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26 Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Bildung und Kultur Schule als Standortfaktor – die Schulversorgung Detlef Fickermann, Ursula Schulzeck und Horst Weishaupt nasien, bedingt durch die geringere Siedlungsdichte, deutlich niedriger als in Westdeutschland. Daher liegt bei den Grundschulen die durchschnittliche Zahl der Schüler je Schule unter den Werten für Westdeutschland. Anders ist die Situation bei den Realschulen, die durch die Kombination mit der Haupt- schule – trotz der niedrigen Siedlungs- dichte – in den neuen Ländern häufiger angeboten werden. Die Zahl und die regionale Verteilung von Schulstandorten ist von der Ent- wicklung der Zahl der Kinder und Ju- gendlichen im schulpflichtigen Alter, der geographischen Verteilung ihrer Wohnorte, der Wahl des weiterführen- den Schulangebotes nach der Primar- stufe und von schulentwicklungsplane- rischen Vorgaben wie zum Beispiel der minimalen Schul- oder der maximalen Klassengröße abhängig. Karte zeigt für Gymnasien die durchschnittliche Größe der Mantelbevölkerungen und der Einzugsbereiche auf Kreisebene. Auch die Durchschnittswerte für die Länder, aggregiert nach Kreisen, weisen deutliche Unterschiede auf . Zwischen der durchschnittlichen Größe des Einzugsbereichs eines Gym- In den 1960er Jahren bestanden in Westdeutschland noch große Unter- schiede im Bildungsangebot zwischen Stadt und Land. Im ländlichen Raum herrschte die Volksschule mit jahr- gangsübergreifenden Klassen vor. Wäh- rend auf dem Gebiet der späteren DDR die Konzentration des ländlichen Schulwesens bereits von der sowjeti- schen Militärbehörde eingeleitet wurde und Mitte der 1950er Jahre abgeschlos- sen war, hatten in Westdeutschland noch 1957 mehr als die Hälfte aller Volksschulen nur eine oder zwei Klas- sen. Erst in den zehn Jahren nach 1962 wurde auch hier das ländliche Volks- schulangebot in ein nach Jahrgangsklas- sen gegliedertes System von Grund- und Hauptschulen überführt (vgl. FICKERMANN/ WEISHAUPT/ ZEDLER 1998). In der DDR war die Landschulreform mit dem Aufbau eines Einheitsschulsys- tems bis zur 8., später sogar bis zur 10. Klasse verbunden. Über eine einheitli- che Organisation des Schulwesens in Stadt und Land sollten gleiche Bildungs- chancen für alle Kinder erreicht werden. In Westdeutschland wurden die Nachteile der wenig gegliederten Volks- schulen bis Mitte der 1960er Jahre durch das Fehlen von Realschulen und Gymnasien im ländlichen Raum verstärkt. Standortuntersuchungen (vgl. GEIPEL 1965) machten den bis heute nachweisbaren Zusammenhang zwi- schen Schulangebot und Schulbesuchs- quoten bewusst. In Schulstandortge- meinden weiterführender Schulen ist die Besuchsquote in der Regel deutlich höher als in den umliegenden Gemein- den ( Beitrag Fickermann/Schulzeck/ Weishaupt, S. 40). Über den Ausbau des weiterführenden Schulangebots im ländlichen Raum während der Phase steigender Schülerzahlen in West- deutschland ab etwa 1960 bis Mitte der 1970er Jahre wurde die Erreichbarkeit von zum Realschulabschluss und Abitur führenden Schulangeboten deutlich verbessert. Im Zeitraum zwischen 1958 und 1978 erhöhte sich die Zahl der Re- alschulen um 1420, die der Gymnasien um 643. Die durchschnittliche Größe der Einzugsbereiche betrug durch die zu- sätzlichen Standorte etwa 100 Quadrat- kilometer bei beiden Schularten . Außerdem wurden mehr als 200 Ge- samtschulen gegründet (vgl. WEISHAUPT u.a. 1988, S. 250-251). Trotz des Schü- lerrückgangs in den 1980er Jahren wur- de dieses Standortnetz sogar punktuell weiter ausgebaut. Im Schuljahr 1998/99 betrug die durchschnittliche Einzugsbe- reichsgröße einer Realschule in West- deutschland einschließlich Berlin 91 km², die eines Gymnasiums 99 km². In Ostdeutschland ist die Standort- häufigkeit der Grundschulen und Gym- nasiums und der Gymnasialbeteiligung der Siebtklässler besteht auf Landkreis- ebene ein statistischer Zusammenhang: Je größer der Einzugsbereich eines Gym- nasiums, desto schlechter ist die durch- schnittliche Erreichbarkeit und desto niedriger ist die durchschnittliche Gymnasialbeteilung. Entwicklung der Schülerzahlen Die relative Entwicklung der Schüler- zahlen nach Bildungsbereichen von 1991 bis 2015 zeigt, dass die Zahl der Primarschüler in den alten Ländern 1998 ihren Höhepunkt erreicht hat . Bis zum Jahr 2015 wird sie kontinuier- lich um mehr als ein Viertel sinken. Es ist davon auszugehen, dass dieser Rück- gang auch Konsequenzen für die Grund- schulstandorte in dünner besiedelten Gebieten haben wird. Zeitversetzt ver- läuft die Entwicklung der Schülerzahlen in der Sekundarstufe I und II. Hier liegen die Höhepunkte in den Jahren 2003 bzw. 2008. Im Jahr 2015 werden rund 10% weniger Schüler die Sekun- darstufe I besuchen als 1998, während sich in der Sekundarstufe II 2015 sogar rund 5% mehr Schüler befinden werden als im Bezugsjahr 1998.

Schule als Standortfaktor – die Schulversorgungarchiv.nationalatlas.de/wp-content/art_pdf/Band6_26-29...26 Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Bildung und Kultur Schule

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26Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Bildung und Kultur

Schule als Standortfaktor – die SchulversorgungDetlef Fickermann, Ursula Schulzeck und Horst Weishaupt

nasien, bedingt durch die geringereSiedlungsdichte, deutlich niedriger alsin Westdeutschland. Daher liegt bei denGrundschulen die durchschnittlicheZahl der Schüler je Schule unter denWerten für Westdeutschland. Anders istdie Situation bei den Realschulen, diedurch die Kombination mit der Haupt-schule – trotz der niedrigen Siedlungs-dichte – in den neuen Ländern häufigerangeboten werden.

Die Zahl und die regionale Verteilungvon Schulstandorten ist von der Ent-wicklung der Zahl der Kinder und Ju-gendlichen im schulpflichtigen Alter,der geographischen Verteilung ihrerWohnorte, der Wahl des weiterführen-den Schulangebotes nach der Primar-stufe und von schulentwicklungsplane-rischen Vorgaben wie zum Beispiel derminimalen Schul- oder der maximalenKlassengröße abhängig. Karte � zeigtfür Gymnasien die durchschnittlicheGröße der Mantelbevölkerungen undder Einzugsbereiche auf Kreisebene.Auch die Durchschnittswerte für dieLänder, aggregiert nach Kreisen, weisendeutliche Unterschiede auf �.

Zwischen der durchschnittlichenGröße des Einzugsbereichs eines Gym-

In den 1960er Jahren bestanden inWestdeutschland noch große Unter-schiede im Bildungsangebot zwischenStadt und Land. Im ländlichen Raumherrschte die Volksschule mit jahr-gangsübergreifenden Klassen vor. Wäh-rend auf dem Gebiet der späteren DDRdie Konzentration des ländlichenSchulwesens bereits von der sowjeti-schen Militärbehörde eingeleitet wurdeund Mitte der 1950er Jahre abgeschlos-sen war, hatten in Westdeutschlandnoch 1957 mehr als die Hälfte allerVolksschulen nur eine oder zwei Klas-sen. Erst in den zehn Jahren nach 1962wurde auch hier das ländliche Volks-schulangebot in ein nach Jahrgangsklas-sen gegliedertes System von � Grund-und � Hauptschulen überführt (vgl.FICKERMANN/ WEISHAUPT/ ZEDLER 1998).

In der DDR war die Landschulreformmit dem Aufbau eines Einheitsschulsys-tems bis zur 8., später sogar bis zur 10.Klasse verbunden. Über eine einheitli-che Organisation des Schulwesens inStadt und Land sollten gleiche Bildungs-chancen für alle Kinder erreicht werden.

In Westdeutschland wurden dieNachteile der wenig gegliederten Volks-schulen bis Mitte der 1960er Jahredurch das Fehlen von � Realschulenund � Gymnasien im ländlichen Raumverstärkt. Standortuntersuchungen (vgl.GEIPEL 1965) machten den bis heutenachweisbaren Zusammenhang zwi-schen Schulangebot und Schulbesuchs-quoten bewusst. In Schulstandortge-meinden weiterführender Schulen istdie Besuchsquote in der Regel deutlichhöher als in den umliegenden Gemein-den (�� Beitrag Fickermann/Schulzeck/Weishaupt, S. 40). Über den Ausbaudes weiterführenden Schulangebots imländlichen Raum während der Phasesteigender Schülerzahlen in West-deutschland ab etwa 1960 bis Mitte der1970er Jahre wurde die Erreichbarkeitvon zum Realschulabschluss und Abiturführenden Schulangeboten deutlichverbessert. Im Zeitraum zwischen 1958und 1978 erhöhte sich die Zahl der Re-alschulen um 1420, die der Gymnasienum 643. Die durchschnittliche Größeder Einzugsbereiche betrug durch die zu-sätzlichen Standorte etwa 100 Quadrat-kilometer bei beiden Schularten �.Außerdem wurden mehr als 200 � Ge-samtschulen gegründet (vgl. WEISHAUPT

u.a. 1988, S. 250-251). Trotz des Schü-lerrückgangs in den 1980er Jahren wur-de dieses Standortnetz sogar punktuellweiter ausgebaut. Im Schuljahr 1998/99betrug die durchschnittliche Einzugsbe-reichsgröße einer Realschule in West-deutschland einschließlich Berlin91 km², die eines Gymnasiums 99 km².

In Ostdeutschland ist die Standort-häufigkeit der Grundschulen und Gym-

nasiums und der Gymnasialbeteiligungder Siebtklässler besteht auf Landkreis-ebene ein statistischer Zusammenhang:Je größer der Einzugsbereich eines Gym-nasiums, desto schlechter ist die durch-schnittliche Erreichbarkeit und destoniedriger ist die durchschnittlicheGymnasialbeteilung.

Entwicklung der SchülerzahlenDie relative Entwicklung der Schüler-zahlen nach Bildungsbereichen von1991 bis 2015 zeigt, dass die Zahl derPrimarschüler in den alten Ländern1998 ihren Höhepunkt erreicht hat �.Bis zum Jahr 2015 wird sie kontinuier-lich um mehr als ein Viertel sinken. Esist davon auszugehen, dass dieser Rück-gang auch Konsequenzen für die Grund-schulstandorte in dünner besiedeltenGebieten haben wird. Zeitversetzt ver-läuft die Entwicklung der Schülerzahlenin der � Sekundarstufe I und II. Hierliegen die Höhepunkte in den Jahren2003 bzw. 2008. Im Jahr 2015 werdenrund 10% weniger Schüler die Sekun-darstufe I besuchen als 1998, währendsich in der Sekundarstufe II 2015 sogarrund 5% mehr Schüler befinden werdenals im Bezugsjahr 1998. �����

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27Schule als Standortfaktor – die Schulversorgung

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28Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Bildung und Kultur

Ganz anders verläuft die Entwicklungder Schülerzahlen in den neuen Län-dern. Die Geburtenzahl sank infolge derAbwanderung und der gesellschaftli-chen Transformation Anfang der 1990erJahre um rund 60% gegenüber dem Jahr1989 (von 181.985 auf 71.1109 im Jahr1994, jeweils ohne Ost-Berlin) und istseitdem nur mäßig angestiegen (1999:97.002). Die Darstellung der Entwick-lung der Schülerzahlen bildet die Ge-burtenentwicklung zeitversetzt ab. DieZahl der Primarschüler sinkt bis zumJahr 2002 drastisch auf 60% des Wertesvon 1998 und steigt danach wiederleicht an. In der Sekundarstufe I wirddas Minimum im Jahr 2008 und in derSekundarstufe II im Jahr 2011 erreichtwerden. Der steile Anstieg der Zahl derSchüler in der Sekundarstufe II zu Be-ginn der neunziger Jahre spiegelt dieÖffnung gymnasialer Bildungsgängenach der Wende wider.

Jedoch wirft nicht nur der Rückgangder Schülerzahlen Probleme auf, son-dern auch deren geographische Vertei-lung. Die Karten � und geben einenEinblick in die kleinräumigen Problem-lagen. Dargestellt ist die Geburtendich-te (Geburten je km²). Da die Richtlini-en zur Schulentwicklungsplanung inden meisten Ländern Mindestschüler-zahlen für den Erhalt eines Schulstand-ortes vorsehen, kann anhand der Ge-burtendichte abgeschätzt werden, wiegroß ein Schuleinzugsbereich durch-schnittlich sein muss, damit die not-wendige Schülerzahl erreicht werden

kann. Analoge Betrachtungen könnenbeispielsweise auch für Kindergärtenund andere infrastrukturelle Sozialein-richtungen angestellt werden, für derenBetrieb eine Mindestzahl an Klientenerforderlich ist. Sind beispielsweise fürden Erhalt eines Grundschulstandortes56 Schüler erforderlich (14 pro Jahr-gang), ergibt sich bei einer Geburten-dichte von 0,2 eine Einzugsbereichsgrö-ße von 70 qkm.

Das in den neuen Ländern 1991/92 inAnlehnung an westdeutsche Schul-strukturen aufgebaute Schulstandortsys-tem ist folglich durch den dramatischenGeburtenrückgang massiv in seinem Be-stand gefährdet. Während in derGrundschule über die Einrichtung jahr-gangsübergreifender Klassen die meistenStandorte bestehen bleiben könnten,werden in der Sekundarstufe I und IIviele Standorte aufgegeben werdenmüssen, um übliche Standards der Un-terrichtsqualität einhalten zu können(vgl. LANDESREGIERUNG BRANDENBURG

2000; FICKERMANN/SCHULZECK/WEISHAUPT

2000a und b). Damit verschlechternsich die Bedingungen des Zugangs zuweiterführenden Bildungsangeboten fürdie Schüler erheblich (�� Beitrag Fick-ermann/Schulzeck/Weishaupt, S.70).

Beispielsweise wurden von insgesamt575 Grundschulen des Schuljahres1992/93 in Mecklenburg-Vorpommernbis zum Jahr 2000 171 geschlossen,ebenso 49 Hauptschulen, 74 Realschu-len und auch 8 Gymnasien , wobeider Schülerrückgang erst jetzt die wei-

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Gesamtschule – Schulform, die die dreiSchultypen des gegliederten Schulsys-tems Hauptschule, Realschule und Gym-nasium in der Sekundarstufe I und II zu-sammenfasst. Dabei gibt es unterschied-liche Grade von Integration. Währenddie additive Gesamtschule lediglichalle drei Schultypen unter einem Dachvereinigt und damit im Wesentlichen zurEinsparung von Infrastruktur und Be-triebskosten beiträgt, ermöglicht die ko-operative Gesamtschule mehr Zusam-menarbeit und Durchlässigkeit zwischenden Klassen gleicher Jahrgangsstufen.Die integrierte Gesamtschule bietetdarüber hinaus – angelehnt an das ame-rikanische High-School-System – in eini-gen Bereichen für alle Schüler einer Jahr-gangsstufe Fachkurse an, die nach Leis-tungsgraden besucht werden können.

Grundschule – die ersten vier Klassenumfassender Schultyp des staatlichen Bil-dungssystems

Hauptschule – einer der drei Schultypendes dreigliedrigen Schulsystems, auf derGrundschule aufbauend. Die Hauptschuleumfasst die Klassen 5-9; bei sechsjährigerGrundschule oder Orientierungsstufe die7.-9., teilweise auch eine 10. Klasse.

Gymnasium – allgemeine Bezeichnungfür höhere Schulen, die zur Hochschulrei-fe oder Fachhochschulreife führen. Es gibtu.a. altsprachliche, mathematisch-natur-

wissenschaftliche Gymnasien, danebenSonderformen wie Wirtschaftsgymnasi-um, Musisches und Technisches Gymnasi-um. Das Gymnasium erstreckt sich überdie Klassen 5-12 bzw. 13 (in Berlin 7-13).

Realschule – seit 1964 werden alle Se-kundarschulen, die mit der 10. Klasseabschließen, als Realschule bezeichnet.Zu Beginn der 1990er Jahre wurde dieRealschule in einigen Bundesländern mitder Hauptschule zusammengelegt, dabeientstanden die Mittelschule (Sachsen),die Sekundarschule (Saarland, Sachsen-Anhalt), die Regelschule (Thüringen), dieintegrierte Haupt- und Realschule (Ham-burg), die verbundene Haupt- und Real-schule (Hessen) und die Regionalschule(Rheinland-Pfalz). Nach erfolgreichemAbschluss der Realschule ist der Besuchvon Fachoberschulen, Ingenieurschulenund der Übertritt in die Aufbaustufendes Gymnasiums möglich.

Primarstufe – Klassen 1-4 des Schulsys-tems (Grundschule)

Sekundarstufe I – auf der Primarstufeaufbauende Schulstufe der Klassen 5-10;schließt mit dem Sekundarabschluss I(Mittlere Reife) ab

Sekundarstufe II – auf der Sekundar-stufe I aufbauende Schulstufe der Klas-sen 11-12/13 an Gymnasien und Ge-samtschulen, die nach der 12. oder 13.Klasse mit dem Abitur abschließt

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29Schule als Standortfaktor – die Schulversorgung

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terführenden Schulen erreicht und imRahmen der laufenden Schulentwick-lungsplanung für den Zeitraum 2001 bis2006 mit weiteren Schulschließungenin erheblichem Umfang zu rechnen ist.

Zentrale Orte als Schulstand-orteAufgabe staatlicher Planung ist u.a. dieSicherung einer infrastrukturellen Min-destversorgung in allen Landesteilen. Inder Landes- oder Regionalplanung deralten Länder findet dabei seit den1960er Jahren das normativ-instrumen-telle Zentrale-Orte-Konzept Verwen-dung. Die neuen Länder machten auf-bauend auf der Territorialplanung derDDR dieses Konzept Anfang der 1990erJahre ebenfalls zur Grundlage ihrer Lan-desplanung. Die Ministerkonferenz fürRaumordnung (MKRO) definierte 1968eine vierfache hierarchische Stufung inOber-, Mittel, Unter- und Kleinzentren.Diese sollen soziale, kulturelle und wirt-schaftliche Einrichtungen besitzen, dieüber die eigenen Bewohner hinaus dieBevölkerung des jeweiligen Verflech-tungsbereichs versorgen (vgl. BLOTEVO-GEL 1995). Dabei hat jedes höhere Zen-trum zugleich auch die Aufgaben derZentralen Orte niedriger Stufe zu erfül-len. Nach den Landesentwicklungsplä-nen vieler Länder sind beispielsweiseOberzentren Standorte einer Universi-tät oder einer Fachhochschule, Mittel-zentren Gymnasialstandorte und Unter-und Kleinzentren Standorte einerGrundschule. Abbildung zeigt dasGrundschul- und das Gymnasialangebotder zentralen Orte verschiedener Zen-tralitätsstufen. Die Abbildung bestätigtdie weitgehende Berücksichtigung dernormativen Vorgaben des Zentrale-Orte-Konzeptes.

Während der Ausbau des Schulnetzesim ländlichen Raum Westdeutschlandsdessen Attraktivität in der Konkurrenz

zu den Städten und verstädterten Regio-nen in den 1970er Jahren deutlich er-höhte, droht den ländlichen RegionenOstdeutschlands infolge der auf Grunddes Schülerrückganges absehbarenSchulschließungen ein Verlust an At-traktivität mit möglicherweise weitrei-chenden Folgewirkungen. Der Erhaltmöglichst vieler Standorte weiterfüh-render Schulen ist nicht nur eine wich-tige bildungspolitische Aufgabe, son-dern zugleich ein nicht zu unterschät-zender Faktor der Regionalentwicklung.Es ist zu befürchten, dass das Fehlen derMöglichkeit, in ländlichen oder dünnbesiedelten Gebieten der neuen Ländereine Hochschulzugangsberechtigung er-werben zu können, zu weiteren Abwan-derungen leistungs- und aufstiegsorien-tierter Eltern aus diesen Regionen füh-ren wird und sich darüber hinaus einausgedünntes regionales Bildungsange-bot als negativer Standortfaktor für diemögliche Ansiedlung von Betrieben be-merkbar machen wird. Insofern ist einean regionalen Belangen orientierte Bil-dungspolitik auch ein wichtiger Beitragzur regionalen Wirtschaftsförderung.

Schulorganisatorische Alterna-tiven: Kleine GrundschulenDie frühe – und insbesondere in derDDR ideologisch begründete – Durch-setzung der Zentralschulen hat sich alsFortschritt im Bewusstsein der Bevölke-rung festgesetzt. Jedoch waren die er-warteten Effektivitätsvorteilekeineswegs so deutlich, wie zunächstvermutet wurde. Die hohen Schüler-transportkosten und die Belastung derSchüler durch weite Schulwege dämpf-ten den ursprünglichen Optimismussehr stark. Auch die Hoffnung auf eineVerbesserung der Chancengleichheitder Landkinder konnte nicht in dem er-hofften Umfang erfüllt werden, da nichtdie ungegliederte Dorfschule, sondern

das fehlende Angebot weiterführenderSchulen für die niedrige Bildungsbetei-ligung verantwortlich war. Bereits inden 1980er Jahren hat eine nüchterneEinschätzung der Landschulreforminsbesondere Baden-Württemberg undNiedersachsen veranlasst, Schulen mitjahrgangsübergreifenden Klassen neueinzurichten und bestehende Schulen zuerhalten. Abbildung � zeigt für die Flä-chenländer den Anteil kleiner Grund-schulen, d.h. den Anteil von Schulenmit weniger als 50 Schülern bzw. mitweniger als 75 Schülern in Brandenburgmit seiner sechsjährigen Grundschulean allen Grundschulen des jeweiligenLandes. Es ist darauf hinzuweisen, dassin den ausgewiesenen kleinen Grund-schulen nicht notwendigerweise jahr-gangsübergreifend unterrichtet wird.Wahrscheinlich ist, dass ein Teil derSchulen mit einer Sondergenehmigungdie nach den Richtlinien für die Schul-entwicklungsplanung vorgesehenenMindestschülerzahlen unterschreitetund jahrgangsgegliederten Unterrichtanbietet.

Sieht man auf Schulsysteme anderereuropäischer Länder, ist auffällig, dassin den meisten Nachbarländern kleineGrundschulen mit jahrgangsübergrei-fenden Klassen von größerer Bedeutungsind als bei uns. In der Schweiz besu-chen beispielsweise 20% der Grund-schüler jahrgangsübergreifende Klassen.In Frankreich sind gegenwärtig 11%und in Norwegen sogar 45% der Grund-schulen nicht nach Jahrgängen geglie-dert. Deshalb erscheint es sinnvoll, diedort gesammelten Erfahrungen für diedurch den Geburtenrückgang in denneuen Ländern wieder ausgelöste De-batte über den Erhalt kleiner Grund-schulen verstärkt zu nutzen.

Zudem erlebt die kleine Grundschulewegen ihrer kulturellen und regional-wirtschaftlichen Bedeutung für die Ge-meinden international wieder eine stei-gende Beachtung. Sie soll u.a. zur Stär-kung regionaler Kulturen und zum Er-halt kultureller Vielfalt beitragen. Siesoll an den Besonderheiten der Erfah-rungswelt der Kinder anknüpfen undzugleich ein Zentrum der Dorfgemein-schaft bilden und kultureller Mittel-punkt der Gemeinde sein.

Im Übrigen bestätigten sich diegemeinhin mit jahrgangsübergreifen-dem Unterricht verbundenen Vorstel-lungen geringerer schulischer Leistungbei entsprechenden Untersuchungen inDeutschland und in anderen europäi-schen Ländern nicht (FICKERMANN/WEIS-HAUPT/ZEDLER 1998).�