der Ergebnisse 106

    4.3.1 Das Bakteriochlorophyll a Radikalkation 106

    4.3.2 Das Bakteriochlorophyll a Radikalanion 115

    4.3.3 Der Bakteriochlorophyll a Triplett Zustand 119

    4.3.4 Bakteriochlorophyllderivate 123

  • IX

    4.3.5 Das Chlorophyll a Radikalkation 131

    4.3.6 Die Derivate des Chlorophyll a Radikalkations 135

    4.4 Zusammenfassung 141

    5. Das elektronische Spektrum von Selensulfid 143

    5.1 Einführung 145

    5.2 Verwendete Methoden und Programme 148

    5.3 Diskussion der Ergebnisse 151

    5.3.1 Symmetriebetrachtungen 151

    5.3.2 CASSCF – Rechnungen zum neutralen Selensulfid 153

    5.3.3 MRCI- und CCSD(T) – Rechnungen zum neutralen

    Selensulfid 157

    5.3.4 CASSCF – Rechnungen zum SeS- Anion 168

    5.3.5 MRCI – und CCSD(T) – Rechnungen zum SeS- Anion 172

    5.4 Zusammenfassung und Schlußfolgerungen 183

    6. Ein Ausblick 185

    7. Literaturverzeichnis 187

    Publikationsliste 199

    Lebenslauf 201

  • X

  • 1. Einleitung Seite 1

    1. Einleitung

    Die Anwendung quantenmechanischer Methoden auf chemische Fragestellungen liefert eine

    Vielzahl von Informationen, die experimentell zum Teil nur schwer oder gar nicht zugänglich

    sind. Aufgrund des hohen Rechenzeitbedarfs konnten in den letzten Jahrzehnten jedoch nur

    relativ kleine Systeme theoretisch untersucht werden. Innerhalb der vergangenen Jahre ist die

    Theoretische Chemie jedoch auch zu einem festen Bestandteil auf dem Gebiet der

    biochemischen Forschung geworden. In Kapitel 2 werden die gängigsten quantenchemischen

    Methoden vorgestellt, welche in dieser Arbeit Verwendung gefunden haben.

    In der Natur sind Enzyme anzutreffen, deren Effizienz im Vergleich zu künstlichen

    Katalysatoren unerreicht ist. Daher werden große Anstrengungen unternommen, die

    Funktionsweise biochemischer Umsetzungen zu verstehen und Nutzen für die Laborchemie

    daraus zu ziehen. In diesem Kontext ist Kapitel 3 zu betrachten, in dessen Mittelpunkt

    Modellsysteme der Carboanhydrase stehen. Dieses Enzym katalysiert die Hydratisierung von

    CO2, es wurde experimentell, wie auch theoretisch bereits sehr umfassend untersucht. Relativ

    vernachlässigt wurde dagegen die Frage, ob derartige Zinkkatalysatoren auch in der Lage

    sind, andere Substrate umzusetzen. In der vorliegenden Arbeit wurde daher Kohlendioxid

    gegen CS2 ausgetauscht und dessen Hydratisierung unter Zuhilfenahme der CA –

    Modellsysteme erstmalig untersucht.

    Einen weiteren Forschungsschwerpunkt auf dem Gebiet der Biochemie stellt die

    Photosynthese dar, der Stoffwechselprozeß, mit dem grüne Pflanzen und einige Bakterien

    ihren Energiehaushalt bestreiten. Die Reaktionszentren der Photosynthese werden intensiv mit

    Elektronenspinresonanzmethoden untersucht, die Interpretation der Spektren hat sich jedoch

    als sehr komplexe Aufgabe erwiesen. Daher wurden die Experimente bereits frühzeitig durch

    simple theoretische Rechnungen ergänzt, welche die Zuordnung der experimentell

    gewonnenen Daten erleichtern sollten. In Kapitel 4 werden derartige Rechnungen, jedoch

    unter Anwendung der Dichtefunktionaltheorie für (Bakterio)chlorophyllpigmente vorgestellt.

    Die Übereinstimmung zwischen Theorie und Experiment ist zum Teil beeindruckend, die

  • 1. Einleitung Seite 2

    vorgestellte Strategie zur Berechnung von Hyperfeinkopplungskonstanten könnte daher ein

    hilfreicher und fester Bestandteil in der Interpretation der Elektronenspinresonanzspektren

    von chlorophyllartigen Molekülen werden.

    Die Stärke quantenchemischer Methoden liegt nach wie vor in der Untersuchung sehr kleiner

    Systeme. Sie ermöglichen die Anwendung von Modellen, welche der Realität sehr nahe

    kommen, für größere Moleküle jedoch nicht mehr praktikabel sind. In Kapitel 5 werden

    derartige hochkorrelierte Rechnungen für das Selensulfidmolekül vorgestellt. Es ist ein

    krebserregender Wirkstoff, welcher experimentell wie auch theoretisch bereits untersucht

    wurde. Die in diesem Kapitel vorgestellten Ergebnisse komplettieren die in der Literatur

    vorhandenen Daten und verbessern die Übereinstimmung zwischen Theorie und Experiment.

  • Seite 3

    2. Theoretische Grundlagen

    der Quantenmechanik

  • Seite 4

  • 2.1 Allgemeine Betrachtungen Seite 5

    2. Theoretische Grundlagen der Quantenmechanik

    2.1 Allgemeine Betrachtungen

    Die Quantenmechanik beschäftigt sich mit dem mikroskopischen Aufbau der Materie. Sie

    ermöglicht z. B. die Beschreibung von Atomen, die Erklärung der chemischen Bindung,

    sowie die Vorhersage von Moleküleigenschaften und Reaktionsmechanismen. In der Literatur

    sind zahlreiche Bücher zu finden, welche eine Einführung in die Quantenmechanik geben.1-10

    Da es sich bei den Schwerpunkten dieser Werke vorrangig um chemische Fragestellungen

    handelt, wird häufig auch von Quantenchemie gesprochen.

    Die quantenmechanische, mathematische Beschreibung physikalischer Systeme greift auf die

    Theorie des Hilbertschen Raumes H und die Verwendung hermitescher Operatoren zurück.11

    Jedem Zustand des betrachteten Systems ist ein eindimensionaler Unterraum U in H

    zugeordnet. Die Elemente aus U, welche alle den gleichen Zustand repräsentieren,

    unterscheiden sich nur durch einen skalaren Faktor. Üblicherweise handelt es sich bei den

    Repräsentanten um quadratintegrable Funktionen Ξ (Zustands- oder Wellenfunktionen). Sie

    hängen vom Ort ττττ des betrachteten Teilchens und der Zeit t ab. Ξ besitzt keine physikalische

    Relevanz, das Produkt Ξ*Ξ entspricht jedoch der Dichteverteilung des Systems über den

    Raum zum Zeitpunkt t. In der Quantenmechanik wird jeder Observablen ein hermitescher

    Operator zugeordnet. Man wählt z. B. für eine Komponente x des Ortsvektors, für eine

    Komponente px des Impulsvektors und für die Hamiltonfunktion H (Summe aus kinetischer

    und potentieller Energie) eines Teilchens die Operatoren

    xx =ˆ (1a)

    xipx ∂

    ∂= hˆ (1b)

    )(2

    ˆ 22

    τVm

    H +∇−= h (1c)

  • 2. Theoretische Grundlagen der Quantenmechanik Seite 6

    wobei ∇ der Nabla – Operator ist und V die potentielle Energie des Systems mit der Masse m

    beschreibt. In kartesischen Koordinaten gilt

    2

    2

    2

    2

    2

    22

    zyx ∂∂+

    ∂∂+

    ∂∂=∇ . (2)

    h ist das Plancksche Wirkungsquantum h, geteilt durch 2π. Naturkonstanten werden im

    folgenden durch den Übergang zu atomaren Einheiten unterdrückt. Als Maß für die Länge mit

    der Einheit a0 (Bohr) und die Energie (Eh, Hartree) erhält man die Ausdrücke

    mem

    ae

    11

    20

    0 102918.54

    1 −×==hπε

    (3a)

    Jam

    Ee

    h18

    20

    2

    103597.41 −×== h . (3b)

    Neben der Masse des Elektrons me und der Elementarladung e tritt in diesen Termen auch die

    Dielektrizitätskonstante des Vakuums ε0 auf.

    Erwartungswerte O für die Messung einer Observablen O lassen sich berechnen gemäß

    ∫ ΞΞ= τττ dtOtO ),(ˆ),(* , (4)

    wobei Ô der zu O gehörende Operator ist. O ist der Mittelwert unendlich vieler Messungen

    von O mit den Meßergebnissen Oi. Liefert jede Messung den gleichen Wert Oi, befindet sich

    das System in einem Eigenzustand von O mit dem Eigenwert Oi. Im folgenden wird die

    bracket – Schreibweise verwendet mit den Vereinbarungen

    ketff == , (5a)

    braff ==∗ , (5b)

    ∫ =∗ fffdf τ und (5c)

    ∫ =∗ fOffdOf ˆˆ τ . (5d)

  • 2.1 Allgemeine Betrachtungen Seite 7

    Gleichung (4) wird damit zu

    ΞΞ= OO ˆ . (6)

    Die zeitliche Entwicklung des Systems wird durch die zeitabhängige Schrödingergleichung

    t

    titH

    ∂Ξ∂=Ξ ),(),(ˆ ττ h (7)

    beschrieben. Eine Funktion Ξ, die der Gleichung (7) genügt, stellt eine mögliche Entwicklung

    des Systems im betrachteten Zeitintervall dar. Das System wird als stationär bezeichnet, wenn

    die Wahrscheinlichkeitsdichte Ξ*Ξ zeitunabhängig ist. Derartige Lösungen existieren, wenn

    sich der Hamiltonoperator zeitunabhängig formulieren läßt. Ξ(τ,t) kann nun durch ein Produkt

    Ψ(τ)ξ(t) ersetzt werden. Durch diesen Separationsansatz zerfällt Gleichung (7) in die

    zeitunabhängige Schrödingergleichung (8) und einen Zeitanteil (9).

    )()(ˆ ττ Ψ=Ψ EH (8)

    tE

    iet h

    −=)(ξ (9)

    Für den Großteil der quantenchemischen Untersuchungen ist die Lösung von Gleichung (8)

    ausreichend, da zeitunabhängige Probleme untersucht werden. Ĥ wird für das konkrete

    System aufgestellt und mit Hilfe der zeitunabhängigen Schrödingergleichung (8) werden die

    Eigenfunktionen )(τΨ und ihre Energieeigenwerte E ermittelt. In Abhängigkeit von dem

    verwendeten quantenchemischen Modell wird dazu die grundlegende Gestalt der

    Wellenfunktion vorgegeben. Da Gleichung (8) im Regelfall nicht geschlossen lösbar ist,

    wurden Näherungsverfahren wie die Variations- und die Störungsrechnung entwickelt. In der

    Störungsrechnung wird zunächst ein vereinfachtes System betrachtet, für welches exakte oder

    gute Näherungslösungen vorliegen. Das aktuelle System wird durch Reihenentwicklungen für

    die Zustandsfunktion und die Energie, beginnend beim vereinfachten System, beschrieben.

    Die Variationsrechnung beruht auf dem Satz, daß der Energieeigenwert jeder beliebigen

    Näherungsfunktion eine obere Schranke für die Energie der exakten Funktion ist. Je tiefer der

  • 2. Theoretische Grundlagen der Quantenmechanik Seite 8

    Energieeigenwert einer Näherungsfunktion ist, um so besser sollte diese Funktion zur

    Beschreibung des Systems geeignet sein.

    Die Born – Oppenheimer Näherung ermöglicht die separate Betrachtung von Kern- und

    Elektronenbewegung. Sie hat ihre anschauliche Begründung in der um Größenordnungen

    langsameren Kernbewegung gegenüber der Bewegung der Elektronen. Im Hamiltonoperator

    KKeeeKeK VVVTTH ˆˆˆˆˆˆ ++++= (10)

    verschwindet die kinetische Energie der Kerne TK für ein ruhendes Kerngerüst und VKK, die

    potentielle Wechselwirkung der Kerne untereinander, ist eine Konstante. Es läßt sich ein

    elektronischer Hamiltonian eĤ aufstellen, der nur noch den Operator der kinetische Energie

    für die Elektronen eT̂ enthält, sowie die Wechselwirkung der Elektronen untereinander ( eeV̂ ),

    als auch mit dem Kerngerüst ( eKV̂ ) beschreibt.

    eK HHH ˆˆˆ += , (11)

    eKeeee VVTH ˆˆˆˆ ++= (12)

    Die entsprechende Faktorisierung der Wellenfunktion

    eK Ψ≈Ψ ζ (13)

    ermöglicht den Übergang zur elektronischen Schrödingergleichung

    eeee EH Ψ=Ψˆ , (14)

    wobei die Summe aus elektronischer Energie Ee und potentieller Energie VKK oftmals eine

    gute Näherung für die wahre Energie darstellt.

  • 2.1 Allgemeine Betrachtungen Seite 9

    Im folgenden wird Ĥ als Symbol für

    KKeeeKe

    KKe

    VVVT

    VHH

    ˆˆˆˆ

    ˆˆˆ

    +++=

    +=(15)

    verwendet. Für ein System, bestehend aus N Elektronen und M Kernen mit der Kernladung Z

    gilt

    ∑∑ ∑∑∑ ∑∑= > >= = = −

    +−

    +−

    −∇−=N

    i

    N

    ij

    M

    a

    M

    ab ba

    ba

    ji

    N

    i

    N

    i

    M

    a ia

    ai RR

    ZZ

    rrrR

    ZH

    11 1 1

    221 1ˆ (16)

    Die Terme der potentiellen Energie werden mit Hilfe von Coulombgesetzen für

    Punktladungen beschrieben, deren Abstand durch den Betrag der Differenz der Ortsvektoren

    von Kernen (R) und Elektronen (r) angegeben wird.

  • 2. Theoretische Grundlagen der Quantenmechanik Seite 10

    2.2 Das Hartree – Fock Modell

    2.2.1 Die Gestalt der Wellenfunktion

    Die Hartree – Fock Näherung ist von fundamentaler Bedeutung in der Quantenchemie. Sie

    wird nicht nur als Rechenmethode verwendet, sondern stellt auch den Ausgangspunkt für

    komplexere Approximationen oder weitere Vereinfachungen dar. Ausführliche Einführungen

    findet man in der Literatur.12-14 Die Hartree – Fock Zustandsfunktion HFΨ für den

    Grundzustand eines N – Elektronensystems ist eine Slaterdeterminante, welche eine

    gleichgewichtete Linearkombination aller möglichen N! Produkte aus

    Einelektronenfunktionen χi darstellt. HFΨ ist antisymmetrisch bezüglich der Vertauschung

    zweier Elektronen.

    )(...)2()1(

    ............

    )(...)2()1(

    )(...)2()1(

    !

    1 222

    111

    N

    N

    N

    N

    NNN

    HF

    χχχ

    χχχχχχ

    =Ψ (17)

    Jede Einelektronenfunktion (Spinorbital) iχ ist das Produkt aus einem Raumorbital iφ und

    einer der beiden orthonormalen Spinfunktionen α und β (spin up und spin down).

    Entsprechend dem Pauliprinzip können zwei Elektronen, oder allgemein zwei Fermionen,

    nicht durch die gleiche Raumspinfunktion charakterisiert sein. Slaterdeterminanten

    berücksichtigen, daß Elektronen nicht unterscheidbar sind. Sie beschreiben eine

    Elektronenkonfiguration in dem Sinne, daß sich irgendein Elektron im Spinorbital 1χ , ein

    beliebiges weiteres in 2χ , usw. befindet.

    Slaterdeterminanten haben angenehme Eigenschaften. Besetzen zwei Elektronen im

    Widerspruch zum Pauliprinzip das gleiche Spinorbital, ist 0=ΨHF , da zwei Spalten oder

    Zeilen der Determinante identisch sind. Werden zwei Elektronen oder zwei Spinorbitale

    vertauscht, ändert die Determinante wie bereits erwähnt aufgrund der Antisymmetrie ihr

    Vorzeichen. Wird HFΨ aus orthonormalen Spinorbitalen aufgebaut, ist sie normiert. Werden

    zwei Slaterdeterminanten aus verschiedenen orthonormalen Spinorbitalen gebildet, sind sie

    orthogonal zueinander.

  • 2.2 Das Hartree – Fock Modell Seite 11

    Da eine Slaterdeterminante durch Angabe der verwendeten Spinorbitale eindeutig definiert

    ist, genügt als Kurzform für Gleichung (17)

    NHF χχχ ...21=Ψ (18)

    2.2.2 Die Hartree – Fock Integro - Differentialgleichungen

    Der Satz von Spinorbitalen {χi}, dabei kann es sich um Atom- oder Molekülorbitale handeln,

    wird im Rahmen des Hartree – Fock Modells derartig gewählt, daß die Grundzustandsenergie

    [ ] KKNi

    N

    i

    N

    jjijjijiii

    HFHF

    VKJh

    HE

    +−+=

    ΨΨ=

    ∑ ∑∑= = =1 1 1

    21

    0

    ˆˆˆ

    ˆ

    χχχχχχ(19)

    entsprechend dem Variationsprinzip minimal wird. iĥ ist ein Einelektronenoperator, der die

    kinetische Energie des Elektrons und seine attraktive Wechselwirkung mit dem Kerngerüst

    beschreibt:

    ∑ −−∇−=M

    a ia

    aii rR

    Zh 22

    1ˆ . (20)

    iĴ und iK̂ sind die Coulomb- und Austauschoperatoren, die sich durch ihre Wirkung auf ein

    Spinorbital definieren lassen:

    )2()1()1()2(ˆ 1 jirriji jiJ χχχχ

    −= und (21)

    )2()1()1()2(ˆ 1 ijrriji jiK χχχχ

    −= . (22)

    Ihre Erwartungswerte, wie sie in Gleichung (19) auftreten, werden als Coulomb- und

    Austauschintegrale bezeichnet. Sie beschreiben die Wechselwirkung der Elektronen

    untereinander. Während die Gleichung (21) für den Coulomboperator ein Eigenwertproblem

    ist und die Repulsion zwischen den Elektronen im klassischen Sinne erfaßt, läßt sich der

  • 2. Theoretische Grundlagen der Quantenmechanik Seite 12

    Austauschoperator nicht mit der Newtonschen Physik erklären, seine Existenz beruht auf der

    Antisymmetrie der Wellenfunktion. Da das Ergebnis der Wirkung des Austauschoperators auf

    )2(jχ von der Gestalt von jχ im gesamten Raum abhängt, wird K̂ auch als nicht lokaler

    Operator bezeichnet.

    Die Suche nach dem Minimum der Grundzustandsenergie wird mit der Methode der

    Lagrangeschen Multiplikatoren unter der Nebenbedingung orthonormaler Orbitale

    durchgeführt. Man erhält die Hartree – Fock Integro – Differentialgleichungen

    iiiif χεχ =ˆ , Ni ...1= . (23)

    Die Lagrangeschen Multiplikatoren iε in Gleichung (23) lassen sich als Orbitalenergien der

    iχ interpretieren. Der Fock – Operator f̂ ist ein Einteilchenoperator, der die kinetische

    Energie eines Elektrons und seine Wechselwirkung mit dem Kerngerüst beschreibt (beides

    durch iĥ , siehe Gl. (20)). Weiterhin enthält f̂ das Hartree – Fock Potential HFiϑ , welches die

    Wechselwirkung mit den anderen N-1 Elektronen in Form eines gemittelten Feldes

    berücksichtigt. Dabei handelt es sich um eine drastische Näherung.

    HFiii hf ϑ+= ˆˆ (24)

    Das Hartree Fock Potential HFiϑ hängt bereits von den Spinorbitalen, also von den gesuchten

    Lösungen ab.

    [ ]∑=

    −=N

    jjj

    HFi KJ

    1

    ˆˆϑ (25)

    Daher handelt es sich bei dem System gekoppelter Differentialgleichungen (23) nicht um

    exakt lösbare Eigenwertgleichungen, sondern um ein Pseudoeigenwertproblem. Der übliche

    Ansatz zum Lösen dieses Gleichungssystems wird im nächsten Abschnitt vorgestellt.

  • 2.2 Das Hartree – Fock Modell Seite 13

    2.2.3 Das numerische Verfahren

    Durch die Entwicklung des Raumanteils φ der Einelektronenfunktionen χ nach einer Basis

    ψ läßt sich jedem Operator bijektiv eine Matrix zuordnen.

    ∑=

    =K

    ii c1µ

    µ µψφ , i = 1, 2, ...K (26)

    Mit einer vollständigen Basis wäre dieser Ansatz exakt, aber wiederum nicht lösbar, da K in

    der Praxis endlich gewählt werden muß. Daher gilt es wenige, jedoch geeignete

    Basisfunktionen ψ zu finden, was im Kapitel 2.5 diskutiert wird.

    Ausgehend von den Hartree – Fock Integro – Differentialgleichungen gelangt man mit dem

    Ansatz (26) nach Umformung zu den Roothaan – Hall Gleichungen, einem allgemeinen

    Matrix – Pseudoeigenwert – Problem.15,16

    Fc = εεεεSc (27)

    S ist die Überlappmatrix. Sie enthält die Überlappungsintegrale der Basisfunktionen.

    νµµν ψψ=S (28)

    Die Orbitalenergien ε sind in der Form einer Diagonalmatrix εεεε wiederzufinden, c ist die

    Matrix der Expansionskoeffizienten aus Gleichung (26).

    F ist die Matrixdarstellung des Fock – Operators.

    νµµν ψψ fF ˆ= (29)

    Man zerlegt F üblicherweise in eine core – Hamiltonmatrix H und in eine

    Zweielektronenmatrix G:

    µνµνµν GHF += mit (30)

  • 2. Theoretische Grundlagen der Quantenmechanik Seite 14

    νµµν ψψ hH ˆ= und (31)

    ( ) ( )∑∑= =

    −=

    K K

    PG1 1 2

    1

    λ σλσµν σνµλλσµν . (32)

    G enthält Integrale vom Typ

    ( ) ∫ ∫ ∗∗ −= )2()2(1

    )1()1(21

    σλνµ ψψψψλσµν rr, (33)

    der Faktor ½ für die Vierzentrenintegrale vom Typ )( σνµλ ist eine Folge der

    Orthonormalität der Spinfunktion.

    P ist die Dichtematrix. Sie beinhaltet die Expansionskoeffizienten der Basisfunktionen, also

    wiederum das zu bestimmende Ergebnis des Gleichungssystems (27).

    ∑=

    =N

    aaaccP

    1

    2 σλµν (34)

    Da aus P die Elektronendichte des untersuchten Systems ermittelt werden kann, wird die

    Dichtematrix in den weiteren Kapiteln noch von Bedeutung sein.

    Gleichung (27) kann in ein spezielles Matrix – Pseudoeigenwert – Problem

    F´c´ = εεεε´c´ (35)

    transformiert werden. Bei der Verwendung einer reellen Basis sind F und S hermitesch. Jede

    hermitesche Matrix läßt sich mit ihrer Modalmatrix in Diagonalgestalt bringen. Eine

    Anwendung dieses Verfahrens auf Gleichung (27) überführt die gewählte Basis in ein

    Orthonormalsystem, S wird damit zur Einheitsmatrix.

    Das spezielle Matrix – Pseudoeigenwert Problem (35) kann mit Standard – Matrizenverfahren

    durch Diagonalisieren von F´ gelöst werden.

    Der prinzipielle Ablauf einer Hartree – Fock Rechnung ist in Schema 2.1 dargestellt. Nach

    der Spezifikation des zu untersuchenden Systems (Atome, Geometrien, Ladung und

  • 2.2 Das Hartree – Fock Modell Seite 15

    Raumspinsymmetrie) und Angabe der zu verwendenden Basis werden im ersten Schritt alle

    Ein- und Zweielektronenintegrale berechnet, S und H können aufgestellt werden. Vernünftige

    Elemente für die Dichtematrix müssen zu Beginn der HF – Rechnung durch Näherungen und

    Überlegungen gefunden werden. Unter Anwendung von P und der Zweielektronenintegrale

    kann eine erste approximierte Matrix G konstruiert werden, die Fock - Matrix ist damit

    bestimmt. Das allgemeine Matrix – Pseudoeigenwert Problem (27) wird aufgestellt, in das

    spezielle Matrix – Pseudoeigenwert Problem (35) überführt und gelöst. Man erhält

    verbesserte Expansionskoeffizienten, welche zur Konstruktion einer neuen Dichtematrix

    verwendet werden können. Die Prozedur wird wiederholt, bis die Änderungen in der Energie

    bzw. in den Elementen der Dichtematrix einen willkürlich gesetzten Grenzwert

    unterschreiten, selbstkonsistent werden (self consistent field, SCF - Verfahren).

    System definieren Berechnung der Ein- und genäherte

    Basis auswählen Zweielektronenintegrale Dichtematrix

    nein

    Fock – Matrix aufstellen Konvergenz?

    und diagonalisieren (Ja: Ende)

    Lösen des speziellen Energie und

    Matrix – Eigenwert Problems Expansionskoeffizienten

    Schema 2.1: Der Ablauf einer iterativen Hartree – Fock Rechnung.

  • 2. Theoretische Grundlagen der Quantenmechanik Seite 16

    2.2.4 Weitere Anmerkungen

    Die Beträge der berechneten Orbitalenergien entsprechen näherungsweise den

    Ionisierungsenergien IE des untersuchten Moleküls. Dieser Befund wurde als Koopmans

    Theorem bekannt.17 Die zumindest für die erste Ionisierungsenergie gefundenen guten

    Übereinstimmungen zwischen Experiment und Rechnung beruhen auf einer

    Fehlerkompensation von Orbitalrelaxation und Elektronenkorrelation bei der Ionisation.

    Während die vernachlässigte Orbitalrelaxation beim Ionisationsvorgang den berechneten

    Betrag von IE vergrößert, resultiert aus der schlechteren Erfassung der Korrelationsenergie

    des Ausgangszustandes (er besitzt ein Elektron mehr als der Endzustand der Ionisation) eine

    zu kleine Ionisierungsenergie, die gegenläufigen Effekte liegen ungefähr in der gleichen

    Größenordnung. Die wesentlich unzuverlässigere Vorhersage von Elektronenaffinitäten als

    Orbitalenergie des entsprechenden Anions hat ihre Ursache in der additiven Wirkung beider

    Fehler. Im Gegensatz zu Ionisierungsenergien und Elektronenaffinitäten sind Molekülorbitale

    und ihre Energien jedoch keine Observablen.

    Atome und Moleküle mit einer geraden Anzahl von Elektronen, welche alle in gepaarter Form

    vorliegen (closed shell), lassen sich formal sehr gut durch eine einzige Slaterdeterminante

    beschreiben (Schema 2.2). Zusammengehörige α- und β Elektronen werden durch die gleiche

    Raumfunktion definiert, wodurch sich das Matrix – Eigenwert Problem erheblich reduziert

    (restricted Hartree – Fock Methode, RHF). Systeme mit nicht abgeschlossenen Schalen

    können durch Wellenfunktionen beschrieben werden, bei denen die Raumanteile der doppelt

    besetzten Orbitale identisch sind und um ein oder mehrere open shell Orbitale zur

    Beschreibung der ungepaarten Elektronen ergänzt werden (restricted open shell Hartree –

    Fock, ROHF). Alternativ kann auch eine Wellenfunktion vorgegeben werden, in der für jedes

    Elektron – egal ob gepaart oder nicht – ein Raumorbital optimiert wird (unrestricted open

    shell Hartree – Fock, UHF).18, 19 Dies ermöglicht die Erfassung der Spinpolarisation. Besitzt

    das ungepaarte Elektron z. B. α Spin, läßt sich eine stabilisierende Austauschwechselwirkung

    mit den anderen α Elektronen beschreiben.

    Die HF – Bestimmungsgleichungen ändern sich bei der Anwendung auf open shell Systeme

    formal nur geringfügig. Bei Verwendung einer UHF – Wellenfunktion wird das Matrix –

    Eigenwert Problem separat für α- und β Elektronen aufgestellt (Pople – Nesbet Gleichungen):

    Fαcα = εεεεαScα und (36a)

    Fβcβ = εεεεβScβ. (36b)

  • 2.2 Das Hartree – Fock Modell Seite 17

    In jedem Iterationsschritt müssen die beiden gekoppelten Gleichungen (36a) und (36b) gelöst

    werden.

    RHF ROHF UHF

    Schema 2.2: Eine RHF – Wellenfunktion (links) beschreibt Paare von α- und β Elektronen durchgleiche Raumfunktionen. In Systemen mit ungepaarten Elektronen (dargestellt an einemDublettradikal) können für die gepaarten Elektronen die gleichen Raumorbitale verwendet werden(ROHF) oder man optimiert für jedes Elektron ein Raumorbital (UHF).

    Es wurden zahlreiche Methoden zur Verbesserung der SCF – Konvergenz entwickelt. Dazu

    gehören Verfahren wie das level shifting,20 die DIIS – Prozedur (Direct Inversion in the

    Iterative Subspace),21 Extrapolationsverfahren für die Fock – Matrix oder Methoden, welche

    die Dichtematrizen aus mehreren SCF – Schritten zum Aufstellen der nächsten Fock – Matrix

    verwenden (damping).22

    Bei der Untersuchung größerer Systeme und der Verwendung umfangreicherer Basissätze

    steigt der Rechenzeitaufwand für quantenmechanische Methoden immens an, im Falle der

    Hartree – Fock – Methode skaliert er formal mit K4/8 (K: Zahl der Basisfunktionen).

    Symmetriebetrachtungen können diesen Rechenzeitaufwand drastisch herabsetzten, sind

    jedoch kein notwendiger Bestandteil quantenchemischer Untersuchungen. Jedes System läßt

    sich einer Punktgruppe zuordnen. Eine Zusammenfassung der Basisfunktionen zu

    symmetrieadaptierten Linearkombinationen, welche sich nach den irreduziblen Darstellungen

    der entsprechenden Punktgruppe transformieren, zeigt sofort Ein- und

    Zweielektronenintegrale auf, welche verschwinden oder identisch sind.

    Standard Hartree – Fock Implementierungen skalieren asymptotisch ungefähr mit K2.

    Das Hartree – Fock Modell kann bei der Verwendung adäquater Basissätze die elektronischen

    Eigenschaften stabiler Moleküle im Grundzustand oftmals zufriedenstellend wiedergeben. Bei

  • 2. Theoretische Grundlagen der Quantenmechanik Seite 18

    der Beschreibung fast entarteter oder angeregter Zustände gelangt man jedoch schnell an die

    Grenzen dieser Methode. Das nächste Kapitel behandelt daher Verfahren, welche in der

    Hierarchie der quantenmechanischen Modelle über dem Hartree – Fock Modell stehen.

    2.3 Die Erfassung der Elektronenkorrelation mit klassischen ab – initio

    Methoden

    2.3.1 Der Begriff der Korrelationsenergie

    Die Energiedifferenz zwischen der exakten Energie Eex und der Energie im Hartree – Fock –

    Limit EHF, welches durch die Verwendung eines vollständigen Basissatzes erreicht wird,

    bezeichnet man als Korrelationsenergie Ecorr.23 In dieser Definition bezieht sich Eex jedoch auf

    die Anwendung der Born – Oppenheimer Näherung und die Vernachlässigung relativistischer

    Effekte.

    HFexcorr EEE −= (37)

    Die Korrelationsenergie stellt keine Observable dar und läßt sich üblicherweise nur

    abschätzen, da Eex wie auch EHF für Systeme mit praktischer Bedeutung nur näherungsweise

    bekannt sind. Die Güte einer quantenmechanischen Methode kann nach dem Anteil der

    erfaßten Korrelationsenergie beurteilt werden.

    Es hat sich als nützlich erwiesen, Ecorr in mehrere Anteile zu zerlegen. Unter

    nichtdynamischer Korrelation versteht man den Teil der Elektronenwechselwirkung, der

    durch Quasi – Entartungseffekte verursacht wird. Dies bedeutet, daß mehrere Determinanten

    mit ähnlicher Energie auftreten, welche durch Multikonfigurationsansätze berücksichtigt

    werden können. Die nichtdynamische Korrelationsenergie wächst üblicherweise mit

    zunehmenden Kernabständen.

    Der verbleibende Anteil von corrE wird als dynamische Korrelationsenergie bezeichnet und

    hängt mit dem ijr1 Term im Hamiltonoperator zusammen. Sie gewinnt mit verringertem

    Abstand zwischen den Elektronen an Bedeutung, da dann der Fehler in der Beschreibung der

    stärker werdenden Elektronenwechselwirkung zunimmt.

    Andere Möglichkeiten zur Unterteilung der Korrelationsenergie berücksichtigen den Spin der

    paarweise wechselwirkenden Elektronen (Fermi und Coulomb Korrelation). Die Fermi

  • 2.3 Die Erfassung der Elektronenkorrelation mit klassischen ab – initio Methoden Seite 19

    Korrelation stammt aus der Antisymmetrie der Wellenfunktion und betrifft daher Elektronen

    mit parallelem Spin, der übrige Teil wird als Coulomb Korrelation bezeichnet.

    Befindet sich bereits ein Elektron im betrachteten Raumbereich, spricht man von einem

    Coulomb oder Fermi Loch an dieser Stelle, da die Wahrscheinlichkeit, dort ein weiteres

    Elektron anzutreffen, sehr gering ist.

    Im folgenden Abschnitt werden Verfahren vorgestellt, welche in der Lage sind, einen Großteil

    der Korrelationsenergie zu erfassen.

    2.3.2 Konfigurationswechselwirkung

    Die Methode der Konfigurationswechselwirkung (CI) beschreibt die Zustandsfunktion als

    Linearkombination aus mehreren Slaterdeterminanten, welche zu configuration state

    functions (CSF) zusammengefaßt werden können.24 Jede CSF ist eine spinadaptierte

    Linearkombination von Slaterdeterminanten, Methoden zu ihrer Erzeugung wurden von

    McWeeny und Sutcliffe zusammengetragen.8

    Diese Konfigurationen können nach der Zahl der angeregten Elektronen in Bezug auf die

    Hartree – Fock Referenzfunktion ΨHF klassifiziert werden. raΨ beschreibt zum Beispiel eine

    Determinante, bei der das Spinorbital χa durch das in der HF Funktion unbesetzte Spinorbital

    χr ersetzt worden ist, man spricht von einer Einfachanregung. In analoger Vorgehensweise

    können Doppel-, Dreifach- und höhere Anregungen rsabΨ , rstabcΨ , usw. definiert werden. Die

    Gesamtwellenfunktion besitzt die Gestalt

    ∑ ∑<<

    +Ψ+Ψ+Ψ=Ψra

    srba

    rsab

    rsab

    ra

    raHFCI ccc

    ,0 ... (38)

    wobei c0 das Gewicht der Referenzfunktion ΨHF in der Entwicklung beschreibt, die folgende

    Summe enthält alle möglichen Einfachanregungen, gefolgt von allen zweifach angeregten

    Determinanten usw. Die Zahl der angeregten Determinanten hängt von der Anzahl besetzter

    und unbesetzter Orbitale ab. Werden alle möglichen Konfigurationen berücksichtigt, spricht

    man von einer full CI Entwicklung, welche jedoch nur für kleine Moleküle handhabbar ist.25,26

    In der Praxis beschränkt man sich daher oft auf die Einbeziehung von Einfach- und

    Zweifachanregungen (CISD). Der Satz von Entwicklungskoeffizienten {c} wird, genau wie in

    der Hartree – Fock Methode, unter Anwendung des Variationsprinzips bestimmt, die Gestalt

    der MOs bleibt im Gegensatz zur CASSCF – Methode (siehe Kapitel 2.3.3) jedoch

  • 2. Theoretische Grundlagen der Quantenmechanik Seite 20

    unverändert. Die Forderung nach einem minimalen Erwartungswert für die Energie und der

    Übergang zur Matrixdarstellung liefert ein allgemeines Matrix – Pseudoeigenwert Problem

    HC = ESC, (39)

    welches aufgrund der zueinander orthogonalen Slaterdeterminanten in ein spezielles Matrix –

    Pseudoeigenwert Problem übergeht

    HC = EC. (40)

    In der CI – Matrix H (als Abkürzung für die Summen über die Einfach, Zweifach- und

    Dreifachanregungen aus Gleichung (38) wurden S, D und T gewählt) können zahlreiche

    Vereinfachungen vorgenommen werden. Mit der Referenzfunktion ΨHF mischen nur

    Determinanten gleicher Raumspinsymmetrie. Weiterhin verschwinden die Matrixelemente

    zwischen ΨHF und sämtlichen Einfachanregungen (Brillouin´s Theorem), gleiches gilt für

    Matrixelemente zwischen Determinanten, welche sich in mehr als zwei Spinorbitalen

    unterscheiden. Bei der Verwendung reeller Orbitale ist H symmetrisch.

    H =

    Ψ

    ΨΨΨ

    OM

    K

    MMM

    K

    K

    K

    THTDHTSHT

    THDDHDSHDHD

    THSDHSSHS

    DHH

    HF

    HFHFHF

    ˆˆˆ0

    ˆˆˆˆ

    ˆˆˆ0

    0ˆ0ˆ

    (41)

    Die verbleibenden Matrixelemente lassen sich nach den Slater – Condon Regeln berechnen.8

    Die Lösung der Matrixgleichung (40) führt zu mehreren Energieeigenwerten, deren Zahl der

    Dimension von H entspricht. Dabei handelt es sich um obere Schranken für die exakten

    Energien des Grundzustandes und der elektronisch angeregten Zustände (Theorem von

    MacDonald und Hylleraas).

    Der multi – reference CI – Ansatz (MRCI) geht dagegen von einem Referenzteil aus, der

    bereits aus mehreren Determinanten besteht.27 Diese können z. B. nach ihrem Gewicht aus

    einer vorhergehenden MCSCF – Rechnung ausgewählt worden sein (siehe Kapitel 2.3.3).

    Eine MRCISD – Wellenfunktion enthält daher im externen Teil alle Einfach – und

  • 2.3 Die Erfassung der Elektronenkorrelation mit klassischen ab – initio Methoden Seite 21

    Zweifachanregungen aus allen Determinanten des Referenzteiles. Während der Referenzteil

    die statische Korrelation berücksichtigt, ermöglicht der externe Teil auch die Erfassung der

    dynamischen Korrelationsenergie. Ein Nachteil dieser Methode besteht jedoch im Verlust der

    Größenkonsistenz, die Energie eines Systems im Dissoziationslimit kann nicht als Summe aus

    den Energien der Fragmente ermittelt werden.

    Abhilfe schafft die Davidson – Korrektur Q, welche die größenkonsistenten Energien einer

    vollständigen MRCISDTQ... – Entwicklung approximiert.28

    2

    21

    ref

    refMRCIMRCI

    c

    cEEQE

    −∆+=+ (42)

    E∆ ist die Differenz zwischen der MRCI – Energie und der Energie der

    Referenzwellenfunktion mit dem Gewicht refc in der gesamten Entwicklung.

    2.3.3 Die CASSCF Methode

    Die complete active space selfconsistent field (CASSCF) Methode ist ein

    Multikonfigurationsansatz, der nichtdynamische Korrelationsenergie erfaßt, indem als

    Wellenfunktion eine eingeschränkte Linearkombination aus configuration state functions

    gewählt wird.29-33 Es existieren verschiedene Möglichkeiten zur Auswahl dieser

    Konfigurationen, derartige Methoden werden unter dem Begriff multiconfigurational SCF

    Verfahren (MCSCF) zusammengefaßt. Im Gegensatz zum CI – Verfahren werden in all

    diesen Modellen die Orbital- und CI – Koeffizienten iterativ optimiert. Die Auswahl der

    verwendeten CSF erfolgt in der CASSCF Methode durch die Einteilung der MOs in eine

    inaktive Gruppe von Orbitalen, die stets doppelt besetzt sind, eine aktive Gruppe, in der alle

    angeregten Determinanten einer bestimmten Raumspinsymmetrie konstruiert werden und

    einen virtuellen Raum mit stets unbesetzten Orbitalen. Die Wellenfunktion entspricht einem

    full CI Ansatz im aktiven Raum.

    Da die Zahl der CSF sehr schnell ansteigen kann, werden für gewöhnlich nicht mehr als zwölf

    Molekülorbitale und Elektronen dem aktiven Raum zugeordnet. Bei ihnen handelt es sich

    meist um die energetisch höchsten besetzten und die tiefsten unbesetzten Molekülorbitale aus

    einer Hartree – Fock Rechnung. Wichtig ist die Wahl eines ausgewogenen aktiven Raumes.

    Dazu gehört, daß sich die Zahl der besetzten und unbesetzten Orbitale ungefähr in der

  • 2. Theoretische Grundlagen der Quantenmechanik Seite 22

    gleichen Größenordnung bewegt und daß nach Möglichkeit alle Valenzelektronen

    berücksichtigt werden. Weiterhin muß die Auswahl mit Bedacht in Bezug auf das untersuchte

    Problem erfolgen.

    stets unbesetzt virtuell

    alle Anregungen aktiv

    werden erzeugt

    inaktiv

    Schema 2.3: Die Einteilungder Molekülorbitale in einerCASSCF Rechnung.

    Die CASSCF – Methode ist nicht zur Erfassung dynamischer Korrelationsenergie geeignet.

    Dieser Nachteil zeigt sich vor allem bei der Verwendung großer inaktiver und virtueller

    Räume. Ihre Orbitale stellen jedoch einen hervorragenden Ausgangspunkt für hochkorrelierte

    Untersuchungen dar. Dabei kann es sich entweder um multi reference CI – Rechnungen

    handeln, oder man wendet die Störungstheorie auf eine CASSCF – Wellenfunktion an

    (CASPT2).34

    Die CASSCF – Methode ist größenkonsistent, die Energie eines Systems aus nicht

    wechselwirkenden Fragmenten entspricht der Summe der Energien, welche sich einzeln für

    die Fragmente ermitteln lassen. So kann z. B. die Dissoziationsenergie eines zweiatomigen

    Moleküls aus den Energien der Atome berechnet werden.

    stets doppeltbesetzt

  • 2.3 Die Erfassung der Elektronenkorrelation mit klassischen ab – initio Methoden Seite 23

    2.3.4 Das coupled cluster Modell

    In der coupled cluster (CC) Methode 35-38 wird die Wellenfunktion durch die Anwendung

    eines Exponentialoperators Teˆ auf eine Hartree – Fock – Referenzfunktion ΨHF erzeugt. Dies

    führt zu einer Zustandsfunktion

    HFT

    CC e Ψ=Ψˆ

    , (43)

    welche mit einer full CI Entwicklung identisch ist. Der coupled cluster Operator läßt sich als

    Reihe entwickeln und enthält Operatoren für die Erzeugung aller Einfachanregungen 1̂T ,

    Zweifachanregungen 2̂T , usw. aus der Referenzfunktion.

    ∑∞

    =

    =0

    ˆ ˆ!

    1

    m

    mT Tm

    e mit NTTTTT ˆ...ˆˆˆˆ 321 ++++= (44)

    Die Anwendung von 1̂T und 2̂T auf ΨHF liefert alle einfach und zweifach angeregten

    Slaterdeterminanten aiΨ und abijΨ , wobei die Indizes i und j für besetzte Orbitale und a, b für

    unbesetzte Orbitale stehen:

    ∑∑ Ψ=Ψocc

    i

    virt

    a

    ai

    aiHF tT1̂ (45)

    ∑∑< <

    Ψ=Ψocc

    ji

    virt

    ba

    abij

    abijHF tT2̂ (46)

    Die Bestimmungsgleichungen für die Koeffizienten t , welche in der coupled cluster Theorie

    als Amplituden bezeichnet werden, besitzen eine sehr komplizierte Gestalt. Zunächst wird

    Gleichung (43) in die Schrödinger – Gleichung eingesetzt, nachfolgend mit der komplex

    konjugierten Referenzfunktion multipliziert und integriert.

    EeH HFT

    HF =ΨΨ ˆ (47)

    Eine analoge Vorgehensweise unter Multiplikation von links mit abijΨ liefert

  • 2. Theoretische Grundlagen der Quantenmechanik Seite 24

    HFTab

    ijHFTab

    ij eEeH ΨΨ=ΨΨˆˆˆ (48)

    Im nächsten Schritt wird E eliminiert, indem Gleichung (47) in Gleichung (48) eingesetzt

    wird. Dies führt zu den nichtlinearen Bestimmungsgleichungen der Amplituden, welche

    iterativ gelöst werden müssen.

    Eine Beschränkung auf 1̂T und 2̂T wird als CCSD – Methode bezeichnet. Aufgrund der

    Gestalt von (44) enthält die Wellenfunktion (43) jedoch auch im CCSD – Modell n – fach

    angeregte Determinanten mit n > 2. Das größte Gewicht in der Gesamtwellenfunktion kommt

    der Referenzfunktion HFΨ zu. Einfachanregungen spielen keine bedeutende Rolle, da sie nur

    indirekt mit der Referenzfunktion mischen. Doppelt angeregte Determinanten besitzen

    dagegen wiederum Koeffizienten, deren Beträge deutlich von null abweichen. Sie können

    durch Zweifachanregung oder zweifache Einfachanregung erzeugt werden. Es folgen die

    wiederum relativ unbedeutenden Dreifachanregungen. Vierfachanregungen können durch

    eine zweifache Doppelanregung innerhalb der CCSD – Methode erfaßt werden, usw. Gerade

    der Einschluß der zweifachen Doppelanregungen bewirkt eine höhere Qualität von CCSD –

    Ergebnissen gegenüber der CISD Methode. Eine Berücksichtigung von 3̂T (CCSDT) ist

    aufgrund des immensen Rechenzeitbedarfs meist nicht tragbar. Der Einfluß der

    Dreifachanregungen kann jedoch über störungstheoretische Rechnungen abgeschätzt werden,

    diese Verfahren wurde als CCSD(T) bekannt.39

    Die coupled cluster Methode ist auf jeder Näherungsstufe (CCD, CCSD, CCSDT, ...)

    größenkonsistent, jedoch nicht variational. Letzteres bedeutet, daß die Energie der

    Näherungsfunktion keine obere Schranke für die wahre Energie darstellt. Einschränkungen

    für ihre Anwendung treten auf, wenn Probleme untersucht werden, für die keine geeignete

    Hartree – Fock Referenzfunktion aufgestellt werden kann. Dies betrifft Systeme mit

    ausgeprägtem Multireferenzcharakter oder angeregte Zustände innerhalb einer

    Raumspinsymmetrie.

    Im Falle von open shell Systemen lassen sich UHF – und ROHF Wellenfunktionen als

    Referenz verwenden.

  • 2.4 Dichtefunktionalmethoden Seite 25

    2.4. Dichtefunktionalmethoden

    2.4.1 Die Elektronendichte

    In klassischen ab – initio Verfahren wird ein Hamiltonoperator Ĥ aufgestellt, der durch die

    Zahl der Elektronen und das Potential der Kerne (festgelegt durch Ort und Ladung) eindeutig

    definiert ist. Es wird eine Wellenfunktion Ψ durch Lösen der Schrödingergleichung

    bestimmt, 2Ψ ist die Wahrscheinlichkeitsdichte, eine reelle und positiv definite Funktion.

    Während NN xdxdxdxxxrrrrrr

    ,...),...,( 212

    21Ψ die Wahrscheinlichkeit beschreibt, ein Teilchen im

    Volumenelement 1xdr

    , gleichzeitig ein anderes im Volumenelement 2xdr

    , ...ein n-tes Teilchen

    in Nxdr

    zu finden, gibt

    NN xdxdxdxxxxNxrrrrrrrr

    ......,,(...)( 322

    3211 ∫ ∫ ∫ Ψ=ρ (49)

    die Wahrscheinlichkeit an, ein beliebiges Elektron im Volumenelement 1xdr

    zu finden. Bei

    Einbeziehung des Elektronenspins muß in Gleichung (49) über den Spin aller Elektronen 1, 2,

    ...N integriert werden, um die Spinunabhängigkeit wiederherzustellen. )( 1xrρ wird als

    Elektronendichte bezeichnet und ist observabel. Im Gegensatz zu Ψ ist die Elektronendichte

    eine mathematisch einfach handhabbare Funktion von nur drei Raumkoordinaten. Sie enthält

    jedoch alle Informationen über das untersuchte System.

    Die Dichtefunktionaltheorie (DFT) versucht, quantenchemische Systeme über die

    Elektronendichte zu beschreiben.40-42 Die Grundlage dafür bilden die Hohenberg – Kohn

    Theoreme.43 Es gibt jedoch bereits zwei ältere Ansätze zur Verwendung der Elektronendichte,

    das Thomas – Fermi Modell und die Hartree – Fock – Slater Methode (HFS).44-46

    2.4.2 Die Hohenberg – Kohn Theoreme

    Das erste Hohenberg – Kohn Theorem beweist, daß jeder Elektronendichte nur genau ein

    externes Potential zugeordnet werden kann. Dies bedeutet, daß auch der Hamiltonoperator

    eindeutig durch die Elektronendichte festgelegt ist. Eine erneute Integration der

    Elektronendichte liefert zum Beispiel die Zahl der Elektronen N.

  • 2. Theoretische Grundlagen der Quantenmechanik Seite 26

    ∫= 11 )( xdxNrrρ (50)

    Weiterhin enthält ρ alle Kernkoordinaten. An ihren Positionen treten Maxima in der

    Elektronendichte auf, die Kernladungen lassen sich ebenfalls aus ρ ermitteln. In Konsequenz

    ist die Energie des Systems ein Funktional der Elektronendichte, bezeichnet als [ ]ρE .Das zweite Hohenberg – Kohn Theorem demonstriert die Gültigkeit des Variationsprinzips

    für die Bestimmung der Elektronendichte. Die Energie jeder genäherten Elektronendichte

    [ ]ρ′E ist eine obere Schranke für die Energie der exakten Dichte [ ]ρE .

    [ ] [ ]ρρ EE ≥′ (51)

    2.4.3 Der Kohn – Sham Formalismus

    Die Hohenberg – Kohn Theoreme haben gezeigt, daß es sich bei der Energie um ein

    Funktional der Elektronendichte handelt, und daß [ ]ρE variational ist. Es handelt sich jedochlediglich um Existenzbeweise, die Hohenberg – Kohn Theoreme machen keine Aussage über

    die Gestalt von [ ]ρE .Der erste Schritt zur Konstruktion der Elektronendichte besteht darin, die Energie des

    betrachteten Systems in eine Summe von Termen zu zerlegen.

    [ ] [ ] [ ] [ ] [ ]ρρρρρ XCneS VJETE +++= (52)

    Ene beschreibt die Wechselwirkung zwischen Kernen und Elektronendichte. J ist der

    klassische Teil der Elektronenwechselwirkung und TS die kinetische Energie der Elektronen

    in einem wechselwirkungsfreien Referenzsystem mit der gleichen Elektronendichte. Alle

    fehlenden Energiebeiträge (der nicht erfaßte Anteil der kinetischen Energie, die nicht

    klassisch interpretierbare Austauschkorrelationsenergie und die Selbstwechselwirkung der

    Dichte) sind im Austauschkorrelationsanteil xcV enthalten, die Exaktheit der Gleichung ist

    somit erfüllt.

    [ ]ρneE und [ ]ρJ lassen sich leicht ermitteln. Zur Berechnung der exakten kinetischenEnergie der Elektronen im aktuellen System liegt jedoch kein analytischer Ausdruck vor.

    Daher wurde von Kohn und Sham die Einführung von Orbitalen in die

    Dichtefunktionaltheorie vorgeschlagen.47 Man wählt ein System gleicher Dichte, jedoch ohne

    Elektronenwechselwirkung und stellt eine Slaterdeterminante auf. Da sie im

  • 2.4 Dichtefunktionalmethoden Seite 27

    wechselwirkungsfreien System eine exakte Wellenfunktion ist, kann die kinetische Energie

    der Elektronen in diesem System ( ST ) bequem als Summe über die Erwartungswerte der

    kinetischen Energien für jedes Elektron berechnet werden. Die fehlenden Beiträge zur

    exakten kinetischen Energie des realen Systems werden dem Austauschkorrelationsterm

    zugeordnet. Der exakte Ansatz für [ ]ρxcV ist nicht bekannt. Die Vielzahl der heute etabliertenDFT – Methoden ist die Folge verschiedenster Versuche, die Austauschkorrelationsenergie zu

    erfassen.

    Die Einelektronenfunktionen iϑ der Slaterdeterminante für das wechselwirkungsfreie

    Referenzsystem bezeichnet man als Kohn – Sham Orbitale. Sie werden genau wie die

    Orbitale in der HF – Methode durch iteratives Lösen eines Gleichungssystems bestimmt und

    ermöglichen die Berechnung der Elektronendichte über die Summe ihrer Betragsquadrate.

    iiiKSf ϑεϑ =)1()1(ˆ (53)

    Der Kohn – Sham Operator KSf̂ enthält die Operatoren für die kinetische Energie und das

    effektive Feld, beschrieben durch die Kern – Elektronen Wechselwirkung, die Elektron –

    Elektron Wechselwirkung und den Austausch – Korrelationsanteil.

    xc

    M

    K

    N

    jj

    K

    KKS VJr

    Zf ++−∇−= ∑ ∑

    = =1 11

    2 )1(ˆ2

    1ˆ (54)

    Genau wie in der Hartree – Fock Methode werden die Kohn – Sham Orbitale üblicherweise

    durch Basissätze erzeugt.

    ∑=

    =K

    ii c1µ

    µ µψϑ , i = 1, 2, ...K (55)

    Dieser Ansatz führt zu einem Matrix – Pseudoeigenwert Problem

    fKS C = εεεε S C (56)

    mit den Matrixelementen

  • 2. Theoretische Grundlagen der Quantenmechanik Seite 28

    νµµν ψψ KSKS ff ˆ, = und (57)

    νµµν ψψ=S , (58)

    welche aus den Basisfunktionen gebildet werden. Während der Einelektronenanteil und die

    Coulombwechselwirkung in der Dichtefunktionaltheorie und im Hartree – Fock Modell

    identisch sind, werden Austausch- und Korrelationsenergie im DFT Bild in Abhängigkeit von

    der Elektronendichte formuliert. f KS ist genau wie die Fock – Matrix in der HF – Methode

    bereits von den Lösungen abhängig, weswegen ein iteratives Verfahren zur Lösung von

    Gleichung (56) verwendet werden muß. Weiterhin liegen keine analytischen Ausdrücke für

    die Integrale über xcV vor, die νµ ψψ xcV müssen numerisch integriert werden. Dabei

    handelt es sich um eine weitere Näherung, da nicht unendlich viele Gitterpunkte verwendet

    werden können. Dennoch skalieren DFT Rechnungen formal mit K4/8 (K: Zahl der

    Basisfunktionen) aufgrund der zu berechnenden Coulomb – Integrale. Eine Beschleunigung

    kann erreicht werden, wenn die Elektronendichte ebenfalls durch eine Linearkombination von

    Funktionen beschrieben wird.

    ∑=

    =L

    a1α

    αα ςρ (59)

    Sie ermöglicht die Berechnung der Coulombintegrale über Ausdrücke der Form

    )2(1

    )1()1(21

    λνµ ςϑϑ rr −, (60)

    deren Rechenzeitaufwand mit K3 skaliert.

    Moderne Implementierungen von DFT Methoden zeigen ein asymptotisches Verhalten, das

    mit K2 skaliert.

    Zu Beginn einer DFT – Rechnung gibt man eine Startdichte vor, löst Gleichung (56) und

    erhält einen neuen Satz von Kohn – Sham Orbitalen, der die Berechnung einer verbesserten

    Elektronendichte ermöglicht. Diese kann im nächsten Iterationsschritt verwendet werden, die

    Prozedur wird solange wiederholt, bis selbstkonsistente Ergebnisse erzielt werden.

    Die Stärke der Dichtefunktionalmethoden liegt in der Erfassung eines Großteils der

    Korrelationsenergie bei einem Rechenzeitaufwand, der deutlich geringer ausfällt im Vergleich

  • 2.4 Dichtefunktionalmethoden Seite 29

    zu den klassischen post – HF ab initio Methoden wie CI, coupled cluster oder MP

    Störungstheorie.

    2.4.4 Austausch- und Korrelationsfunktionale

    Die DFT Methode ist eine exakte Theorie. Da die konkrete Form des

    Austauschkorrelationsfunktionals jedoch nicht bekannt ist, müssen in der Praxis geeignete

    Ansätze gefunden werden, die der Dichtefunktionaltheorie einen gewissen empirischen

    Charakter verleihen. Für die zahlreichen etablierten Funktionale gibt es keine Hierarchie und

    es kann nicht vorhergesagt werden, welche Funktionale bei welchen Problemstellungen die

    besten Ergebnisse liefern. Alle Methoden gehen von einer Aufspaltung von Vxc aus.

    cxxc VVV += (61)

    Der einfachste, nicht empirische Ansatz ist die local density approximation (LDA). Dieser

    Methode wird die konstante Elektronendichte eines homogenen Elektronengases zu Grunde

    gelegt. Die Austauschenergie wird mit der Diracschen Formel

    [ ] ∫−= drrCE xx )(34

    ρρ (62)

    berechnet, die Korrelationsenergie erhält man durch Anwendung einer analytischen Formel,

    welche mit Hilfe von sehr genauen Monte Carlo Rechnungen gewonnen wurde.48

    Der LDA Ansatz überschätzt oft die Elektronenkorrelation, es resultieren zu große

    Bindungsstärken.

    Ein verbesserter Ansatz für [ ]ρxV und [ ]ρcV führt die Abhängigkeit beider Funktionale nichtnur von der Elektronendichte selber, sondern auch von ihren Ableitungen nach den

    Raumkoordinaten ein. Derartige gradientenkorrigierte Methoden (generalized gradient

    approximation, GGA) können Erweiterungen des LDA Funktionals für die Austauschenergie

    darstellen

    GGAx

    LDAxx EEE ∆+= , (63)

  • 2. Theoretische Grundlagen der Quantenmechanik Seite 30

    oder sie besitzen eine völlig neue Gestalt. Zu der ersten Gruppe gehören z. B. die PW8649 und

    PW9150 Funktionale [ ]ρρ ∇,xV von Perdew und Wang, sowie das B88 Austauschfunktionalvon Becke.51

    In Analogie dazu gibt es auch gradientenkorrigierte Korrelationsfunktionale [ ]ρρ ∇,cV ,welche den LDA – Ansatz durch zusätzliche Terme erweitern. Dazu gehören wiederum die

    PW86 und PW91 Funktionale, wogegen Lee, Yang und Parr das LYP – Funktional entwickelt

    haben, welches nicht auf die Formeln zur Beschreibung des uniformen Elektronengases

    zurückgreift.52

    Die DFT/HF Hybridmethoden verknüpfen die Dichtefunktionalmethode mit dem Hartree –

    Fock Modell, indem sie die exakte Austauschenergie aus dem Hartree – Fock Ansatz

    verwenden. Die Grundlage dafür bildet die adiabatic connection formula (ACF), welche die

    exakte Verknüpfung zwischen der Austauschenergie im wechselwirkungsfreien System und

    dem Austauschkorrelationspotential im realen Systems wiedergibt.53 Sie läßt sich jedoch nicht

    ohne Näherungen lösen, typischerweise werden daher empirische Gewichte für die einzelnen

    Terme eingeführt. Der bekannteste Vertreter dieser Gruppe ist das B3 – Funktional.54

    GGAc

    LDAc

    Bx

    exactx

    LDAx

    Bxc EcEEbaEEaE ∆++∆++−=

    883 )1( (64)

    Es erfaßt die Austauschenergie durch Anwendung des LDA Funktionals, durch die

    Berechnung der HF – Austauschenergie und durch die Verwendung der Korrektur des B88

    Austauschfunktionals gegenüber der LDA Methode. Die letzten beiden Terme stehen

    stellvertretend für ein wählbares Korrelationsfunktional.

    Ganz allgemein können die Austausch- und Korrelationsfunktionale beliebig kombiniert

    werden. In der Praxis hat sich gezeigt, daß die gradientenkorrigierten Verfahren wesentlich

    zuverlässiger arbeiten als der LDA Ansatz. Unter den GGA – Methoden kommt dem

    Hybridverfahren B3LYP eine besondere Bedeutung zu. In fast allen Anwendungsbereichen

    der Dichtefunktionaltheorie erzielt es die besten Ergebnisse im Vergleich zu experimentellen

    Ergebnissen oder zu Resultaten hochkorrelierter ab – initio Rechnungen.

    Im Gegensatz zu HF – Rechnungen haben sich die DFT – Methoden in Kombination mit

    geeigneten Basissätzen auch im Bereich der nichtrelativistischen Übergangsmetallchemie als

    zuverlässig erwiesen.

  • 2.5. Basissätze Seite 31

    2.5 Basissätze

    Eine weitere fundamentale Näherung in der Quantenmechanik ist die Beschreibung von

    Atom– und Molekülorbitalen durch Basisfunktionen. Alle in den vorangegangenen

    Abschnitten vorgestellten Verfahren machen von diesem Ansatz üblicherweise Gebrauch. Bei

    der Verwendung einer unendlichen Basis wäre eine derartige Entwicklung exakt, in der Praxis

    muß jedoch auf möglichst wenige, und damit besonders gut geeignete Funktionen

    zurückgegriffen werden. Die Gestalt der Atomorbitale ist nicht bekannt, exakte Lösungen

    liegen nur für Einelektronenprobleme vor. Es ist natürlich, die Atomorbitale den bekannten

    Einelektronenfunktionen des Wasserstoffatoms nachzuempfinden, jedoch nehmen damit die

    Zweielektronenintegrale eine sehr komplizierte Gestalt an. In der Praxis haben sich daher

    zwei Typen von Funktionen zur Beschreibung der AO´s als besonders nützlich erwiesen. Die

    Slater type orbitals (STO´s) geben im Vergleich zum Wasserstoffatom die exakte

    Abhängigkeit für den Abstand zwischen Elektron und Kern wieder ( re− ), während die

    Gaussian type orbitals (GTO´s) mit ihrer 2re− Abhängigkeit den STO´s in der Beschreibung

    der Wellenfunktion in Kernnähe und bei großen Abständen nachstehen, dafür aber

    mathematisch deutlich leichter zu behandeln sind.55-59

    rlm

    nSTO eYNr

    ζϕδψ −−= ),(1 (65)

    2rmlkGTO ezyNx

    αψ −= (66)

    Die Gestalt der STO´s in Gleichung (65) bezieht sich auf die Verwendung von den

    Kugelkoordinaten δ , ϕ und r . Die STOψ enthalten die komplexen Kugelfunktionen lmY vom

    Keplerproblem, einen Radialanteil mit dem Orbitalexponenten ζ und eine Normierungs-

    konstante N. Die Gestalt der Funktionen ist von der Hauptquantenzahl n abhängig.

    Üblicherweise wird der Winkelanteil jedoch durch die reellen Kugelfunktionen ersetzt.

    Die GTO´s werden, wie in Gleichung (66) dargestellt, normalerweise in kartesischen

    Koordinaten verwendet. k , l und m sind positive ganze Zahlen, deren Summe der Dreh-

    impulsquantenzahl des beschriebenen Orbitals entspricht. Auch sie werden in normierter

    Form verwendet, ihr Orbitalexponent wird üblicherweise mit α bezeichnet.

  • 2. Theoretische Grundlagen der Quantenmechanik Seite 32

    Der Vorteil der Gaussfunktionen besteht darin, daß das Produkt zweier Gaussfunktionen

    wiederum eine Gaussfunktion mit verschobenem Ursprung ist. Dadurch lassen sich die Drei-

    und Vierzentrenintegrale aus den SCF –Gleichungen auf Zweizentrenintegrale reduzieren. Im

    Gegensatz dazu fallen die GTO´s bei großen Kernabständen zu schnell ab. Ebenso zeigen die

    s – Funktionen nicht die vom Wasserstoffatom erwartete Spitze am Ort der Kerne, sondern

    verlaufen dort stetig. Weiterhin sind die GTO´s nicht von der Hauptquantenzahl n abhängig.

    Die GTO´s konnten sich dennoch gegenüber den Slaterfunktionen durchsetzen, ihre Nachteile

    werden durch die Verwendung größerer Basissätze ausgeglichen. Dies ermöglicht eine

    Rechenzeitersparnis gegenüber dem Einsatz von weniger STO´s bei vergleichbarer

    Genauigkeit.

    Der Rechenzeitaufwand läßt sich weiter reduzieren, wenn nicht alle Koeffizienten der

    Basisfunktionen als variabel angenommen werden. Dies wird am Beispiel der

    Gaussfunktionen demonstriert. Aus den primitiven Funktionen (PGTO´s) werden kontrahierte

    Basisfunktionen (CGTO´s) gebildet, wobei man die segmentierte und die generelle

    Kontraktion eingeführt hat.

    CGTO 1 CGTO 2 CGTO 3

    PGTO 1 C1 0 0

    PGTO 2 C2 0 0

    PGTO 3 C3 0 0

    PGTO 4 C4 0

    PGTO 5 0 C5 0

    PGTO 6 0 C6 0

    PGTO 7 0 C7 0

    PGTO 8 0 0 C8

    PGTO 9 0 0 C9

    Schema 2.4: Segmentierte Kontraktion. Ein Atomorbital sei durch neun Basisfunktionen PGTO 1, 2,...9 beschrieben. Die ersten vier Funktionen werden zu der kontrahierten Funktion CGTO 1zusammengefaßt, die nächsten drei zu CGTO 2 und die letzten beiden zu CGTO 3. Anstelle von neunKoeffizienten für die PGTO´s werden lediglich die drei Koeffizienten der CGTO´s in nachfolgendenSCF – Rechnungen optimiert, C1, C2, ...C9 sind fest vorgegeben.

    Während bei der segmentierten Kontraktion jede primitive Funktion Teil nur einer

    kontrahierten Basisfunktion ist, enthält jede generell kontrahierte Funktion alle primitiven

  • 2.5 Basissätze Seite 33

    GTO´s vom gleichen Typ. Die Kontraktionskoeffizienten werden üblicherweise aus SCF –

    Rechnungen zu Atomen oder durch die Approximation der Gaussfunktionen auf Slaterorbitale

    erzeugt.60-64

    CGTO 1 CGTO 2 CGTO 3

    PGTO 1 C1 C10 C19

    PGTO 2 C2 C11 C20

    PGTO 3 C3 C12 C21

    PGTO 4 C4 C13 C22

    PGTO 5 C5 C14 C23

    PGTO 6 C6 C15 C24

    PGTO 7 C7 C16 C25

    PGTO 8 C8 C17 C26

    PGTO 9 C9 C18 C27

    Schema 2.5: Generelle Kontraktion. Es werden wiederum drei kontrahierte Funktionen aus den neunPGTO´s gebildet, jedoch enthalten alle CGTO´s die gleichen primitiven Funktionen. DieKoeffizienten C1, C2, ...C27 werden einmal optimiert und festgehalten. Die Zahl der in nachfolgendenSCF – Verfahren zu optimierenden Koeffizienten (drei) unterscheidet sich nicht von der segmentiertenKontraktion.

    Zu den bekanntesten segmentiert kontrahierten GTO-Basen gehören die Pople – Basissätze.65

    Sie verwenden für s- und p- Funktionen den jeweils gleichen Radialanteil. Während die

    inneren Elektronen durch eine minimale Basis beschrieben werden (eine Funktion pro

    Atomorbital), finden für die Valenzorbitale zwei sp Funktionen Verwendung (double zeta).

    Eine derartige Kombination wird als split valence Basissatz bezeichnet. Wird ein Atom z.B.

    durch die 6-31+G* Basis beschrieben, wird jedes core – Orbital durch eine kontrahierte

    Funktion, bestehend aus sechs primitiven GTO´s, dargestellt. Im Valenzbereich wird jedes

    AO durch zwei Funktionen beschrieben, eine von primitiver Gestalt, die andere ist eine feste

    Linearkombination aus drei Funktionen.

    Die Basis enthält weiterhin diffuse Funktionen 66 (+) und Polarisationsfunktionen (*).67,68

    Während die diffusen Funktionen vorrangig zur Beschreibung von Anionen und polaren

    Molekülen benutzt werden, sind die Polarisationsfunktionen mit ihren höheren

    Orbitaldrehmomenten und vergleichsweise kleinen Exponenten in der Lage, die angulare

  • 2. Theoretische Grundlagen der Quantenmechanik Seite 34

    Flexibilität der Basis zu verbessern. Dies ist bei der Beschreibung polarer Bindungen von

    Vorteil. Erweitert man diese Basis auf 6-311+G* - Gestalt, steht für jedes Valenzorbital eine

    weitere primitive Funktion zur Verfügung.

    Neben Pople – Basissätzen existieren jedoch auch zahlreiche andere Basissätze.

    Bezeichnungen wie DZVP oder TZVP geben an, daß eine minimale Basis, in der jedes

    Elektronen durch nur eine Funktion beschrieben wird, im Valenzbereich verdoppelt (DZV)

    oder verdreifacht (TZV) und um Polarisationsfunktionen erweitert wird.

    Zu der Gruppe der generell kontrahierten Basissätze gehören die natürlichen

    Einelektronenfunktionen (ANO, atomic natural orbitals).69-71 Sie bestehen aus einer großen

    Anzahl von primitiven Funktionen, deren Kontraktionskoeffizienten aus korrelierten

    Rechnungen gewonnen wurden. ANO – Basissätze sind flexibel genug, um atomare

    Eigenschaften wie Polarisierbarkeiten, Elektronenaffinitäten oder Ionisationspotentiale

    vernünftig zu reproduzieren. Sie werden oft in Kombination mit Multireferenzmethoden

    angewendet. Ihr Nachteil besteht in dem großen Aufwand zur Integralberechnung, bedingt

    durch die Vielzahl der primitiven Funktionen. Demgegenüber läßt sich ihre Größe sehr

    variabel ändern, wobei auf eine ausgewogene Beschreibung aller Atome geachtet werden

    muß. ANO – Basissätze werden üblicherweise in Kombination mit den CASSCF, MRCI und

    CCSD(T) Methoden verwendet.

  • 2.6 Solvatationsmodelle Seite 35

    2.6 Solvatationsmodelle

    Üblicherweise beschränkt man sich in der Quantenchemie auf die Untersuchung von

    Problemstellungen in der Gasphase. Die explizite Einbeziehung eines Lösungsmittels würde

    die Berücksichtigung von mehreren hundert Solventmolekülen erfordern, deren

    intermolekulare Wechselwirkungen untereinander und mit den gelösten Stoffen nur adäquat

    durch Methoden zu beschreiben sind, die über das Hartree – Fock – Modell und die

    Dichtefunktionaltheorie hinausgehen. Einen Ausweg geben die Kontinuumsmodelle, welche

    das Lösungsmittel durch ein polarisierbares Medium mit vorgegebener

    Dielektrizitätskonstante approximieren.72 Der Prozeß der Solvatation läßt sich gedanklich in

    drei Schritte zerlegen. Zunächst muß ein Hohlraum in diesem Medium gebildet werden,

    welcher das zu lösende System aufnehmen kann. Es kommt zu einer

    Dispersionswechselwirkung zwischen dem System und dem Medium. Weiterhin polarisiert

    das System das umgebende Medium, was die elektrostatische Wechselwirkung zwischen

    beiden verstärkt. In einer Self – Consistent Reaction Field (SCRF) Rechnung wird die

    gegenseitige Beeinflussung von System und Medium schrittweise berücksichtigt, bis die

    Wechselwirkungsenergie selbstkonsistent wird.73 Eine direkte Wechselwirkung zwischen

    System und Lösungsmittelmolekülen, z. B. in Form von Wasserstoffbrückenbindungen,

    können diese Modelle jedoch nicht beschreiben.

    Es existiert eine Vielzahl von Kontinuumsmodellen. Dies begründet sich in den

    verschiedenen Möglichkeiten, Größe und Form des Hohlraums zu bestimmen, der das System

    aufnehmen soll. Gleiches gilt für die Potentiale, welche die Wechselwirkungen zwischen

    System und Medium beschreiben. Zu den häufig verwendeten Methoden gehört das SCI –

    PCM Modell (self – consistent isodensity – polarizable continuum model).74

  • 2. Theoretische Grundlagen der Quantenmechanik Seite 36

    2.7. Populationsanalysen

    Chemiker sind bemüht, die Reaktivität von Molekülen unter Anwendung einfacher Konzepte

    abzuschätzen. Dazu gehören Begriffe wie Partialladungen, Orbitalpopulationen und

    Bindungsordnungen. Dabei handelt es sich nicht um observable Größen, die

    Quantenmechanik bietet keine Vorschriften an, nach denen diese Parameter zu bestimmen

    sind. Verfahren, die aus einer berechneten Wellenfunktion oder dem dazugehörigen Potential

    solche Eigenschaften ermitteln, werden als Populationsanalysen bezeichnet.75,76

    Zwei verbreitete Methoden stammen von Mulliken und Löwdin.77,78 Sie analysieren die

    Dichte- und Überlappungsmatrizen. Das Produkt dieser Matrizen enthält nicht nur die Zahl

    der Elektronen N, sondern ermöglicht auch, einzelnen Atomkernen eine Elektronenzahl

    zuzuordnen.

    ∑∑= =

    =K K

    NSP1 1µ ν

    µνµν (67)

    Die Diagonalelemente ∑=

    K

    P1µ

    µµ der Produktmatrix ( 1=µµS für alle µ) lassen sich eindeutig

    dem Atom zuordnen, von dem auch die Basisfunktion µψ stammt. Nichtdiagonalterme

    müssen willkürlich auf die beiden beteiligten Atome mit den Basisfunktionen µψ und νψ

    aufgeteilt werden. In der Mulliken Methode geschieht dies zu gleichen Anteilen. Es lassen

    sich für jeden Kern α Partialladungen Qα berechnen, die der Differenz aus der Kernladung

    αZ und der (nicht natürlichen) Zahl der Elektronen an diesem Atom entsprechen.

    ∑∑= =

    −=K K

    SPZQ1 1µ ν

    µνµναα (68)

    Anschaulich werden die gebrochenen Besetzungszahlen für jedes Atom aufsummiert.

    Diagonalelemente können jedoch auch Besetzungszahlen größer als zwei liefern, was

    natürlich dem Pauli – Prinzip widerspricht. Das Löwdin Verfahren umgeht dieses Problem,

    indem die Produktmatrix aus P und S zuvor in die orthogonale Form transformiert wird. Ihre

  • 2.7 Populationsanalysen Seite 37

    Diagonalelemente liefern Besetzungszahlen zwischen null und zwei, alle anderen

    Matrixelemente verschwinden.

    Bindungsordnungen lassen sich ebenfalls mit Hilfe empirischer Formeln berechnen, die z. B.

    für Kohlenwasserstoffe den C- C- Kernabstand in Ethan, Ethen und Ethin als Definition für

    die Bindungsordnungen eins, zwei und drei wählen,79 oder auch hierfür die Dichte- und

    Überlappungsmatrizen analysieren (Mayer – Bindungsordnungen).80 Andere Verfahren

    benutzen das elektrostatische Potential, welches von einem Molekül oder einem Teil von ihm

    ausgeht. Es ist eine Summe von Coulombtermen für einen Kern- und einen elektronischen

    Anteil:

    i

    M

    A i

    i

    A

    A drrr

    r

    Rr

    ZrV ∑ ∫

    = −Ψ

    −−

    =1

    2)(

    )( (69)

    Die ermittelte Wellenfunktion erlaubt die Berechnung dieses Potentials. Im nächsten Schritt

    versucht man, ein möglichst ähnliches Potential mit Hilfe von atomaren Partialladungen zu

    erzeugen.

    Gegenüber der Mullikenmethode ist dieser Ansatz weit weniger von der verwendeten Basis

    abhängig.

    NBO Analysen (natural bond orbitals) verwenden die natürlichen Einelektronenfunktionen,

    den Satz von Orbitalen, der die Dichtematrix diagonalisiert.81 Sie werden anschließend in

    orthogonale Form gebracht. Die verbleibenden Diagonalelemente der Dichtematrix

    entsprechen den Besetzungszahlen n (0 ≤ n ≤ 2) dieser natürlichen Orbitale. Es läßt sich die

    Summe der Besetzungszahlen aller an einem Atom befindlichen Einelektronenfunktionen

    bilden und somit die Partialladung des Atoms ermitteln.

  • 2. Theoretische Grundlagen der Quantenmechanik Seite 38

    2.8 Die Untersuchung von Potentialhyperflächen

    Die in den letzten Abschnitten vorgestellten quantenmechanischen Methoden berechnen die

    Energie des Systems unter Vorgabe der Kernkoordinaten innerhalb der Born – Oppenheimer

    Approximation. Die Funktionen, welche die Abhängigkeit der Energie von den

    Kernkoordinaten R beschreiben, werden Potentialflächen E(R) genannt. Es sind komplizierte

    Funktionen mit 3K-L Freiheitsgraden (K: Anzahl der Kerne, L = 5 für lineare Moleküle,

    andernfalls L = 6). Der Summand L berücksichtigt, daß die Translations- und

    Rotationsenergie des Systems als Ganzes exakt von der Gesamtenergie separierbar und für

    quantenchemische Untersuchungen meist nicht von Interesse ist.

    Formal ließen sich Potentialflächen ermitteln, indem man die elektronische

    Schrödingergleichung punktweise für alle Kernkoordinaten R löst. Die erhaltene Funktion

    E(R) könnte durch eine analytische Funktion gefittet werden, welche sich zum Lösen der

    Kernschrödingergleichung verwenden ließe.

    Die punktweise Berechnung einer gesamten Hyperfläche ist weder möglich noch nötig,

    vielmehr interessiert man sich nur für gewisse ausgezeichnete, stationäre Punkte. Verfahren,

    welche diese stationären Punkte suchen, werden als Geometrieoptimierungen bezeichnet. Von

    besonderem Interesse sind Minima auf der Hyperfläche, welche stabilen Strukturen des

    betrachteten Systems entsprechen. Daneben kommt auch den Sattelpunkten eine besondere

    Bedeutung zu. Sie lassen sich als Übergangszustände verstehen, welche den energetisch

    höchsten Punkt auf einem Reaktionspfad, jedoch nicht auf der gesamten Hyperfläche,

    definieren. Übergangsstrukturen sind experimentell meist nicht zugänglich, eine Ausnahme

    bildet die Femtochemie unter Anwendung extrem kurzer Laserimpulse.82

    Geometrieoptimierungen sind Gradientenverfahren, die energetisch günstigste

    Kernanordnung wird iterativ ermittelt.

    kkkk gxx λ−=+1 (70)

    Die Kernanordnung 1+kx wird aus der Kernanordnung kx der vorhergehenden Iteration

    ermittelt, indem man unter Anwendung eines Schrittweiteparameters kλ in die Richtung des

    steilsten Abstieges der Energie läuft, gegeben durch die negative Gradientenrichtung kg− .

  • 2.8 Die Untersuchung von Potentialhyperflächen Seite 39

    kk x

    Eg

    ∂∂= (71)

    Der stationäre Punkt ist erreicht, wenn der Gradient innerhalb der vorgegebenen Grenzwerte

    verschwindet.

    Ebenso kann auch die zweite Ableitung der Energie nach den Kernkoordinaten, die

    sogenannte Hesse – Matrix H, für die Geometrieoptimierung verwendet werden. H gibt die

    Krümmung der Potentialfläche an.

    kkkkk gxx1

    1−

    + −= Hλ (72)

    Derartige Methoden werden als Newton – Verfahren bezeichnet. Da sie aufgrund des hohen

    Rechenzeitbedarfs praktisch meist nicht durchführbar sind, gibt es Methoden, welche 1−kH

    durch geeignete Näherungen ersetzen (Quasi – Newton – Verfahren).

    Der Charakter des stationären Punktes kann durch die Analyse der Hessematrix ermittelt

    werden. Liegen nur positive Eigenwerte vor, wurde ein Minimum gefunden, ein negativer

    Eigenwert zeigt einen Übergangszustand an. Zusätzliche negative Eigenwerte sind möglich,

    derartige stationäre Zustände lassen sich jedoch keinen aussagekräftigen chemischen

    Strukturen zuordnen.

    Eine chemische Reaktion läßt sich durch ihrer stationären Punkte und deren Energiegehalt

    charakterisieren. Da absolute Energien meist nicht von Interesse sind, wird den Edukten

    üblicherweise die Energie 0 zugeordnet, alle anderen Energieangaben erfolgen in Bezug auf

    diesen willkürlich gewählten Nullpunkt.

    In Schema 2.6 ist als Beispiel eine einstufige Reaktion

    A + B C

    gezeigt, welche einen Übergangszustand enthält. Der Begriff Reaktionkoordinate beinhaltet

    alle notwendigen Geometrieänderungen entlang des Reaktionspfades, welche

    Bindungslängen, Winkel und Diederwinkel betreffen. Der Energieunterschied zwischen den

    Edukten und der Übergangsstruktur wird als Aktivierungsenergie Ea bezeichnet. Die

    Energiedifferenz zwischen dem Produkt und den Edukten ist die Reaktionsenergie ∆E.

  • 2. Theoretische Grundlagen der Quantenmechanik Seite 40

    E TS

    Ea

    A + B

    C

    ∆E

    Reaktionskoordinate

    Schema 2.6: Gezeigt wird die Definition der Aktivierungsenergie Ea und der Reaktionsenergie amBeispiel einer einfachen Reaktion.

    Zu den negativen absoluten elektronischen Energien der Moleküle wird üblicherweise die

    positive Nullpunktsschwingungsenergie (zero point vibration energy, ZPE) addiert. Sie läßt

    sich den Molekülen auch bei null Kelvin nicht entziehen. Die ZPE kann über harmonische

    Schwingungsfrequenzen aus der Hessematrix berechnet werden.

  • Seite 41

    3. Die katalytische CS2 Hydratisierung

    durch Modellsysteme der Carboanhydrase

    HO

    C

    Zn

    N N

    N

    C

    C

    NC

    C

    N

    CC

    C

    N

    S(1)

    S(2)

  • Seite 42

  • 3.1 Einführung Seite 43

    3. Die katalytische CS2 Hydratisierung durch Modellsysteme der

    Carboanhydrase

    3.1 Einführung

    Die Carboanhydrase (CA) ist ein Zinkenzym, welches sich in fast jedem Lebewesen –

    in Pflanzen wie auch Tieren – finden läßt.83-92 Es nimmt an zahlreichen biologischen

    Prozessen teil und die Evolution hat eine große Anzahl von Isoenzymen hervorgebracht. Eine

    Isolierung gelang erstmalig durch Meldrum und Roughton,93 mittlerweile konnte auch der

    molekulare Aufbau der menschlichen Isoenzyme mit Hilfe von Röntgenstrukturanalysen

    aufgeklärt werden.94-97 Die aktive Spezies in der Proteintasche ist ein verzerrt tetraedrisch

    koordiniertes Zink(II)-ion. Es trägt drei Histidinliganden, der vierte Substituent ist in

    Abhängigkeit vom Reaktionsschritt Wasser, ein Hydroxidion oder ein Hydrogen-

    carbonatmolekül. Dieser Komplex ermöglicht die katalytische Hydratisierung von

    Kohlendioxid mit Umsatzzahlen von bis zu 10-6 s-1, welche selbst auf dem Gebiet der

    Biochemie als extrem hoch einzustufen sind.98-100

    OHCO 22 + −+ + 3HCOH

    Die Kenntnis von Struktur und Funktion des Enzyms führte zu ersten Vermutungen

    über die im Detail ablaufenden Reaktionen. Man war bemüht, die aufgestellten Mechanismen

    mit Hilfe von Experimenten und Rechnungen zu überprüfen.101-111 Es herrscht Einigkeit

    darüber, daß die Katalyse mit der Deprotonierung eines Wassermoleküls, welches an das Zink

    gebunden ist, beginnt (Schema 3.1). Dieser Schritt wird unter physiologischen Bedingungen

    ermöglicht, da das Metall den pKa Wert des Wasser drastisch herabsetzt und das Proton in ein

    Netzwerk polarer Moleküle übernommen wird. Das am Zinkkomplex verbleibende

    Hydroxidion greift als Nucleophil den elektropositiven Kohlenstoff im Kohlendioxid an.

    Unterstützt wird dieser Schritt durch eine Polarisierung des Substrats, nicht nur durch das

    Metall, sondern auch durch Aminosäuren aus der Umgebung.

  • 3. Die katalytische CS2 Hydratisierung durch Modellsysteme der Carboanhydrase Seite 44

    1. Deprotonierung von Zink – gebundenem Wasser

    2. Nucleophiler Angriff auf Kohlendioxid

    3. Isomerisierung

    a) Protonentransfer (Lipscomb):

    b) Bindungsrotation (Lindskog):

    4. Austausch von Hydrogencarbonat gegen Wasser:

    Schema 3.1: Der vorgeschlagene Katalysezyklus für die Carboanhydrase (L = Histidin). Die Schrittezwei und drei basieren auf neueren quantenchemischen Rechnungen mit CA – Modellsystemen (L =NH3, Imidazol).

    112-114

    Zn

    LLL

    OH

    CO

    O

    Zn

    LL L

    OC

    O

    OH

    Zn

    LLL

    OC

    O

    OH

    Zn

    LLL

    OC

    OH

    O

    Zn

    LLL

    OC

    OH

    O

    Zn

    LLL

    OC

    O

    OH

    Zn

    LLL

    OC

    OH

    OZn

    LLL

    OHH

    H2O+ + HCO3-

    Zn

    LL L

    OH H O H

    H

    OH

    H

    N

    N

    H

    His64

    Wasser / Puffer

  • 3.1 Einführung Seite 45

    Es ist jedoch unklar, welches Produkt beim nucleophilen Angriff entsteht (Schema

    3.2). Während in den älteren Arbeiten von einer simplen Addition des Nucleophils an den

    Carbonylkohlenstoff ausgegangen wurde, lieferten neuere ab initio Rechnungen (allerdings

    ohne Berücksichtigung der Proteinumgebung) ein Produkt für diesen Schritt, welches über

    den nucleophilen Angriff hinausgeht.112-114

    Neben dem Aufbau der Kohlenstoff – Sauerstoff Bindung kommt es auch sofort zu

    einem Austausch der Substituenten am Metall, die ehemalige Hydroxylgruppe wird als

    Komplexligand durch ein Sauerstoffatom des CO2 – Moleküls verdrängt. Entsprechend dieser

    Erkenntnisse ändern sich auch die nachfolgenden Isomerisierungsmöglichkeiten geringfügig

    (ebenfalls in Schema 3.1 dargestellt). Während ein Protonentransfer zwischen den

    Sauerstoffatomen, vorgeschlagen von Lipscomb et al.,115 weiterhin denkbar ist, muß der in

    der Literatur diskutierte Reaktionspfad von Lindskog und Mitarbeitern heute als Rotation um

    die Bindung zwischen dem Kohlenstoff und dem am Zink gebundenen Sauerstoffatom

    gesehen werden.116 Beide Schritte liefern ein identisches, stabileres Isomer und sind mit

    moderaten Aktivierungsenergien verbunden.

    Im letzten Schritt wird das am Metall koordinierte Hydrogencarbonat durc