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Schwerkraft- oder saugdrainage in der schilddrüsenchirurgie? Effizienzkontrolle mittels sonographischer Resthämatombestimmung

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Langenbecks Arch Chir (1996) 381:337-342 © Springer-Verlag 1996

W. Schwarz • Ch. Willy • Ch. Ndjee • H. Gerngrog

Schwerkraft- oder Saugdrainage in der Schilddrfisenchirurgie?

Effizienzkontrolle mittels sonographischer Resth~imatombestimmung

Eingegangen: 1. August1996

High-vacuum or passive drains in thyroid surgery? Efficiency control by ultrasonographic measurement of resting hematoma

Abstract In a prospective randomized trial, the common high-vacuum drainage system according to Redon was compared with the nonsuction system according to Robin- son in 80 patients undergoing elective thyroid surgery between January 1995 and August 1995. Forty patients were provided with nonsuction, passive drains, and another 40 patients were allocated to a control group with the high- vacuum system. Twenty-four h postoperatively, the wound area was analyzed by sonography after drainage removal. The dimension of the remaining hematoma was determined by scanning the operation field in six to seven layers (thick- ness per layer T = 1 cm). The area (A) of the hematoma was measured per layer, and thus the volume was determined by the formula: V= Tx (A 1 +A2.. +An). Simultaneously, the quantity of discharge was determined. Patients receiving nonsuction drainage had significantly lower median drain- age volume (34 ml; range: 0-175 ml vs 115 ml; range: 40-346 ml; P<0.01) and a remaining hematoma, meas- ured sonographically, of similar volume to that of the pa- tients receiving high-vacuum treatment (4.4 ml; range: 0-21.7 ml vs 5.3 ml; range: 0.6-24.9 ml; not significant). No complications were observed. An advantage to using the nonsuction device is seen with respect to similar rest- ing wound hematoma, lower fluid evacuation, and pain- less drain removal. This study supports prophylactiy rou- tine nonsuction wound drainage after elective thyroid sur- gery.

Key words: High-vacuum drainage - Passive drainage • Sonography • Thyroid operation

W. Schwarz ([]) • Ch. Willy. Ch. Ndjee - H. Gerngrof3 Abteilung Chirurgie, Bundeswehrkrankenhaus Ulm, Oberer Eselsberg 40, D-89081 Ulm

Zusammenfassung In einer prospektiven, randomisier- ten Studie wurden bei 80 Patienten im Rahmen einer Schilddrtisenoperation entweder eine Hochvakuum- saugdrainage nach Redon oder eine Schwerkraftdrainage nach Robinson eingebracht. Zur Mengenbestimmung des Resth~matoms wurde das Operationsgebiet nach Ziehen der Drainagen in 6-7 Schichten (Schichtdicke T = 1 cm) gescannt, die Flfiche A des Hgmatoms bestimmt und durch Addition das Volumen ermittelt [V= T×(AI+A2.+An)]. Gleichzeitig erfolgte die Bestimmung der Drainagenflfis- sigkeitsmenge. Es zeigte sich, dab beide Drainagesysteme in etwa gleiche Resth~matommengen zurticklassen [Me- dian: Robinson 4,4 ml (0-21,7), Redon 5,3 ml (0,6-24,9)]. Trotzdem f6rderte die Redon-Drainage im Median das ca. 3fache im Vergleich zur Robinsondrainage [Robinson 34ml (Spannweite: 0-175), Redon 115 ml (40-346) p < 0,01]. Die Ergebnisse zeigen, dab die soglose Schwer- kraftdrainage genauso effizient ist wie das Hochvakuum- saugsystem. Da sie schmerzlos gezogen werden kann, ist dem Schwerkraftsystem als Wunddrainage in den Hals- weichteilen der Vorzug zu geben.

Die Wunddrainage stellt in weiten Bereichen der operati- ven Medizin einen festen Bestandteil des Therapiekon- zepts dar. Welches Drainageprinzip zur Anwendung kom- men soll- Schwerkraft- oder Saugdrainage -, wird jedoch kontrovers beurteilt [1, 4, 8, 21]. Die Bewertung des je- weils eingesetzten Drainagesystems erfolgte in den bisher durchgeftihrten Studien anhand der gef0rderten Fltissig- keitsmenge [4, 5, 13, 16, 18, 20]. Die Effizienz eines Drainagesystems definiert sich jedoch nicht durch eine grol3e F6rdermenge, sondern durch ein m6glichst voll- stfindiges Drainieren des Wundgebiets, um ein die Wund- heilung beeintr~ichtigendes Resthfimatom zu vermeiden [3, 7]. Vor dem Hintergrund dieser f3berlegungen sollten da- her in der vorliegenden Studie die beiden Drainageprinzi- pien mittels sonographischer Resthfimatombestimmung hinsichtlich ihrer F6rderleistung untersucht werden.

Stellvertretend ftir die extraabdominale Allgemeinchir- urgie wurde die Schildrtisenoperation ausgew~ihlt, da zu-

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mindes t in Deutsch land die Indika t ion fiir e ine pos topera- t ive Dra inagee in lage unbestr i t ten ist [19, 22]. Wei terh in l iegt das Wundgeb ie t oberf l~chl ich und ist der sonogra- phischen Untersuchung gut zugfinglich. Eine verbandbe- dingte Wundkompress ion , wie sie in der Extremitf i ten- chirurgie t iblich ist, bes teht naturgem~il3 im Bereich der Halsweich te i le nicht, so dab das Pr inzip der Schwerkraf t - dra inage untersucht werden kann, ohne dab ein yon augen ausget~bter Druck das Ergebnis beeinf lugt .

Zie l der Untersuchung war zu iiberpriJfen, ob die Schwerkraf td ra inage nach Robinson im Vergleich zur her- k6mml ichen Hochvakuumsaugdra inage nach Redon eine Wunde ohne verbandbed ing te Kompress ion genauso effi- zient drainiert .

Material und Methode

Bei einem Operationsaufkommen von ca. 350 beidseitigen subtota- len Schilddriisenresektionen/Jahr wurde im Rahmen einer prospek- riven, randomisierten Studie im Zeitraum yon Januar bis August 1995 eine Serie von 80 Patienten (51 Frauen, 29 M~nner, Altersdurch- schnitt 43 Jahre) mit beidseitiger SchilddrOsenresektion in 2 Grup- pen (Gruppe 1: postoperativ Redon-Drainagen-Einlage bzw. Grup- pe 2: Robinson-Drainagen-Einlage) eingeteilt. Alle Patienten er- klgrten pr~operativ nach Aufklfirung ihre Zustimmung zur Teilnah- me an dieser Anwendungsbeobachtung. Im Verlauf des standardi- sierten Eingriffs wurden vom Operateur 2 Drainagen durch die ge- rade Halsmuskulatur von innen nach augen lateral eingebracht. Die Drainagenenden lagen gekreuzt, paratracheal nach oben. Die gera- de Halsmuskulatur wurde mit 3 Einzelknopfn~ihten readaptiert. Nach erneuter Blutstillungskontrolle erfolgten die Subkutannaht sowie ei- ne fortlaufende, intrakutane Hautnaht. Die Drainagen wurden am seitlichen Wundrand ausgeleitet und fixiert. Der Verband war span- nungsfrei und bestand einheitlich aus 3 tibereinanderliegenden

2 12x 12 cm Kompressen. Alle Patienten erhielten ab dem 2. post- operativen Tag 50 gg Levothyroxinnatrium (L-Thyroxin ®, Fa. Hen- ning GmbH).

Es wurden Patienten mit Strumen der Grade I-III bei geplanter beidseitiger Schilddri]senresektion in die Studie aufgenommen. Die Randomisierung erfolgte pr~ioperativ anhand einer Randomisie- rungsliste. Patienten mit einer einseitigen Schilddrfisenresektion oder Tyreoidektomie wurden nicht in die Studie aufgenommen.

Bei technischen Problemen wie Drainagedislokation (3real) er- folgte der Ausschlug. Der Randomisierungsplatz wurde durch den n~ichsten Patienten besetzt.

Drainagenmaterial

• 8-F.-Polyurethan-Robinson-Schwerkraftdrainage (Fa. Simcare Ltd., Lancing, West Sussex, BN 15 8T J, Grogbritannien). Der innere Durchmesser der Drainage betrSgt 1,66 mm, die Wandst~irke 0,47 mm. • 1 0 - F . - P V C - H o c h v a k u u m - S a u g d r a i n a g e n s y s t e m nach Redon [Re- dovac ®- 920 mbar Sog (Fa. Sterimed, 66121 Saarbrficken)]. Der in- here Durchmesser betr~igt 1,70 mm, die WandstSrke 0,77 mm.

Drainagesekretmenge und Restfltissigkeitsmenge

24 h nach der Operation wurden die Drainagen entfernt und entleert. Die drainierte Menge wurde mittels eines Megzylinders ermittelt, der Drainagenschlauch auf intraluminale Gerinnsel untersucht. Anschliegend erfolgte die sonographische Untersuchung des Wund- gebiets. Verwendet wurde ein 7,5-MHz-Linearschallkopf mit einer Bildfrequenz yon 30 (F/s). Ohne Vorlaufstrecke mit Fokussierung in

ca. 3 cm Tiefe wurde das Operationsgebiet horizontal orientierend gescannt. Die Erkennung und Abgrenzung des meist paratracheal ge- legenen H~matoms wurden vorab dutch engmaschige postoperative (0, 60, 300, 600 und 1200 min) sonographische Verlaufskontrollen erlernt. Zur Berechnung der Schnittfl~ichen (A1, A2..) wurden in Ab- st~inden yon 1 cm horizontale Schnittbilder des Operationsfelds an- gefertigt und die Ausdehnung des H~matoms mit dem Cursor um- fahren. Die Einzelvolumina wurden entsprechend der Schichtdicke (T = 1 cm) bestimmt und addiert:

n

V = T * ~ A i (1) i = l

V Volumen des H~imatoms; T Schichtdicke (1 cm); A i Fl~iche des sonographisch bestimmten H~imatoms in der Transversalebene.

Dieses Megverfahren ist einem Softwareprogramm zur compu- tertomographischen Volumenbestimmung zugrundegelegt und wird yon Petersen u. Espersen [14] zur quantitativen Bestimmung intra- kranialer H~imatome eingesetzt. Ftir die sonographische Schilddrti- senvolumetrie wurde dies in ~ihnlicher Weise yon Igl et al. [9] be- schrieben.

H~imatokritbestimmung der Drainagenfltissigkeit

Friihere Arbeiten von Murphy u. Scott [12] geben Hinweise darauf, dal3 Hochvakuumsaugdrainagen fiber die H~imatomdrainage hinaus- gehend auch Blut aus den Gefiigen des Wundgebiets ansaugen. Vor dem Hintergrund dieser Beobachtung sollten daher in einer erg~in- zenden Studie 25 weitere Patienten mit beidseitiger subtotaler Schilddrtisenresektion untersucht werden. Die linke Wundh6he wur- de von einer Vakuumdrainage (Redon), die rechte von einem Schwer- kraftsystem (Robinson) drainiert. Nach dem Entfernen der Draina- gen 24 h postoperativ erfolgte die H~matokritbestimmung der Drai- nagenfltissigkeiten.

Statistik

Die Daten wurden mit Hilfe des nonparametrischen Kruskal-Wallis- Testes analysiert. Alle Daten werden als Median mit Spannweite (Minimum- Maximum) angegeben. Die Signifikanz der Daten wur- de mit p < 0,01 festgelegt.

Ergebnisse

Studiengruppe

Beide Dra inagengruppen zeigen eine gleichm~igige Ver- te i lnng der Merkmale /Al te r , Geschlecht , Schi lddr t isen- gr613e, A u s m a g der Schi lddr i i senresekt ion und Hospi ta l i - sa t ionsdauer (Tabelle 1). Drei Pat ienten (weibl ich, 21, 42, 73 Jahre alt) erhiel ten n iedermoleku la res Hepar in zur Th rombosep rophy laxe be im Zus tand nach t iefer Beinve- nenthrombose . Sowohl die Dra inagenmenge als auch die sonographisch ermit te l te Resth~imatommenge dieser Pati- ent innen entsprach den durchschni t t l ich ermit te l ten Volu- mina (Dra inagemenge: 155, 120 und 150 ml; Resth~ima- tommenge : 4,58, 7,11 und 4,42 ml).

Die Schi lddr t isenfunkt ion, das sz in t igraphische Ergeb- nis und die h i s to log ische Diagnose sind in Tabel le 2 dar- gestel l t . In 1 Fal l wurde ein papi l la res M ik roka rz inom (Durchmesser 2 mm) festgestel l t . Bei 23 Pat ienten (Re- don: n = 10, Robinson n = 13) bes tand ein l se i t iges auto- nomes Adenom. Die Schi lddr t i seneingr i f fe wurden von

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Tabelle 1 Charakterisierung der Studiengruppen (Patientenalter und Hospitalisationsdauer werden als Median und Spannweite an- gegeben)

Redon n = 40 Robinson n = 40

Patientenalter [Jahre] 42 (20-77)

Frauen 21 (52,5%)

M~inner 19 (47,5%)

Thromboseprophylaxe 3 (7,5%) (NMH)

Hospitalisation [Tage] 5 (3-6)

SD-Gr6Be I ° II ° Anzabl 0 25

SD-Resektion SS SK (S subtotal, 35 5 K Keilresektion)

48 (20-79)

30 (75,0%)

10 (25,0%)

0 (0%)

5 (3-7) III oo I o II ° III ° 15 1 24 15

KK SS SK KK 0 37 2 1

Tabelle 2 Charakterisierung der Studiengruppen

Redon n = 40 Robinson n = 40

Schilddrfisenfunktion Euthyreot 31 (77,5%) Hypothyreot 0 (0%) Hyperthyreot 9 (22,5%)

Szintigraphische Diagnose Autonomes Adenom 10 (25%) Kalter Knoten 23 (57,5%) Diffuse Speicherung 7 (17,5%)

Histologie Diffuse Knotenstruma 36 (90%) Lymphatische Thyreoiditis 3 (7,5%) Papillares Mikrokarzinom 1 (2,5%)

3 3 (82,5%) 1 (2,5%) 6 15,o%)

13 32,5%) 22 55,0%)

5 (12,5%)

39 (97,5%) 1 (2,5%) 0 (0%)

Gef6rderte Sekretmengen und sonographische Resth~imatombestimmung

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Bei Patienten mit Redon-Drainage wurde ein postoperati- ves Gesamtdrainagevolumen von 115 ml (Spannweite: 40 -346 ml) ermittelt; die Robinson-Drainage f6rderte im Vergleich dazu 34 ml (Spannweite: 0 -175 ml); p < 0 , 0 1 (Tabelle 3, Abb. 1). Hinsichtlich der Menge des Resth~- matoms ergab sich kein signifikanter Unterschied (Ta- belle 3, A b b 2, 3). In der Redon-Gruppe fand sich ein Rest- volumen von 5,3 ml (0,6-24,9), ftir die Robinson-Drainage wurden 4,4 ml (0-21,7) ermittelt (Median, Spannweite). Die Gewichtsbes t immung des in den Verband drainierten Hfimatoms war ftir beide Gruppen 24 h postoperativ nicht signifikant unterschiedlich.

Hfimatokritbestimmung

Die Menge und der Hfimatokrit der drainierten Flfissigkeit werden in Tabelle 4 angegeben. Die Best immung des H~i-

Tabelle 4 H~matokritbestimmung bei 25 zus~tzlichen Patienten mit beidseitiger Schilddriisenresektion. Bestimmt wurden die Men- ge sowie der Hfimatokrit der Drainagenflfissigkeit. Der H~imatokrit wird in % zum systemischen H~matokrit angegeben (Median mit Spannweite)

Redon Robinson n=25 n=25

Drainagenvolumen [ml] 65,0 (5-140) 7,5 (0-125)

H~matokrit [%] 45,5 (20,5-100) 28,1 (5,1-60,7)

Tabelle 3 Dauer der Operation, intraoperativer Blutverlust, Menge der Schilddrfisenresektion, Drainagevolumen und sonographisch festgestellte Resth~matommenge (Median mit Spannweite)

Redon n=40 Robinson n---40

Operationsdauer 75 (45-100) 75 (45-100) [rain]

Intraoperativer 130 (0-500) 125 (0-500) Blutverlust [ml]

Schilddrfisen- Rechts 24 (0-114) 22 (12-98) resektat [g] Links 16 (10-70) 19 (14-98)

Sekretmenge Rechts 62,5 (10-140) 9 (0-100) [ml] Links 45 (5-223) 20 (0-175)

Resth~imatom 5,3 (0,6-24,9) 4,4 (0-21,7) [ml]

insgesamt 8 0 p e r a t e u r e n , in beiden Drainagengruppen gleich verteilt, durchgeffihrt. Es bestanden keine Grup- penunterschiede bei der Operationsdauer, dem intraopera- tiven Blutverlust sowie der GrOge des Schilddrfisenresek- tats (Tabelle 3).

ml

3 5 0 -

3 0 0 -

2 5 0 -

2 0 0 -

1 5 0 -

1 0 0

5 0

0

8

I l n l l Oo,7, : , ! | , M e d i a n * • •

Qo,75 • • • • • • Qo,25 n n n n U o ~

M e d i a n • • •

Qo,25 " " n - l ~ . ~ n m m -

. ._ ' . ; .n. S o g l o s e D r a i n a g e H o c h v a k u u m D r a i n a g e

Abb. 1 Drainagenflfissigkeitsmenge beider Studiengruppen (n= 2real 40). Der Median ftir die Redon-Drainagen-Gruppe betr~gt 115 ml [Spannweite: 40-346 ml, unteres Quartil (Qo,25): 100 ml, oberes Quartil (Qo,75): 153,5 ml]. Ffir die Robinson-Drainage wur- den ermittelt: 34 ml [Spannweite: 0-175 ml, unteres Quartil (Qo~25): 16,5ml, oberes Quartil (Q0,7s): 84,5ml]. Signifikanzniveau: p < 0,01, (Kruskal-Wallis-Test)

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ml 25-

20-

15-

10-

I l l

Qo,75 •

i II Median • • •

QO.25 • • iii i I I i • u •

Soglose Drainage

o o

Qo,75 i:S:o

Median • i •

Qo,25 o O I | ~

e e ' ~ . .

Hochvakuum Drainage

Abb. 2 Menge des sonographisch ermittelten Resth~imatoms in bei- den Studiengruppen (n = 2real 40). Der Median ftir die Redon-Drai- nagen-Gruppe betr~gt 5,3 ml [Spannweite: 0,6-24,9 ml, unteres Quartil (Q0,25): 3,37 ml, oberes Quartil (Q0,75): 8,62 ml]. Ftir die Ro- binson-Drainage wurden ermittelt: 4,4 ml [Spannweite: 0-21,7 ml, unteres Quartil (Q0,25): 2,4 ml, oberes Quartil (Qo,75): 8,62 ml]. Sig- nifikanzniveau: nicht signifikant (Kruskal-Wallis-Test)

matokrits ftir die Drainagenfltissigkeit ergab im Median ftir die Hochvakuumredondrainage einen Wert von nahezu der H~ilfte des systemischen H~imatokrits (45,5%; 20,5-100%). Die passive Drainage des kontralateralen Wundkompartiments zeigte einen signifikant niedrigeren H~imatokrit von 28,1% des systemischen H~matokrits (5,1-60,7%; p < 0,01).

Postoperative Komplikationen

In der Studiengrnppe wurden keine intra- und postopera- tiven Komplikationen festgestellt, bei keinem Patienten war aufgrund einer Nachblutung eine Revision erforder- lich. Jeweils 1 Patient der Redon-Gruppe sowie 1 Patient der Robinson-Gruppe zeigten postoperativ eine passagere Recurrensparese (Redon: Lasion rechts; Gewicht des Schilddrtisenresektats 98 g. Robinson: L~ision rechts; Ge- wicht des Schilddrtisenresektats 66 g). Die mittlere Dauer des station~iren Aufenthalts war in beiden Gruppen mit 5 Tagen (Redon: 3-6 Tage; Robinson 3-7 Tage) ver- gleichbar. Die Entfernung der Drainage aus dem Wundge- biet wurde von den Patienten der Robinson-Gruppe im Ge- gensatz zur Redon-Gruppe nahezu schmerzlos toleriert. Eine Graduierung mittels Schmerz-Score erfolgte nicht.

Abb. 3 a Sonographische Dar- stellung des Operationsgebiets unmittelbar postoperativ (Sono- line, 7,5 MHz, 30 F/s ohne Vor- laufstrecke). Paratracheal ist etwas Fltissigkeit zu erkennen. b 24 h postoperativ zeigt sich paratracheal ein ausgepr~gtes Resth~imatom

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Diskussion

Die Verwendung eines geschlossenen Saugdrainagesy- stems ist in der Schilddrasenchirurgie allgemein anerkannt [3, 11]. So setzen, einer Umfrage in Deutschland, Oster- reich und in der Schweiz zufolge, 98,2% der Chirurgen postoperativ eine Drainage ein. 97,6% der Operateure nut- zen eine Hochvakuumdrainage [24], wfihrend in anderen operativen Gebieten, wie z.B. der Traumatologie, zuneh- mend das System der soglosen Drainage nach Robinson Verwendung findet [4, 10, 12, 15, 23]. Ziel dieser Studie war es, eine Bewertung beider Drainagesysteme am Bei- spiel der Schilddrfisenchirurgie vorzunehmen. Die Schild- drfisenoperation erschien aufgrund eines standardisierten Operationsverfahrens, klarer anatomischer Begrenzungen und damit sonographisch guter Darstellbarkeit des Wund- gebiets, als ein ideales Modell zur vergleichenden Rest- h~imatombestimmung [2].

lm Vergleich zu anderen Autoren [17, 18, 20], die die H~imatomgr6Be klinisch beurteilen oder die Umfangsver- mehrung einer Extremitfit messen, sollte das Resth~imatom mit der vorgestellten sonographischen MeBmethode exakt quantifiziert werden. Die Hochvakuum-Redon-Drainage f6rderte in der vorliegenden Studie gr6gere Fltissigkeits- mengen als die Robinson-Drainage, lieg jedoch im Ver- gleich zum soglosen System gleich groge Resth~imatom- mengen zurfick. Die unterschiedliche F6rderleistung ist nicht mit der unterschiedlichen F.-Zahl der beiden Drai- nagetypen zu erkl~iren (Redon: 10 F.; Robinson: 8 F.), da sich der Innendurchmesser nur um 0,04 mm unterscheidet (Redon: 1,70 mm; Robinson: 1,66 mm).

Hinweise auf eine erh6hte F6rderleistung yon Vaku- umdrainagen wurden bereits in frfiheren Studien formu- liert [12]. So zeigten Murphy u. Scott in einer verglei- chenden Untersuchung in der Hfiftchirurgie (20 Patienten mit drainierter Wunde; 20 Patienten ohne Drainage), dab der Drainage-bedingte Sog zu einem erh6hten Blutverlust ohne gleichzeitige Reduktion des verbleibenden Wundhfi- matoms ffihrte. Obwohl die durchschnittliche F6rder- menge der Drainagen 397 ml betrug, ergab die Volumen- bestimmung des Resth~imatoms vergleichbare Werte (640 ml Gruppe mit Saugdrainage vs. 600 ml ohne Drai- nage). Die hohe Sekretmenge der Vakuumdrainagen, die die Resth~imatomgr6Be nicht beeinflugte, kOnnte durch ein direktes Ansaugen von Blut oder Lymphe aus kleinen Ge- f~gen erkl~irt werden. Mehrere Autoren zeigen, dab sog- bedingt Gewebeanteile in das Drainagelumen gesaugt wur- den [4, 10]. So konnten Kirschner et al. [10] in der Drai- nagenfltissigkeit nach Vakuumsaugung vitale Fettzellen nachweisen und Gerngrog u. Engler [4] zeigten raster- elektronenoptisch ganze Gewebezellverb~nde im Redon- Drainage-Lumen.

Die in der vorliegenden Arbeit beobachteten H~imato- kritwerte der Drainagefltissigkeit weisen in die gleiche Richtung. Die Redon-Drainagen-Flfissigkeit zeigte einen Blutzellgehalt, der nahezu der H~ilfte des systemischen H~- matokrits entsprach, w~ihrend das Sekret der passiv wir- kenden kontralateral eingebrachten Robinson-Drainage

mit 28,1% des systemischen Hfimatokrits einen signifikant geringeren Wert aufwies. Diese Beobachtung unterstfitzt die Vermutung, dab die Hochvakuumdrainage aufgrund ih- res hohen Unterdrucks von durchschnittlich 900 mmHg in der Lage ist, in den ersten postoperativen Stunden aus ad- h~irenten Gef~Ben Blut anzusaugen und mit der restlichen Drainagenflfissigkeit zu mischen.

Auffallend ist die im klinischen Alltag h6here Schmerz- haftigkeit des Enffernens eines Hochvakuumsaugsystems. Als Ursache wird das gewaltsame L6sen von angesaugten Gewebeanteilen angesehen [4, 6, 10]. So beschreiben schon fr~here Studien im Bereich der Extremit~tenchirur- gie anhand einer Schmerzskala eine signifikant geringere Schmerzintensit~it beim Enffernen sogloser Drainagen [4-6].

Zusammenfassend kann formuliert werden, dab die Ver- wendung eines geschlossenen Drainagesystems in der Schilddrfisenchirurgie in Deutschland, Osterreich und in der Schweiz die Regel ist. Der GroBteil der Chirurgen setzt zur Ableitung des postoperativen Sekrets die herk6mmli- che Hochvakuumdrainage ein. In anderen operativen Be- reichen stellten jfingere Untersuchungen jedoch dar, dab auch sorglose Systeme Weichteil- und Extremit~tenwun- den effizient drainieren k6nnen. Die vorliegende Studie zeigt, dab die soglose Schwerkraftdrainage die nicht kompressible Halsweichteilwunde nach einer Schild- drfisenoperation gut drainiert. So ist das Ausma8 des Rest- h~matoms mit dem H~matomvolumen nach Einsatz des herk6mmlich eingesetzten Hochvakuumsaugsystems ver- gleichbar. Bei der Entscheidung ffir ein bestimmtes Drainagesystem ist zu berficksichtigen, dab ein sorgloses, passiv arbeitendes Schwerkraftsystem nahezu schmerzlos entfernt werden kann.

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