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DE DIE ENERGIE VON MORGEN ERFINDEN – DIE ROLLE DER ZIVILGESELLSCHAFT BEI DER ERZEUGUNG ERNEUERBARER ENERGIE Untersuchung des EWSA zur Rolle der Zivilgesellschaft bei der Umsetzung der Richtlinie über erneuerbare Energien ABSCHLUSSBERICHT (Januar 2015) EESC-2014-04780-00-04-TCD-TRA (EN) 1/50

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DIE ENERGIE VON MORGEN ERFINDEN – DIE ROLLE DER ZIVILGESELLSCHAFT BEI DER ERZEUGUNG

ERNEUERBARER ENERGIE

Untersuchung des EWSA zur Rolle der Zivilgesellschaft bei der Umsetzung der Richtlinie über erneuerbare Energien

ABSCHLUSSBERICHT

(Januar 2015)

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Die Untersuchung wurde von einem neunköpfigen Team durchgeführt, das sich aus Mitgliedern der Beobachtungsstelle für nachhaltige Entwicklung (BNE) und der Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft (TEN) des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA) zusammensetzte:

Einem dreiköpfigen Kernteam, das die Arbeit leitete und die sechs ausgewählten Mitgliedstaaten besuchte: Lutz Ribbe (Gesamtkoordinator), Isabel Caño Aguilar und Brenda King; und

einem erweiterten Team mit sechs Mitgliedern, die für die Durchführung von Fallstudien in den ausgewählten Mitgliedstaaten zuständig waren: Andrzej Chwiluk (Polen), Pierre-Jean Coulon (Frankreich), Tom Jones (Vereinigtes Königreich/Wales), Vitas Mačiulis (Litauen), Georgi Stoev (Bulgarien) und Frank van Oorschot (niederländisches Mitglied, gemeinsam mit Lutz Ribbe verantwortlich für die Fachexkursion nach Deutschland).

Das Sekretariat der EWSA-Beobachtungsstelle für nachhaltige Entwicklung (Rayka Hauser und Nuno Quental) leistete fortwährende Unterstützung bei der Organisation der Fachexkursionen und der Abfassung dieses Berichts.

Besonderer Dank gilt an dieser Stelle dem Nachhaltigkeitsrat der französischen Region Provence-Alpes-Côte-d'Azur (PACA), der walisischen Regierung, der polnischen Bergarbeitergewerkschaft, den Vertretungen der Kommission in Deutschland, Bulgarien, Polen und Wales; zahlreichen zivilgesellschaftlichen Organisationen, Vereinigungen von Erzeugern erneuerbarer Energien, Genossenschaften, Gemeinschaftsinitiativen und Sozialunternehmen wie auch nationalen, regionalen und lokalen Behörden in den besuchten Ländern: Sie alle unterstützten die Durchführung der Untersuchung, brachten sich aktiv in die Debatten ein, zeigten Engagement für den Ausbau dezentraler erneuerbarer Energieträger und lieferten durch Darlegung ihrer Ansichten wertvolle Beiträge zu den Schlussfolgerungen aus der Untersuchung.

Dieser Bericht gründet letztlich auf dem umfangreichen Feedback, das das EWSA-Team im Verlauf der Fachexkursionen und Diskussionen von einem breiten Spektrum an Interessenträgern erhielt.

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Inhaltsverzeichnis1. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse und Empfehlungen...................................................5

1.1 Wichtigste Ergebnisse..................................................................................................................51.1.1 Aufbruchsgefühl...................................................................................................................51.1.2 Frustration.............................................................................................................................51.1.3 Ein klares Argument für Bürgerenergie...............................................................................51.1.4 Ein riesiges, weitgehend ungenutztes Potenzial...................................................................6

1.2 Wesentliche Empfehlungen.........................................................................................................61.2.1 Faire Wettbewerbsbedingungen für erneuerbare Energieträger...........................................61.2.2 Bürgerenergie als vorrangiger Förderschwerpunkt..............................................................61.2.3 Stabile Regelungsrahmen zur Förderung von Bürgerenergie:..............................................71.2.4 Ein aktiver zivilgesellschaftlicher Dialog über Energiepolitik.............................................71.2.5 Ein transparenter Dialog über Energiepreise, -kosten und -nutzen......................................81.2.6 Bewältigung der sozialen Auswirkungen der Energiewende...............................................8

2. Einleitung............................................................................................................................................83. Ansatz................................................................................................................................................11

3.1 Ziele...........................................................................................................................................113.2 Methodik....................................................................................................................................12

4. Der Entwicklungsstand bei der Erzeugung erneuerbarer Energie in der EU: eine Momentaufnahme..............................................................................................................................12

5. Argumente für die Beteiligung der Zivilgesellschaft und Bürgerenergie.........................................145.3 Bürgerenergie erschließt notwendige Mittel für Bewerkstelligung der Energiewende.............165.4 Bürgerenergie fördert die Entwicklung von Gemeinschaften und wirkt Energiearmut

entgegen.....................................................................................................................................175.5 Bürgerenergie schafft neue Arbeitsplätze und wirtschaftliches Wachstum..............................19

6. Die Debatte über die Preise und Kosten der erneuerbaren Energien................................................197. Unter welchen Bedingungen kann Bürgerenergie ihr Potenzial entfalten?.......................................21

7.2 Ein stabiler und kohärenter politischer Rahmen........................................................................227.3 Eine transparente und inklusive Politikgestaltung.....................................................................247.4 Einfache und transparente Verwaltungsverfahren.....................................................................247.5 Für Bürgerenergie geeignete Fördersysteme.............................................................................247.6 Barrieren für Bürgerenergie.......................................................................................................277.7 Netzausbau und Koordination zur Anpassung an die Erfordernisse der

erneuerbaren Energieträger........................................................................................................297.8 Energiemanagement und Energiespeicherung...........................................................................30

8. Schlussfolgerungen............................................................................................................................30A. Anhänge.............................................................................................................................................33

A.1. Länderberichte...........................................................................................................................33A.2. Liste der EWSA-Stellungnahmen zur Erneuerbare-Energien-Thematik...................................33

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Ausschnitt aus der Präambel der Richtlinie 2009/28/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen (Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU):

"(3) Es ist anerkannt, welche Möglichkeiten Innovation und eine nachhaltige, wettbewerbsfördernde Energiepolitik für das Wirtschaftswachstum bieten. Die Energieproduktion aus erneuerbaren Quellen ist oft von den vor Ort oder in der Region angesiedelten kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) abhängig. In den Mitgliedstaaten und ihren Regionen ergeben sich aus Investitionen in die lokale und regionale Produktion von Energie aus erneuerbaren Quellen bedeutende Wachstumschancen und Beschäftigungsmöglichkeiten. Die Kommission und die Mitgliedstaaten sollten demnach nationale und regionale Entwicklungsmaßnahmen in diesen Bereichen fördern, den Austausch bewährter Verfahren zur Energieproduktion aus erneuerbaren Quellen zwischen lokalen und regionalen Entwicklungsinitiativen anregen und auf den Einsatz von Strukturfondsmitteln in diesem Bereich drängen.

(4) Bei der Förderung der Entwicklung des Marktes für erneuerbare Energiequellen ist es erforderlich, die positiven Auswirkungen auf regionale und lokale Entwicklungsmöglichkeiten, Exportchancen, sozialen Zusammenhalt und Beschäftigungsmöglichkeiten, besonders für KMU und unabhängige Energieproduzenten, zu berücksichtigen. (…)

(6) Es ist angebracht, die Demonstrations- und Vermarktungsphase von dezentralen Technologien für erneuerbare Energietechnologien zu unterstützen. Mit der Entwicklung hin zur dezentralisierten Energieerzeugung sind viele Vorteile verbunden, beispielsweise die Nutzung vor Ort verfügbarer Energiequellen, eine bessere lokale Energieversorgungssicherheit, kürzere Transportwege und geringere übertragungsbedingte Energieverluste. Diese Dezentralisierung wirkt sich auch positiv auf die Entwicklung und den Zusammenhalt der Gemeinschaft aus, indem Erwerbsquellen und Arbeitsplätze vor Ort geschaffen werden. (…)

(43) Um Anreize dafür zu schaffen, dass die einzelnen Bürger zur Erreichung der Ziele dieser Richtlinie beitragen, sollten die zuständigen Behörden die Möglichkeit in Betracht ziehen, Genehmigungen durch eine einfache Mitteilung bei der zuständigen Stelle zu ersetzen, wenn kleine dezentrale Anlagen zur Produktion von Energie aus erneuerbaren Quellen installiert werden."

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1. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse und Empfehlungen

1.1 Wichtigste Ergebnisse

1.1.1 AufbruchsgefühlIn jedem der besuchten Mitgliedsstaaten fand das EWSA-Team eine starke Zivilgesellschaft vor, die sich im Bewusstsein der damit verbundenen sozialen und wirtschaftlichen Chancen für eine Energiewende und eine dezentrale Erzeugung erneuerbarer Energie engagiert. Angesichts der durch erneuerbare Energie eröffneten Möglichkeiten für die Generierung von Einkommen, die Entwicklung von Gemeinschaften und soziale Innovation herrscht eine Aufbruchsstimmung und ein großes Interesse an bewährten Verfahren und Fördermaßnahmen in anderen Mitgliedstaaten.

1.1.2 FrustrationFrustration herrscht hingegen angesichts bürokratischer Hürden und komplexer Verwaltungsverfahren, reformierter Förderpolitiken, die Kleinerzeuger und Gemeinschaften gegenüber großen zentralen Energieerzeugern benachteiligen, der mangelnden Wertschätzung von Bürgerenergie seitens der Entscheidungsträger sowie in einigen Fällen des fehlenden konstruktiven Dialogs mit den Behörden. Diese Hemmnisse sind nicht neu und wurden bereits von der Europäischen Kommission in ihrem Fortschrittsbericht Erneuerbare Energien (2013)1 genau beschrieben. Die Tatsache, dass diese Art Hemmnisse nicht beseitigt und teils sogar verstärkt werden (bspw. durch die Einführung von Auktionsverfahren für die Förderung erneuerbarer Energie in einigen Mitgliedsstaaten), wird von einigen Vertretern der Zivilgesellschaft als gezielte Benachteiligung von Bürgerenergie gegenüber großen zentralen Energieerzeugern gewertet.

1.1.3 Ein klares Argument für BürgerenergieEine wichtige Erkenntnis aus der Untersuchung ist, dass die Zivilgesellschaft sich nicht mehr damit begnügt, zur Energiepolitik lediglich angehört zu werden. Gemeinschaften, zivilgesellschaftlichen Organisationen und Privatpersonen ist sehr daran gelegen, erneuerbare Energie (EE) selbst zu produzieren – das EWSA-Team konnte sich zur Genüge von diesem Trend überzeugen:

Bürgerenergie erhöht die lokale Akzeptanz von EE-Infrastrukturen und fördert Unterstützung und Engagement für den Umstellungsprozess. Bürgerenergie erschließt die notwendigen Mittel für die Bewerkstelligung der Energiewende, hat zahlreiche sozioökonomische Vorteile für alle Beteiligten und generiert Wertschöpfung vor Ort. Tatsächlich bietet sich die EE-Erzeugung für Privathaushalte, Landwirte, Genossenschaften, KMU, Kommunen, Wohltätigkeitsorganisationen und NRO als wirtschaftliche Alternative oder Ergänzung zum Kauf von konventioneller Energie an. Sie fördert die lokale Entwicklung, soziale Innovation und Zusammenarbeit. Dezentrale Systeme versetzen Privatpersonen und Gemeinschaften in die Lage, Kosten und Nutzen der Erneuerbaren zu teilen und Angebot und Nachfrage besser aufeinander abzustimmen (beispielsweise bei Fern-/Nahwärme-Systemen). Ein geeigneter Regelungsrahmen vorausgesetzt, trägt erneuerbare Bürgerenergie zur Schaffung von Arbeitsplätzen und wirtschaftlichem Wachstum vor Ort bei.

Die EWSA-Untersuchung führte zu der Erkenntnis, dass die EE-Entwicklung vor allem in denjenigen Mitgliedstaaten rascher voranschreitet, in denen die Menschen vor Ort einzeln oder in Gemeinschaften 1 COM(2013) 175 final.

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in die Lage versetzt wurden, ihre Bürgerenergie-Initiativen umzusetzen. Wesentliche Voraussetzung für diese Entwicklung waren gut konzipierte Unterstützungsregelungen und gute Regelungsrahmen für erneuerbare Bürgerenergie. Um diese neuen Möglichkeiten zu nutzen, sollte in der Klima- und Energiepolitik der EU und der Mitgliedstaaten verstärkt der Schwerpunkt auf die Verknüpfung dezentraler EE-Erzeugung mit der regionalen und lokalen Entwicklung gelegt werden. Es ist an der Zeit, einen starken, stabilen und kohärenten Regelungsrahmen zur Förderung von Bürgerenergie einzuführen, um Europa auf dem Weg zu einer Niedrigemissionswirtschaft voranzubringen.

1.1.4 Ein riesiges, weitgehend ungenutztes PotenzialDie Untersuchung führte zu der Erkenntnis, dass fünf Jahre nach der Annahme der Erneuerbare-Energien-Richtlinie in den nationalen Strategiedokumenten kaum ein Hinweis auf eine konsequente strategische Förderung einer dezentralen Energieerzeugung aus EE zum Vorteil lokaler Gemeinschaften zu finden ist. In keinem der besuchten Mitgliedsstaaten fand das EWSA-Team eine kohärente Regierungsstrategie zur Förderung von Bürgerenergie vor. Ganz im Gegenteil: Politische Instabilität und vorgenommene bzw. geplante Reformen der Rechtsrahmen für EE in allen untersuchten Ländern haben für Unsicherheit, Zurückhaltung bei Neuinvestitionen und Besorgnis der Interessenträger bezüglich der künftigen Entwicklung der Bürgerenergie gesorgt.

1.2 Wesentliche Empfehlungen

1.2.1 Faire Wettbewerbsbedingungen für erneuerbare EnergieträgerWie die Europäische Kommission in ihrem Fortschrittsbericht Erneuerbare Energien (2013)2

hervorhebt, muss der Ausbau der erneuerbaren Energieträger weiter gefördert werden, so lange es keinen offenen, wettbewerbsorientierten EU-Energiebinnenmarkt gibt, der Marktversagen beendet und für eine Internalisierung der Gesundheits-, Umwelt- und Sozialkosten der Nutzung fossiler Brennstoffe sorgt. Im Einklang mit der in der Abschlusserklärung der Rio+20-Konferenz ("Die Zukunft, die wir wollen") eingegangenen Verpflichtung sollten die Regierungen sich bemühen, "die schädlichen und ineffizienten Subventionen für fossile Brennstoffe, die verschwenderischen Verbrauch fördern und die nachhaltige Entwicklung untergraben, stufenweise zu beseitigen". Eine Möglichkeit zur EE-Förderung besteht in der Festsetzung eines Kohlenstoffpreises, der konventionelle Brennstofftechnologien verteuert.

1.2.2 Bürgerenergie als vorrangiger FörderschwerpunktEine neue Energiepolitik kann nicht umgesetzt werden, wenn sie nicht von den Bürgern mitgetragen wird; mit Unterstützung der Bürger können politische Ziele indes erheblich schneller erreicht werden als erwartet. Der EWSA empfiehlt, dass kommunale, nationale und EU-Entscheidungsträger Bürgerenergie, d.h. das Erzeugen von erneuerbaren Energien durch Bürger, gezielt und vorrangig fördern sollten. Die Europäische Kommission sollte in ihrem nächsten, für 2015 erwarteten Fortschrittsbericht Erneuerbare Energien hinter die Zahlen schauen und analysieren, inwieweit bürokratische Hürden beseitigt und der Marktzugang für neue Kleinerzeuger verbessert worden ist.

1.2.3 Stabile Regelungsrahmen zur Förderung von Bürgerenergie: Verwaltungsverfahren für Bürgerenergie sollten einfach, schnell und kostengünstig sein;

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die Kosten und Wartezeiten für den Netzanschluss von Bürgerenergieprojekten müssen sich in einem vertretbaren Rahmen bewegen, und die Netzbetreiber sollten bei Nichterfüllung bestraft werden;

zentrale Anlaufstellen (one-stop-shops) sollten Kleininvestoren von der Planung bis zur Inbetriebnahme beraten und begleiten;

EE-Strom sollte bevorzugt vor aus fossilen Brennstoffen und Kernkraft erzeugtem Strom ins Netz eingespeist werden;

Bürgerenergie sollte von Verfahren ausgenommen werden, die zu unverhältnismäßig hoher Belastung, Kosten und Unsicherheit führen, wie bspw. eine Direktvermarktungspflicht;

Einspeisetarife sollten das Hauptförderinstrument für Bürgerenergie sein, denn sie ermöglichen den EE-Erzeugern eine einfache und zuverlässige Berechnung ihrer Investitionen und Renditen, bieten Investitionssicherheit und erhöhen für Kleinerzeuger die Aussicht auf Beschaffung des erforderlichen Kapitals. Einspeisetarife können und sollten ständig an sinkende Investitionskosten angepasst werden;

um Versorgungsschwankungen und ihre dramatischen Auswirkungen auf die Spitzenlastpreise zu bewältigen, könnte das System der Einspeisetarife mit Energiemanagementinstrumenten wie Net-Metering (siehe weiter unten), intelligenten Netzen und der Entwicklung von Speicherkapazitäten verknüpft werden;

die Mitgliedsstaaten sollten bei der Nutzung von Ausschreibungsverfahren für erneuerbare Energien Vorsicht walten lassen, da solche komplexen Verfahren eine unverhältnismäßig hohe Belastung für Kleinerzeuger darstellen, wodurch Bürgerenergie effektiv von der EE-Förderung ausgeschlossen werden könnte. Durch die Begünstigung großer zentraler Energieerzeuger könnten die Verbraucherpreise steigen. Wenn es keinen Energiemarkt gibt, können Ausschreibungen zudem nicht funktionieren. Diesbezüglich wären die EU-Leitlinien für staatliche Umwelt- und Energiebeihilfen 2014-2020 zu klären;

Bürgerenergie sollte durch Net-Metering und Unterstützungsmaßnahmen für Stromerzeugung gefördert werden;

im Rahmen der EU-Struktur- und Kohäsionsfonds sowie der nationalen Haushalte sollten die notwendigen Mittel bereitgestellt werden, um sicherzustellen, dass der Ausbau der erneuerbaren Energieträger und der dezentralen Energieerzeugung nicht durch Netzbeschränkungen behindert wird.

1.2.4 Ein aktiver zivilgesellschaftlicher Dialog über Energiepolitik Die EE-Politik sollte in einem fortwährenden Dialog mit den Interessenträgern der

Zivilgesellschaft gestaltet und durchgeführt werden, um ein gemeinsames Verständnis und gemeinsame Ziele, Unterstützung für die Umsetzung und eine Kooperations- und Vertrauenskultur zu entwickeln. Der Europäische Energiedialog des EWSA sollte dabei hilfreich sein;

die Zivilgesellschaft sollte in die Lage versetzt werden, an der Entwicklung wie auch der Überwachung und Bewertung der nationalen Klima- und Energie-Aktionspläne mitzuwirken;

EU-, nationale, regionale und lokale Strategien, Finanzierungsmaßnahmen und Fördermechanismen sollten unter aktiver Beteiligung der Zivilgesellschaft daraufhin überprüft und überarbeitet werden, dass sie Bürgerenergie fördern und nicht behindern. Insbesondere sollte die Einführung umstrittener Maßnahmen wie Direktvermarktungspflicht und Ausschreibungen für die EE-Erzeugung eng überwacht werden, damit eventuelle nachteilige Auswirkungen für Bürgerenergie rasch erkannt und behoben werden können.

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1.2.5 Ein transparenter Dialog über Energiepreise, -kosten und -nutzenDa energiepolitische Debatten häufig von kurzfristigen Preisentwicklungen bestimmt werden, muss eine transparente öffentliche Debatte über Energiekosten und -preise eingeleitet werden. Bei der EE-Gewinnung fallen im Gegensatz zu konventionellen Energieträgern, die für die gegenwärtigen wie auch die kommenden Generationen umfangreiche Gesundheits- und Umweltkosten verursachen, kaum externe Kosten an. Es sollte klare und ausführliche öffentliche Informationen über die Kosten und den Nutzen geben, die aufgrund der Beihilfen für erneuerbare Energieträger, fossile Brennstoffe und Kernkraft entstehen; dabei sollten auch externe Kosten aufgrund der Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umweltqualität wie auch die Einsparungen aufgrund vermiedener Energieeinfuhren und verbesserter Energiesicherheit berücksichtigt werden. Die Europäische Kommission weist in ihrem Fortschrittsbericht Erneuerbare Energien (2013)3 darauf hin, dass die Kosten der Erneuerbare-Energien-Technologien zwar ständig sinken, indes aber nach wie vor finanzielle, rechtliche und verwaltungstechnische Maßnahmen erforderlich sind, um den Ausbau der erneuerbaren Energieträger zu fördern, so lange es keinen offenen, wettbewerbsorientierten EU-Energiebinnenmarkt gibt, der Marktversagen beendet und für eine Internalisierung der externen Kosten sorgt.

1.2.6 Bewältigung der sozialen Auswirkungen der Energiewende Zwar sollen die Auswirkungen der Energiewende auf Beschäftigung und Einkommen unter dem Strich positiv sein, doch gehen in einigen konventionellen Energiebereichen bereits Marktanteile und Arbeitsplätze verloren (was nicht notwendigerweise mit dem EE-Wachstum zusammenhängt). Die Regierungen sollten die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Umstellung auf eine Niedrigemissionswirtschaft so steuern, dass sie der ganzen Gesellschaft zum Wohl gereicht. Nationale Strategien für den sozialen Wandel müssen eng auf den Ausbau der erneuerbaren Energien abgestimmt werden, damit ein reibungsloser Übergang sichergestellt, die notwendigen Qualifikationsmaßnahmen durchgeführt und gezielt negative Auswirkungen auf die Beschäftigung und sozial schwache Haushalte ausgeglichen werden können. Die Regierungen müssen sicherstellen, dass die Kosten zur Förderung der Bürgerenergie in gerechter Weise auf die Gesellschaft umgelegt werden.

2. Einleitung

Die Entscheidungsträger der EU haben gemeinsam ein klares politisches Ziel gesetzt: Bis 2050 sollen die CO2-Emissionen um 80-95% gesenkt werden. In Europa soll eine ressourceneffiziente und klimaschonende Niedrigemissionswirtschaft entstehen. Dieser Agenda liegen nicht nur Klimaschutzanliegen zugrunde. Nur durch eine energiepolitische Revolution können die Probleme in Verbindung mit der Endlichkeit der fossilen Energieträger gelöst und die Abhängigkeit Europas von Energieeinfuhren aus politisch instabilen Regionen beendet werden. Die Entwicklung der Energiesysteme muss auf die Bereitstellung sauberer, sicherer und erschwinglicher Energie für die Verbraucher von heute wie auch für die künftigen Generationen ausgerichtet werden. Bei der energiewirtschaftlichen Planung müssen die externen Sozial-, Umwelt- und Gesundheitskosten eingerechnet und die Auswirkungen auf die künftigen Generationen berücksichtigt werden.

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Bei dieser Energiewende spielt erneuerbare Energie (EE) eine wesentliche Rolle. Ziel der Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU4 aus dem Jahr 2009 ist es, die Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Energieträgern zu fördern und die Energieversorgungssicherheit zu erhöhen. Jeder Mitgliedstaat ist gefordert, bis 2020 einen bestimmten EE-Anteil an seinem Gesamtenergieverbrauch zu erreichen und so zum übergeordneten EU-Ziel von 20% erneuerbare Energie beizutragen. In ihrem Rahmen für die Klima– und die Energiepolitik bis 2030 hat die EU dieses Ziels auf mindestens 27% bis 2030 angehoben. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) befürwortet diese Vorgabe5, fordert jedoch, dass nationale EE-Ziele festgesetzt werden, auf deren Grundlage die Kommission tätig werden und sicherstellen könnte, dass die Mitgliedstaaten zur Erreichung des gemeinsamen Ziels beitragen.

In der Aufgabenbeschreibung für den neuen Energiekommissar betonte der Präsident der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker: "Den Anteil der erneuerbaren Energien zu erhöhen, ist nicht nur eine Frage verantwortungsvoller Politik zur Bewältigung des Klimawandels, sondern auch in der Industriepolitik unerlässlich, wenn Europa sicherstellen will, dass mittelfristig erschwingliche Energien zur Verfügung stehen. Ich bin vom grünen Wachstumspotenzial überzeugt und möchte, dass die EU bei den erneuerbaren Energien weltweit den ersten Platz einnimmt."

Der EWSA ist sich über die technischen, wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen des Übergangs zu einer ressourcenschonenden Niedrigemissionswirtschaft im Klaren. Es gibt Bedenken hinsichtlich der Verteilung der Kosten und des Nutzens der Energiewende, der Integration einer räumlich verteilten und fluktuierenden Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien in das Versorgungssystem sowie neuer Infrastrukturen und lokaler Widerstände gegen bestimmte EE-Infrastrukturen. Es wird konstruktiv auf die Lösung dieser Probleme hingearbeitet. Die Kosten der Erneuerbare-Energien-Technologien sind aufgrund der technologischen Entwicklung und der Markteinführung gesunken; bei der Entwicklung intelligenter Netze und anderer Lösungen zum Ausgleich des fluktuierenden Angebots und der Nachfrage werden Fortschritte erzielt.

Der EWSA ist sich von vornherein darüber im Klaren gewesen, dass es bei der Gestaltung und Durchführung von Erneuerbare-Energien-Förderpolitiken mindestens ebenso um Marktstrukturen und wirtschaftliche und soziale Aspekte wie auch um technische und technologische Fragen geht. In seiner Untersuchung geht er indes nicht auf die technischen Fragen ein, die Gegenstand weiterer laufender Debatten sind. Im Mittelpunkt steht vielmehr die bislang eher nebensächlich behandelte Rolle, die die Zivilgesellschaft in diesem tiefgreifenden Wandel spielt bzw. spielen könnte und sollte.

Erschöpft sich die Rolle der Zivilgesellschaft in der Beobachtung und Hinnahme neuer Maßnahmen und Vorhaben? Werden die Akteure der Zivilgesellschaft angehört und ihre Standpunkte in der Praxis berücksichtigt? Oder wird die Zivilgesellschaft umfassend einbezogen und spielt eine aktive, womöglich tragende Rolle in einem neuen dezentraleren System der Energieerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern? Welche Faktoren sind in diesem Zusammenhang letztlich für den Erfolg ausschlaggebend, und welche Herausforderungen sind zu bewältigen?

4 Richtlinie 2009/28/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen und zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinien 2001/77/EG und 2003/30/EG.

5 EWSA-Stellungnahme zu dem Rahmen für die Klima- und Energiepolitik 2020-2030 (NAT/636).

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Die Zivilgesellschaft ist bisher nur am Rande in die Energieerzeugung eingebunden. Der Energiesektor ist durch ausgeprägte Zentralisierung und eine klare Rollenverteilung geprägt. Die konventionellen und nach wie vor überwiegenden Energieerzeugungssysteme stützen sich üblicherweise auf zentrale Leistungen einer begrenzten Zahl von meist mit fossilen Brennstoffen befeuerten oder nuklearen Großkraftwerken. Wenige große Energieversorger beherrschen den Markt, so z.B. vier in Deutschland, sechs im Vereinigten Königreich und einer in Frankreich. Bürger, Unternehmen und die Industrie sind passive Verbraucher, die für Energieerzeugnisse bezahlen.

Die Entwicklung kohlenstoffarmer Energien wird den Energiesektor grundlegend verändern. Erneuerbare Energie (EE) wird naturgemäß dezentral erzeugt, da die genutzten Ressourcen häufig ortsgebunden sind und nicht oder nur unter hohem Kostenaufwand transportiert werden können. Die Erzeugung von Energie und Strom wird in das unmittelbare Lebensumfeld der Menschen rücken und die Energieinfrastruktur wird im Landschaftsbild wesentlich stärker präsent sein. Akzeptanz ist die Voraussetzung für erfolgreiche Politik. Das gilt für die bisherige Energiepolitik und vermutlich noch viel mehr für die künftige. Denn nicht nur die allgemeine Klimaschutzpolitik der EU benötigt die Unterstützung der Zivilgesellschaft: Jedes einzelne Projekt, jede Windkraft-, Solar- oder Biogasanlage ist auf die Akzeptanz der Menschen vor Ort angewiesen. Akzeptanz für Projekte gibt es vor allem dann, wenn die betroffenen Menschen die Vorteile der Veränderungen in ihrer Lebensumwelt verstehen, umso mehr, wenn ihnen diese Vorteile unmittelbar selbst zugutekommen.

Unter dem Gesichtspunkt des globalen Klimawandels ist es vollkommen egal, wer Eigentümer oder Betreiber einer Windkraftanlage ist. Unter dem Gesichtspunkt der Akzeptanz kann aber genau das ausschlaggebend sein. Die Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie und der Klimaschutzpolitik insgesamt ist daher eng mit der Frage verknüpft, wer bevorzugten Zugang zur EE-Erzeugung erhält und daraus Gewinn ziehen kann: externe Investoren, die die lokalen Ressourcen einer Region zu ihrem wirtschaftlichen Vorteil nutzen, oder die Menschen vor Ort, die ihre lokalen Sonnenenergie-, Biomasse- und Windenergieressourcen nutzen und daraus nicht nur Energie erzeugen können, sondern neue regionale Wertschöpfung, Chancen und Arbeitsplätze schaffen. Das soll nicht heißen, dass Kleinerzeuger die Energiewende allein stemmen könnten oder sollten. Privatpersonen und Gemeinschaften müssen aber befähigt werden, mit großen Investoren in Wettbewerb zu treten, lokale Wertschöpfung zu generieren und ihren wichtigen Beitrag zur Energiewende zu leisten.

Die Erneuerbare-Energien-Richtlinie trägt dem Wachstums- und Beschäftigungspotenzial einer regionalen und lokalen Energieerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern Rechnung. Die Mitgliedstaaten werden darin aufgefordert, nationale und regionale Entwicklungsmaßnahmen zu unterstützen und die entsprechende Nutzung von Strukturfondsmitteln zu fördern, auch wenn in diesem Zusammenhang Bürgerenergie nicht explizit genannt wird.

Die BNE hat im Rahmen ihrer Untersuchung die Erfahrungen mit einschlägigen Fördersystemen in sechs Mitgliedsstaaten ausgewertet. In diesem Bericht werden die Ergebnisse der Untersuchung zusammengefasst und Empfehlungen an die EU-Institutionen und nationalen Entscheidungsträger mit dem Ziel formuliert, die rechtlichen Rahmenbedingungen für die dezentrale Erzeugung erneuerbarer Energie durch lokale Gemeinschaften und die Zivilgesellschaft und zu ihrem Nutzen zu verbessern.

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Begleitend dazu werden Länderberichte mit ergänzenden Informationen über die im Rahmen von Fachexkursionen besuchten sechs Mitgliedsstaaten vorgelegt.

3. Ansatz

3.1 Ziele

Es wurden Antworten auf zwei spezifische Fragen gesucht:

In welchem Maße ist die Zivilgesellschaft in die Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie eingebunden? Wird die Zivilgesellschaft nur als Beobachter informiert? Wird sie im Rahmen der Beschlussfassung konsultiert? Oder ist sie unmittelbar an der Energieerzeugung beteiligt, trägt so zur Umstellung auf eine Niedrigemissionswirtschaft bei und zieht Nutzen daraus?

Inwieweit fördern oder behindern nationale oder regionale Regelungsrahmen die EE-Erzeugung durch die Zivilgesellschaft (politische, verwaltungstechnische, finanzielle und technische Maßnahmen)?

Um diese Fragen zu beantworten, wurde geprüft, ob es auf verschiedenen Regierungsebenen Strategien und konkrete Maßnahmen zur Förderung von Bürgerenergie gibt und ob daraus Vorteile für die lokalen Gemeinschaften erwachsen; es werden bewährte Beispiele angeführt und Empfehlungen für politische Maßnahmen unterbreitet.

Der in diesem Bericht verwendete Begriff der Bürgerenergie beinhaltet die dezentrale EE-Erzeugung durch Privathaushalte, lokale Initiativen, Gemeinschaften, Kommunen, Wohltätigkeitsorganisationen, NRO, Landwirte, Genossenschaften und KMU, die Eigentümer (mindestens zu 50%) oder Betreiber der Anlagen sind. Es entsteht ein lokaler Wertstrom, der in der betreffenden Region verbleibt. Nicht durch alle EE-Projekte wird lokale Wertschöpfung generiert. Beispielsweise geht die durch Windparks generierte Wertschöpfung weitgehend an den Bürgern vor Ort vorbei, wenn diese sich in Besitz von Großunternehmen bzw. externen Investoren befinden.

3.2 Methodik

Die Untersuchung stützte sich auf die Auswertung verschiedener Informationsquellen und vor allem auf die Beiträge vieler verschiedener Interessenträger während der Fachexkursionen in ausgewählte Mitgliedstaaten. Folgendes ist dabei eingeflossen:

Auswertung von Fachliteratur, statistischen Daten und nationalen Strategiedokumenten; Interviews wichtiger Interessenträger auf EU-Ebene; ein Online-Fragebogen für Behörden und Interessenträger zu verschiedenen Aspekten der

nationalen administrativen, technischen und finanziellen Rahmenbedingungen für erneuerbare Energien;

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Fachexkursionen in sechs ausgewählte Mitgliedstaaten einschl. Workshops und Anhörungen mit Behörden und Interessenträgern sowie Besichtigungen lokaler EE-Projekte. Die sechs Mitgliedstaaten wurden ausgewählt, um (a) geographische Ausgewogenheit innerhalb der EU sicherzustellen, (b) Beispiele für "alte" und "neue" Mitgliedstaaten zu bieten und (c) verschiedene Ausgangspunkte und Stufen der Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie zu veranschaulichen. Termine der Fachexkursionen:

- Deutschland: 11.-13. März 2014;- Polen: 7.-9. April 2014;- Frankreich: 23.-24. April 2014;- Vereinigtes Königreich: 5.-7. Mai 2014;- Litauen: 13.-15. Mai 2014;- Bulgarien: 14.-16. Juli 2014.

In all diesen Ländern wurden zur Zeit der Fachexkursionen die energiepolitischen Rahmenregelungen und Maßnahmen grundlegend überarbeitet. Das EWSA-Team konnte somit zum Teil hitzige nationale Debatten über die Auswirkungen der Reformen auf Bürgerenergie miterleben. Die einzelnen Länderberichte finden sich im Anhang zu diesem Abschlussbericht.

Mit dem Fokus auf der Zivilgesellschaft wurden vor allem typische erneuerbare Energieträger in der Kleinerzeugung und der kommunalen Energieversorgung untersucht: Solarenergie (Photovoltaik und Solarthermie), Windkraft, Biomasse, Biogas und Kleinwasserkraft.

4. Der Entwicklungsstand bei der Erzeugung erneuerbarer Energie in der EU: eine Momentaufnahme

Zwar ist die EU-Wirtschaft immer noch stark von fossilen Energieträgern und Brennstoffeinfuhren abhängig, doch ist der Anteil erneuerbarer Energieträger am Bruttoendenergieverbrauch stetig gestiegen. Im Jahr 2012 erreichte er 14,1%6 und lag damit immer noch im Rahmen des für 2020 angestrebten Anteils von 20% EE-Energie am Bruttoendenergieverbrauch. Innerhalb der EU fallen die Fortschritte jedoch sehr unterschiedlich aus und 2014 verlangsamte sich die Entwicklung allgemein. Wenn sich dieser Trend fortsetzt, kann die EU ihr 20%-Ziel verfehlen.

6 Eurostat (2014).

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Europe 2020 target

Abb. 1: Anteil an erneuerbaren Energien nach Mitgliedstaat (in % des Bruttoendenergieverbrauchs)Quelle: Eurostat Pressemitteilung, STAT/14/37 vom 10. März 2014

Den von Eurostat erhobenen Daten (2012) zufolge stützt sich die Energieerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern in der EU vor allem auf Biomasse (46%) und Wasserkraft (16%), doch gewinnen mittlerweile auch Solarkraft (Photovoltaik) und Windkraft an Boden und eröffnen neue Möglichkeiten für die Beteiligung der Zivilgesellschaft.

Abb. 2: installierte elektrische Kapazität aus erneuerbaren Energien in der EU-28Quelle: basierend auf Eurostat-Daten

Der Endverbrauch von Strom aus erneuerbaren Energiequellen (RES-E) lag 2012 bei 23,5%. Dieser Erfolg erklärt sich teilweise aus dem spektakulären Wachstum in den Bereichen Photovoltaik (die 2012 mit 23% der EE-Stromerzeugung zu Buche schlug) und Windkraft (auf die 35% der EE-Stromerzeugungskapazität entfielen).

Bei der Erzeugung von Wärme und Kälte aus erneuerbaren Energiequellen (RES-H&C) verliefen die Fortschritte langsamer: 2012 betrug ihr Anteil 15,6%. Auf Biomasse entfallen 15% der Wärmeerzeugung und 87% der aus EE erzeugten Wärme und Kälte (RES-H&C). Biogas fällt mit nur

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3% der aus EE erzeugten Wärme und Kälte (RES-H&C) kaum ins Gewicht. Biomasse wird häufig zur Wärmeerzeugung in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK) genutzt, jedoch wird ein Großteil in ineffizienten Anlagen verbrannt. In Osteuropa wird verbreitet noch Holzbiomasse genutzt und (im Falle Polens) in großen Mengen aus Russland eingeführt. Die erzeugte Energie wird als erneuerbare Energie verbucht und die Erzeuger erhalten Ökozertifikate, obwohl dadurch kaum ein Beitrag zu Emissionssenkungen geleistet wird; teilweise wird dadurch vielmehr zur Zerstörung von Wäldern beigetragen. In den meisten KWK-Anlagen werden zudem im Rahmen von Co-Firing Kohle und Biomasse zusammen verbrannt, was die Überprüfung des gemeldeten EE-Anteils erschwert: Über dieses Problem berichteten Interessenträger in Polen, Litauen und Bulgarien. Zwischen 2007 und 2011 gingen 70-75% aller Ökozertifikate in Polen an Kohlekraftwerke, wodurch deren Gewinne stiegen, während gleichzeitig der Preis der Ökozertifikate verfiel. Davon wiederum wurden Windkraftanlagen hart getroffen und unwirtschaftlich.

Es sei darauf hingewiesen, dass sich die politische und gesellschaftliche Debatte über erneuerbare Energien bislang vor allem auf die Stromerzeugung erstreckt und die Erzeugung und Nutzung von Wärme relativ außer Acht gelassen hat. Hier muss ein Umdenken erfolgen, denn der Energieverbrauch liegt im Wärmesektor wesentlich höher als im Stromsektor. Überdies können durch die Kopplung von EE-Strom- und Wärmeerzeugung ("Power to Heat") dringend benötigte Speicherkapazitäten gewonnen werden, auf die im Zuge der schwankenden EE-Erzeugung immer wieder zugegriffen werden kann.

5. Argumente für die Beteiligung der Zivilgesellschaft und Bürgerenergie

Im Verlauf der Fachexkursionen stieß der EWSA auf viele Beispiele für die Relevanz von Bürgerenergie: von der Sicherstellung der kurz- und mittelfristigen Akzeptanz von neuen Energieerzeugungsanlagen über die Mobilisierung der Mittel für die Energiewende, langfristige Selbstversorgung, regionale Wertschöpfung und lokale Entwicklung bis hin zur Ablösung der traditionellen Monopole im Energiesektor. Das soll nicht heißen, dass die Zivilgesellschaft die Energiewende allein stemmen kann oder sollte. Es sollte aber sichergestellt werden, dass die Zivilgesellschaft durch geeignete Rahmenbedingungen in die Lage versetzt wird, unter fairen Ausgangsbedingungen mit zentral agierenden Großinvestoren in Wettbewerb zu treten und ihren wichtigen Beitrag zur Energiewende zu leisten.

5.1 Die Zivilgesellschaft verlangt eine aktive Rolle

Die Fachexkursionen des EWSA in sechs EU-Mitgliedsstaaten und die Debatten mit Organisationen der Zivilgesellschaft in Brüssel erbrachten einige unerwartete Ergebnisse. Das EWSA-Team lernte eine sehr offene Zivilgesellschaft7 mit Interessenträgern kennen, die nicht nur erneuerbare Energie unterstützen, sondern für sich eine eigene Rolle in der Energiewende beanspruchen. In den Diskussionen mit diesen Interessenträgern standen erstaunlicherweise vor allem Überlegungen zu wirtschaftlichen und sozialen Aspekten und Nutzen für die Gemeinschaft im Mittelpunkt und nicht etwa Klimaschutzerwägungen.

7 U.a. Vertreter von KMU, Hochschulen, Umweltschutzorganisationen, Bürgervereinigungen, Genossenschaften, lokalen und regionalen Behörden.

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Die Vertreter der Zivilgesellschaft in den verschiedenen Mitgliedsstaaten legten dem EWSA-Team gegenüber ein sehr unterschiedliches Maß an Zuversicht an den Tag. Interessenträger in Deutschland bekräftigten: "Wir unterstützen nicht nur die Energiewende, wir SIND die Energiewende. Die Energiewende ist nicht von Politikern oder den Energiekonzernen herbeigeführt worden, sondern durch uns. Durch den Druck, den wir ausgeübt haben, sind die Voraussetzungen für die Energiewende geschaffen worden." In Polen, Litauen und Bulgarien dagegen ist das große Interesse an Bürgerenergie durch extreme Frustration in Anbetracht der verwaltungstechnischen und finanziellen Hürden für eine Beteiligung an der Politikgestaltung und Energieerzeugung erstickt worden. Anstatt den Wert und das Potenzial der neuen Klima- und Energiepolitik zu erkennen, schienen die Regierungsvertreter in diesen drei Ländern Bürgerenergie überwiegend als bedrohlich und problematisch einzustufen. Zum einen hegten sie Zweifel an der Kapazität der Erneuerbaren, einen Großteil des Strombedarfs zu decken (ein zu Anfang der Energiewende häufig angeführtes Argument), und zum anderen zeigten sie sich besorgt über den raschen EE-Ausbau.

Von Seiten der Zivilgesellschaft gab es eine klare und kohärente Antwort auf die Leitfrage der Untersuchung: Die Zivilgesellschaft wünscht eine aktive Teilhabe an der Erzeugung erneuerbarer Energie. Ein Teilnehmer an der Debatte im Polen fasste dies wie folgt zusammen: "Wir wollen nicht zusehen, wie andere die Sonne und den Wind in unserer Region nutzen. Wir wollen unsere eigenen Ressourcen für uns selbst nutzen." Das Team erkannte ferner ein riesiges Interesse an Information, an bewährten Verfahrensbeispielen und Erfolgsmodellen sowie an Erfahrungswerten, um die Wiederholung bereits gemachter Fehler zu vermeiden.

5.2 Bürgerenergie erhöht die lokale Akzeptanz von EE-Infrastrukturen

Eine erfolgreiche Energiewende setzt hohe Akzeptanz in der Zivilgesellschaft voraus. Während der Fachexkursionen berichteten Interessenträger von einigen Fällen von Opposition der Lokalbevölkerung gegen EE-Anlagen, insbesondere gegen den Bau von Windparks. In all diesen Fällen wurden die EE-Infrastrukturen von externen Investoren errichtet, während die Bevölkerung vor Ort daraus nur geringen Nutzen zog bzw. kaum Entschädigung erhielt. Wo dagegen die Bürger und ortsansässigen Unternehmen in ein EE-Projekt eingebunden wurden, lag die Wahrscheinlichkeit sehr viel höher, dass sie die Vorteile abwägten und eventuelle negative Aspekte ästhetischer oder anderer Art hinnahmen. Ein ausgezeichnetes Beispiel für die Relevanz der Bürgerbeteiligung wurde im Verlauf einer EWSA-Debatte im November 2013 über kommunale EE-Initiativen und Bürgerenergie-Projekte erläutert8. Die dänische Insel Samsø erzeugt ihren gesamten Energiebedarf aus erneuerbaren Energieträgern, und zwar überwiegend aufgrund der Beteiligung der Bürger im Rahmen kommunaler Projekte. Um die Unterstützung und das Engagement der Bürger für erneuerbare Energien sicherzustellen, sind die Windkraft-Entwickler verpflichtet worden, Anteile an die Bürger vor Ort zu verkaufen.

Letztlich trägt Bürgerenergie zur Bewusstseinsbildung bei und ermöglicht den Bürgern Selbstbestimmung, Mitsprache und Teilhabe an der politischen Gestaltungsarbeit. Dadurch werden die Demokratie und die Legitimation der politischen Entscheidungen gestärkt. Ein konstruktiver Dialog, gegenseitiges Vertrauen und Zusammenarbeit zwischen den Institutionen und der Zivilgesellschaft werden gefördert.

8 "Lokale Initiativen im Bereich erneuerbare Energien: positive Beispiele, Erfolgsfaktoren und die Rolle der Zivilgesellschaft", November 2013. http://www.eesc.europa.eu/?i=portal.en.events-and-activities-local-renewable-energy.

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5.3 Bürgerenergie erschließt notwendige Mittel für Bewerkstelligung der Energiewende

Es steht außer Zweifel, dass der Ausbau der erneuerbaren Energieträger und die erforderliche Infrastruktur große finanzielle Anstrengungen erfordern werden9. Die notwendigen Finanzierungsmittel müssen in erster Linie vom Privatsektor bereitgestellt werden. Mit Hilfe gut durchdachter Förderregelungen konnten bereits umfangreiche, von Privatpersonen, Gemeinschaften und lokalen Unternehmen bereitgestellte Mittel mobilisiert werden. Das Potenzial von Bürgerinvestitionen in die Energiewende wird jedoch nur teilweise ausgeschöpft, wobei zwischen den EU-Mitgliedstaaten enorme Unterschiede bestehen. Deutschland und Dänemark bieten wahrscheinlich die besten Beispiele dafür, dass die Energiewende weitgehend durch die Zivilgesellschaft vollzogen wird.

Im Jahr 2012 investierten die Bürger in Deutschland 5,14 Mrd. EUR in Erneuerbare Energien-Anlagen, die großen Energieversorgungsunternehmen dagegen nur 1,7 Mrd. EUR. Die installierte Photovoltaikleistung in Deutschland beläuft sich derzeit auf über 30 000 MW, mit einer Zuwachsrate von 7 MW täglich (was der aktuellen installierten PV-Gesamtkapazität in Polen entspricht). Nahezu die Hälfte der Kapazität befindet sich in den Händen von mehr als 1 000 Energiegenossenschaften, Privathaushalten und Landwirten:

Abb. 3: Installierte Leistung Erneuerbarer Energien nach Eigentümergruppen in Deutschland (2012)Quelle: the energiewende blog (2014)

Zu Beginn der Energiewende lagen die Investitionskosten hoch, und entsprechend hohe Einspeisevergütungen für Solarstrom waren ein Anreiz für die Bürger, selbsterzeugten Solarstrom ins Netz einzuspeisen. Das hat sich geändert. Durch die bahnbrechenden technologischen Entwicklungen und die damit einhergehenden sinkenden Investitionskosten ist es für Kleinerzeuger mittlerweile oft günstiger, ihren selbsterzeugten Strom selbst zu verbrauchen und weniger Strom aus dem Netz zu beziehen. Das wiederum hat zur Optimierung des Stromeigenverbrauchs geführt, so dass Erzeugungsspitzen möglichst von entsprechenden Lasten ausgeglichen und Verbrauchsspitzen am späten Nachmittag oder frühen Abend vermieden werden.9 Das gilt nicht nur für erneuerbare Energie. Die Europäische Kommission stellt in ihrem Klima- und Energiepaket 2030 fest, "dass

die Kosten des Übergangs zu einer CO2-armen Wirtschaft nicht wesentlich höher sind als die, die bedingt durch die notwendige Erneuerung des alternden Energiesystems, die steigenden Preise für fossile Brennstoffe und die Erfüllung der aktuellen klima- und energiepolitischen Vorgaben ohnehin anfallen. Allerdings wird es bei den Ausgaben eine erhebliche Verlagerung von den Ausgaben für Brennstoffe hin zu Ausgaben für innovative Ausrüstungen mit hohem Mehrwert geben, die Investitionen in innovative Produkte und Dienstleistungen fördern, Arbeitsplätze und Wachstum schaffen und die Handelsbilanz der Union verbessern werden".

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Die dezentrale Erzeugung erneuerbarer Energie findet naturgemäß näher am Verbraucher statt und kann eine erhebliche Senkung der Netzinfrastrukturkosten bewirken. Außerdem stellte sich bei der Untersuchung heraus, dass Kleinerzeuger mit erheblich niedrigeren Gewinnspannen rechnen als Großerzeuger.

5.4 Bürgerenergie fördert die Entwicklung von Gemeinschaften und wirkt Energiearmut entgegen

Bei der Erzeugung erneuerbarer Energie wird auf vor Ort verfügbare Ressourcen zugegriffen. Geeignete Förderregelungen vorausgesetzt, generiert die Energieerzeugung durch Bürger und lokale Gemeinschaften einen neuen Wertstrom, der in der betreffenden Region verbleiben kann. Einige Erneuerbare-Energien-Gemeinden behalten auf diese Weise umfangreiche Finanzmittel in ihrer Region, die früher in die Einfuhr von Energie und fossilen Brennstoffen flossen und nun in Arbeitsplätze vor Ort und sozioökonomische Entwicklung investiert werden.

Ein Beispiel hierfür ist das Bioenergiedorf Feldheim (Stadt Treuenbrietzen) in Deutschland, das gemeinsam mit seinen Einwohnern einen Solarpark, Windpark sowie eine Biogasanlage betreibt. Die Biogasanlage erzeugt Strom und Wärme, die über das gemeindeeigene, selbst gebaute Nahwärmenetz verteilt wird. Für zusätzlichen Wärmespitzenbedarf steht ein Holzhackschnitzel-Heizwerk zur Verfügung. Die Gemeinde hat ein separates Stromversorgungsnetz errichtet und baut zusätzlich noch einen Batteriespeicher, um energieautark zu sein. Der Feldheimer Strompreis liegt mit 16,6 ct/kWh um 30-35% niedriger als der Strompreis im übrigen Deutschland. Für die Wärmeversorgung bezahlen die Einwohner 7,5 ct/kWh, was weit unter den Heizkosten der Haushalte liegt, die mit Erdgas oder Heizöl heizen. Treuenbrietzen-Feldheim zeigt damit, dass mit erneuerbarer Energieerzeugung vor Ort Geld gespart werden kann.

Bürgerenergieinitiativen fördern die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen lokalen Akteuren, was durch den sprunghaften Anstieg der Zahl der Energiegenossenschaften in der EU verdeutlicht wird (s. Abb. 4).

Abb. 4: Vorläufige Zahlen und Landkarte registrierter kommunaler EnergiegenossenschaftenQuelle: REScoop project (2014)

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Es besteht auch ein Zusammenhang zwischen lokalen EE-Initiativen und innovativen Geschäftsmodellen, Sozialunternehmertum und verstärkter Zusammenarbeit. Das EWSA-Team erhielt Einblick in eine Vielfalt unternehmerischer und sozialer Innovation auf kommunaler Ebene. Wenn beispielsweise eine Biogasanlage mit mehreren landwirtschaftlichen Betrieben zusammenarbeitet, sinkt das Unternehmensrisiko, wird der Rohstoffnachschub sichergestellt und gleichzeitig das mit Dung verbundene Umweltproblem gelöst. In Bulgarien etwa haben die Wohnungseigentümer in einem Apartmenthaus eine Genossenschaft gegründet und die von einem Mobilfunkanbieter für eine auf dem Dach betriebene Antennenanlage eingenommene Miete in solarthermische Kollektoren für das gesamte Gebäude investiert. Als weiteres Beispiel für Kreativität kann eine deutsche Energiegenossenschaft herhalten, die das Tribünendach für das kommunale Fußballstadion über eine Photovoltaikanlage finanzierte und ihren Mitgliedern die Rendite über die Einnahmen aus dem Verkauf des erzeugten Stroms und in Form von Dauerkarten für alle Heimspiele auszahlte. In Wales besuchte das EWSA-Team eine kommunale Erneuerbare-Energien-Initiative in der ländlichen Gemeinde Talybont-on-Usk, die mit der aus der Photovoltaik-Anlage auf dem Dach des Rathauses gewonnenen Energie die örtliche Schule beheizt und zwei Elektrofahrzeuge betreibt, die von den Bürgern genutzt werden können.

In den ländlichen Gebieten Polens führt die schlechte Qualität des Versorgungsnetzes zu häufigen Stromausfällen, Unterspannung usw. Während der Fachexkursion des EWSA konsultierte Interessenträger schätzten, dass es billiger wäre, in den betroffenen Gebieten ein Programm zur Förderung lokaler erneuerbarer Energieträger aufzulegen, als für veranschlagte 30–60 Mrd. PLN 10 bis 2020 das Fernversorgungsnetz für Strom instand zu setzen. In ihrer Regionalentwicklungsstrategie bis 2020 erkennt die Woiwodschaft Podlaskie in Polen erneuerbare Energien als Chance zur Stärkung der regionalen Wirtschaft an. Tatsächlich bezahlt die Woiwodschaft jährlich 5 Mrd. PLN11 für Energieeinfuhren. Da Strom und Wärme vor Ort bereits kostengünstiger aus EE erzeugt werden können, liegt der Schwerpunkt ihrer Strategie "auf der Entwicklung eines lokalen dezentralen Energiesystems und der Förderung einer lokalen Revolution der Erneuerbaren, bei der die Energie- und Wärmeerzeugungsanlagen im Besitz der Bürger sind." Es heißt darin explizit, dass die Investitionen vor allem von den Bürgern vor Ort getätigt werden sollten, um die Wertschöpfung in der Region zu halten.

5.5 Bürgerenergie schafft neue Arbeitsplätze und wirtschaftliches Wachstum

Durch den Ausbau der erneuerbaren Energieträger entstehen entlang der gesamten Wertschöpfungskette neue Arbeitsplätze. Besonders hoch ist der Beschäftigungseffekt in den Bereichen Energieeffizienz (0,38 Arbeitsplatzjahre/ GWh), Photovoltaik (0,87), Biokraftstoffe (0,21) und Windenergie (0,17), zumal im Vergleich mit Kohle und Erdgas (0,11). Die Arbeitsplätze in der EE-Branche erfordern zumeist hochqualifizierte Fachkräfte; 5 von 6 Arbeitsplätzen entstehen vor Ort. Die EU muss daher dafür sorgen, dass die auf diesem neuen Arbeitsmarkt benötigten Fachkenntnisse und Kompetenzen vorhanden sind.

10 Ca. 7 Mrd. EUR.11 Ca. 1,5 Mrd. EUR.

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Doch auch wenn der Netto-Effekt des EE-Ausbaus positiv ist, wird die Energiewende in einigen Branchen (die auf fossilen Brennstoffen und in einigen Ländern Kernkraft basieren) zum Verlust von Marktanteilen und Arbeitsplätzen führen. Sorge bereitet dies vor allem in den Ländern, in denen diese Branchen viele Beschäftigte zählen. Deshalb müssen einzelstaatliche Strategien einen reibungslosen Übergang, die Entwicklung der benötigten Kompetenzen sowie einen Ausgleich negativer sozialer Folgen durch Arbeitsplatzverluste in den konventionellen Energiebereichen sicherstellen.

6. Die Debatte über die Preise und Kosten der erneuerbaren Energien

Öffentliche Debatten über Energiepolitik drehen sich meist um Preisanliegen, und im Rahmen der Untersuchung wurden die Kosten der EE-Förderung immer wieder zur Sprache gebracht. In einigen der besuchten Länder sind die EE-Fördermechanismen von Politikern und in den Medien als Ursache für die steigenden Energiekosten der Haushalte angeprangert worden. Es ist notwendig, die wirtschaftlichen Kosten- und Nutzenaspekte der erneuerbaren Energieträger zu verstehen, um nachvollziehen zu können, dass eine öffentliche Förderung tatsächlich weiterhin nötig ist, um die Klima- und Energieziele und langfristigen Nutzen zu erreichen, und dadurch nicht etwa in einer Zeit, in der strenge Sparmaßnahmen und Haushaltskontrolle angesagt sind, unerwartete Gewinne beschert werden sollen.

Es erhebt sich die Frage, ob die Gesellschaft die Kosten auf kurze oder auf lange Sicht begrenzen will. Eine kurzfristig preiswerte Lösung kann sich langfristig als kostspielig erweisen und umgekehrt. Schon allein deshalb muss das Argument in Zweifel gezogen werden, dass die Erneuerbaren teuer sind und die öffentlichen Haushalte belasten12. In der Praxis gilt wie bei anderen Technologien auch, dass mit wachsender Produktionsmenge die Kosten stetig sinken (sog. Lernrate). Bei EE-Anlagen hängen die Energieentstehungskosten in erster Linie von den Investitionskosten ab. Bis vor Kurzem waren EE-Technologien kostspieliger als Kohle- und Kernkrafttechnologie, denn sie waren noch nicht ausgereift: Entwicklung und Markteinführung verliefen parallel. 2008, als die Produktionskosten noch höher waren, betrugen die Photovoltaik-Vergütungssätze in Deutschland 46 ct/kWh; mittlerweile sind sie im Einklang mit den Betriebskosten auf maximal 12,8 ct/kWh für Kleinanlagen bis 10kW (und wesentlich stärker für Großanlagen) gesunken.

12 An dieser Stelle wäre darauf hinzuweisen, dass fossile Energieträger allein 2011 mit Beihilfen in Höhe von 523 Mrd. USD gefördert wurden.

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Abb. 5: durchschnittlicher Endkundenpreis (Systempreis, netto) für fertig installierte Aufdachanlagen bis 10 kWp Quelle: BSW

EE-Technologien werden gegenüber Kohle-, Gas- und Kernkrafttechnologie immer mehr preislich wettbewerbsfähig13. Landgebundene Windkraft kann sich bereits im Wettbewerb behaupten, selbst wenn die externen Umwelt- und Gesundheitskosten fossil und nuklear erzeugter Energie aus dem Endkundenpreis ausgeklammert werden. Es steht zu erwarten, dass die EE-Investitionskosten im Zuge der technologischen Entwicklung weiter sinken werden. Sonne und Wind als erneuerbare Energieträger stehen zudem kostenlos zur Verfügung. Voraussichtlich wird erneuerbare Energie deshalb bald auch ohne Beihilfen wettbewerbsfähig sein. Diese Entwicklung wurde von der Europäischen Kommission in ihrer Mitteilung über einen Rahmen für die Klima- und Energiepolitik im Zeitraum 2020-203014 bekräftigt: "(...) nämlich dass die Kosten des Übergangs zu einer CO2-armen Wirtschaft nicht wesentlich höher sind als die, die bedingt durch die notwendige Erneuerung des alternden Energiesystems, die steigenden Preise für fossile Brennstoffe und die Erfüllung der aktuellen klima- und energiepolitischen Vorgaben ohnehin anfallen. Allerdings wird es bei den Ausgaben eine erhebliche Verlagerung von den Ausgaben für Brennstoffe hin zu Ausgaben für innovative Ausrüstungen mit hohem Mehrwert geben, die Investitionen in innovative Produkte und Dienstleistungen fördern, Arbeitsplätze und Wachstum schaffen und die Handelsbilanz der Union verbessern werden".

Die dezentrale Erzeugung erneuerbarer Energie findet naturgemäß näher am Verbraucher statt und kann eine erhebliche Senkung der Netzinfrastrukturkosten bewirken. Außerdem stellte sich bei der Untersuchung heraus, dass Kleinerzeuger mit erheblich niedrigeren Gewinnspannen rechnen als Großerzeuger.

Erneuerbare Energien haben überdies viele Vorteile, die weit über den rein wirtschaftlichen Bereich hinausgehen und ihre vorrangige Förderung rechtfertigen. Sie tragen zur Eindämmung des Klimawandels, Schaffung von Arbeitsplätzen und zu nachhaltigen Lebensgrundlagen vor Ort bei, verbessern die Energiesicherheit, verringern die Abhängigkeit von aus instabilen Regionen eingeführten fossilen Brennstoffen und verbessern dadurch die Handelsbilanz der EU. Politiken, die den Langzeitauswirkungen und vielen Vorteile der Erneuerbaren keine Rechnung tragen, können zu richtiggehend schlechten künftigen Energiemixen führen. Es wäre verheerend, diese ermutigende Entwicklung aufzuhalten und die Fördermaßnahmen, die gerade erst greifen, wieder abzuschaffen.

Zwar sollen die Auswirkungen der Energiewende auf Beschäftigung und Haushaltseinkommen unter dem Strich positiv sein, doch verlieren einige konventionelle Energieerzeuger bereits Marktanteile, was sich auf die Beschäftigungslage in den betreffenden Branchen auswirkt. Proaktives schleuniges Handeln ist erforderlich. Es müssen nationale Strategien aufgestellt und eng auf die Politik zum Ausbau der erneuerbaren Energien abgestimmt werden, um einen reibungslosen und gerechten Übergang sicherzustellen, die notwendigen Qualifikationsmaßnahmen durchzuführen und gezielt

13 Einige Interessenträger verwiesen auf die (zum Zeitpunkt der Fachexkursionen noch laufende) Debatte über den Bau des aus zwei Reaktoren bestehenden Kernkraftwerks Hinkley Point C im Vereinigten Königreich. Die Europäische Kommission hat mittlerweile die umstrittenen Subventionen genehmigt. Der künftige Betreiber EDF erhält über die nächsten 35 Jahre einen festen Einspeisetarif in Höhe von 10,9 ct/kWh mit Inflationsausgleich. Damit werden sowohl die Höhe als auch der zeitliche Rahmen der deutschen Einspeisevergütung für Windenergie weit überschritten.

14 COM(2014) 15 final.

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negative Auswirkungen auf die Beschäftigung und sozial schwache Haushalte auszugleichen. Das reale Problem der Energiearmut sollte durch konkrete und zielgerichtete Maßnahmen bekämpft und nicht als Argument genutzt werden, um die Energiepreise künstlich niedrig zu halten (z.B. in Bulgarien). Das reale Problem der Arbeitsplatzverluste bei konventionellen Energien (das nicht notwendigerweise durchweg mit dem EE-Wachstum zusammenhängt) sollte nicht als Argument genutzt werden, um den Fortschritt dezentraler EE-Erzeugung aufzuhalten (z.B. in Polen). Die Regierungen sollten die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Umstellung auf eine Niedrigemissionswirtschaft so steuern, dass sie der ganzen Gesellschaft zum Wohl gereicht.

7. Unter welchen Bedingungen kann Bürgerenergie ihr Potenzial entfalten?

7.1 Faire Wettbewerbsbedingungen

Die Europäische Kommission weist in ihrem Fortschrittsbericht Erneuerbare Energien (2013)15 darauf hin, dass die Kosten der Erneuerbare-Energien-Technologien zwar ständig sinken, indes aber finanzielle, rechtliche und verwaltungstechnische Maßnahmen erforderlich sind, um den Ausbau der erneuerbaren Energieträger zu fördern, so lange es keinen offenen, wettbewerbsorientierten EU-Energiebinnenmarkt gibt, der Marktversagen beendet und für eine Internalisierung der Gesundheits-, Umwelt- und Sozialkosten der Nutzung fossiler Brennstoffe sorgt. Eine Möglichkeit zur EE-Förderung besteht in der Festsetzung eines Kohlenstoffpreises, der konventionelle Brennstofftechnologien verteuert. Ferner können durch den Verkauf von Emissionsrechten generierte Einnahmen weitergegeben werden oder in die EE-Förderung fließen.

7.2 Ein stabiler und kohärenter politischer Rahmen

Kohärenz und Stabilität des politischen Rahmens sind wesentliche Voraussetzung für Investitionen jedweder Art, auch im Bereich erneuerbarer Energien – darin waren sich die Interessenträger bei allen Fachexkursionen einig. Stabile und rationelle Maßnahmen erleichtern Investoren die Planung, Risikoeinschätzung und Mittelbeschaffung.

Das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zum Beispiel, das einfachen Netzzugang, die bevorzugte Einspeisung von EE-Strom ins Stromnetz, die Vermarktung durch den Netzbetreiber und garantierte feste Einspeisevergütungen über 20 Jahre sicherstellte, hat für ausgezeichnete Investitionssicherheit gesorgt und einen unerwartet raschen Ausbau der Bürgerenergie ermöglicht.

Veränderungen dieser sicheren Voraussetzungen können sich verheerend auswirken – so würde bspw. die Begrenzung des Zubaus erneuerbarer Energien durch jährliche Mengenziele für kleine Investoren Ungewissheit schaffen, ob ihr Projekt nach Abschluss der Planungsphase überhaupt finanzielle Förderung erhält. Indes fanden in Deutschland, Polen, Frankreich und dem Vereinigten Königreich mehr oder weniger zeitgleich mit den Fachexkursionen Debatten über einen politischen Kurswechsel statt16. In Bulgarien kritisierten Kleinerzeuger widersprüchliche Gesetze und einen Regierungsbeschluss, den EE-Ausbau ab 2013 zu stoppen, da das 2020-Ziel erreicht sei. Vollkommen

15 COM(2013) 175 final.16 In u.a. Deutschland und Polen hat er bereits stattgefunden.

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inakzeptabel ist eine rückwirkende Änderung der Rahmenbedingungen nach EE-Projektstart wie bspw. in Bulgarien, wo Investoren in kleine PV- und Windkraftanlagen aufgrund der Einführung neuer Abgaben und Gebühren auf EE zahlungsunfähig wurden. Obwohl der bulgarische Verfassungsgerichthof im Juli 2014 die im Januar 2014 eingeführte 20-prozentige Besteuerung der Einnahmen aus Solar- und Windenergieanlagen verwarf, wurden den Erzeugern die bereits geleisteten Zahlungen nicht zurückerstattet. In Frankreich wurde 2010 ein Moratorium für die Photovoltaik-Förderung erlassen, das zu einem nahezu vollständigen Investitionsstopp führte.

Abb. 6: Unsicherheit bei der EE-Förderpolitik in der EUQuelle: EDP Renováveis (2013)

Abgesehen davon, dass Rechtsunsicherheit als Investitionshemmnis wirkt, scheinen die jüngsten Reformmaßnahmen eindeutig darauf hinauszulaufen, die Förderung von Kleinerzeugern abzubauen und sie erheblich gegenüber den großen Energieerzeugern zu benachteiligen (bspw. durch die Einführung von Versteigerungen für erneuerbare Energie). In allen besuchten Ländern kam im Lauf der Debatten zum Ausdruck, dass die Erzeuger von Bürgerenergie diese Entwicklung auf den von der Europäischen Kommission vorgelegten Entwurf der EU-Leitlinien für staatliche Umwelt- und Energiebeihilfen 2014-2020 zurückführen17. Durch diese Leitlinien sind die von Mitgliedsstaaten beschlossenen garantierten Einspeisevergütungen für EE nach 2016 erheblich eingeschränkt worden. Teilnehmer an vor Ort veranstalteten Anhörungen räumten die Notwendigkeit ein, eine Überkompensation zu vermeiden und erneuerbare Energie kosteneffizient zu entwickeln. Indes bezeichneten sie die jüngsten Überarbeitungen der Förderregelungen als Unterbietungswettbewerb. Es wurde auch die Vermutung geäußert, dass sich hinter den Kosteneffizienz- und Kostensenkungsargumenten Re-Zentralisierungsbestrebungen seitens der EU verbergen.

Der Internationalen Energieagentur18 zufolge steigt gerade jetzt, wo erneuerbare Energien mehr und mehr zur kostengünstigen wettbewerbsfähigen Option werden, die politische Unsicherheit in einigen

17 http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=CELEX:52014XC0628%2801%29.18 Medium-Term Renewable Energy Market Report 2014 -- Market Analysis and Forecasts to 2020, International Energy Agency.

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Schlüsselmärkten der OECD. Die dämpfenden Auswirkungen überarbeiteter Regelungsrahmen haben sich bereits 2014 bemerkbar gemacht, und die EU läuft Gefahr, ihr Ziel, bis 2020 20% des Bruttoendenergieverbrauchs durch erneuerbare Energien zu decken, zu verfehlen.

7.3 Eine transparente und inklusive Politikgestaltung

Neben stabilen Regelungsrahmen trat im Zuge der Untersuchung des EWSA eine demokratische Politikgestaltung und -überarbeitung als wichtiges Anliegen zutage. Wie der EWSA bereits in seiner Initiative für einen europäischen Energiedialog plädierte, sollte jedwede Politik auf allen Ebenen in einer offenen und transparenten Debatte mit den Vertretern der Zivilgesellschaft entwickelt werden, um so ihren Erfolg und ihre Tragfähigkeit sicherzustellen. In dieser Debatte können ein gemeinsames Verständnis der Problematik geschaffen, gemeinsame Ziele festgelegt und eine breite Unterstützung für die Umsetzung sichergestellt werden. Während die deutsche und dänische Energiewende in Bottom-up-Prozessen durch öffentlichen Druck angetrieben und weitgehend von der Zivilgesellschaft durchgeführt worden sind, konnte bei den Fachexkursionen in den anderen Ländern (Bulgarien, Polen) kein wirklicher Dialog und kein gegenseitiges Vertrauen zwischen den Behörden und den Bürgerenergieerzeugern ausgemacht werden.

7.4 Einfache und transparente Verwaltungsverfahren

Kleinerzeuger sind nicht notwendigerweise Energiefachleute und benötigen daher Unterstützung und Beratung sowie einfache, transparente Verwaltungsverfahren mit vertretbarem Zeitaufwand. Zwischen den untersuchten Mitgliedstaaten gibt es große Unterschiede hinsichtlich der Verfahren zur Genehmigung kleiner EE-Anlagen, was sich in der Zahl der Bürgerenergieanlagen niederschlägt. Während bspw. die Erteilung einer Genehmigung für eine Dach-Solaranlage in Deutschland weniger als einen Arbeitstag dauert und online beantragt wird, sind die Verfahren in anderen Ländern wie Bulgarien, Litauen, Polen und dem Vereinigten Königreich (Wales) Berichten von Interessenträgern zufolge kompliziert und können sich über Monate und gar Jahre erstrecken. Der Weg durch das komplexe, langwierige Genehmigungs- und Planungssystem kann für Kleinerzeuger kostspielig und riskant sein, vor allem wenn sich die rechtlichen Rahmenbedingungen und Einspeisetarife in dieser Zeit erheblich ändern.

7.5 Für Bürgerenergie geeignete Fördersysteme

Vorrangige Einspeisung ins NetzEE-Strom sollte vorrangig vor in fossilen und Kernkraftwerken erzeugtem Strom ins Netz eingespeist, d.h. an erster Stelle an die Netzbetreiber verkauft werden. In Deutschland wurde diese bevorzugte Einspeisung mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) aus dem Jahr 2000 eingeführt und durch das reformierte Gesetz 2014 bestätigt.

EinspeisetarifeAm häufigsten sind Einspeisetarife in Verbindung mit langjährigen (10-25 Jahre) Abnahmevereinbarungen zur Einspeisung von EE-Strom ins Netz, der dann vom Netzbetreiber auf dem Strommarkt verkauft wird. Die Erzeuger erhalten die feste Einspeisevergütung und sind von der Direktvermarktungspflicht befreit.

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Einspeisetarife sollten als wichtigstes Förderinstrument für Bürgerenergie beibehalten werden, denn sie ermöglichen den EE-Erzeugern eine einfache und zuverlässige Berechnung ihrer Investitionen und Renditen, bieten Investitionssicherheit und erhöhen für Kleinerzeuger die Aussicht auf Beschaffung des erforderlichen Kapitals.

Im Fall der deutschen Energiewende sind die Einspeisevergütungen über die sog. EEG-Umlage finanziert worden, mit der die Differenz zwischen dem Börsenstrompreis und der garantierten festen Einspeisevergütung für EE-Strom (die am Anfang der Energiewende über 50 ct/kWh PV-Strom betrug und gegenwärtig bei 12 ct/kWh liegt) ausgeglichen wird. Bei Stromerzeugungsspitzen sinkt der Börsenstrompreis und steigt die EEG-Umlage. Der Verfall des Börsenstrompreises ist jedoch nicht nur auf ein Überangebot an erneuerbarer Energie zurückzuführen, sondern auch auf das Versagen des Emissionshandelssystems, auf billigen Kohlestrom (bei dem die der Gesellschaft verursachten Umwelt- und Gesundheitskosten nicht eingerechnet werden), auf das Fehlen eines funktionierenden Elektrizitätsbinnenmarkts sowie auf den Mangel an Netzmanagement und Speicherkapazitäten.

In einigen EU-Mitgliedstaaten reagierten die Regierungen nicht rasch genug auf die infolge des technologischen Fortschritts starken Kostensenkungen bei Windenergie- und PV-Anlagen und passten die Vergütungen für neue Anlagen nicht umgehend an. Deshalb erhielten zahlreiche neue EE-Anlagen langfristig garantierte Einspeisetarife, die weit über den Investitionskosten lagen und zu unverhältnismäßig hohen Gewinnen führten. Dabei lassen sich Einspeisetarife leicht und kontinuierlich an immer weiter sinkende Investitionskosten anpassen. Sie sind bereits gesenkt worden und werden in den meisten Ländern regelmäßig überprüft. Indes kann es noch Jahre dauern, bis sich die Energiepreise von dieser verzögerten Anpassung erholen und die erneuerbaren Energieträger und Einspeisevergütungen nicht mehr ungerechtfertigterweise scheel angesehen werden.

Um Versorgungsschwankungen und ihre dramatischen Auswirkungen auf die Spitzenlastpreise zu bewältigen, könnte das System der Einspeisetarife mit Energiemanagementinstrumenten wie Net-Metering, intelligenten Netzen und der Entwicklung von Speicherkapazitäten (siehe weiter unten) verknüpft werden.

MarktprämienDurch die jüngsten Reformmaßnahmen wurden die Einspeisetarife zunehmend von Marktprämien abgelöst, d.h., die Erzeuger müssen (ab einer bestimmten Anlagengröße) ihren EE-Strom direkt auf dem Energiemarkt verkaufen und erhalten einen bestimmten Zuschlag zum Marktpreis. Die Einführung von Marktprämien ist für Bürgerenergieerzeuger indes problematisch. Die Direktvermarktung bedeutet für die kleinen und mittelgroßen EE-Erzeuger eine neue große logistische Belastung und verschlechtert ihren Zugang zu Projektfinanzierung, da Kreditgeber Marktprämien nicht unbedingt als bankfähigen Cashflow betrachten.

Net-MeteringEine der bedeutendsten Möglichkeiten zur Förderung von Bürgerenergie ist Net-Metering, das es ans Netz angeschlossenen Erzeugern erlaubt, Strom für den Eigenverbrauch zu erzeugen und überschüssigen Strom ans Netz zu verkaufen. Net-Metering kann es Prosumenten ermöglichen, Strom ins Netz einzuspeisen und zu einem späteren Zeitpunkt eine entsprechende Menge Strom aus dem

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Netz zu beziehen und lediglich ein Netzentgelt dafür zu bezahlen. In Verbindung mit Energiemanagementmaßnahmen könnte so das öffentliche Versorgungsnetz als virtueller Energiespeicher fungieren. In Dänemark wurde Net-Metering 1998 für Photovoltaik eingeführt und erzielte deutliche Erfolge. Im litauischen Parlament wiederum wurde Anfang 2014 ein erster Legislativvorschlag unterbreitet.

QuotensystemeEin weiterer üblicher Fördermechanismus sind EE-Quotenvorgaben. Diese Systeme befinden sich in den verschiedenen Mitgliedstaaten auf verschiedenen Ebenen der Umsetzung und sind unterschiedlich erfolgreich. In Polen bspw. sind die Verteilnetzbetreiber verpflichtet, Ökozertifikate am Markt zu erwerben, denen zumeist jedoch die Mitverbrennung von (teils aus Russland importierter) Biomasse in konventionellen Kohlekraftwerken zugrunde liegt. Mit den Einnahmen aus den Ökozertifikaten sollte eigentlich der EE-Ausbau gefördert werden; jedoch führten sie, wie sich im Rahmen der EWSA-Untersuchung herausstellte, statt dessen indirekt zu einer Verbilligung von Kohlestrom. Überdies führte die großmaßstäbliche Nutzung von Biomasse zum Preisverfall der Ökozertifikate in Polen und machte Investitionen in beispielsweise Windenergie unrentabel. Das Förderinstrument Ökozertifikate wurde damit komplett unwirksam bzw. schlug ins Gegenteil um. Ein Einspeisetarif ist diesbezüglich berechenbarer und bietet den Erzeugern höhere Renditen, insbesondere bei kostenintensiven Technologien.

InvestitionsförderungDie zuvor genannten Fördermechanismen sind erzeugungsorientiert, da die meisten EE jedoch kapitalintensiv sind, gibt es auch einige investitionsfördernde Instrumente. Investoren in kleine und mittelgroße Erzeugungsanlagen können meist zwischen einer Einspeisevergütung oder einer einmaligen Investitionsbeihilfe zur Senkung der Anfangskosten wählen. Diese Systeme sind vor allem für Regionen interessant, die Fördermittel aus den Strukturfonds erhalten. Sie sollten sorgfältig abgestimmt und verwaltet werden, um zu verhindern, dass überhöhte Gewinne entstehen, durch Ineffizienz die Energiepreise unnötig in die Höhe getrieben werden und ungünstige Energiemixe entstehen oder unmöglich Fördermittel anstatt in Bürgerenergieprojekte in Hedgefonds fließen.

Kasten 1: Die deutsche EnergiewendeIn der ersten Jahreshälfte 2014 wurden über 30% des in Deutschland verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Energieträgern erzeugt. Das bemerkenswerte Wachstum der erneuerbaren Energieträger in Deutschland ist vor allem auf das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) aus dem Jahr 2000 zurückzuführen, das zwar nicht spezifisch auf die Förderung von Bürgerenergie abhob, aber die Zivilgesellschaft durch einen geeigneten Regelungsrahmen in die Lage versetzte, aktiver Erzeuger von erneuerbaren Energien zu werden. Das EEG beinhaltete:

einfache Planungs- und Genehmigungsverfahren für Investoren (keine Verwaltungshürden) einfachen Netzzugang die bevorzugte Einspeisung von EE-Strom gegenüber aus Kernkraft und fossilen

Energieträgern erzeugtem Strom ins Stromnetz auf 20 Jahre garantierten festen Einspeisevergütungen Vermarktung des Stroms durch den Netzbetreiber Investitionsförderung über zinsgünstige Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW)

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Ausgleich der durch das EEG entstehenden Kosten durch die EEG-Umlage auf den Strompreis, von der jedoch energieintensive Unternehmen befreit werden können, um ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit nicht zu gefährden.

Aus den Fachexkursionen ergibt sich ein sehr komplexes Gefüge aus Tarifen, Quoten, Zuschüssen und Beihilfen. Diese Komplexität lässt sich teilweise mit der Notwendigkeit einer differenzierten Förderung begründen, sollte jedoch auf ein Mindestmaß beschränkt werden:

Durch eine Differenzierung nach Brennstoff oder Technologie wird die Entwicklung von Technologien mit unterschiedlichen Kosten angeregt, die nicht unmittelbar miteinander konkurrieren können, was höhere Lernraten ermöglicht. Auch können dadurch Besonderheiten der Kostenstruktur berücksichtigt werden;

durch eine Differenzierung nach Leistungsklasse können überhöhte Gewinne aufgrund von Skalenerträgen vermieden und Bürgerenergie, die zumeist in Verbindung mit niedrigen Erzeugungskapazitäten steht, gefördert werden;

durch eine Differenzierung nach erzeugter Energie (bspw. Strom vs. Wärme) kann auf jeweilige spezifische Zielvorgaben hingearbeitet werden. Anders als im Stromsektor, wo Einspeisetarife gewöhnlich über mindestens 10 Jahre lang gesichert sind, wird die Wärmeerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern meist über investitionsfördernde Darlehen und Zuschüsse unterstützt. Ein bewährtes Beispiel in diesem Zusammenhang ist der Fonds für Wärmegewinnung aus erneuerbaren Energien "Fonds chaleur" in Frankreich. In Litauen werden ab 2015 Vorschriften über Wärme und Kälte aus erneuerbaren Energieträgern für alle Neubauten sowie für umfangreich sanierte Altbauten in Kraft treten.

7.6 Barrieren für Bürgerenergie

Vorsicht bei AusschreibungenIm Zuge der jüngsten Reformen sind in einigen der besuchten Länder Ausschreibungen als vorrangige Verfahrensweise für die Festlegung von Einspeisetarifen und Marktprämien eingeführt worden. Davon ausgenommen sind künftig nur Anlagen mit einer sehr geringen installierten Leistung. Diese Entwicklung steht zumindest teilweise in Zusammenhang mit der Vorlage der künftigen Leitlinien für Beihilfen für Energie und Umwelt seitens der Europäischen Kommission.

In allen im Rahmen der Fachexkursionen besuchten Ländern äußerten sich die Interessenträger besorgt über komplizierte und teure Ausschreibungsverfahren, durch die auch die Finanzierungskosten steigen und die Aussichten auf Kapitalbeschaffung infolge des höheren Investitionsrisikos (Ungewissheit der Förderung) sinken. Durch diese unverhältnismäßig hohe finanzielle Belastung der Kleinerzeuger, die zudem kaum in der Lage wären, die erforderlichen Strommengen zu liefern, würden die Zivilgesellschaft und lokale Gemeinschaften effektiv von den Vorteilen der EE-Förderung ausgeschlossen. Ferner könnte dadurch der Wettbewerb auf den Energiemärkten zerstört werden, da nur wenige Erzeuger in der Lage wären, an Ausschreibungen teilzunehmen.

Ausschreibungen liegen im Interesse von Großerzeugern, indem sie einer möglichen Re-Zentralisierung Vorschub leisten und Bürger und Gemeinschaften aus der EE-Erzeugung verdrängen. Durch die Begünstigung großer zentraler Energieerzeuger könnten die Verbraucherpreise

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steigen, da Großunternehmen im Allgemeinen mit wesentlich höheren Gewinnspannen kalkulieren als Bürgerenergieerzeuger. Wenn es keinen Energiemarkt gibt, können Ausschreibungen zudem nicht funktionieren. Die in einigen der besuchten Länder (insbesondere im Vereinigten Königreich) gemachten Erfahrungen geben Anlass zu der Vermutung, dass Ausschreibungen tatsächlich höhere Kosten und Vorleistungen verursachen und vermehrt zur Verzögerung oder Streichung von Vorhaben führen können. Ausschreibungen waren das erste, im Vereinigten Königreich eingeführte System für Erneuerbare; sie wurden zunächst durch ein Quotensystem und schließlich durch Einspeisetarife für Anlagen mit einer installierten Leistung unter 5 MW abgelöst.

Einigermaßen flexible Förderobergrenzen für EE-ZieleEine Reihe von EU-Mitgliedstaaten hat Regelungen vorgesehen, den EE-Ausbau durch Verringerung oder Einstellung der Förderung abzubremsen, sobald die für den Zeithorizont festgesetzten Zielvorgaben erreicht sind. Unter den im Rahmen der Fachexkursionen besuchten Mitgliedstaaten stach diesbezüglich insbesondere Bulgarien hervor: Die bulgarische Regierung erklärte 2013, dass das nationale Ziel eines 16%-EE-Anteils bis 2020 bereits erreicht sei; seither berufen sich die Netzbetreiber auf dieses Argument und weigern sich, neue EE-Erzeugungsanlagen ans Netz anzuschließen. Litauen hat über relativ niedrige Zielvorgaben für die wichtigsten EE-Technologien die öffentliche Förderung für die EE-Stromerzeugung gedeckelt. Außer bei Wasserkraft waren die Fördergrenzen in weniger als zwei Jahren erreicht.

Die Notwendigkeit, das EE-Wachstum berechenbarer zu gestalten und die damit verbundenen sozialen, und wirtschaftlichen Kosten zu steuern, mag als stichhaltiges Argument für Förderobergrenzen dienen. Indes dürfen Förderobergrenzen keinesfalls zum Ende der Energiewende führen oder weitere mögliche und notwendige Fortschritte aufhalten.

Beseitigung der Hemmnisse für den NetzanschlussAnlagen mit niedrigen Erzeugungskapazitäten, wie sie für Bürgerenergie kennzeichnend sind, sind im Allgemeinen an das Verteilnetz angeschlossen. Dennoch ist der Netzanschluss in vielen der untersuchten Länder aufgrund der damit verbundenen Verwaltungsverfahren, Wartezeiten oder Kosten nach wie vor ein Problem. Obwohl der Netzanschluss von EE-Anlagen gemäß der Erneuerbare-Energien-Richtlinie gewährleistet werden muss, verhindern häufig die von einigen Netzbetreibern erhobenen hohen Kosten die Wahrnehmung dieses Rechts. Die Zahl der Netzanschlussstellen für neue Vorhaben ist oft begrenzt, und deshalb ist eine Netzanbindung zu vertretbaren Preisen für Bürgerenergie nicht immer gegeben. Mit autarken Mikronetzen kann diese Problematik umgangen werden. Für weit abgelegene Gebiete mit unzureichendem oder fehlendem Netzverbund bieten sie sogar die kostengünstigste Option. Das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz kann als Anschauungsbeispiel für gute Netzanschlusspraxis dienen19.

19 EEG § 8 Anschluss "(1) Netzbetreiber müssen Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien und aus Grubengas unverzüglich vorrangig an der Stelle an ihr Netz anschließen, die im Hinblick auf die Spannungsebene geeignet ist, und die in der Luftlinie kürzeste Entfernung zum Standort der Anlage aufweist, wenn nicht dieses oder ein anderes Netz einen technisch und wirtschaftlich günstigeren Verknüpfungspunkt aufweist; bei der Prüfung des wirtschaftlich günstigeren Verknüpfungspunkts sind die unmittelbar durch den Netzanschluss entstehenden Kosten (...) zu berücksichtigen. Bei einer oder mehreren Anlagen mit einer installierten Leistung von insgesamt höchstens 30 Kilowatt, die sich auf einem Grundstück mit bereits bestehendem Netzanschluss befinden, gilt der Verknüpfungspunkt des Grundstücks mit dem Netz als günstigster Verknüpfungspunkt."

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Ausnahme von der DirektvermarktungspflichtDie Direktvermarktung bedeutet für die Erzeuger von Bürgerenergie eine neue große logistische Belastung und verschlechtert ihren Zugang zu Projektfinanzierung, da Kreditgeber Marktprämien nicht unbedingt als bankfähigen Cashflow betrachten.

7.7 Netzausbau und Koordination zur Anpassung an die Erfordernisse der erneuerbaren Energieträger

Die alten Verteilnetzsysteme wurden für eine zentrale Energieerzeugung und einen unidirektionalen Energiefluss von Großkraftwerken auf der Hochspannungsebene zu Verbrauchern auf der Niederspannungsebene konzipiert. Die Netze müssen an die räumlich verteilte und schwankende Stromerzeugung aus Windkraft, Solarkraft und Gezeitenenergie angepasst werden. Der EE-Ausbau erfordert strukturelle Veränderungen der Infrastruktur in Verbindung mit einer besseren Koordinierung der Strommärkte und der Stromerzeugung sowie Energiemanagementkonzepten mit Blick auf die Ausfuhr oder Speicherung überschüssigen Stroms. Die Koordinierung zwischen Übertragungsnetzbetreibern über regionale Kooperationsinitiativen wird immer wichtiger. Das Unternehmen Coreso bspw. prognostiziert die Energienachfrage und informiert die Übertragungsnetzbetreiber in fünf EU-Mitgliedstaaten dementsprechend im Voraus über erwartete Stromüber- und -unterversorgung auf nationaler und regionaler Ebene, so dass sie ihre Netze besser verwalten und Probleme beheben können. Um die schwankende Stromerzeugung der erneuerbaren Energieträger auszugleichen, kann auf Hybridnetze, d.h., mehrere Energiequellen, Energiespeicherung und Nachfragesteuerung umfassende Energiesysteme, gesetzt werden. Bei gutem Management entsteht ein "intelligentes Netz", d.h. ein Stromnetz, das eine nachhaltige, wirtschaftliche und sichere Energieversorgung ermöglicht. Die EWSA-Delegation besichtigte ein herausragendes Demonstrationsprojekt eines intelligenten Netzes: Das Projekt "Nice Grid" in Carros bei Nizza (Frankreich) hebt auf optimale Netznutzung und verstärkte Energieunabhängigkeit von 1 500 Haushalten, Geschäften, Büros und öffentlichen Einrichtungen ab, beinhaltet Energiespeicherung und Nachfragesteuerung und erreicht eine Senkung der Spitzenlast um bis zu 17%.

Abb. 7: "Nice Grid"-ArchitekturQuelle: Nice Grid (2014)

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Während der Fachexkursion in Deutschland wurden dem EWSA-Team folgende Äußerungen der Bundesnetzagentur zum Thema Dezentralität der Erzeugung zur Kenntnis gebracht: "Es liegt auf der Hand, dass bei einer engen Zusammenarbeit aller Beteiligten der Wandel des Energieversorgungssystems am besten gelingen kann. (...) Ansätze, möglichst viel Energie am Entstehungsort zu verbrauchen, sind zu begrüßen. Letztlich ist dies seit jeher das Prinzip in der Energieversorgung, weil dadurch Leitungsverluste auf ein Minimum beschränkt werden können."20

7.8 Energiemanagement und Energiespeicherung

Das schwankende Angebot an erneuerbarer Energie ist nach wie vor für die Angebotssteuerung problematisch. Mit dem großflächigen EE-Ausbau werden indes auch neue und innovative Lösungen entwickelt. Durch die Kopplung von EE-Strom- und Wärmeerzeugung können dringend benötigte Speicherkapazitäten gewonnen werden, auf die im Zuge der schwankenden EE-Erzeugung immer wieder zugegriffen werden kann. "Power to Heat", d.h., die Nutzung von preiswerten Stromüberschüssen über Wärmepumpen und thermische Speicher zur Bereitstellung von Wärme und Kälte, ist bereits ein wirtschaftlich tragfähiges Energiemanagementkonzept. Diese Möglichkeit wurde während der Fachexkursion nach Frankreich erörtert, und in Deutschland laufen einschlägige Projekte. Die DG Energie ist bestrebt, entsprechende Modellprojekte, z.B. in Polen, zu unterstützen, was einen Innovationsschub auslösen könnte.

8. Schlussfolgerungen

Wenn die geeigneten rechtlichen Voraussetzungen gegeben sind, hat die Zivilgesellschaft sowohl großes Interesse als auch die Fähigkeit, einen wesentlichen Teil der Wende hin zu einer dezentralen nachhaltigen Energieerzeugung zu vollziehen. In allen besuchten Ländern erkannten die Interessenträger der Zivilgesellschaft die wirtschaftliche Chance und zeigten hohes Interesse daran, an einer EE-Erzeugung mitzuwirken, um Einnahmen zu generieren und die Wertschöpfung vor Ort zu halten. Dort, wo es geeignete Rahmenbedingungen gibt, sind die Kleinerzeuger rasch in den Markt vorgestoßen und zur Hauptantriebskraft für den Ausbau der Erneuerbaren geworden und haben zum Umbau der nationalen Energielandschaft beigetragen. Erneuerbare-Energien-Vorhaben standen häufig im Mittelpunkt von Gemeinschaftsinitiativen und haben über die Energieerzeugung hinaus sehr viel weitreichendere soziale, wirtschaftliche und umweltbezogene Vorteile, denn sie fördern Zusammenarbeit, soziale Innovation, Bildung, die Verbesserung lokaler Dienstleistungen und die Schaffung von Arbeitsplätzen vor Ort. Wenn Bürger EE-Anlagen besitzen und Nutzen aus der Energieerzeugung ziehen, erhöht sich ihre Akzeptanz neuer Infrastruktur und ihre Toleranz gegenüber potenziellen Nachteilen. Die enormen kollektiven Investitions-, Durchführungs- und Innovationskapazitäten der Zivilgesellschaft bieten eine wesentliche Grundlage für eine nachhaltige Energiewende.

Das enorme kollektive Potenzial der Zivilgesellschaft, die Umstellung auf erneuerbare Energie voranzubringen, wie auch das Potenzial dezentraler Energieerzeugung, die lokale und regionale Entwicklung zu fördern, bleibt jedoch bislang weitgehend ungenutzt. Im Verlauf der Fachexkursionen

20 "'Smart Grid' und 'Smart Market' – Eckpunktepapier der Bundesnetzagentur zu den Aspekten des sich verändernden Energieversorgungssystems", 2011.

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wurden einige vorbildliche Beispiele für Bürgerbeteiligungskonzepte, vereinfachte Verwaltungsverfahren, finanzielle Anreize und Netz- und Marktzugangserleichterungen für EE-Kleinerzeuger untersucht. Indes fand das EWSA-Team in keinem der Mitgliedstaaten eine kohärente Regierungsstrategie zur selbstverantwortlichen Einbeziehung der Zivilgesellschaft in die dezentrale Erzeugung erneuerbarer Energie und die Schaffung fairer Wettbewerbsbedingungen für Bürgerenergie vor. Ganz im Gegenteil: Politische Instabilität und kürzliche Reformen der Rechtsrahmen für EE in allen untersuchten Ländern haben für Unsicherheit, Zurückhaltung bei Neuinvestitionen und Besorgnis der Interessenträger bezüglich der künftigen Entwicklung der Bürgerenergie gesorgt. Wenn die Genehmigungsverfahren komplex und langwierig sind, dazu dauernd die Förderregelungen verändert werden, die Marktzugangsbestimmungen Kleinerzeuger benachteiligen und teilweise neue Steuern und Abgaben auf Erneuerbare erhoben werden, dann werden kleine und mittelgroße Investoren gegenüber Großenergieerzeugern erheblich benachteiligt.

Im Verlauf der Untersuchung trat die dringende Notwendigkeit zutage, die dezentrale Erzeugung erneuerbarer Energie durch die Bürger zu einem vorrangigen Förderschwerpunkt zu machen. Die nationalen, lokalen und regionalen Behörden sollten Zielvorgaben für den Ausbau der Bürgerenergie aufstellen und in die Planungsrahmen für lokale EE-Projekte einbeziehen. Für Bürgerenergie muss es spezifische Förderungen geben. Zuschüsse, Kredite oder Fördermechanismen sollten langfristig stabile Rahmenbedingungen für Investitionen mit angemessenen, aber nicht übertriebenen Investitionserträgen bieten. Für Bürgerenergieerzeuger müssen die Verwaltungsverfahren einfach, schnell und kostengünstig sein. Dafür sollten allgemein zentrale Anlaufstellen (one-stop-shops) eingerichtet werden, die potenzielle Investoren beraten, durch die Verfahrensstufen von der Planung bis zur Inbetriebnahme begleiten und bei allen Formalitäten unterstützen können.

Die Gestaltung und Durchführung der EE-Politik sollte auf Ebene der EU und der Mitgliedstaaten in einem fortwährenden Dialog mit den Interessenträgern der Zivilgesellschaft erfolgen, um ein gemeinsames Verständnis und gemeinsame Ziele, Unterstützung für die Umsetzung und eine langfristig nutzbringende Kooperations- und Vertrauenskultur sicherzustellen. Der Europäische Energiedialog des EWSA könnte dabei hilfreich sein. Vor allem kommt es darauf an, dass die Akteure der Zivilgesellschaft an der transparenten Entwicklung der nationalen Aktionspläne für die Verwirklichung der klima- und energiepolitischen Ziele bis 2030 sowie an der Überwachung und Überprüfung ihrer Umsetzung beteiligt werden. EU-, nationale und regionale Strategien, Finanzierungsmaßnahmen und Fördermechanismen sollten regelmäßig unter aktiver Beteiligung der Zivilgesellschaft daraufhin überprüft und überarbeitet werden, dass sie Bürgerenergie fördern und nicht behindern. Insbesondere sollte die Einführung umstrittener Maßnahmen wie Auktionsverfahren eng überwacht werden, damit eventuelle nachteilige Auswirkungen für Bürgerenergie rasch erkannt und behoben werden können.

Ein rascherer Zubau von Bürgerenergie erfordert einen Paradigmenwechsel bei der Netzplanung. Ein besseres Netzmanagement auf verschiedenen geografischen Ebenen und die Koordinierung zwischen Übertragungsnetzbetreibern sind Voraussetzung für eine erfolgreiche großflächige Nutzung erneuerbarer Energieträger. Es sind umfangreiche Investitionen in den Ausbau und die Modernisierung der Netze sowie ihre Anpassung an die Erfordernisse einer dezentralen und fluktuierenden Erzeugung nötig. Im Rahmen der EU-Struktur- und Kohäsionsfonds sollten die für die

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Umsetzung der 2020-Klimaschutz- und Energieziele notwendigen Mittel bereitgestellt werden, um sicherzustellen, dass der EE-Ausbau nicht durch Netzbeschränkungen behindert wird.

Öffentliche Debatten über Energiepolitik drehen sich meist um Preisanliegen und können sogar in Populismus abgleiten. Eine offene und transparente öffentliche Debatte über Energiekosten und -preise tut Not. Es sollten klare und ausführliche Informationen über die Kosten bereitgestellt werden, die aufgrund der Beihilfen für erneuerbare Energieträger, fossile Brennstoffe und Kernkraft entstehen, wie auch über Vorteile aufgrund vermiedener Energieeinfuhren und über schwierig in Geldwert zu beziffernde Vorteile für Umwelt und Gesundheit.

Die Auswirkungen der Energiewende auf Beschäftigung und Haushaltseinkommen sollen unter dem Strich letztlich zwar positiv sein, doch verlieren einige konventionelle Energieerzeuger bereits Marktanteile, was sich auf die Beschäftigungslage in den betreffenden Branchen auswirkt. Proaktives schleuniges Handeln ist erforderlich. Es müssen nationale Strategien aufgestellt und eng auf die Politik zum Ausbau der erneuerbaren Energien abgestimmt werden, um einen reibungslosen Übergang sicherzustellen, die notwendigen Qualifikationsmaßnahmen durchzuführen und gezielt negative Auswirkungen auf die Beschäftigung und sozial schwache Haushalte auszugleichen. Das reale Problem der Energiearmut sollte durch konkrete und zielgerichtete Maßnahmen bekämpft und nicht als Argument genutzt werden, um die Energiepreise künstlich niedrig zu halten (z.B. in Bulgarien). Das reale Problem der Arbeitsplatzverluste bei konventionellen Energien (das nicht notwendigerweise durchweg mit dem EE-Wachstum zusammenhängt) sollte nicht als Argument genutzt werden, um den Fortschritt dezentraler EE-Erzeugung aufzuhalten (z.B. in Polen). Die Regierungen sollten die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Umstellung auf eine Niedrigemissionswirtschaft so steuern, dass sie der ganzen Gesellschaft zum Wohl gereicht.

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A. Anhänge

A.1. Länderberichtewww.eesc.europa.eu/red-study

A.2. Liste der EWSA-Stellungnahmen zur Erneuerbare-Energien-Thematik

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