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20 | Pharm. Unserer Zeit | 33. Jahrgang 2004 | Nr. 1 DOI:10.1002/pauz.200400051 © 2004 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Wie wirksam sind Linezolid und Telithromycin? Resistenzsituation bei grampositiven Infektionserregern in Deutschland MICHAEL K RESKEN In den letzten 10 bis 15 Jahren hat die Häufigkeit der Resistenz gegenüber Antibiotika bei zahlreichen grampositiven Infektionserregern wie Streptokokken (einschließlich Pneumo- kokken), Staphylokokken und Enterokokken weltweit deutlich zugenommen. Dabei ist vor allem die Zunahme multiresis- tenter Bakterienstämme wie Methicillin-resistente Staphylo- coccus aureus (MRSA) Isolate problematisch. N ach den Angaben der Resistenzstudie der Paul-Ehrlich- Gesellschaft für Chemotherapie (PEG-Resistenzstudie) stieg der durchschnittliche Anteil von MRSA an allen un- tersuchten Staphylococcus aureus aus klinisch relevantem Untersuchungsmaterial im mitteleuropäischen Raum von weniger als 2 % im Jahr 1990 auf über 20 % im Jahr 2001 an [1–3] (Abb. 1). Gleichzeitig nahm die Resistenz gegen- über anderen Antibiotikaklassen, besonders Fluorchinolonen, Makroliden und Lincosamiden (Clindamycin) zu. Im eu- ropäischen Vergleich nimmt Deutschland bei der MRSA-Ra- te eine mittlere Position ein. Eine deutlich höhere Prävalenz (> 30 %) wurde in Großbritannien, Irland und den südeu- ropäischen Ländern ermittelt, während die Rate in den skan- dinavischen Ländern und den Niederlanden unter 5 % (z.T. unter 1 %) lag [4]. Das Auftreten von MRSA mit vermin- derter Empfindlichkeit gegenüber Glykopeptid-Antibiotika (GISA), die augenblicklich besonders in den USA und Japan verbreitet sind, würde die therapeutischen Möglichkeiten weiter einschränken. Im deutschsprachigen Mitteleuropa wurden bisher keine GISA mit dem homogenen Resistenz- phänotyp gefunden. Dagegen sind Hetero-GISA, bei denen nur ein kleiner Teil der Bakterienpopulation eine vermin- derte Empfindlichkeit gegenüber Glykopeptid-Antibiotika aufweist, auch in Deutschland verbreitet [5, 6]. Die Präva- lenz liegt aber wahrscheinlich (noch) unter 1 %. Kürzlich wurden in den USA die ersten MRSA mit einer hochgradi- gen Resistenz gegenüber Vancomycin beschrieben. Bei beiden Stämmen wurde das bei Enterokokken verbreitete vanA-Resistenzgen entdeckt [7, 8]. Ein weiteres Resistenzproblem ergibt sich durch eine zu- nehmende Isolierungsrate Methicillin-resistenter Koagulase- negativer Staphylokokken (KNS). Der Anteil der Methicillin- resistenten Stämme an den untersuchten KNS im Unter- suchungsgut der PEG-Resistenzstudie stieg von 16 % im Jahr 1990 auf 63 % im Jahr 2001 ([1] und eigene unveröffent- lichte Daten). Wie bei Staphylococcus aureus nahm zu- gleich auch die Resistenz gegenüber anderen Antibiotika- klassen zu. Auch bei den Enterokokken und hier vor allem bei Enterococcus faecium hat die Resistenzhäufigkeit zu- genommen. In der PEG-Resistenzstudie von 2001 betrug die Rate der klinischen Isolate mit Hochresistenz gegenüber 0 5 10 15 20 25 2001 1998 1995 1990 1984 1981 1978 1976 Jahr 787 873 962 1.310 621 238 917 647 N 20,7 15,2 12,9 1,7 2,4 0,8 0,4 1,4 MRSA [%] ABB. 1 | ERGEBNISSE DER PEG-RESISTENZSTUDIE Zeitliche Entwicklung des Anteils von MRSA an allen S.-aureus-Stämmen (N: Anzahl getesteter Stämme)

Resistenzsituation bei grampositiven Infektionserregern in Deutschland: Wie wirksam sind Linezolid und Telithromycin?

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20 | Pharm. Unserer Zeit | 33. Jahrgang 2004 | Nr. 1 DOI:10.1002/pauz.200400051 © 2004 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

Wie wirksam sind Linezolid und Telithromycin?

Resistenzsituation bei grampositiven Infektionserregernin Deutschland MICHAEL KRESKEN

In den letzten 10 bis 15 Jahren hat die Häufigkeit der Resistenzgegenüber Antibiotika bei zahlreichen grampositiven Infektionserregern wie Streptokokken (einschließlich Pneumo-kokken), Staphylokokken und Enterokokken weltweit deutlichzugenommen. Dabei ist vor allem die Zunahme multiresis-tenter Bakterienstämme wie Methicillin-resistente Staphylo-coccus aureus (MRSA) Isolate problematisch.

Nach den Angaben der Resistenzstudie der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie (PEG-Resistenzstudie)

stieg der durchschnittliche Anteil von MRSA an allen un-tersuchten Staphylococcus aureus aus klinisch relevantemUntersuchungsmaterial im mitteleuropäischen Raum vonweniger als 2 % im Jahr 1990 auf über 20 % im Jahr 2001an [1–3] (Abb. 1). Gleichzeitig nahm die Resistenz gegen-über anderen Antibiotikaklassen, besonders Fluorchinolonen,Makroliden und Lincosamiden (Clindamycin) zu. Im eu-ropäischen Vergleich nimmt Deutschland bei der MRSA-Ra-te eine mittlere Position ein. Eine deutlich höhere Prävalenz(> 30 %) wurde in Großbritannien, Irland und den südeu-ropäischen Ländern ermittelt, während die Rate in den skan-dinavischen Ländern und den Niederlanden unter 5 % (z.T.unter 1 %) lag [4]. Das Auftreten von MRSA mit vermin-derter Empfindlichkeit gegenüber Glykopeptid-Antibiotika(GISA), die augenblicklich besonders in den USA und Japanverbreitet sind, würde die therapeutischen Möglichkeitenweiter einschränken. Im deutschsprachigen Mitteleuropawurden bisher keine GISA mit dem homogenen Resistenz-phänotyp gefunden. Dagegen sind Hetero-GISA, bei denennur ein kleiner Teil der Bakterienpopulation eine vermin-derte Empfindlichkeit gegenüber Glykopeptid-Antibiotikaaufweist, auch in Deutschland verbreitet [5, 6]. Die Präva-lenz liegt aber wahrscheinlich (noch) unter 1 %. Kürzlichwurden in den USA die ersten MRSA mit einer hochgradi-gen Resistenz gegenüber Vancomycin beschrieben. Bei beiden Stämmen wurde das bei Enterokokken verbreitetevanA-Resistenzgen entdeckt [7, 8].

Ein weiteres Resistenzproblem ergibt sich durch eine zu-nehmende Isolierungsrate Methicillin-resistenter Koagulase-negativer Staphylokokken (KNS). Der Anteil der Methicillin-resistenten Stämme an den untersuchten KNS im Unter-suchungsgut der PEG-Resistenzstudie stieg von 16 % im Jahr1990 auf 63 % im Jahr 2001 ([1] und eigene unveröffent-lichte Daten). Wie bei Staphylococcus aureus nahm zu-gleich auch die Resistenz gegenüber anderen Antibiotika-klassen zu. Auch bei den Enterokokken und hier vor allembei Enterococcus faecium hat die Resistenzhäufigkeit zu-genommen. In der PEG-Resistenzstudie von 2001 betrugdie Rate der klinischen Isolate mit Hochresistenz gegenüber

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20011998199519901984198119781976Jahr7878739621.310621238917647N

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A B B . 1 | E RG E B N I S S E D E R PEG - R E S I S T E N Z S T U D I E

Zeitliche Entwicklung des Anteils von MRSA an allen S.-aureus-Stämmen (N: Anzahlgetesteter Stämme)

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Gentamicin (MHK > 500mg/L) sowohl bei Enterococcus fae-calis als auch bei Enterococcus faecium ca. 25 %, währenddie Rate der Isolate mit Hochresistenz gegenüber Strepto-mycin bei Enterococcus faecium (41 %) deutlich höher warals bei Enterococcus faecalis (15 %). Von den Enterococcus-faecium-Isolaten waren zudem ca. 75 % gegen Ampicillinresistent. Im Gegensatz hierzu fanden sich bei Enterococcus-faecalis-Isolaten nur 2 % resistente Stämme [3]. Die Hoch-resistenz gegenüber Aminoglykosiden oder die Resistenzgegenüber Ampicillin führt zum Verlust des Synergismuszwischen Ampicillin und den Aminoglykosiden. Das Auf-treten Glykopeptid-resistenter Enterokokken (GRE) gefähr-det die Therapie besonders. In der PEG-Resistenzstudie von2001 war die Zahl von Enterokokken mit Glykopeptid-Resistenz sehr gering (< 1 %) [3]. Dagegen betrug die Prä-valenz der Vancomycin-Resistenz bei klinischen Entero-kokken-Isolaten in den USA im Median 6 % auf Allgemein-stationen und 14 % auf Intensivstationen [9].

Auch bei den grampositiven Erregern ambulant erwor-bener Atemwegsinfektionen wie Streptococcus pneu-moniae und Streptococcus pyogenes hat die Resistenz-häufigkeit in vielen Ländern deutlich zugenommen. Be-sonders der Anteil Penicillin-resistenter Pneumokokkenbeunruhigt, zumal bei einer Penicillin-Resistenz meist aucheine Resistenz gegen Makrolide vorliegt und Cephalospori-ne häufig ebenfalls nicht mehr mit Erfolg einsetzbar sind.Beim Auftreten resistenter Stämme gibt es jedoch großegeographische Unterschiede. Während die Häufigkeit Pe-nicillin-resistenter Pneumokokken z.B. in Spanien, Frank-reich, den USA und Südostasien bereits ein großes Problemdarstellt (> 30 %), besteht in Deutschland mit einer Peni-cillin-Resistenzrate von im Mittel ca. 1 % und einem Anteil

von Stämmen mit verminderter Penicillin-Empfindlichkeit(MHK ≥ 0,12 mg/L) von 5 bis 8 % (bis 18 %) vergleichsweisenoch eine günstige Situation [10–17]. In Deutschland stelltaber inzwischen die Makrolid-Resistenz bei Pneumokokkenein Problem dar. Untersuchungen des Nationalen Referenz-zentrums (NRZ) für Pneumokokken haben gezeigt, dass derAnteil der invasiven Pneumokokken mit Makrolid-Resistenzvon weniger als 3 % im Jahr 1992 auf über 15 % im Jahr 2000gestiegen ist. Gleichzeitig stieg der Anteil der Stämme mitverminderter Penicillin-Empfindlichkeit von 2 auf 6 % [14].

Eine Resistenz bei Streptococcus pyogenes gegenüberPenicillin ist weltweit bisher nicht beobachtet worden. Dagegen variiert die Makrolid-Resistenz bei Streptococcuspyogenes in verschiedenen Regionen von weniger als 5 bisüber 40 % in Ausbruchsituationen [18–20].

Neue Antibiotika mit Wirksamkeit gegenübergrampositiven Bakterien

Wichtige Maßnahmen zur Vermeidung der Ausbreitung re-sistenter Krankheitserreger sind neue Strategien in der Be-handlung mit etablierten Substanzen und der Einsatz neu-er Wirkstoffe. Zwei neu eingeführte Wirkstoffe mit guterWirksamkeit gegenüber grampositiven Erregern sind Line-zolid (Zyvoxid) und Telithromycin (Ketek). Die Oxazo-lidinone greifen in der frühen Phase der bakteriellenProteinsynthese ein. Der Angriffsort ist neu und unter-scheidet sich von dem anderer, die Proteinsynthese hem-menden Antibiotika. Das antibakterielle Wirkungsspektrumvon Linezolid erstreckt sich überwiegend auf aerobe gram-positive Spezies einschließlich multiresistenter Krankheits-erreger wie MRSA und GRE [21]. Linezolid ist sowohl oralals auch parenteral verfügbar.

TAB. 1 HÄUFIGKEITSVERTEILUNG GRAMPOSITIVER BAKTERIEN-SPEZIES NACH DEN MHK-WERTEN FÜR LINEZOLID*

S. aureus abs. 14 66 315 334 58 0 0 0 0(N=787) kum-% 1,8 10,2 50,2 92,6 100 100 100 100 100 92,6 7,4 0,0• MSSA abs. 10 45 245 277 47 0 0 0 0

(N=624) kum-% 1,6 8,8 48,1 92,5 100 100 100 100 100 92,5 7,5 0,0• MRSA abs. 4 21 70 57 11 0 0 0 0

(N=163) kum-% 2,5 15,3 58,3 93,3 100 100 100 100 100 93,3 6,7 0,0S. epidermidis abs. 35 155 208 56 2 0 0 0 0(N=456) kum-% 7,7 41,7 87,3 99,6 100 100 100 100 100 99,6 0,4 0,0S. haemolyticus abs. 9 30 41 2 0 0 0 0 0(N=82) kum-% 11,0 47,6 97,6 100 100 100 100 100 100 100 0,0 0,0S. pneumoniae abs. 66 135 149 10 0 0 0 0 0(N=360) kum-% 18,3 55,8 97,2 100 100 100 100 100 100 100 0,0 0,0E. faecalis abs. 23 65 276 222 4 0 0 0 0(N=590) kum-% 3,9 14,9 61,7 99,3 100 100 100 100 100 99,3 0,7 0,0E. faecium abs. 0 10 36 62 2 0 0 0 0(N=106) kum-% 0,0 9,1 41,8 98,2 100 100 100 100 100 98,2 1,8 0,0*Ergebnisse der PEG-Resistenzstudie 2001 [3]: Häufigkeitsverteilung der Stämme von grampositiven Bakterien-Spezies nach den MHK-Werten für

Linezolid sowie Verhältnis der empfindlichen zu resistenten Stämmen.Erläuterungen: MSSA, Methicillin-sensible Staphylococcus aureus (Oxacillin MHK ≤ 1 mg/L); MRSA, Methicillin-resistente Staphylococcus aureus(Oxacillin MHK ≥ 2 mg/L); abs., absolut; kum-%, kumulativ in %; %-S, Prozentsatz sensibler Stämme; %-I, Prozentsatz intermediärer Stämme; %-R,Prozentsatz resistenter Stämme

Spezies / MHK (mg/L)Phänotyp ≤ 0,25 0,5 1 2 4 8 16 32 ≥ 64 %-S %-I %-R

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Die Ketolide sind gezielt zur Therapie von außerhalb desKrankenhauses erworbenen Atemwegsinfektionen ent-wickelt worden und stellen eine Weiterentwicklung der Mak-rolide dar. Analog zu den Makroliden hemmt Telithromycindie bakterielle Proteinsynthese [22]. Allerdings ist die Bin-dung von Telithromycin an die Ribosomen deutlich stärkerals die der Makrolide. Weiterhin wird bei grampositivenKokken die Resistenz gegenüber Makroliden, Lincosamidenund Gruppe-B-Streptograminen (MLSB-Resistenz) durch Te-lithromycin nicht induziert. In den klinischen Studien zeig-te Telithromycin bei der Behandlung von Infektionen durchMakrolid-resistente Pneumokokken eine gleich gute Wirk-samkeit wie bei der Behandlung von Infektionen durch Makrolid-sensible Pneumokokken [23].

In dieser Arbeit wird das Ergebnis einer Bestands-aufnahme der Resistenzsituation bei wichtigen gram-positiven Spezies gegenüber Linezolid und Telithromycin inDeutschland aufgezeigt und diskutiert. Das Datenmaterialstammt dabei aus multizentrischen Untersuchungen ausdem Zeitraum von 1999 bis 2002. Die folgenden Bakteri-enspezies wurden in die Begutachtung einbezogen: Ente-rococcus faecalis, Enterococcus faecium, Streptococcuspneumoniae, Streptococcus pyogenes, Staphylococcus au-reus sowie Staphylococcus epidermidis.

StudienPEG-Resistenzstudie 2001

Die Arbeitsgemeinschaft „Empfindlichkeitsprüfungen &Resistenz“ der PEG untersucht seit Mitte der 70er Jahre imRahmen einer Longitudinalstudie die Resistenzsituation beiverschiedenen klinisch wichtigen Bakterienspezies. Die Un-tersuchungen fokussieren sich im Wesentlichen auf die ty-pischen Erreger von nosokomialen Infektionen. An den Un-tersuchungen sind jeweils 20 bis 30 ausgewählte Laborato-rien in Deutschland, der Schweiz und Österreich beteiligt.Für diese Übersicht wurden die Empfindlichkeitsdaten vonEnterococcus faecalis, Enterococcus faecium, Strepto-coccus pneumoniae, Staphylococcus aureus sowie Staphy-lococcus epidermidis aus der Erhebungsperiode (November2001) herangezogen [3].

Studien des NRZ für StreptokokkenDas NRZ für Streptokokken am Institut für MedizinischeMikrobiologie der Universität Aachen hat in drei multi-zentrischen Studien, die in den Jahren 1999 bis 2002 in Zu-sammenarbeit mit 10 bis 13 Labors durchgeführt wurden,die Prävalenz der Resistenz bei Streptococcus-pneumoniae-und Streptococcus-pyogenes-Isolaten von Patienten mit ambulant erworbenen Atemwegsinfektionen gegenüber Antibiotika (einschließlich Telithromycin) untersucht [13,16, 17].

PROTEKT-StudieIm Rahmen der PROTEKT-Studie werden weltweit Datenzur Empfindlichkeit bei Erregern von ambulant erworbenenAtemwegsinfektionen gegenüber Telithromycin im Ver-gleich zu anderen Antibiotika erfasst. Die in dieser Über-sicht berücksichtigten Daten stammen aus den deutschenZentren, die in dem Zeitraum 1999/2000 (8 Labors) und2000/2001 (12 Labors) erhoben wurden [10, 15, 24](www.protekt.org).

Eigene StudienIm Rahmen einer multizentrischen Studie, die in Zusam-menarbeit mit 18 niedergelassenen mikrobiologischen Labors und unserem Haus als Referenzlabor (AntiinfectivesIntelligence) während der Winterperiode 2000/2001 durch-geführt wurde, wurde die Resistenzsituation bei Strepto-coccus-pneumoniae-Isolaten gegenüber Telithromycin imVergleich zu anderen Antibiotika bei Isolaten von ambulantbehandelten Patienten mit respiratorischen Infektionen un-tersucht (Telithromycin-Studie) [25].

In einer zweiten Studie, an der 86 Labors in Deutsch-land beteiligt waren, wurde die Prävalenz der Resistenz beigrampositiven Erregern von hospitalisierten Patienten ge-genüber Linezolid ermittelt (Linezolid-Studie) [26]. Hierzuwurden zunächst die Empfindlichkeitsdaten aus Routine-untersuchungen ausgewertet. Danach wurden im Referenz-labor bei 13 % der Isolate (einschließlich solcher mit auf-fälligen Resistenzeigenschaften) MHK-Werte von Linezolidbestimmt.

Resistenzsituation bei grampositiven Erregerngegenüber Linezolid

Die Resistenzlage bei grampositiven Erregern gegenüber Linezolid wurde in der PEG-Resistenzstudie 2001 und derLinezolid-Studie untersucht.

PEG-Resistenzstudie 2001 [3]Im Rahmen der PEG-Resistenzstudie 2001 wurden bei ca.2.500 Bakterienstämmen die MHK-Werte von Linezolid be-stimmt. In Tab. 1 sind die Empfindlichkeitsdaten derjenigenSpezies zusammengestellt, von denen jeweils mindestens 50Stämme untersucht wurden. Die Tabelle enthält die abso-lute Verteilung der MHK-Werte sowie – auf der Grundlageder empfohlenen Bewertungsgrenzen (s.u.) – die Verteilungder Bakterienstämme nach den MHK-Werten auf die Berei-

TA B . 2 E RG E B N I S S E D E R L I N E ZO L I D - S T U D I E [ 2 6 ] *

S. aureus 2.848 99,4 0,4 377 96,8 0,0S. epidermidis 632 99,7 0,3 91 100,0 0,0S. pneumoniae 346 100,0 0,0 33 100,0 0,0S. pyogenes 279 98,6 1,4 35 100,0 0,0E. faecalis 853 93,9 2,9 103 99,0 0,0E. faecium 400 93,8 2,3 45 95,6 0,0*Häufigkeit Linezolid-sensibler und Linezolid-resistenter Stämme von sechs grampositiven

Bakterien-Spezies.Erläuterungen: N, Zahl getesteter Stämme; %-S, Prozentsatz sensibler Stämme; %-R, Prozent-satz resistenter Stämme

Spezies Routinedaten aus Daten aus dem 86 Labors Referenzlabor

N %-S %-R N %-S %-R

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R E S I S T E N Z S I T U A T I O N | I N F E K T I O LO G I E

che sensibel, intermediär und resistent. Die Darstellung derVerteilungen lässt erkennen, dass Koagulase-negative Sta-phylokokken und Streptococcus pneumoniae eine etwashöhere natürliche Empfindlichkeit aufweisen als Staphylo-coccus aureus und Enterokokken. Dabei waren die Ver-teilungen der MHK-Werte bei den Methicillin-sensiblen undMethicillin-resistenten Staphylococcus-aureus-Stämmen na-hezu identisch. Die Mehrzahl der MHK-Werte liegt bei denKoagulase-negativen Staphylokokken und Streptococcuspneumoniae bei 0,5 bis 1 mg/L und bei Staphylococcus au-reus und den Enterokokken bei 1 bis 2 mg/L. In keinem Falllag die MHK um mehr als zwei MHK-Stufen über dem Mo-dalwert der „natürlichen“ Population. Die höchsten MHK-Werte betrugen 4 mg/L. Die Wahrscheinlichkeit, dass sichunter diesen Stämmen resistente Mutanten befinden, istsehr gering [27].

Nach den Angaben in der Fachinformation Zyvoxid

liegt der (von der europäischen Zulassungsbehörde EMEAfestgelegte) Grenzwert bei der Identifizierung von Linezo-lid-sensiblen Organismen bei ≤ 2 mg/L. Organismen mit einer MHK von ≥ 8 mg/L sollten als resistent gegenüber Li-nezolid angesehen werden. Bei Verwendung dieser Grenz-werte wurden 92,6 % der getesteten Staphylococcus-aure-us-Isolate als Linezolid-sensibel bewertet. Die übrigen Stäm-me (7,4 %) waren als intermediär einzustufen. Bei denanderen untersuchten Spezies (Staphylococcus epidermi-dis, Staphylococcus haemolyticus, Streptococcus pneu-moniae, Enterococcus faecalis, Enterococcus faecium) be-trug der Anteil der sensiblen Isolate an allen Stämmen je-weils > 98 % (Tab. 1). Inzwischen haben neben der EMEAauch andere Gremien Grenzwerte für Linezolid festgelegt.

Die Grenzwerte sind dabei nicht immer identisch mit den-jenigen der EMEA. Z.B. hat das European Committee onAntimicrobial Susceptibility Testing (EUCAST) der Euro-pean Society of Clinical Microbiology and Infectious Diseases die folgenden Grenzwerte definiert: sensibel ≤ 4 mg/L, resistent > 4 mg/L. Auf der Basis dieser Grenz-werte sind alle im Rahmen der PEG-Resistenzstudie unter-suchten Stämme als Linezolid-sensibel zu werten. DerFachnormenausschuss Medizin des DIN hat bisher keineGrenzwerte für Linezolid festgelegt.

Linezolid-Studie [26]In dem Zeitraum November 2001 bis Juni 2002 wurden imRahmen von Routineuntersuchungen 6.433 grampositiveInfektionserreger gegenüber Linezolid getestet. Bei derMehrzahl der Untersuchungen kam dabei der Agar-Diffusi-onstest zur Anwendung. In Tab. 2 sind die Ergebnisse derRoutine-Empfindlichkeitsprüfungen für die Isolate der sechshäufigsten Bakterien-Spezies dargestellt. Von den Staphylo-coccus-aureus-Isolaten wurden 99,4 % als Linezolid-sensibelund 0,4 % als Linezolid-resistent bewertet. Bei Staphylo-coccus epidermidis waren es 99,7 % bzw. 0,3 % der Isola-te. Die MRSA-Rate in dem Untersuchungskollektiv lag bei17,1 % und der Anteil Methicillin-resistenter Stämme an denStaphylococcus-epidermidis-Isolaten bei 58,7 %. Bei Entero-coccus faecalis betrug die Rate der Isolate mit Empfind-lichkeit gegenüber Linezolid 93,9 % und bei Enterococcusfaecium 93,8 %. Als resistent wurden 2,9 % bzw. 2,3 % derIsolate bewertet. Die Rate der Vancomycin-resistenten Iso-late war bei Enterococcus faecium (4,5 %) erwartungs-gemäß höher als bei Enterococcus faecalis (0,5 %). Isolate

PEG-Resistenz-studie 2001 [3] 26 360 abs. – – – – – 346 4 6 2 1 1 0 0 0

kum-% – – – – – 96,1 97,2 98,9 99,4 99,7 100 100 100 100 99,4 0,6 0,0Studie des NRZ 1999–2000 [13] 11 328 abs. – – – – 310 8 6 3 1 0 0 0 0 0

kum-% – – – – 94,5 97,0 98,8 99,7 100 100 100 100 100 100 100 0,0 0,0PROTEKT 2000 [15, www.protekt.org] 8 325 abs. 0 3 166 114 14 4 7 15 2 0 0 0 0 0

kum-% 0,0 0,9 52,0 87,1 91,4 92,6 94,8 99,4 100 100 100 100 100 100 100 0,0 0,0PROTEKT 2001(www.protekt.

org) 12 693 abs. 0 11 311 287 26 14 16 24 3 0 1 0 0 0kum-% 0,0 1,6 46,5 87,9 91,6 93,7 96,0 99,4 99,9 99,9 100 100 100 100 99,9 0,1 0,0

Telithromycin-Studie [25] 18 595 abs. – – – – – 594 1 0 0 0 0 0 0 0

kum-% – – – – – 99,8 100 100 100 100 100 100 100 100 100 0,0 0,0*sowie Verhältnis der empfindlichen zu resistenten Stämmen

Erläuterungen: Z, Zahl der Studienzentren; N, Zahl getesteter Stämme; abs., absolut; kum- %, kumulativ in %; -, Konzentration nicht getestet; %-S, Prozentsatz sensiblerStämme; %-I, Prozentsatz intermediärer Stämme; %-R, Prozentsatz resistenter Stämme

Studie Z N MHK (mg/L) [Ref.] ≤ 0,002 0,004 0,008 0,016 0,031 0,063 0,125 0,25 0,5 1 2 4 8 ≥16 %-S %-I %-R

TA B . 3 H Ä U F I G K E I T S V E R T E I LU N G G R A M P OS I T I V E R BA K T E R I E N - S PE Z I E S N AC H D E N M H K-W E R T E N F Ü R T E L I T H RO M YC I N *

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von Streptococcus pneumoniae und Streptococcus pyoge-nes zeigten zu 100 % bzw. 98,6 % Sensibilität gegenüber Linezolid.

837 Stämme wurden im Referenzlabor nachuntersucht.Darunter befanden sich 51 Stämme, die zunächst als „Line-zolid-resistent“ charakterisiert worden waren. Bei keinemStamm konnte die „Resistenz“ gegenüber Linezolid bestätigtwerden (Tab. 2). Der höchste gemessene MHK-Wert betrug4 mg/L. Insgesamt waren die Ergebnisse mit denen der PEG-Resistenzstudie vergleichbar.

AusblickIn Deutschland sind wahrscheinlich bisher noch keine Line-zolid-resistenten Stämme (MHK > 4 mg/L) isoliert worden.Im Rahmen von Routineuntersuchungen kann es jedochvorkommen, dass Stämme fälschlich als „Linezolid-resistent“bewertet werden. Dies gilt besonders für die Testung vonEnterokokken mit dem Agar-Diffusionstest. Bei diesen Stäm-men sollte die MHK bestimmt werden. Die GENARS-Resistenzstatistik für das 1. Halbjahr 2001 weist bei Staphy-lococcus aureus 0,2 % resistente Stämme aus [28]. DieseStämme wurden aber nicht nachuntersucht.

In In-vitro-Studien vor der Zulassung wurden weltweitkeine Linezolid-resistenten Stämme gefunden. Darüber hin-aus hat sich die Selektion resistenter Labormutanten als ex-trem schwierig erwiesen [29, 30]. Die Resistenzentwick-lung gegenüber Linezolid erfolgt stufenweise. Hierfür sindPunktmutationen in der 23S-rRNA verantwortlich. Diese be-wirken wahrscheinlich eine Änderung der Bindungsstellefür Linezolid. Die Resistenzentwicklung wird dadurch er-schwert, dass in der Bakterienzelle mehrere Kopien der23S-rRNA vorliegen. Staphylococcus aureus z.B. hat 4 bis

7 Kopien. Wenn in einem der Gene eine Punktmutationauftritt, verbleiben noch genügend unveränderte Kopien. Ei-ne Resistenz unter der Therapie kann sich aber dennochentwickeln (entweder durch Mutationen in mehreren Ge-nen oder durch Mutation in einem Gen mit anschließenderRekombination). In den klinischen Studien der Phase IIIkam es bei 15 Infektionen durch Enterokokken (davon 14mit Enterococcus faecium) zum Auftreten Linezolid-resis-tenter Stämme [31]. Nach der Markteinführung wurde vonweiteren Therapieversager berichtet [32 – 34]. In den meis-ten Fällen konnte mit Hilfe von DNA-Fingerprints der Nach-weis erbracht werden, dass die Resistenz in dem ur-sprünglichen Erreger selektiert worden war [31, 32]. DieMehrzahl der Therapieversager in den klinischen Studientrat nach Applikation der relativ niedrigen Dosierung von2mal täglich 200 mg auf.

Bisher liegen erst zwei Berichte über eine Resistenz-entwicklung bei Staphylococcus aureus gegenüber Line-zolid vor. Im ersten Fall handelte es sich um einen Dialyse-Patienten mit MRSA-Peritonitis, der über vier Wochen mitLinezolid behandelt worden war. Da die Linezolid-resisten-ten MRSA-Isolate klonal nicht mit dem vor Beginn der The-rapie isolierten Linezolid-sensiblen MRSA-Stamm verwandtwaren, konnte jedoch nicht geklärt werden, ob die Resis-tenz in einem zunächst nicht nachweisbaren Linezolid-sen-siblen MRSA-Stamm selektiert oder der Linezolid-resistenteMRSA-Stamm aus der Umgebung des Patienten erworbenworden war. Die erste Möglichkeit scheint dabei eher plau-sibel [35]. Im zweiten Fall war die Linezolid-Resistenz unzweifelhaft unter der Therapie selektiert worden. In die-sem Fall wurde Linezolid zur Behandlung einer Wundin-fektion durch MRSA nach thoraxchirurgischem Eingriff ein-gesetzt. Der Patient wurde zunächst erfolgreich mit Line-zolid behandelt. Drei Wochen nach Therapieende tratjedoch ein Relapse auf, wobei nunmehr ein Linezolid-resis-tenter MRSA isoliert wurde. Die genetische Verwandtschaftzwischen Linezolid-sensiblem und -resistentem Isolat wur-de nachgewiesen [36].

Resistenzsituation bei grampositiven Erregerngegenüber Telithromycin

Für die Darstellung der Resistenzsituation bei grampositivenErregern gegenüber Telithromycin wurden die Daten vonsieben überregionalen Studien ausgewertet. Zur Einstufungder Erreger als Telithromycin-sensibel oder Telithromycin-resistent wurden die in der Fachinformation von Ketek

aufgeführten Grenzwerte verwendet: sensibel ≤ 0,5 mg/L,resistent > 2 mg/L. Der Fachnormenausschuss Medizin desDIN hat bisher keine Grenzwerte für Telithromycin festge-legt.

Resistenzsituation bei Streptococcuspneumoniae

Das Wirkungsspektrum von Telithromycin erfasst sowohlMakrolid-sensible als auch Makrolid-resistente Stämme. Diebeiden vorherrschenden Mechanismen der Makrolid-Resis-

TA B . 4 R E S I S T E N Z PR Ä VA L E N Z B E I S T R E P TO CO C C U S PN E U M O N I A E *

PEG-Resistenz-studie 2001 [3] 26 360 8,1 15,3 0,0Studie des NRZ 1999-2000 [13] 11 328 7,6 9,8 0,0Studie des NRZ 2000-2001 [16] 13 333 – 17,4 0,0Studie des NRZ 2002 [17] 10 239 – 19,7 0,0PROTEKT 2000 [15, www.protekt.org] 8 325 12,9 15,7 0,0PROTEKT 2001(www.protekt.org) 12 693 13,9 16,2 0,0Telithromycin-Studie [25] 18 595 13,1 14,1 0,0*gegenüber Erythromycin und Telithromycin.

Erläuterungen: Z, Zahl der Studienzentren; N, Zahl getesteter Stämme; DIN, Fachnormenaus-schuss Medizin des DIN; NCCLS, National Committee for Clinical Laboratory Standards; –, keineAuswertung möglich, da die Ergebnisse nicht in der Form von MHK-Häufigkeitsverteilungenveröffentlicht wurden.Der Grenzwert für Erythromycin-Resistenz ist ≥ 1 mg/L (NCCLS) bzw. ≥ 8 mg/L (DIN).

Studie [Ref.] Z N resistente Stämme [%]Erythromycin Telithro-DIN NCCLS mycin

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R E S I S T E N Z S I T U A T I O N | I N F E K T I O LO G I E

tenz sind die Modifikation der 23S-rRNA durch Methylasen,wodurch die Bindung von Makroliden, Lincosamiden undB-Streptograminen an der Peptidyltransferase-Domäne der50S-Untereinheit der bakteriellen Ribosomen verhindertwird (MLSB-Resistenz, ermB-Genotyp), sowie veränderteTransportproteine, die verstärkt Makrolidmoleküle aus den Zellen herauspumpen (Efflux-Resistenz, mefA-Geno-typ). Die MHK90 betrug bei Makrolid-sensiblen Isolaten0,016 mg/L, bei Isolaten mit dem mefA-Genotyp 0,25 mg/Lund bei Isolaten mit dem ermB-Genotyp 0,5 mg/L [10, 37].

In der Tab. 3 sind die MHK-Werte von Telithromycinaus fünf Untersuchungen in der Form von Häufigkeits-verteilungen dargestellt [3, 13, 15, 25] (www.protekt.org).Von den analysierten Stämmen waren 99,9 % gegenüber Telithromycin sensibel. Drei Stämme (0,1 %) mit MHK-Wer-ten von 1 bis 2 mg/L waren als intermediär zu werten. KeinStamm war resistent gegenüber Telithromycin. In zwei weiteren Studien mit Pneumokokken-Isolaten von pädia-trischen Patienten fanden sich gleichfalls keine resistentenStämme [16, 17]. In Tab. 4 werden die Daten zur Resistenz-situation von Telithromycin denen von Erythromycin gegen-über gestellt. In Abhängigkeit von den verwendeten Grenz-werten (Fachnormenausschuss Medizin des DIN oder National Committee for Clinical Laboratory Standards)zeigten 7,6 bis 19,7 % Resistenz gegenüber Erythromycin.

Resistenzsituation bei Streptococcus pyogenesTelithromycin zeigte In-vitro-Aktivität sowohl gegenüberMakrolid-sensiblen Stämmen (MHK90 0,016 mg/L) als auchgegenüber Makrolid-resistenten Stämmen mit dem mefA-(MHK90 0,5 mg/L) oder dem ermA- (Subklasse ermTR)-Genotyp (MHK90 0,03 mg/L) [10, 37]. Im Gegensatz hierzuwar die Mehrzahl der Erythromycin-resistenten Stämme mit dem ermB-Genotyp resistent gegenüber Telithromycin(MHK50/90 8/32 mg/L) [37].

In den fünf deutschen Untersuchungen variierte diePrävalenz der Erythromycin-Resistenz zwischen 6,7 und14,4 % und die der Telithromycin-Resistenz zwischen 0 und 2,3 % (Tab. 5). Neun von 1.130 untersuchten Stämmen(0,8 %) waren Telithromycin-resistent. Drei Stämme, die genetisch charakterisiert wurden, zeigten klonale Ver-wandtschaft und den ermB-Genotyp [16].

Resistenzsituation bei StaphylokokkenDer vorherrschende Mechanismus der Makrolid-Resistenzbei Staphylokokken ist die Modifikation der 23S-rRNA durchMethylasen. In Gegenwart von 14- oder 15-gliedrigen Mak-roliden wird das Methylase-Gen induziert (induzierbareMLSB-Resistenz). Diese Stämme sind phänotypisch gegenErythromycin (und allen anderen 14- und 15-gliedrigenMakroliden) resistent und gegen Lincosamide (z.B. Clinda-mycin) sowie B-Streptogramine sensibel. Die induzierbareRegulation kann durch ein Mutationsereignis in eine konsti-tutive Expression übergehen (konstitutive MLSB-Resistenz).Stämme mit konstitutiver MLSB-Resistenz sind sowohl gegen-über Makroliden als auch gegenüber Lincosamiden (z.B.

Clindamycin) und B-Streptograminen resistent. Bei Staphylo-kokken finden sich fast immer der ermA- oder der ermC-Genotyp [38, 39], während bei Enterokokken und Pneumo-kokken das ermB-Gen (s.o.) am weitesten verbreitet ist.

Im Jahr 2001 betrug der Anteil der Erythromycin-re-sistenten Isolate nach den Angaben der PEG-Resistenzstudiebei Staphylococcus aureus 25,4 % und bei Staphylococcusepidermidis 64,7 %. Die entsprechenden Resistenzraten fürClindamycin waren 16,3 und 43,2 % [3]. Telithromycin zeigte hohe In-vitro-Aktivität gegenüber Erythromycin-sensiblen/Clindamycin-sensiblen Staphylokokken sowieErythromycin-resistenten/Clindamycin-sensiblen Stämmen(induzierbarer MLSB-Resistenzphänotyp). Demgegenüber er-wiesen sich Erythromycin-resistente/Clindamycin-resisten-te Stämme (konstitutiver MLSB-Resistenzphänotyp) als resis-tent gegenüber Telithromycin (Tab. 6, 7). Sowohl bei Sta-phylococcus aureus als auch den Koagulase-negativenStaphylokokken steht die Verbreitung der konstitutivenMLSB-Resistenz (d.h. Telithromycin-Resistenz) in engemZusammenhang mit der Verbreitung der Methicillin-(Oxa-cillin)-Resistenz [1]. Aufgrund der häufigen Parallelresistenzfindet sich in Regionen mit hoher Prävalenz der Methicillin(Oxacillin)-Resistenz immer auch eine hohe Prävalenz derkonstitutiven MLSB-Resistenz (d.h. Telithromycin-Resistenz).Telithromycin wird aber fast ausschließlich in der ambu-lanten Medizin zur Behandlung von Atemwegsinfektionenverordnet, wo MRSA nur eine sehr geringe und Koagulase-negative Staphylokokken keine Bedeutung als Erreger besitzen. Im Untersuchungsgut der deutschen PROTEKT-Zentren waren 4,1 % der getesteten Staphylococcus-aureus-Isolate Telithromycin-resistent [24].

AusblickTelithromycin stellt vor dem Hintergrund der Zunahme der Makrolid-Resistenz bei grampositiven Bakterien einetherapeutische Alternative zu den Makroliden dar. Dies gilt

TA B . 5 R E S I S T E N Z PR Ä VA L E N Z B E I S T R E P TO CO C C U S P YO G E N E S *

Studie des NRZ 1999-2000 [13] 11 381 9,2 14,4 0,5Studie des NRZ 2000-2001 [16] 13 307 – 13,7 1,0Studie des NRZ 2002 [17] 10 236 – 14,0 0,0PROTEKT 2000 [15, www.protekt.org] 8 87 6,9 9,2 2,3PROTEKT 2001 (www.protekt.org) 12 119 6,7 9,2 1,7*gegenüber Erythromycin und Telithromycin.

Erläuterungen: Z, Zahl der Studienzentren; N, Zahl getesteter Stämme; DIN, Fachnormenaus-schuss Medizin des DIN; NCCLS, National Committee for Clinical Laboratory Standards; –, keineAuswertung möglich, da die Ergebnisse nicht in der Form von MHK-Häufigkeitsverteilungenveröffentlicht wurden.Der Grenzwert für Erythromycin-Resistenz ist ≥ 1 mg/L (NCCLS) bzw. ≥ 8 mg/L (DIN).

Studie [Ref.] Z N resistente Stämme [%]Erythromycin Telithro-DIN NCCLS mycin

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vorrangig für die empirische Behandlung von Atemwegs-infektionen in Gegenden mit einem hohen Anteil von Mak-rolid-resistenten Pneumokokken. In den hier analysiertenStudien wurden keine Telithromycin-resistenten Pneumo-kokken gefunden. In der Literatur wurde aber bereits überklinische Pneumokokken-Isolate mit Telithromycin-Resis-tenz berichtet [10]. Bei Streptococcus pyogenes liegt dieResistenzrate wahrscheinlich bei < 1 %. Staphylokokkenmit konstitutiver MLSB-Resistenz sind als resistent gegenTelithromycin zu werten. Telithromycin ist aufgrund derfehlenden Wirkung gegenüber den meisten MRSA-Stämmennicht zur Behandlung von nosokomialen Infektionen ge-eignet.

SchlussfolgerungenDie Einführung neuer Antibiotika ist vor allem für die Be-handlung im Einzelfall wertvoll. Darüber hinaus ist ihr Ein-satz aber auch für die antibakterielle Therapie insgesamtvon Nutzen, weil dadurch der Selektionsdruck, der durchdie etablierten Substanzen auf die Bakterien ausgeübt wird,vermindert werden kann. Neue Antibiotika stellen bei ein-seitigem Einsatz aber keine generelle Lösung dar. Bestenfallsbewirken sie eine Verschiebung des Resistenzproblems. Ausdiesem Grund sollte jeder unnötige Selektionsdruck ver-mieden werden.

Wichtigste Maßnahmen zur Verhinderung der Selektionund Ausbreitung resistenter Erreger sind die Vermeidung

von Infektionen durch prophylaktische Maßnahmen (Imp-fung, Hygiene) sowie die Durchführung einer rationalenAntibiotikatherapie. Bei einer akuten behandlungsbe-dürftigen Infektion liegen Erregernachweis und Antibio-gramm in der Regel nicht vor, so dass die Therapie kalku-liert erfolgen muss. Zur kalkulierten Therapie gehört dieKenntnis über das mögliche Erregerspektrum der zu be-handelnden Infektion und die der lokalen Resistenzsituationder Erreger. Ferner müssen bei der Auswahl einer geeigne-ten Behandlung der Infektionsort sowie die Unterschiedein der Pharmakokinetik, Pharmakodynamik und Anwen-dungssicherheit zwischen den in Frage kommenden Anti-biotika bekannt sein.

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F Ü R T E L I T H RO M YC I N *

ERYS, CLIS 542 abs. 492 47 3 0 0 0 0 0 0kum-% 90,8 99,4 100 100 100 100 100 100 100 100 0,0 0,0

ERYR, CLIS 74 abs. 52 16 1 3 0 0 0 1 1kum-% 70,3 91,9 93,2 97,3 97,3 97,3 97,3 98,6 100 97,3 0,0 2,7

ERYR, CLIR 126 abs. 1 1 0 0 0 0 1 2 121kum-% 0,8 1,6 1,6 1,6 1,6 1,6 2,4 4,0 100 1,6 0,0 98,4

*sowie Verhältnis der empfindlichen zu resistenten Stämmen aufgeschlüsselt nach dem Resistenzphänotyp für Erythromycin und Clindamycin; Ergebnisse der PEG-Resistenz-studie 2001. Erläuterungen: N, Zahl getesteter Stämme; ERYS, Erythromycin-sensibel; ERYR, Erythromycin-resistent; CLIS, Clindamycin-sensibel; CLIR, Clindamycin-resistent;%-S, Prozentsatz sensibler Stämme; %-I, Prozentsatz intermediärer Stämme; %-R, Prozentsatz resistenter Stämme; abs., absolut; kum-%, kumulativ in %

Phänotyp N MHK (mg/L)≤ 0,06 0,125 0,25 0,5 1 2 4 8 ≥ 16 %-S %-I %-R

TA B . 7 H Ä U F I G K E I T S V E R T E I LU N G VO N S TA PH Y LO CO C C U S - E PI D E R M I D I S - S T Ä M M E N N AC H D E N M H K-W E R T E N

F Ü R T E L I T H RO M YC I N *

ERYS, CLIS 155 abs. 147 6 1 1 0 0 0 0 0kum-% 94,8 98,7 99,4 100 100 100 100 100 100 100 0,0 0,0

ERYR, CLIS 100 abs. 68 20 5 5 1 0 1 0 0kum-% 68,0 88,0 93,0 98,0 99,0 99,0 100 100 100 98,0 1,0 1,0

ERYR, CLIR 194 abs. 2 0 0 1 0 3 1 7 180kum-% 1,0 1,0 1,0 1,5 1,5 3,1 3,6 7,2 100 1,5 1,5 96,9

*sowie Verhältnis der empfindlichen zu resistenten Stämmen aufgeschlüsselt nach dem Resistenzphänotyp für Erythromycin und Clindamycin; Ergebnisse der PEG-Resistenz-studie 2001. Erläuterungen: N, Zahl getesteter Stämme; ERYS, Erythromycin-sensibel; ERYR, Erythromycin-resistent; CLIS, Clindamycin-sensibel; CLIR, Clindamycin-resistent;%-S, Prozentsatz sensibler Stämme; %-I, Prozentsatz intermediärer Stämme; %-R, Prozentsatz resistenter Stämme; abs., absolut; kum-%, kumulativ in %

Phänotyp N MHK (mg/L)≤ 0,06 0,125 0,25 0,5 1 2 4 8 ≥ 16 %-S %-I %-R

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Der AutorDr. Michael Kresken (geb. 1957); 1977 – 1982 Studi-um der Ökotrophologie mit den SchwerpunktenLebensmittelmikrobiologie und Biochemie an derUniversität Bonn; 1982 – 1987 Promotion am Insti-tut für Medizinische Mikrobiologie und Immunolo-gie der Universität Bonn bei Prof. Dr. B. Wiedemann;1987 – 1990 in verschiedenen Funktionen mit demSchwerpunkt Infektiologie/Antiinfektiva beiBeecham-Wülfing bzw. SmithKline Beecham und1990 – 2000 bei Rhone-Poulenc Rorer; seit 2000 ge-schäftsführender Gesellschafter der Fa. Antiinfec-tives Intelligence Gesellschaft für klinisch-mikro-biologische Forschung und Kommunikation mbH in Bonn; seit 1988 Leiter der Arbeitsgemeinschaft„Empfindlichkeitsprüfungen und Resistenz“ in derPEG.

AnschriftDr. Michael KreskenAntiinfectives Intelligence Gesellschaft für klinisch-mikrobiologische Forschung und Kommunikation mbHImmenburgstr. 2053121 BonnFon: 0228 / 444 70 611Fax: 0228 / 444 70 616e-mail: [email protected]

E R R AT U M |In Heft 6/03 hat sich ein Fehler eingeschlichen: Im Beitrag„Endothelfunktion, Morphologie und Biochemie der Athero-sklerose“ von Herrn Prof. G. Kostner muss es auf S. 460 in der linken Spalte heißen:

Zur Messung der FMD wird mittels Ultraschall über den Blut-fluss im Ruhezustand der Gefäßdurchmesser in der Brachial-arterie ermittelt. Anschließend wird durch eine Armbinde 5 min suprasystolisch gestaut und 60 bis 90 sseecc.. (nicht min.)nach Öffnung der Manschette eine erneute Messung vorge-nommen.

Wir bitten, diesen bedauerlichen Fehler zu entschuldigen.

Die Redaktion