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SCHUBERT – SCHUMANN

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Booklet zur CD "SCHUBERT–SCHUMANN" (Morgenstern Trio) Kaleidos 01/2016. KAL6331-2. Auf der vorliegenden Einspielung widmet sich das mehrfach preisgekrönte MORGENSTERN TRIO zwei bedeutenden Werken der klassisch-romantischen Klaviertrio-Literatur. An der Schwelle zur Romantik steht das Es-Dur Trio von Franz Schubert (das für Robert Schumann zeitlebens Schuberts „Eigenthümlichstes“ blieb) und bildet hier gleichsam Gegenpol und Verbindung zugleich zur hochromantischen Konzeption des Schumann d-Moll Trios. „Nacht und Licht, Zorn und Sehnsucht, Dramatik und Poesie …“ =================================== On the present recording the multi-award-winning MORGENSTERN TRIO devotes itself to two important works of classical-romantic piano trio literature. On the threshold of Romanticism, Franz Schubert’s E flat major trio (to Robert Schumann always being the “most peculiar”) both forms a counterpart and a connection to the highly romantic conception of Schumann’s D minor trio.

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D Edition Kaleidos · KAL 6331-2

Recording: 09/2014, Kulturforum Franziskanerkloster, Paterskirche KempenRecording Producer / Tonmeister: Jens F. MeierEditing & Mastering: Sebastian Kienel, Jens F. MeierArtist Photos: Irène ZandelCover-Design & Text-Layout: Jens F. MeierLiner Notes: Martin Klapheck (Schumann), Jens Weiner (Morgenstern Trio)Translations: Imke Pinnow

Executive Producer: Jens F. Meierp& c2016 Kaleidos Musikeditionen · www.musikeditionen.de

Schubert N SchumannFRANZ SCHUBERT Piano Trio No. 2, Op. 100 (D 929)ROBERT SCHUMANN Piano Trio No. 1, Op. 63

MORGENSTERN TRIOCatherine Klipfel piano Stefan Hempel violin Emanuel Wehse cello

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FRANZ SCHUBERT (1797–1828)

Piano Trio No. 2 in E flat major, Op. 1 00 (D 929)Klaviertrio Nr. 2 Es-Dur op. 100 (D 929)

I. Allegro 12‘35II. Andante con moto 9‘28III. Scherzando. Allegro moderato 7‘01IV. Allegro moderato 15‘14

ROBERT SCHUMANN (1810–1856)

Piano Trio No. 1 in D minor, Op. 63Klaviertrio Nr. 1 d-Moll op. 63

I. Mit Energie und Leidenschaft 12‘58II. Lebhaft, doch nicht zu rasch 5‘11III. Langsam, mit inniger Empfindung 6‘50IV. Mit Feuer 8‘02

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FRANZ SCHUBERTLithographie von C. Helfert nach Josef Kriehuber (posthum)

ROBERT SCHUMANN (1839)Lithographie von Joseph Kriehuber

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„Dedicirt wird dieses Werk Niemandem außer jenen, die Gefallen daran finden.“ FRANZ SCHUBERT Klaviertrio Nr. 2 Es-Dur op. 100 (D 929)

„Dedicirt wird dieses Werk Niemandem außer jenen, die Gefallen daran finden. Dies die einträglichste Dedication“ – so lautete im August 1828 die Antwort von Franz Schubert auf eine Anfrage seines Leipziger Verlegers Probst, der bereits mit dem Stich für das Klaviertrio in Es-Dur op. 100 D 929 beschäftigt war und sich nun nach einem etwaigen Widmungsträger erkundigte. Aus Schuberts Antwort spricht nicht wenig Selbstbewusstsein, vornehmlich wohl die Genugtuung darüber, nicht auf kunstsinnige Adlige oder wohlhabende bürgerliche Gönner angewiesen zu sein, um seine Musik zu veröffentlichen.

Das Es-Dur-Trio war das erste Werk Schuberts, das außerhalb von Österreich veröf-fentlicht wurde, und es war auch eines der wenigen Werke, die zu seinen Lebzeiten sowohl überhaupt im Druck erschienen als auch öffentlich aufgeführt wurden: Die Uraufführung erfolgte gleich nach der Fertigstellung am 26. Dezember 1827 durch den Geiger Ignaz Schuppanzigh, den Cellisten Joseph Lincke und den Pianisten Carl Maria von Bocklet, deren Freundschaft Schubert in seinen letzten Lebensjah-ren pflegte. Und es erklang auch bei Schuberts erstem und einzigem öffentlichen Konzert mit ausschließlich eigenen Werken am 26. März 1828 (dem Jahrestag von Beethovens Tod) im „gedrängt vollen“ Saal der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien – „ungeheurer Beifall, gute Einnahme“, heißt es dazu in den Chroniken.

Die Zeit schien also endlich „reif“ zu sein für Franz Schubert, doch der sich andeu-tende Umschwung zum Besseren – nach langen Jahren kärglicher Existenz – kam

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zu spät: In einem nahezu unfassbaren Schaffensrausch entstehen noch in den letzten Monaten u. a. die letzten drei Klaviersonaten, das Streichquintett und Lieder für den „Schwanengesang“, doch dann erleidet Schubert im Herbst desselben Jahres einen erneuten Krankheitsschub und stirbt am 19. November 1828 im Haus seines Bruders Ferdinand.

Von der Anlage her orientiert sich Schubert in seinem Es-Dur-Trio an dem „Vor-bild Beethovenscher Kammermusikwerke und ändert nichts grundsätzlich“, so der Schubert-Forscher Arnold Feil: „Auch sein Trio hat vier Sätze in der üblichen Reihenfolge: Allegro als Sonatensatz – langsamer Satz mehr melodisch-variativen Charakters – Scherzo als zweiteiliger, im Charakter an den Tanz erinnernder Satz – Finale mit Rondo-Charakter und stärker virtuos instrumentalen Zügen […]. Aber Schubert weitet und erweitert das Modell faktisch derart, dass seine Sätze zu Cha-rakterstücken auszuwachsen und Teile der Sätze sich zu verselbständigen scheinen. Dabei bekommt das Ganze einen Zug ins musikalisch Weite, der an die instrumen-tale Fantasie denken lässt.“

Martin Klapheck

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Unter den Kammermusikwerken für Klavier und Streicher haben die Kompositio-nen für Klaviertrio den größten Anteil im Schaffen von Robert Schumann. In sei-ner Schumann-Monographie charakterisiert sie der Musikwissenschaftler Günther Spies wie folgt: „Schumanns drei große Klaviertrios gehören trotz teilweise konven-tioneller formaler Grundrisse zu seinen kühnsten kompositorischen Äußerungen. Gemessen an vorangegangenen Werken [...] erreichen sie in ihrer polyphonen Fak-tur, ihrem weitgehenden Verzicht auf melodische Kantabilität zugunsten kurzglied-rig-formelhafter thematischer Elemente und ihrem dichten motivisch-thematischen Beziehungsgeflecht ein erhebliches Maß an Abstraktion und Verinnerlichung.“

Am 13. September 1847 überraschte Robert Schumann seine Frau Clara zu ihrem 28. Geburtstag mit seinem Klaviertrio in d-Moll op. 63, welches er in den Monaten zuvor konzipiert und fertig gestellt hatte. Clara spielte es noch am selben Abend und äußerte sich begeistert: „Es klingt wie von einem, von dem noch viel zu erwar-ten steht, so jugendfrisch und kräftig, dabei doch in der Ausführung so meisterhaft [...]. Der erste Satz ist für mich einer der schönsten, die ich kenne.“

Überschrieben ist dieser Eröffnungssatz mit der Spielanweisung Mit Energie und Leidenschaft, und die Musik wird diesem Motto – mal lyrisch-verhalten, gar kla-gend, mal spannungsreich gedrängt – mehr als gerecht. Formal orientiert er sich am Sonatensatz-Modell, allerdings mit einer ungewöhnlich umfangreichen Durch-

„Es klingt wie von einem, von dem noch viel zu erwarten steht ...“ROBERT SCHUMANN Klaviertrio Nr. 1 d-Moll op. 63

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führung. Wesentlich konziser gibt sich der dreiteilige 3. Satz Langsam, mit inniger Empfindung – „ein klangvoll-stimmreicher Gesang, der zumal in den beiden Strei-cherparts einer musikalischen Prosa nahekommt“ (Mathias Hansen).

Wie die anderen Sätze, hält auch der Finalsatz, was seine Überschrift verspricht: Mit Feuer stürzen sich die drei Instrumente ins musikalische Geschehen, und fast ohne Ruhepause folgen sie dem rondoartig angelegten Hauptthema, verflechten sich aufs Engste kurz vor der Reprise und werfen sich mit Bravour in die zupacken-de Schluss-Coda.

Uraufgeführt wurde das Werk am 1. Dezember 1847 in Dresden – zu dieser Zeit war bereits auch schon das zweite Klaviertrio in F-Dur op. 80 vollendet.

Martin Klapheck

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“This work will not be dedicated to anyone except to those who appreciate it. That is the most advantageous dedication” – this being Franz Schubert’s reply to an inquiry of his Leipzig publisher Probst in August 1828, who at this time already worked on the engraving of the Piano Trio in E flat major, Op. 100 (D 929), and now asked for a potential dedicatee. Not only does Schubert’s reply demonstrates his high self-confidence, but even more the satisfaction of not being dependent on art-loving nobels or prosperous middle-class benefactors to publish his music.

The E flat major trio is Schubert’s first work that was published out of Austria. Fur-thermore, it belongs to those few pieces that were printed and performed publically during his lifetime, already: The world premiere took place right after its comple-tion on 26 December 1827 by the violinist Ignaz Schuppanzigh, the cellist Joseph Lincke, and the pianist Carl Maria von Bocklet, whose friendship Schubert fostered in his final years of life. Next to this, it was performed at Schubert’s first and only public concert, in which he was solely playing his own work on 26 March 1828 (the anniversary of Beethoven’s death), and that was held in the “crowded” hall of the Society of Friends of Music in Vienna – “tremendous cheers, good earning”, it says in the chronicles.

Time, it seems, has eventually been ripe for Franz Schubert. But the indicated turn-around for the better – after long years of scanty existence – came much too late:

FRANZ SCHUBERT Piano Trio in E flat major, Op. 100 (D 929)

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In an almost incredible flush of creativity, the last three piano sonatas, the string quintet, the Lieder for Schwanengesang (“Swan song”) have been completed during the last months. But in the fall of the same year, Schubert suffered from a further exacerbation, and finally died on 19 November 1828 in the house of his brother Ferdinand.

Formatwise, Schubert orientates himself in his E flat major trio towards the “model of Beethoven’s chamber music work without changing anything in principle”. The Schubert researcher Arnold Feil writes: “His trio is composed of four movements, too, being arranged in the conventional order: Allegro as sonata movement – a slow movement of melodic-varying character – scherzo as two-part movement, re-minding of a dance – final movement of rondo-character and greater instrumental inclinations of virtuoso manner. […] But Schubert widens and develops the model to such an extent, that his movements rather become character pieces, and parts of them seem to take on a life of their own, reminding of instrumental fantasia.”

Martin Klapheck

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Among Robert Schumann’s chamber music work for piano and strings, his compositions for piano trio form the largest part. In his Schumann monograph the musicologist, Günther Spies, characterizes them as follows: “Despite of their partly conventional form, Schumann’s three great piano trios belong to his boldest compositional work. Compared to earlier pieces […] they reach a high degree of abstraction and internalization due to their polyphone facture, their mostly abandonment of melodic cantabile in favor of short and stereotypical thematic elements and a dense motivic-thematic web of relationships.”

Having conceived and completed his Piano Trio in D minor, Op. 63 the months before, Robert Schumann presented it to his wife, Clara, who was celebrating her 28th birthday, on 13 September 1847. Clara played it the same night and expressed herself enthusiastically: “It sounds as being written by someone, from whom much more might be expected from; that fresh and powerful, but still that masterly realized […]. To me the first movement is one of the most beautiful that I know.”

This first movement is entitled Mit Energie und Leidenschaft (With energy and passion), and the music abundantly fulfills this motto; sometimes in a more lyrical-subdued manner, even lamenting, sometimes tension-filled. Formatwise it follows the sonata model, although with a rather extensive development. Much more concise is the three-part third movement: Langsam, mit inniger Empfindung (Slowly,

ROBERT SCHUMANNPiano Trio No. 1 in D minor, Op. 63

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with inner sentiment) – “a melodious song, nearly approaching musical prose, most of all in the two string parts” (Mathias Hansen).

Like the other movements, the final movement delivers what its heading promises: passionately the three instruments plunge into the musical happenings. Nearly without any time of rest they stick to the rondo-like principle theme, get closely intertwined just before the reprise only to end up with brilliance in the coda.

The piece was performed first on 1 December 1847 in Dresden – at this time the second Piano Trio in F major, Op. 80 had already been completed, too.

Martin Klapheck

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Das MORGENSTERN TRIO Keine Spur von RoutineIm Jahr 2015 feierte das Morgenstern Trio einen runden Geburtstag. In den zehn ereignisreichen Jahren seit der Gründung an der Folkwang Universität Essen ist kontinuierlich etwas gewach-sen, wächst weiter mit jeder Probe, jedem Konzert und wer Gelegenheit hat, dieses Klaviertrio zu hören, wird sich der Bedingungslosigkeit seiner großen Kunst nicht entziehen können. Frü-her als erwartet wurde die intensive Arbeit der Musiker seit 2006 mit höchsten Auszeichnungen unterstützt: 2006 3. Preis Internationaler Wettbewerb „Franz Schubert und die Musik der Mo-derne“ Graz; 2006 Stipendium des Deutschen Musikwettbewerbs; 2007 1. Preis Internationaler Haydn-Wettbewerb Wien; 2007 2. Preis Melbourne International Chamber Music Competition; 2007 2. Preis und Publikumspreis Internationaler Wettbewerb der ARD München.Es folgten seit 2008 Konzerttourneen durch die größten Konzertsäle Europas, durch Südamerika, Australien und die USA, wo das Trio seit dem Gewinn des Kalichstein-Laredo-Robinson Inter-national Trio Award 2009 regelmäßig konzertiert (u. a. Carnegie Hall N.Y. und Kennedy Center Washington D.C.).Ehe man sich versah, war das Morgenstern Trio kein „Rising Star“ mehr, sondern eines der füh-renden Ensembles der Szene, und zwar eines, das nicht nur die ganze Breite des Repertoires be-herrscht, sondern auch immer über den Tellerrand des Etablierten hinweg Vergessenes und noch Unentdecktes im Blick hat. Auch zwischen Familiengründungen und Lehrverpflichtungen blieb der gemeinsame Anspruch, in den immer kostbarer werdenden Probenzeiten weiter zusammen zu wachsen.Dass sich die drei Musiker mit Mitte 30 immer noch als jung bezeichnen dürfen, erfuhren sie zuletzt, als sie mit dem Förderpreis des Landes NRW für junge Künstlerinnen und Künstler 2015 ausgezeichnet wurde. Vielleicht fiel die Wahl der Juroren auch deshalb auf das Morgenstern Trio, weil seine Musik auch nach zehn Jahren alles andere als routiniert oder gesetzt klingt: „Man spürt die Spielfreude des Morgenstern Trios, seine Ausdruckskraft, die dynamischen Kontraste zwischen feinster kammermusikalischer Intimität und wuchtiger Klangfülle.“

Jens Weiner

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The MORGENSTERN TRIO No sign of routineIn 2015 the Morgenstern Trio celebrated a decadal birthday. In the ten eventful years after its formation at the Folkwang Universität Essen it has continually developed and still does in every single rehearsal, in every single concert. Those who have the chance to listen to this piano trio simply cannot evade the unconditional nature of its artistry. Earlier than expected, the intensive work of the musicians has been supported by the highest awards since 2006: 2006 3rd Prize Inter-national Competition „Franz Schubert and the music of modernism“ Graz; 2006 Scholarship of German Music Competition; 2007 1st Prize International Haydn-Competition Wien; 2007 2nd Prize Melbourne International Chamber Music Competition; 2007 2nd Prize and Audience Prize International Competition of ARD München.Since 2008, the trio toured all around Europe, South America, Australia and the US, playing at the most famous concert halls. After winning the Kalichstein-Laredo-Robinson International Trio Award in 2009, the US has become a regular destination for concert tours for the trio (i. a. Carnegie Hall N.Y. and Kennedy Center Washington D.C.).Before you know it, the Morgenstern Trio was not a „rising star“, anymore, but one of the leading ensembles. Not only does it master a wide repertoire, but it also keeps an eye out for forgotten or still undiscovered pieces beyond the well-established work. Despite of family formation and teaching duties it still is a common aspiration of the trio to further coalesce in times of valuable rehearsal hours.That the three musicians may refer to themselves as still being young even at the age of mid 30, they experienced when being honored with the advancement award of North Rhine-Westphalia for young artists in 2015. Maybe the decision of the jury has been influenced by the fact that the music of the Morgenstern Trio does not show a single sign of routine or staidness even after ten years of playing together. “One can feel the enthusiasm of the Morgenstern Trio, its expressive-ness, the dynamic contrasts between subtle intimacy of chamber music and forceful sonority.”

Jens Weiner

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JFM: Auf Ihrer letzten CD-Veröffentli-chung durfte der Hörer Bekanntschaft mit französischen Werken machen, eines davon noch dazu ein selten gespieltes – das Klaviertrio von Ger-maine Tailleferre. Auf ihrer neuen CD widmen Sie sich nun wieder ganz der bekannteren Klaviertrio-Literatur, und dazu noch von zwei großen Namen der deutschen Musikgeschichte. Wie kam es zu dieser Programmauswahl?

MT: Im Grunde ist es ja genauso reizvoll, bekannte Werke in neuem Licht zu sehen und damit ebenfalls einen persönlichen und zeitgemäßen Beitrag zu leisten – nicht nur bei den unbekannteren Komponisten. Es sind zwei Komponisten, die ihre ganz eigene Kammermusikwelt entwickelt haben, die uns sehr gefangen genommen hat. Wir verspürten daher das Bedürfnis, zu diesen beiden Komponisten unseren Beitrag zu leisten; dabei spielte es keine

Rolle für uns, wie oft und von wem die Werke bereits eingespielt wurden. Inte-ressant ist natürlich, dass diese Kompo-nistenkombination bei den Lied-CDs sehr häufig auftaucht…

JFM: Viele Musikhörer verbinden mit den Namen Schubert und Schumann ganz unterschiedliche Ideen- und Klangwelten. Wo liegt für Sie der Reiz dieser Verbindung von zwei ganz ver-schiedenen Werken auf einer CD – ist es eher eine Gegenüberstellung oder die Suche nach Verwandtschaft?

MT: Das kommt auf den Blickwinkel an: Schubert befindet sich ja quasi an der Schwelle zur Romantik, wo die Musik mehr zur Beschreibung eines Seelenzustandes wird und Schumann ist davon ein Höhepunkt – ein be-kenntnishafteres Stück als der dritte Satz des d-Moll-Trios ist uns kaum bekannt. Diese Eckpunkte auszuloten

„Wir weinen, ohne zu wissen warum …“ Das Morgenstern Trio im Gespräch mit Jens F. Meier

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fanden wir sehr spannend. Gleichzei-tig trennen die Werke gerade einmal 20 Jahre; so gesehen ist dann der sti-listische Unterschied wieder enorm… und wir hoffen, dass wir dies mit der Einspielung auch zeigen können. Gemeinsamkeiten lassen sich viele finden: Beide sind die bedeutendsten Liedkomponisten, beide haben ihre gesamten Klaviertrios in einem engen Zeitraum geschrieben (Schubert 1827, Schumann 1847–1851) und nicht zuletzt schafft natürlich die Tatsache Verbindung, dass Schumann der In-itiator der Uraufführung der großen C-Dur-Sinfonie von Franz Schubert war, eine Folge seiner großen Bewunde-rung für Schuberts Musik.

JFM: Von beiden Komponisten sind die vorliegenden Werke nun nicht die einzigen Vertreter dieser Gattung. Gibt es einen Grund, warum Sie gerade diese beiden Werke ausgewählt haben?

MT: Wir haben uns eben einfach diesen Werken als erstes genähert. Wir kennen natürlich alle anderen Werke auch und

haben sie inzwischen alle gespielt, aber für eine CD-Produktion möchte man natürlich nur die Werke auswählen, die einem derzeit am nächsten stehen.

JFM: Spätestens mit dem letzten Satz in Schuberts Es-Dur Klaviertrio versteht der Hörer das geflügelte Wort von den „himmlischen Längen“, das einst Ro-bert Schumann auf die C-Dur-Sinfonie Schuberts bezog. Sie haben sich in die-ser Einspielung für die ursprüngliche Fassung ohne die Kürzungen entschie-den (einzig die Wiederholung der Ex-position wird nicht gespielt), wodurch der 4. Satz seine monumentale Länge behält…

MT: Der letzte Satz ist eine enorme Zusammenfassung des Gehalts der vorangegangenen Sätze und mischt alle Themen, so dass man nur staunt wie diese miteinander harmonieren. Die Kürzung des letzten Satzes würde genau dieses „Auf die Spitze treiben“ nivel-lieren und damit einen offensichtlich geplanten Grundgedanken des Werkes ignorieren. Da gab es für uns eigentlich

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keine Wahl… außerdem wirkt der Satz so noch farbiger und damit erstaunli-cherweise wieder kürzer!

JFM: Verraten Sie uns Ihren persönli-chen Bezug zur Musik von Schumann und Schubert! Wie gehen Sie als Kla-viertrio an die Interpretation von solch bedeutenden Werken der Kammermu-sikliteratur heran?

MT: Für unseren Geiger, der in Leipzig geboren ist und durch seine Mutter als Kind quasi in Schumanns Klavierlite-ratur gebadet hat, ist der persönliche Bezug schon fast eine Abhängigkeit, die sich auf uns alle übertragen hat. Dennoch haben wir einige Zeit verwendet, uns das Stück zu erobern – was sicherlich typisch ist für die Ein-studierung von Schumanns Werken. Schuberts Es-Dur-Trio entfaltet hinge-gen wie kaum ein anderes Klaviertrio-Werk einen Sog, dem sich niemand entziehen kann, unabhängig davon, welche Hörerfahrungen er oder sie mitbringt… da spricht uns Adorno aus der Seele, wenn er schreibt: „Wir weinen, ohne zu wissen warum…“

Gleichzeitig birgt es für eine CD-Aufnahme die Schwierigkeit, diese emotionale Ladung im gemütlichen Wohnzimmersessel des Hörers „hoch-gehen“ zu lassen.

JFM: Jüngst wurde das Morgenstern Trio mit dem Förderpreis für junge Künstlerinnen und Künstler des Landes Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet.Und das ist nicht der erste Preis für das Ensemble… Wie wichtig sind diese Preise für Sie?

MT: Die Preise sind schon eine Aner-kennung und Ermutigung für unsere Arbeit und haben uns selbstverständ-lich einige Türen geöffnet. Mittlerweile jedoch sehen wir, dass – außerhalb des allgegenwärtigen Wettbewerbs-denkens – ein Etablieren der Gattung Klaviertrio das noch viel wichtigere Ziel ist. Da wir alle drei an Hochschulen unterrichten, bedeutet dies auch, jun-gen Künstlern die Faszination dieser Kammermusikgattung zu vermitteln. Wenn es uns gelingt, dazu einen Beitrag zu leisten, wäre dies eine noch größere Auszeichnung.

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JFM: On your last recording you focused on French composers’ work, one of it – the piano trio by Germaine Tailleferre – even being rarely played. On your latest CD you devote your-self to the more popular piano trio repertoire, again. Moreover, to two big names of German music history. How did this come about?

MT: Basically, it is of the same inter-est to look at popular pieces from a different perspective and so to make our own and contemporary contribution – not only in the case of unknown composers. Schubert and Schumann, they both developed their most individual worlds of chamber music we really have been captivated by. We therefore felt the need to contribute our share to those two composers; at the same time it did not matter how often and by whom those pieces had been recorded, already. What is certainly

interesting, is, that this combination is relatively common.

JFM: Usually, two considerably differing worlds of ideas and sound are con-nected with the names of Schubert and Schumann. What is so fascinating about combining these two unlike works on one recording – is it rather for comparison or in search of connectivity? MT: That depends on the perspective: Schubert is on the threshold of Roman-ticism, a time in which music more and more becomes a tool for describing mental states, whereas Schumann is a climax of this – there is hardly any piece being of such confessional man-ner than the third movement of the D minor trio. That’s what we found that fascinating about it. At the same time, those two works were written at an interval of twenty years, only. From this perspective, the stylistic

“We cry without knowing why …” The Morgenstern Trio in dialogue with Jens F. Meier

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differences are tremendous… that’s what we hope to reveal on this record. Similarities are to be found in many ways: both, Schubert and Schumann, belong to the most important lied composers, both have written their entire piano trio work during a short period (Schubert 1827, Schumann 1847–1851), next to this Schumann has been the initiator of the world premier of Franz Schubert’s great Sym-phony No. 9 in C major; an outcome of his great admiration for Schubert’s music.

JFM: Next to the presented pieces there exist further compositions of the same genre by both, Schumann and Schubert. Is there a reason, why you actually chose these pieces?

MT: That is simply because we devoted our attention to those works first. Of course we know all the other ones, as well, and have already played them by now, but for a CD recording you cer-tainly like to choose only those pieces that are close to you at the moment.

JFM: Taking the last movement of Schubert’s Es major piano trio, this, at the latest, is the moment when the listener understands what is meant by the dictum “heavenly long, drawn-out passages” that Robert Schumann once used, referring to Schubert’s sympho-nies. For this recording you decided on the original setting that shows no abridgements (only the repetition of the exposition is not played), whereby the fourth movement keeps its monu-mental length...

MT: The last movement is a tremen-dous recapitulation of all what goes on in the movements before, blending all themes, with the result that one can only marvel at how well they go together. This “carrying to extremes” in the last movement would be leveled by any abridgements, and an obvi-ously basic idea of the work would be ignored. That’s way we actually had no choice… Besides, the movement hereby appears even more colorful, and by that astonishingly shorter, again!

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JFM: Let us know your personal rela-tionship to the music of Schumann and Schubert! How do you approach an in-terpretation of such significant chamber music work?

MT: To our violinist, who was born in Leipzig and, due to his mother, knows Schumann’s piano work since his child-hood, this personal relationship reaches a kind of addiction to this work that has passed on to us all. Nevertheless, it took some time until we mastered the piece – what is certainly typical for the rehearsal of Schumann’s work. Schubert’s Es major trio, on the contrary, like hardly any other piece, captures you right from the beginning, indifferent of any precognition… It’s like when Adorno says: “we cry without knowing why…” At the same time, there is the difficulty to transfer this emotional charge into the living room of the listener.

JFM: Recently, the Morgenstern Trio has been honored with the advance-ment award for young artists of North-

Rhine Westphalia. And that isn’t the first prize the ensemble won… How important are those awards to you?

MT: Those awards certainly form an important kind of appreciation and encouragement for our work and defi-nitely helped us to move on. However, by now we think, that – apart from the ever-present competitive thinking – to establish the piano trio as a genre is of much more importance. All three of us teach at the university, which also means to convey the fascination of this genre to young musicians. When we succeed in doing so, this would be a much greater honoring.

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