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50 RUNNING | 3/2013 M eine erste Trainingseinheit mit Puls- messer ist nun fast 25 Jahre her. Als ambitionierter Triathlet hatte ich das Ziel Hawaii klar vor Augen, mit Unterstützung meines Vereins wurde ich mit dem Top-Modell der damals einzigen Marke ausgestattet. Der Pulsmesser trat seinen Siegeszug in allen Leis- tungsklassen an. Ich erinnere mich noch genau, wie ich mühsam die Ober- und Untergrenze meines Ausdauerbereichs GA1 programmierte, um das Piepsignal dann gleich beim ersten Lauf für immer auszuschalten – zu sehr nervte das Gepiepe bei jedem Ampelstopp. Wie wurde vor dem Pulsmesser eigentlich das Training gesteuert? Viele Sportler liefen nach Gefühl, ambitionierte Athleten hatten ihre Stre- cken mehr oder weniger umfangreich vermessen, um zumindest nachträglich zu wissen, wie schnell sie unterwegs waren. Durch die Ver- wendung des Pulsmessers konnte der Aktive sein Tempo aber schon während der Einheiten kontrollieren, sofern er seine individuellen Puls- bereiche kannte. Seit Längerem sind nun Pulsuhren mit integrierter Geschwindigkeitsanzeige auf dem Markt. Ist dies wirklich ein Fortschritt? Schließlich liefert der Puls eine Belastungs-Information direkt aus dem Körper. Nehmen wir an, ein Läufer absolviert eine Leis- tungsdiagnostik, die Empfehlung daraus sei für den GA1-Bereich ein Tempo von 5:00 bis 5:30 Minuten pro Kilometer gleichbedeutend mit einem Puls von 140 bis 150. Nun passiert bei einer Trainingseinheit Folgendes: Das Tempo liegt mit 5:15 Minuten pro Kilometer genau im Zielbereich, aber der Puls ist mit 135 unter der Empfehlung. Frage: War dies ein gutes Training, weil die Geschwindigkeit richtig war, oder ein unef- fektiver Lauf, weil der Puls zu niedrig war? Vor dem Weiterlesen lohnt es sich, über die Antwort nachzudenken. Die Frage ist ein- deutig mit „gut“ oder „uneffektiv“ zu beant- worten, längere Überlegungen wie über Trai- ningsanpassungen oder Ähnliches sind nicht notwendig. Der entscheidende Parameter beim Laufen ist die Geschwindigkeit, wenn wir eine flache Strecke voraussetzen. Vor der Entwicklung der Pulsmesser wurde die Geschwindigkeit über vermessene Strecken kontrolliert, mit dem Pulsmesser wurde die Geschwindigkeit nur indirekt über den Puls kontrolliert. Daher lautet die Antwort eindeutig, dass das Training gut war, denn die Geschwin- digkeitsvorgabe wurde eingehalten! Dies ist keine Spitzfindigkeit, viele Sportler trai- nieren uneffektiv, weil sie den Puls als entscheidend betrachten. Die Pulskontrolle hat viele Vorteile, zum Beispiel kann so das Training im profilierten Gelände gut gesteuert werden. Aber der Puls ist von sehr vielen Faktoren abhängig, die eine Trainingskontrolle erschweren: Umgebungsbedingungen wie Hitze oder Feuchtigkeit, Uhrzeit, Ermüdungszustand des Körpers oder auch Ernährungsstatus in Bezug auf Kohlenhydrate. Athleten laufen daher bei Hitze durch den erhöhten Puls teils zu langsam oder bei leichter Müdigkeit (etwa frühmorgens) durch den erniedrigten Puls teils zu schnell. Der Puls ist also nicht der entscheidende Parameter. Wenn der Puls entscheidend wäre, wäre jede spannende Sportübertragung durch den hohen Puls trainingswirksam – was leider nicht der Fall ist ... Daher ist die Trainingssteuerung über die Geschwin- digkeit ein klarer Vorteil gegenüber reinen Pulsmessern und somit ein Fortschritt – ideal ist natürlich die lang- fristige Betrachtung beider Parameter. GPS-Systeme haben den Vorteil der nicht notwendigen Kalibrierung, Systeme mit Schuhsensor sprechen dafür schneller auf Geschwindigkeitsänderungen an. Dr. André Albrecht ist Inhaber des Institut für Trainingsoptimie- rung in Wolfsburg und Landestrainer Triathlon Niedersachsen. Der promovierte Biologe betreut zahlreiche Spitzenathleten und ist selbst Läufer mit einer Marathonbestzeit von 2:40 Stunden. Seine Ansichten entsprechen nicht immer den klassischen Lehr- meinungen. Deshalb richtet sich die Serie „Querdenker“ an all jene, die experimentierfreudig über den Tellerrand schauen und neue Wege nicht scheuen. Traditionalisten und Laufanfänger sollen mit dieser Seite eher weniger angesprochen werden. << QUER DENKER >> Puls oder Geschwindigkeit? von Dr. André Albrecht WARM UP | Querdenker

Querdenker: Puls oder Geschwindigkeit?

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Page 1: Querdenker: Puls oder Geschwindigkeit?

50 RUNNING | 3/2013

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Dr. André Albrechtist Inhaber des Institut für Trainingsoptimie-

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Der promovierte Biologe betreut zahlreiche Spitzenathleten und

ist selbst Läufer mit einer M

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jene, die experimentierfreudig über den Tellerrand schauen und

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sollen mit dieser Seite eher weniger angesprochen werden.

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Puls oder Geschw

indigkeit?von D

r. André Albrecht

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brooksrunning.eu/pureproject

Die symbolisch in die Luft gestreckte Faust demonstriert

die Herrschaft über den Lauf.

© 2012 Brooks Sports, Inc.www.facebook.com/brooksrunning

Seht wie diese Läufer aus der heutigen Zeit durch ihren instinktiven Wunsch, �mehr mit weniger� zu fühlen, in ihren

Urzustand zurückversetzt werden.