Upload
others
View
3
Download
0
Embed Size (px)
Citation preview
Der Architekt und Designer VINCENT VAN DUYSEN prägt mit seinen Hotel- und Shop- Interiors das Gesicht seiner
Heimatstadt Antwerpen. Zudem beweist der
Kreativdirektor von Molteni, dass Minimalismus
maximal schön sein kann
Eine große Liebe für eine kleine Stadt
Text Antje Wewer
Fotografie Hayden Phipps
72
Samstagseinkauf
S_12_Samstagseinkauf.indd 72 03.08.17 10:12
AKKURAT UND MIT
GANZ VIEL HERZ
Kann Minimalismus gemütlich sein? Bei Vincent Van Duysen schon. Weil er klare Formen und warme Materialien miteinander kombiniert. Seine alte, drei-stöckige Villa mit Innenhof liegt im Zentrum Antwerpens. Die Fassade ließ der Designer weiß lackieren, beim Renovieren nahm er sich Zimmer für Zimmer vor.
Gerade ist der Dachstuhl fertig geworden, bis vor Kurzem wohnte dort noch ein Mann, „ein Einsiedler“, wie Van Duysen ihn nennt, dem er seit dem Kauf der Villa vor zehn Jahren Un-terschlupf gewährte. „Am liebsten halte ich mich im Wohnzimmer auf “, erzählt der Belgier. „Keine Türen, dafür umso mehr Blickachsen.“ Die Wandfarbe hat er selbst kre iert: ein helles Schlammgrau namens „Bone“. Während der Designer durch die Räume geht, weichen ihm Gaston und Lou Lou, seine beiden Dackel, nicht von der Seite. Das Haus ist Van Duysens Rückzugsort: „Selbst beim größten Stress komme ich hier zur Ruhe.“
Um den Tisch stehen alte chinesische
Bauernstühle. Auf dem La-Cornue-
Herd stapeln sich Gefäße, die der
Hausherr selbst entworfen hat. Links:
Das Treppenhaus ist als einziges
Originalelement in der entkernten
Villa übrig geblieben
Das Sofa entwarf Designkollege
Axel Vervoordt, und von
dem Stuhl des verstorbenen
Pierre Jeanneret hat der Sammler
Vincent Van Duysens gleich
mehrere. An der Wand: eine
Skulptur der Berliner Künstlerin
Katja Strunz. Hinten im Bad sieht
man eine frei stehende Wanne
aus Marmor
S_12_Samstagseinkauf.indd 73 03.08.17 10:15
Dries Van Noten gehört zu den berühm-ten Antwerpener Sechs, die in den 80er-Jahren an der Koninklijke Acade-mie voor Schone Kunsten studierten
und Belgien auf die Fashion-Landkarte setzten. Der Modedesigner hat Läden auf der ganzen Welt, „Het Modepaleis“ in Antwerpen war sein erster Showroom. „Zuletzt war ich hier mit meiner Mut-ter Luisa shoppen“, erzählt Van Duysen. „Sie kleidet sich gerne mal von Kopf bis Fuß mit Dries ein.“ Er selbst hat ein paar schlichte Pullover des Designers im Schrank. „Ich trage aber auch gerne Martin Margiela.“ Wer ihn sonst noch inspiriert? „Die Ar-chitekten Luis Barragán und Peter Zumthor. Und meine Kollegen Axel Vervoordt und Ilse Crawford. Die Engländerin war die Erste, die mein privates Loft in einem Magazin zeigte.“ Damals war sie noch Journalistin bei „Elle Deco“. Heute hat sie ihr eigenes Designstudio in London. „Ich bewundere Menschen, die sich weiterentwickeln und ihrem Stil dabei treu bleiben“, sagt der Belgier.
MODE, DIE SITZT
Seit 1933 werden hier selbst gemachte Pralinen statt Trends verkauft“, sagt Van Duysen und betritt das kleine Geschäft im Stadtviertel De Wilde Zee. „Noch nicht mal weiße Schokolade
hat es ins Sortiment geschafft, weil die streng genommen keine Schokolade ist.“ Seine Favoriten: Galettes! Mit Scho-kocreme gefüllte Pralinen. Verzehrt werden sollten sie in-nerhalb von fünf Wochen, da sie ohne Konservierungs-stoffe hergestellt werden. Charmant: Hinter dem Tresen steht noch immer die 76-jährige Besitzerin Hilde.
Pulcinella, so heißt die weiß gekleidete Comme-dia-dell’Arte-Figur mit schwarzer Maske – und die Jugendherberge, die Vincent Van Duysen in Antwer-pen vor zehn Jahren erbaute. Ein Bett gibt es schon
für 27 Euro die Nacht. Auf den ersten Blick wirkt das minima-listische Gebäude sehr massiv, betritt man es, begeistern sein schlichtes Interior, die klaren Linien und das viele Licht. „Gera-de weil Antwerpen so klein und hübsch ist, tut der Stadt moderne Architektur gut“, findet Van Duysen.
KLEIN UND FEIN
FRÜHWERK
Sweertvaegher, Groendalstraat 8, Mo.–Sa. 10–18 Uhr, Tel + 32/32 26 36 91, sweertvaegher.be
Pulcinella, Bogaardeplein 1, täglich rund um die Uhr geöffnet, Tel. +32/32 34 03 14, jeugdherbergen.be
Het Modepaleis, Nationalestraat 16, Mo.–Sa.12–18 Uhr, Tel. +32/34 70 25 10, driesvannoten.be
In der altmodischen Verpackung
sind sie noch süßer
Samstagseinkauf
S_12_Samstagseinkauf.indd 74 03.08.17 10:14
Wir wollten einen Laden er-öffnen, in dem man sich fühlt wie in unserem Wohnzimmer“, sagt Ge-
raldine Jackman, Mitinhaberin des Con-cept-Stores „St. Vincents“, der um die Ecke der Jugendherberge „Pulcinella“ liegt: „Be-vor wir hier eingezogen sind, war in dem Gebäude eine Druckerei“, erklärt Geraldi-ne, die vor der Shopgründung als Anwältin gearbeitet hat. Ihr Freund Henri Delbarre kündigte ebenfalls seinen Job – er war Be-rater – und stieg mit ein. Das Paar wohnt über einem Geschäft, das auch ein Café ist, und verkauft, was ihm selbst gefällt: von Möbeln über Taschen bis hin zu den Kü-chenaccessoires von Vincent Van Duysen. Besonders schön: seine Gefäße aus Glas, Marmor und Holz, die er für die Firma „When Objects Work“ entworfen hat.
KURATIERTES KAUFEN
Am Graanmarkt befindet sich der gleichnamige Concept-Store, ent-worfen von Van Duysen. Gemeinsam mit seinen Freunden Tim Van Geloven und Ilse Cornelissens, den Betreibern des Townhouse, ent-warf er das Interior-Konzept: Im Erdgeschoss befindet sich der
Shop, darüber ein Apartment, das man wochenweise mieten kann, in der unte-ren Etage ein Restaurant. „Keiner serviert Gemüse so überraschend und köstlich wie Seppe Nobels“, sagt van Duysen. Der nachhaltige Ansatz des Küchenchefs passt zu Tim und Ilse. Die beiden haben beschlossen, keine Fashion-Sales mehr anzubieten. „Sie setzen lieber auf Mode, die sich das ganze Jahr verkauft.“
ALLER GUTEN DINGE SIND DREI
Graanmarkt 13, Graanmarkt 13, Mo.–Sa. 10.30–18.30 Uhr, Tel. +32/33 37 79 92, graanmarkt13.be
St. Vincents, Kleine Markt 13, Mi.–Mo. 10.30–18.30 Uhr, stvincents.co
Schön schlicht: Gefäße von Van Duysen
Das Townhouse
beherbergt einen
Concept-Store, ein
Restaurant und ein
Loft-Apartment
Antwerpen liegt an
der Schelde, die knapp
90 km weiter in die
Nordsee fließt
Sieht aus wie die private Küche der beiden,
ist aber Teil des Ladens
75
S_12_Samstagseinkauf.indd 75 03.08.17 10:15
In diesem Laden werden Brot und Brötchen nicht nur verkauft, sondern auch gebacken. Das gefällt mir“, sagt Vincent von Duysen. Die kleine Bak-
kerij ist seit 1884 in Familienbetrieb, ihre Warteschlange reicht vormittags bis auf die Straße. „Kein Marketing, kein Café, kei-ne Zusatzstoffe, einfach nur gute Ware.“ Ein überzeugendes Konzept. Van Duysens Lieblingsbrot: Roggeverdommeke.
Die schönste Buchhandlung der Stadt, und Van Duysen hat sie selbst entworfen: „Ich kannte ,Copyright‘ schon aus Gent,
dort habe ich Architektur studiert. Als mir die Gestaltung einer Zweigstelle in Ant-werpen anboten wurde, sagte ich sofort Ja.“ Der Clou sind die durchlaufenden Re-gale. „Die Kombination aus Marmor und Holz verleiht den Büchern einen großen Auftritt.“ Übrigens: Für manche Kunden sucht Van Duysen nicht nur die Möbel aus, sondern auch die Coffeetable-Books.
BACKFRISCH
BESTE AUSLESE
Für Goossens’ Rosinenbrot steht
man geduldig Schlange
Bloß keine Rosen und kein Orange! Stattdessen liebt
Van Duysen Ranunkeln und französische Tulpen
Großes Hallo bei „Baltimore“: Florist Mark Colle ist ein alter Wegge-fährte, und auch Raf Simons zählt zu seinen Kunden. Bei dessen ers-ter Modeschau für Dior schmückte Colle mehrere Räume mit Rosen, Nelken und Orchideen. Danach konnte er sich vor Aufträgen kaum
retten, stattete Partys im New Yorker Guggenheim-Museum und Hochzeiten in Delhi aus. „Die Antwerpener Jungs halten zusammen!“, sagt er. „Hier konzentriert sich ein großes Potenzial an Kreativität auf kleinem Raum, alles liegt nah beiein-ander.“ Auch bei Blumen ist Van Duysens Geschmack präzise: keine Bouquets, niemals Rosen oder Orange, dafür gerne blauen oder weißen Agapanthus, franzö-sische Tulpen und Ranunkeln. „Ansonsten liebe ich die Natur in all ihren Grüntö-nen.“ In seinem Ferienhaus, das er im portugiesischen Alentejo baut, will er das Drinnen mit dem Draußen verbinden. Sein Ziel: „Die Natur einzurahmen.“
BLÜHENDE KREATIVITÄT
Bakkerij Goossens, Korte Gasthuisstraat 31, Di.–Sa. 7–19 Uhr, Tel. +32/32 26 07 91
Copyright, Nationalestraat 28a, Di.–Sa. 11–18.30 Uhr, Tel. +32/32 32 94 16, coprightbookshop.be
Baltimore, Orgelstraat 6, Di.–Sa. 9.30–18.30 Uhr, Tel. +32/32 32 28 38, baltimorebloemen.be
S_12_Samstagseinkauf.indd 76 03.08.17 10:15
Hotel Julien, Korte Nieuwstraat 24, Tel. +32/32 29 06 00, DZ mit Frühstück ab 160 Euro, hotel-julien.com
500 Meter entfernt von
Van Duyens Stamm
restaurant „Hungry
Henrietta“ beginnt der
denkmalgeschützte
SanktAnna
Fußgängertunnel
Van Duysens Hood: Gleich
um die Ecke ist das Studio des
Architekten und Designers
Geschichte in
neuem Gewand:
das Museum aan
de Stroom im
ehemaligen Hafen
viertel. Etwas weiter
südlich liegt das
Hotel „Julien“. Sehr
hübsch: das
Zimmer Nr. 21
Für Antwerpen-Besucher lautet Van Duysens Hotelempfehlung: das „Ju-lien“. Ein Townhouse mit Bar und Spa, das sehr zentral liegt. Mit den
Besitzern arbeitet der Architekt und Designer gerade an einem neuen Hotel, das nächsten Sommer eröffnen soll und sich in einem alten Kloster befindet, etwas außerhalb von Ant-werpen. Und welche Orte empfiehlt er seinen Gästen noch? „Unbedingt das Museum aan de Stroom. Von der Dachterrasse hat man einen fantastischen Blick über die Stadt.“ Außerdem: das ModeMuseum Provincie, den denkmalgeschützen Sint-Annatunnel aus den 1930er-Jahren und das Restaurant „Hungry Henrietta“. „Da gehe ich selbst sehr gern essen, es liegt ganz in der Nähe meines Studios, Lombardenvest 19.“ Noch ein Tipp in Sachen Reiseplanung: In Antwerpen haben einige Ge-schäfte am Sonntag geöffnet, dafür aber fast alle montags geschlossen!
LIEBLINGSORTE
Samstagseinkauf
77
S_12_Samstagseinkauf.indd 77 03.08.17 10:15