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Poschiavo · Bever · Ilanz · Klosters · Küblis · Landquart · Zürich T +41 81 423 7777 · www.repower.com So sieht unser Spielfeld aus. Repower freut sich als Hauptsponsor den HCD zu unterstützen. Wir bedienen Sie zuverlässig mit Strom, investieren in zukunftsgerichtete Kraftwerksprojekte, sorgen für Wertschöpfung und Arbeitsplätze in der Region.

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Poschiavo · Bever · Ilanz · Klosters · Küblis · Landquart · Zürich T +41 81 423 7777 · www.repower.com

So sieht unser Spielfeld aus.Repower freut sich als Hauptsponsor den HCD zu unterstützen.

Wir bedienen Sie zuverlässig mit Strom, investieren in zukunftsgerichtete Kraftwerksprojekte, sorgen für Wertschöpfung und Arbeitsplätze in der Region.

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Wir lassen uns den Wind um die Ohren pfeifenWWWir lassen uns den Wind um die Ohren pfefef ififi efef nnn

Nicht nur Politiker, Schlagersän-ger, Gewohnheiten und Fir-men verschwinden Tag für Tag,manche plötzlich, als hätte sieder Erdboden verschluckt, eini-

ge ruhig und gemächlich, im unerbittlichenTakt der Zeit. Selbst ehrbare, traditionsrei-che, eben noch unentbehrliche Berufe ha-ben von der Furie des Verschwindens keineSchonung zu erwarten. Vor Jahren hat RudiPalla etlichen von ihnen mit seinem „Lexi-kon der verschwundenen Berufe“ ein lite-rarisches Denkmal gesetzt, dem Rosstäu-scher, Zokelmacher, Schorrer, Beutler undMäntler, selbst dem dahingegangenenFischbeinreißer verweigerte er nicht die Re-verenz. Nur für einen Beruf hält der Thesau-rus der verblichenen Professionen keinenEintrag bereit, kein Wort erinnert an ihn,obwohl sein Ableben unbestreitbar ist. DieVergesslichkeit des Erinnerungsbuchs istdafür nur der dramatische Beweis.

Mehr als 200 Jahre lang galt – zumal inDeutschland – der Kommentator als leib-haftige Fackel der Aufklärung, als Immer-grün des demokratischen Gedankens, alsVersöhnung von Geist und Tat im Zeichender Einigkeit, des Rechts, der Freiheit. WerKommentator war, der ließ sich zwar bezah-len, aber nicht für den Beruf, dem er nach-ging, sondern allein für die Berufung, der erfolgte. Darin, nur darin, glich er dem Pries-ter, den er von der Kanzel stieß, aber die Of-fenbarung, die er täglich in der Zeitung zuverkünden hatte, handelte nicht mehr vonder Ankunft, dem Advent des Herrn, son-dern vom Ende der Herrschaft des Glau-bens über den Gedanken, der verfügtenWahrheit über die unverfügbare Meinung.

Der Kommentator war der Hohepriesterdes öffentlichen Diskurses und schon sehrbald aus ihm nicht mehr wegzudenken,selbst als es den Diskurs gar nicht mehr gab.Zweimal hat der Kommentator in Deutsch-land das Ende des Diskurses nicht nur un-beeindruckt, sondern unbehelligt über-standen. Mochten die anderen ängstlichschweigen, weil der Staat ihnen zu schwei-gen befahl – der deutsche Kommentatorsprach frei und offen weiter. Mochte derStaat, mochte der Zensor die Verkündungmal der völkischen, mal der sozialistischenWahrheit befehlen – unerschütterlich hieltder deutsche Kommentator an seiner Mei-nung fest, schrieb, was er dachte, dachte,was er schrieb. Und es war ein unerhörtes,aber hochverdientes Glück, dass der deut-sche Kommentator im einen wie im ande-ren Fall als seine Meinung schrieb unddachte, was der Staat als Wahrheit zu schrei-ben und zu denken befahl.

Das alles überstanden zu haben – nichtnur ungebrochen, sondern bruchlos – unddennoch vergessen zu sein, 200 Jahre allge-genwärtig und plötzlich verschwunden, dasist mehr als eine ironische, das ist fast einezynische Volte der Geschichte. Just in demAugenblick, da der öffentliche Diskurs seineschönste Blüte erlebt, da jede Bürgerin undjeder Bürger zu jeder Tages- und zu jederNachtzeit zur Teilnahme am Diskurs gela-den ist und kein Gegenstand – vom Hygie-nekomfort des Hundeklos bis zum Bundes-haushalt, von der Nassrasur der Topfpflan-ze bis zum Straßen- und Geschlechtsver-kehr im Vatikanstaat – befürchten muss,

nicht vorzukommen im Gedankenaus-tausch der mündigen Gesellschaft, war esum die Zukunft des Vorkämpfers, des Ver-teidigers und Bürgen der freien Meinungs-äußerung und damit auch um die Professi-on des Kommentators unwiderruflich ge-schehen. Er hat seinen heroischen Kampfnicht nur gewonnen, er hat sich zu Tode ge-siegt.

„Einen Gedanken nur braucht der Mei-nungsmann/ einen Gedanken – das istdoch nicht schwer./ Einen Gedanken nur

braucht der Meinungsmann/ einen Gedan-ken – und niemals einen mehr.“ Das Endedes Kommentators war gekommen, als dieKundschaft erkannte, dass eine Meinungs-äußerung manches verlangt, aber bestimmtkeinen Gedanken. Die Unterstellung wäreungerecht, die Kundschaft wäre selbst dar-auf gekommen. Das Verdienst gebührt ein-zig und allein den Organisatoren des Dis-kurses, den Protagonisten und Hauptprofi-teuren der Meinungsfreiheit, also den Me-dien. Ihre Versicherung, eine Meinung sei

dazu da, um geäußert, nicht aber, um be-gründet zu werden, haben sie sich selbst alsErste geglaubt. Wer den Versuch unter-nimmt, den Ablauf einer Talkshow mit ei-nem Gedanken zu stören und Zuflucht zueiner Begründung nimmt, darf sich überdas abgedrehte Mikrofon nicht beschwe-ren. Ein Fernsehkommentator, der sich un-tersteht, dem Volksempfinden im Bauchmit einer Regung im Kopf entgegenzutre-ten, gilt epidemiologisch als Erreger einesöffentlichen Ärgernisses. Und eine Mei-nung, ob nun von einem Politiker, einemFußballspieler, einem Kardinal oder einemZuhälter geäußert, die zwischen der ver-bindlichen Einleitung: „Ich sag’ mal …“ unddem obligatorischen Schlusswort: „… ir-gendwie“ nur den Rückstand eines Argu-ments enthält, trägt ihrem Absender denunvermeidlichen Tadel ein, weder an-schlussfähig im Diskurs noch medienkom-patibel zu sein.

Wenn nicht nur alles kommentiert, son-dern auch alles von allen kommentiertwird, versteht es sich von selbst, dass derKommentator seine Rolle verloren, seinenKredit verspielt und seinen Ruhestand ver-dient hat. Ohnehin war – außer ihm selbst –nie ganz klar, worin seine Bedeutung ei-gentlich bestand. Zum Propheten taugte ernicht – die Geschichte kennt gute undschlechte, aber keine bezahlten Propheten.Als Vertreter von Partei-, jedenfalls von Par-tikularinteressen hatte er zwar seine Meri-ten – ausgerechnet die aber hat er öffentlichimmer bestritten. Jetzt ist er dahin, unbe-merkt und unbetrauert. Was folgt, hat EmilDovifat, Nestor der deutschen Publizistik inden Zwanzigerjahren, so beschrieben: „Diedeutsche Presse wird erst dann wirklichamerikanisiert sein, wenn sie sich nichtmehr als führende Waffe im Meinungs-kampfe, sondern als dienstfertige Spiegle-rin aller Masseninstinkte betätigt.“

Dorlamm meintDichter Dorlamm lässt nur äußerst seltenandre Meinungen als die seine gelten.

Meinung, sagt er, kommt nun mal von mein,deine Meinung kann nicht meine sein.

Meine Meinung – ja, das lässt sich hören!Deine Deinung könnte da nur stören.

Und ihr andern schweigt! Du meine Güte!Eure Eurung steckt Euch an die Hüte!

Lasst uns schweigen, Freunde! Senkt das Banner!Dorlamm irrt. Doch formulieren kann er.

Robert Gernhardt

Ein Gedanke für den

MeinungsmannTriumph und Ende des Kommentators.Nachruf auf einen Beruf, den es nicht mehr gibt,seit alle ihn ergriffen haben.

VON CHRISTIAN BOMMARIUS

L A I F / N O R B E R T E N K E R

Der Kopf ist rund, damit Gedanken ihre Richtung ändern können, heißt es. Und im Kopf istreichlich Platz für gedankliche Windungen jeder Art.

Die Ze i tungB ü n d n e r Z e i t u n g · N u m m e r 1 1 5 · F r e i t a g , 2 1 . J a n u a r 2 0 1 0

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arbeiten unter Hochspannung

aarbeiten unter Hochspannunggg

Hier am Kiosk wird viel gespro-chen. Ich unterhalte mich gernemit den Kunden. Ich mache sieauf Artikel aufmerksam, unddann kommen sie am nächsten

Tag und wir reden darüber. Manchmal ent-stehen Gruppen und dann wird diskutiert.Da geht es auch mal sehr lebhaft zu. Ichmag das an meinem Beruf.

Jetzt habe ich – Sie wollten ja wissen, wieIhre Westleser aussehen – meine Kundennach der Berliner Zeitung gefragt, warumsie sie kaufen, wie sie ihnen gefällt. Ich er-zähle Ihnen das einfach so, wie sie es mir er-zählt haben. Etwa 25 kaufen jeden Tag dieBerliner Zeitung an meinem Kiosk Kant-,Ecke Schlüterstraße. Es könnten sichermehr sein, aber wir bekommen sofort weni-ger geliefert, wenn wir mal weniger verkau-fen. Wenn oben in der Wilmersdorfer dieZeitung umsonst verteilt wird, hier also we-niger gekauft werden, dann werde ich auto-matisch runtergestuft. Der Grossist hat kei-ne Ahnung, dass das nur an einer Werbeak-tion liegt. Ich muss mich also melden undsagen, dass ich wieder mehr verkaufenkönnte. Manchmal komme ich nicht dazuoder vergesse das. Dann verkaufe ich weni-ger, als ich könnte. Zurzeit verkaufe ich etwa25 Berliner Zeitungen am Tag. Den Tages-spiegel kaufen vierzig Kunden.

Ich habe den Kiosk seit 26 Jahren. Zu-sammen mit meinem Freund Uwe Jacobi-Mewes, mit dem ich seit 37 Jahren zusam-men bin. Seit drei Jahren sind wir verheira-tet. Wir dachten, jetzt, da es das Gesetz gibt,müssen auch ein paar davon Gebrauch ma-chen. Wir wollten die, die es erkämpft hat-ten, nicht allein dastehen lassen.

Manche Westberliner halten die BerlinerZeitung für ostlastig. Die meisten Wessis da-gegen haben wie die Berliner Zeitung dieganze Stadt im Kopf. Einer meiner Stamm-kunden, Leser der Süddeutschen und derBerliner Zeitung – sonnabends liest er auchdie taz – ist mein Wunschberliner, ein libe-raler, großzügiger, freundlicher Mann miteiner wunderbar tiefen Stimme. Seine Vor-fahren kommen, wie es sich für einen Berli-ner gehört, aus Ostpreußen. Er ist ein pen-sionierter höherer Beamter, Großvater. Einsehr interessierter Mann. Er war beruflichlange in den USA. Jetzt reist er viel, nachAsien, nach Polen. Er macht auch großeRadtouren. Seine Enkelin versucht er sichzu einem Jungen zu erziehen. Er findet, dassder Tagesspiegel oft schneller ist als die Ber-liner Zeitung. Dennoch wirke der im Ver-gleich insgesamt dann doch ein wenig ver-schnarcht. Ich mag diesen Mann. So stelleich mir den guten Preußen vor.

Ein Angestellter bei den Wasserwerken –er kommt aus dem Ruhrgebiet – liest dieBerliner Zeitung wegen des Formats. Viel-leicht ist aber auch ein Grund, dass seineFrau beim Tagesspiegel gearbeitet hatteund dort im Ärger ging. Eine Vermessungs-ingenieurin, die jeden Tag mit der S-Bahnbis nach Ahrensfelde fährt, findet auch,dass die Zeitung so großartig in die S-Bahnpasst, dass sie keine andere liest. Ein jungerMann, ein Computerfachmann, angestellt

bei einer Firma, die für die BVG arbeitet,liest nur die Berliner Zeitung. Er kommt je-den Morgen mit dem Fahrrad. Wir unterhal-ten uns oft. Er ist Rudersportler und in sei-ner Freizeit repariert er mit Freunden alteBusse, mit denen sie dann Ausflugslinienbefahren. Eine ältere Dame, eine einge-fleischte Westberlinerin, hat sich irgend-wann mal so über den Tagesspiegel geär-gert, dass sie jetzt die Berliner Zeitung kauft.Ein Fernsehautor, dessen Namen ich nichtweiß, hat mir gesagt, er kaufe die BerlinerZeitung, weil es die einzige linksliberale Zei-tung in Berlin sei. Das ist wohl etwas über-

trieben. Ich weiß ja, dass er nicht alles liest.Aber so sieht er es eben. „Erste Liebe“ heißtder Fernsehfilm, den er u.a. gemacht habensoll. Er kommt jeden Morgen, geht hinüberins Kant-Café und liest dort etwa eine Stun-de. Dort liegt übrigens auch die BerlinerZeitung aus und im Jules Verne und beimBäcker neben dem Kiosk.

Ullrich Matthes, der Schauspieler,kommt auch oft an meinen Kiosk. Er kauftdie Süddeutsche Zeitung und die Frankfur-ter Allgemeine Zeitung. In der Berliner Zei-tung blättert er, aber er kauft sie nie. Ichhabe ihn gefragt, warum er sie nicht kauft.„Es steht nichts drin oder nur Schlechtes“,erklärte er mir. „Ich weiß nicht, was die ge-gen mich haben. Die mögen mich einfachnicht.“ Matthes unterhält sich oft lange mituns. Wir reden über alles und wenn wir imTheater waren, will er wissen, was wir vomStück, von den Schauspielern halten.

Guido Sieber, ein fleißiger Käufer derBerliner Zeitung, ist Maler. Er hat auch dasTip-Titelbild zum Holocaust-Mahnmal ge-macht. Das wurde ihm dann vom Deut-schen Historischen Museum abgekauft. Ichhalte ihn für einen großen Künstler und esmacht mir Freude, wenn ich in einer Zeit-schrift Illustrationen von ihm entdecke. Ichhabe auch zwei Bilder von ihm.

Ein anderer Käufer der Berliner Zeitungholt sie jeden Tag mit der Frankfurter Allge-meinen Zeitung. Er ist Freiberufler, Hobby-koch. Als ich ihn einmal einen Gesund-heitsfanatiker nannte, da wehrte er ent-setzt ab: ein Fanatiker wollte er nicht sein.Er bringt uns auch mal Rezepte mit. Dazustellt er mir ein Kilo Mehl auf die Zeitun-gen, Biomehl natürlich, und ein paar Tagespäter will er wissen, wie uns geschmeckt

hat, was wir nach seinem Rezept gekochthaben. Er schreibt ständig Leserbriefe.Auch an die Berliner Zeitung und be-schwert sich über die vielen Fehler. Er er-trägt sie nicht. Ich dagegen habe ja nichtsgegen Fehler. Wo ich einen sehe, begrüßeich ihn und sage: auch so ein Unvollkom-mener. Aber er regt sich auf. Wenn Leuteam Kiosk stehen und lassen den Motor lau-fen, stellt er sie zur Rede. Sie sollen den Mo-tor doch bitte ausmachen.

Ein junger Mann, er ist Referent im Fa-milienministerium, sagte mir, die BerlinerZeitung sei eine Zeitung für die ganze Stadt.Eine Kundin, die Die Zeit und die BerlinerZeitung liest, arbeitet im carrousel-Theater.Ich weiß nicht mehr über sie. Es gibt auchKunden, die kaufen die Berliner Zeitung nurwegen des Kulturjournals, nur am Donners-tag. Andere kaufen sie nur wegen des chine-sischen Lottos, wegen der Keno-Zahlen.Das ist auch ein Grund, die Zeitung zu kau-fen. Die Sonnabendausgabe wird viel ge-lobt. Ich finde das Magazin auch sehr gut.Diesmal war allerdings – das kommt ganzselten vor – ein ausgesprochen blöder Arti-kel darin. Es ging darum, dass der Dandy imTrend läge und man sich auch ganz billig alsDandy – Zylinder und all diese Sachen – an-ziehen könnte. Das interessiert mich nicht.Aber der Artikel über Thierse in Breslau, derwar großartig. Manchmal habe ich den Ein-druck, die Politiker aus dem Osten trauensich eher als die aus dem Westen, auch malihre Empfindungen zu äußern. Den Artikelhabe ich viel weiterempfohlen.

Eine Lehrerin, die jeden Tag die BerlinerZeitung kauft und die ich auch fragte, war-um, meinte nur: „Es gibt nichts Besseres!“Ein Bildhauer aus Westdeutschland, der inMitte arbeitet, meinte – er ist auch sonstwortkarg: „Ist doch ’ne gute Zeitung!“ EinEhepaar: er, ein Beamter aus dem Untersu-chungsgefängnis, liest die Berliner Zeitung,sie den Tagesspiegel. Wir machen es ja ge-nauso: Mein Freund Uwe liest den Tages-spiegel und ich die Berliner Zeitung. Das istschön. So hat man sich etwas zu erzählen,kann sich unterhalten. Wir zeigen uns dieArtikel, die wir gut finden. Ich lese Uwesonnabends immer den Streifen „BerlinMitte“ auf der Aufschlagseite des Magazinsvor. Der Beamte ist übrigens auch ein Fandes Magazins.

Ein Hausmeister aus einem der Gebäudehier in der Umgebung liest schon lange dieBerliner Zeitung. Er sagte mir: „Einmal gele-sen und immer dabei geblieben.“ Ein sehrmodisch gekleideter junger Mann, der sichals Videothekar bezeichnet, beantwortetemeine Frage mit „rundherum eine gute Zei-tung“. Für meinen Geschmack ist er ja einwenig zu sehr gestylt. Aber er ist sehr nett.Ein Bankangestellter, dessen Frau ehren-amtlich für die Kirche arbeitet, sagte mir:„Eine andere Zeitung könnte ich nicht le-sen.“ Dann ist da noch ein eher schweigsa-mer, Taxi fahrender Akademiker, ein großer,feiner Mann, der jeden Tag seine Kinder biszur S-Bahn bringt und dann bei mir die Ber-liner Zeitung kauft. Das sind so meine Kun-den und Ihre Leser.

Ist doch ’ne gute Zeitung

Der Leser ist das unbekannte Wesen. Der Käufer dagegen hat ein Gesicht. Einer kennt dieKäufer besser als jeder andere: ein Kioskbetreiber inCharlottenburg. Er hat seine Kunden befragt undstellt uns den Westleser vor.

VON ACHIM MEWES

B E R L I N E R Z E I T U N G / M I K E F R Ö H L I N G

Autor Achim Mewes (r.) mit seinem Freund Uwe Jacobi-Mewes in ihrem Kiosk

Hardenbergstr.

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Savigny-platz

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Savignyplatz

Savigny-platz

Kurfürstendamm

Kiosk

B E R L I N E R Z E I T U N G / R I TA B Ö T T C H E R

Die Ze i tung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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und strahlen in neuem Licht: Aus Rätia Energie wird Repower

tüfteln an Erfolgsrezeptentttüftftf eln an Erfofof lgsrezeptennn

Nicht nur Politiker, Schlagersän-ger, Gewohnheiten und Fir-men verschwinden Tag für Tag,manche plötzlich, als hätte sieder Erdboden verschluckt, eini-

ge ruhig und gemächlich, im unerbittlichenTakt der Zeit. Selbst ehrbare, traditionsrei-che, eben noch unentbehrliche Berufe ha-ben von der Furie des Verschwindens keineSchonung zu erwarten. Vor Jahren hat RudiPalla etlichen von ihnen mit seinem „Lexi-kon der verschwundenen Berufe“ ein lite-rarisches Denkmal gesetzt, dem Rosstäu-scher, Zokelmacher, Schorrer, Beutler undMäntler, selbst dem dahingegangenenFischbeinreißer verweigerte er nicht die Re-verenz. Nur für einen Beruf hält der Thesau-rus der verblichenen Professionen keinenEintrag bereit, kein Wort erinnert an ihn,obwohl sein Ableben unbestreitbar ist. DieVergesslichkeit des Erinnerungsbuchs istdafür nur der dramatische Beweis.

Mehr als 200 Jahre lang galt – zumal inDeutschland – der Kommentator als leib-haftige Fackel der Aufklärung, als Immer-grün des demokratischen Gedankens, alsVersöhnung von Geist und Tat im Zeichender Einigkeit, des Rechts, der Freiheit. WerKommentator war, der ließ sich zwar bezah-len, aber nicht für den Beruf, dem er nach-ging, sondern allein für die Berufung, der erfolgte. Darin, nur darin, glich er dem Pries-ter, den er von der Kanzel stieß, aber die Of-fenbarung, die er täglich in der Zeitung zuverkünden hatte, handelte nicht mehr vonder Ankunft, dem Advent des Herrn, son-dern vom Ende der Herrschaft des Glau-bens über den Gedanken, der verfügtenWahrheit über die unverfügbare Meinung.

Der Kommentator war der Hohepriesterdes öffentlichen Diskurses und schon sehrbald aus ihm nicht mehr wegzudenken,selbst als es den Diskurs gar nicht mehr gab.Zweimal hat der Kommentator in Deutsch-land das Ende des Diskurses nicht nur un-beeindruckt, sondern unbehelligt über-standen. Mochten die anderen ängstlichschweigen, weil der Staat ihnen zu schwei-gen befahl – der deutsche Kommentatorsprach frei und offen weiter. Mochte derStaat, mochte der Zensor die Verkündungmal der völkischen, mal der sozialistischenWahrheit befehlen – unerschütterlich hieltder deutsche Kommentator an seiner Mei-nung fest, schrieb, was er dachte, dachte,was er schrieb. Und es war ein unerhörtes,aber hochverdientes Glück, dass der deut-sche Kommentator im einen wie im ande-ren Fall als seine Meinung schrieb unddachte, was der Staat als Wahrheit zu schrei-ben und zu denken befahl.

Das alles überstanden zu haben – nichtnur ungebrochen, sondern bruchlos – unddennoch vergessen zu sein, 200 Jahre allge-genwärtig und plötzlich verschwunden, dasist mehr als eine ironische, das ist fast einezynische Volte der Geschichte. Just in demAugenblick, da der öffentliche Diskurs seineschönste Blüte erlebt, da jede Bürgerin undjeder Bürger zu jeder Tages- und zu jederNachtzeit zur Teilnahme am Diskurs gela-den ist und kein Gegenstand – vom Hygie-nekomfort des Hundeklos bis zum Bundes-haushalt, von der Nassrasur der Topfpflan-ze bis zum Straßen- und Geschlechtsver-kehr im Vatikanstaat – befürchten muss,

nicht vorzukommen im Gedankenaus-tausch der mündigen Gesellschaft, war esum die Zukunft des Vorkämpfers, des Ver-teidigers und Bürgen der freien Meinungs-äußerung und damit auch um die Professi-on des Kommentators unwiderruflich ge-schehen. Er hat seinen heroischen Kampfnicht nur gewonnen, er hat sich zu Tode ge-siegt.

„Einen Gedanken nur braucht der Mei-nungsmann/ einen Gedanken – das istdoch nicht schwer./ Einen Gedanken nur

braucht der Meinungsmann/ einen Gedan-ken – und niemals einen mehr.“ Das Endedes Kommentators war gekommen, als dieKundschaft erkannte, dass eine Meinungs-äußerung manches verlangt, aber bestimmtkeinen Gedanken. Die Unterstellung wäreungerecht, die Kundschaft wäre selbst dar-auf gekommen. Das Verdienst gebührt ein-zig und allein den Organisatoren des Dis-kurses, den Protagonisten und Hauptprofi-teuren der Meinungsfreiheit, also den Me-dien. Ihre Versicherung, eine Meinung sei

dazu da, um geäußert, nicht aber, um be-gründet zu werden, haben sie sich selbst alsErste geglaubt. Wer den Versuch unter-nimmt, den Ablauf einer Talkshow mit ei-nem Gedanken zu stören und Zuflucht zueiner Begründung nimmt, darf sich überdas abgedrehte Mikrofon nicht beschwe-ren. Ein Fernsehkommentator, der sich un-tersteht, dem Volksempfinden im Bauchmit einer Regung im Kopf entgegenzutre-ten, gilt epidemiologisch als Erreger einesöffentlichen Ärgernisses. Und eine Mei-nung, ob nun von einem Politiker, einemFußballspieler, einem Kardinal oder einemZuhälter geäußert, die zwischen der ver-bindlichen Einleitung: „Ich sag’ mal …“ unddem obligatorischen Schlusswort: „… ir-gendwie“ nur den Rückstand eines Argu-ments enthält, trägt ihrem Absender denunvermeidlichen Tadel ein, weder an-schlussfähig im Diskurs noch medienkom-patibel zu sein.

Wenn nicht nur alles kommentiert, son-dern auch alles von allen kommentiertwird, versteht es sich von selbst, dass derKommentator seine Rolle verloren, seinenKredit verspielt und seinen Ruhestand ver-dient hat. Ohnehin war – außer ihm selbst –nie ganz klar, worin seine Bedeutung ei-gentlich bestand. Zum Propheten taugte ernicht – die Geschichte kennt gute undschlechte, aber keine bezahlten Propheten.Als Vertreter von Partei-, jedenfalls von Par-tikularinteressen hatte er zwar seine Meri-ten – ausgerechnet die aber hat er öffentlichimmer bestritten. Jetzt ist er dahin, unbe-merkt und unbetrauert. Was folgt, hat EmilDovifat, Nestor der deutschen Publizistik inden Zwanzigerjahren, so beschrieben: „Diedeutsche Presse wird erst dann wirklichamerikanisiert sein, wenn sie sich nichtmehr als führende Waffe im Meinungs-kampfe, sondern als dienstfertige Spiegle-rin aller Masseninstinkte betätigt.“

Dorlamm meintDichter Dorlamm lässt nur äußerst seltenandre Meinungen als die seine gelten.

Meinung, sagt er, kommt nun mal von mein,deine Meinung kann nicht meine sein.

Meine Meinung – ja, das lässt sich hören!Deine Deinung könnte da nur stören.

Und ihr andern schweigt! Du meine Güte!Eure Eurung steckt Euch an die Hüte!

Lasst uns schweigen, Freunde! Senkt das Banner!Dorlamm irrt. Doch formulieren kann er.

Robert Gernhardt

Ein Gedanke für den

MeinungsmannTriumph und Ende des Kommentators.Nachruf auf einen Beruf, den es nicht mehr gibt,seit alle ihn ergriffen haben.

VON CHRISTIAN BOMMARIUS

L A I F / N O R B E R T E N K E R

Der Kopf ist rund, damit Gedanken ihre Richtung ändern können, heißt es. Und im Kopf istreichlich Platz für gedankliche Windungen jeder Art.

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Wir ändern unseren Namen, bleiben aber Ihr zuverlässiger Partner. Mehr Infos unter www.repower.com

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uuund strahlen in neuem Licht: Aus Rätia Energie wird Repowerrr

Hier am Kiosk wird viel gespro-chen. Ich unterhalte mich gernemit den Kunden. Ich mache sieauf Artikel aufmerksam, unddann kommen sie am nächsten

Tag und wir reden darüber. Manchmal ent-stehen Gruppen und dann wird diskutiert.Da geht es auch mal sehr lebhaft zu. Ichmag das an meinem Beruf.

Jetzt habe ich – Sie wollten ja wissen, wieIhre Westleser aussehen – meine Kundennach der Berliner Zeitung gefragt, warumsie sie kaufen, wie sie ihnen gefällt. Ich er-zähle Ihnen das einfach so, wie sie es mir er-zählt haben. Etwa 25 kaufen jeden Tag dieBerliner Zeitung an meinem Kiosk Kant-,Ecke Schlüterstraße. Es könnten sichermehr sein, aber wir bekommen sofort weni-ger geliefert, wenn wir mal weniger verkau-fen. Wenn oben in der Wilmersdorfer dieZeitung umsonst verteilt wird, hier also we-niger gekauft werden, dann werde ich auto-matisch runtergestuft. Der Grossist hat kei-ne Ahnung, dass das nur an einer Werbeak-tion liegt. Ich muss mich also melden undsagen, dass ich wieder mehr verkaufenkönnte. Manchmal komme ich nicht dazuoder vergesse das. Dann verkaufe ich weni-ger, als ich könnte. Zurzeit verkaufe ich etwa25 Berliner Zeitungen am Tag. Den Tages-spiegel kaufen vierzig Kunden.

Ich habe den Kiosk seit 26 Jahren. Zu-sammen mit meinem Freund Uwe Jacobi-Mewes, mit dem ich seit 37 Jahren zusam-men bin. Seit drei Jahren sind wir verheira-tet. Wir dachten, jetzt, da es das Gesetz gibt,müssen auch ein paar davon Gebrauch ma-chen. Wir wollten die, die es erkämpft hat-ten, nicht allein dastehen lassen.

Manche Westberliner halten die BerlinerZeitung für ostlastig. Die meisten Wessis da-gegen haben wie die Berliner Zeitung dieganze Stadt im Kopf. Einer meiner Stamm-kunden, Leser der Süddeutschen und derBerliner Zeitung – sonnabends liest er auchdie taz – ist mein Wunschberliner, ein libe-raler, großzügiger, freundlicher Mann miteiner wunderbar tiefen Stimme. Seine Vor-fahren kommen, wie es sich für einen Berli-ner gehört, aus Ostpreußen. Er ist ein pen-sionierter höherer Beamter, Großvater. Einsehr interessierter Mann. Er war beruflichlange in den USA. Jetzt reist er viel, nachAsien, nach Polen. Er macht auch großeRadtouren. Seine Enkelin versucht er sichzu einem Jungen zu erziehen. Er findet, dassder Tagesspiegel oft schneller ist als die Ber-liner Zeitung. Dennoch wirke der im Ver-gleich insgesamt dann doch ein wenig ver-schnarcht. Ich mag diesen Mann. So stelleich mir den guten Preußen vor.

Ein Angestellter bei den Wasserwerken –er kommt aus dem Ruhrgebiet – liest dieBerliner Zeitung wegen des Formats. Viel-leicht ist aber auch ein Grund, dass seineFrau beim Tagesspiegel gearbeitet hatteund dort im Ärger ging. Eine Vermessungs-ingenieurin, die jeden Tag mit der S-Bahnbis nach Ahrensfelde fährt, findet auch,dass die Zeitung so großartig in die S-Bahnpasst, dass sie keine andere liest. Ein jungerMann, ein Computerfachmann, angestellt

bei einer Firma, die für die BVG arbeitet,liest nur die Berliner Zeitung. Er kommt je-den Morgen mit dem Fahrrad. Wir unterhal-ten uns oft. Er ist Rudersportler und in sei-ner Freizeit repariert er mit Freunden alteBusse, mit denen sie dann Ausflugslinienbefahren. Eine ältere Dame, eine einge-fleischte Westberlinerin, hat sich irgend-wann mal so über den Tagesspiegel geär-gert, dass sie jetzt die Berliner Zeitung kauft.Ein Fernsehautor, dessen Namen ich nichtweiß, hat mir gesagt, er kaufe die BerlinerZeitung, weil es die einzige linksliberale Zei-tung in Berlin sei. Das ist wohl etwas über-

trieben. Ich weiß ja, dass er nicht alles liest.Aber so sieht er es eben. „Erste Liebe“ heißtder Fernsehfilm, den er u.a. gemacht habensoll. Er kommt jeden Morgen, geht hinüberins Kant-Café und liest dort etwa eine Stun-de. Dort liegt übrigens auch die BerlinerZeitung aus und im Jules Verne und beimBäcker neben dem Kiosk.

Ullrich Matthes, der Schauspieler,kommt auch oft an meinen Kiosk. Er kauftdie Süddeutsche Zeitung und die Frankfur-ter Allgemeine Zeitung. In der Berliner Zei-tung blättert er, aber er kauft sie nie. Ichhabe ihn gefragt, warum er sie nicht kauft.„Es steht nichts drin oder nur Schlechtes“,erklärte er mir. „Ich weiß nicht, was die ge-gen mich haben. Die mögen mich einfachnicht.“ Matthes unterhält sich oft lange mituns. Wir reden über alles und wenn wir imTheater waren, will er wissen, was wir vomStück, von den Schauspielern halten.

Guido Sieber, ein fleißiger Käufer derBerliner Zeitung, ist Maler. Er hat auch dasTip-Titelbild zum Holocaust-Mahnmal ge-macht. Das wurde ihm dann vom Deut-schen Historischen Museum abgekauft. Ichhalte ihn für einen großen Künstler und esmacht mir Freude, wenn ich in einer Zeit-schrift Illustrationen von ihm entdecke. Ichhabe auch zwei Bilder von ihm.

Ein anderer Käufer der Berliner Zeitungholt sie jeden Tag mit der Frankfurter Allge-meinen Zeitung. Er ist Freiberufler, Hobby-koch. Als ich ihn einmal einen Gesund-heitsfanatiker nannte, da wehrte er ent-setzt ab: ein Fanatiker wollte er nicht sein.Er bringt uns auch mal Rezepte mit. Dazustellt er mir ein Kilo Mehl auf die Zeitun-gen, Biomehl natürlich, und ein paar Tagespäter will er wissen, wie uns geschmeckt

hat, was wir nach seinem Rezept gekochthaben. Er schreibt ständig Leserbriefe.Auch an die Berliner Zeitung und be-schwert sich über die vielen Fehler. Er er-trägt sie nicht. Ich dagegen habe ja nichtsgegen Fehler. Wo ich einen sehe, begrüßeich ihn und sage: auch so ein Unvollkom-mener. Aber er regt sich auf. Wenn Leuteam Kiosk stehen und lassen den Motor lau-fen, stellt er sie zur Rede. Sie sollen den Mo-tor doch bitte ausmachen.

Ein junger Mann, er ist Referent im Fa-milienministerium, sagte mir, die BerlinerZeitung sei eine Zeitung für die ganze Stadt.Eine Kundin, die Die Zeit und die BerlinerZeitung liest, arbeitet im carrousel-Theater.Ich weiß nicht mehr über sie. Es gibt auchKunden, die kaufen die Berliner Zeitung nurwegen des Kulturjournals, nur am Donners-tag. Andere kaufen sie nur wegen des chine-sischen Lottos, wegen der Keno-Zahlen.Das ist auch ein Grund, die Zeitung zu kau-fen. Die Sonnabendausgabe wird viel ge-lobt. Ich finde das Magazin auch sehr gut.Diesmal war allerdings – das kommt ganzselten vor – ein ausgesprochen blöder Arti-kel darin. Es ging darum, dass der Dandy imTrend läge und man sich auch ganz billig alsDandy – Zylinder und all diese Sachen – an-ziehen könnte. Das interessiert mich nicht.Aber der Artikel über Thierse in Breslau, derwar großartig. Manchmal habe ich den Ein-druck, die Politiker aus dem Osten trauensich eher als die aus dem Westen, auch malihre Empfindungen zu äußern. Den Artikelhabe ich viel weiterempfohlen.

Eine Lehrerin, die jeden Tag die BerlinerZeitung kauft und die ich auch fragte, war-um, meinte nur: „Es gibt nichts Besseres!“Ein Bildhauer aus Westdeutschland, der inMitte arbeitet, meinte – er ist auch sonstwortkarg: „Ist doch ’ne gute Zeitung!“ EinEhepaar: er, ein Beamter aus dem Untersu-chungsgefängnis, liest die Berliner Zeitung,sie den Tagesspiegel. Wir machen es ja ge-nauso: Mein Freund Uwe liest den Tages-spiegel und ich die Berliner Zeitung. Das istschön. So hat man sich etwas zu erzählen,kann sich unterhalten. Wir zeigen uns dieArtikel, die wir gut finden. Ich lese Uwesonnabends immer den Streifen „BerlinMitte“ auf der Aufschlagseite des Magazinsvor. Der Beamte ist übrigens auch ein Fandes Magazins.

Ein Hausmeister aus einem der Gebäudehier in der Umgebung liest schon lange dieBerliner Zeitung. Er sagte mir: „Einmal gele-sen und immer dabei geblieben.“ Ein sehrmodisch gekleideter junger Mann, der sichals Videothekar bezeichnet, beantwortetemeine Frage mit „rundherum eine gute Zei-tung“. Für meinen Geschmack ist er ja einwenig zu sehr gestylt. Aber er ist sehr nett.Ein Bankangestellter, dessen Frau ehren-amtlich für die Kirche arbeitet, sagte mir:„Eine andere Zeitung könnte ich nicht le-sen.“ Dann ist da noch ein eher schweigsa-mer, Taxi fahrender Akademiker, ein großer,feiner Mann, der jeden Tag seine Kinder biszur S-Bahn bringt und dann bei mir die Ber-liner Zeitung kauft. Das sind so meine Kun-den und Ihre Leser.

Ist doch ’ne gute Zeitung

Der Leser ist das unbekannte Wesen. Der Käufer dagegen hat ein Gesicht. Einer kennt dieKäufer besser als jeder andere: ein Kioskbetreiber inCharlottenburg. Er hat seine Kunden befragt undstellt uns den Westleser vor.

VON ACHIM MEWES

B E R L I N E R Z E I T U N G / M I K E F R Ö H L I N G

Autor Achim Mewes (r.) mit seinem Freund Uwe Jacobi-Mewes in ihrem Kiosk

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B E R L I N E R Z E I T U N G / R I TA B Ö T T C H E R

Die Ze i tung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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