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Math. Nachr. 79, 325-329 (1977) Rekonstruktion eines konvexen Korpers aus seinen Projektionen Von ROLF SCHNEIDER in Freiburg (Eingegangen am 24.9.1975) Fur einen konvexen Korper K im n-dimensionalen euklidischen Vektorraum und einen Einheitsvektor uE En bezeichne K,, das Bild von K unter der Ortho- gonalprojektion auf die zu u senkrechte Hyperebene durch den Nullpunkt des E". Durcli Kenntnis aller Projektionen K, ist K trivialerweise eindeutig bestimint. Wir befassen uns hier mit der Frage, ob man einen konvexen Korper K durch einen einfachen konstruktiven ProzeB aus seinen Projektionen K, in direkter Weise zuruckgewinnen kann. Bei den beideh daraufhin untersuchten Konstruk- tionsprozessen wird sich zeigen, da13 dies nur in trivialen Fallen nioglich ist: Man erhalt auf diese Weise Kennzeichnungen der Kugeln. 1. Integration der Projektionen Zuniichst versuchen wir, den Korper K als gewogenes Mittel (im Sinne der &!bNKOwSKIschen Linearkonibination) seiner Projektionen K, zuruckzuerhalten. 1st p ein (positives) BORELniafi auf der Einheitssphare l2 des En, so konnen wir den Korper K, = .I- KuWu) 12 bilden. Naheliegenderweise ist er wie folgt definiert : Mit der durch H(K, c) = = inax {(x, w) 1 zE K} fur WE En definierten Stutzfunktion von K bilden wir H,,(v) : = H(K,, w) dp(u) fur vE En . n Dann ist die Funktion H, positiv hoinogen und konvex, also Stutzfunktion eines eindeutig best iinmten konvexen Korpers im E", den wir dann mit K, bezeichnen. Wenn nun K,= K gilt, so wollen wir K als p-rekonstruierbar bezeichnen, und der Korper K hejl3e rekonstruierbar, wenh er p-rekonstruierbar ist fur ein ge- eignetes Ma13 p. Es scheint, da13 die so definierte Rekonstruierbarkeit eines konvexen Korpers aus seinen Projektionen eine sehr spezielle Eigenschaft ist. Die einzigen uns bekannten Beispiele rekonstruierbarer konvexer Korper sind direkte orthogonale Suinmen von Strecken, zweidimensionalen zentralsymme-

Rekonstruktion eines konvexen Körpers aus seinen Projektionen

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Math. Nachr. 79, 325-329 (1977)

Rekonstruktion eines konvexen Korpers aus seinen Projektionen

Von ROLF SCHNEIDER in Freiburg

(Eingegangen am 24.9.1975)

Fur einen konvexen Korper K im n-dimensionalen euklidischen Vektorraum und einen Einheitsvektor u E E n bezeichne K,, das Bild von K unter der Ortho-

gonalprojektion auf die zu u senkrechte Hyperebene durch den Nullpunkt des E". Durcli Kenntnis aller Projektionen K , ist K trivialerweise eindeutig bestimint. Wir befassen uns hier mit der Frage, ob man einen konvexen Korper K durch einen einfachen konstruktiven ProzeB aus seinen Projektionen K , in direkter Weise zuruckgewinnen kann. Bei den beideh daraufhin untersuchten Konstruk- tionsprozessen wird sich zeigen, da13 dies nur in trivialen Fallen nioglich ist: Man erhalt auf diese Weise Kennzeichnungen der Kugeln.

1. Integration der Projektionen

Zuniichst versuchen wir, den Korper K als gewogenes Mittel (im Sinne der &!bNKOwSKIschen Linearkonibination) seiner Projektionen K , zuruckzuerhalten. 1st p ein (positives) BORELniafi auf der Einheitssphare l2 des En, so konnen wir den Korper

K , = .I- KuWu) 12

bilden. Naheliegenderweise ist er wie folgt definiert : Mit der durch H(K, c) = = inax { (x , w) 1 zE K } fur W E En definierten Stutzfunktion von K bilden wir

H,,(v) : = H(K,, w) dp(u) fur vE En . n

Dann ist die Funktion H , positiv hoinogen und konvex, also Stutzfunktion eines eindeutig best iinmten konvexen Korpers im E", den wir dann mit K , bezeichnen.

Wenn nun K,= K gilt, so wollen wir K als p-rekonstruierbar bezeichnen, und der Korper K hejl3e rekonstruierbar, wenh er p-rekonstruierbar ist fur ein ge- eignetes Ma13 p. Es scheint, da13 die so definierte Rekonstruierbarkeit eines konvexen Korpers aus seinen Projektionen eine sehr spezielle Eigenschaft ist. Die einzigen uns bekannten Beispiele rekonstruierbarer konvexer Korper sind direkte orthogonale Suinmen von Strecken, zweidimensionalen zentralsymme-

326 Schneider, Rekonstruktion eines konvexen Korpers

trischen Korpern und Kugeln. Die Bestimmung aller rekonstruierbaren konvexen Korper durfte nicht einfach sein. Im folgenden finden wir lediglich alle prekon- struierbaren Korper, wenn rp ein Vielfaches des Lebesgueschen MaBes auf Q ist . Diese Aufgabenstellung wird nahegelegt durch die Tatsache, daB sich gemiiB der KTJBOTAschen Formel (BONNESEN-FENCHEL [ 11, S. 49) bei beliebigen kon- vexen Korpern jedenfalls die QuermaBintegrale als Richtungsmittelwerte der QuermaBintegrale der Projektionen (bis auf konstante Faktoren) zuruckgewinnen lassen.

Satz 1. Ist KcE" ein konwexer Korper (positiwer Dimension) mit K,=cK, wo 1. das LEBESauEsche Map auf Q und c eine reelle Konstante ist, so ist K eine Kugel mit dem Mittelpunkt im Nullpunkt.

Beweis. Es sei also

IH(K , , v ) dil(u)=cH(K, v) fur wEEn R

(1)

vorausgesetzt. Sei uEQ. Fur vE En setzen wir C =v -(u, v ) u , dann ist also

H(K,, w ) = max {(x, w) I XEK,} =max{(z,C)I xEK,} wegen (x, u)=O fur x E K ,

= max {(x, C) I xE K } wegen (u, i)) = 0

= H ( K , w-(u, w) u) . Wegen der positiven Homogenitat der Stutzfunktion ist also die Gleichung ( 1 ) aquivalent mit

dl(u)=cH(K, w ) fur v C Q .

R

(An der Stelle u=v ist der Integrand gleich Null zu eetzen.) Es gilt J H ( K , u ) dl(u) j i 0, da andernfalls K verschwindende mittlere Breite

hatte und somit nur einen Punkt enthielte, was der Voraussetzung widerepricht . Satz 1 ergibt sich also aus der folgenden Behauptung.

R

Behauptung. Jede stetige Losung f : Q -. R der Gleichung

mit f d l =!= 0 ist eine Konstante. R Zum Beweis dieser Behauptung benutzen wir einige bekannte Tatsachen der

elementaren Harmonischen Analyse. Die Menge 3 aller stetigen Losungen der Gleichung (2) bildet offenbar einen abgeschlossenen linearen Unterraum des reellen Vektorraumes C(0) der stetigen reellen Funktionen auf Q mit der Maxi- mum-Norm. Dieser Unterraum ist invariant bezuglich der naturlichen Opera-

Sclineider, Rekonstruktion eines konvexen Korpers 327

tion der Drehgruppe SO(n): 1st f C 3 und SESO(n), so ist offenbar auch die fur vCQ durch ( S f ) (v)=f(S-lv) erkliirte Funktion Sf eine Losung von (2). Aus dem Satz von PETER und WEYL folgt, daB jeder abgeschlossene, invariante Unter- raurn von C(Q) die abgeschlossene lineare Hulle der in ihm enthaltenen irre- duziblen Unterriiume ist (siehe z. B. WEYL [S]), also der in ihm enthaltenen Riiunie von Kugelfunktionen auf Q. Uni alle Losungen der Gleichung (2) uber- blicken zu konnen, brauchen wir also nur alle Kugelfunktionen zu finden, die dieser Gleichung genugen. Hierzu wiederum konnen wir uns fur m=O, 1 , 2, . . . auf eine Basis des Raumes der Kugelfunktionen vom Grad m beschranken, denn wenn eine Kugelfunktion f vom Grad m die Gleichung (2) erfullt, so auch alle Funktionen Sf, SCSO(n), und diese spannen den Raum der Kugelfunktionen der Ordnung m auf.

Sei vcQ. Jeden Vektor ucQ konnen wir in der Form

u = t v + ~ l - t 'G

?i€Q,:={w€Q 1 (w, v)=O} niit

darstellen; es ist also t = ( u , v). Fur m=O, 1 , 2, . . . gibt es (siehe MULLER [3], S. 22 - 28) eine Basis des Raumes der Kugelfunktionen vom Grad m in ?a Dimen- sionen von der Form

(3) S m , i , k ( n , u ) = A , , j ( n , t ) S j , k ( n - l , ? i ) , j = O , . . . , n ; k=l,. . . , N ( n - l , j ) . Dabei ist A,,j(n, a ) eine assoziierte LEGENDRE-Funktion vom Grad m, der

Ordnung j und der Dimension n, und Sj,k (n - 1, - ) ist eine (auf der GroBsphiire Q, definierte) Kugelfunktion vom Grad j in n - 1 Dimensionen.

Wir nehnien nun an, die Funktion S,,j,k(?&, .) geniige der Gleichung (2). Wegen

v-(u, v) u ~~ v-- ~ 7 = 111 - t' v -tG 1 - (u w)-

ist nach (3)

bei Beachtung von dl(u)= ( 1 -t2)'n-3)'2 dt&1,(G) ([3], S. 1) , wo 1, das (n -2 ) - dimensionale LEBEsGuEsche MaB auf der Sphiire Q, bezeichnet, ergibt sich also

(dieFunktionS,,, (n- 1 , a ) ist konstant). Dabei ist benutzt worden, da13 A,,J?a, 1 ) = = 0 fur j += 0 (siehe [3], S. 27) und

Am,o(n, t ) =atz,mPrn(n, t )

328 Schneider, Rekonstruktion eines konvexen Korpers

(siehe [3 ] , s. 23) mit einer Konstanten 0 gilt; hier ist Pm(n, .) dasLEGENDRE- Polynom vom Grad m in n Dimensionen (in der Bezeichnungsweise von MULLER [ 3 ] ) . Es hat sich also ergeben: Wenn eine Kugelfunktion vom Grad mc (0 , 1, 2 , . . .} der Gleichung ( 2 ) genugt, so muB (mit W ~ - ~ = ~ ~ ( Q ~ ) )

(4)

gelten. Sei nun f eine Losung der Gleichung ( 2 ) mitJfdl +0. Dann laat sich f gleich-

inafiig approximieren durch Linearkombinationen von Kugelfunktionen so lcher Grade m, fur die (4) gilt. Hierzu muB jedenfalls der Grad m = 0 gehoren, da andern- falls (wegen der Orthogonalitiitsrelationen fur Kugelfunktionen) J f d l = 0 ware. Wegen Pn(n, - ) = 1,

I mn-l j" (1 -t2)(n--'?)r2P m (n , 1/1 - t 2 ) d t = c ~ , ( n , 1)

-1

P,(n, 1 ) = 1 und \ P , ( n , z ) l s l fur - 1 ~ r ~ 1

( [ 3 ] , S. 9, 15), aber P,(n, -)+ 1 fur m z O , kann dann aber die Gleichung (4) fur kein m=-0 bestehen. Somit ist f eine Kugelfunktion voni Grad 0, also konstant.

2. Projektionenkorper

Nun versuchen wir, den Korper K aus seinen Projektionen K , als soge- nannten Projektionenkorper zuruckzuerhalten. (Zu dieser Begriffsbildung ver- gleiche BONNESEN-FENCHEL [ l ] , S. 44, 45, 49.) Fur rC(0 , 1, . . . , n - 2 ) und t6C.Q sei H,(u) das r-te QuermaBintegral (bezuglich En-' , also H O ( u ) das ( n - 1)- dimensionale Volumen) der Projektion K , des Korpers K . Die positiv homogene Erweiterung von H , auf En ist bekanntlich eine Stutzfunktion. Der dadurch erklarte konvexe Korper l7,K wird als r-ter Projektionenkorper von K bezeichnet, 17,K auch einfach als Projektionenkorper. Wir konnen nun nach den konvexen Korpern fragen, die durch die Bildung eines Projektionenkorpers bis auf Homo- thetie reproduziert werden. Notwendig dafur ist offenbar, daB sie zentralsyninie- trisch sind. Allgemein scheint die Beantwortung dieser Frage recht schwierig zu sein. Wir konnen lediglich im Fall r = n - 2 eine Antwort geben :

Satz 2. Ist KcE" ein konvexer Korper (positiver Dimension), der homothefisch ist zu 17,-,K, so ist K eine Kugel.

Beweis. Sei K homothetisch zu Un-,K. Wir diirfen annehmen, daB K zentralsymmetrisch zum Nullpunkt ist; dann geht also IIn-?K durch eine Strek- kung aus K hervor. Das (n - 2)-te QuermaBibtegral (bezuglich des enthaltenden

des Korpers K , ist bis auf einen konstanten Faktor seine mittlere Breite, also bis auf einen Faktor der Mittelwert seiner auf die Einheitssphare des En-' eingeschrankten Stutzfuhktion. Soniit gilt (mit den Bezeichnungen aus Q 1 )

J H ( K , v) dil,(v) = C H ( K , u) fur U E Q

QU

Schneider, Rekonstruktion eines konvexen Korpers 329

Init einer Konstanten c . Satz 2 ergibt sich also aus der folgenden Behauptung.

( 5 )

Behauptung. Jede stetige Losung f : L? -, R der Gleichung

f f ( v ) di , (v )=cf (u) far uEQ d,

mit J" f d l + 0 ist eine Konstante. Sei S,(w, - ) eine Kugelfunktion vom Grad mc{O, 1, 2 , . . .} auf Q. Dann gilt

JS,(n, v) d~ , (v )=w, - iP , (% I ) - ' P,(% 0) fl,(n, '16) Q,

(sielie [4], Formel ( 5 ) fur x = O ) . Genugt also Sm(?z, .) der Gleichung ( 5 ) , so ist

(6) (")n--IPm(rL, O)=cP,(n, 1 ) . Xun sclilieBt man wje im ersten Abschnitt. Sei f eine Losung der Gleichung (5)

mit j fd3, + 0. Dann laBt sich f gleichmal3ig approximieren durch Linearkombina- tionen von Kugelfunktionen solcher Grade m, fur die (6) gilt. Fur m=O mu13 (6) jedenfalls gelten; wegen P,(n, 0)*Pp,(n, 1 ) fur m>O (siehe [ 2 ] , S. 174 (3) , S. 175 (19) sowie [3], S. 33, FuBnote) kann die Gleichung dann itber fur kein 111 =-O gelten. Somit ist f konstant.

Bemerkung . Fur k = O , 1 , . . . sei 17:K=K und Z7:+'K=Z7(Z7:K). Fur r = O hat 19'. U'EIL [ 5 ] diese,Iteration der Projektionenkorperbildung untersucht. >lit Hilfe der oben angewendeten Methode lassen sich ahnliche Untersucliungen fur r = n - : ! anstellen. So 1aBt sich zeigen: 1st IZ;-,K homothetisch zu K fur ein kz 1 , so ist K eine Kugel. Konvergiert (in1 Sinne der HAUSDORFF-Metrik) die Folge ( C & ' ; - ~ K ) ~ ~ ~ - mit geeigneten Normierungsfaktoren cI , c l , . . . , so kann der Grenzkorper nur e'ne Kugel sein. Die Verhaltnisse liegen hier also anders als in1 Fall r = 0.

Literatur

[l] T. BOXNESEN and W. FENCHEL, Theorie der konvexen Korper. Berlin 1934. [2 ] A. ERUELYI, W. MAGNUS, F. OBERHETTINGER und E. G. TRICOMI, BATEMAN manuscript

131 c'. X ~ L L E R , Spherical harmonics. Berlin-Heidelberg-New York 1966. [a] R . SCIINEIDER, Functions on a sphere with vanishing integrals over certain subspheres. J.

[5 ] \\'. \VEIL. Uber die Projektionenkorper konvexer Polytope. Arch. Math. 19, 664-672 (1971). [GI H. W'EYL, Harmonics on homogeneous manifolds. Ann. Math. 36,486-499 (1934).

projert. Higher transcendental functions 11. New York-Toronto-London 1953.

Math. Anal. AppI. 26, 381 -384 (1969).

-4 lbert-Ludzuigs- Universitat ,lfntheniatisches Institut D - 7800 FreiburgIBreisgau d41bertstru@e 238