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Industrie 4.0 und Qualifikation Fachwissen und Befähigung zur Reflexion Seite 8 Industrie 4.0 und Qualifikation 67. Jahrgang · Nr. 258 · April 2016 Die Österreichische Volkshochschule Magazin für Erwachsenenbildung Analyse der VHS-Statistik Berufliche Bildung an Volkshochschulen Seite 16 iche un Schwerpunkt Berufliche und berufsbezogene Bildung Citizenship oder Employability Kritik an der Kritik am Lebenslangen Lernen Seite 19 Fachwissen und Befähigung zur Reflexion Seite 8

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Industrie 4.0und QualifikationFachwissen und Befähigung zur Reflexion

Seite 8

Industrie 4.0und Qualifikation

67. Jahrgang · Nr. 258 · April 2016

Die ÖsterreichischeVolkshochschule Magazin für Erwachsenenbildung

Analyse derVHS-StatistikBerufliche Bildung an Volkshochschulen

Seite 16

Berufliche undberufsbezogene

Bildung

Schwerpunkt

Berufliche undberufsbezogene

Bildung

Citizenship oder EmployabilityKritik an der Kritik am Lebenslangen Lernen

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Fachwissen und Befähigung zur Reflexion

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Inhalt Editorial 1 Gerhard Bisovsky, Bildung zahlt sich aus

Medienpreise 2 Gerhard Bisovsky, Radiopreise der Erwachsenenbildung 4 Teresa Präauer, Eine Liebesgeschichte vom Radio und der Bildung 6 Gerhard Bisovsky, VÖV-Wissenschaftspreise vergeben

Schwerpunkt Berufliche und berufsbezogene Bildung 8 Peter Brödner, Industrie 4.0 und Qualifikation: Vorschau durch Rückschau. 11 Christoph Kunz, Next generation competencies for a digital world 13 Andrea Möchel, Digitalisierung als Chance für Frauen 15 John Kay, Die Vorteile einer umfassenden Allgemeinbildung verlieren nicht an Aktualität 16 Stefan Vater, Peter Zwielehner, Berufliche Bildung an Volkshochschulen 19 Julietta Adorno, Citizenship oder Employability? 22 Victor Mihalic, LifeManagement für jugendliche Flüchtlinge und MigrantInnen 25 Michaela Judy, ECVision: Professionalisierungs-impulse für Supervision und Coaching

Praktisches zum Schwerpunkt 28 Robert Schuler, Inhouse-Seminare der VHS Wiener Neustadt 29 Jennifer Davies, Berufsorientierte und berufsbezogene Bildung in der VHS Wien 31 Tanja Wesely, Grundausbildung zur Tagesbetreuerin in einer niederösterreichischen Kinderbetreuungseinrichtung 32 Walter Schuster, Wenn Grenzen verschwimmen und die Frage der Passung zu stellen ist. 36 Katja Fischer und Cäcilia Innreiter-Moser, Der Universitätslehrgang Management und Leadership für Frauen

Bildungsthemen aktuell 40 Elisabeth Feigl, SustAEnable Lifestyle and Language Learning 42 Karin Reisinger, Anerkennung von Kompetenzen

Geschichte 44 Thomas Dostal, Volksbildung als Beruf. 50 Wilhelm Filla, Arbeitszeitverkürzung als Faktor der Teilnahmesteigerung

Aus den Volkshochschulen 52 Volkshochschule Götzis als familienfreundlicher Betrieb 2016–2017 ausgezeichnet. 53 Christine Andel, Die VHS geht noch lange nicht in Pension! 60 Jahre Volkshochschule Korneuburg. 54 70 Jahre Volkshochschule Berndorf

Personalia 54 Dr. Heinz Fischer wird Präsident der Volkshochschulen! 55 Neue Geschäftsführung in der VHS Steiermark: Dr. Martin Bauer 55 Univ.-Prof. Dr. Rudolf Egger ist Konsulent für pädagogische Angelegenheiten 56 Peter Faulstich (1946 - 2016) 57 In Memoriam Leo Prüller 57 In Memoriam Dr. Martin Wiedemair

Rezensionen 58 Werner Lenz, Fareed Zakaria: In Defense of a Liberal Education. 59 Werner Lenz, Regina Haberfellner: Zur Digitalisierung der Arbeitswelt. 60 Werner Lenz, Jörg Dräger/Ralph Müller-Eiselt: Die digitale Bildungsrevolution. 61 Werner Lenz, Ernst Gesslbauer/Carin Dániel Ramirez-Schiller (Hrsg.): Die Rolle von Guidance in einer sich wandelnden Arbeitswelt. 62 Werner Lenz, Gerhard Niedermair (Hrsg.): Informelles Lernen.

AutorInnen 63 Für diese Ausgabe der Österreichischen Volkshochschule haben geschrieben 64 Impressum

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Editorial

gerhard bisovsky

Bildung zahlt sich aus

1 Bildung auf einen Blick 2015. OECD-Indikatoren. Überarbeitete Version, 27. Januar 2016. Online und kostenlos verfügbar: http://www.oecd-ilibrary.org/docserver/download/9615035e.pdf?expires=1462812721&id=id&accname=guest&checksum=3E200E66D832E22F403C83EF58BEC549[7.5.2016]

2 http://www.oecd.org/austria/Education-at-a-glance-2015-Austria-in-German.pdf [7.5.2016]

3 Hier zeigt sich ein weiteres brisantes gesellschaftliches Thema, nämlich die bestehende Ungleichheit bei den Einkommen von Frauen und Männern.

Die nächsten Ausgaben der ÖVH befassen sich mit folgenden Themen: Digitale Kompetenz und Erwachsenenbildung (Redaktionsschluss Mitte Juni 2016) und Flucht, Migration und Bildung (Redaktionsschluss An-fang November 2016).

DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2016 · NR. 258 — 1

Über die Wirkungen von Erwachsenenbildung wurde an dieser Stelle schon mehrfach geschrieben. Kursbesuch in Volkshochschulen wirkt sich auf den Einzelnen aus, auf die Wirtschaft und auf die Gesellschaft. Welche Effekte Er-wachsenenbildung in Volkshochschulen auf Einkommen und Beschäftigung haben, soll hier dargestellt werden.

Die zunehmende Automatisierung (Stichwort: Indus- trie 4.0) wird einfachere Tätigkeiten, die nur geringe Kompe-tenzen erfordern, in den Hintergrund drängen, wenngleich diese nicht völlig verschwinden werden. Die Bedeutung von wissenschaftlich fundiertem Wissen und wissenschaft-licher basierten Qualifikationen wird zunehmen und damit wird die Höherqualifizierung immer wichtiger.

Erwachsenenbildung in Volkshochschulen befördert die Höherqualifizierung. Neue und zusätzliche Kom-petenzen werden erworben, ebenso zusätzliche Quali-fikationen. Einen wichtigen Stellenwert nehmen dabei Angebote wie die Berufsreifeprüfung oder die Studien-berechtigungsprüfung ein, die den Zugang zur tertiären Bildung ermöglichen.

Mit steigendem Bildungsniveau und höheren Kom-petenzen nehmen die Beschäftigungsquote und auch das Einkommen zu. Die OECD-Studie „Bildung auf einen Blick 2015“1 zeigt diese Effekte. Je höher die Bildung, desto stärker sind sie: „Bei Erwachsenen mit einem Abschluss im Tertiärbereich ist die Wahrscheinlichkeit eines Mo-natseinkommens im Bereich der obersten 25 Prozent um 23 Prozentpunkte höher als bei Erwachsenen mit einem Abschluss im Sekundarbereich II bzw. postsekundaren, nicht tertiären Bereich als höchstem Bildungsabschluss.“ (Seite 32). Umgekehrt haben Menschen mit niedrigen Bildungsabschlüssen die höchsten Erwerbslosenquoten und die niedrigsten Gehälter im Laufe ihres Arbeitsle-bens. Der Abstand der Erträge zwischen Menschen mit geringen und hohen Qualifikationen vergrößert sich im Gefolge der sich schnell verändernden Arbeitsmärkte. Gesamtgesellschaftlich gesehen führt dies zur weiteren Verstärkung bestehender Ungleichheiten.

Der Aufstieg durch Bildung, die Aufwärtsmobilität, liegt in Österreich deutlich unter dem OECD-Durch-schnitt: „Nur 21% der jungen Erwachsenen haben in Ös-terreich einen höheren Abschluss erreicht als ihre Eltern. Dies ist einer der niedrigsten Werte der OECD-Länder (…). Die geringste Aufwärtsmobilität findet sich auf ter-tiärer Ebene, wo nur 11% (OECD-Mittelwert: 22%) der jungen Erwachsenen den höchsten Bildungsabschluss ihrer Eltern durch einen Hochschulabschluss übertreffen. (Seite 6)2

Ein höheres Kompetenzniveau wirkt sich auch auf die Weiterbildungsbeteiligung aus: Mehr als die Hälfte der Erwachsenen, die in Beschäftigung sind und über gute Kompetenzen in den Bereichen Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) und dem Prob-lemlösen verfügen, nehmen an arbeitgeberfinanzierter

Weiterbildung teil, während dies nur auf 9 Prozent der Erwachsenen ohne Computererfahrung zutrifft (Bildung auf einen Blick, Seite 33).

AUCH DER STAAT PROFITIERT VON INVESTITIONEN IN DIE ERWACHSENENBILDUNG

Ein höheres Bildungsniveau zahlt sich nicht nur für den Einzelnen aus, auch der Staat hat etwas davon. Aufgrund des in den meisten Fällen höheren Einkommensniveaus bei höherer Bildung kommt es zu mehr Steuereinnahmen und Sozialversicherungsbeiträgen, die staatlichen Trans-ferleistungen sind meist geringere. Die OECD-Studie rechnet mit einem staatlichen Nettoeertrag aus einer Bil-dungsinvestition im Tertiärbereich, die sich zwischen 1,5 Mal bei Frauen und von 2,5 Mal bei Männern bewegt.3

Der Staat investiert in die Erwachsenenbildung mit vergleichsweise geringen Summen, größere Beträge wer-den von den einzelnen TeilnehmerInnen an Kursen und Lehrgängen eingebracht. Aus der OECD-Studie können wir ersehen, dass die staatlichen Investitionen wieder mehrfach zurückkommen. Betrachten wir weiters die ge-samtgesellschaftlichen Auswirkungen von Erwachsenen-bildung (gute subjektive Gesundheit, ehrenamtliche Tä-tigkeit, zwischenmenschliches Vertrauen und politische Wirksamkeit – Einfluss darauf haben, was die Regierung macht), dann wird ersichtlich, dass jeder in die Erwach-senenbildung investierte Euro wieder mehrfach zurück-kommt. Öffentliche Investitionen in die Erwachsenenbil-dung zahlen sich daher aus!

//Im Schwerpunkt dieser Ausgabe der ÖVH (Die Ös-

terreichische Volkshochschule) befassen wir uns mit be-ruflicher Bildung und berufsorientierter Bildung an und durch Volkshochschulen. Mit einigen Beispielen aus der Praxis zeigen wir, dass es sich hier um einen wichtigen Angebotsbereich der Volkshochschulen handelt. Wie berufsrelevant die Angebote der Volkshochschulen sind, wird in einer Analyse der Statistik der österreichischen Volkshochschulen herausgearbeitet. Das Ergebnis ist beeindruckend: Rund zwei Drittel der jährlich durchge-führten Kurse sind relevant für Beschäftigungsfähigkeit und Beruf. In einigen Beiträgen setzen wir uns mit den zukünftigen Entwicklungen in der Wirtschaft und in der Arbeitswelt auseinander, schließlich wird die Bedeu-tung von Allgemeinbildung für die Beschäftigungsfähig-keit herausgestrichen.

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Medienpreise

Radiopreise der ErwachsenenbildungVerleihung der 18. Radiopreise am 20. Jänner 2016 im Radiokulturhaus in Wien

Radiopreis der Erwachsenenbildung

Gerhard Bisovsky

2 — DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2016 · NR. 258

Für die Preisvergabe wurden 85 Produktionen von 15 Sendern eingereicht. Die Nominierungsjury hat da-raus 26 Sendungen zur Auswahl für die Preisvergabe vorgeschlagen. Bernd Matschedolnig von Radio Wien präsentierte die nominierten Sendungen, die Radio-preise der Erwachsenenbildung wurden von der ARGE Bildungshäuser, vom Büchereiverband Österreich, vom Verband Österreichischer Volkshochschulen und vom Wirtschaftsförderungsinstitut vergeben.

REDE ZUM PREIS VON TERESA PRÄAUERTeresa Präauer, Jahrgang 1979, lebt in Wien. Sie ist

Schriftstellerin und bildende Künstlerin. In Berlin, Salz-burg und Wien hat sie Deutsche Philologie und Malerei studiert.

Für ihren ersten Roman „Für den Herrscher aus Über-see“ erhielt sie 2012 den aspekte-Literaturpreis, der vom ZDF für das beste deutschsprachige Prosadebüt verge-ben wird. Der Roman erschien zwei Jahre darauf auch als Taschenbuch im Fischer Verlag. 2014 erhielt sie das Stipendium „Esslinger Bahnwärter“, das von der Stadt Essling für Literatur und Bildende Kunst vergeben wird.

Ausgezeichnet wurde Präauer weiters mit dem Li-teraturförderpreis der Stadt Meersburg 2015 und mit dem Förderpreis zum Friedrich-Hölderlin-Preis 2015. Ihr Roman „Johnny und Jean“ wurde 2015 für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert. Zudem war Teresa Präauer 2015 bei den „Tagen der deutschsprachigen Lite-ratur“ für den Ingeborg-Bachmann-Preis nominiert.

Ihre bildnerischen Werke hat Präauer unter anderem in Hamburg, in Düsseldorf, Dresden sowie in Wien, in Salzburg und im Kubin-Haus im oberösterreichischen Zwickledt ausgestellt.

Präauer sieht „zwei ganz ähnliche Denkweisen“ in ihren literarischen und bildnerischen Arbeiten. In ihrer ersten Publikation „Taubenbriefe von Stummen an ande-rer Vögel Küken“, die 2009 erschienen ist, kombiniert sie Zeichnungen mit poetischen Kurztexten. Sie illustrierte das Kinderbuch „Die Gans im Gegenteil“ von Wolf Haas und zeichnete auch für das Musikmagazin „Rolling Stone“.

SPARTE „KULTUR“In der Sparte Kultur wurde der Radiopreis für die Sen-dung „Intrada Exkurs: Musik – Markt – Medien“ (Ö 1) an Dr.in Irene Suchy und Univ. Doz. Dr. Hans-Georg Nicklaus vergeben. Der Preis wurde vom Vorsitzenden

des Büchereiverbandes Österreich, Mag. Markus Feigl, überreicht. Irene Suchy studierte Musikwissenschaft und Germa-nistik, Musikpädagogik und Instrumentalmusikpäda-gogik in Wien und Tokyo. Die Ö1-Musikredakteurin ist auch Lehrbeauftragte an der Karl-Franzens-Universität Graz, Ausstellungsmacherin, Moderatorin, Drama-turgin und Literatin. Sie hat zahlreiche Publikationen zur neueren Musikgeschichte verfasst, zur Musikexil-geschichte während des Faschismus, zu feministischer Musikologie sowie zur Zeitgeschichte. Zuletzt erschien im Verlag „Bibliothek der Provinz“ der von ihr heraus-gegebene Band „Schmäh als ästhetische Strategie der Wiener Avantgarde“. In mehr als 25 Jahren Radioarbeit für den ORF hat Irene Suchy etwa 600 Pasticcio-Sen-dungen, einige Dutzend Leporello-Beiträge, mehrere Wissenschaftssendungen in der Reihe „Dimensionen“, politische Sendungen wie Journal- Panorama oder Eu-ropa- Journal, an die 100 Zeit-Ton-Sendungen moderiert und gestaltet und gemeinsam mit Hans Georg Nicklaus über 50 Sendungen „Intrada – Exkurs“ produziert. Irene Suchy wurde 2010 mit dem Goldenen Ehrenzeichen der Republik Österreich ausgezeichnet, 2011 mit Bank Aus-tria Kunstpreis Kulturjournalismus und 2013 mit dem Karl-Renner- Preis.Hans Georg Nicklaus ist in Düsseldorf aufgewachsen. Er erwarb sich eine umfassende Musikausbildung ab dem sechsten Lebensjahr: Flöte, Violine, Gitarre, Klavier so-wie Musiktheorie. In Düsseldorf und Wien studierte er das Konzertfach Violine und in beiden Städten betrieb er weitere Studien in Philosophie, Germanistik und Mu-sikwissenschaft. 1988 schließt er das Studium der Philo-sophie als Magister ab, ein Jahr darauf folgt der künstleri-sche Abschluss im Konzertfach Violine. 1993 promoviert er an der Universität Wien und 2002 habilitiert er sich an der Berliner Humboldt-Universität zum Thema: „Stim-me und Gesang im Kontext von Politik und Pädagogik in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts“. Nicklaus hält Lehraufträge an mehreren Universitäten und ist Dozent an der Anton-Bruckner-Privatuniversität Linz für Mu-sikgeschichte, Kulturgeschichte, Musikvermittlung. Seit 1993 gestaltet und moderiert Nicklaus mehrere Musik-sendungen im Programm von Ö1, u.a.: „Pasticcio“, „Ap-ropos Musik“ und Musikfeatures. 2014 wurde er für seine Interaktion „WAGner DICH“ im Richard-Wagner-Jahr mit dem Radiopreis der Erwachsenenbildung für die bes-te „interaktive und experimentelle Produktion“ ausge-zeichnet und auch für den „Prix Europa“ in der Kategorie „Radio Music“ nominiert.

SPARTE „INFORMATION“In der Sparte Information ging der Radiopreis der Er-wachsenenbildung an Ernst Weber für die Gestaltung der von Ö1 ausgestrahlten Sendung „Intersex: Ein Leben zwischen den Geschlechtern“. VÖV-Vorstands-vorsitzender Stadtrat Dr. Michael Ludwig überreichte den Preis. Ernst Webers journalistische Tätigkeit begann 1992. Seine erste Sendung für Ö1 war das Hörbild „Zucker aus Hohenau: süß – sauer“. Es folgten weitere Hörbil-

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DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2016 · NR. 258 — 3

Medienpreise

der für die Feature Redaktion, dann Beiträge für das Radiokolleg, das Salzburger Nachtstudio und für die Kulturredaktion des Landesstudios Salzburg. Seit 2000 ist Ernst Weber ständiger freier Mitarbeiter bei „Mo-ment – Leben heute“ mit vielen sozialkritischen Beiträ-gen, Alltagsgeschichten und kulinarischen Sendungen, ein Großteil davon aus Salzburg und Umgebung. Seine Passion für Reisen führte zu Sendungen für das Journal- Panorama und mündete schließlich im Reisemagazin „Ambiente“. Als Mitglied des Ambiente-Teams gestal-tete er zahlreiche Sendungen aus Österreich, Europa, Mexiko und Südostasien.

Der Pädagoge Ernst Weber, er ist Lehrer an der Neu-en Mittelschule „Campus Mirabell“ in Salzburg, leitet Radio-Workshops für die Lehrer-Fortbildung an Päd-agogischen Hochschulen. Er initiierte „Radioigel“, das Schülerradio Studio an seiner Schule. Weber erhielt mehrere Auszeichnungen für sein Radioschaffen: 2010 den Journalistenpreis des Hilfswerks für das Hörbild „Mauser 7,65. Vaters Pistole“ und im Jahr 2013 den „Dr. Karl Renner-Publizistikpreis“ für das Hörbild „Allahu Akhbar in Klagenfurt“. Für die heute ausgezeichnete Sendung erhielt er 2015 den Anerkennungspreis beim „Prälat- Leopold- Ungar- JournalistInnenpreis“.

SPARTE „BILDUNG/WISSENSCHAFT“Der nach dem ehemaligen ORF-Kurator benannte Eduard-Ploier-Preis in der Sparte Bildung/Wissenschaft wurde vom Vorstandsvorsitzenden der Arbeitsgemein-schaft der Bildungshäuser, Mag. Günther Lengauer, an Ina Zwerger für die Gestaltung der Ö1-Sendung „Wenn Erwachsene lesen und schreiben lernen. Bildungsbe-nachteiligung in Österreich“ verliehen.Ina Zwerger ist seit 1988 für den ORF tätig. Sie startete in der Lehrredaktion „U8“, dem Wiener Studentenmagazin von Radio Wien. Ab 1990 war sie für Ö1 tätig und gestal-

tete Features, Reportagen und Dokumentationen. In den 1990er-Jahren war sie Mitgründerin der Multimedia-Fir-ma CultureCodes und an der Realisierung diverser CD-ROM- und Internet-Projekte beteiligt. Von 2000 bis 2007 war sie Producerin der Ö1-Sendereihe „matrix – compu-ter & neue medien“. Sie ist Mitinitiatorin und Kuratorin von Symposien wie „Goodbye Privacy“ für die Ars Elec-tronica, „Creative Cities“ im Radiokulturhaus, „Lernen in der Netzwerkgesellschaft“ für das Bildungsministe-rium oder „Landkarte einer neuen Zivilgesellschaft“ im Radiokulturhaus. Seit 2007 ist Ina Zwerger Leiterin der Ö1-Redaktion „Radiokolleg“ und der „Ö1 Kinderuni“. Sie hat Formate wie „Radiokolleg zum Mitreden“ oder die „Open Innovation“-Schwerpunkte „Orte in Bewegung“ und den „Ö1 Hörsaal“ mitentwickelt. Den Radiopreis der Erwachsenenbildung hat sie schon drei Mal für die Re-daktionsleitung des „Radiokolleg“ verliehen bekommen: 2008, 2010 und 2013.

SPARTE „INTERAKTIVE UND EXPERIMENTELLE PRODUKTION“Der Radiopreis der Erwachsenenbildung ging in der Sparte „Interaktive und experimentelle Produktion“ an Evelyn Ritt, stellvertretend für zahlreiche RedakteurIn-nen aus Zambia und aus dem Salzkammergut. Den Preis erhielt sie für die in „Freies Radio Salzkammergut“ aus-gestrahlte Sendung „Extended Teamwork On Air“ aus der Sendereihe „Radio Mwabonwa“. Überreicht wurde der Preis von Mag. Markus Feigl vom Büchereiverband.Evelyn Ritt gehört zum Kernteam von Radio Freies Salz-kammergut. Sie ist seit zehn Jahren zuständig für die Programmkoordination, die Ausbildung der Radioma-cherInnen und für das Sounddesign.

Vor der Radioarbeit gab es bei ihr eine ausgiebige Reisezeit, eine Lehre als Einzelhandelskauffrau und ei-nen Abstecher an die Bildhauerei der HTBLA Hallstatt

Gruppenbild der Preisträger/innenFoto: ORF/Pichlkostner

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4 — DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2016 · NR. 258

Eine Liebesgeschichte vom Radio und der BildungRede zum Radiopreis der Erwachsenenbildung, gehalten am 20. Jänner 2016

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Auszuzeichnen-de und Preiswürdige, liebe Jurymitglieder!

Um nachvollziehen zu können, wie die Bildung zum Ra-dio kam oder das Radio zur Bildung, müssen wir in der Geschichte etwas zurückgehen. Lassen Sie mich, da wir doch etwa zehn Minuten Zeit für diese akustische Unter-nehmung einer Rede haben, weiter ausholen, und seien Sie versichert: Ich bin eine gebildete Autorin, ein Poeta doctus, vertrauen Sie also meinem Wissen und meiner Recherche!

Denn: ich liebe Radiohören. Und auch die Geschichte der Erwachsenenbildung

im Radio ist so etwas wie eine Liebesgeschichte.

Und jetzt schließen Sie die Augen, um besser hören zu können, und stellen Sie sich Folgendes ganz genau vor: Bevor es das Radio gegeben hat, das war also vor dem Jahre 1920, da haben sich ein schneidiges Velo, viel-leicht ein »Excelsior Kavalierrad« aus den 1910er-Jahren,

Von Teresa Präauer

Teresa PräauerFoto: ORF/Pichlkostner

Medienpreise

sowie jede Menge Jobs von Reitlehrerin bis Forstarbei-terin, Glasdreherin bis Kellnerin. Die Mutter eines Soh-nes ist begeisterte Hobbygärtnerin, Kleinstlandwirtin und Musikerin. Ihre Lieder sind einfache Reflexionen des Alltags. An die Radioarbeit hat sie sich zuerst als eh-renamtliche Sendungsmacherin herangetastet und dann Aus- und Weiterbildungsangebote am Journalisten Kol-leg in Salzburg und von Commit sowie den Freien Ra-dios besucht.

SPARTE „SENDEREIHEN UND THEMENSCHWERPUNKTE“Der Radiopreis der Erwachsenenbildung in der Sparte Sendereihen und Themenschwerpunkte ging an Help – Das Konsumentenmagazin. Überreicht wurde der Preis von Mag.a Monika Elšik vom Wirtschaftsförderungsin-stitut Österreich an Rainer Rosenberg und Kristina Sin-ger, die den Preis für den erkrankten Redaktionsleiter Matthias Däuble, MA, entgegengenommen haben. Die „help“-Redaktion war die erste Konsumentenre-daktion des ORF. Seit 40 Jahren berichtet help zu Konsu-mentenschutz und Verbraucherbildung. Zu klassischen Themen wie Produkttests und juristischen Angelegen-heiten sind Aspekte der Nachhaltigkeit, der Konsum-kritik und des Datenschutzes gekommen. Die Service-redaktion steht in direktem Kontakt mit dem Publikum, jede Woche erreichen die Redaktion zahlreiche Anfragen zu Verbraucherthemen. Viele Themenbereiche wie Strei-tigkeiten mit Banken und Versicherungen oder Proble-me mit Hausverwaltungen und Vermietern sind auch nach vier Jahrzehnten ungebrochen aktuell. Hinzuge-kommen sind die Themen der vernetzten Welt. Wie lan-ge das neue Smartphone hält, ist inzwischen genauso re-levant, wie die Menge und die Art der Daten, die es über seine Besitzerinnen und Besitzer sammelt. Der Online-Handel hat Fragen der Garantie und Gewährleistung zu einem europäischen Problem werden lassen und Klima-schutz ist längst eine Konsumentenangelegenheit.

KURZSENDUNGENDer Radiopreis der Erwachsenenbildung in der Sparte Kurzsendungen wurde an Mag.a Natalie Brunner, Mahdi Rahimi, Stefan Trischler und Ole Weinreich für die Ge-staltung von „HipHop-Lesekreis“ auf FM 4 vergeben und vom VÖV-Vorstandsvorsitzenden Michael Ludwig überreicht. Natalie Brunner aus Klagenfurt ist seit 1995 bei FM 4 tätig. Sie studierte Philosophie und Soziologie. Lebens- und Studienaufenthalte führten sie nach Los Angeles und Rio de Janeiro. Mahdi Rahimi aus Wien, hat auch hier Mathematik studiert und ist seit mehreren Jahren bei FM 4 tätig. Stefan Trischler, ebenfalls in Wien gebo-ren, ist seit 1998 bei Radio FM4 für HipHop und Artver-wandtes einer der Zuständigen. Daneben ist er auch mit eigenen musikalischen Produktionen und als DJ tätig. 2015 war er gemeinsam mit Electric Indigo der Kurator des Popfest Wien. Ole Weinreich kommt aus Wuppertal, Westdeutschland und sagt über sich, dass es sich manch-mal so anfühle, als ob Atlanta ihn adoptiert hätte. //

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DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2016 · NR. 258 — 5

und ein fescher, doch recht ich-bezogener Italiener in-einander verliebt. – Nach dem ersten schmeichelnden Werben um das Rad hat der Italiener aber bald wieder nur noch sich selbst im Kopf gehabt. Sobald er das Rad besessen hat, seinen ledernen Sattel, seine »ziselierten Lenkstangen, seine vernickelten Blümchen und Orna-mente auf dem Rahmen«, kurz: sobald er es besessen hat, hieß es aus dem Munde des Italieners nur noch: Ich, ich, ich. Io, io, io. Das war dem Rad für eine dauerhafte Beziehung freilich zu wenig, aber da ist es schon zu spät gewesen, denn das Rad und der Io haben, nach einem in-nigen Ritt, das Radio geboren. 1920 war das, tri-hul-je, holla-ra-dio!

Das Radio selbst hat sich gut entwickelt, trotz oder gera-de wegen seines ungleichen Elternpaares. Und das Ra-dio hat, dem Vorbild seines Vaters eben nicht folgend, doch immer allen gehört, statt nur sich selbst. Es wurde ein »demokratisches Instrument« genannt – tja, nicht durchgängig, wir vom Radio historisch gebildeten Auto-rinnen wissen, es hatte sich einen ausführlichen Ausflug in die Propaganda genehmigt –, sagen wir: das Radio hat den Anspruch, ein »demokratisches Instrument« zu sein und soll es auch bleiben: per tutti, certamente! Und am besten ist dieses Radio, auch ganz gegen das Vorbild sei-nes hallodrihaften Vaters: frei von Werbung. –

Seit wenigen Jahren nun, wir befinden uns wieder im ak-tuellen Jahr 2016, gibt es das junge Kind namens Radio auch als Webstream. Das heißt, wir können Radio hö-ren, uns dabei bilden, und gleichzeitig Fahrrad fahren, was die nach wie vor flotte Mutter des Radios natürlich freut. »Mens sana, in corpore sano«, sagt sie dann zu ih-rem Kind, dem Radio. Falls wir jetzt, bloß einmal ange-nommen, eine vom Radiohören gebildete Autorin sind, dann haben wir auch gelernt, dass dieses Zitat vom »ge-sunden Geist in einem gesunden Körper« eines ist, das stets bloß verkürzt wiedergegeben wird, und ursprüng-lich aus einer Satire auf die Sporttreibenden stammt. Und wir wissen: Eine Satire ist keine Didaxe und auch kein Aphorismus. –

Zurück zu den Liebenden. Es hat sich noch ein Paar ge-funden, wie es halt so ist im Leben der Dinge. Da war einmal das Bild, das war natürlich sehr alt. Sehr, sehr alt. Viel älter als ein Fahrrad und älter als ein Italiener. (Was nicht heißt, dass sich nicht ausgerechnet bei den Italienern die schönsten Bilder finden lassen!). Weil das Bild so alt, so althochdeutsch, so allumfassend und über den Dingen stehend ist … – nein, hier muss ich einhaken: Es gibt viel an Bildtheorie, aber eine recht verbreitete These besagt doch, dass das Bild »in Bezug zum …« Ding steht. Man nennt das, ganz liebestoll: »Abbildrelation«. Das Bild steht also viel eher neben den Dingen als über den Dingen. Dennoch war dem Bild keines unter den Dingen gut genug, und lange hat das Bild, beinah wie der Italiener, sich selbst genügt. »Ceci n’est pas un amant!«, hat es abwehrend gerufen, sobald sich ihm ein potenzieller Liebhaber andienen hat wollen. »Du bist nichts als ein Amateur!«, hat das

Bild den Dingen ganz arrogant zugerufen und dabei weiter an seiner Pfeife geraucht.

Ja, jetzt fragen Sie sich, wie hat es das Bild endlich doch noch zu einem Gefährten gebracht? War es ein »nor-wegischer Bildhauer« namens Per Ung? Nein!, der war doch viel zu j-ung für unser Bild. War es die »ungarische Bezeichnung des transkarpatischen Flusses Usch«, näm-lich Ung, der unser Bild ganz wuschig gemacht hat? Un-garisch Ung, was, wie wir als vom Radio gebildete Au-torinnen wissen, vom altslawischen Wort »už« kommt und angeblich Schlange bedeutet? Ist dieses Ung also eine Schlange, die sich unser Bild gekrallt hat, wie Adam und Eva den roten Apfel? Neiiin. Unser Bild ist ja bil-dhistorisch gebildet und hat bereits gewusst, was nach so einem Biss in den Apfel zu erwarten wäre. (Vom Über-setzungsfehler, der aus einer Feige einen Apfel gemacht hat, einmal ganz abgesehen.)

Nein, das Bild hat sich tatsächlich von einem be-scheidenen Suffix rumkriegen lassen, das sich parasitär angedockt hat an unser Bild. Und so, ich erspare ihnen die Details der befruchtenden Liebesnacht, ist aus den beiden zusammen die Bildung entstanden.

Wie gesagt, trauen Sie meiner Recherche!

Nun. Wie haben also Bildung und Radio, diese Kinder ungleicher Eltern, schließlich zueinander gefunden?

Das Radio ist, seinem Anspruch nach, »demokra-tisch«: es weist niemandem ab. Und es hat sich freilich mit allen möglichen Liebesdienern eingelassen. Ein paar Idioten für eine schnelle Sache sind auch darunter. Doch seine Freundschaft und Zuneigung gehört der Bildung, und mit ihr hat es das schönste Kind gezeugt, und dieses bekommt heute einen Preis verliehen: den »Radiopreis der Erwachsenenbildung«. (Die Bildung selbst ist üb-rigens auch kein Kind von Traurigkeit: Sie hat sich, wie auch das Radio, mit dem lustigen Internet eingelassen und dient so faulen, halbgebildeten Autorinnen als Re-chercheinstrument betreffend »norwegische Bildhauer« und »transkarpatische Flussnamen«.)

Sagte ich, die Bindung der Bildung an das Radio, und umgekehrt, sei beständig?

Ja, beständig, solange es uns Hörerinnen und Hörer gibt, euch Radiomacherinnen und Radiomacher, ein paar finanzpolitische Wurschtlerinnen und Wurschtler, die Mut haben, Liebe und Lust, ihren »Verstand zu ge-brauchen«.

Sollten nun Sie, liebe Anwesende, das eine oder andere faktische Detail meiner Rede anzweifeln und gleichzeitig wenig Sinn für die literarische Kunst des Ka-lauers besitzen, so hören Sie sich doch lieber ein geschei-tes Radioprogramm an!

Und sollte ich – ich, ich, ich! – mich jemals so fort-pflanzen wie die Liebespaare aus dieser Geschichte, und mein Kind würde mich später einmal fragen: »Mutter, warum hast du so große Ohren?« Dann würde ich ant-worten: »Damit ich besser Radiohören kann!« //

Vielen Dank!

Medienpreise

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6 — DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2016 · NR. 258

VÖV-Wissenschaftspreise vergebenIm „Blauen Salon“ des Bildungsministeriums wurden am 29. März 2016 zum 15. Mal der Ludo-Hartmann-Preis und der Ludo-Hartmann-Förderungspreis sowie erstmals der Barbara-Prammer-Preis vergeben. Bundesministerin Gabriele Heinisch-Hosek und VÖV-Vorstandsvorsitzender Stadtrat Dr. Michael Ludwig überreichten die Preise im Beisein des Kärntner Landeshauptmannes Dr. Peter Kaiser.

Medienpreise

Für die Wissenschaftspreise wurden im vergangenen Jahr 16 Arbeiten eingereicht. Die Preisvergabe hat eine qua-lifizierte und breit zusammen gesetzte Jury vorgenom-men: Dr. Hans Angerer, Vorsitzender der Volkshoch-schule Krems und Mitglied im Pädagogischen Ausschuss des österreichischen Verbandes, Mag.a Beate Gfrerer, Pädagogische Referentin des Verbandes Österreichischer Volkshochschulen und Geschäftsführerin der VHS Kärn-ten, Univ.-Prof.in Dr.in Elke Gruber als Vertreterin der universitären Erwachsenenbildungswissenschaft, Mag. Günter Kotrba, Finanzreferent des VÖV und Direktor der Volkshochschule Salzburg sowie Mag.a Gertraud Diendorfer, Leiterin des Demokratiezentrum Wien.

HARTMANN-FÖRDERUNGSPREIS FÜR „STADTREISEBUCH WIEN“

Mit dem Ludo-Hartmann-Förderungspreis wurde das „Stadtreisebuch Wien – Deutsch lernen bei Exkursio-nen“ ausgezeichnet, das als Produkt eines „Innovativen Kleinprojekts“ der Wiener Volkshochschulen entstanden ist. Der Preis erging an Mag.a Melanie Steindl und Mag.a

Ulrike Zimmermann.Melanie Steindl, unterrichtet seit 1997 Deutsch als

Zweitsprache, seit 2002 an der VHS Wien, dort neben anderem auch in „Mama lernt Deutsch“-Kursen. Sie ist in der LehrerInnen-Fortbildung im Bereich Deutsch als Zweitsprache an mehreren Pädagogischen Hochschulen tätig und derzeit auch wissenschaftliche Mitarbeiterin im FWF-Projekt „Professionelles Schreiben in mehreren Sprachen“ am Institut für Translationswissenschaften an der Universität Wien. Melanie Steindl verbindet ihre leh-rende und beratende Arbeit in der Erwachsenenbildung sehr gut mit wissenschaftlicher Tätigkeit – ganz im Sinne einer „forschenden Praktikerin“.

Die Biologin und ehemalige Umweltberaterin Ulrike Zimmermann ist seit 2004, nachdem sie mehrere Ausbil-

dungen für SprachkursleiterInnen absolviert hat, bei den Wiener Volkshochschulen als Lehrende für Deutsch als Zweitsprache tätig. Sie hatte die Projektleitung zu „Mama lernt Deutsch“ an der Wiener VHS Meidling über und ist dort seit 2007 auch Programm-Managerin. Zimmer-mann entwickelte das europaweit viel beachtete Projekt „Deutsch im Park“, durch das sehr niederschwellig Perso-nen mit Migrationshintergrund angesprochen werden, die meist noch keinen Kontakt zur Erwachsenenbildung hatten. Ein Lesebuch für SprachtrainerInnen, das sie ge-meinsam mit einer Kollegin im Jahre 2013 herausgegeben hat, befasst sich mit Werten im Sprachunterricht – ein Er-gebnis eines europäischen Projektes.

LUDO-HARTMANN-PREIS: DOKUMENTARFILM „AUF DER ANDEREN SEITE DES TISCHES“

Mag.a Klaudija Sabo und Ao. Univ.-Prof.in Dr.in An-nette Sprung erhielten den Hartmann-Preis für Ihren Dokumentarfilm „Auf der anderen Seite des Tisches. Angehörige der zweiten Generation von MigrantInnen als Fachkräfte in der Erwachsenenbildung“.

Der 29minütige Film befasst sich mit den unterschied-lichen Wegen in die Erwachsenenbildung, mit der Mig-rationserfahrung als biographischer Ressource, mit dem Berufsfeld Erwachsenenbildung und mit den Diversi-tätsstrategien, die beispielsweise in der VHS umgesetzt werden. Er wurde im Rahmen des Forschungsprojektes „mig2EB“ erstellt.

Die Kulturwissenschafterin und Historikerin Klaudija Sabo leitet und moderiert seit 2008 Bildungsveranstal-tungen, überwiegend in den Bereichen Geschichte und Film bzw. Visual Culture. Weiters organisiert, kuratiert und moderiert sie Filmreihen, Dokumentarfilme und Spielfilme. Im Rahmen ihrer Tätigkeit in der Medien-didaktik der Politischen Bildung des Fachdidaktikzen-trums Geschichte befasst sie sich mit der Erstellung von

Gerhard Bisovsky

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Medienpreise

Gruppenbild der Preisträger/innenFoto: BKA/Andy Wenzel

Bildungsmaterialien und insbesondere mit der Handha-bung von visuellen Quellen. Sabo ist in der LehrerInnen-Fortbildung tätig. Sie war Mitglied der Forschungswerk-statt „mig2eb“ für Angehörige der zweiten Generation von MigrantInnen als Fachkräfte in der Erwachsenenbildung.

Die an der Universität Graz tätige Professorin Annette Sprung absolvierte ihr Pädagogik-Studium berufsbeglei-tend zu ihrer Tätigkeit als Sozialarbeiterin. Nach dem Ab-schluss des Diplomstudiums folgte das Doktoratsstudium und 2011 habilitierte sie sich für das Fach Erwachsenenbil-dung. Seit Beginn der 1990er-Jahre organisiert, leitet und moderiert Annette Sprung zahlreiche Bildungsveran-staltungen, hauptsächlich im Bereich Migration und In-terkulturalität. Sie war und ist in zahlreichen nationalen und internationalen Projekten in enger Kooperation mit AkteurInnen der österreichischen Erwachsenenbildung tätig und bekleidet Funktionen in Gremien der Erwach-senenbildung, wie etwa in der Weiterbildungsakademie Österreich (wba) oder in EPALE, der elektronischen Platt-form für Erwachsenenbildung in Europa. Weiters ist sie Mitglied des „Network on Migration, Transnationalism and Racisms“ der European Society for Research on the Education of Adults (ESREA). Sprung ist Autorin zahl-reicher Publikationen, so auch in der Zeitschrift „Die Ös-terreichische Volkshochschule“ und sie war – wie Klaudija Sabo – Mitglied der Forschungswerkstatt mig2eb.

BARBARA-PRAMMER-PREISIn memoriam der Nationalratspräsidentin und Prä-

sidentin des Verbandes Österreichischer Volkshoch-schulen, Mag.a Barbara Prammer, wird dieser Preis für Arbeiten und Projekte im Bereich der bürgerschaftlichen Bildung vergeben.

Mag. Heinz Stefan Pichler und Mag. Martin Klemenjak erhielten den Preis für ihr Kooperationsprojekt: „Kärnt-ner Gespräche zur demokratiepolitischen Bildung“.

Der Bildungsexperte der Kammer für Arbeiter und An-gestellte Kärnten, Heinz Stefan Pichler, studierte berufs-begleitend Pädagogik mit dem Schwerpunkt Erwachse-nenbildung an der Universität Klagenfurt. Er ist seit 1996 in der Kärntner Arbeiterkammer tätig. Seine Arbeits-schwerpunkte sind die Planung und Durchführung von Projekten in Schulen, Vortragstätigkeiten zu bildungs-politischen Fachthemen, die Aus- und Weiterbildung von BetriebsrätInnen, die Planung und Abwicklung der AK-Bildungsförderungen sowie die Abhaltung von Se-minaren und Fachtagungen. Pichler wurde für seine Pro-jekte mit dem Anton-Benya-Preis ausgezeichnet. Pichler ist Vortragender an den Kärntner Gewerkschaftsschulen, der Fachhochschule Kärnten und an der Universität Kla-genfurt. Weiters ist er bei Radio Agora und im sozial-ökonomischen Beschäftigungsprojekt „Soziale Betriebe Kärnten“ tätig. Pichler ist zudem Gründungsmitglied und Obmann des Kärntner Netzwerkes gegen Armut und so-ziale Ausgrenzung.

Martin Klemenjak ist Professor für Soziale Arbeit an der Fachhochschule Kärnten mit dem Schwerpunkt Er-wachsenenalter und Erwerbsleben. Er studierte Pädago-gik mit Schwerpunkt Erwachsenenbildung an der Uni-versität Klagenfurt. Klemenjak ist Lehrlingsausbildner und Lehrlingscoach und war zehn Jahre in der Gemein-deverwaltung in Kärnten tätig und dort für Organisa-tions- und Personalentwicklung sowie Projektmanage-ment und Lehrlingsausbildung zuständig. 2005 bis 2013 leitete er den „Interkommunalen Ausbildungsverbund des Kärntner Gemeindelehrlingsnetzwerks“. Klemenjak ist Autor zahlreicher Publikationen, unter anderem auch von mehreren Beiträgen in der Zeitschrift „Die Österrei-chische Volkshochschule“. Die Arbeits- und Forschungs-schwerpunkte von Klemenjak sind: Lehrlingsausbildung, Erwachsenenbildung, Berufsbildung, Politische Bildung sowie Kommunal- und Regionalentwicklung. //

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Industrie 4.0 und Qualifikation: Vorschau durch RückschauUnter dem Namen Industrie 4.0 rollt eine neue Welle technologischen Überschwangs über unsere Köpfe hinweg – diesmal in Gestalt vernetzter „cyberphysischer“ oder „Multi-Agenten-Systeme“ (MAS) –, die als Treiber einer umwälzenden Entwicklung angesehen werden. Seit Beginn der Digitalisierung in den späten 1940er-Jahren ist es nun schon die dritte Welle. Bislang folgten darauf lange Phasen der Ernüchterung und Suche nach produktiver praktischer Verwendung technischer Angebote. Dieses – mit einer Wellenlänge von zirka 30 Jahren – wiederkehrende Muster wirft Fragen zum Zusammenspiel von Technik, Organisation und Arbeitsvermögen und den Folgen für Arbeit und Qualifikation auf. Darauf wird im Beitrag nach Antworten gesucht.

Schwerpunkt

MYTHEN DER DIGITALISIERUNGMit der plakativen Benennung „Industrie 4.0“ soll ein

qualitativer Sprung in der industriellen Entwicklung im Vergleich zu vorangegangenen Veränderungen markiert werden. So vollziehe Industrie 4.0 mit dem Einsatz stark vernetzter „cyber-physischer Systeme“ im Unterschied zur computerunterstützten Automatisierung der Pro-duktion der dritten Stufe bereits die „vierte industrielle Revolution“. Die dritte wiederum unterscheide sich von der durch Massenfertigung und elektrische Einzelantrie-be an Fertigungsanlagen gekennzeichneten zweiten wie auch von der durch Mechanisierung und Dampfantrieb charakterisierten ersten industriellen Revolution. (Vgl. Kagermann, Wahlster & Helbig: 2013).

Derartige technikzentrierte Phaseneinteilungen ge-sellschaftlicher Entwicklung sind eher irreführend als erhellend, da sie mindestens ebenso bedeutsame soziale, organisationale und institutionelle Aspekte ausblenden, wie etwa:• die horizontale Arbeitsteilung in spezialisierte Ver-

richtungen, • die vertikale Trennung von Planung und Ausführung

zwecks Koordination, • die Standardisierung von Produkten und Prozessen

oder • die Wissensteilung.

Damit geraten viel tiefer gehende Vorgänge gesell-schaftlichen Wandels aus dem Blick wie etwa der Über-gang von der Industrie- zur Wissensgesellschaft (vgl. Bell: 1975; Drucker: 1994) mit seinen erhöhten Anfor-derungen an das menschliche Arbeitsvermögen, insbe-sondere die Fähigkeit zu produktiver Kooperation bei

der Genese, Organisation und Anwendung von Wissen.Die technikzentrierte Perspektive huldigt erneut

einem längst widerlegten „Technikdeterminismus“ (Hirsch-Kreinsen & Minssen: 2013, S. 455 f.), demzufol-ge sich technische Revolutionen nach ihrer Eigenlogik entwickeln und den gesellschaftlichen Wandel bestim-men. Technik wird so zum Treiber gesellschaftlicher Ent-wicklung erhoben und technische Mittel zur Erfüllung sozialer Zwecke werden selbst in einen sozialen Zweck verkehrt. Verkannt wird dabei, dass die Entwicklung technischer Systeme ihrerseits durch soziale Bedürfnis-se und Interessen bestimmt ist: So lassen sich unter der Maske des scheinbar eigengesetzlichen technischen Fortschritts oftmals besondere Interessen verfolgen, etwa in der stets umkämpften Kapitalverwertung vom „Eigensinn lebendiger Arbeit“ unabhängig zu werden. (Vgl. Noble: 1984).

ZUR DYNAMIK DER ENTFALTUNG WISSENSGESELLSCHAFTLICHER PRODUKTIVKRÄFTE

Im Zuge anhaltender Verwissenschaftlichung von Produktion ist für das Verständnis wissensintensiver Ar-beit die Dynamik von praktischem Können und kodifi-ziertem Wissen wesentlich, genauer: die Art und Weise, wie sie einander wechselseitig hervorbringen. Vorgängig ist stets die vorreflexive Handlungskompetenz, das indi-viduell gebundene Können oder Arbeitsvermögen, das sich in Tätigkeiten gelingender sozialer Praxis äußert. Bei einer – wie auch immer – gestörten Praxis lässt sich durch Selbst- oder Fremdbeobachtung explizites, the-oretisches Wissen über bestimmte Aspekte praktischen Tätigseins gewinnen. Dieses kodifizierte Wissen bleibt aber ohne Wirkung, solange es nicht zur Verwendung in praktischer Tätigkeit angeeignet und zweckmäßig genutzt wird. Gleiches gilt auch für solches Wissen ver-körpernde technische Artefakte (vgl. Brödner: 2010; Grundlegendes zur praxistheoretischen Perspektive bei Reckwitz: 2003; bezüglich Computersystemen siehe Brödner: 2008).

Dieser Dialektik zufolge erfordert produktives Arbei-ten und Problemlösen in Prozessen wissensintensiver Wertschöpfung meist, diverse Wissensgebiete zusam-menzuführen und unterschiedlich ausgeprägte Arbeits-vermögen in Gestalt selbstorganisierter Kooperation kompetenter Experten zu integrieren. Je differenzierter, komplexer und dynamischer das kodifizierte Produk-tionswissen und dessen technische Vergegenständli-chung, desto anspruchsvolleres Arbeitsvermögen ist gefordert. Dieser Entwicklungsprozess funktioniert nur freiwillig, entzieht sich jeder Anweisung und unterliegt zudem großer Ungewissheit.

Die Ungewissheit wächst noch dadurch, dass Wett-bewerb sich zunehmend über Funktionalität und In-novationen statt über Kosten vollzieht und die dadurch gesteigerte Dynamik von Märkten größere funktionale Flexibilität erfordert. Deren Bewältigung stellt wach-sende Anforderungen an Können und Erfahrung wie an Reflexions- und Kooperationsfähigkeit. Damit sind – um das Primat der Kapitalverwertung auch im unsicheren

Peter Brödner1

1 Erstabdruck in: BWP – Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis (2015), 44 (6), 17–20. Herausgegeben vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB), Bonn. Mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Herausgebers.

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Umgang mit Wissen in weitgehend autonomen, sich selbst organisierenden Arbeitsgruppen zu gewährleis-ten – zugleich auch neue Formen der Kontrolle verbun-den: indirekte Steuerung durch Markt- oder Kontext-anforderungen anstelle hierarchischer Anweisung und Kontrolle. Darin sind Menschen als Träger des Arbeits-vermögens permanentem Erfolgsdruck ausgesetzt und treiben sich selbst zu Höchstleistungen an, allerdings auf Kosten ihrer Gesundheit und sozialen Beziehungen. So kann sich das immer bedeutsamere Arbeitsvermö-gen unter den Bedingungen seiner Verausgabung in der Arbeit selbst nicht angemessen entfalten. (Vgl. Peters & Sauer: 2006).

PERSPEKTIVEN DER GESTALTUNG VON ARBEIT UND TECHNIK

Aus einer technikzentrierten Sichtweise ergeben sich Wirkungen wie die Produktivität von Wertschöpfung oder erforderliche Qualifikationen allein aus der Art und Weise, wie Produktionsprozesse durch passend ge-staltete Computerfunktionen und deren kollektive An-eignung neu strukturiert werden. Doch hängt dies we-sentlich von der an den jeweiligen Machtressourcen und Interessen orientierten Aufgaben- und Funktionsteilung wie auch von den Interaktionsformen zwischen Mensch und Computer ab. Nicht die Digitalisierung an sich, son-dern das mehr oder weniger reibungslose Zusammen-spiel von Arbeitsorganisation, handlungskompetenten Menschen und passend gestalteten Computerfunktio-nen bestimmt das Geschehen und dessen Wirkungen.

LOW-ROAD- VERSUS HIGH-ROAD-STRATEGIENEntgegen den technikzentrierten Vorstellungen der

computerintegrierten Fertigung (CIM) lässt sich die tatsächliche Veränderungsdynamik der Unternehmens-entwicklung der letzten drei Dekaden mittels zweier idealtypisch unterscheidbarer Rationalisierungsstra-tegien nachzeichnen und verstehen, die beide auf die umfassende Erneuerung ganzer Wertschöpfungspro-zesse zielen. Die Unterschiede treten am deutlichsten mit Blick auf die Produktivität als dem Verhältnis von Ertrag zu Aufwand dieser Wertschöpfungsprozesse her-vor. Grundsätzlich kann beides – sowohl der Ertrag als auch der Aufwand – durch technisch-organisatorische Arbeitsgestaltung beeinflusst werden.

So gibt es Unternehmen, die hauptsächlich auf Kos-tenreduzierung setzen. Diese „Low-Road-Strategie“ nutzt vor allem Instrumente wie Lohnsenkung und Personalausdünnung ( Downsizing ) sowie die Ausla-gerung (Outsourcing ) oder computerisierte Restruktu-rierung von Prozessen (Reengineering ) mit dem Ziel, durch bloße Aufwandsreduzierung die Wettbewerbsfä-higkeit zu verbessern.

Dem steht eine Gruppe höchst erfolgreicher Unter-nehmen gegenüber, die einer „High-Road-Strategie“ fol-gen, indem sie die produktiven und innovativen Poten-ziale im Unternehmen laufend und umfassend auf die kundenorientierte Erneuerung von Produkten und Leis-tungen ausrichten und damit dauerhafte Wettbewerbs-vorteile gewinnen. Für sie steht die Aktivierung und

Entfaltung des Arbeitsvermögens, der individuellen wie kollektiven Kompetenzen auf Basis aufgabenintegrier-ter, kooperativer und selbstgesteuerter Arbeitsprozesse im Vordergrund. Diese nutzen sie, um den Ertrag durch Erschließung neuer Geschäftsfelder auszuweiten, ohne freilich auf erfolgskritische Prozessinnovationen zur Aufwandssenkung zu verzichten. (Vgl. Brödner: 2006).

Zahlreiche empirische Untersuchungen belegen die überlegene Leistungsfähigkeit der High-Road-Unter-nehmen. In der Regel erzielen sie vergleichsweise mehr Wachstum und um 25 bis 50 Prozent höhere Produkti-vität, die sie auch in die Lage versetzt, höhere Löhne zu zahlen. Zugleich vermögen sie aus dem Einsatz kom-plexer Computersysteme höheren Nutzen zu ziehen (z. B. Eurofound: 2011). Zwar verbessern mitunter auch Low-Road-Unternehmen durch Kostensenkung vorü-bergehend ihre Bilanzen, freilich zulasten von Motivati-on und umfassender Entfaltung des Arbeitsvermögens. Häufig bleiben sie damit in angestammten Märkten mit traditionellen Produkten ständigem Preiswettbewerb ausgesetzt, der sie stets neu zu Maßnahmen der Kosten-senkung zwingt und ihre Lage längerfristig schwächt.

Dies steht ganz im Einklang mit Erkenntnissen der strategischen Managementlehre und ihrer „ressourcen-orientierten Sicht auf Unternehmen“, derzufolge durch Entfaltung spezifischer produktiver Kompetenzen einzigartige, schwer nachzuahmende Wettbewerbs-vorteile geschaffen werden können. Die sich daraus ergebende überlegene Leistungsfähigkeit wird umso relevanter, je wissensintensiver sich Produkte, Leistun-gen und Prozesse darstellen und je mehr Unternehmen demzufolge im Wettbewerb um Innovationen mit Un-sicherheit zu kämpfen haben. (Vgl. Hamel & Prahalad: 1994; Grant: 1996).

Wenn organisatorische und technische Produktions- und Arbeitsstrukturen geschaffen werden sollen, die eine Mitwirkung lebendiger Arbeit einbeziehen (wie das in Konzepten von Industrie 4.0 mitunter ausdrücklich vorgesehen ist) oder die gar auf die produktive Nutzung und Entfaltung menschlichen Arbeitsvermögens ausge-richtet sind, dann müssen sie auf diesbezügliche Eigen-heiten und Bedürfnisse menschlichen Handelns gemäß arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen Rücksicht neh-men. Dazu gehören insbesondere sozial angemessene, lernförderliche Arbeitsaufgaben und gebrauchstauglich gestaltete Artefakte.

ERSATZ VERSUS ENTFALTUNG LEBENDIGER ARBEITIn dieser Hinsicht wirft der vorgesehene Einsatz von

Multi-Agenten-Systemen (MAS) beträchtliche Probleme auf.

Deren komplexes Verhalten ist zwar deterministisch, aber aufgrund einer Vielzahl äußerer Umstände von der Vorgeschichte abhängig, daher schwer zu verstehen und nicht vorhersehbar. Wie sollen Menschen sich aber solche Systeme aneignen, wie mit ihnen zweckmäßig und zielgerichtet interagieren, wenn diese sich in ver-gleichbaren Situationen jeweils anders und unerwartet verhalten? Das wäre ein eklatanter Verstoß gegen die Forderung nach erwartungskonformem Verhalten als

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eines Grundprinzips der Mensch-Maschine-Interakti-on. Zugleich würden seitens der Nutzer stets aufs Neue überzogene Erwartungen an die „Handlungsfähigkeit“ der Systeme geschürt. Konfrontiert mit dem Erwartungs-druck erfolgreicher Bewältigung ihrer Aufgaben einer-seits und dem Verlust der Kontrolle über Arbeitsmittel mit undurchschaubarem Verhalten andererseits würden sie unter dauerhaften psychischen Belastungen zu leiden haben. (Vgl. Norman: 1994).

Für die soziotechnische Systemgestaltung ist ferner von grundlegender Bedeutung, wie Aufgaben auf die au-tomatischen Systeme und die verbleibenden Menschen verteilt werden. Für diesen wesentlichen Gestaltungs-aspekt wurden bereits früh anhand qualifizierter Tätig-keiten in computergestützten Leitstellen fundamentale „Ironien der Automatisierung“ (vgl. Bainbridge: 1983) erkannt, die mit zunehmender Komplexität der tech-nischen Systeme noch an Bedeutung gewinnen: Auto-matische Systeme wie MAS sollen schwierige Aufgaben möglichst autonom bewältigen; im Störungs- oder Ver-sagensfall der Systeme sind sie aber auf kompetenten menschlichen Eingriff angewiesen. Menschliches Ar-beitsvermögen schwindet aber dahin, je weniger es im automatischen Normalbetrieb gebraucht wird. In dieser Situation ist auf längere Sicht ein empfindlicher Verlust praktischer Handlungskompetenz zu verzeichnen, der aus ursprünglich kompetenten Nutzern am Ende hilf-lose, weil entwöhnte „Bediener“ werden lässt (mit ggf. katastrophalen Folgen; vgl. Carr: 2013).

So stehen für Entwicklung und Gebrauch von Com-putersystemen in der Produktion als soziotechnischer Gestaltungsaufgabe seit jeher zwei entgegengesetzte Perspektiven im Raum:

Die technikzentrierte AI-Perspektive weitestgehen-der Automatisierung von Wissensarbeit, wie sie in der Forschung zur „künstlichen Intelligenz“ (Artificial Intel-ligence) angelegt ist: „smart machines“ und „autonome Agenten“, zu begrenzt lernfähigen MAS vernetzt und mit Big-Data-Methoden kombiniert, sollen menschli-ches Arbeitsvermögen in der Produktion weitgehend ersetzen und gleichwohl hinreichend flexible Anpassung an wechselnde Anforderungen gewährleisten.

In der praxistheoretisch angeleiteten IA-Perspektive (Intelligence Amplification) menschengerecht und auf-gabenangemessen gestalteter, als Werkzeug und Medi-um angeeigneter und genutzter Computersysteme soll dagegen fortgeschrittene Digitaltechnik die lebendige Arbeit derart unterstützen, dass sich menschliches Ar-beitsvermögen zu entfalten, mithin Produktivkraft und Innovationsfähigkeit zu steigern vermögen: „Things that make us smart“. (Norman: 1993).

Aufgrund kümmerlicher praktischer Erfahrungen mit Konzepten „künstlicher Intelligenz“ erscheint die AI-Perspektive wenig Erfolg versprechend, eher als Ver-schwendung von Ressourcen. Tatsächlich beruht – bei evidenzbasierter Betrachtung – der Erfolg des Einsatzes und Gebrauchs von Computersystemen vor allem auf der praxistheoretisch angeleiteten Perspektive der „In-telligenzverstärkung“, die menschliche Reflexions- und Anpassungsfähigkeit mit maschineller Präzision und

Geschwindigkeit verbindet. Dies zu erreichen, erfordert dauerhaft kompetenzerhaltende und lernförderliche Ar-beitsaufgaben, durchschau- und beherrschbare, aufga-benangemessene Arbeitsmittel mit erwartungskonfor-mem Verhalten sowie ausreichende Zeitressourcen zur Aneignung der Arbeitsmittel und zur kontinuierlichen Verbesserung.

SCHLUSSFOLGERUNGEN FÜR DIE QUALIFIZIERUNGAbschließend bleibt festzuhalten, dass künftige Qua-

lifikationsanforderungen nicht aus neuen technischen Möglichkeiten der Digitalisierung hergeleitet werden können. Vielmehr ergeben sich die Anforderungen aus der Wahl der Unternehmensentwicklungs-Perspektive und der damit verbundenen spezifischen Arbeitsaufga-ben und -abläufe wie auch der Eigenschaften der einge-setzten technischen Arbeitsmittel, die alle zweckgemäß aufeinander abgestimmt sein müssen.

In Zeiten fortschreitender Verwissenschaftlichung von Produktion, hoher Innovationsdynamik und Ungewiss-heit hängt unternehmerische Wettbewerbsfähigkeit mehr denn je von der Kreativität und dem Arbeitsvermögen le-bendiger Arbeit ab, wie sie die Entwicklungsperspektive der „Intelligenzverstärkung“ hervorzubringen vermag. Sie aber stellt hohe Anforderungen an breit angelegtes und dauerhaftes berufliches Fachwissen sowie die Befähi-gung zur Reflexion, Kooperation und partizipativen Ge-staltung von Arbeit und Technik als zentralen Elementen zukunftsweisender beruflicher Qualifizierung. //

LiteraturBainbridge, Lisanne (1983): Ironies of Automation.

In: Automatica, 19, 775–779.Bell, Daniel (1975): Die nachindustrielle

Gesellschaft. Frankfurt a. Main: Campus. Brödner, Peter (2010): Wissensteilung und

Wissenstransformation. In: Manfred Moldaschl & Nico Stehr (Hrsg.), Wissensökonomie und Innovation. Beiträge zur Ökonomie der Wissensgesellschaft (S. 455–480). Marburg: Metropolis.

Brödner, Peter (2008): Das Elend computerunterstützter Organisationen. In: Dorina Gumm u. a. (Hrsg.), Mensch –Technik – Ärger? Zur Beherrschbarkeit soziotechnischer Dynamik aus transdisziplinärer Sicht (S. 39–60). Münster: LIT.

Brödner, Peter (2006): Betriebliche Rationalisierungsstrategien und Einsatz technischer Systeme. In: Bernhard Zimolong & Udo Konradt (Hrsg.), Ingenieurpsychologie. Enzyklopädie der Psychologie: Wirtschafts-, Organisations- und Arbeitspsychologie. Bd. 2 (S. 943–980). Göttingen: Hogrefe.

Carr, Nicolas (2013): All Can Be Lost: The Risk of Putting Our Knowledge in the Hands of Machines. In: The Atlantic, 11, 1–12.

Drucker, Peter F. (1994): The Age of Social Transformation. In: The Atlantic, 11, 53–80.

Cox, Anette, Higgins, Tom & Speckesser, Stefan (2011): Management Practices and Sustainable organisational Performance: An Analysis of the European Company Survey. Dublin: Eurofound.

Grant, Robert M. (1996): Toward a Knowledge-Based Theory of the Firm. In: Strategic Management Journal, 17 (Winter Special Issue), 109–122.

Hamel, Gary & Prahalad, C. K. (1994): Competing for the Future. Boston/MA: Harvard Business Review Press.

Hirsch-Kreinsen, Hartmut & Minssen, Heiner (Hrsg.) (2013): Lexikon der Arbeits- und Indus-triesoziologie. Berlin: edition sigma.

Kagermann, Henning, Wahlster, Wolfgang & Helbig, Johannes (2013): Umsetzungsempfeh-lungen für das Zukunftsprojekt Industrie 4.0. Abschlussbericht des Arbeitskreises Industrie 4.0. Frankfurt a. Main: o. V.

Noble, David F. (1984): Forces of Production. A Social History of Industrial Automation. New York – Oxford: Oxford University Press.

Norman, Donald A. (1994): How Might People Interact with Agents. In: Communications of the ACM, 37 (7), 68–71.

Norman, Donald A.: Things that Make Us Smart. New York: Addison-Wesley Publishing.

Peters, Klaus & Sauer, Dieter (2006): Epochen-bruch und Herrschaft. Indirekte Steuerung und die Dialektik des Übergangs. In: Dieter Scholz u. a. (Hrsg.), Turnaround? Strategien für eine neue Politik der Arbeit (S. 98–125). Münster: Verlag Westfälisches Dampfboot.

Reckwitz, Andreas (2003): Grundelemente einer Theorie sozialer Praktiken. Eine sozialtheoreti-sche Perspektive. In: Zeitschrift für Soziologie, 32 (4), 282–301.

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Next generation competencies for a digital world – Erfahrungen aus dem Siemens-Projekt „Industrie 4.0@SPE“Für eine zukunftsorientierte und innovative Ausbildung ist die strategische Ausrichtung und die rechtzeitige Anpassung an künftige Bedürfnisse ein entscheidendes Erfolgskriterium. Deshalb ist es das oberste Ziel, die Nachwuchskräfte passgenau mit den richtigen Kompetenzen zum richtigen Zeitpunkt auszustatten. Veränderungen, die sich im Zuge einer zunehmenden Digitalisierung der Arbeitswelt vollziehen, hat die Siemens AG in dem Projekt „Industrie 4.0@SPE“ analysiert. Ergebnisse und Schlussfolgerungen für die Fachkräfteentwicklung werden im Beitrag skizziert.

Schwerpunkt

INDUSTRIE 4.0 UND DIGITALISIERUNGDie Erfahrung bei Siemens zeigt, dass viele, die

sich mit dem Thema Industrie 4.0 beschäftigen, unter-schiedliche Zielbilder und Auffassungen entwickelt haben. Daher scheint es notwendig, zunächst die ver-wendeten Fachausdrücke zu definieren.

Bei Siemens werden unter dem Begriff „Digitalisie-rung“ mehrere Elemente verstanden, die im Einzelnen (aber auch im Zusammenspiel) die Wertschöpfung und die Zielerreichung der Unternehmen maßgeblich posi-tiv beeinflussen können (vgl. Abb. 1). Neben dem Sam-meln, Analysieren sowie Interpretieren von Daten (Big Data) und der daraus abgeleiteten Verbesserung des Systems (Ecosystem) – im besten Falle durch Selbstopti-mierung – nimmt Industrie 4.0 ihren Platz ein. Die Ba-sis bilden dabei meist bereits bekannte Technologien, die, im Zusammenspiel und an der richtigen Stelle der Wertschöpfungskette eingesetzt, einen entsprechen-den Mehrwert bringen.

In vielen Analysen und Gesprächen hat sich heraus-kristallisiert, dass die Digitalisierung in vielen Branchen große Auswirkungen zeigt. Zu schnell reduziert man den Einfluss von „Industrie 4.0“ auf nur eine Branche.

Digitalisierung ist also mitnichten eine „Technolo-gie-Schlacht“. Vielmehr geht es darum, z. B. Prozess-schwachstellen zu erkennen und diese durch geeignete Technologien zu schließen bzw. Verbesserungspotenzi-ale zu erheben. Kurzum: Die Ausarbeitung einer Digi-talisierungsstrategie sollten alle Unternehmen auf der Agenda haben.

Abbildung 1Elemente der Digitalisierung

DAS PROJEKT „INDUSTRIE 4.0@SPE“Bei der zyklischen Analyse von Technologie- und Ge-

schäftstrends im Zuge des Innovation-Managements bei Siemens wurde bereits im August 2013 das Themenfeld „Industrie 4.0“ identifiziert und im Januar 2014 folgen-der Projektauftrag festgelegt:

• Aufbau eines Grundverständnisses zu Industrie 4.0,• Prüfen der Bildungsrelevanz bezogen auf Aus- und

Fortbildung und• Festlegen entsprechender Maßnahmen.

Christoph Kunz1

1 Erstabdruck in: BWP – Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis (2015), 6, 33–35. Herausgegeben vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB), Bonn. Mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Herausgebers.

SIEMENS AUSBILDUNGSiemens Professional Education zählt mit zirka 10.000 Auszubildenden und dual Studierenden (davon rund 7.000 für den eigenen Bedarf und 3.000 für externe Unternehmen) an etwa 35 Standorten zu den größten Ausbildungsbetrieben in Deutschland. Im Bildungs-Portfolio befinden sich 30 IHK-Berufe und 40 duale Studiengänge. Die Bildungsgänge umfassen die Themenfelder Elektrotechnik, Informationstechnik, Maschi-nenbau, Mechatronik und Betriebswirtschaft. Die Bildungsgänge der Siemens Ausbildung sind modular, das heißt aus Modulen, Sequenzen und Projekten aufgebaut.

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In der ersten Projektphase wurden bundesweit zirka 35 Gespräche mit Stakeholdern von Siemens, aber auch mit Verbänden, Universitäten und einigen Playern in Nischen- und Massenmärkten geführt. In dieser Phase konnte ein umgreifendes Verständnis zum Thema In-dustrie 4.0 aufgebaut werden. Nach sechs Monaten war genug Wissen angesammelt, um eine eigene Definition zu erarbeiten (vgl. Infokasten). Somit war eine Grundla-ge des einheitlichen Verständnisses und einer harmoni-sierten Sichtweise gesichert.

Die zweite Projektphase begann mit der Sammlung von „use cases“ aus unterschiedlichsten Bereichen und Bran-chen der deutschen Wirtschaft bezogen auf Industrie 4.0. Dabei lag der Fokus auf Szenarien, die bereits realisiert wurden bzw. gerade in Umsetzung waren. Ziel war es, die 25 in dem Zusammenhang relevantesten Kompeten-zen zu identifizieren. Im Zuge der Qualitätssicherung wurden diese mit vielen Präsentationen und Vorträgen validiert. Das Matching zwischen Theorie und Praxis war sehr hoch, und es konnten 25 Kompetenzen bestätigt werden (vgl. Abb. 2).

Abbildung 2 Top 25 der für Industrie 4.0 relevanten Kompetenzen

Die Kompetenzen erstrecken sich über den techni-schen, betriebswirtschaftlichen und überfachlichen Bereich. Weiterhin wurde bei der Analyse der Anwen-dungsfälle identifiziert, welche Prozesse, Technologi-en und auch Rollen im Unternehmen betroffen waren. Unter Rollen werden bei Siemens Job-Profile verstan-den, wie z. B. WerkerIn, Service-TechnikerIn, Instand-halterIn, Industrial Engineer oder LogistikerIn. Neben den 25 Kompetenzen konnten weiterhin 15 Rollen identifiziert werden, für die sich das Job-Profil sowie die dafür benötigten Kompetenzen verändert haben (Ist–Soll). Durch diese Vorgehensweise entstand für jede der 15 Rollen ein Kompetenzprofil bezogen auf Industrie-4.0-Kompetenzen.

Aus der Aufnahme der Ist- und Soll-Kompetenzen lässt sich ein „Bildungsgap“ für jede Rolle identifizie-ren. Abbildung 3 zeigt dies beispielhaft für die Rolle „Service-TechnikerIn“ .

Die Kompetenzen wurden auf einer Skala von 1 (nicht relevant) bis 5 (Expertenwissen) gemessen. Die Bildungsgaps zwischen Eins und Drei liegen im Fokus der betrieblichen Erstausbildung. Die über die Kom-petenzstufe Drei hinausgehenden Bildungsbedarfe werden im Fortbildungsbereich kompensiert. Diese benötigen entsprechende Erfahrungen in der Praxis und tiefer greifendes Expertenwissen. Die Basis dazu kann in der betrieblichen Erstausbildung gelegt wer-den. Eine enge Verzahnung von Aus- und Fortbildung ist daher notwendig, um Bildungsgaps zukünftig mög-lichst zu verhindern.

Parallel führte die Siemens-Ausbildung eine struk-turierte Analyse aller angebotenen Bildungsgänge durch. In diese Analyse flossen nicht die Inhalte aus der Berufsschule oder aus der Hochschule ein, sondern nur die in der Siemens Ausbildung vermittelten Inhal-te. Für den Abgleich zwischen Soll und Ist wurde über eine Matrix der Bezug zwischen zirka 30 Bildungsgän-gen (Ist) und den 15 Rollen (Soll) hergestellt. Somit konnten in einer Kompetenzauswertung die Bildungs-gaps pro Bildungsgang (IHK-Beruf, dualer Studien-gang) dargestellt werden. Die Bildungsgaps beziehen sich ebenfalls auf zu vermittelnde Inhalte im Fortbil-dungsbereich.

Aktuell werden die identifizierten Bildungsgaps über die interne Produktentwicklung der Siemens-Ausbildung im Detail ausgearbeitet, beschrieben und durch das Entwickeln neuer Lerninhalte geschlossen. Die Produktentwicklung der Siemens Ausbildung ist eine virtuelle Organisation, zentral geleitet und be-stehend aus Ausbildnerinnen und Ausbildnern, die inhaltliche Standards für die Aus- und Fortbildung er-arbeiten und für die Bildungsprodukte verantwortlich sind. Ergänzend dazu wird geprüft, welche Teachwa-re in die Aus- und Fortbildung eingebunden werden kann, um neben der inhaltlichen Ausrichtung auch Lehr- und Lernprozesse zu digitalisieren. Schließlich wird derzeit ein Fortbildungsprogramm für Ausbild-nerInnen bzw. TrainerInnen aufgelegt, um die haus-internen Kompetenzen zur Erarbeitung neuer Inhalte und deren Vermittlung zu garantieren.

DEFINITION VON INDUSTRIE 4.0 AUS SICHT DER SIEMENS AUSBILDUNG• Industrie 4.0 ist eine neue Stufe der intelligen-

ten Organisation und Steuerung der gesamten Wertschöpfungskette über den Lebenszyklus der Produkte.

• Eine flexible Vernetzung von Mensch, Maschine und Produkt ermöglicht selbstoptimierende Systeme. Dabei werden über den kompletten Produktlebenszyklus Daten gesammelt, analy-siert und ausgewertet, mit dem Ziel der stetigen Steigerung von Effizienz und Effektivität.

• Die Kernelemente von Industrie 4.0 sind übergreifende Produktionsnetzwerke, die Ver-schmelzung von virtueller und realer Welt sowie modulare intelligente Produktionseinheiten

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Schwerpunkt Berufliche und berufsbezogene Bildung

Abbildung 3 Kompetenzverschiebung am Beispiel der Rolle Service-Techniker/-in

KÜNFTIGE ERWARTUNGENAuf Grundlage der durchgeführten Analysen er-

scheint es im Bereich der Ausbildung nicht notwendig, neue Berufsbilder zu erstellen. Die Ausbildung muss jedoch interdisziplinärer werden. Damit kann sicherge-

stellt werden, dass Fachleute „die gleiche Sprache“ spre-chen. Vor allem im überfachlichen Bereich muss in der Ausbildung die Basis für das weitere Berufsleben gelegt werden. Somit hat die Digitalisierung nicht nur Einfluss auf die Ausbildungsinhalte, sondern auch auf die ange-wandte Didaktik. Dies gilt auch für die Fortbildung, für die es wichtig ist, für alle Job-Profile ein grundlegendes Bewusstsein zum Thema Digitalisierung zu schaffen. Das ist die Bildung der Zukunft – die „smart education“.

Im Fachkräftebereich muss natürlich auch die ent-sprechende fachliche Komponente in unterschiedli-chen Ausprägungen vermittelt werden. So hat z. B. die Kompetenz „Identifikationssysteme“ auch einen starken interdisziplinären Charakter – jedoch für die Elektro-technik in einer anderen Bedeutung als für den Maschi-nenbau.

Um die Bildungsbausteine zielgruppengerecht aufbe-reiten zu können, ist ein umfängliches Verständnis der benötigten Kompetenzen bzw. der Technologie notwen-dig. Deren Entwicklung und Bereitstellung hat maßgeb-lichen Einfluss auf die Aus- und Fortbildungssysteme.Bildung wird das feste Fundament und gleichzeitig Sprungbrett für einen erfolgreichen Einzug der Digitali-sierung in die deutsche Wirtschaft. Dabei ist es das Ziel von Siemens, diesen Prozess mitzugestalten und erfolg-reich zu unterstützen. //

Ob flexible Arbeitszeiten oder die Frauen-Quote – es gibt viele Rezepte zur Förderung der Gleichstellung

von Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Als besonders hilf-reich für weibliche Karrieren erweist sich immer öfter die Verbesserung der digitalen Kompetenz, wie das Beratungsunternehmen Accenture berichtet.

Für die Studie „Getting to Equal: How Digital is Helping Close the Gender Gap at Work“ wurden zwischen Dezember 2015 und Jänner 2016 rund 4900 berufstätige Frauen und Männer in 31 Industrie- und Schwellenländern befragt. In Österreich nahmen 53 Frauen und ebenso viele Männer an der Studie teil. Die Umfrageresultate wurden zusätzlich mit Da-tenmaterial von der Weltbank, der OECD und dem World Economic Forum ergänzt.

Das zentrale Ergebnis: Hohe digitale Kompeten-zen sowie neue berufliche Möglichkeiten durch Di-gitalisierung verhelfen vor allem Frauen zu besseren Karriereaussichten. „Somit kann die Digitalisierung in den nächsten Jahren dazu beitragen, die Gleichbe-rechtigung von Frauen und Männern im Arbeitsleben

Digitalisierung als Chance für FrauenAccenture-Studie belegt: Hohe digitale Kompetenz fördert die Gleichberechtigung am Arbeitsplatz

Schwerpunkt

Andrea Möchel1 1 Aus Wiener Zeitung vom 8. April 2016, S. 33. Online: http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/wirtschaft/unternehmen/811211_Digitalisierung-als-Chance-fuer-Frauen.html [12.4.2016]

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weiter voranzutreiben“, gibt man sich bei Accenture optimistisch.

Aber: „Auf dem beruflichen Weg nach oben gehen noch zu viele Frauen verloren“, bedauert Sandra Baby-lon, Geschäftsführerin für den Bereich Financial Ser-vices und verantwortlich für die Women Initiative bei Accenture. „Und das, obwohl sie immer besser qualifi-ziert sind und die Chancen der Digitalisierung zu ih-rem Vorteil zu nutzen wissen.“

„DIGITAL FLUENCY“-MODELLUm die Zusammenhänge zwischen beruflichem

Erfolg von Frauen und den Möglichkeiten der Digita-lisierung näher zu beleuchten, hat Accenture das „Di-gital Fluency“-Modell entwickelt. Dieses untersucht neben klassischen Indikatoren wie Bildungsniveau, allgemeinen Beschäftigungschancen und Aufstieg in Führungspositionen zusätzlich die „Digital Fluen-cy“ von Frauen und Männern. Diese beschreibt, wie sehr jemand mit digitalen Technologien vertraut ist und diese in Beruf und Alltag nutzt und wie die Di-gitalisierung neue berufliche Möglichkeiten für den Einzelnen eröffnet. Dazu gehören etwa flexiblere Ar-beitszeitmodelle oder neue Berufsbilder, von denen vermehrt Frauen profitieren können, sowie E-Lear-ning, digitale Tools fürs Teamwork und die Nutzung von soziale Medien.

Die Studie belegt für alle untersuchten Län-der einen ausgeprägten Zusammenhang zwischen hoher Digital Fluency von Frauen und ihrem Bil-dungsniveau einerseits, sowie ihren Berufsaussich-ten andererseits. Bemerkenswert: In 16 der 31 un-tersuchten Ländern erreichen Frauen ein höheres Bildungsniveau als Männer - unter anderem, weil sie digitale Technologien effektiver nutzen. „Zudem er-öffnen sich neue berufliche Chancen für Frauen, da sie Dank der Digitalisierung flexibler arbeiten kön-nen“, weiß Accenture. Männer ziehen daraus zwar ebenfalls Vorteile, doch laut der Studie hat Digital

Fluency einen wesentlich stärkeren Einfluss auf die Karrierechancen von Frauen.

ÖSTERREICH IM MITTELFELDSpitzenreiter bei der Digital Fluency sind die Nie-

derlande, die skandinavischen Länder und die USA, die Schlusslichter sind die Philippinen, Indien und Indonesien. Österreich liegt im Vergleich aller unter-suchten Länder im Mittelfeld, sowohl was die Digital Fluency (Platz 16), das Bildungsniveau (Platz 12), die Beschäftigungsfähigkeit (Platz 13) und die beruflichen Aufstiegsmöglichkeiten (Platz 12) von Frauen betrifft.

81 Prozent der Männer und 61 Prozent der Frauen gaben hierzulande an, täglich digitale Kanäle zu nut-zen. 52 Prozent der Befragten sind überzeugt, dass di-gitale Technologien es für Frauen einfacher machen, am Arbeitsmarkt teilzunehmen. Dass die Digitali-sierung mehr Flexibilität im Beruf bringt und somit eine bessere Work-Life-Balance ermöglicht, steht für 52 Prozent aller Befragten fest. Knapp ein Drittel der Befragten (31 Prozent) gab an, digitale Fähigkeiten für den beruflichen Aufstieg genutzt zu haben.

Auch Deutschland landet, was die Digital Fluen-cy (Platz 11), das Bildungsniveau (Platz 18), sowie die Aufstiegsmöglichkeiten (Platz 16) von Frauen betrifft, nur auf den mittleren Plätzen.

GLEICHSTELLUNG DER GESCHLECHTERLaut dem Digital Fluency-Modell könnte in den In-

dustriestaaten die Gleichstellung der Geschlechter am Arbeitsplatz bereits im Jahr 2040 erreicht werden, vor-ausgesetzt Regierungen und Unternehmen verdoppeln die Geschwindigkeit, mit der Frauen digital fit werden.

Denn während Digital Fluency Frauen zwar dabei hilft, im Berufsleben schneller voranzukommen, ist es noch nicht gelungen, den Abstand zu Männern in Führungspositionen deutlich zu verringern oder gar den Gehaltsunterschied zwischen den Geschlechtern auszugleichen. //

Foto: Wiener Zeitung/BUCK Studio/Corbis

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Die Vorteile einer umfassenden Allgemeinbildung verlieren nicht an AktualitätDie Auffassung, dass Lernen mehr auf berufsspezifisches Wissen ausgerichtet sein soll, ist ein Missverständnis1

Schwerpunkt

Wir können uns unser Leben ohne digitale Suche und das Internet nur sehr schwer vorstellen. Das trifft nicht nur auf mich zu, sondern auch auf alle anderen: Die grö-ßere Leichtigkeit, mit der wir heute einschlägige Fakten und Daten erhalten und überprüfen, hat auch das Leben der Kolumnisten und Kolumnistinnen verändert. Beim Hervorziehen von Büchern aus Bibliotheksregalen und derem Durchblättern hat es sich noch nie um eine effi-ziente Suchtechnik gehandelt, auch wenn sie manchmal unterhaltsam und lehrreich war. Suchaktivitäten, die früher zu stundenlangen Aufenthalten in Bibliotheken geführt haben – und nicht selten unproduktiv waren –, können nunmehr normalerweise mit ein paar Maus-klicks erledigt werden.

Diese Veränderung, die innerhalb der letzten 20 Jah-re seit meiner ersten Kolumne für die Financial Times stattgefunden hat, unterstreicht weitgehende Verschie-bungen auf dem Gebiet des Wissens und den dazuge-hörigen Unterrichtsmethoden. Heutzutage ist es nicht so wichtig zu wissen, sondern wichtiger zu wissen, was gewusst wird. Der Optionenhändler muss sich nicht mit Black-Scholes-Gleichungen auskennen, doch er muss wissen, dass diese existieren und dass andere ihnen Be-deutung zumessen; die Rechtsanwältin muss sich nicht an die Urteilsbegründung der Richterin im Fall „Bloggs vs Bloggs“ erinnern, aber über jenes übergeordnete Wis-sen verfügen, das sie in ihrer Suche nach einschlägigen Fällen leitet.

Der Finanzexperte, der ein besseres Optionspreis-modell finden möchte, oder die Richterin, die den Fall unter Anwendung von „Bloggs vs Bloggs“ entscheidet, müssen in den zukünftigen Gebieten des Wissens noch

immer eine persönliche Beurteilung aller relevanten In-formationen treffen. Das Schreiben von Zeitungskolum-nen, das Führen von Unternehmen, das Verwalten von Vermögen und die Beratung von Klienten in Rechtsstrei-tigkeiten sind Aktivitäten, die vor allem nach Synthese verlangen. Die Fähigkeit, Verknüpfungen zwischen un-terschiedlichen Informationsquellen herzustellen, ist wichtiger als die detaillierte Kenntnis einer bestimmten Quelle. Und genau diese Aufgabe hat die moderne Tech-nik so viel einfacher gemacht.

Aus diesem Grund ist die weitverbreitete Ansicht, dass sich Bildung mehr auf die Aneignung berufsspezi-fischen Wissens konzentrieren sollte besonders im 21. Jahrhundert ein Missverständnis. Jene, die argumentie-ren, dass dem Unterrichten von MINT-Fächern (Mathe-matik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) mehr Ressourcen gewidmet werden sollten, haben recht – aber es ist nicht der springende Punkt. Es ist nämlich mehr als skandalös, dass so viele Menschen in einfluss-reichen Positionen – vor allem in Großbritannien und in den USA – nicht nur nicht rechnen können, sondern sich für ihre Rechenschwäche auch gar nicht schämen. Und das geschieht aus dem Grund, weil Bildung übermäßig spezialisiert ist, und nicht, weil sie nicht ausreichend be-rufsbezogen ist. In England ist es möglich und üblich, im Alter von 15 Jahren das Studium jeglicher wissenschaft-licher Fächer aufzugeben. Und eben dieses Wissen, dass sie aus sämtlichen mathematischen Disziplinen ausstei-gen können, ermöglicht es den jungen Menschen, sich schon früh nicht auf diese Fächer einzulassen.

Fareed Zakarias diesjähriges Buch zur Verteidigung einer umfassenden Allgemeinbildung – eine Tradition, die Schüler und Studierende vor ihrem ersten Abschluss mit einer Vielzahl von Fächern und Wissensansätzen in Berührung bringt – trifft den Nerv der Zeit sehr gut. Und so verhält es sich auch mit seiner Ablehnung der kulturlosen republikanischen Gouverneure (googeln Sie einfach nach Rick Scott, Rick Perry oder Patrick McCro-ry), die billige Lacher auf Kosten von Philosophie und Anthropologie einheimsen. Schon ein wenig Reflexions-vermögen dürfte offenbaren, dass Moral nicht einfach eine Frage von gesundem Menschenverstand oder der Lektüre heiliger Texte ist, und dass das Verständnis für andere Kulturen – oder schlicht die Akzeptanz, dass es andere Kulturen gibt – zu besseren Ergebnissen, z. B. im Irak, geführt hätte.

Es ist ein Fehler, die Grundausbildung auf berufsspe-zifische Fähigkeiten zu konzentrieren, die in einer sich ändernden Welt in ein paar Jahren redundant sein wer-den. Das Ziel sollte sein, Schüler und Studierende so aus-zubilden, dass sie ihre Berufe als bereichernd und ihre Leben als erfüllend genießen können – in einer Zukunft, deren Anforderungen wir weder erahnen noch voraussa-gen können. In 20 Jahren werden wir das Black-Scholes-Modell wahrscheinlich nicht verwenden, geschweige denn auf den Fall „Bloggs vs Bloggs“ verweisen. Aber die Fähigkeiten, kritisch zu denken, Zahlen einzuschätzen, Prosa zu verfassen und sorgfältig zu beobachten – Fähig-keiten, die Bildung entwickeln kann und soll – werden noch genauso nützlich sein, wie sie es heute sind. //

1 Quelle: Kay, John (2015): The benefits of a liberal education do not go out of date, Financial Times/FT.com, August 26. Unter Lizenz der Financial Times verwendet. Alle Rechte vorbehalten. Der Verband Österreichischer Volkshochschulen ist allein für die Bereitstellung dieser Übersetzung des Originalartikels verantwortlich und The Financial Times Limited übernimmt keinerlei Haftung für die Richtigkeit oder Qualität der Übersetzung. Übersetzung aus dem Englischen von Andrea Kraus, Graz.

John Kay

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Schwerpunkt Berufliche und berufsbezogene Bildung

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Berufliche Bildung an VolkshochschulenTraditionellerweise werden Volkshochschulen (VHS) dem Bereich der allgemeinen Erwachsenenbildung zugerech-net. Doch was ist heute allgemeine Erwachsenenbildung und was berufliche Erwachsenenbildung? Was ist berufli-che Bildung und was allgemeine? Die folgenden Schlag-lichter beschäftigen sich mit der problematischen Abgrenzung von beruflicher und allgemeiner Erwachsenenbildung. Zwar weist die österreichische Volkshochschulstatistik einen Fachbereich der beruflichen und berufsorientierten Bildung aus, der auf einer Un-terscheidung des Angebotes nach inhaltlichen Gesichtspunkten basiert; hinsichtlich einer Fragestellung, die auf „berufliche Rele-vanz“ von Bildungsprozessen abzielt, muss diese gegenstands-bezogene Systematik allerdings erweitert werden. Einen Versuch zur Einschätzung und Quantifizierung des Bildungsangebotes der Volkshochschulen auf Teilnahmeebene im Sinne „beruflicher Relevanz“ wird im letzten Teil des Beitrages vorgeschlagen.

Schwerpunkt

Stefan Vater, Peter Zwielehner

Die klassische Definition der allgemeinen Erwachsenen-bildung1 bezieht sich auf die individuelle oder kollektive, jedenfalls von den AkteurInnen ausgehende Gestaltungs-kompetenz gesellschaftlicher Entwicklung. Ziel der all-gemeinen Erwachsenenbildung ist es, zur Auseinander-setzung mit den Folgen des wissenschaftlich-technischen und sozialen Wandels zu befähigen. Die Erwachsenenbil-dung soll dabei behilflich sein, Einsicht in das politische, wirtschaftliche und kulturelle Geschehen, spezifische Kenntnisse und Kompetenzen auf dem neuesten Stand der wissenschaftlichen und technischen Entwicklung sowie allgemeine Fähigkeiten und Fertigkeiten (wie z. B. intellek-tuelle und kommunikative Kompetenzen) zu vermitteln, die ein sachkundiges, engagiertes und verantwortungsvol-les Handeln in verschiedensten Lebensbereichen ermögli-chen. (Vgl. Stangl: 2016).

Dagegen wird unter beruflicher Bildung oft nur „die Vermittlung theoretischen und praktischen Wissens, das zur Ausübung eines Berufs befähigt“ verstanden. So einfach ist die Definition, die das Online-Lexikon Wikipedia zur Abgrenzung beruflicher Bildung vorschlägt. (Vgl. Wikipe-dia: 2016, Schlagwort berufliche Bildung). Andere Zugänge sprechen von beruflich notwendigem Fachwissen oder von dem für Unternehmen wichtigen Wissen. (Schneeberger: 2007, S. 04/1 f.) Rosenbladt betont die Schwierigkeit der Zu-ordnung und benennt einige Kriterien:• die Selbsteinschätzung oder Motivation zur Bil-

dungsteilnahme der TeilnehmerInnen,• den Bezug auf spezifische berufliche Funktionen von

Weiterbildung, etwa beruflicher Aufstieg, Anpassung an neue berufliche Anforderungen usw.,

• die Inhalte der Bildungsmaßnahme (Thema, Fachge-biet),

• den Träger der Maßnahme (z. B. der Betrieb, ein be-rufliches Bildungswerk). (Rosenbladt: 2007, S. 23 f.).Insbesondere die ersten beiden Definitionen stellen

eine reduzierte Version einer emanzipatorischen Traditi-on der Berufsbildung dar, die ausgehend von Problemlö-sung und der Gestaltung der unmittelbaren Lebensum-welt, staatsbürgerliche Kompetenzen und vor allem die Idee einer durch die Menschen gestaltbaren Welt vermit-telt. Gegenbegriff war hierzu die im Alltag unbrauchbare allgemeine Bildung. (Vgl. Kerschensteiner: 2013; Dewey: 1986; Oestreich: 1923).

Der die Diskussionen um das lebensbegleitende Lernen der letzten Jahre dominierende Begriff der Em-ployability, ins Deutsche mit Beschäftigungsfähigkeit übersetzt, geht über die Vermittlung von (beruflichem) Wissen und Fertigkeiten hinaus. Fragen von Grundkom-petenzen, sozialen Fertigkeiten, Anpassungsfähigkeit, Engagement und Lernbereitschaft bis hin zu Gesundheit und Ausdrucksfähigkeit rücken in den Fokus eigenver-antworteter beruflicher Integration und Verwertbarkeit.

Historisch gab es in der Einschätzung österreichischer Erwachsenenbildung eine klare Zuordnung der Volks-hochschulen zum Bereich der „Allgemeinen Erwachse-nenbildung“, was nicht heißen sollte, die Volkshochschu-len würden keinerlei beruflich relevante Bildung anbieten. Doch angesichts der aktuellen Neu- und Umdefinitionen von Bildung, die eine klare Brauchbarkeit und Verwertbar-keit aus Sicht „der Wirtschaft“ immer und überall fordern, wird es nicht leichter und macht es zunehmend weniger definitorischen Sinn, diese Zuordnungen ernst zu neh-men. (Zur Zuordnung: vgl. Meissner: 1974; Monsheimer: 1952; Bisovsky: 1995; Ribolits: 1990; Diekmann 1991).

VERWERTBARE BILDUNG?Zunehmend verliert das Credo der 1990er- und

2000er- Jahre von der unbedingten und nicht von den BildungsteilnehmerInnen definierten Verwertbar-keitsnotwendigkeit von Bildung – die oft mit berufli-cher Bildung gleichgesetzt wurde – mehr und mehr an Glaubwürdigkeit. Verwertbarkeit hieß damals ja, ein-flussreiche ökonomische Akteure wie etwa Banken oder Firmen definieren die Anforderungen an Bildungsange-bote im Sinne des höher, weiter, schneller und kritiklo-ser. Der vermeintliche Gegenpol freier, nicht unmittel-bar verwertungsorientierter Bildung wurde mehr oder weniger entwertet und belächelt.

Mitte der 2010er-Jahre begreifen selbst die ehema-ligen Repräsentanten einer rein berufsorientierten Bildung, dass Verwertbarkeit nicht gefordert und von außen definiert werden kann und dass enge Verwertbar-keitsideen niemandem nutzen. Was heute verwertbar ist, kann schon morgen veraltet oder durch die Verlage-rung von Wirtschaftszweigen hinfällig sein. Wir zitieren hierfür einen unverdächtigen Zeugen, nämlich Tho-mas Sattelberger, einen ehemaligen Personalvorstand der Telekom, der auf einer Tagungsankündigung der Universität Bern im April 2016 auf die Frage „Welche Bildung braucht die Wirtschaft?“ folgendes antwortete:

1 Diese Definition von allgemeiner Erwach-senenbildung muss getrennt werden von „Allgemeinbildung“, die sehr stark mit schichtspe-zifischer kanonisierter Bildung verbunden ist. (Vgl. z.B. Schlutz: 2016, der beides mehr oder weniger gleichsetzt oder auch Arnold: 2016). Allgemeine Erwachse-nenbildung wurde in den letzten Jahren im Diskurs eher abwertend verwen-det um das Klischee einer Erwachsenenbildung aufzurufen, die sich um Strick-, Häkel- und andere Freizeitkompetenzen kümmert.

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DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2016 · NR. 258 — 17

Schwerpunkt Berufliche und berufsbezogene Bildung

„Die gefönten Kens und Barbies in Business-Outfit wer-den nur auf ökonomische Leistung getrimmt, nicht zur Innovation animiert. Die Manager in spe denken einzig in der Kategorie »höher, schneller, weiter« (...). Wer nicht performt fliegt raus. Da wird nichts kritisch hinterfragt. Der jungen Elite wird widerspruchsloser Gehorsam ein-getrichtert“. Also doch nicht ganz so verwertbar, die nur berufliche, ökonomische, verwertbare Bildung?

BERUFLICHE BILDUNG IM ENGEN SINNE. DER FACHBEREICH BERUFLICHE BILDUNG AN ÖSTERREICHISCHEN VOLKSHOCHSCHULEN

Laut Definition einer Arbeitsgruppe Statistik der österreichischen Volkshochschulen sollen Kurse an ös-terreichischen Volkshochschulen, die in folgende Rah-mendefinition fallen, dem Fachbereich berufliche Bil-dung zugeordnet werden. Sie bilden den Fachbereich der „Berufliche[n] und berufsorientierte[n] Bildung“. Der Fachbereich umfasst: „Betriebswirtschaft/alle kaufmän-nisch-beruflichen Fächer und alle technisch-beruflichen Fächer/EDV/Kommunikation und soziale Kompetenz, personale Kompetenzen (Beruf )“2.

Die konkrete Zuordnung von Kursen obliegt den Lan-desverbänden der Volkshochschulen, die Definition auf Bundesebene dient dabei als Orientierungsrichtlinie.

In diesem Fachbereich werden jährlich mehrere tau-send Kurse angeboten. Quelle der Daten ist der seit 1985 jährlich erstellte Statistikbericht der österreichischen Volkshochschulen.3 (Vater & Zwielehner: 2015).

Quelle: Knowledgebase Erwachsenenbildung, www.adultedu-cation.at/struktur, eigene Berechnungen.

Der Gipfel der Anteile des Fachbereiches in den frühen 2000er-Jahren ist einerseits der Überbetonung des Fach-bereiches in einer Phase der Hoch- oder Überschätzung reiner beruflicher Bildung und dem Glauben an die Kraft unmittelbar verwertbarer Bildung – als brauchbar und Arbeitsplatz vermittelnd – geschuldet, andererseits ei-nem Boom der EDV-Kurse an Volkshochschulen, der in den Folgejahren eine deutliche Anpassung an reale Verhältnisse bzw. eine Abschwächung erfuhr. Als kon-textuelle Faktoren seien die „Dotcom-Blase“ der Jahr-tausendwende und die Einführung des „Europäischen Computerführerscheins“ 1997 in Österreich in Erinne-rung gerufen. Die in dieser Zeit noch vorherrschende Vorstellung der „Elektronischen Datenverarbeitung“ als rein beruflich relevantem Kursbereich kann heute als überholt angesehen werden, was sich im heute gängigen Begriff der Informations- und Kommunikationstechno-logie (IKT) widerspiegelt.

Auf Ebene der Bundesländer spielt der Fachbereich eine unterschiedlich wichtige Rolle, je nach Ausrichtung der Kurstätigkeit auf Landesebene. Insgesamt wird von rund 60 Prozent der Volkshochschulen ein Kursangebot zur beruflichen Bildung gemeldet.

EINSCHÄTZUNG DER VERWERTBARKEIT DES VHS- KURSBESUCHS DURCH VHS- TEILNEHMERINNEN

Was die Einschätzung der Verwertbarkeit aller VHS-Bildungsangebote durch die Volkshochschulteilneh-merInnen in Österreich betrifft, die in repräsentativen Erhebungen seit Mitte der 1990er-Jahre regelmäßig durch die Pädagogische Arbeits- und Forschungsstel-le des Verbandes Österreichischer Volkshochschulen (VÖV) erhoben wird, kann festgehalten werden: rund zwei Drittel der KursteilnehmerInnen, also rund 70 Prozent der Befragten (nach einer 2005 vom VÖV be-auftragten repräsentativen Studie des Market Institu-tes), die Kurse an Volkshochschulen besuchen, fanden die belegten Kurse verwertbar oder sehr verwertbar, obwohl nur rund fünf Prozent die VHS-Kurse wegen di-rekten beruflichen Anforderungen besuchen. (Vgl. Filla: 1993 bzw. 2007).

Quelle: unveröffentlichte Daten einer repräsentativen Market-Erhebung – teilveröffentlicht bei Filla: 1993 bzw. 2007.

2 Vgl. dazu: http://www.adulteducation.at/de/struktur/statistik/informationen/ [15.4.2016].

3 Vgl. Knowledgebase Erwachsenenbildung, Bereich Struktur: www.adulteducation.at. Veränderungen in den Fachbereichszuordnungen wurden in dieser Darstellung vereinheitlicht und zusammengeführt. Vor 1985 liegen Einzeldaten vor, die für diese Darstellung verwendet wurden.

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Schwerpunkt Berufliche und berufsbezogene Bildung

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BERUFLICH RELEVANT IST MEHR ALS BERUFLICHE BILDUNG

Neben dem Fachbereich 4, der die berufliche Bildung im engsten Sinn umfasst, können die verschiedenen an-deren Fachbereiche im weitesten Sinn als beruflich re-levant verstanden werden. Forschungen und Analysen zeigen deutlich, dass keineswegs nur berufliche Bildung im engsten Sinn für die TeilnehmerInnen verwertbar ist. (Vgl. Filla: 1993 bzw. 2007; Nussbaum: 2012; Vater: 2007; Lederman: 2009). Eine Schätzung der beruflichen Rele-vanz mit einem etwas breiteren Verständnis derselben, als es noch vor einigen Jahren opportun erschien, ergibt einen Anteil von rund 65 Prozent aller Angebote und Teilnahmen der österreichischen Volkshochschulen als beruflich relevant.

Der Fachbereich Politik, Gesellschaft und Kultur er-möglicht unter diesem Gesichtspunkt das Verständnis der eigenen Kultur, fördert in Kursen zur Geschichte, Persönlichkeitsbildung und vielen anderen Kursen die Kreativität und Innovationskraft im beruflichen Alltag. In konservativer Schätzung werden rund 30 Prozent der Kurse und Teilnahmen als beruflich relevant einge-schätzt. Der Fachbereich 2, also Basisbildung und zwei-ter Bildungsweg, ist wohl unbestritten von beruflicher Relevanz und wird zu 100 Prozent eingerechnet. Der Fachbereich 3 der naturwissenschaftlichen und tech-nischen Bildung zu 50 Prozent , zumal die Inhalte sehr stark divergieren. Der Fachbereich 4 umfasst den Kern der beruflichen Bildung und wird eingerechnet. Für die Sprachen wird eine berufliche Relevanz von 90 Prozent kalkuliert. Kreativität und Gestaltungskompetenz spielt in der modernen Wirtschaft eine große Rolle, der Fach-bereich Kreativität und Gestalten soll zu 50 Prozent ein-berechnet werden, um den Vorwurf der Hobbyorientie-rung nicht allzu groß werden zu lassen. Im Fachbereich 7, dem Bereich Gesundheit und Bewegung, findet sich eine Vielzahl an ausgleichenden, teils explizit dem Arbeits-bereich gewidmeten Kursen – etwa 50 Prozent der Kurse und Angebote werden als unmittelbar beruflich relevant eingestuft und in diese Schätzung einbezogen.

Beruflich relevant ist mehr als berufliche Bildung im enge-ren Sinne, der Beitrag versuchte diese These anhand von empirischen Daten und Exkursen klar zu machen. //

LiteraturArnold Rolf, Berufsbildung, in: Online Wörterbuch

Erwachsenenbildung. Schlagwort Berufsbildung. Online verfügbar unter: http://www.wb-erwachsenenbildung.de/online-woerterbuch/ [06.04.2016].

Bisovsky, Gerhard (1995): Berufliche Bildung als Instrument politischer Bildung in Volkshochschulen. In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung, 46 (175) 2–5.

Dewey, John (1986): Erziehung durch und für Erfahrung. Stuttgart: Klett-Cotta.

Diekmann, Bernhard (1991): Berufliche Bildung an Volkshochschulen in der Bundesrepublik Deutschland. In: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, 24, 409–422.

Filla, Wilhelm (1993): Das Image der Volkshochschule (II). Unterschiedliche Verteilung in der Bevölkerung. In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung, 44 (196), 2–6.

Filla, Wilhelm (1993): Image der Volkshochschulen. Positiv, mit leichten Defiziten (I). In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung, 44 (168), 2– 6.

Filla, Wilhelm (2007): Weder rot noch schwarz. Zum Image der Volkshochschule. (II). In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung, 58 (224), 7–8.

Filla, Wilhelm (2007): Das Image der Volkshochschulen. Forschungsbericht der PA. In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung, 58 (223), 6–9.

Filla, Wilhelm (2007): Billig oder teuer. Zum Image der Volkshochschule (III). In: Die Österreichi-sche Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung, 58 (225), 7–9.

Kerschensteiner, Georg (2013): Theorie der Bildung. Hamburg: Severus Verlag.

Knowledgebase Erwachsenenbildung: Online verfügbar unter: www.adulteducation.at/struktur [06.04.2016].

Lederman, Doug & Paquette, Gabriel (2009): The Relevance of the Humanities. Online verfügbar unter: https://www.insidehighered.com/views/2009/01/22/paquette [06.04.2016].

Meissner, Kurt (1974): Allgemeine und berufliche Bildung. In: Volkshochschule im Westen. Zeitschrift des Deutschen Volkshochschul-Verbandes, 26 (6), 243–246.

Monsheimer, Otto (1952): Volkshochschule und berufliche Bildung. In: Hessische Blätter für Volksbildung. Zeitschrift für Erwachsenenbildung in Deutschland, 2 (10), 230–234.

Nussbaum, Martha C. (2012): Nicht für den Profit! Warum Demokratie Bildung braucht. Überlingen: TibiaPress.

Oestreich, Paul (1923): Die elastische Einheitsschule: Lebens- und Produktionsschule (Die Lebensschule Bd. 4). Berlin: Schwetschke.

Ribolits, Erich (1990): Berufliche Bildung im Interesse der Arbeitnehmer. In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung, 41 (156), 19–23.

Rosenbladt, Bernhard (2007): Unterscheidung von beruflicher und allgemeiner Weiterbildung in empirischen Erhebungen zur Weiterbildungsteilnahme. In: REPORT, 30 (4), 21–31.

Stangl, Werner (2016): Allgemeine Erwachsenenbildung. Lexikon für Psychologie und Pädagogik. Online verfügbar unter: http://lexikon.stangl.eu/4090/erwachsenenbildung/ [24.03.2016].

Schlutz, Erhard (2016): Allgemeinbildung – allgemeine Bildung. In: Online Wörterbuch Erwachse-nenbildung. Schlagwort Allgemeinbildung. Online verfügbar unter: http://www.wb-erwachsenenbildung.de/online-woerterbuch/ [06.04.2016].

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Vater, Stefan & Zwielehner, Peter (2015): Statistikbericht 2015 der österreichischen Volkshochschu-len für das Arbeitsjahr 2013/14. Wien: o. V.

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// Der Dank der Autoren gilt dem Österreichischen Volkshochschularchiv für die Unterstützung bei der Literaturbeschaffung. http://www.vhs.at/vhsarchiv

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Schwerpunkt Berufliche und berufsbezogene Bildung

Citizenship oder Employability? Das Kompetenz-Portfolio des Rings Österreichischer Bildungswerke im Kontext einer Kritik am lebenslangen LernenLebenslanges Lernen sieht, neben der Expansion formaler Bildungsprozesse über die Lebensspanne hinweg, auch die Integration informeller Lernmöglichkeiten in ein ganzheitliches Lernkonzept vor. Der folgende Beitrag befasst sich mit dem Kompetenz-Portfolio des Rings Österreichischer Bildungswerke, das entwickelt wurde, um Freiwilligenengagement als bedeutenden Ort des informellen Lernens sichtbar zu machen, weshalb es als Teil der Strategie des lebenslangen Lernen verstanden werden kann. Gleichzeitig stellt das Kompetenz-Portfolio ein Anerkennungsverfahren für die im Freiwilligenengagement erworbenen Kompetenzen dar, mit dem Ziel, dass die ErstellerInnen diese für ihre Bewerbung auf dem Arbeitsmarkt nutzen können.

Die Untersuchung von Freiwilligenengagement unter dem Gesichtspunkt arbeitsmarktrelevanter Kriterien stellt durch die Verknüpfung von (Allgemein)Bildung und Qualifikation eine Besonderheit dar. (Vgl. Kellner: 2005, S. 3 f.). Mit Fortschreiten des Projekts äußerten sich jedoch einige im Ring Österreichischer Bildungswerke organisierte ErwachsenenbildnerInnen besorgt hinsicht-lich eines wahrscheinlichen Verlusts der Citizenship-Per-spektive zu Gunsten einer Employability-Perspektive auf die Engagementtätigkeiten, sprich eine zunehmende Fo-kussierung auf die sogenannte „Beschäftigungsfähigkeit“ der Freiwilligen zu Lasten bürgerschaftlicher Aspekte.

Der Konflikt, der sich in dieser Kontroverse abzeich-net, ist kaum noch aus deutschsprachigen Bildungsdebat-ten wegzudenken, nämlich der immer wiederkehrende Dualismus zwischen zwei Paradigmen der Erwachse-nenbildung: den Forderungen nach „wahrer“ Bildung im klassischen, humanistischen Sinn im Gegensatz zur „nützlichen“ Bildung, die sich am Arbeitsmarkt und an wirtschaftlichen Anforderungen orientiert. Schließlich also auch zwischen den unterschiedlichen Funktionen von Bildung, nämlich Emanzipation einerseits und Anpassung andererseits. Beide Ansichten über Sinn und Zweck von Bildung wirken so gegensätzlich, dass eine Vereinbarung ausgeschlossen erscheint. Versuche, diesen Konflikt aufzu-

lösen, sehen sich oftmals mit dem Vorwurf konfrontiert, entweder einen Verrat an klassischen Bildungsidealen zu begehen oder eine Ideologisierung von Bildungsinhalten vorzunehmen. Weil lebenslanges Lernen sowohl die Aus-übung von Lernaktivitäten über die gesamte Lebensspan-ne hinweg als auch die Komplementarität von formalen, nicht-formalen und informellen Lernen umfasst, erweitert sich dieser Konflikt auch auf pädagogische Maßnahmen außerhalb formeller Bildungsinstitutionen, insbesondere in der Erwachsenen- und Weiterbildung.

Die Kritik am Kompetenz-Portfolio weißt nun eine große Schnittmenge mit der generellen Kritik am lebens-langen Lernen auf. Einige wichtige Aspekte sollen im Folgenden entfaltet werden.

GENERELLE KRITIK AM LEBENSLANGEN LERNEN Lebenslanges Lernen ist in aller Munde und gilt als

unhinterfragt. Zurückzuführen ist die Begründung sei-ner Notwendigkeit auf die recht erfolgreich verbreitete Gegenwartsdiagnose über die Entstehung einer Wissens- und Informationsgesellschaft in ehemals von Industri-alisierung geprägten Staaten, einhergehend mit einer grundlegend veränderten Gesellschaftsordnung, in der neue Formen des Arbeitens, der Lebensstile und der Par-tizipation an demokratischen Prozessen vorherrschen. (Vgl. Kajetzke & Engelhardt: 2013, S. 28). Wissen bildet hierbei die Grundlage und wird als Ressource mit zent-raler Bedeutung für die ökonomische Wertschöpfung der Zukunft gesehen. (Vgl. Unterstell: 2013, S. 36). Mit der Di-agnose einer Wissensgesellschaft folgt man der Tradition des „westlich rationalisierten Fortschrittsglaubens an das wissenschaftlich ‚ positive‘ Wissen und an die Möglichkeit der stetigen Akkumulation des Wissens“. (Knoblauch: 2013, S. 14). Gleichzeitig geht die Diagnose mit der Auf-forderung an die Individuen einher, sich diesem Wandel anzupassen und sich unter hohem persönlichen Einsatz stetig weiter zu qualifizieren sowie Fähigkeiten und Kom-petenzen ständig zu erweitern. (Vgl. Kajetzke & Engel-hardt: 2013, S. 31). So wird sowohl für die Bereiche der Erziehung, Bildung und Wissenschaft dringender Hand-lungsbedarf gesehen als auch die einzelnen Menschen in die Pflicht genommen, sich selbstständig und eigenver-antwortlich um die eigene Bildung und Qualifizierung zu kümmern. Ökonomisierung und Standardisierung von Bildungsprozessen gelten dabei als notwendige Maßnah-men, um den Anschluss an den globalisierten Arbeits-markt nicht zu verlieren. (Vgl. Ebd., S. 30).

Diese positive Sichtweise auf das lebenslange Lernen ist jedoch nicht Konsens, und die Kritik daran gestaltet sich äußerst vielfältig und radikal. So wird u.a. der Mangel einer konkreten Strategie mit dem Ergebnis einer Frag-mentierung des Lernangebots kritisiert. Dies besteht nun aus „modularisierten, atomisierten Einzelkomponen-ten, die je nach Bedarf aneinander angeschlossen oder ausgetauscht werden sollen.“ (Pongratz: 2007, S. 10). Die Aufgabe der Individuen besteht darin, sich dieses Ange-bot selbst so zusammenzustellen und anzuordnen, dass es sich für sie gewinnbringend auswirkt. Wie genau dies geschehen soll, bleibt aber offen. Die Zusammenstellung der vereinzelten Bildungsbruchstücke verhindert zudem,

Julietta Adorno

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dass der/die Einzelne den eigenen Bildungsweg nachvoll-ziehen und anhand einer kritischen Bildungsidee über-prüfen kann. (Vgl. Ebd.).

Gleichzeitig zieht sich der Staat dabei als Akteur mehr und mehr in den Hintergrund zurück. Pädagogisch zu begreifen ist diese Entwicklung vor dem Hintergrund des sogenannten „autodidactic turn“ (Arnold 1999), der sich in Form eines Paradigmenwechsels Mitte der 1990er- Jah-re vollzog, also zeitgleich mit dem Wiederauftauchen des lebenslangen Lernens in Bildungsdebatten, und der zum „Konzept des selbstgesteuerten Lernens“ (ebd., S. 4; Herv. i. O.) führte. Die Folge war eine „deutliche Gewichtsver-schiebung vom Lehren zum Lernen“. (Pongratz: 2007, S. 7). Diese pädagogische Sichtweise zieht nun parallel eine Aufwertung derjenigen Lernsituationen nach sich, die außerhalb von Bildungsinstitutionen stattfinden. Gleichzeitig aber führt sie auch dazu, dass – während immer komplexere Mechanismen bzgl. des Arbeitsmark-tes und seinen Anforderungen ausgemacht werden – die Aufgabe, diese zu durchschauen und dementsprechende Bildungsmaßnahmen zu ergreifen, auf die Individuen übertragen wird: „Mit dem Selbstregulationsparadigma mutieren Bildungs- und Lernprozesse zur Bringschuld – als individuellem Versicherungsbeitrag quasi gegen indi-viduelle und gesamtgesellschaftliche Arbeitsmarkt- und Beschäftigungsrisiken.“ (Bauer et al.: 2014, S. 14; Herv. i. O.). So werden die Probleme der/des Einzelnen, eine Beschäftigung auf dem Arbeitsmarkt zu finden mit Fehl-entscheidungen, die eigene Lernbiographie betreffend, begründet. Somit zieht sich der Staat laut dieser Kritik in zweifacher Hinsicht aus der Verantwortung: Erstens dadurch, dass er die Lernentscheidungen selbst in Form einer stark fragmentierten Bildungslandschaft in die Hände der Individuen übergibt und zweitens, indem er die Risiken der Erwerbslosigkeit ebenfalls auf diese über-trägt. Zudem können dadurch strukturelle Diskriminie-rungsmechanismen bei der Bildungsbeteiligung erfolg-reich ausgeblendet werden.

KritikerInnen der aktuellen Art des lebenslangen Ler-nens stellen außerdem eine Fokussierung auf das Lernen im Sinne von Anpassung fest. Somit verliert Bildung ih-ren dialektischen Doppelcharakter von Emanzipation und Anpassung, indem sie zu einseitig auf die Zurich-tung von Humankapital ausgerichtet wird. (Vgl. Ribolits: 2011, S. 40). Emanzipation im Sinne von Widerstand, verstanden als Mut, „den Status quo des Daseins kritisch zu hinterfragen und die vorgefundene Welt im Sinn von Vorstellungen des ‚guten Lebens‘ verändern zu wollen“ (ebd., S. 37) hingegen wird in den Hintergrund gedrängt oder sogar als hinderlich gedeutet, diffamiert als Ideolo-gie, die den wirtschaftlichen Fortschritt nur hemmt. (Vgl. Borst: 2009, S. 130). Mit der ständigen Förderung der Be-reitschaft der Menschen, sich veränderten Situationen anzupassen, geht jedoch die Fähigkeit verloren, ein eige-nes Urteil über das sinnvolle Maß von Bildung zu fällen.

Die Tatsache, dass das Individuum als autonom Ler-nende/ r nun in den Mittelpunkt bildungspolitischer Bestrebungen gestellt wird, hat nicht notwendigerweise eine subjektorientierte Bildung in dem Sinne zur Fol-ge, wie das den ursprünglichen Bildungsidealen nach

beabsichtigt ist: „Insbesondere in Verbindung mit einer Orientierung an ökonomischen Rationalitäten und der Vorstellung eines gesellschaftlichen Wandels, der vor al-lem Anpassungsnotwendigkeiten erzeugt, steht Subjek-torientierung immer auch in der Gefahr einer vertieften Unterwerfung des Einzelnen, deren Mechanismen subtil und deshalb umso wirksamer sind.“ (Rothe: 2009, S. 108). Dabei müsste die Thematisierung, Analyse und Reflexi-on der Ambivalenz, „dass eine Erhöhung der Selbstbe-stimmung zugleich eine zunehmende Zurichtung des Subjekts auf die Fremdherrschaft des Marktes bedeutet“ (Óhidy: 2011, S. 40), selbst Teil von Bildung sein.

Allein die Verwendung von aus dem Wirtschaftsjar-gon entliehenen und auf den Bereich der Bildung umge-münzten Begriffe wie Humankapital oder Verwertbarkeit und schließlich auch Portfolio im bildungspolitischen Diskurs lassen Bildung zu einer Ware und einem Pro-dukt werden, „das nach marktüblichen ökonomischen Effizienzkriterien bewertet und verkauft wird“. (Holzer: 2004, S. 93). Lebenslanges Lernen und die in seinem Zu-sammenhang verwendeten pädagogischen Maßnahmen erscheinen vor diesem Hintergrund nicht allzu selten als Ökonomisierungsinstrumente.

Durch die permanente Betonung der Möglichkeiten, die sich den Menschen durch das lebenslange Lernen bieten, bleibt obendrein unbeachtet, dass dieses Ange-bot inzwischen bereits einen obligatorischen Charakter erhalten hat. Kritisiert wird die Tatsache, dass keine tat-sächlich real existierende Wahlfreiheit dazu besteht bzw. keine Alternativoptionen angeboten werden. Was als Zu-gewinn von Freiheit propagiert wird, wird letztlich auch aufgrund seiner Universalität, sprich der Einbeziehung einerseits des ganzen Lebens, andererseits sämtlicher Lebensbereiche, zum Zwang. Dies verhindert die Ent-stehung von Rückzugsgebieten zur Erholung und zur Reflexion und begünstigt dadurch eine Tendenz zur Päd-agogisierung der Gesellschaft: „Diese zielt auf eine Allge-genwärtigkeit des (pädagogisch unterstützten) Lernens in allen Bereichen des menschlichen und gesellschaftlichen Lebens.“ (Óhidy: 2011, S. 38). Infolgedessen werden sämt-liche Erfahrungen hinsichtlich der darin gemachten Lern-prozesse überprüft. Dieser Zwang scheint dem Konzept des lebenslangen Lernens inzwischen so sehr immanent zu sein, permanente Bildung hat sich als Norm so sehr durchgesetzt und ist zur Verpflichtung jede/ r Einzel-nen geworden, dass es kein Entkommen mehr zu geben scheint. Mit „einer Realisierung lebenslangen Lernens im Sinne einer Erweiterung von Freiheit und Gleichheit“ (Wittpoth: 1997, S. 31) hat dies nun nichts mehr zu tun.

KRITIK AN DER KRITIK Es zeigt sich also, dass die Kritikpunkte am Konzept des

lebenslangen Lernens äußerst zahlreich sind. Dabei rich-ten sie sich besonders gegen die aktuelle Umsetzung des lebenslangen Lernens, die zu einer reinen Funktionalisie-rung von Bildung führt, auf Kosten klassischer Bildungs-attribute wie Freiheit, Gerechtigkeit und Humanität, die sich auf individueller Ebene in Mündigkeit, Emanzipation und Selbstbestimmung ausdrücken. Doch auch bei dieser Kritik gilt es, einige Aspekte zu hinterfragen.

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Schwerpunkt Berufliche und berufsbezogene Bildung

Der enorme Widerstand gegen Reformen mit ökono-mischer Ausrichtung im Bildungsbereich lässt sich sehr auffällig im deutschsprachigen Raum beobachten. Dort trifft die „semantische und reale Ökonomisierung von Bildung (…) auf ein wesentlich neohumanistisch und geisteswissenschaftlich geprägtes Diskursfeld, auf dem es beiderseits keine Andockstellen zu geben scheint.“ (Fuchs: 2007, S. 136). Bei der Bezugnahme auf die humboldtsche Bildungstheorie wird jedoch oftmals vergessen, dass die-sem Bildungsideal ein „elitär-aristokratischer Charakter“ (ebd, S. 140) zugrunde liegt. Außerdem handelt es sich dabei um ein Konstrukt, das vor einem ganz spezifischen politischen und sozialen Hintergrund entstanden ist und vor diesem betrachtet werden muss. Bleibt es also bei einer unreflektierten Bezugnahme auf Humboldt, um Bildungs-reformen zu kritisieren, verpasst man die Chance, andere alternative Bildungskonzepte in Erwägung zu ziehen. Zu vermeiden ist ein Generalverdacht gegen alle Form von Bildung, die auf eine Nützlichkeit für das Berufsleben ab-zielen und diese verurteilen : „Zweckfreie Bildung gegen den Erwerb nützlicher Kenntnisse auszuspielen, läuft da-rauf hinaus, den allergrößten Teil der Menschen mit dem Stigma des Ungebildeten zu behaften.“ (Wittpoth: 1997, S. 27). Viel wichtiger als die alleinige Kritik an der Tatsache, dass Bildung auch berufsbezogene Qualifizierungsprozes-se mit einschließt, ist die an deren Voraussetzungen, Um-setzung sowie an deren Intentionen.

In dieser Hinsicht erscheint es ebenfalls wichtig, nicht das Prinzip des lebenslangen Lernens selbst, sondern die Art und Weise wie dieses umgesetzt wird, zu kritisieren. Sowohl im Zuge der allgemeinen als auch der beruflichen Bildung können Inhalte so vermittelt werden, dass sie ent-weder zur Bewusstseinsbildung beitragen oder das Gegen-teil bewirken; „Bildung ist nicht an tradierte Inhalte oder bestimmte, von der Realität abgehobene Bildungsgüter gekoppelt, sondern daran, inwieweit die Lerninhalte zum Anlass dafür werden, die vorfindbare Realität kritisch zu hinterfragen.“ (Ribolits 2011, S. 38). Es sind also die „Bedin-gungen, unter denen Lernen stattfindet“ (ebd.) die den Un-terschied machen. Eine eindimensionale Ausrichtung von Bildung ist so oder so unter allen Umständen zu vermeiden.

Zu der Erkenntnis, dass eine Verfolgung des aufkläreri-schen Bildungsideals nicht automatisch zur Einlösung des Freiheitsversprechens führen würde, leistete Theodor W. Adorno in seiner „Theorie der Halbbildung“ (2006) einen wichtigen Beitrag, indem er die Dialektik von Emanzi-pation und Anpassung aufdeckte: „Was also die Kritik an den gegenwärtigen Bildungsvorstellungen als Perversion markiert, (...) ist strukturell im klassischen Bildungskon-zept selbst enthalten in Gestalt eines spezifischen Selbst-verhältnisses, das es den Individuen gestattete, sich den nicht selbst gewählten Anforderungen zu unterwerfen, diese Unterwerfung aber zugleich als Akt der Freiheit zu interpretieren.“ (Wimmer: 2002, S. 48 f.). Diesem Dilemma kann nur durch eine ständig wiederkehrende Selbstrefle-xion begegnet werden, die sich dabei außerdem auf kon-krete Gegenstände bezieht. Die Thematisierung konkreter Alltagserfahrungen kann die emanzipatorische Erwachse-nenbildung davor schützen, „in der dünnen Luft abstrakter Negation zu verkümmern.“ (Pongratz: 2010, S. 37). Dafür

ist es notwendig, „die Erfahrungen, die die Erwachsenen von der Gesellschaft gemacht haben, aufzugreifen, zu strukturieren, weiterzuführen, eigentlich an vorlaufende soziale Prozesse dieser Menschen, in die sie verwickelt sind und in denen sich ihre Alltagserfahrungen bilden, anzu-knüpfen.“ (Negt zit. n. Pongratz: 2010, S. 37).

Insgesamt bildet die hier dargestellte Kritik am lebens-langen Lernen eine gute Grundlage, um einzelne, im Zu-sammenhang damit stehende pädagogische Maßnahmen zu hinterfragen. Dies bietet die Chance, konkret über Alternativvorschläge nachzudenken, innerhalb derer die emanzipatorischen und humanistischen Bildungsideen aufgehen und die dadurch bei den Menschen das vielfach geforderte kritische Bewusstsein fördern können. Das Kompetenz-Portfolio des Rings Österreichischer Bildungs-werke soll hinsichtlich seines diesbezüglichen Potenzials in der folgenden Ausgabe genauer diskutiert werden. //

ZUR AUTORIN: Julietta Adorno, M.A., geb. 1987. Wissenschaftliche Mitarbeiterin am In-stitut für Erziehungswissenschaft an der Stiftung Universität Hildesheim.

LiteraturAdorno, Theodor W. (2006): Theorie der Halbbil-

dung. Frankfurt a. Main: Suhrkamp.Arnold, Rolf (1999): Vom autodidactic zum facility

turn – Weiterbildung auf dem Weg ins 21. Jahrhundert. In: Rolf Arnold & Wiltrud Gieseke (Hrsg.), die Weiterbildungsgesellschaft. Band 1: Bildungstheoretische Grundlagen und Ana-lysen (S. 3–14). Neuwied: Ziel Verlag.

Bauer, Ullrich, Bolder, Axel & Bremer, Helmut (2014): Widersprüche im Prozess der Re-Strukturierung der Klassengesellschaft. In: Ders. et al. (Hrsg.), Expansive Bildungspolitik – Expansive Bildung? (S. 9–36). Wiesbaden: Springer.

Borst, Eva (2009): Das Verschwinden der Bildung. Friedrich August von Hayek, die Vernunft und die moderne Bildungsidee. In: Richard Kubac, Christine Rabl & Elisabeth Sattler (Hrsg.), Weitermachen? Einsätze theoretischer Erzie-hungswissenschaft (S. 128–140). Würzburg: Königshausen & Neumann.

Fuchs, Eckhardt (2007): Entmystifizierung und Internationalisierung: Anmerkungen zur gegenwärtigen Bildungsdebatte. In: Ludwig A. Pongratz, Roland Reichenbach & Michael Wimmer (Hrsg.), Bildung – Wissen – Kompe-tenz (S. 136–154). Bielefeld: Janis Presse.

Holzer, Daniela (2004): Widerstand gegen Wei-terbildung. Berlin – Münster – Wien – Zürich – London: LIT.

Kajetzke, Laura & Engelhardt, Anina (2013): Leben wir in einer Wissensgesellschaft? In: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung ‚Das Parlament‘ : Wissen, B 18-20 (29. April), 28–35.

Kellner, Wolfgang (2005): Freiwilligenarbeit, Er-wachsenenbildung und das informelle Lernen. Das Kompetenz-Portfolio für Freiwillige des Rings Österreichischer Bildungswerke. In: Internationales Jahrbuch der Erwachsenenbil-dung 2004, 207–221.

Knoblauch, Hubert (2013): Wissenssoziologie, Wissensgesellschaft und die Transformation der Wissenskommunikation. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung ‚ Das Parlament‘: Wissen, B 18-20 (29. April), 9–16.

Óhidy, Andrea (2011): Der erziehungswissenschaft-liche Lifelong Learning- Diskurs. Rezeption der europäischen Reformdiskussion in Deutschland und Ungarn. Wiesbaden: Springer.

Pongratz, Ludwig A. (2007): „Sammeln Sie Punkte?“ Notizen zum Regime des lebenslangen Lernens. In: Hessische Blätter für Volksbildung, 57 (1), 5–18.

Pongratz, Ludwig A. (2010): Kritische Erwachsenen-bildung. Analysen und Anstöße. Wiesbaden: Springer.

Ribolits, Erich (2010): Diese Art von lebenslangem Lernen hilft nicht! In: Denknetz. Jahrbuch 2010, 134–141. Online verfügbar unter: http://www.denknetz-online.ch/IMG/pdf/ Ribolits_Jahr-buch_2010.pdf [25.03.2014].

Ribolits, Erich (2011): Damit aus Wissen Bildung wird, braucht es eine andere Kultur des Lernens! In: Bundesvertretung der Österreichischen HochschülerInnenschaft (Hrsg.), Wessen Bil-dung? Beiträge und Positionen zur bildungspoli-tischen Debatte (S. 35–48). Wien: Mandelbaum.

Rothe, Daniela (2009): Lebenslanges Lernen als Regierungsprogramm: Der deutsche bildungs-politische Diskurs in gouvernementalitätsthe-oretischer Perspektive. In: Peter Alheit & Heide v. Felden, Heide (Hrsg.), Lebenslanges Lernen und erziehungswissenschaftliche Biographie-forschung. Konzepte und Forschung im europäi-schen Diskurs (S. 89–110). Wiesbaden: Springer.

Unterstell, Rembert (2013): Science Center: Wissen als Erlebnis. Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung ‚ Das Parlament‘ : Wissen, B 18-20 (29. April), 35–41.

Wittpoth, Jürgen (1997): Recht, Politik und Struktur der Weiterbildung. Eine Einführung. Baltmanns-weiler: Schneider Hohengehren.

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LifeManagement für jugendliche Flüchtlinge und MigrantInnenEin aktueller Lehrgang von EBC*LMit dem EBC*L LifeManagement Programm liegt ein Training vor, mit dem sich speziell junge Menschen jene Kompetenzen aneignen können, um zielorientiert und motiviert ihr Leben zu planen und erfolgreich zu meistern

Schwerpunkt

Ali ist vor drei Jahren mit seinen Eltern aus dem mittleren Os-

ten geflüchtet. Mittlerweile hat er sich schon gut in Österreich

eingelebt. Dazu beigetragen hat, dass er ein ausgezeichneter

Fußballer und eine wichtige Stütze der Fußballmannschaf-

ten in der Schule als auch im Verein ist.

Am 3o. Mai wird Ali 16 Jahre alt. Dieses Mal soll das ein be-

sonderer Geburtstag mit einer tollen Feier werden. So um die

30 werden es schon werden. Seine Mutter fällt fast in Ohn-

macht, als sie das hört. Ali ist clever und hat natürlich damit

gerechnet. Aber er hat bereits einen Plan …

Es darf vorweggenommen werden: Ali wird seinen Traum erfolgreich verwirklichen können. Es wird eine tolle Party. Leicht wird es jedoch nicht. Um erfolgreich zu sein, muss Ali folgende Schlüsselkompetenzen anwenden:

• Wirtschaftliche Kompetenz, um aus den knappen Ressourcen ein bestmögliches Ergebnis erzielen zu können.

• Management Kompetenz, um zielorientierte, fun-dierte Entscheidungen treffen zu können.

• Soziale Kompetenz, um richtig zu kommunizieren, andere von sich und seinem Vorhaben zu überzeu-gen, Krisen und Konflikte zu bewältigen.

Diese Kompetenzen sind Kern des EBC*L LifeManage-ment Trainings. Den roten Faden des Trainings bildet die Planung einer Geburtstagsfeier, im Zuge derer Ant-worten auf Fragen wie diese gefunden werden: Wie kann ich trotz geringer Ressourcen eine schöne Feier machen? Was könnte alles schiefgehen und wie kann ich das ver-meiden? Wen von meinen 40 Freunden soll ich einladen, wenn ich nur für 30 Platz habe? Was sind die Wünsche meiner Gäste (Empathie)? Was kann ich alleine erledi-gen, wozu brauche ich Unterstützung (Stärken-Analyse)?

1 + 1 = 3 Der zertifizierte Lehrgang EBC*L LifeManagement

stellt einen vollkommen neuen Zugang zu bestehenden Sozial- und Wirtschaftskompetenztrainings dar. Hard Skills und Soft Skills werden auf intelligente Art und Wei-se verbunden. Gleichzeitig erwerben die TeilnehmerIn-nen auch jene Schlüsselkompetenzen, die sowohl Jugend-lichen als auch arbeitslosen Personen oft abgestritten werden (z.B. die Fähigkeit zu rechnen, sinnerfassend zu lesen, ausdauernd ein Ziel zu verfolgen, sozialen Umgang zu pflegen). Neben der Vermittlung dieser Schlüsselkom-

Victor Mihalic

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DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2016 · NR. 258 — 23

Schwerpunkt Berufliche und berufsbezogene Bildung

petenzen erreicht das Life Management Programm auch folgende Ziele: Aktivierung, Orientierung, Steigerung des Selbstwertgefühls, Selbstmotivation, Stressresistenz.

MANAGEN NEU GEDACHT „Sein Leben in die eigene Hand nehmen und nicht

nur auf die Hilfe anderer zu vertrauen. Herausforderun-gen aktiv angehen. Unternehmen statt unterlassen.“

Es sind Lebenseinstellungen wie diese, die Menschen erfolgreich machen. Im Lehrgang EBC*L LifeManage-ment wird genau daran methodisch gearbeitet. Beispie-le dafür sind die ABC-Analyse, Kostenplanung oder die Plus-Minus-Liste. Diese Methoden sind so verständlich aufbereitet, dass sie von jeder/jedem für das tägliche pri-vate und berufliche Leben angewendet werden können.

Die TeilnehmerInnen erfahren, dass sich das Ma-nagement-Prinzip für jeden Lebensbereich anwenden lässt; seien es die Finanzen, die Gesundheit, Krisen und Konflikte uvm.

WIRTSCHAFTLICHKEIT NEU GEDACHT„Geld“ ist sicherlich eine wichtige Ressource, aber

wahrlich nicht alles! Diese Grundhaltung zu vermitteln, ist eine der Aufgaben des Lehrgangs. Denn zu den Res-sourcen zählen auch die eigene Gesundheit, die Familie und Freunde, die Wohnung, die Natur und vieles mehr. Mit all diesen soll wirtschaftlich umgegangen werden, was nichts anderes bedeutet als „aus knappen Ressour-cen den größten Nutzen zu erzielen“. Da es um eine lang-fristige Betrachtung von Wirtschaftlichkeit geht, ist auch Nachhaltigkeit ein zentrales Thema. Beispiel: Vernach-lässige ich meine besten Freunde zu Gunsten meines neuen Hobbies, dann kann mir das kurzfristig vielleicht mehr Lustgewinn bringen, langfristig werde ich aber wohl erkennen müssen, dass Freunde, auf die man wirk-lich zählen kann, nicht auf Bäumen wachsen.

7 VON 8 BASIS- UND SCHLÜSSELKOMPETENZEN DER EU ABGEDECKT

Die Europäische Kommission hat acht Schlüsselkom-petenzen für lebenslanges Lernen definiert. Sechs davon werden in der Standardversion des LifeManagement Lehr-gangs erfasst: Landessprache, Mathematik, Sozialkompe-tenz, digitale Kompetenz, Eigeninitiative und Entrepre-neurship, Lernkompetenz. Da die Lernunterlagen auch in Englisch verfügbar sind, kann auch die Schlüsselkom-petenz „Beherrschen einer Fremdsprache“ erfasst werden.

AUCH AUF ARABISCH UND IN FARSI Die Teilnehmerunterlagen für das EBC*LifeManage-

ment können den Flüchtlingen und Migranten auch in deren Landessprache angeboten werden. Denn es hat sich gezeigt, dass Personen, die gerade grundlegendes Deutsch gelernt haben, mit einer berufsorientierten Aus-bildung in deutscher Sprache heillos überfordert sind.

Eine sinnvolle Lösung könnte folgender Weg sein: Die TeilnehmerInnen eignen sich zuerst die Inhalte in der eigenen Landessprache an, dann können sie einzel-ne Teile des Programms auch in Deutsch absolvieren. (1+1 = 3)

INTEGRIERTER KOMPETENZCHECK Das Training kann auch als intensives (Selbst-)Assess-

ment-Center gesehen werden. Es müssen Regeln befolgt, Aufgaben unter Zeitdruck in Einzelarbeit als auch in Teams gelöst werden, zielgerichtet kommuniziert werden, Krisen überwunden und Prüfungen absolviert werden. Im Modul „Individuelle Stärke“ wird den TeilnehmerIn-nen Zeit und Raum gegeben, um über ihr Verhalten, ihre eigenen Stärken und Interessen zu reflektieren.

ANERKANNTES EBC*L ZERTIFIKAT ALS KOMPETENZNACHWEIS UND MOTIVATOR

Wer das anspruchsvolle Training inklusive der Ab-schlussprüfung positiv absolviert, bekommt von der EBC*L International Zentrale das LifeManagement- Zertifikat ausgestellt. Damit kann der Absolvent seine wirtschaftliche und soziale Kompetenz bei Bewerbungs-gesprächen nachweisen und in das Berufsleben erfolg-reich einbringen.

Ein erfreulicher Nebeneffekt des Zertifikats: die TeilnehmerInnen sind motiviert, das Training bis zum Schluss durchzumachen. Dementsprechend kann von sehr geringen Abbrecherquoten berichtet werden.

WERTE WERDEN GELEBT (UND NICHT GEPAUKT)Der Lehrgang vermittelt durchgängig zwei wesentli-

che Grundhaltungen, die die Basis für ein gutes Mitein-ander bilden:• Empathie: sich in sein Gegenüber hineinfühlen; ver-

suchen Verständnis zu entwickeln für dessen Aus-gangslage, für seine Gefühls- und Gedankenwelt.

• Toleranz: das Verhalten, das Anders-Sein, die An-sichten des Gegenübers akzeptieren können.Das Training ist so aufgebaut, dass es ausreichend Ge-

legenheit gibt, diese Werte zu leben.

REVOLUTIONÄRE PÄDAGOGIK: STORYTELLING & COAllgemein setzt sich die Erkenntnis durch, dass Trai-

nerInnen ihre bisher hauptsächlich gelebte Rolle als Vermittler von Wissen stark reduzieren müssen. Den Akt der Wissensvermittlung können gute Unterlagen, e-learning-Programme, Infotainment-Sendungen, You-tube, Wikipedia und Co unter Umständen auch erfüllen. Den TrainerInnen bleibt die anspruchsvolle Aufgabe die Lernprozesse zu moderieren.

Das LifeManagement-Training geht sogar noch einen Schritt weiter: Hier soll der Trainer zum Regisseur von Lernprozessen werden. Überraschende Aha-Erlebnisse sollen nicht nur Neugierde wecken und Spaß machen, son-dern zudem zu einem nachhaltigen Lernergebnis führen.

Eine Methode dafür ist das Storytelling. In Train-the-Trainer Seminaren werden diese Methoden erläutert.

EINGESETZT UND EVALUIERT BEI VERSCHIEDENSTEN ZIELGRUPPEN

In den letzten zwei Jahren haben mehr als 300 Perso-nen das LifeManagement-Training absolviert. Auftrag-geber waren die AMS Landesgeschäftsstellen in Wien, Burgenland und Vorarlberg. Nach ausgezeichneten Eva-luierungsergebnissen ist der LifeManager jetzt in verschie-

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Schwerpunkt Berufliche und berufsbezogene Bildung

24 — DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2016 · NR. 258

denste Maßnahmen integriert. Von Überbetrieblichen Lehrlingsausbildungen (ÜBA) bis zu New Skills-Pro-grammen wird er verschiedenen Zielgruppen angeboten.

LIFELONG ENTREPRENEURSHIP FÜR DIE KARRIERE UND SELBSTÄNDIGKEIT

Der Lehrgang EBC*L LifeManagement kann der Ein-stieg in ein „lebensbegleitendes Trainingsprogramm für Wirtschaftskompetenz“ sein. Dabei hat der Trainee die freie Wahl:• Strebt man eine Karriere in einem Unternehmen an,

kann man mit dem EBC*L Career Programm fortsetzen.• Wer als selbständiger Unternehmer den Erfolg sucht,

holt sich mit dem EBC*L Enterprise das notwendige Rüstzeug dafür (ab 2017)

START DES LIFEMANAGERS AB SOFORT MÖGLICHEBC*L Partnerinstitute bekommen ein allumfassen-

des Lehrgangspaket und können mit ihren Trainings

sofort und ohne Entwicklungsaufwand loslegen: Von Teilnehmer-Handouts, Trainerunterlagen, Trainings-designs bis zu Train-the-Trainer-Seminaren steht alles erfolgserprobt zur Verfügung.

DEMOKRATISIERUNG VON WIRTSCHAFTSBILDUNG – AUFTRAG FÜR DIE VHS

Victor Mihalic, Chairman von EBC*L International hat das LifeManagement Ausbildungsprogramm entwickelt: „Wirtschaftskompetenz soll nicht mehr einer kleinen Elite vorbehalten sein, sondern soll einer breiten Basis zur Ver-fügung gestellt werden. Die Demokratisierung wirtschaft-licher Bildung – und das auch grenzüberschreitend – war von Beginn an unser Ziel. Diesem sind wir in den letzten zwölf Jahren auch nähergekommen. Mehr als 50.000 Per-sonen aus 34 Ländern haben mittlerweile eine Ausbildung mit einem EBC*L Zertifikat abgeschlossen. Die allermeis-ten davon hätten ohne dem EBC*L Angebot sonst wohl kaum eine wirtschaftliche Ausbildung gemacht.“ //

// Obwohl das für alle Beteiligten mit Mehraufwand ver-bunden ist, können sich alle mit dem Konzept identifizie-ren. Das Geheimnis des Erfolgs sieht Mihalic darin: „Jeder Einzelne akzeptiert die Ziele und erkennt die Sinnhaftigkeit des Konzepts; und wer einen Sinn sieht, der macht das auch mit Engagement und Freude.“

ZUSATZINFOS ÜBER EBC*L:

EBC*L – DAS INTERNATIONALE ZERTIFIKAT FÜR WIRTSCHAFTLICHE UND SOZIALE KOMPETENZDas Zertifikat European Business Competence* Licence, EBC*L – auf Deutsch auch „Europäischer Wirt-schaftsführerschein“ genannt - hat sich als internationaler Standard der wirtschaftlichen Bildung etabliert. Das revolutionäre Konzept des EBC*L ist, für jede Lebensphase und jeden Karriereschritt passgenau eine praxisrelevante wirtschaftliche und soziale Kompetenz anzubieten.Zu den häufigsten Rückmeldungen der AbsolventInnen gehört: „Der EBC*L bietet kein abgehobenes Theo-riewissen, sondern beinhaltet genau jene Themen, die ich für meine tägliche Arbeit, aber auch für die Freizeit tatsächlich benötige.“Renommierte Unternehmen wie ABB, EDEKA Hamburg, EVONIK, REWE (Merkur) UNIQA Versicherung, VW Wolfsburg, Wüstenrot und viele mehr den EBC*L in ihr Karriereprogramm integriert. Ein EBC*L Zertifikat bietet daher auch bessere Job- und Karrierechancen.Der EBC*L kann aktuell in mehr als 25 Ländern in 21 Sprachen absolviert werden (daher natürlich auch in Englisch). Über 50.000 TeilnehmerInnen aus allen Bildungsbereichen – von der Schule, Hochschule, in Unternehmen, in der Weiterbildung - haben bereits ein EBC*L Zertifikat erworben.

DIDAKTISCHER RAHMEN: KERNWISSEN, ZENTRALE PRÜFUNG, GESICHERTE QUALITÄT, GRENZEN ÜBERSCHREITEND Als im Jahr 2000 die EBC*L Initiative zur Verbreitung wirtschaftlicher Kompetenz startete, war es Ziel für die vollkommen unübersichtliche Materie „Betriebswirtschaft“ einen internationalen Standard zu setzen und überprüfbare Qualitätsstandards zu definieren. Ganz zu Beginn stand die Frage im Zentrum: „Wer braucht wie viel betriebswirtschaftliches Know How?“ Studien brachten ein dreistufiges Konzept: Betriebswirtschaftli-ches Kernwissen (für fast jeden), wirtschaftliches Planungswissen (für Personen mit Planungskompetenzen), Führungswissen für Personen in Management- und Führungspositionen. Dies wurde mittlerweile ergänzt durch EBC*L LifeManagement als wirtschaftliche wie auch soziale Basiskompetenz für alle, sowie dem EBC*L Enterprise, der „Unternehmer-Kompetenz“.Durch international normierte und standardisierte Prüfungen wird gewährleistet, dass nur jene ein EBC*L Zertifikat bekommen, die das erforderliche Wissensniveau nachgewiesen haben. Die durchführenden Ins-titute und Schulen verpflichten sich die Qualitätsstandards einzuhalten. Modernste Lernmaterialien und Trainingskonzepte helfen die Lernziele schnell und freudvoll zu erreichen. Für TrainerInnen und LehrerInnen werden Train-the-Trainer-Lehrgänge angeboten.

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Schwerpunkt Berufliche und berufsbezogene Bildung

ECVision: Professionalisierungs-impulse für Supervision und CoachingSupervision, Coaching und andere Beratungsformate gewinnen zunehmende Bedeutung in einer Arbeitswelt, in der sich Arbeitsbedingungen wie auch Arbeitsaufgaben schnell ändern. Dadurch ist effektive Zusammenarbeit mehr und mehr auf professionelle Kommunikation angewiesen: Wo Menschen nicht strukturiert miteinander kommunizieren, sinken Verlässlichkeit und Verbindlichkeit, Arbeitsbeziehungen und Prozesse werden verwirrend, Ziele verfehlt.

Schwerpunkt

Michaela Judy Doch auch die Professionen selbst gerieten unter den Druck schneller Entwicklungen: Die freien Berufe Su-pervision und Coaching verfügten über keine gemeinsa-me und konsistente Beschreibung auf europäischer Ebe-ne, es gibt vielfältige und nicht selten widersprüchliche Begriffsverständnisse.

Nationale wie europäische Berufsverbände bieten zwar Standards für die berufliche Aus-und Weiterbil-dung. Die Regelungen für die Mitgliedschaft und Akkre-ditierung geben Orientierung, doch sie unterscheiden sich in Fokus, Umfang und Begründungen oft beträcht-lich.

Das waren die Ausgangsüberlegungen des LEONAR-DO-Innovationsentwicklungs-Projektes „ECVision. Ein Europäisches System der Vergleichbarkeit und Validie-rung supervisorischer Kompetenzen“.

Zentrales Anliegen war es, für die Professionen Su-pervision und Coaching in Ausbildung wie Anwendung auf europäischer Ebene eine Basis für Vergleichbarkeit und Transparenz zu schaffen.

Im November 2012 traf sich ein transnationales ExpertInnen-Team für Supervision und Coaching zum ersten Mal im Rahmen des Projektes: Marina Ajduko-vic (Kroatien), Lilja Cajvert (Schweden), Michaela Judy (Österreich), Wolfgang Knopf (EU/Österreich), Hubert Kuhn (Deutschland), Krisztina Madai (Ungarn) und Mieke Voogd (Die Niederlande) haben die Projektergeb-nisse entwickelt und ausgearbeitet. Im September 2015 wurden die Ergebnisse im Rahmen einer Abschlusskon-ferenz in der Urania Wien der professionellen Commu-nity präsentiert.

Die beiden Hauptergebnisse sind:• ein europäisches Glossar für Supervision und Coa-

ching, und• ein europäisches Kompetenzprofil für Supervision

und Coaching.

DIE GRUNDPRINZIPIENDie ECVision-Ergebnisse gründen dabei auf drei Prinzi-pien.

GENERISCHER ZUGANGStatt auf spezifische Theorien, Instrumente oder Tech-

niken von Beratung zu rekurrieren, entschied sich das Projektteam für eine Klassifikation von Merkmalen, die allen Beratungsprozessen gemeinsam sind, und die da-rüber hinaus die Interaktion von Personen, beruflichen Anforderungen und Organisationen im Fokus haben.

Dazu wurden Schlüsselwörter und Kompetenzen auf der Grundlage der europäischen Basisliteratur beschrie-ben. Diese generischen Grundlagen erwiesen sich als weit konsistenter als erwartet. Differenzen zeigen sich v. a. in unterschiedlichen Entwicklungsgeschichten, „Schu-len“ oder nationalen oder institutionellen Traditionen. Dennoch war es nicht schwierig, aus der Literatur Schlüs-selbegriffe und -kompetenzen zu identifizieren, die in fast allen europäischen Diskursen aufscheinen.

FOKUS AUF DIE INTERAKTION VON PERSONEN, BERUFLICHEN ANFORDERUNGEN UND ORGANISATION

Der Geltungsbereich von ECVision bezieht sich strikt auf Supervision und Coaching, d.h. auf die Interaktion von Personen, beruflichen Anforderungen und Organisation.

FEEDBACKSCHLEIFEN MIT DER PROFESSIONELLEN COMMUNITY

Obwohl ECVision sich vor allem an den Standards des Projektpartners ANSE (Association of National Organi-sations for Supervision in Europe) orientiert, konnten wir Kontakt mit der anderen großen europäischen Dachorga-nisation herstellen. Zwei Konferenzen gaben Gelegenheit zur Diskussion und ermöglichten, die ECVision-Ergeb-nisse als Grundlage eines europäischen Verstehensrah-mens für Supervision und Coaching zu nutzen.

DIE PRODUKTE DAS GLOSSAR

Das Glossar zielt darauf ab:• Orientierung und Beschreibung zu liefern, wie die

aktuellen professionellen Diskurse in Europa die Be-griffe Supervision und Coaching verwenden.

• Eine Struktur anzubieten, die als Grundlage für eine gemeinsame Terminologie dienen kann, aber flexibel genug ist, um an neue Bedingungen im Feld ange-passt werden zu können.

• Transparenz und Vergleichbarkeit – aber nicht Har-monisierung – unterschiedlicher Anforderungen, Verantwortlichkeiten und professionellen Standards zu ermöglichen.

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Schwerpunkt Berufliche und berufsbezogene Bildung

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Eine Beschreibung der Schlüsselbegriffe von Supervision und Coaching, die nicht bloß formale Faktoren in den Blick nehmen will, steht vor mehreren Herausforderungen.Supervision und Coaching zielen auf Interaktion, auf die Unterstützung individueller und organisatorischer Ver-änderungen oder auf die Lösung von Spannungen und Konflikten in der täglichen Arbeit.

Damit befinden sich Supervision und Coaching, wie alle Beratungsberufe, in einer produktiven Spannung von beschreibbarer Kompetenz und konkreter, je unter-schiedlicher Beziehungsdynamik. Diese Beziehungsdy-namik fördert einen selbstorganisierten Prozess, in dem Supervisorin/Coach und SupervisandInnen/Coachees einen sicheren Reflexionsraum co-kreieren.

Dadurch wird es möglich, mehr von der Komplexi-tät einer konkreten Situation zu begreifen, Ambigui-tätstoleranz zu entwickeln, Organisationsdynamiken zu verstehen und sie in persönliche Ziele zu integrieren ler-nen, und nicht zuletzt, Entscheidungen zunehmend auf Reflexion zu gründen.

Lerntheoretisch schließt dieses Supervisions- und Coa-chingverständnis an Heyse/Erpenbeck an: „Kompeten-zen kann man nicht »lernen«, so wie man das Einmaleins (…) oder die Abfolge historischer Ereignisse lernt. Das hängt damit zusammen, dass Kompetenzen von Werten fundiert und von Erfahrungen konsolidiert werden. Wer-te kann man aber nur selbst verinnerlichen, Erfahrungen nur selbst machen. (…) Deshalb gilt: Wissen im engeren Sinne lässt sich prinzipiell ... durch Lehrprozesse vermit-teln. Erfahrungen, Werte, Kompetenzen lassen sich nur durch emotions- und motivationsaktivierende Lernpro-zesse aneignen. (…) Kompetenzen sind folglich nur in Trainings- und Coachingformen vermittelbar.“

Dies bedenkend, stand das – selbst multilinguale und multiprofessionelle –Projektteam vor der Herausforde-rung, sowohl Kriterien für relevante Begriffe wie auch eine sinnvolle Struktur für ihre Darstellung entwickeln zu müssen.

In den vielen Diskussionen wurde sehr deutlich, dass zwar Widerspruchsfreiheit eine Illusion ist, aber erst De-finitionen einen Rahmen schaffen, um gemeinsame Be-deutungen in Kommunikation bringen zu können.

Die schließlich gefundene Struktur differenziert in einem ersten Schritt die Formate Supervision und Coa-ching aus.

Der Begriff Supervision wird in Europa für folgende Beratungsformate verwendet:• Qualitätssicherung für in psychosozialen Arbeitsfel-

dern mit KlientInnen Tätige;• Aus- und Weiterbildung: Lehrsupervision für Ausbil-

dungskandidatInnen;• Beratung beruflichen Handelns in allen Arbeitsfel-

dern;• Organisationssupervision.

Zentrale Begriffe sind Interaktion und Reflexion.Coaching lässt sich beschreiben als eine Form profes-

sioneller Beratung, die:• Coachees unterstützt, ihr persönliches und professio-

nelles Potenzial zu maximieren.

• Auf das professionelle und persönliche Wachstum der Coachees fokussiert.

• Vorrangig auf Manager abzielt, und mit themenspe-zifischer Unterstützung sowie dem Einüben von Fer-tigkeiten arbeitet.

Der zentrale Fokus liegt bei den Coachees, ihren Zie-len und Bedürfnissen.

Supervisions- und Coaching-Konzepte, die jenseits des Geltungsbereichs von ECVision (Interaktion von Personen, beruflichen Anforderungen und Organisatio-nen) stehen, wurden nicht einbezogen.

Die Meta-Struktur des Glossars folgt den Dimensio-nen Akteure, Kernqualitäten, Typen, Settings, Metho-den und Ergebnisse.

Akteure sind Personen oder Institutionen, die in den Prozess von Supervision oder Coaching einbezogen bzw. dafür verantwortlich sind. Also z. B. Supervisorin-nen, Coachees, Auftraggeber, etc.

Kerndimensionen sind unverzichtbare fundamentale Charakteristika professioneller Beratung in Supervision und Coaching. Also z. B. Ambiguitätstoleranz, Führung, Management, Funktion und Rolle, Kontrakt, Organisa-tion, Reflexion, etc.

Arten von Supervision und Coaching verweisen auf die verschiedenen Gründe für Supervision- und/oder Coaching. Arten beziehen sich – im Gegensatz zu Settings – auf vordefinierte Ziele. Also z. B. Ausbil-dungssupervision, Business Coaching, Fallsupervision, Leitungssupervision/-coaching, etc.

Settings beschreiben die Zahl der Teilnehmenden, die Organisationsformen der Teilnahme, die Frequenz sowie verwendete Medien. Also z. B. Einzelne, Team, Gruppe, etc.

Methoden sind spezifische Techniken, die Prozesse fördern; Fokus ist dabei stets die Verbesserung der Inter-aktion von Person, beruflicher Anforderung und Orga-nisation. Also z. B. Arbeiten mit dem Gruppenprozess, Auftragsklärung, Dialog, Feedback, Evaluation, Pro-zessmoderation, etc.

Ergebnisse beschreiben die Effekte von Supervision/Coaching auf die SupervisandInnen/Coachees. Also z. B. effektive Handhabung von Konflikten und Wider-sprüchen, Klärung von Rollen und Funktionen in Or-ganisationen, Professionalisierung, Qualitätsmanage-ment, Stressprävention, etc.

DAS KOMPETENZPROFILDas ECVision-Kompetenzprofil bietet lernergeb-

nisorientierte Beschreibungen der Lernschritte, die jemand beobachtbar vollzogen haben muss, um als qualifizierte/r SupervisorIn gelten zu können.

Lernergebnisse verstehen wir in Übereinstimmung mit der Definition des EQF als Aussagen darüber, was Lernende wissen, verstehen und in der Lage sind zu tun, nachdem sie einen Lernprozess abgeschlossen haben.

Lernergebnisorientierte Beschreibung steht in Bezug auf Beratungsberufe vor besonderen Herausforderungen:• Fast alle relevante Forschung beschreibt die Arbeits-

beziehung als hauptsächlichen Wirkfaktor.

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Schwerpunkt Berufliche und berufsbezogene Bildung

LiteraturCEDEFOP et al. (2011): Using learning outcomes. European Qualifications

Framework Series: Note 4. Luxembourg: Publications Office of the European Union.

Heyse, Volker & Erpenbeck, John (2007): Kompetenzmanagement: Metho-den, Vorgehen, KODE(R) und KODE(R)X im Praxistest. Münster: Waxmann.

Judy, Michaela & Knopf, Wolfgang (Hrsg.) (2011): ECVision. Supervision und Coaching in Europe: Konzepte und Kompetenzen. Wien: Die Wiener Volkshochschulen GmbH. Online verfügbar unter www.anse.eu/ecvision.start.html/products [19.4.2016].

Kennedy, Declan, Hyland, Áine & Ryan,Norma (2007): Writing and Using Learning Outcomes: a Practical Guide. University College Cork. Online verfügbar unter: https://www.dcu.ie/afi/docs/bologna/writing_and_using_learning_outcomes.pdf [19.4.2016].

Damit kommt der professionellen Haltung der/des SupervisorIn/Coaches besondere Bedeutung zu.

• Daher ist es nicht damit getan, die persönlichen Fä-higkeiten von SupervisorInnen/Coachees zu be-schreiben, es geht in hohem Maße darum, diese Be-ziehungen zu charakterisieren.

• Lernergebnisorientierte Beschreibung von Supervi-sion und Coaching muss also Beziehungen nachvoll-ziehbar machen, die an den Schnittstellen intervenie-ren, wo Menschen in ihren spezifischen funktionalen und sozialen Rollen und ihren Arbeitsfeldern sicht-bar werden.

Die inhaltliche Struktur des Kompetenzprofils folgt da-bei den beiden Kompetenzsträngen professionelle Iden-tität sowie professionelles Verhalten:• Professionelle Identität umfasst die Kompetenzfelder

professionelle Haltung, Ethik, Qualitätsentwicklung, Perspektive auf Person, Arbeit und Organisation.

• Professionelles Verhalten beschreibt Arbeitsbeziehung gestalten, Entwicklung fördern, komplexe Kommuni-kation steuern, Umgang mit Vielfalt sowie Handwerks-zeug, Techniken und Methoden gezielt einsetzen.

ECVision-Glossar und ECVision Kompetenzprofil sind ohne einander nicht denkbar, das Kompetenzprofil baut auf der Definition der Schlüsselbegriffe auf.

Für das Kompetenzprofil haben wir drei Konzepte als methodologische Richtlinien gewählt:• Das ECVision Glossar: Die Kernqualitäten und Me-

thoden des Glossars wurden als Ausgangspunkt ge-nommen. Daher findet sich zu allen Kompetenzen auch eine entsprechende Definition.

• Die Taxonomie von Bloom: In einer Kombination sowohl von Blooms kognitiver wie auch emotionaler Taxonomie werden die Kompetenzen entlang der Tä-tigkeitsfelder Anwenden – Analysieren – Evaluieren – Ermöglichen – Kreieren beschrieben.

• Den Europäischen Qualifikationsrahmen: Die Be-schreibungslogik folgt den Deskriptoren des EQR in der Beschreibung supervisorischer Kompetenz über Kenntnisse, Fertigkeiten und Performance.

Das Herzstück des Kompetenzprofils ist die Beschreibung der Performance. Ohne die Nachvollziehbarkeit, worüber Kompetenz wahrnehmbar wird, sind Kompetenzbeschrei-bungen wenig sinnvoll. Mit dem Fokus auf Performance-Kriterien wurden darüber hinaus auch bereits Lerner-gebnisse formuliert, die am Ende einer qualifizierten Ausbildung zu Supervision und Coaching im Verhalten der AusbildungskandidatInnen beobachtbar sein sollten.

Der dezidierte Fokus auf die Beschreibung beobacht-baren Verhaltens ermöglicht eine Lernergebnisorientie-rung, die Fremd- wie Selbsteinschätzung kommunizier-bar und damit transparent macht.

PROFESSIONALISIERUNGSIMPULSEDas Projektteam hat sich darauf konzentriert, die

Kompetenzen quer über die verschiedenen Schulen und Ansätze hinweg zu formulieren.

Zweifellos variiert die methodische Umsetzung der Kompetenzen, zweifellos setzen Schulen und Ausbil-dungsanbieter eigene Akzente, die vielfach über das Be-schriebene hinausgehen.

Dennoch: Ob jemand die eigene „Voreingenommen-heit“ zur Beobachtung von Wechselwirkungen nutzt oder mit dem psychoanalytischen Konzept von Übertra-gung und Gegenübertragung arbeitet – die Kompetenz besteht in beiden Konzepten darin, dem Prozess der Beziehungsgestaltung theoriegeleitet Sinn zu verleihen und ihn damit überprüfbar zu gestalten.

Auf dieser Ebene wird es möglich zu definieren, welche Haltungen und Qualitäten, bzw. welches Hand-werkszeug ein/e SupervisorIn/Coach braucht, um pro-fessionell zu arbeiten.

Die AutorInnen haben sich auch nicht auf Methoden im Detail eingelassen, sondern stets danach gefragt, wo-ran man merken kann, dass ein/e SupervisorIn/Coach über ein klares und reflektiertes Verständnis und ein soli-des Handwerkszeug verfügt.

Das ermöglicht sowohl klare Beobachtungskriterien zur Bewertung supervisorischer Kompetenz als auch weite und vielfältige Spielräume in der konkreten Umsetzung.

Glossar und Kompetenzprofil stellen der Fachwelt Praxis und Theorie von Supervision und Coaching trans-parent und vergleichbar zur Verfügung und geben damit Professionalisierungsimpulse, die es ermöglichen:• Eine europäische Terminologie von Supervision und

Coaching weiter zu entwickeln.• Den europäischen Ansatz der Lernergebnisorientie-

rung in der Fachwelt von Supervision und Coaching umzusetzen.

• Bilaterale Partnerschaftsvereinbarungen zwischen Ausbildungsanbietern für Supervision und Coa-ching auf der Ebene von Programmen, Modulen und Kursniveau zu erarbeiten.

• Generische Kompetenzen von SupervisorInnen und Coachees zu beschreiben.

Wir sind uns der Grenzen unseres Unterfangens be-wusst: Um Kompetenz- und Lernergebnisorientierung sinnvoll zu nutzen, braucht es einen ständigen kritischen wie auch fachlichen Dialog. Die ECVision-Produkte sind kein „Kanon“ für alle Zeiten, vielmehr ein Work-in-Pro-gress-Projekt, dessen Nutzen sich nur in der Nutzung durch die professionelle Community entfalten wird. //

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Praktisches zum Schwerpunkt Berufliche und berufsbezogene Bildung

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Schwerpunkt

Robert Schuler

Inhouse-Seminare der VHS Wiener Neustadt

Das Leistungsspektrum der Volkshochschule Wiener Neustadt umfasst auch Inhouse-Seminare für den Be-reich Fremdsprachen bzw. Deutsch als Fremdsprache. Unter dem Motto „Wir machen Sie fit für die globale Kommunikation“ versuchen wir Unternehmen und Fir-men vor Ort bei der Weiterbildung ihrer Bediensteten zu unterstützen. Wir bieten Sprachtrainings, die speziell auf die Anforderungen von Unternehmen zugeschnit-ten sind. Die klare und sichere Verwendung z.B. von englischen oder deutschen Formulierungen in E-Mails, Geschäftsbriefen oder Präsentationen, die permanente Verfügbarkeit von branchenbezogenen Fachbegriffen oder der Small-Talk im Bereich der geforderten Sprache gilt es im Berufsalltag zu beherrschen.

In individuell ausgerichteten Lerneinheiten ver-mitteln unsere erfahrenen SprachtrainerInnen im Ein-zel- oder Gruppenunterricht das benötigte Wissen. Die Unterrichtskonzepte richten wir auf die jeweiligen Be-dürfnisse aus und führen zu sicheren Fremdsprachen-kenntnissen bzw. Deutschkenntnissen in Wort und Schrift.

REFERENZENIn Zusammenarbeit mit der Bundesfinanzakademie

wurden in der Zeit von 2008 bis 2011 Englischkurse für MitarbeiterInnen an den Finanzämtern Wiener Neu-stadt und Neunkirchen durchgeführt. Die Bereiche Ba-sic-Schulungen und Spezial-Englischkurse auf verschie-denen Niveaustufen wurden abgedeckt. Die jeweiligen Unterrichtseinheiten betrugen 120 Minuten und wurden ein Mal wöchentlich abgehalten. Die Kursdauer war 20 bis 25 Wochen.

Ebenso angeboten zwischen 2010 bis 2011 wurden Spezial-Englischkurse für Bedienstete der Firma Brenn-tag CEE GmbH am Standort Wiener Neustadt. Das Kursniveau war A2 und wurde über die Kursdauer von 24 Wochen ebenso einmal wöchentlich abgehalten.

In Zusammenarbeit mit der Stabsstelle für Personal-wesen werden aktuell Sprachtrainings in Englisch in ver-schiedenen Bereichen beim Magistrat der Stadt Wiener Neustadt (Bürgerservicestelle, Fachabteilungen usw.) durchgeführt. Der Schwerpunkt liegt hier im Bereich der Kundenberatung, auf berufsbezogener Kommunikation sowie Standardschriftsätzen.

In Ausarbeitung ist ein Konzept für eine Firma, die Erweiterungen in Ungarn vornimmt und Produktions-anlagen auslagert. Hier werden österreichische und ungarische MitarbeiterInnen (Führungskräfte, Fach-arbeiterInnen usw.) in der jeweils anderen Sprache un-terrichtet, um die Arbeits- und Produktionsabläufe ent-sprechend umsetzen und die Kommunikation effizient gestalten zu können.

Wir helfen beim Überwinden von Sprachbarrieren und blicken gut aufgestellt in die Zukunft. //

Original unter: http://wienerneustadt.vhs-noe.at/betriebskurse/

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Praktisches zum Schwerpunkt Berufliche und berufsbezogene Bildung

Berufsorientierte und berufsbezogene Bildung in der VHS Wien In der Vergangenheit wurden Volkshochschulen nicht immer sofort mit berufsbezogener Bildung in Verbindung gebracht. Doch das Leistungsspektrum der VHS Wien hat sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt. In der Gegenwart wird die VHS Wien, mit ihren regional stark verankerten Bildungszentren, als innovative und verlässliche Dienstleisterin der öffentlichen Hand wahrgenommen.

Schwerpunkt

Jennifer Davies

1 VHS Jugendcoaching wird vom Sozialministeriumservice Landesstelle Wien gefördert und aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds kofinanziert.

2 Die Produktionsschule BOK und BOKgastro wird vom Sozialministeriumservice Landesstelle Wien gefördert und aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds kofinanziert.

3 Spacelab Produktionsschule Wien wird gefördert vom Sozialministeriumservice Landesstelle Wien und dem Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds (waff).

VIELFÄLTIGES ANGEBOT Die Wiener Volkshochschulen haben sich im Be-

reich der beruflichen und berufsorientierten Bildung vielfältig positioniert. Einerseits sind hier die klassi-schen beruflichen Qualifizierungen zu erwähnen, mit denen sich die VHS Wien auf dem Bildungsmarkt in Konkurrenz zu freien Erwachsenenbildungsanbietern begibt wie beispielsweise die Lehrgänge Projekt- und Prozessmanagement oder Organisations- und Personal-entwicklung, aber auch zertifizierte Qualifikationen im wirtschaftlichen und IT-Bereich wie den Europäischen Computerführerschein oder den Europäischen Wirt-schaftsführerschein. In diesem Kontext ist aber auch das Institut für Kindergarten- und Hortpädagogik zu nen-nen, wo anerkannte Ausbildungslehrgänge (z.B. zur/zum KindergruppenbetreuerIn, zur Tagesmutter bzw. zum Tagesvater, zur/zum KindergartenassistentIn), Weiterbildungslehrgänge sowie berufsbegleitende Kur-se angeboten werden. Unsere zentralen Kompetenzfel-der im Bereich berufsorientierter und berufsbezogener Bildung liegen allerdings dort, wo wir den Bildungsauf-trag der Stadt Wien und des Bundes verantwortungsvoll umsetzen und im Kontext wien- und österreichweiter gesellschaftliche Herausforderungen agieren.

Gerade auch Basisbildung, das Nachholen von Bil-dungsabschlüssen – vom Pflichtschulabschluss über die Berufsreifeprüfung bis zur Studienberechtigungs-prüfung –eröffnen berufliche Perspektiven. Der strate-gische Rahmen der Europäischen Union „Allgemeine und berufliche Bildung 2020“ ist derzeit die Grundlage für zahlreiche Initiativen im Bildungswesen. Das le-benslange Lernen, die Höherqualifizierung und die Ver-gleichbarkeit europäischer Bildungsabschlüsse (ECVET, EQF, NQR ) stehen im Fokus. Niederschlag finden diese Bestrebungen im Wiener Qualifikationsplan 2020. Die VHS Wien leistet ihren Beitrag hierzu derzeit u.a. auch

in Form von Projekten und öffentlichen Aufträgen des Bundes, wie beispielsweise dem Jugendcoaching und den Produktionsschulen, aber auch der Initiative Er-wachsenenbildung oder der Bildungsberatung in Wien. Gerade durch öffentliche Aufträge für benachteiligte Zielgruppen kann Chancengleichheit auch in Zeiten der „Bildungsprivatisierung“ ermöglicht werden. Un-terschiedliche Fördergeber schätzen die jahrelange gute Zusammenarbeit, beispielsweise im Bereich der Basis-bildung, des zweiten Bildungsweges und der Arbeitsm-arktintegration. Die VHS Wien setzt in Projekten und öffentlichen Aufträgen als professionelle Dienstleiste-rin der öffentlichen Hand bildungs-, arbeitsmarkt- und kommunalpolitischer Maßnahmen und Angebote und leistet somit einen essenziellen Beitrag zu berufsorien-tierender und berufsbezogener Vorbildung und trägt dadurch zur Demokratisierung von gesellschaftlichem Aufstieg durch berufliche Höherqualifizierung bei.

VHS JUGENDCOACHING1

Ziel des Angebots ist es, ausgrenzungsgefährdete Ju-gendliche im 10. und 11. Wiener Gemeindebezirk sowie Jugendliche und junge Erwachsene in Justizanstalten dabei zu begleiten, die für sie passende Bildungs- und Berufswahlentscheidung nach der Pflichtschulzeit zu treffen. 2015 wurden rund 1600 Jugendliche im VHS Ju-gendcoaching betreut.

PRODUKTIONSSCHULE BOK UND BOKGASTRO2

Die Produktionsschule BOK und BOKgastro bietet Jugendlichen die Möglichkeit, durch das Trainieren von Kulturtechniken und Sozialkompetenzen sowie beruf-liche Orientierung in verschiedenen Trainingsgruppen die notwendige persönliche Reife für den nächsten Aus-bildungsschritt zu erhalten. Mit der Produktionsschule BOK und BOKgastro wurden rund 100 Jugendlichen Beratung, Wissensvermittlung, Training und Schnup-permöglichkeiten in verschiedenen Berufsfeldern gebo-ten und ihnen so ermöglicht, den für sie notwendigen nächsten Schritt in Ausbildung und Arbeitsmarkt zu bewältigen.

SPACELAB PRODUKTIONSSCHULE WIEN – BILDUNGSMODUL3

Spacelab Produktionsschule Wien ist ein nieder-schwelliges arbeitsmarktpolitisches Angebot für Jugend-liche und junge Erwachsene, die einen erhöhten Bedarf an begleitender Unterstützung bei der Bildungs- und

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Praktisches zum Schwerpunkt Berufliche und berufsbezogene Bildung

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Berufsplanung haben und wird an vier Standorten in Wien angeboten. Spacelab Produktionsschule Wien ist ein Kooperationsprojekt der VHS Wien mit den Partner-organisationen WUK (Werkstätten- und Kulturhaus), Volkshilfe Beschäftigung, Verein Wiener Jugendzentren und dem „Verein sprungbrett“. Die VHS Wien ist ver-antwortlich für die Durchführung des Bildungsmoduls. Rund 250 ausgrenzungsgefährdete Jugendliche profitie-ren 2015 vom VHS Bildungsmodul im Spacelab.

BILDUNGSBERATUNG IN WIEN4

Bildungsberatung in Wien bietet kostenlose und neutrale Bildungs- und Berufsberatung für Erwachsene und ist ein Netzwerk, in dem folgende Organisationen zusammenarbeiten: „abz*austria – kompetent für frauen und wirtschaft“, BFI Wien, „biv – Die Akademie für in-tegrative Bildung“, VHS Wien, Wiener ArbeitnehmerIn-nen Förderungsfonds (waff ) und WUK ( Werkstätten und Kulturhaus). Rund 4948 Beratungen fanden 2015 im Rahmen dieses kostenlosen Bildungs- und Berufsbera-tungsangebot an der VHS Wien statt.

BBE DEUTSCH CLEARING5

Die VHS Wien koordiniert die Netzwerkpartner-schaft „BBE Deutsch AMS Wien“ – Beratungs- und Betreuungseinrichtung für TeilnehmerInnen an AMS-Deutschkursen – und ermöglichte 2015 rund 24. 000 Personen Testungen und Beratungen zur Einstufung in weiterführende Deutschkurse. Um den aktuellen Migrationsbewegungen gerecht zu werden, wurde das Angebot in diesem Jahr sukzessive aufgestockt. Arbeits-suchende Menschen, bei deren Muttersprache es sich nicht um Deutsch handelt, werden vom AMS zu einem schriftlichen Einstufungstest und einem anschließenden Beratungsgespräch beim BBE Deutsch Clearing einge-laden und anhand der Ergebnisse zu Deutschkursen bei bestimmten Kursinstituten zugeteilt. Die „BBE Deutsch AMS Wien“ wird von verschiedenen Trägern durchge-führt. Das sind einerseits die VHS Wien, die auch als Leadpartner fungiert und andererseits „BEST“, „FAB“, „Projekt Integrationshaus“, „ppc-training“ und „Volkshil-fe Beschäftigung“.

DAS DEMONTAGE- UND RECYCLINGZENTRUM (D.R.Z)6

Für die Zielgruppe langzeitarbeitslose Menschen bietet der sozialökonomische Betrieb der VHS, das Demontage- und Recyclingzentrum D.R.Z, die Mög-lichkeit über Beschäftigung und Qualifizierung im Be-reich der Wiederverwertung von Elektroaltgeräten mit sozialpädagogischer Begleitung wieder zurück in den Arbeitsmarkt zu finden. 165 Personen waren 2015 beim D.R.Z als Transitarbeitskräfte beschäftigt. Über Recyc-ling und Wiederverwendung von Elektroaltgeräten er-halten arbeitsuchende Menschen im Auftrag des AMS Wien die Chance, wieder in ein geregeltes Arbeitsleben zurückzufinden. Teil des D.R.Z ist die TrashDesignMa-nufaktur (TDM), in der kreative Designlösungen für eleganten Schmuck, außergewöhnliche Möbel und Ac-cessoires entstehen. Die Werkstoffe stammen auch hier

zum überwiegenden Teil aus Altgeräten. Waschmaschi-nentrommeln werden zu schicken Tischen, Leiterplatten zu Uhren, Kabel zu farbenfrohen Armbändern. Die Pro-dukte sind nicht nur Designobjekte, sie symbolisieren auch den verantwortungsvollen Umgang mit der Um-welt und soziale Verantwortlichkeit.

Die steigende Zahl der AsylwerberInnen und -berech-tigten wird in den nächsten Jahren neue und innovative Zugänge im Bereich Deutsch als Zweitsprache, Basisbil-dung, aber auch Coaching und Anerkennung formaler, non-formaler und informeller Qualifikationen erfor-derlich machen. Auch das zu erwartende Ausbildungs-pflichtgesetz („Ausbildung bis 18“) wird im Bereich der beruflichen Integration ausgrenzungsgefährdeter junger Menschen neue Herausforderungen mit sich bringen. Mit Sicherheit wird die VHS in diesem Rahmen ihre Ex-pertise erfolgreich unter Beweis stellen können.

„BILDUNGSCHANCEN FÜR ALLE“ Seit ihren Anfängen war die Wiener Volksbildung

getragen vom Anspruch, den Zugang zu Wissen, Kunst, Kultur und Bildung zu demokratisieren und so gesell-schaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Genau hier liegt aber das Spannungsfeld zwischen individuellem, ge-sellschaftlichem und wirtschaftlichem Nutzen. Es ist ei-ner der Widersprüche unserer Zeit, dass man unter der Prämisse der subjektiven Ermächtigung Bildung immer mehr als Ware versteht und sie gleichzeitig als Wunder-waffe im Kampf gegen soziale Benachteiligungen be-trachtet. Die „Ware Bildung“ wird an zahlungskräftige KundInnen verkauft. Wer sich Bildung jedoch nicht leis-ten kann, bleibt auf der Strecke. Die Finanzierung von Weiterbildung wird immer stärker auf die Individuen übertragen, wodurch sich sozio-ökonomische Chancen-ungleichheiten weiter verstärken. Dieser Widersprüch-lichkeit stellt sich die Wiener Volksbildung: Um auf dem Weiterbildungsmarkt als Player wahrgenommen zu wer-den, müssen die Volkshochschulen den Spagat zwischen kritisch-selbstreflexiven, persönlichkeitsbildenden An-geboten und der Vermittlung wirtschaftlich nutzbaren Wissens und arbeitsmarkttechnisch verwertbarer Kom-petenzen bei gleichzeitiger sozial verträglicher Preisge-staltung bewältigen können. Die VHS Wien kann vor al-lem aber auch aufgrund ihrer Erfahrung und Bedeutung derartige Angebote im Sinne ihres emanzipatorischen Bildungsauftrages aktiv mitgestalten. Somit kann – nein muss – berufsorientierte und berufsbezogene Bildung auch unter diesem Fokus betrachtet werden. //

4 Die Angebote der Bildungsberatung in Wien werden vom Bundesministerium für Bildung und Frauen und der Stadt Wien gefördert und aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds kofinanziert.

5 Die BBE Deutsch wird vom Arbeitsmarktservice Wien gefördert und aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds kofinanziert.

6 Das Demontage- und Recyclingzentrum D.R.Z wird vom Arbeitsmarktservice Wien gefördert.

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DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2016 · NR. 258 — 31

Praktisches zum Schwerpunkt Berufliche und berufsbezogene Bildung

Grundausbildung zur Tagesbetreuerin in einer niederösterreichischen Kinderbetreuungs- einrichtungBerufliche Aus-und Weiterbildung im Südlichen Waldviertel.Ausgangslage: Um qualifizierte Betreuer/ Betreuerinnen für die NÖ-Kinderbetreuungseinrichtungen einsetzen zu können, fehlte in der Region „Südliches Waldviertel“ ein entsprechendes Bildungsangebot. Daher haben sich die VHS Südliches Waldviertel und die Kleinregion Waldviertler Kernland zusammengeschlossen und gemeinsam ein Curriculum erstellt, mit dem Ziel, eine hochwertige, berufsbegleitende Ausbildung in der Region zu ermöglichen, die sich an der NÖ Tagesbetreuungsverordnung orientiert und eine umfassende Auseinandersetzung mit der pädagogischen Arbeit mit Minderjährigen, vor allem Kleinstkindern bis drei Jahren, gewährt.

Schwerpunkt

Tanja Wesely

Die NÖ- Tagesbetreuungsverordnung sieht Folgendes vor: Die Tagesbetreuung hat in Zusammenarbeit mit den Eltern möglichst familiennahe nach allgemein an-erkannten wissenschaftlichen Erkenntnissen der Päda-gogik und nach den Grundsätzen der gewaltlosen Erzie-hung zu erfolgen. Sie hat Gewähr für die bestmögliche Betreuung, Erziehung und Bildung der Minderjährigen unter weitest gehender Berücksichtigung ihrer individu-ellen Bedürfnisse zu bieten, wobei die erzieherische Wir-kung der Gemeinschaft zu fördern ist.

Die Grundausbildung zur Tagesbetreuerin / zum Ta-gesbetreuer in einer NÖ- Kinderbetreuungseinrichtung laut Verordnung Paragraf 7 besteht aus 236 Unterrichts-einheiten (UE) und umfasst folgende Bereiche:

Mindestens 48 UE „theoretische Grundlagen der Kin-derbetreuung“ – 12 UE Entwicklungspsychologie, 24 UE Pädagogik, Didaktik, Bildungsarbeit, 12 UE Kommunikation und Konfliktmanagement;

Mindestens 138 UE „tagesbetreuungsspezifische Aus-bildung“ – 8 UE Rechtliche Grundlagen, 16 UE Erste Hilfe, 8 UE Praxis der Gruppenbetreuung, 8 UE Entwicklungspsychologie, 28 UE Pädagogik, Didaktik, Bildungsarbeit, 8 UE Minderjährige mit besonderen Bedürfnissen, 8 UE Elternarbeit, 8 UE Gesundheitsförderung, Ernährung , Hygiene, 18 UE Reflexion des Erzieherverhaltens, 8 UE Leitung einer Gruppe, 8 UE pädagogische Planung, 4 UE Rollenbild, Motivation, 8 UE Schulkindbetreuung;

Mindestens 50 UE Praxis 36 UE Praxishospitation, 4 UE Vor- und Nachbereitung Praxishospitation und

Bericht, 10 UE schriftliche Hausarbeit und Abschlussreflexion

vor einer Kommission.

Dieser hohe Qualitätsanspruch diente als Maßstab für die Erstellung des Curriculums, welches gemein-sam mit Kindergartenpädagoginnen, Kinderpsycho-logen und Lebens- und Sozialberaterinnen formuliert wurde.

Die Referentinnen kommen überwiegend aus der Re-gion und haben alle sowohl Erfahrung in der Erwach-senenbildung als auch Erfahrung in der Betreuung von Babys, Kleinkindern, Kindergartenkindern oder Hortkindern. Durch kritische Selbstreflexion der Re-ferentinnen und eine Bewertung des Kurses durch die Teilnehmerinnen kommt es zu einer laufenden Weiter-entwicklung und Adaptierung des Kursangebotes.

Die Referentinnen dieses Lehrganges kommen aus ganz unterschiedlichen Bereichen und haben verschiedene Ausbildungs- und Berufshintergründe. Diese Vielfalt wurde bewusst angestrebt, damit in dem Lehrgang un-terschiedliche Gesichtspunkte, Ansätze und Lehrmetho-den zur Anwendung kommen. Durch das reiche Spekt-rum an Erfahrung, Wissen, speziellen Qualifikationen und Unterrichtsmethoden wird den Teilnehmern / Teil-nehmerinnen eine besonders umfassende, hochwertige Ausbildung angeboten.

Die berufsbegleitenden Kurszeiten sind mit den tägli-chen Bedürfnissen der Teilnehmer/Teilnehmerinnen gut zu vereinbaren und ermöglichen ihnen eine ent-spannte, vollständige Anwesenheit während der gesam-ten Kursdauer.

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Praktisches zum Schwerpunkt Berufliche und berufsbezogene Bildung

Wenn Grenzen verschwimmen und die Frage der Passung zu stellen ist.Berufliche Aus- und Weiterbildung im volksbildnerischen Kontext am Beispiel des Instituts für Kindergarten- und HortpädagogikDie ÖVH, das zentrale Medium der österreichischen Volkshochschulen, widmet die aktuelle Ausgabe dem Thema „Berufsorientierte und berufsbezogene Bildung“. Wofür kann dies ein Indikator sein? Dazu werden diesem Beitrag Hypothesen vorangestellt.

Schwerpunkt

Die Referentinnen wenden je nach Schwerpunkt und Sachgebiet unterschiedliche Methoden an:

Vortrag,Gruppenarbeit,Diskussion (themenbezogen),Workshops,praktische Übungen,Problem-Based Learning.

Der Kursort ist bei allen Unterrichtseinheiten im Se-minarraum der Kleinregion Waldviertler Kernland in Ottenschlag. Der Seminarraum bietet ausreichend Platz für bis zu 30 Teilnehmer / Teilnehmerinnen und verfügt über das nötige Equipment wie Beamer, Smart-boards, Flipcharts, Pinnwände, W-Lan, usw. Die Tische und Sessel können flexibel gestellt werden (Sesselkreis, U-Tafel, Parlament- oder Kinobestuhlung, usw.). Sa-nitärräume und eine gut ausgestattete Kaffeeküche mit weiteren Sitzgelegenheiten für bis zu zehn Personen stehen ebenfalls zur Verfügung. Im Ort befinden sich in unmittelbarer Nähe (innerhalb von zwei Minuten Fuß-weg) mehrere Kaffeehäuser, Gasthäuser und Geschäfte für den täglichen Bedarf, sodass die Teilnehmer / Teil-nehmerinnen und Referentinnen eine große Auswahl an Verpflegungsmöglichkeiten vorfinden.

Die Praxiseinheiten werden in Kinderbetreuungsein-richtungen in der Region durchgeführt.

Der erste Ausbildungslehrgang ist bereits abgeschlossen. In einem feierlichen Rahmen wurde den ersten 15 frisch gebackenen „Kinderbetreuerinnen in einer NÖ-Tages-betreuungseinrichtung“ am 26. Juni 2016 das Zertifikat überreicht. Zurzeit findet der zweite Lehrgang mit 14 Teilnehmerinnen statt und die laufende Nachfrage zeigt, dass auch im Herbst 2016 ein Lehrgang starten wird. Auf-grund des großen Bedarfes wurde ein Zusatzmodul zur Ausbildung zum Kinderbetreuer / zur Kinderbetreuerin in einem NÖ- Kindergarten erstellt. Dieses Modul um-fasst 16 Unterrichtseinheiten und 40 Praxisstunden in einem NÖ- Kindergarten und kann nach Abschluss der Grundausbildung besucht werden.

Die VHS Südliches Waldviertel deckt mit diesem Lehrgang die aktuellen Bedürfnisse der Region voll ab. Die Nachfrage von Vorkindergartenbetreuung und schulischer Nachmittagsbetreuung nimmt auch im länd-lichen Raum zu. In den Gemeinden entstehen Tagesbe-treuungseinrichtungen und mit den Absolventen und Absolventinnen des Ausbildungslehrganges der VHS Südliches Waldviertel kann auf qualifiziertes Personal zurückgegriffen werden.

Die LehrgangsteilnehmerInnen profitieren vom An-gebot in der Region. Der Lehrgang wird berufsbegleitend und familienfreundlich angeboten. Ein Auspendeln, um eine berufliche Weiterbildung in Anspruch zu nehmen, kann dadurch vermieden werden.

Mit dieser Qualifizierungsinitiative im Rahmen der beruflichen Aus- und Weiterbildung kommt es zur Stär-kung des ländlichen Raumes wodurch die VHS Südli-ches Waldviertel als wichtiger Partner in der Regional-entwicklung positioniert wird. //

Hypothese 1:Die aktuelle stattfindenden, rasanten Veränderungen

in der Arbeitswelt, die durch Phänomene wie Entgren-zung, Flexibilisierung, Subjektivierung, Ökonomisie-rung, Instabilität, Orientierungslosigkeit, Arbeitsver-dichtung, Beschleunigung sowie einer Zunahme von Komplexität, Dynamik, Konkurrenz, Widersprüchen und damit einhergehend von Konflikten, Stress und Druck gekennzeichnet sind, wirken sich auch unmit-telbar auf die Arbeit von Volkshochschulen sowie das Lernverhalten ihrer TeilnehmerInnen aus. Insbeson-dere der Aspekt rückläufiger oder zweckgebundener öffentlicher Geldmittel führt im Bereich der allgemei-nen Erwachsenenbildung zu einer Suche nach weiteren Angebotsfeldern, die eben auch zur beruflichen Bildung führen. Gleichzeitig ist ein Trend zu beobachten, dass umgekehrt Institutionen, die bisher primär der berufso-rientierten Aus- und Weiterbildung zuzurechnen waren, ihre Angebotspalette immer weiter in Richtung allge-meiner Bildungsangebote ausdehnen. Das Ergebnis liegt voll im Trend: Die Unübersichtlichkeit, nicht zuletzt für NachfragerInnen, wird größer und Konkurrenz und Wettbewerb unter den AnbieterInnen steigen.

Walter Schuster

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Praktisches zum Schwerpunkt Berufliche und berufsbezogene Bildung

Hypothese 2:Die Religion der Ökonomisierung darf auch vor der

Erwachsenenbildung und Volksbildung nicht Halt ma-chen. Dies betrifft sowohl die AnbieterInnenseite als auch die NachfragerInnenseite. Auf AnbieterInnensei-te muss der betriebswirtschaftliche Rechenstift gespitzt werden. Pädagogik und methodisch-didaktische Überle-gungen treten nur allzu oft in den Hintergrund und wer-den von Kriterien des Marketings und der „Verkaufbar-keit der Produkte“ überlagert. Auf NachfragerInnenseite gilt es, möglichst zeitökonomische, zielgerichtete und auf ihre Verwertbarkeit hin orientierte Aus- und Wei-terbildungen zu suchen. Lernen wird stärker zu einem Konkurrenz- und Wettbewerbsfaktor und weniger zu Bildung, die ein Mehr an Muße, an Freiräumen für Such-bewegungen, an Reflexion und Austausch bräuchte. Un-ter den aktuellen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen wird eine solche Form von Lernen und Bil-dung aber zum Privileg und damit eher zur Ausnahme.

Hypothese 3:Das Verschwimmen von Grenzen zwischen berufli-

cher und allgemeiner Bildung ist ein Spiegelbild verän-derter Lebenswelten. Entgrenzung und Subjektivierung führen zu einem Verschwimmen von Arbeit und Pri-vatheit, von Arbeitszeit und Freizeit aber auch von Ar-beitgeberInnenseite und ArbeitnehmerInnenseite, wie dies etwa am Typus von ArbeitskraftunternehmerInnen deutlich wird.

Unternehmen und Organisationen bemächtigen sich immer mehr der ganzen Person als Arbeitskraft. Gefragt sind nicht mehr lediglich qualifizierte Fachkräfte, son-dern ArbeitnehmerInnen, die ihre ganze Person mit all ihren Fähigkeiten und Möglichkeiten zur Verfügung stellen. Der Erwerb der geforderten persönlichen Res-sourcen wird dabei an das Individuum ausgelagert und fällt in dessen „Selbstverantwortung“, so auch Aus- und Weiterbildung.

Unter diesen Bedingungen, unter denen Einrichtun-gen der Volksbildung mehr Getriebene als Gestaltende sind, setzt nun die Frage nach der Passung an. Im Folgen-den sollen dazu in einem ersten Schritt sehr kurz (und auch verkürzt) zentrale Aspekte traditioneller Volksbil-dung dargelegt werden. Darauf aufbauend wird in einem zweiten Schritt die Frage gestellt, welche Angebotsbe-reiche aus dem weiten Feld von beruflicher Aus- und Weiterbildung an eine so verstandene Volksbildung an-schlussfähig sind und wo Nischen des Handelns und Ge-staltens auch unter den aktuellen Rahmenbedingungen möglich sind. Beispiele aus dem eigenen Arbeitskontext des Autors zeigen schließlich die Möglichkeiten, aber auch Probleme, Abhängigkeiten und Grenzen auf.

ZUM VERSTÄNDNIS VON VOLKSBILDUNG UND DER FRAGE DER PASSUNG

Volksbildung, wie sie in diesem Beitrag verstanden wird, setzt aus ihrer Tradition heraus bis heute auf die Werte der Aufklärung. Es geht um Fragen von Mündig-keit, Emanzipation und Kritikfähigkeit, von Gleichheit, Offenheit, Demokratie und Partizipation. Wesentlicher

Anker ist ein Bildungsverständnis, das auf Wissen-schaftsorientierung beruht. Somit geht es stets um indi-viduelles Lernen UND gesellschaftlich-soziales Lernen, um Wissenserwerb, Befähigung und Handlungsorien-tierung. Lernen findet dabei in hohem Maße in, von und mit Gruppen statt.

BERUFLICHE AUS- UND WEITERBILDUNG IM VOLKSBILDNERISCHEN KONTEXT

Die Frage, wie berufliche Aus- und Weiterbildungen in einem volksbildnerischen Kontext sowohl inhaltlich aber auch methodisch-didaktisch ausgerichtet sein kön-nen bzw. sollen, ist nicht neu. Orientierungspunkte las-sen sich aus den zuvor genannten Kategorien ableiten. Die gesellschaftliche Dimension von Lernen gilt es auch im Kontext beruflicher Aus- und Weiterbildung zu be-achten. Somit braucht es Antworten auf Fragen nach den Auswirkungen und Konsequenzen beruflichen Han-delns, nach der sozialen Verträglichkeit und der Eigen- und Mitverantwortung von BildungsanbieterInnen und Teilnehmenden. Berufliche Aus- und Weiterbildung sollte nach Möglichkeit nicht dazu beitragen, falsche Hoffnungen und Illusionen zu wecken, sondern auch zu einer kritischen Einschätzung beruflicher und gesell-schaftlicher Entwicklungen befähigen, um klarer zu se-hen, wo Eigenverantwortung und persönliche Möglich-keiten gegeben sind, aber auch, wo deren Grenzen sind. Schließlich wird selbst die beste Aus- und Weiterbildung keine Arbeitsplätze schaffen. Berufliche Aus- und Wei-terbildung im Rahmen von Volksbildung kann sich da-her gut in jenen Nischen positionieren, wo Arbeitsfelder mit sozialer Verantwortung vorhanden sind sowie in je-nen Bereichen, wo bereits ein hohes Maß an fachlicher Kompetenz in den Volkshochschulen vorhanden ist. Somit entstehen Synergien und dadurch wird auch eine wechselseitige Befruchtung und Weiterentwicklung von beruflichen und „klassischen“ Angeboten möglich wird.

BEISPIELE AUS DEM ARBEITSKONTEXT DER WIENER VOLKSHOCHSCHULEN

Eine mögliche Antwort auf die zuvor aufgeworfenen Fragen wird im Rahmen der Wiener Volkshochschulen mit den Bildungsangeboten des Instituts für Kindergar-ten- und Hortpädagogik (IKH) gegeben. Bereits vor über 15 Jahren stellten sich vor der Gründung des Instituts die Fragen:

In welche Richtung kann das Angebot der Volkshoch-schule im Bereich von Berufsbildung entwickelt werden, ohne von vornherein in Konkurrenz zu bereits etablier-ten AnbieterInnen zu geraten?

Was könnte das Neue sein?Welche Bereiche „passen“ davon auch zur bestehen-

den Arbeit von Volkshochschulen und zu einem volks-bildnerischen Verständnis?

Felder zur Entwicklung und Schaffung neuer Aus- und Weiterbildungsangebote wurden damals im Bereich der Elementarpädagogik – damals noch Kindergarten- und Hortpädagogik – sowie im Bereich Gesundheit und Pflege identifiziert. Während die Aktivitäten aufgrund sich verändernder Förderprogramme in der Pflege in

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Wien, insbesondere im Rahmen von Ausbildungen, nach mehreren Jahren eingestellt werden mussten, ge-lang es, die Angebote für Beschäftigte in der Elementar-pädagogik unter Berücksichtigung der sich verändern-den Bedingungen weiterzuentwickeln. Am Beispiel des Gesundheits- und Pflegebereichs zeigt sich auch sehr deutlich die hohe Abhängigkeit von Umfeldbedingun-gen in diesem Segment. Trotz großer Nachfrage am Ar-beitsmarkt nach Fachkräften im Pflegebereich mussten die Ausbildungen eingestellt werden, da die Förderung in der Regel an eine anschließende Arbeitsplatzgarantie gebunden wurde, die eine Bildungseinrichtung nicht ge-währen kann, da sie keine entsprechende Dienstleistung anbietet.

Für das IKH lassen sich die drei zuvor formulierten Fragen folgendermaßen beantworten:

Das IKH war über viele Jahre wienweit das einzige In-stitut, in dem Weiterbildungen trägerübergreifend und auch berufsgruppenübergreifend durchgeführt wurden. In der Zwischenzeit ist die Etablierung und Anerken-nung so weit fortgeschritten, dass auch unter verschärf-ten Konkurrenzbedingungen ein Bestehen möglich ist. Da KindergartenpädagogInnen ausschließlich an Bil-dungsanstalten für Kindergartenpädagogik (BAKIPs) ausgebildet werden dürfen, war das Feld für mögliche Berufsausbildungen von Anfang an klar: Ausgebildet werden können KindergruppenbetreuerInnen, Tages-eltern sowie KindergartenassistentInnen bzw. - helfe-rInnen. Fortbildungsangebote orientieren sich stark am Bedarf, der aus der täglichen Arbeit der PädagogInnen mit den Kindern erwächst, an neuen Herausforderungen und Anforderungen, die an die PädagogInnen gestellt werden. Beispiele dafür sind etwa die Einführung des Bildungsrahmenplans, die sprachliche (Früh-)Förderung oder das verpflichtende Kindergartenjahr. Darüber hin-aus wird es als zentrale Aufgabe gesehen, Weiterbildun-gen anzubieten, die neue wissenschaftliche Erkenntnisse vermitteln, neue Themen aufgreifen und zur Verbrei-tung von innovativen pädagogischen Ansätzen beitra-gen. Beispiele der letzten 15 Jahre sind etwa Konzepte zur Frühförderung, Sprachförderung, Mehrsprachigkeit, Reggiopädagogik oder Portfolioarbeit, die in Form von Lehrgängen, Workshops, Studienreisen, Tagungen und Kursen umgesetzt wurden. Mit der Etablierung einer Angebotsschiene für pädagogische Professionals konnte gut an bereits vorhandene pädagogische Kompetenzen angeknüpft und aufgebaut werden, die aus den Berei-chen Erwachsenenbildung und Elternbildung bereits in der Organisation vorhanden waren.

AKTUELLE ANGEBOTE ZUR BERUFLICHEN AUS- UND WEITERBILDUNG AM IKH

Derzeit werden am IKH vier Berufsausbildungen, mehrere Weiterbildungslehrgänge sowie Kurse, Work-shops und Vorträge zu den Themenfeldern Arbeitstech-niken und Kommunikation, Pädagogik und Didaktik, Sprachen und Sprachförderung, Gesundheit und Bewe-gung, Suchtprävention und Kreativität durchgeführt. Hinzu kommen noch Aufträge von externen Auftrag-geberinnen wie beispielsweise der Wiener Kinder- und

Jugendbetreuung (WKJB), der Magistratsabteilung 10 oder der Wiener Gesundheitsförderung (WIG). Für die WKJB werden zu unterschiedlichen fachspezifischen Themen jährlich über 700 MitarbeiterInnen geschult. Für die Magistratsabteilung 10 startet im September 2016 eine Aufschulung von Kindergartenhelferinnen zu Kin-dergartenassistentinnen. Von der WIG wurde das IKH mit der Durchführung eines Projekts zum Thema Mund-gesundheit an Kindergärten und Schulen beauftragt. In diesem Rahmen werden vor Ort Beratungen, inklusive Projektentwicklung und -begleitung für PädagogInnen durchgeführt sowie Fortbildungen an der VHS Brigitte-nau angeboten.

Bei den vier Berufsausbildungen handelt es sich um die Ausbildung für KindergruppenbetreuerInnen, KindergartenassistentInnen/-helferInnen, Tagesmütter/-väter sowie ElternbildnerInnen. Von diesen Ausbildun-gen basieren zwei, nämlich die Ausbildung für Kinder-gruppenbetreuerInnen und für Tagesmütter/-väter auf einer gesetzlichen Grundlage, für die Ausbildung von KindergartenassitentInnen/-helferInnen gibt es bis dato keine gesetzlichen Vorgaben und der Ausbildungslehr-gang für ElternbildnerInnen basiert auf den Vorgaben des Familienministeriums und ist auch mit dem Gütesie-gel des bmfj ausgezeichnet.

Anhand der beiden Ausbildungslehrgänge für Kin-dergruppenbetreuerInnen sowie für ElternbildnerInnen werden in der Folge die inhaltlichen Konzepte aber auch die Dynamiken, denen Ausbildungen im Laufe der Zeit unterliegen, näher dargestellt.

BERUFSAUSBILDUNG FÜR KINDERGRUPPENBETREUERINNEN

Vor rund 15 Jahren hat sich der Gesetzgeber in Wien, aber auch in anderen Bundesländern entschlossen, der Arbeit der freien, elternverwalteten Kindergruppen ei-nen gesetzlichen Rahmen zu geben. Dabei wurden auch Ausbildungsstandards sowie jährliche Weiterbildungs-verpflichtungen definiert. Der Ausbildungsrahmen wur-de in Wien mit 90 Stunden festgelegt. In den ersten Jah-ren gab es in Wien drei Ausbildungseinrichtungen, bei denen bereits Beschäftigte, aber auch neu an dem Beruf Interessierte die Ausbildung absolvieren konnten. Die größte Herausforderung für die MitarbeiterInnen und Lehrenden der Volkshochschule bzw. des IKH bestand in der ersten Phase darin, mit einer bisher völlig unbe-kannten Situation konfrontiert zu sein, nämlich jener, dass Teilnehmende nicht freiwillig kommen, sondern zur Teilnahme und Absolvierung verpflichtet wurden. In der folgenden Phase ging die Zahl der Teilnehmenden mit Berufserfahrung immer mehr zurück und die Aus-bildung wurde immer stärker von NeueinsteigerInnen gebucht. Parallel dazu gab es eine Veränderung in der Struktur der Kindergruppen. Insbesondere bei den neu gegründeten Gruppen ging der Anteil der elternverwal-teten deutlich zurück und jener von vereinsnahen und migrantischen Kindergruppen stieg deutlich an. Damit ging auch eine Veränderung bei den zugrundeliegenden pädagogischen Konzepten sowie der Stellung der Eltern einher. Sehr bald stellte sich heraus, dass das Stunden-

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ausmaß zwar für Personen mit Berufserfahrung ein sinn-volles Arbeiten im Rahmen der Ausbildung ermöglichte, für NeueinsteigerInnen aber deutlich zu wenig war. Um die erforderlichen Inhalte und Kompetenzen angemes-sen vermitteln und mit den Teilnehmenden erarbeiten zu können, wurde einerseits das Stundenausmaß für die theoretischen Inhalte schrittweise angehoben und anderer seits auch ein Praxisteil eingeführt. In mehreren Entwicklungsschritten wurde so der Ausbildungsum-fang auf rund 250 Stunden erweitert. Aufgrund eines Personalmangels im elementarpädagogischen Bereich in Wien hatten die AbsolventInnen beste Berufsaus-sichten und auch das AMS und der WAFF förderten die Ausbildung der Teilnehmenden. Gleichzeitig ergab sich eine Entwicklung, dass immer mehr AnbieterInnen die Ausbildung durchführten. Aktuell gibt es in Wien rund 20 Einrichtungen, die die Ausbildung zur Kindergrup-penbetreuerIn anbieten, viele davon am gesetzlichen Limit von 90 Stunden oder knapp darüber. Dies hatte zur Folge, dass die Ausbildungslehrgänge am IKH auf-grund ihres deutlich höheren Stundenumfangs teurer waren und InteressentInnen oftmals keine Förderung mehr erhielten. Um weiter konkurrenzfähig zu sein, mussten insbesondere im Theoriebereich inhaltliche Ab-striche gemacht werden, um mit einem geringeren Stun-denausmaß auch preislich konkurrenzfähig zu bleiben. Derzeit beträgt der Stundenumfang 184 Stunden. Die theoretischen Inhalte umfassen die Bereiche organisato-rische und rechtliche Belange, Entwicklungspsychologie (inkl. der Themen Kinder mit besonderen Bedürfnissen und Sauberkeitserziehung), pädagogische Orientie-rung (darunter fallen die Themen Bildungsplan, Füh-rungsstile und ErzieherInnenverhalten, Tagesablauf, Raumgestaltung, Medienerziehung, Spielpädagogik, geschlechtersensible Pädagogik, interkulturelle Erzie-hung, Festgestaltung, sensibler Umgang mit Aspekten der Sexualität, Projektplanung, praktisches Arbeiten), Eltern- und Teamarbeit, Rolle und Rollenbild, Kommu-nikation und Konfliktlösung, Hygiene und Portfolioar-beit. Hinzu kommen noch die angeleitete Praxisausbil-dung, die Arbeit in Peergroups und mit Portfolios sowie Selbstlernphasen. Am Beispiel der Portfolioarbeit wird deutlich, dass ein zentraler Ansatz der Ausbildung da-rin besteht, theoretisch erworbenes Wissen auch selbst praktisch und erfahrungsorientiert umzusetzen. Am Ende der Ausbildung fließen die persönliche Entwick-lung und deren Dokumentation im Rahmen der eigenen Lernportfolios, die Praxisarbeit und deren Reflexion, die Teilnahme an und die Präsentation der Peergroup-Arbeit sowie die Ergebnisse eines Abschlussgesprächs in die Beurteilung ein. Bei Nichtbestehen haben Teilneh-merInnen die Möglichkeit zu zwei Wiederholungen des Abschlussgesprächs.

Aktuell ist eine Änderung der gesetzlichen Vorgaben in Wien in Vorbereitung. Ab Herbst 2016 werden vor-aussichtlich die bislang getrennten Ausbildungen für KindergruppenbetreuerInnen und Tageseltern zu einer Ausbildung zusammengeführt, die 400 Stunden umfas-sen wird. Informationen über die künftige inhaltliche Ausrichtung liegen zum Zeitpunkt des Verfassens dieses

Beitrags noch nicht vor. Da die Förderung von Teilneh-merInnen durch den WAFF aber v.a. durch das AMS in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen ist, stellt sich insbesondere im Hinblick auf den neuen Lehrgang, dessen Stundenausmaß um mehr als das Vierfache ange-hoben wurde, die Frage der künftigen Finanzierbarkeit seitens der Teilnehmenden.

AUSBILDUNG FÜR ELTERNBILDNERINNENIn diesem praxisorientierten Lehrgang erwerben Teil-

nehmende im Anschluss an Ihre pädagogische Grund-ausbildung die Fähigkeit, Veranstaltungen zur Eltern-bildung zu planen und durchzuführen. Der Lehrgang verfügt über das Gütesiegel des Familienministeriums, besteht aus vier Modulen (insgesamt 250 UE), ist berufs-begleitend organisiert (an Wochenenden) und dauert vier Semester:

Modul 1: Organisatorische Grundlagen und gesell-schaftspolitische Aspekte –Einführung in die Erwachsenenbildung/Elternbildung,Erziehung und elterliche Kompetenzen,Familie und soziokulturelles Umfeld.

Modul 2: Entwicklungspsychologie, Didaktik und Me-thodik –Entwicklungspsychologie, Soziologie der Gruppe,Kommunikation und Konfliktregelung,Didaktik und Methodik, Programmplanung und Orga-nisation in der Elternbildung.

Modul 3: Vertiefende Themenbereiche –Ethik, Werte, Sinnfrage,Gesundheitserziehung,Medien- und Konsumerziehung,Lernen und Potenziale erfassen.

Modul 4: Interaktiver Lehrgangsteil –Selbsterfahrung,Lehrpraktikum,Dialog in Peergroups,Selbststudium,Portfolioarbeit,Abschlussgespräch.

Voraussetzung für die Teilnahme am Lehrgang ist eine abgeschlossene pädagogische Ausbildung (LehrerIn, SozialpädagogIn, Kindergarten- oder Hortpädago-geIn oder damit vergleichbare Ausbildungen) oder die Ausbildung zur/m KindergruppenbetreuerIn, zur/m Tagesmutter/-vater am IKH.

BERUFLICHE WEITERBILDUNG AM IKHDie Weiterbildungsangebote des IKH reichen in den

bereits genannten Themenfeldern von Lehrgängen bis zu Einzelvorträgen. Die jeweils aktuellen Angebote sind online unter dem Link www.vhs.at/ikh zu finden. An die-ser Stelle sei lediglich auf zwei wba-zertifizierte Angebo-te hingewiesen, nämlich die Lehrgänge zur zertifizierten

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Praktisches zum Schwerpunkt Berufliche und berufsbezogene Bildung

Kinderyogatrainerin/-trainer sowie zur zertifizierten Kindertanzpädagogin/-pädagogen.

Kinderyoga wird nach psychomotorischen Grundsät-zen vermittelt. Kinderprogramme für Drei- bis Zwölf-jährige werden vorgestellt und gemeinsam erarbeitet. Dieser Lehrgang ist für HorterzieherInnen, Kindergar-tenpädagogInnen, FreizeitpädagogInnen und Yogaleh-rerInnen konzipiert und vermittelt pädagogische und philosophische Grundlagen für den Yoga-Unterricht sowie die praktische Vermittlung von Stundenbildern, Lehrproben und Instruktionsmethoden. Dieser Lehr-gang schließt mit einer Prüfung ab, die TeilnehmerInnen erhalten ein Zertifikat.

Der Lehrgang für Kindertanzpädagogik besteht aus drei Modulen, die auf kreativen Kindertanz und Per-sönlichkeitsentwicklung ausgerichtet sind. Material-, Sozial- und Körpererfahrung sind die Säulen der Psy-chomotorik, die auch dem didaktischen Konzept des Kindertanzunterrichts zugrunde gelegt sind. Es werden

Stundenbilder erarbeitet, die die Sinneswahrnehmung, Bewegungsqualität und Ausdrucksfreude der Kinder zwischen drei und 12 Jahren steigern. Auch dieser Lehr-gang schließt mit einer Prüfung ab und die Teilneh-merInnen erhalten ein Zertifikat.

Anhand des Instituts für Kindergarten- und Hort-pädagogik (IKH) wurde ein Beispiel dargestellt, wie berufsorientierte Aus- und Weiterbildung im Rahmen von Volkshochschulen betrieben werden kann. Gleich-zeitig wurde auf externe Einflussfaktoren hingewie-sen, die die Planungs- und Konzeptarbeit unmittelbar beeinflussen. Das Beispiel zeigt weiters, dass sich die Suche nach Nischen in der beruflichen Aus- und Wei-terbildung lohnt, immerhin gibt es das IKH mittler-weile seit mehr als 15 Jahren; aber es zeigt auch, dass für eine kontinuierliche Entwicklung von Vorteil ist, die Frage der Passung und der Anschlussfähigkeit an die Gesamtorganisation zu stellen ist und Antworten darauf zu finden. //

Der Universitätslehrgang Management und Leadership für Frauen

Schwerpunkt

Katja Fischer und Cäcilia Innreiter-Moser1

Gesellschaftspolitische Überlegungen standen auch im Vordergrund, als 2010 ein weiteres Kooperationspro-jekt der Johannes Kepler Universität (JKU) und der VHS Linz, nämlich der Universitätslehrgang „Management und Leadership für Frauen“ im Wissensturm seinen Aus-gang nahm. Hintergrund und Zielsetzung des Projekts, das auf einer Initiative des Frauenausschusses der Stadt Linz und des Instituts für Frauen- und Geschlechterforschung der JKU basierte, war und ist die gezielte Förderung von Frauenkarrieren, verbunden mit einer Erhöhung des Frau-enanteils in den Führungsebenen heimischer Unterneh-men. Begleitend dazu startete auch eine Vortragsreihe zur Gender-Thematik, die für breite Bevölkerungsschichten öffentlich zugänglich sein sollte.

EIN UNIVERSITÄTSLEHRGANG EXKLUSIV FÜR FRAUEN

Der Anteil der Frauen im Erwerbsleben hat in den letz-ten Jahrzehnten zwar stetig zugenommen. Dennoch spie-geln sich ihre qualifizierten Schul- und Studienabschlüsse in den erreichten Berufspositionen nicht wider. Die verti-kale geschlechtsspezifische Segregation des Arbeitsmark-tes ist ungebrochen. Frauen in Führungspositionen sind in den unteren und mittleren Managementebenen noch merklich vertreten, in den oberen Etagen – trotz diverser Fördermaßnahmen – sind nur mehr wenige anzutreffen. (Siehe EIGE: 2015).

Bis Anfang des 20. Jahrhunderts waren Organisatio-nen – verkürzt dargestellt – Gebilde, die zum einen meist von Männern gegründet und zum anderen auch von diesen besetzt wurden. Organisationen folgen damit auch heute noch ungebrochen männlich dominierten Strukturprinzi-pien, die sich besonders um Stärken und Status drehen und in entsprechenden Verhaltensdynamiken ihren Ausdruck finden. Strukturprinzipien in Frauengruppen – so vorlie-gende Befunde (Krumpholz: 2004, Schwarz: 2007) – ori-entieren sich vorwiegend an den Erwartungen der anderen und bemühen sich um Gleichrangigkeit. In gemischt- geschlechtlichen Gruppen setzen sich im Alltag in der Regel die männlichen Strukturprinzipien durch, was zu einer Verteilung von Rollen und Funktionen entlang des

1 Leicht gekürzte Fassung des Beitrages (2016) in: Magazin Erwachsenenbildung, 27. Online verfügbar unter: http://erwachsenenbildung.at/magazin/16-27/12_fischer_innreiter-moser.pdf [15.04.2016].

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Praktisches zum Schwerpunkt Berufliche und berufsbezogene Bildung

2 Zu Doing Gender, Doing Difference, Un-doing Gender und Un-doing Difference siehe das Dossier „ Diversitätsmanagement“ von Surur Abdul-Hussain und Roswitha Hofmann (2012). Online verfügbar unter: http://erwachsenenbildung.at/themen/diversitymanagement/the-oretische_grundlagen/soziale_konstruktion.php und jenes von Surur Abdul-Hussain zu Gender Mainstreaming unter http://erwachsenenbil-dung.at/themen/gender_mainstreaming/theoretische_hintergruende/geschlecht_und_gender.php [Anm. d. Red.].

Geschlechtes führt. (Siehe Krumpholz: 2004). Dieses „do-ing gender“, das immer wieder Herstellen von Geschlecht-sidentitäten und der damit verbundenen Normen, bedeutet für Frauen oft weniger Sichtbarkeit, weniger Einfluss und weniger Führungspositionen in den höheren Managemen-tetagen.2

Blickt man in die Ausbildungsseminare von Kader-schmieden unseres Landes, so muss man feststellen, dass Frauen auch dort nach wie vor kaum vorkommen. Mit dem Absolvieren solcher Weiterbildungslehrgänge ist jedoch meist auch ein Karriereschritt verbunden. Wie können Frauen vermehrt Zugang zu den Kaderschmieden bekom-men und damit auch zu den Führungspositionen?

Mit dem Angebot eines Postgraduate Studiums ex-klusiv für Frauen ist die Idee verbunden, die Anzahl von Frauen mit einem Postgraduate-Abschluss zu erhöhen sowie im Ausbildungsverlauf nachteilige Geschlechts-dynamiken möglichst zu vermeiden. Dabei werden nach Maßgabe freier Studienplätze in begründeten Ausnahmefällen Frauen zum Aufbaustudium zugelas-sen, die kein abgeschlossenes Studium, aber mindestens vier Jahre Berufserfahrungen nachweisen können und aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit, ihrer Erfahrungen und Leistungen über eine vergleichbare Qualifikation verfügen (Curriculum Aufbaustudium 2015, § 2 Abs. 2). Diese Öffnung des Bildungssystems ermöglicht so, qua-lifizierten Menschen ohne akademischen Abschluss den Zutritt in die entsprechende Community und damit zu erweiterten Berufskarrieren.

Der Master of Business Administration (MBA) „Ma-nagement und Leadership für Frauen“ spricht Frauen in (angehenden) Führungspositionen an, die sich mit Fragen und Herausforderungen modernen Manage-mentwissens theoretisch und praktisch eingehend aus-einandersetzen und dabei die Realitäten, geprägt von hegemonialen Männlichkeitsmustern, für bestimmte Zeit verlassen wollen. Es geht darum, bewusst aus einer Distanz, begleitet von erfahrenen Lehrenden (Frauen und Männer) aus Wissenschaft und Praxis, genau diese Realitäten (im Mikro- wie im Makrobereich) zu betrach-ten, zu verstehen, die eigene Position zu erkennen und das Veränderungspotenzial auszuloten.

INHALT UND AUSGESTALTUNG DES UNIVERSITÄTSLEHRGANGES

Ziel des Universitätslehrganges ist es, Frauen in der Planung und Umsetzung ihrer beruflichen Karriere als Führungskraft zu unterstützen. Vier Semester haben die Teilnehmerinnen berufsbegleitend die Möglichkeit, theoriegeleitet und praxisbezogen jene Kompetenzen zu stärken, die sie für ihren Führungsalltag benötigen und die in ihrem Managementalltag eine Herausforde-rung für sie darstellen. Für die Zulassung zum Universi-tätslehrgang ist entweder der Abschluss eines fachein-schlägigen Bachelor-, Master- bzw. Diplomstudiums oder – neben entsprechender Berufserfahrung – eine vergleichbare Qualifikation nötig.

Achtzehn dreitägige Ausbildungsmodule, die zu sechs thematischen Schwerpunkten zusammengefasst sind, spannen einen Bogen zwischen modernstem

Managementwissen und persönlichkeitsbildenden Kompetenzen. Geht es bei „Personal Mastery“ bei-spielsweise um das persönliche Führungsverständnis und daraus abgeleitete Handlungsalternativen, erar-beiten die Teilnehmerinnen im Schwerpunkt „Leader-ship“ Strategien, um als Führungskraft Menschen und Organisationsprozesse erfolgreich zu steuern und zu begleiten. In den Bereichen „Management Basic Prin-ciples“ und „Excellence“ werden Management-Tools wie Unternehmensrechnung, Bilanzanalyse, Finanzma-nagement oder Controlling vermittelt. Darüber hinaus setzen sich die Teilnehmerinnen mit der Gestaltung von Strukturen und Prozessen in Organisationen sowie mit Anforderungen an moderne Führung, wie z. B. Nach-haltigkeits-, Diversity- oder Change- Management aus-einander. Mechanismen von Märkten und Gesellschaf-ten stehen im Zentrum des fünften Themenbereichs. „Wissenschaftliche Kompetenz“ vervollständigt die Themenbereiche und umfasst jene Module, in denen die Teilnehmerinnen sowohl in der Erstellung ihrer Master-thesis unterstützt und begleitet werden als auch die für die Initiierung von Unternehmensprozessen nötigen empirischen Methoden und Analyse-Tools kennen und anwenden lernen.

Begleitend dazu fördern Peergruppen, Kamingesprä-che und Mentoring-Gespräche mit erfolgreich führen-den Frauen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Öffent-lichkeit die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Handlungs- und Denkstrukturen sowie die Vernetzung der Teilnehmerinnen. Die Masterthesis und die schrift-lichen Semesterprüfungen bilden die formale Grund-lage für den akademischen Abschluss eines Master of Business Administration, kurz MBA.

KOOPERATION VON UNIVERSITÄT UND VOLKSHOCHSCHULE

In der Konzeption und Durchführung des Universi-tätslehrganges bringen Universität und VHS gleicher-maßen ihre Kompetenzen ein. Während die inhaltliche, curriculare Gestaltung des Lehrganges der Universität obliegt, übernimmt die Volkshochschule die organisa-torische Abwicklung. Das inkludiert neben der Durch-führung auch Beratungsleistungen, die Bewerbung des Lehrgangs, die Akquisition von Teilnehmerinnen sowie die inhaltliche Unterstützung der wissenschaftlichen Lehrgangsleitung. Inhaltliche Transparenz sowie eine gut funktionierende Abstimmung zwischen den Verant-wortlichen von JKU und VHS sorgen für ein Gelingen der Kooperation. Obendrein steht den Lehrgangsver-antwortlichen ein jährlich tagender und aus Mitgliedern der JKU und der Stadt Linz bestehender Lenkungsbeirat

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zur Seite, der die Entwicklung, Durchführung und Eva-luierung des Lehrganges beratend begleitet.

ERFAHRUNGEN AUS DER UMSETZUNGMehr als 40 berufserfahrene Teilnehmerinnen im

Alter zwischen 28 und 55 Jahren (mit und ohne Kinder) und aus unterschiedlichen Branchen sowie mit hetero-genen Werdegängen (Technikerinnen, Ökonominnen, Juristinnen, Medizinerinnen, Kulturschaffende oder Naturwissenschafterinnen) haben bisher (Stand: De-zember 2015) die Möglichkeit genutzt, im Rahmen des Lehrganges Managementqualitäten zu erwerben und persönliche Entwicklungsschritte zu setzen. Einmal im Monat (ausgenommen Juli und August), von Donners-tagnachmittag bis Samstag 17.00 Uhr, betreten diese Frauen einen Raum, in dem sie ganz wesentlich mitbe-stimmen, wie, mit welchen Fragen und aus welcher Per-spektive Managementthemen bearbeitet werden. Die anfänglich oft formulierte Skepsis der Teilnehmerinnen gegenüber einer reinen „Frauengruppe“ in einer Ma-nagementausbildung – genährt durch entsprechende Äußerungen aus ihrer privaten wie beruflichen Umwelt (so Rückmeldungen unserer Teilnehmerinnen) – ist so-wohl bei den Absolventinnen als auch den Lehrenden (gemischt-geschlechtlich) der Überzeugung gewichen, dass dieses „Projekt“ sich bewährt hat, Sinn stiftet und regelmäßig angeboten werden soll.

Aus den regelmäßig durchgeführten Feed-backs wissen wir, dass das Erarbeiten und Reflektieren von Aufgabenstellungen in den Peergroups sowie das für einander Dasein und Unterstützen bei diversen Her-ausforderungen beruflicher wie privater Art für unsere Teilnehmerinnen enorm wichtig ist. Den Nutzen von Netzwerken haben so manche schätzen gelernt.

Beispielhaft lassen wir an dieser Stelle Frauen aus dem Lehrgang sprechen:

„Die im Rahmen der Ausbildung mögliche Selbst- und Fremdreflexion hat mich in meiner Persönlichkeitsentwick-lung einen großen Schritt weiter gebracht, vor allem in Hin-blick auf das eigene Führungsverhalten.“

„Ich habe mich zur Teilnahme an dem Masterlehrgang ent-schlossen, weil meine praktischen Erfahrungen gut ausge-prägt sind, die Theorie aber, weil ich kein Studium habe, ein Update gebraucht hat. Meine Erwartungen wurden erfüllt und ich kann auch Frauen mit langer Berufserfahrung jeden-falls raten, diesen zu besuchen.“

HERAUSFORDERUNG: FINANZIERUNGAn seine Grenzen stößt der Anspruch nach breitem

Zugang zu dieser karrierefördernden Weiterbildungs-möglichkeit allerdings dann, wenn es um die Teilnahme-gebühren geht. Die Volkshochschulen haben sich in ihren Grundsätzen als einer ihrer Qualitäten der Kostengünstig-keit verpflichtet. Die Teilnahmegebühren für den „MBA Management und Leadership für Frauen“ liegen, wie auch die vergleichbaren universitären Managementlehrgänge, weit über dem Niveau der Volkshochschulangebote. Ein Grund dafür ist, dass sich der Lehrgang gänzlich aus den

Teilnahmegebühren finanziert. Das setzt zum einen eine bestimmte Mindestteilnehmerinnenzahl pro Lehrgang vo-raus, zum anderen erschwert es den Zugang für Frauen, die nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel verfügen. Die Förderung über das Bildungskonto des Landes Ober-österreich ist zwar möglich, macht aber nur einen kleinen Teil der erheblichen Kosten für Privatzahlerinnen wett. Stipendien (wie z.B. der Stadt Linz, der JKU oder vom Land OÖ) sowie eine verstärkte Ansprache von Unterneh-men, ihre weiblichen Potenzialträger zu dieser besonderen Art von Führungskräfteausbildung zu entsenden, sollen hier Abhilfe schaffen.

Das Spannungsverhältnis zwischen Lehrgangsbeitrag, Qualität und Leistbarkeit ist eine der großen Herausfor-derungen der Lehrgangsgestaltung. Zum einen erleben wir, dass von Seiten mancher Unternehmen, neben dem Curriculum und den Vortragenden auch der Preis als Qua-litätsmerkmal herangezogen wird, nach dem Motto „Was nichts kostet, kann auch nichts wert sein.“ Zum anderen sehen wir uns mit der Tatsache konfrontiert, dass Frauen – wie „Gender-Pay-Gap“ und „Equal Pay Day“ es ein-deutig belegen – nach wie vor um rund ein Viertel weni-ger verdienen als Männer (Statistik Austria: 2015, S. 1) und damit weniger finanzielle Ressourcen z.B. auch für Weiterbildungen zur Verfügung haben. Ein höherer Lehr-gangsbeitrag verstärkt diese Ungleichheit und erschwert die Zugangschancen.

DER MEHRWERT DER KOOPERATIONRegine Mickler (2013, S. 45) weist darauf hin, dass

Kooperationen in der Erwachsenenbildung den Blick auf Neues erweitern. Innovationen werden durch ko-operative Strukturen unterstützt und teilweise auch erst ermöglicht. Der „MBA Management und Leadership für Frauen“ birgt sowohl ein hohes Innovationspotenzial als auch den Bedarf nach einem besonderen Lernumfeld. Ein Lernumfeld, das den Frauen ausreichend Raum und Akzeptanz bietet, sich zu öffnen und ihre persönlichen und beruflichen Potenziale zu entfalten; zugleich aber auch ein Lernumfeld, das es den Frauen ermöglicht, zu experimentieren, zu forschen und sich untereinander auszutauschen. Die Verortung des Lehrganges an einem offenen und demokratischen Ort wie der VHS Linz si-chert u. E. dieses Lernumfeld. Gerade die aus dem Uni-versitätsbetrieb herausgenommene Lernumgebung bietet jene Offenheit und Toleranz, die zur Umsetzung eines ge-schlechtshomogenen Lehrgangskonzepts notwendig ist.

Eine Ausbildung zur Führungskraft beinhaltet auch immer eine Auseinandersetzung mit der eigenen Identität, mit dem eigenen Rollenverständnis. Die Volkshochschulen sehen es in ihren Empfehlungen als ihren Auftrag, mit Bildungsangeboten „Persön-lichkeitsentwicklung im Sinne einer selbstbewussten, kritisch reflexiven, kommunikations- und handlungs-fähigen Persönlichkeit zu fördern“. (VÖV: 2015, S. 3). Die Einbindung eines innovativen universitären Wei-terbildungsangebots in das Programm der Volkshoch-schule signalisiert nach außen zudem die Bereitschaft und das Bekenntnis zur Vielfalt im Angebot sowie zur Qualität und wirkt Image bildend. Die VHS Linz bzw.

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Praktisches zum Schwerpunkt Berufliche und berufsbezogene Bildung

der Wissensturm stärkt damit ihr Profil als „Lernort der Zukunft“3.

Während die VHS vor allem vom Imagetransfer im Hinblick auf Qualität, Vielfalt und Innovationskraft profitiert, geht es auf Seiten der Universität um die Wahrnehmung einer stärkeren Praxisorientierung, um mehr Flexibilität und die Übernahme gesellschaftli-cher Verantwortung durch die Förderung von Frauen-karrieren.

Mit dem Bologna Prozesses und der Einführung der Vollrechtsfähigkeit hat die berufsbezogene Weiterbil-dung an den Universitäten im Kontext des lebenslan-gen Lernens einen neuen Stellenwert erhalten. Eine Orientierung am lebensbegleitenden Lernen beinhal-tet, im Gegensatz zum Erstausbildungsmodell, auch die Miteinbeziehung unterschiedlicher Lernorte, die Ansprache von Erwachsenen als neue Zielgruppe sowie eine verstärkte Öffnung des Zugangs zur Universität. (V gl. Hanft & Faulstich: 2009, S. 9).

Gornik (2011, S. 70) betont im Zusammenhang mit der Etablierung universitärer Life-Long-Learning-Strategien auch die Herausforderung, Programme an die Lern-, Lebens- und Arbeitserfahrungen der Stu-dierenden anzupassen. Im Universitätslehrgang „Ma-nagement und Leadership für Frauen“ stehen, neben der Vermittlung der fachlichen Kompetenzen, die realen Berufs- und Lebenssituationen der Frauen im Vordergrund. Erfahrene TrainerInnen aus der Praxis tragen, neben Vortragenden aus der Hochschullehre, durch die Einbindung von Fallbeispielen aus ihren Be-ratungsfällen und auch aus dem beruflichen Umfeld der Teilnehmerinnen, zu einer stärkeren Praxisorien-tierung bei.

Die JKU rückt, mit der Verortung des Universitäts-lehrganges im Wissensturm, wie im Kooperations-abkommen angestrebt, stärker in den Stadtraum von Linz. Damit wird die Universität präsenter und nah-barer. Darüber hinaus öffnet sie sich gesellschaftlichen Anforderungen wie der Karriereförderung von Frau-en oder der Ausrichtung des universitären Weiterbil-dungsangebots an den Anforderungen lebenslangen Lernens. //

LiteraturEIGE (2015): Gender Equality Index 2015. Measuring gender equality in

the European Union 2005– 2012.

Gornik, Elke (2011): Lifelong Learning – kein Schlagwort, sondern gelebte Realität an Österreichs Universitäten. In: Nino Tomaschek & Elke Gornik (Hrsg.), The Lifelong Learning University. Münster: Waxmann Verlag.

Hanft, Anke & Faulstich, Peter (2009): Weiterbildung und berufsbegleitendes Studieren an Hochschulen, 2. Auflage, Oldenburg. Online verfügbar unter: http://www.mba.uni-oldenburg.de/downloads/leseproben/bildungsmanagement_-_studienmaterial_leseprobe_weiterbildung_und_berufsbegleitendes_studieren_faulstich_hanft.pdf [11.9.2015].

Hummer, Hubert (2007): Der Wissensturm der Stadt Linz. Ein Lernort der Zukunft? In: Die Österreichische Volkshochschule, 58 (224), 2–6.

JKU/Wissensturm (2009): JKU und Volkshochschule Linz (Wissensturm) starten langfristige Bildungskooperation mit Vortragsreihe „Was Wissen schafft. Science in Residence“, Presseunterlage anlässlich der Pressekonferenz am 15. Jänner 2009 im Wissensturm. Online verfügbar unter: http://www.jku.at/PR/content/e13544/e13537/e190045/e66510/e13361/PK-Unterlage15.1._ger.pdf [11.9.2015].

Krumpholz, Doris (2004): Einsame Spitze. Frauen in Organisationen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Leitbild Wissensturm. Online verfügbar unter: http://www.linz.at/wissensturm/81.asp [11.9.2015].

Mickler, Regine (2013): Kooperation in der Erwachsenenbildung. Die Volkshochschule als Teil eines Bildungs- und Kulturzentrums. Wiesbaden: Springer Verlag.

Schwarz, Gerhard (2007): Die „Heilige Ordnung“ der Männer. Hierarchie, Gruppendynamik und die neue Rolle der Frauen. 5., überarbeitete Auflage. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Statistik Austria (2015): Internationaler Frauentag 2015: Frauen sind gut ausgebildet, arbeiten häufig in Teilzeit und verdienen brutto pro Stunde 23% weniger als Männer. Online verfügbar unter: http://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/soziales/gender-statistik/einkommen/index.html [21.12.2015].

VÖV – Verband österreichischer Volkshochschulen: Empfehlung zur Gestaltung der Bildungsarbeit an Volkshochschulen. Online verfügbar unter: http://files.adulteducation.at/uploads/ingrid/Empfehlung_fur_die_Bildungsarbeit_an_Volkshochschulen.pdf [11.9.2015].

3 Der Wissensturm startete 2007 mit dem Anspruch, als Lernort der Zukunft lebensbegleitendes Lernen zu fördern und unterschiedlichen Lernformen und Lernarrangements Platz zu geben. Das beinhaltet sowohl Formen des formellen als auch des informellen bzw. selbstorganisierten Lernens. Als Wissenszentrum konzipiert, soll er Zugänge zum Wissen für möglichst viele Menschen bereithalten. (Humme:r 2007, S. 4 f).

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Bildungsthemen aktuell

Elisabeth Feigl

Fast täglich werden wir mit Nachrichten über Klimaka-tastrophen und unterschiedlichste Formen der Umwelt-zerstörung konfrontiert. Das Thema Nachhaltigkeit ist in unser allen Köpfen, die konkrete Umsetzung erscheint jedoch viel schwieriger. Was kann jede/r einzelne von uns in der Erwachsenenbildung dazu beitragen, unseren Planet lebenswert zu gestalten? Wie können wir auch an-dere dazu bewegen, über unsere Ressourcenverwendung nachzudenken? Und wie kann Nachhaltigkeit in ökolo-gischer, wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht in unse-rem Handlungsbereich umgesetzt werden?

Das Erasmus+ Projekt SustAEnable hat es sich zur Aufgabe gestellt, die Querschnittsmaterie „Nachhaltig Leben“ in Form von eigens entwickelten Übungen und Aktivitäten in den Sprachenunterricht einfließen zu lassen.

WARUM NACHHALTIGKEIT MIT SPRACHENLERNEN VERBINDEN?

Sprachenlernen ist ein komplexes Unterfangen, da die intellektuellen Fähigkeiten, Denkprozesse und Mei-nungen eines erwachsenen Lernenden fast immer höher entwickelt sind als die Kenntnisse in der Fremdsprache. So kann es eigenartig erscheinen, die Komplexität des Sprachlernprozesses mit einem komplizierten Thema wie Nachhaltigkeit zu verbinden.

Die Erfahrungen im Erasmus+ Projekt SustAEnable haben aber gezeigt, dass diese Vorgehensweise sehr gut funktioniert: Das Erlernen einer Fremd- oder Zweitspra-che bietet ausgezeichnete Möglichkeiten, das Themen-gebiet der Nachhaltigkeit zu erkunden, denn fast jeder Mensch hat eine eigene Meinung dazu. Das Thema regt

zur Diskussionen an, da jede/r unterschiedliche Sicht-weisen zu diesem Thema einbringt und interessante Re-deanlässe geschaffen werden. Dadurch eignet es sich als perfektes Werkzeug zum Sprachenlernen und kann auf einfache Weise in den Unterricht eingebaut werden. Die Aneignung einer Fremdsprache ist ja eine bereichernde und lebensbejahende Erfahrung, wobei die Sprache der Nachhaltigkeit wichtigen und interessanten Lehrstoff bietet und für Lernende mit Sicherheit auf ihrem Weg von Nutzen sein wird.

Die im Projekt entwickelten Übungen und Aktivitä-ten wurden zum Einsatz im Sprachenunterricht in der Erwachsenenbildung entwickelt und können auf unter-schiedlichen Niveaustufen je nach Kenntnissen und In-teressen eingesetzt werden.

So erforschen die TeilnehmerInnen etwa den Inhalt ihres ihrer KühlschranksKühlschränke, diskutieren über smarte Häuser der Zukunft oder spielen Saison-Gemü-se-Domino. Die Materialien wurden für die Sprachen Deutsch, Englisch, Spanisch, Tschechisch und Schwe-disch entwickelt; viele der Aktivitäten können aber auch für andere Sprachen oder die Basisbildung adaptiert wer-den.

Da das Thema Nachhaltigkeit sehr umfangreich ist, konzentrieren wir uns im Projekt auf die folgenden drei Themengebiete: was wir essen, unsere technische Welt und wie wir leben.

Im Online-Ressourcenpool unter: http://www.sustae-nable.eu/ finden sich dazu rund 100 detailliert beschrie-bene Aktivitäten.

WARUM SETZEN WIR UNS MIT DIESEM THEMA AUSEINANDER?

Das Konzept der Nachhaltigkeit ist komplex und betrifft jede/n von uns, wobei es auch für jeden Men-schen etwas anderes bedeutet. Die Methoden des Pro-jekts SustAEnable konzentrieren sich auf die Reflexion darüber, wie wir leben, welche Ressourcen wir verwen-den und welche Folgen das auf unsere Umwelt hat. Wie wirkt sich unser Lebensstil auf andere Personen, Tiere und Pflanzen aus? Was wird für zukünftige Generati-onen übrig bleiben und wie können wir die Situation verbessern?

Seit langem ist bekannt, dass Ressourcen auf unserem Planeten begrenzt zur Verfügung stehen und nicht ge-recht verteilt sind. Veränderungen finden statt und wir können entweder passiv warten, was passiert, oder sofort unseren Alltag umweltverträglicher gestalten.

Um einen zukunftsträchtigen Umgang mit begrenz-ten und kostbaren Ressourcen zu erlernen, müssen wir zuerst verstehen, welche Auswirkungen unsere tägli-chen Entscheidungen auf die Umwelt haben. Unser Kon-sumverhalten hat einen maßgeblichen Einfluss auf die Produktion von Gütern, vor allem in Bezug auf Qualität und Quantität.

Zum Beispiel kann die Entscheidung, ein weißes T-Shirt aus Baumwolle zu kaufen viele Auswirkungen mit sich bringen. Die Produktion eines Baumwoll-T-Shirts kann bis zu 2700 Liter Wasser verschlingen – das ist ge-nug, um einen Tag lang 1350 Menschen mit Trinkwasser

SustAEnable Lifestyle and Language LearningDas Thema Nachhaltigkeit als Querschnittsmaterie im Sprachenunterricht

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DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2016 · NR. 258 — 41

Bildungsthemen aktuell

zu versorgen. Das Färbemittel, das verwendet wird, um die natürlich graue Baumwolle glänzend weiß zu ma-chen, kann giftig sein und wird sogar in manchen Län-dern direkt in den Fluss abgelassen, wodurch das Wasser mit Chemikalien verschmutzt wird und Lebewesen und die Umwelt schädigt. Viele T-Shirts werden in Ländern mit geringen Produktionskosten hergestellt, die den Menschen schlechte Arbeitsbedingungen und niedrige Löhne bieten. Vergleichen Sie zum Beispiel: http://www.worldwildlife.org/stories/the-impact-of-a-cotton-t-shirt

Nachhaltigkeit bedeutet für uns, darüber nachzuden-ken wie wir leben, welche Ressourcen wir verwenden und was unser Lebensstil für andere Menschen, Tiere und Pflanzen (auf anderen Kontinenten) bedeutet und was für die, nach uns kommenden Generationen übrig bleiben wird. Nachhaltigkeit ist ein komplexer Begriff, der sowohl ökologische, wirtschaftliche und soziale As-pekte miteinschließt.

Nachhaltig leben bedeutet auch, sich immer stärker dessen bewusst zu sein, wie unser alltägliches Leben die Welt um uns beeinflusst und zu lernen, mit nicht nach-wachsenden Rohstoffen sowie wertvollen Ressourcen achtsamer und sparsamer umzugehen.

Beim Unterrichten und Lernen der Sprache/n von Ländern, die wir besuchen oder in denen wir leben, können wir ein neues Verständnis von Nachhaltigkeit entwickeln und uns so aktiv am gesellschaftlichen Leben beteiligen.

Das Thema Nachhaltigkeit kann als Querschnittsma-terie in den unterschiedlichsten Fachbereichen in den Unterricht einfließen zu lassen , etwa in der Basisbil-dung, beim Hauptschulabschluss, in der politischen Bil-dung oder in EDV-Kursen (im Projekt finden sich auch diesbezüglich Impulse und Empfehlungen).

Das heißt, das Thema geht uns alle an und jede/r von uns in der Erwachsenenbildung ist eingeladen einen Bei-trag zu leisten! //

This project has been funded with support from the Eu-ropean Commission. This publication [communication] reflects the views only of rhe author, and the Commissi-on cannot be held responsible fro any use which may be made of the information contained therein.

Foto: http://www.sustaenable.eu

WEITERE INFORMATIONEN:

Ressourcenpool: http://www.sustaenable.eu/

Projekt-Homepage: https://sites.google.com/site/projectsustaenable/

VÖV-Homepage: http://www.vhs.or.at/586/

Facebook: https://www.facebook.com/pages/Projectsustaenable/347140775469188

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Bildungsthemen aktuell

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Anerkennung von KompetenzenNeuauflage der „Europäischen Leitlinien für die Feststellung und Anerkennung von nicht-formal und informell erworbenen Kompetenzen“

Die Anerkennung und Zertifizierung von Kompetenzen – oder Validierung, wie der Fachausdruck dafür im Kontext heißt – ist seit geraumer Zeit Thema in der EU und in Österreich. Kompetenzen, die außerhalb formaler Bildungsinstitutionen erworben wurden, sollen sichtbar und verwertbar gemacht werden. Dies ist angesichts der aktuellen Migrationsbewegungen von besonders hoher Aktualität. Cedefop1 hat nun die „Europäischen Leitlinien für die Validierung nicht formalen und informellen Lernens“ neu aufgelegt.

Bereits 2009 veröffentlichten Cedefop und die Europä-ische Kommission die „Europäischen Leitlinien für die Validierung nicht- formalen und informellen Lernens“. Seither kam es in den Mitgliedsländern zur Entwick-lung zahlreicher Validierungsprojekte und -verfahren, die teilweise Eingang in nationale Bildungssysteme fan-den. Zugang, Intensität und Ausprägung variieren dabei stark. Eine Übersicht zum aktuellen Entwicklungs-stand der Validierung in den einzelnen Ländern erstellt das „European Inventory on Validation of non-formal und informal learning“ seit 2004 in regelmäßigen Ab-ständen.

RATSEMPFEHLUNG VON 20122012 verabschiedete der Rat der EU die „Empfehlung

zur Validierung nichtformalen und informellen Ler-nens“ und fordert darin die Mitgliedstaaten auf, bis 2018 nationale Validierungsstrategien zu entwickeln. Neben vielen anderen Staaten beschäftigt sich auch Österreich derzeit mit einer solchen Strategie. Dies erfolgt in enger Abstimmung mit der Entwicklung eines Nationalen Qualifikationsrahmen (NQR) und der Umsetzung einer Strategie für lebensbegleitendes Lernen in Österreich (LLL:2020). Ein entsprechendes österreichisches Konsul-tationsdokument wurde im Juni 2015 vom Bundesminis-terium für Bildung und Frauen veröffentlicht.

EUROPÄISCHE LEITLINIEN „NEU“Ende 2015 wurde eine überarbeitete Version der

Leitlinien publiziert. Das Dokument trägt aktuellen Entwicklungen Rechnung und nimmt Bezug auf die Ratsempfehlung und auf das europäische Inventory. Es richtet sich an politische EntscheidungsträgerInnen und Fachleute aus der Praxis, die für die Initiierung,

Entwicklung, Implementierung und Durchführung von Validierung verantwortlich sind.

VIER PHASEN DES VALIDIERUNGSPROZESSESDie Leitlinien beschreiben die vier Phasen eines Validie-rungsverfahrens: Identifikation,Dokumentation,Assessment/Überprüfung,Zertifizierung.

Die vier Phasen haben je nach Schwerpunkt des Ver-fahrens unterschiedliche Wertigkeit. Bei formativen Verfahren (entwicklungsorientierter Ansatz) liegt der Schwerpunkt auf der Identifikation und Dokumentati-on erworbener Kompetenzen. Zum Einsatz kommt oft ein Mix aus Methoden wie Selbstevaluation, Fremd-einschätzung, Interviews, Gruppenarbeiten usw. Ziel formativer Kompetenzverfahren ist vor allem das Be-wusstmachen von Stärken und das Aufzeigen von Hand-lungsoptionen wie z.B. mögliche Karrierewege.

Bei summativen Verfahren (anforderungsorientierter Ansatz) liegt der Fokus auf der Überprüfung und Zertifi-zierung von Kompetenzen. Diese werden dabei anhand vorab definierter Standards (eines Curriculums, eines Qualifikationsprofils oder Lehrplans) festgestellt und abgebildet. Primäres Ziel ist ein Nachweis für den Ar-beitsmarkt oder für weiterführende Bildungsgänge, der transparent macht, was eine Person kann. Methoden zur Feststellung und Überprüfung der Kompetenzen kön-nen Assessments, Tests, schriftliche Arbeiten, Portfolio-arbeit oder Beobachtung etc. sein.

Die neuen Leitlinien betonen die zentrale Rolle des Individuums. Validierung soll Empowerment ermögli-chen, idealerweise auf Freiwilligkeit basieren und den KandidatInnen ein eigenständiges Durchlaufen des Pro-zesses ermöglichen. Transparenz in Bezug auf Abläufe, Anforderungen, Kosten und Nutzen sind dabei wesent-lich. Vertraulichkeit und Fairness sind zu gewährleisten und die Privatsphäre des Individuums ist zu schützen und zu respektieren.

BERATUNG UND BEGLEITUNG DURCH DEN ANERKENNUNGSPROZESS

Analog zu der Ratsempfehlung und basierend auf Studien und Erfahrungen wird die zentrale Bedeutung von Beratung und Begleitung betont. Sie soll im Vor-feld möglichst allen Interessierten zur Verfügung ste-hen und über Abläufe, Nachweisformen, Kosten und

1 Cedefop, das Europäische Zentrum für die Förderung der Berufsbildung mit Sitz in Griechenland, ist eine der dezentralisierten Agenturen der Europäischen Union. Cedefop unterstützt die Ausarbeitung von europäischen Strategien zu Berufsbildung und trägt zu ihrer Umsetzung bei. Mehr Informationen unter: http://www.cedefop.europa.eu/de/about-cedefop [13.4.2016].

2 Siehe dazu auch: http://erwachsenenbildung.at/aktuell/nachrichten_details.php?nid=9951 [13.4.2016].

Karin Reisinger2

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Bildungsthemen aktuell

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Anforderungen informieren und damit eine Entschei-dungshilfe bieten. Kompetentes Personal leitet die Kan-didatInnen an, gibt Hilfestellung hinsichtlich zulässiger Nachweisarten und trägt durch seine Begleitungs- und Beratungstätigkeit maßgeblich zum Erfolg des Validie-rungsprozesses bei.

KOMPETENZ DES VALIDIERUNGSPERSONALSDie neuen Leitlinien betonen die Bedeutung der

Arbeit der Validierungsfachkräfte für die Qualität und das Vertrauen in die Ergebnisse des Prozesses. Hierzu gehören Personen, die Information, Beratung und Ori-entierung anbieten, Personen, die Bewertungen durch-führen, externe Beobachter des Prozesses und Prozess-managerInnen.

Sowohl BeraterInnen als auch AssessorInnen sollen Va-lidierungskompetenz, Fachkundigkeit, Soft Skills und in-terkulturelle Kompetenz mitbringen. AssessorInnen soll-ten darüber hinaus mit den KandidatInnen in keiner Weise außerhalb des Validierungsprozesses Verbindung haben.

Die Weiterbildung von Validierungspersonal wird als wesentlicher Qualitätsaspekt geschildert.

EINBINDEN DER STAKEHOLDERDie Einbindung relevanter Stakeholder ist eine weite-

re wichtige Voraussetzung für Gelingen und Akzeptanz (Ministerien, Sozialpartner, Arbeitsmarktservice, Anbie-ter der Erwachsenenbildung, Unternehmen, Jugendorga-nisationen, zivilgesellschaftliche Organisationen usw.). Validierung funktioniert im Bildungsbereich anders als in einem Unternehmen oder in der Freiwilligenarbeit, weshalb es der jeweils zuständigen Stakeholder bedarf.

VERBINDUNG ZUM NATIONALEN QUALIFIKATIONSRAHMEN UND ZUR LERNERGEBNISORIENTIERUNG

Die Entwicklung Nationaler Qualifikationsrahmen und Validierungsverfahren stehen in einem engen Zu-sammenhang. Beide dienen einem gemeinsamen Ziel: Lernergebnisse transparent und vergleichbar zu ma-chen, egal auf welchem Wege oder in welchem Setting sie erworben wurden – der NQR für Qualifikationen, die Validierung für Kompetenzen von Individuen. Über-geordnete Ziele sind einerseits die Transparenz der Bil-dungssysteme und andererseits die Förderung von geo-graphischer und sozialer Mobilität. Die Vision lautet, dass langfristig alle Qualifikationen, die im NQR abge-bildet werden, auch auf dem Wege der Validierung er-worben werden können, womit eine stärkere Durchläs-sigkeit des Bildungssystems erreicht würde. Bindeglied zwischen NQR und Validierung sind Lernergebnisori-entierung, Europäische Grundsätze und Freiwilligkeit.

QUALITÄTSSICHERUNGBesonderes Augenmerk bei Validierungsverfahren

ist auf Qualitätssicherung zu legen. Ihr kommt eine Schlüsselrolle zu, um Vertrauen herzustellen und Va-lidierung jene Glaubwürdigkeit zu geben, die auch formalen Abschlüssen gemeinhin zugesprochen wird. Voraussetzung ist eine transparente Qualitätsstrategie

sowie eine systematische Erfassung und Bearbeitung des KundInnenfeedbacks.

METHODEN UND INSTRUMENTEDie neuen Leitlinien unterscheiden zwischen Me-

thoden und Instrumenten zur Messung, Feststellung und Überprüfung von Kompetenzen (Tests, Prüfungen, Selbstbeschreibungen, Beobachtung, Assessments und Interviews) und solchen zur Identifizierung und Doku-mentation (Portfolios, Lebenslauf, Fremdeinschätzung). Die verwendeten Methoden beeinflussen die Qualität des gesamten Verfahrens und müssen daher angemessen und dem Zweck entsprechend angewendet werden.

Objektivität, Validität, Reliabilität und Transparenz, Vertrauen und Nachhaltigkeit sind grundlegende Qua-litätskriterien, die bei allen Methoden in Betracht zu zie-hen sind.

FAZIT Wissen, Fertigkeiten und Kompetenzen werden nicht

nur in formalen Bildungssystemen erworben, sondern auch durch Weiterbildung, im Beruf oder durch andere Aktivitäten des Lebens permanent vertieft und weiter-entwickelt. Diese nicht formal und informell erworbe-nen Kompetenzen sind bislang nur marginal sichtbar und folglich für den Arbeitsmarkt oder die Weiterbil-dung kaum nutzbar. Verfahren zur Sichtbarmachung und Anerkennung nicht formal und informell erwor-bener Kompetenzen sind daher aus wirtschaftlicher, in-dividueller und auch gesellschaftlicher Sicht sinn- und wertvoll und daher voranzutreiben. Aktuelle nationale Entwicklungen wie die Implementierung des NQR oder einer Validierungsstrategie sind sehr zu begrüßen und können zu einem stärkeren Bewusstsein für diese The-matik in der Gesellschaft beitragen.

Die Leitlinien geben methodische und konzeptuel-le Hilfestellung, worauf bei der Implementierung und Durchführung von Validierung zu achten ist, damit die Ergebnisse in Wertigkeit, Glaubwürdigkeit und Vertrau-en der formalen Bildung um nichts nachstehen. //

LiteraturAmtsblatt der Europäischen Union (2012): Empfehlung des Rates vom 20. Dezember 2012 zur Validierung

nichtformalen und informellen Lernens. [Amtsblatt C 398 vom 20.12.2012]. Online verfügbar unter: http://www.anerkannt.at/wp-content/uploads/2014/07/Amtsblatt_der_Europaeischen_Union_Emp-fehlung_Rat_Validierung_2012_12_20.pdf [1.4.2016].

Cedefop (2009): Europäische Leitlinien für die Validierung nicht-formalen und informellen Lernens. Luxemburg: Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union.

European inventory on validation of non-formal and informal learning (2014): Online verfügbar unter: http://www.cedefop.europa.eu/de/events-and-projects/projects/validation-non-formal-and-infor-mal-learning/european-inventory [1.4.2016].

European Commission, Cedefop & ICF International (2014a): European inventory on validation of non-formal and informal learning 2014: country report Austria. By Karin Luomi-Messerer. Online verfügbar unter: https://cumulus.cedefop.europa.eu/files/vetelib/2014/87047_AT.pdf [1.4.2016].

Cedefop (2015): European guidelines for validating non-formal and informal learning. Online verfügbar unter: http://www.cedefop.europa.eu/en/publications-and-resources/publications/3073 [1.4.2016].

Bundesministerium für Bildung und Frauen (2015): Konsultationsdokument: Validierung nicht-formalen und informellen Lernens. Entwicklung einer nationalen Strategie zur Umsetzung der Ratsempfehlung vom 20.12.2012 (2012/C 398/01). Online verfügbar unter: https://ec.europa.eu/epale/sites/epale/files/konsultationspapier_beilage_.pdf [1.4.2016].

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Geschichte

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ORGANISATORISCH-DISPONIEREND UND PÄDAGOGISCH-VERMITTELND

Unter Volksbildnern beziehungsweise Erwachse-nenbildnern kann man prinzipiell zwei Gruppen von Menschen unterscheiden: jene, die bei der ideellen und materiellen Gründung sowie laufenden administrativen Organisation einer Volksbildungseinrichtung tätig und für die Entwicklung und organisatorische Umsetzung des Bildungsangebots zuständig sind, und jene, ungleich größere Gruppe der Lehrenden – seien es nun Vortragen-de, Fachgruppen-, Arbeitsgemeinschafts-, Kurs- oder Se-minarleiter. Beide Gruppen stehen in einer interdepen-denten, symbiotischen Beziehung: Die erste Gruppe von Volks- beziehungsweise Erwachsenenbildnern schafft die materiellen und organisatorischen Voraussetzungen für die Tätigkeit der zweiten Gruppe. Natürlich gab und gibt es auch den „Mischtypus“, also jenen, der sowohl organisatorisch-disponierende als auch pädagogisch-vermittelnde Aufgaben in einer Person vereint. Seit der Formationsphase der organisierten Volksbildung mit der Entstehung von bürgerlich-liberalen Volksbildungs-vereinen ab den 1870er-Jahren stellt jedenfalls das Zu-sammenwirken dieser beiden Gruppen die essenzielle Grundlage für eine gedeihliche, und mit zunehmender Komplexität der Gesellschaft sowie gestiegenen bil-dungspolitischen Herausforderungen sich ausdifferen-zierende Bildungsarbeit dar.

Spricht man von „Volksbildung als Beruf“, so meint man ein relativ klar von anderen Berufen abzugrenzendes Berufsfeld, dessen Zugang durch eine mehr oder weni-ger klar geregelte Berufsausbildung beziehungsweise durch spezifische Qualifikationsanforderungen geregelt ist, das über eine Definition des Aufgaben- und Tätig-keitsprofils, über Besoldungskriterien sowie ein mehr oder weniger klares Selbst- und Außenbild verfügt, wodurch die Grundlage zur Ausbildung eines eigenen Berufs- oder Standesethos sowie einer eigenen Berufs-vertretung – ja mitunter sogar einer eigenen „Lobby“ – gegeben ist.

In diesem Sinne eines hauptamtlichen oder teilzeitbe-schäftigten, selbstständigen oder lohnabhängigen, pä-dagogisch oder administrativ tätigen Erwachsenenbild-ners ist der Prozess der Verberuflichung im weiten Feld der Erwachsenenbildung ein relativ junges Phänomen. Im deutschsprachigen Raum ist er ein Produkt der Bil-dungsreform und Bildungsexpansion der 1960er- und 1970er-Jahre.

BERUF(UNG) VOLKSBILDUNGVereinzelt, und in Ansätzen, gab es den Beruf des

Volks- und Erwachsenenbildners freilich auch schon davor. Doch begriffen frühe Volksbildner ihre Tätigkeit primär als eine für „das Volk“ – womit oft die unteren, bildungsfernen Schichten und Klassen gemeint waren – und nicht als eine personenbezogene Dienstleistung. Diese „innere Berufung“, ja „Mission“, für das geistige (und in weiterer Folge natürlich auch materielle) Wohl „des Volkes“ einen Beitrag leisten zu wollen, war der zentrale Bezugspunkt und nicht die Ausbildung eines eigenen Berufsstands.1 Der ursprüngliche volksbildne-rische „Berufsethos“ bestand darin, dass die Darbietung (Popularisierung) wissenschaftlich gesicherten Wissens aus allen Gebieten der Natur, der Kultur aber auch der Kunst den Menschen helfen würde, sich selbst und die Welt besser zu verstehen und somit denkfähiger und ra-tionaler zu machen. Dieses, von Anfang an idealistisch-überhöhte, der Aufklärung und dem neuhumanisti-schen Bildungsideal verpflichtete Selbstverständnis des Volksbildners sowie das von Anfang an geltende Prinzip der Freiwilligkeit in der Volksbildung – was sowohl die freiwillige Teilnahme der Lernenden als auch jene der Lehrenden umfasste – erwiesen sich, neben finanziellen Gründen, für viele Jahrzehnte als Hemmschuh für einen Prozess der Verberuflichung.

Aus welchen Berufen rekrutierten sich nun die frühen, zumeist ehrenamtlich tätigen Volksbildner der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts? An erster Stelle stand hier natürlich der „prädestinierende“ Beruf des Pädagogen, sei es nur der Volks-, Mittel- oder Hochschullehrer; des Weiteren waren es Wissenschafter, Ärzte, Juristen, Tech-niker und – insbesondere auf dem Land – Priester, die ihre volksbildnerische Arbeit als Vortragende außerhalb ihrer Arbeitszeit, insbesondere an den Sonntagen, aus-übten. Primär waren es Männer, denn einerseits bedurfte es für die Initiierung von volksbildnerischen Aktivitäten und Einrichtungen ein öffentlich-politisches Auftreten, das Frauen in dieser Zeit weitgehend versagt war, ande-rerseits fiel in das „Anforderungsprofil“ eines zunächst primär im Vortragswesen tätigen Volksbildners neben der umfassenden fachlichen Kenntnis des zu vermitteln-den Wissensstoffes auch die Notwendigkeit eines rheto-rischen Talents samt kraftvoller Stimme sowie aufgrund der teilweise notwendigen Reisetätigkeit auch ein kör-perlich robustes „Naturell“.

Volksbildung als Beruf.Zu den Anfängen der Verberuflichung von Volksbildung in der ausgehenden Habsburgermonarchie und am Beginn der Ersten Republik

Thomas Dostal

1 Nittel, Dieter (2000): Von der Mission zur Profession? Stand und Perspektiven der Verberuflichung in der Erwachsenenbildung. (Theorie und Praxis der Erwachsenenbildung). Bielefeld: Bertelsmann, S. 87.

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Geschichte

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WANDERLEHRER UND DOZENTENEntgegen der Stabilitas loci der heutigen Erwachse-

nenbildner in Volkshochschulen, Gewerbe- und Berufs-förderungsinstituten, Arbeiterkammern und Gewerk-schaftsschulen, kirchlichen Bildungsheimen, Pfarr-, Arbeiter- und Volksbüchereien, aber auch in der Lan-des- beziehungsweise ministeriellen Verwaltung gab es in der ausgehenden Habsburgermonarchie sowie in der Ersten Republik die ländlichen – primär landwirt-schaftlichen – Wanderlehrer und Wanderlehrerinnen, die während der Monarchie vom k.k. Ackerbauminis-terium, danach von den Landes-Landwirtschaftskam-mern in den Bundesländern besoldet wurden. Andere, der Volksbildung zur Verfügung stehende Wanderleh-rer waren durch den zuständigen Landesschulrat vom Schuldienst beurlaubte Lehrer. Als quasi „Urania en miniature“ veranstalteten diese Lichtbildervorträge und reisten, teils über Jahrzehnte hinweg, von Ort zu Ort und von Land zu Land, um der geneigten, wenngleich oft nicht entsprechend vorgebildeten Bevölkerung in populärer, „volkstümlicher“ und teils auch unterhalten-der Weise naturwissenschaftliche, hygienische, rechtli-che aber auch landeskundliche und historische Themen näher zu bringen.2

Anders waren die Verhältnisse in der Großstadt, insbesondere in der Reichshaupt- und Residenzstadt Wien wo sich dank der durchwegs ehrenamtlich täti-gen „Gründungsväter“ der erst später so genannten Volkshochschulen wie Ludo Moritz Hartmann, Anton Menger, Adolf Stöhr, Emil Reich, Eduard Leisching und Ludwig Koessler seit den 1880er-Jahren die „Wiener Richtung“ der wissenschaftszentrierten Volksbildung mit ihren vier Säulen ausbildete: der Wiener Volksbil-dungsverein (die spätere Volkshochschule Margareten – polycollege), die volkstümlichen Universitätsvorträ-ge der Universität Wien, als eine Einrichtung der uni-versitären Volksbildung im Geiste der University Ex-tension, das „Volksheim“ (die spätere Volkshochschule Ottakring) und das Volksbildungshaus Urania. In der Hauptstadt eines 50-Millionen-Reiches war jedenfalls ausreichend akademisch-wissenschaftlich geschultes Personal für eine nebenberufliche und ehrenamtlich ausgeübte Vortrags- und später auch Kurstätigkeit vor-handen, noch dazu wo vielen eine universitäre Karriere verwehrt blieb.

Bis zum Ende des Ersten Weltkriegs wurden die Vorträge der Dozenten, wie man die Lehrenden am Volksheim und im Wiener Volksbildungsverein in An-lehnung an universitäre Gepflogenheiten nannte, noch gänzlich ohne Honorar oder Aufwandsentschädigung abgehalten. Erst im Kursjahr 1919/20 wurden sie, nicht zuletzt aufgrund der verheerenden ökonomischen Nachkriegssituation, zwecks Gewährung eines beschei-denen Honorars vorstellig. Da die beiden Volkshoch-schulen völlig außerstande waren, die nötigen hohen Summen aufzubringen, konnte zumindest vom Staats-amt für Unterricht und der Stadt Wien für das Sommer-semester 1920 eine finanzielle Hilfe, welche wenigstens die Straßenbahnauslagen deckte, gewährt werden. Die Dozenten versprachen, in Zukunft unter allen Umstän-

den weiter zu unterrichten, auch wenn es sich um eine einmalige Hilfe erweisen sollte, da weitere Aufwands-entschädigungen völlig unsicher waren.3

Etwas besser stelle sich die Situation bei den Vorträ-gen und Kursreihen der volkstümlichen Universitäts-vorträge dar, die in Wien seit 1895 ausschließlich von Universitätsprofessoren, Universitätsdozenten und Universitätsassistenten abgehalten wurden. Dank der Subventionen seitens des k.k. Ministeriums für Kultus und Unterricht, mit denen im allgemeinen 50 Prozent des Aufwands abgedeckt werden konnte, war es mög-lich, den Vortragenden ein Honorar von 30 Kronen pro Kursabend auszubezahlen. Demnach erhielt ein Vortra-gender für einen Kurs, der stets sechs Abende umfasse, ein Honorar von 180 Kronen, was etwas höher war als das monatliche Anfangsgehalt eines Gymnasiallehrers – also insbesondere für den universitären Mittelbau eine nicht unbeträchtliche Einnahmequelle darstellte.4

VOLKSPROFESSORENFür den Aufbau und die Sicherung eines breiten, uni-

versitär gestützten Volksbildungssystems war dies frei-lich ungenügend. So forderte Ludo Moritz Hartmann bereits 1908 – vergeblich – nach vom Staat bezahlten Volkshochschullehrern, nach „Volksprofessoren“: „In der Überzeugung, daß das gesamte Volkshochschulwe-sen nicht eine private Liebhaberei ist, sondern einem unleugbaren Bedürfnis entspringt, daß weiter auch die ausgedehnteste Gebefreudigkeit einmal erlahmen muß, wird der Staat zu der Überzeugung gebracht wer-den müssen, daß er für Anstellung ordentlich bezahlter Volksprofessoren zu sorgen hat. Erst dann, wenn die Vollendung dieser Aufgabe der Volkshochschulbildung durchgeführt ist, wird man sagen können, daß die Ar-beit, welche aufgewendet wurde, zu einem guten Ende gebracht wurde.“5

1921 sprach sich Ludo Moritz Hartmann – abermals vergeblich – für staatlich bezahlte Volkshochschullehrer aus, da die Volkshochschulen nicht mit den Volks- und

2 Zum Wanderlehrer Georg Müller: F. Steinbach, Eine „Urania“ im Kleinen. In: Neues Wiener Tagblatt, Sonntag, 22. September 1895. In: Österreichisches Staatsarchiv (ÖStA), Allgemeines Verwaltungsarchiv (AVA), Unterricht allgemein (1848–1940), Volksbildung 1933, 2D2, Ktn. 438, GZl. 36047/33: Schreiben des Wissenschaftlich-humanitären Vereins „Kosmos“ vom 1. Dezember 1933.

3 Die Tätigkeit des Wiener Volksbildungsvereines im Vereinsjahr 1919/20 (1921). In: Volksbildung. Monatsschrift für die Förderung des Volksbildungswesens in Österreich, 2 (10–11), 341.

4 Altenhuber, Hans (1995): Universitäre Volksbildung in Österreich 1895–1937. (Zur Geschichte der Erwachsenenbildung, Bd. 1). Wien: ÖBV, S. 45, S. 80 f.

5 Hartmann, Ludo M. (1908): Volksprofessuren. In: Bericht über die Verhandlungen des III. Deutschen Volkshochschultages am 27. April 1908 in Dresden in der Technischen Hochschule. Veranstaltet vom Verbande für volkstümliche Kurse von Hochschullehrern des deutschen Reiches und vom Ausschusse für volkstümliche Universitätsvorträge an der Wiener Universität. Leipzig: Eigenverlag, S. 70. Siehe auch: http://www.adulteducation.at/de/literatur/textarchiv/603/ [4.2.2016].

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6 Hartmann, Ludo M.: Volkshochschulen und Volksprofessuren. In: Arbeiter-Zeitung, 30. Dezember 1921. In: Österreichisches Volkshoch-schularchiv, Bestand Urania Wien, Box „Allgemeine Volksbildungsan-gelegenheiten“, Mappe 2.

7 Über die Heranbildung von Volksbildnern. Vortrag, gehalten auf dem Volksbildungstag zu Wien am 1. November 1918 von Professor Dr. Ed[uard] Brückner, Obmann des Ausschusses für volkstümliche Universitätsvorträge an der Universität Wien. 2. Teil (1919). In: Volks-bildung. Monatsschrift für die Förderung des Volksbildungswesens in Deutschösterreich, 1 (2), 56–60.

Mittelschulen oder auch mit den Hochschulen kon-kurrieren könnten, wenn den Volkshochschullehrern nicht ein Hauptberuf geboten werden könne. Solche Volksprofessoren sollten in ihrem Gehalt etwa jenem der Mittelschullehrer gleichgestellt sein. Da dies ein privater Verein, welcher stets die organisationsrechtli-che Grundlage einer Volkshochschule war, nicht leisten konnte, hätte der Staat eine gewisse Anzahl von Lehrern und Lehrerinnen zu systematisieren. Die Volkspro-fessoren im Hauptberuf hätten eine größere Lehrver-pflichtung auf sich zu nehmen. Zugleich sollte es aber weiterhin Volkshochschullehrer im Nebenberuf geben. Denn gerade dadurch würden die fachlich besten Män-ner und Frauen als Lehrende an die Volkshochschulen kommen, denn sie würden sich der wissenschaftlichen Forschung, die sie im Nebenberuf weiter betreiben kön-nen, weniger entfremden, als an der Mittelschule, da sie sich nur an den Nachmittagen und Abenden der Volks-hochschularbeit widmen würden: „Natürlich müßte die Auswahl von der Volkshochschule selbst getroffen, dem Staate oder der Stadt nur ein Bestätigungsrecht gewahrt werden.“ Denn die Volkshochschule beanspruchte für sich die Autonomie und Lehrfreiheit, so wie sie an der Universität gegeben war, und sie werde darauf nimmer-mehr verzichten, so Hartmann.6

LEITSÄTZE ZUR HERANBILDUNG VON VOLKSBILDNERN

Am 1. und 2. November 1918 – also in den allerletz-ten Tagen der Monarchie – wurde seitens der universi-tären Volksbildung eine Volksbildungstagung an der Universität Wien abgehalten, auf der folgende – Papier gebliebene – Leitsätze zur Heranbildung von Volksbild-nern verabschiedet wurden: Als Volksbildner würden keineswegs ausschließlich akademisch gebildete Kräfte in Betracht kommen, sondern Persönlichkeiten all jener Berufe, die im öffentlichen Leben stehen und die Fähig-keiten besitzen, gemeinverständlich und dabei streng sachlich vor einem größeren Auditorium zu sprechen – in erster Linie also Lehrer aller Kategorien. Die Vor-bereitung zur Volksbildungsarbeit sollte eine fachliche und eine pädagogisch-methodische sein. Die fachliche Ausbildung hätte aufgrund des Berufsstudiums zu er-folgen, die methodisch-pädagogische Ausbildung soll-te in Kursen von acht bis zehn Wochen Umfang an den Universitäten erworben zu werden. Neben dem Besuch von theoretischen Vorlesungen über die Entwicklung des Volksbildungswesens in den verschiedenen Kul-turländern sowie über soziale Wissenschaften müsste ein Hauptgewicht auf den Besuch von Volksbildungs-einrichtungen und Übungen in der Herstellung und im Gebrauch von Demonstrationsmaterial liegen. Die Lei-tung der methodisch-pädagogischen Ausbildung wäre von bereits an den Universität wirkenden Kräften durch Lehraufträge zu erfüllen. Hervorragenden jungen Leu-ten sollten staatliche Stipendien die Teilnahme an den Ausbildungskursen ermöglicht werden.7

„PRAGMATISCHE“ VOLKSBILDNERDas Ende der Monarchie und die Ausrufung der

Republik Deutschösterreich am 12. November 1918 führte in vielen gesellschaftlichen Bereichen und Poli-tikfeldern zu einer Aufbruchsstimmung – so auch in der Volksbildung. Aus den Wahlen zur konstituierenden Nationalversammlung im Februar 1919 gingen die Sozi-aldemokraten als stärkste Partei hervor. Gemeinsam mit den Christlichsozialen bildeten sie eine Koalitionsregie-rung unter Regierungschef Staatskanzler Karl Renner. Dieser ernannte im März 1919 den sozialdemokrati-schen Lehrer und Schulreformer Otto Glöckel zum Un-terstaatssekretär für Unterricht im Staatsamt für Inneres und Unterricht. Am 30. Juli 1919 erließ dieser ein „Re-gulativ für die Organisation des Volksbildungswesens in Deutschösterreich“, mit dem das Unterrichtsamt die „oberste Leitung und Beaufsichtigung“ des gesamten Volksbildungswesens in Deutschösterreich beanspruch-te. Auf Basis dieses, rechtlich durchaus umstrittenen „Regulativs“ wurde ein, bereits zuvor von Teilen der freien Volksbildung gefordertes Volksbildungsamt als eigene Abteilung im Unterrichtsministerium begrün-det, dem bundesstaatliche Volksbildungsreferenten in allen Bundesländern außer in Vorarlberg und Wien als nachgeordnete Dienststellen beigegeben wurden. Mit diesem, sehr klein gehaltenen Stab an ministeriellen Beamten, „pragmatischen Angestellten“ in den Bundes-ländern sowie Vertragsangestellten als Kanzleiperso-nal waren die ersten hauptamtlichen Volksbildner und Volksbildnerinnen der organisatorisch-disponierenden Gruppe geschaffen worden, wobei die meisten der bun-desstaatlichen Volksbildungsreferenten dienstfrei ge-stellte, beziehungsweise ehemalige Mittelschullehrer respektive Schulinspektoren waren.

Darüber hinaus ermöglichte das Unterrichtsminis-terium auf der Ebene der Volksbildungseinrichtungen durch die Zuweisung eines Bundesbediensteten die eine oder andere hauptamtlich bezahlte Volksbildnerstel-le. Auf diese Weise konnten an der Volkshochschule „Volksheim“ Ottakring ein organisatorisch-disponieren-der (der Staatsbibliothekar Richard Czwiklitzer) und ein pädagogisch-vermittelnder (der Mittelschullehrer Edgar Zilsel) Mitarbeiter als quasi „lebende Subventi-on“ für die Einrichtung tätig sein. Eine Ausnahme von der Regel einer sehr spärlich ausgestatteten, und darüber hinaus oft auch ehrenamtlich tätigen Personalstruktur ei-ner Volkshochschule in der Zwischenkriegszeit stellte die Urania Wien dar, die neben einem, ebenfalls vom Bun-desministerium für Unterricht dienstzugeteilten Mit-telschullehrer (Adolf Hübl als Leiter der Filmabteilung)

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Mitte der 1920er-Jahre über 91 voll- und 36 nebenberuf-lich Angestellte verfügte.8

Eine wichtige Aufgabe des neu geschaffenen Volksbil-dungsamts war neben vielen anderen auch die Förderung der Ausbildung und Rekrutierung von Volksbildnern: „Alljährlich soll eine Reihe von Volksbildnerkursen stattfinden, in denen methodologische, wie praktische Einführungen in das Wesen und die Wirkungsmöglich-keiten der Volksbildungsarbeit und auch kurze Einlei-tungen in Wissensgebiete, die im Dienste der Volksbil-dungsarbeit leicht praktisch verwertbar sind, geboten werden. Solche Volksbildnerkurse sollen künftig nicht nur in Wien, sondern womöglich auch in Graz und Inns-bruck stattfinden; auch werden als Teilnehmer nicht nur Lehrpersonen aller Schulgattungen, sondern auch sons-tige geistig Tätige: Ärzte, Techniker, Juristen, Forstbeam-ten usf., die die Eignung zu volksbildnerischer Tätigkeit besitzen und denen sich Gelegenheit zur Betätigung auf dem Gebiete der Volksbildung bietet, zugelassen wer-den. Schließlich soll aber auch schon die heranwachsen-de Generation für den Volksbildungsgedanken gewon-nen werden; es dürften daher auch Volksbildnerkurse für Lehramtskandidaten und Hochschüler veranstaltet wer-den. So soll unseren deutschen Alpenlanden allmählich ein ganzer Stock von fähigen Volksbildnern erwachsen, die als Apostel der großen Idee in alle Teile unseres Staa-tes hinausziehen und sich der edlen Aufgabe einer geis-tigen und sittlichen Höherbildung unserer Bevölkerung mit zuverläßlicher Sachkunde und mit nimmermüdem Eifer widmen werden.“9 Die hier bereits anklingenden, ebenfalls nicht niedrig gesteckten Erwartungshaltungen an die volksbildnerische Tätigkeit fanden in der weiteren Diskussion ihre Fortsetzung, ja Steigerung.

AUSWAHL DER „GEEIGNETEN“Unter dem geistesgeschichtlich-ideellen Einfluss der

nach dem Ersten Weltkrieg aus Deutschland kommen-den „Neuen Richtung“ auch auf die pädagogisch-prak-tische Volksbildungsarbeit in Österreich wurde auf der Volksbildungstagung vom 25. bis 30. September 1921 in Braunau am Inn auch über die Auswahl und Ausbildung von Volksbildnern diskutiert: Man war der Meinung, dass der Volksbildner nicht eigentlich erzogen, sondern durch äußere Ereignisse an die Volksbildung herange-bracht werden könne, wobei man sich bemühen müsse, die „Geeigneten herauszufiltern“. Die „neuen“ Volksbild-ner der „Neuen Richtung“ müssten sich gewissermaßen aus sich selbst entwickeln. Man sollte sie nicht nach ih-ren formalen Bildungsabschlüssen beurteilen, vor allem sollten sie „lebendig Wirken“. Wichtige Mittel der Aus-bildung wären die Aussprache und die gemeinschaftliche Denkarbeit unter Fachleuten verschiedenster Richtun-gen im Rahmen von Arbeitsgemeinschaften. Der deut-sche Volksbibliothekar der „Neuen Richtung“, Walter Hofmann, meinte, dass die Universität nicht die „ge-eignete Pflanzstätte“ zur Ausbildung von Volksbildnern wäre. Denn für ihn waren Einfachheit und Anspruchslo-sigkeit die wichtigsten Eigenschaften des Volksbildners. Der Volksbildner müsse zuhören können, auch wenn der „Mann aus dem Volk“ etwas sage, was nicht richtig wäre.

Vor allem benötige der Volksbildner Güte und Hilfsbe-reitschaft. Dabei wurde auch auf die Ideale der Wander-vogelbewegung verwiesen, wo die Herausbildung von Führernaturen eine wichtige Rolle spiele, die mit sich selbst um den sittlichen Halt rangen. Andere wieder meinten, dass der „neue Volksbildnerschlag“ nicht Füh-rer, sondern Mitarbeiter brauche.10

Jedenfalls, so der bundesstaatliche Volksbildungsrefe-rent für Tirol, Josef Dinkhauser, stelle der Beruf des Volks-bildners hohe Anforderungen: „Der Volksbildner muß nicht nur eine gediegene wissenschaftliche Ausbildung empfangen haben, es muß ihm auch die Gabe eigen sein, Wissen nicht nur als toten Stoff, sondern als eine lebendige Wahrheit zu vermitteln.“11

Unter Voraussetzung eines wissenschaftlich einwand-freien, sachlichen Wissensbesitzes müssten bei einem ge-eigneten Volksbildner die geistigen und seelischen Kräfte besonders entwickelt sein, um gedeihliche volksbildne-rische Arbeit entwickeln zu können, so der zunächst als Ministerialkonzipist und später als Ministerialvizesekretär tätige Referent im Volksbildungsamt, Heinz Kindermann: „Zunächst fordern wir vom Volksbildner, daß er mehr sei als bloßer Vermittler von Wissensresultaten, daß er es vermöge, jedes von ihm darzustellende Wissensgebiet in wechselseitiger Erhellung von Wissens- und Lebenser-fahrung gemeinsam mit seinen Hörern bis zu seinen end-gültigen ethischen Wirkungserscheinungen, bis zu seinen rein menschlichen Grundlagen zurückzuverfolgen; fer-ner fordern wir, daß er diese letzten ethischen und rein menschlichen Werte derart an das allgemein menschliche Empfinden seiner Hörer assimiliere, daß dadurch [...] jeder den Weg zu seiner eigenen und eigenartigen Stellung zum Ganzen der Volkskultur finde.“12

Für Kindermann müsste also der intensiven intellek-tuellen Fähigkeit eines Volksbildners eine ebenso starke

8 Dostal, Thomas (2013): „Die Krisis ist die Chance der Erwachsenenbildung ...“ Die Wiener Volksbil-dung in der Weltwirtschaftskrise 1929. In: Spurensuche. Zeitschrift für Geschichte der Erwachsenenbil-dung und Wissenschaftspopularisierung, 22 (1–4), 158.

9 Erläuterungen zum Regulativ für die Organisation des Volksbildungswesens in Deutschösterreich (1919). In: Volksbildung. Monatsschrift für die Förderung des Volksbildungswesens in Deutschöster-reich, 1 (1), 13 .

10 Braunauer Volksbildungstagung. Teil III (1921). In: Volksbildung. Monatsschrift für die Förderung des Volksbildungswesens in Österreich, 2,117 f.

11 Dinkhauser, Josef (1925): Von den Durchführungsformen der heimischen Volksbildungsarbeit. (Füh-rer für Volksbildner, Heft 15). Wien: Eigenverlag, S. 54.

12 Kindermann, Heinz (1921): Auswahl und Ausbildung des Volksbildners. Vortrag, gehalten bei der Braunauer Volksbildnertagung. In: Volksbildung. Monatsschrift für die Förderung des Volksbildungs-wesens in Österreich, (2), 55. Verfolgt man die biografische Entwicklung des später als Theater- und Li-teraturwissenschafter bekannt gewordenen Heinz Kindermann, der – 1933 bereits Mitglied der NSDAP – 1943 ordentlicher Professor am neu gegründeten Wiener Institut für Theaterwissenschaft wurde und sich durch heftige rassenbiologische und antisemitische Publikationen als ideologischer Vertreter des Nationalsozialismus hervortat, dann antisemitische Publikationen als ideologischer Vertreter des Na-tionalsozialismus hervortat, dann scheinen die „ethischen und rein menschlichen Werte“ beim Autor dieser Zeilen selbst nicht hoch angesetzt werden zu können. Siehe: Peter, Birgit & Payr, Martina (Hrsg.) (2008): „Wissenschaft nach der Mode“? Die Gründung des Zentralinstituts für Theaterwissenschaft an der Universität Wien 1943. Ausstellung am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft vom 7. Mai bis 30. September 2008. (Austria: Universitätsgeschichte, Bd. 3). Wien: LIT-Verlag.

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„Beseelungsfähigkeit“ gegenüberstehen. Der ideale Volks-bildner habe soziales Pflichtgefühl, altruistische Volksliebe und Lebensmut und strebe fortwährend nach einer ethisch wertvollen Lebensgestaltung im Dienste des Volks. Die Erwartungen und Anforderungen an die Volksbildner und Volksbildnerinnen waren somit hochgesteckt, idealistisch, ja unrealistisch. Und angesichts der selbst gegebenen Auf-gabe, einen Beitrag „zur geistigen, seelischen und sittli-chen Erneuerung des deutschen Volkes“ zu leisten, stellte sich die Frage, wer dafür als würdig zu erachten sei. In der praktischen Ausbildungsarbeit habe man dafür zwei Wege einzuschlagen: erstens jenen der Auswahlberatung zur un-mittelbaren Gewinnung von Volksbildnern, und zweitens jenen der Schaffung von Institutionen, die eine Ausbildung zum Volksbildner zum Ziel haben, so Kindermann. 13

VOLKSBILDNERKURSEBereits seit 1919 bestand an der Wiener Lehrerakade-

mie – einer Fortbildungsschule mit akademischem Cha-rakter für Lehrer und Lehrerinnen – ein Lehrauftrag für das gesamte Gebiet der Volksbildung und Volkshoch-schulbewegung, welcher dem Professor an der Techni-schen Hochschule in Wien sowie Direktor der Urania Wien, Franz Strunz, übertragen war.14 Unter seiner Teil-nahme veranstaltete der Ausschuss für volkstümliche Universitätsvorträge an der Universität Wien im Auftra-ge des Staatsamtes für Unterricht vom 22. September bis zum 4. Oktober 1919 den ersten deutschösterreichischen Volksbilderkurs.15 Die Freie Vereinigung für technische Volksbildung hielt im April und Mai 1920 ebenfalls im Einvernehmen mit dem Volksbildungsamt Volksbild-nerkurse speziell für Techniker ab.16

Seitens der Abteilung Volksbildung im Unterrichts-ministerium schritt man ab Anfang der 1920er Jahre da-ran, auch in den Bundesländern Volksbildnerkurse zu veranstalten. Unter Bedachtnahme auf die damals viel stärker ausgeprägten Unterschiede zwischen Stadtkultur und Landkultur sollten diese der Rekrutierung und Aus-bildung eines Grundstocks von Volksbildnern dienten.

So fand zwischen 10. und 13. Juni 1922 ein Kurs für ländliche Volksbildner aus Niederösterreich statt, in dem über „das Wesen“ des deutschösterreichischen Bauern und seine Kulturwelt, über Heimat- und Na-turschutz in der Volksbildungsarbeit, über ländliche Wohlfahrts- und Heimatpflege sowie über die Pflege des Gemeinschaftslebens auf dem Dorfe referiert wurde.17

Zwischen 19. und 22. Juni 1922 fand dann in Wien ein Kurs für Volksbildner aus den Industrieorten Niederös-terreichs statt, auf der Ludo Moritz Hartmann über die Volksbildung und die Entwicklung der Arbeiterschaft sprach. Weitere Referate behandelten das Berufsleben und die Bildungsbedürfnisse des Arbeiters, den Heimat- und Naturschutz in den Industrieorten aber auch das Thema „Natur und Industriearbeiter“.18

Um die „seelisch Begabten“ in der Lehrerschaft der Volks-, Bürger- und Mittelschulen in die Aufgaben der Volksbildung einzuführen, fanden ab dem Sommer 1920 Volksbildnerkurse an den Universitäten Innsbruck (für die Bundesländer Tirol und Vorarlberg) und Graz (für die Bundesländer Steiermark und Kärnten) statt, wo

die lokale Professorenschaft Vorträge hielt, die ganz im Zeichen der „Heimatbildung“ der „Neuen Richtung“ standen, bei welcher als Ausgangspunkt jedweder Volks-bildung die Heimatkenntnis, Heimatkunde und Hei-matpflege angesehen wurde.19

Darüber hinaus wurden vom Volksbildungsamt Volksbildnerkurse für die Zöglinge der obersten Jahr-gänge der staatlichen Lehrer- und Lehrerinnenbildungs-anstalten veranstaltet.20

IDEALTYPISCHE VORGANGSWEISE „INTENSIVER“ VOLKSBILDUNGSARBEIT

Seitens des Volksbildungsamts und somit der staatli-chen Volksbildungspolitik stellte man sich die Auswahl der „seelisch Begabten“ beziehungsweise der „geistig und gefühlsmäßig Empfänglichen“ aller Schichten der Bevölkerung für die schwierige Aufgabe der Volksbil-dung etwa folgendermaßen dar:

Man beginne mit der Veranstaltung eines volkstüm-lich-wissenschaftlichen Vortrags; etwa einem zu Leben und Werk von Peter Rosegger – bei dem sich im Sinne der geforderten „Volkstümlichkeit“ und „Lebensnähe“ mannigfache Anknüpfungspunkte für die Zuhörerschaft ergäben. Am Ende des Vortrags mache man klar, dass es noch viel zur Einbettung in die geistesgeschichtlichen Zusammenhänge zu erfahren gäbe: Die dafür Interes-sierten sollten sich melden. Mit diesen „Empfänglichen“ sollte nun eine „Arbeitsgemeinschaft“ von maximal 25 Personen gebildet werden. In einer an die Universi-tätsseminare gemahnenden Methode sollten dann in gemeinsamen Arbeit von Lehrer und Hörern die Wis-sensresultate gemeinsam erarbeitet werden: „Denn nur diese Arbeitsweise gibt jedem einzelnen Teilnehmer

13 Kindermann, Heinz (1921): Auswahl und Ausbildung des Volksbildners. Vortrag, gehalten bei der Braunauer Volksbildnertagung. In: Volksbildung. Monatsschrift für die Förderung des Volksbildungs-wesens in Österreich, 2, 56.

14 Volksbildung als Lehrgegenstand (1919). In: Volksbildung. Monatsschrift für die Förderung des Volksbildungswesens in Deutschösterreich, 1 (2), 68.

15 Österreichisches Volkshochschularchiv, Bestand Urania Wien, Box „Allgemeine Volksbildungsan-gelegenheiten, Mappe 1.

16 Volksbildnerkurse für Techniker (1920). In: Volksbildung. Monatsschrift für die Förderung des Volks-bildungswesens in Deutschösterreich, 1 (9), 259 ff.

17 Kurs für ländliche Volksbildner Niederösterreichs (1922). In: Volksbildung. Monatsschrift für die Förderung des Volksbildungswesens in Österreich, 3, 180.

18 Der Kurs für Volksbildner aus Industrieorten Niederösterreichs (1922). In: Volksbildung. Monats-schrift für die Förderung des Volksbildungswesens in Österreich, 3, 181.

19 Tätigkeit des Ausschusses für volkstümliche Kurse an der Innsbrucker Universität (1922). In: Volksbildung. Monatsschrift für die Förderung des Volksbildungswesens in Österreich, 3 183 ff. Sowie: Volksbildnerkurs in Graz (1920). In: Volksbildung. Monatsschrift für die Förderung des Volksbildungs-wesens in Deutschösterreich, 1 (8), 240. Schrott, Andreas (1920): Volksbildnerkurs an der Universität Graz vom 22. bis 24. Juni. In: Volksbildung. Monatsschrift für die Förderung des Volksbildungswesens in Deutschösterreich, 1 (10), 298–304.

20 Volksbildnerkurse (1920). In: Volksbildung. Monatsschrift für die Förderung des Volksbildungswe-sens in Deutschösterreich, 1 (7), 214.

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Gelegenheit, selbständig in die Materie einzudringen und die längst von anderen gefundenen Wissensresul-tate mit neuer Entdeckerfreude nachzuerleben.“ So lerne man eine geistige Diskussion, die man später selbständig mit sich selbst zu führen im Stande wäre. So gelange man zu einer kritischen Unabhängigkeit, die für die Festigung des Charakters und der Persönlichkeit unerlässlich wäre. Und nur so habe der Volksbildner Gelegenheit, die Per-sönlichkeit eines Teilnehmers einer Arbeitsgemeinschaft zu erfassen und seine Willensstärke, Urteilsklarheit und

persönliche sowie sachliche Feinfühligkeit zu fördern, welche als unentbehrliche Voraussetzung jeglicher Le-benskultur angesehen wurde.21 //

21 Kindermann, Heinz (1920): Ziele der Volksbildungsbewegung und Wege zu ihrer Erreichung. In: Volksbildung. Monatsschrift für die Förde-rung des Volksbildungswesens in Deutschösterreich, 1 (10), 285 ff.

Weiterführende LiteraturAltenhuber, Hans (2008): Vom Volkslehrer zum Lehrer in der

Erwachsenenbildung. Betrachtungen zu einer charismatischen Aufgabe im Wandel der Zeiten. In: Erhard Schlutz & Heinrich Schneider (Hrsg.), Berufsgeschichte der Erwachsenenbildner/innen – Geschichte als Berufswissen? Dokumentation der 26. Konferenz des Arbeitskreises zur Aufarbeitung historischer Quellen der Erwachsenenbildung Deutschland – Österreich – Schweiz vom 28.11.–1.12.2006 im Hohenwart Forum, Pforzheim-Hohenwart. (Bremer Texte zur Erwachsenen-Bildungsforschung) (S. 7–25). Bremen: Eigenverlag.

Brugger, Elisabeth (Hrsg.) (1991): Engagement, Hobby oder Karriere. Der berufliche Weg in die Erwachsenenbildung an den Beispielen USA, Österreich und Schweiz. (Schriftenreihe des Verbandes Wiener Volksbildung, Bd. 16). Wien: Picus.

Brugger, Elisabeth (1994): Von Beruf ErwachsenenbildnerIn. Eine biographische Studie über die Professionalisierung in der österreichischen Erwachsenenbildung. In. Silvia Wendner-Prohinig & Erhard Chvojka (Hrsg.), Spuren suchen. Lebensgeschichte und Lebensverlauf (S. 81–99). Wien: Verband Wiener Volksbildung.

Filla, Wilhelm, Judy, Michaela & Knittler-Lux, Ursula (Hrsg.) (1992): Aufklärer und Organisator. Der Wissenschaftler, Volksbildner und Politiker Ludo Moritz Hartmann. (Schriftenreihe des Verbandes Wiener Volksbildung, Bd. 17). Wien: Picus.

Filla, Wilhelm (2008): Von Alexander von Humboldt zur Weiterbildungsakademie des VÖV. Veränderungen im Qualifikationsprofil von Volks- und Erwachsenenbildner/innen. In: Erhard Schlutz & Heinrich Schneider (Hrsg.): Berufsgeschichte der Erwachsenenbildner/innen – Geschichte als Berufswissen? Dokumentation der 26. Konferenz des Arbeitskreises zur Aufarbeitung historischer Quellen der Erwachsenenbildung Deutschland – Österreich – Schweiz vom 28.11.–1.12.2006 im Hohenwart Forum, Pforzheim-Hohenwart. (Schriftenreihe des Verbandes Österreichischer Volkshochschulen, Bd. 13) (S. 27–46). Bremen: Eigenverlag.

Filla, Wilhelm (2014): Von der freien zur integrierten Erwachsenenbildung. Zugänge zur Geschichte der Erwachsenenbildung in Österreich. Ein Studienbuch. (Schriftenreihe des Verbandes Österreichischer Volkshochschulen, Bd. 13). Frankfurt a. Main – Berlin – Bruxelles – New York – Oxford – Warszawa – Wien: Peter Lang.

Hartmann, Ludo Moritz (2001): Volksprofessuren. Nachdruck in: Spurensuche. Zeitschrift für Geschichte der Erwachsenenbildung und Wissenschaftspopularisierung, 12 (1–4), 90–92. Erstabdruck in: Bericht über die Verhandlungen des III. Deutschen Volkshochschultages, am 27. April 1908. Leipzig: Eigenverlag, S. 69–71.

Lenz, Werner (Hrsg.) (2005): Weiterbildung als Beruf. „Wir schaffen unseren Arbeitsplatz selbst!“ Wien: LIT.

Nittel, Dieter (2000): Von der Mission zur Profession? Stand und Perspektiven der Verberuflichung in der Erwachsenenbildung. (Theorie und Praxis der Erwachsenenbildung). Bielefeld: Bertelsmann.

Seitter, Wolfgang (1999): Zwischen Dozieren und Disponieren. Aspekte einer Professionalisierungsgeschichte von Erwachsenenbildung. In: Hans-Jürgen Apel, Klaus-Peter Horn & Peter Lundgreen et. al. (Hrsg.), Professionalisierung pädagogischer Berufe im historischen Prozess (S. 383–407). Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt.

Seitter, Wolfgang (2002): Geschichte der Erwachsenenbildung. Eine Einführung. (Theorie und Praxis der Erwachsenenbildung). Bielefeld: Bertelsmann.

Stifter, Christian H. (2008): Zum Berufsbild von ErwachsenenbildnerInnen. Einige Anmerkungen zum gegenwärtigen Forschungsstand im deutschsprachigen Raum. In: Erhard Schlutz & Heinrich Schneider (Hrsg.), Berufsgeschichte der Erwachsenenbildner/innen – Geschichte als Berufswissen? Dokumentation der 26. Konferenz des Arbeitskreises zur Aufarbeitung historischer Quellen der Erwachsenenbildung Deutschland – Österreich – Schweiz vom 28.11.–1.12.2006 im Hohenwart Forum, Pforzheim-Hohenwart. (Bremer Texte zur Erwachsenen-Bildungsforschung) (S. 153–166). Bremen: Eigenverlag.

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50 — DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2016 · NR. 258

Arbeitszeitverkürzung als Faktor der TeilnahmesteigerungDie Teilnahme in der Erwachsenenbildung und besonders in den Volkshochschulen hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab: gesamtgesellschaftlichen, lokalen, individuellen und institutionellen. Historisch erwies sich ein Faktor als besonders bedeutsam: die Arbeitszeitverkürzung nach dem Ersten Weltkrieg. Arbeitszeitfragen werde jedoch trotz ihrer großen Bedeutung bei Diskussionen und in Studien zur Erwachsenenbildung nur selten ins Auge gefasst.

Wilhelm Filla ACHTSTUNDENTAG ALS „MOTOR“ DER VOLKSHOCHSCHULENTWICKLUNG

„Die Verkürzung der Arbeitszeit durch die gesetzliche Einführung des Achtstundentages hat sich als kräftigste Förderung der Volkshochschule erwiesen. Seither ist der Andrang in unseren Volksheimen oft kaum zu bewälti-gen“, hielt Emil Reich, Mitgründer und jahrzehntelanger Schriftführer des Volksheims, in seiner außerordentlich informativen Schrift zum 25-Jahr-Jubiläum des Volks-heims (Volkshochschule Ottakring) fest.1

Frequenzsteigernd wirkte sich der gesellschaftliche Faktor Arbeitszeitverkürzung vor allem im Verein mit einem institutionellen Faktor aus: der erheblichen De-zentralisierung der Bildungstätigkeit in der ersten Hälfte der 1920er-Jahre durch die Gründung von vier, ebenfalls „Volksheime“ genannten Zweigstellen. 2 (Die Tätigkeiten des Volksbildungsvereins und der Wiener Urania wer-den hier nicht näher beleuchtet.)

Die beträchtliche Frequenzsteigerung des Volks-heims und die Wirkung der beiden genannten Fakto-ren lassen sich gut belegen, zumal die „großen Wiener Volksbildner“ der damaligen Zeit auf Dokumentation und Statistik und ihre Veröffentlichung beträchtlichen Wert gelegt haben. Im Detail gab es auch weitere Wir-kungsfaktoren wie die Steigerung der öffentlichen und halböffentlichen Mittel, die Organisationskapazität der Verantwortlichen, die Attraktivität der „Häuser“ und des Programms sowie der gesellschaftliche Aufbruch in Teilen der städtischen Bevölkerung, insbesondere in der Arbeiterklasse.

OBJEKTIVE SOZIALPOLITISCHE VORAUSSETZUNGEN DER FREQUENZSTEIGERUNG

Die Arbeitszeitentwicklung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg lässt sich in ihrer Komplexität an dieser Stelle nicht nachzeichnen. 3

Im Wesentlichen gab es vor dem Ersten Weltkrieg den 11 Stunden Maximalarbeitstag, sechs Mal die Woche.

Im Zuge des breiten gesellschaftlichen Reformschubs der Nachkriegszeit, der untrennbar mit dem Namen des damaligen Sozialministers Ferdinand Hanusch verbun-den ist, kam es zwischen 1918 und 1920 zu einer Vielzahl von gesetzlichen Maßnahmen, die in ihrer Summe einen bis dahin ungeahnten sozialpolitischen Fortschritt dar-stellten und zugleich sozial-integrativ wirkten. Im Ein-zelnen kam es unter anderem zu folgenden Maßnahmen:

1918: Einführung der Arbeitslosenunterstützung (StG-Bl. Nr. 20)

Regelung der Sonn- und Feiertagsruhe in gewerb-lichen Betrieben (StGBl. Nr. 21)

Gesetz über die Heimarbeit (StGBl. Nr. 140) Gesetz über die Kinderarbeit (StGBl. Nr. 141)1919: Verbot der Nachtarbeit von Frauen und Jugendli-

chen in gewerblichen Betrieben (StGBl. Nr. 281) Gesetz über Mindestruhezeit, den Ladenschluss,

die Sonntagsruhe im Handelsgewerbe (StGBl. Nr. 289) Arbeiterurlaubsgesetz (StGBl. Nr. 395) Gesetz über Einigungsämter und kollektive Ar-

beitsverträge (StGBl. Nr. 16 aus 1920)1920: Einrichtung von Arbeiterkammern (StGBl. Nr.

100, BGBl. Nr. 469) Arbeitslosenversicherungsgesetz (StGBl. Nr. 153)

Die wichtigste gesetzliche Maßnahme war neben dem Betriebsrätegesetz 1919 (StGBl. 283) das Achtstunden-taggesetz (StGBl. 581), mit dem die 48-Stunden-Woche normiert wurde. Erst 1959 wurde die gesetzlich vorgese-hene Arbeitszeit von 48 auf 45 Stunden reduziert. Nach einem Volksbegehren wurde die Arbeitszeit in der ers-ten Hälfte der 1970er-Jahre schrittweise auf 40 Stunden gesenkt, womit auch eine Grundlage für den damals einsetzenden „Mega-Trend“ Bildung geschaffen wurde.

QUANTITATIVE VOLKSHEIM-ENTWICKLUNGDie dynamische Entwicklung der Frequenz des

Volksheims und die Ausweitung seines Angebots an

Geschichte

1 Vgl. Reich, Emil (1926): 25 Jahre Volksheim. Eine Wiener Volkshoch-schul-Chronik, Wien: Verlag des Vereines Volksheim, S. 22.

2 Vgl. Filla, Wilhelm (2015): Wiener Volkshochschulfestungen. Die Österreichische Volkshochschule, 66 ( 256), 35 f.

3 Vgl. grundlegend Talos, Emmerich (1981): Staatliche Sozialpolitik in Österreich. Rekonstruktion und Analyse. Wien: Verlag für Gesellschaftskritik; Weidenholzer, Josef (1985): Der sorgende Staat. Zur Entwicklung der Sozialpolitik. Von Joseph II. bis Ferdinand Hanusch, Wien – München – Zürich: Europaverlag.

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DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2016 · NR. 258 — 51

Geschichte

Arbeitsjahre Semesterkurse Teilnahmen

1910/11 135 rd. 3.6001919/20 227 10.496

Semesterkursen (das Volksheim hatte jedoch wie die bei-den anderen Wiener Stammvolkshochschulen über den Kursbetrieb hinaus ein breites Angebot) zeigt bereits der Vergleich der Vor- mit der ersten Nachkriegszeit.4

Die weitere Entwicklung verlief bis zur Mitte der 1920er-Jahre ähnlich dynamisch, um sich danach bis zu den be-ginnenden 1930er-Jahren auf hohem Niveau einzupen-deln, nachdem die Errichtung von Zweigstellen nicht fortgesetzt werden konnte.

Neben dem Haupthaus am Ludo-Hartmann-Platz hatte das Volksheim am Ende seines Dezentralisierungspro-zesses Mitte der 1920er-Jahre noch die Zweigstellen Le-opoldstadt (errichtet 1920), Simmering (errichtet 1922), Landstraße (errichtet 1924) und Brigittenau (errichtet 1925).

Die „ordentlichen“ Mitglieder verteilten sich – beispiels-weise im Arbeitsjahr 1925/26 – auf das Haupthaus und die vier Zweigstellen in folgender Weise:

In den vier Zweigstellen wurden 6.260 Mitglieder ge-zählt, die den Dezentralisierungseffekt deutlich machen.

SCHLUSSFOLGERUNGFür sich genommen sind die Teilnahmezahlen be-

eindruckend. Sie dürfen allerdings nicht darüber hin-wegtäuschen, dass von den Volkshochschulen in den 1920er-Jahren nur ein kleiner Teil der erwachsenen Ge-samtbevölkerung erreicht wurde. Das hat die gesamt-gesellschaftliche Wirkung der Erwachsenenbildungstä-tigkeit begrenzt. Für die TeilnehmerInnen war aber der Volkshochschulbesuch vielfach prägend, in manchen Fällen sogar lebensprägend, wie sich aus biografischen Erinnerungen erschließen lässt.

In einem weiteren Beitrag werden diese Gesamtzahlen des Volksheims nach sozial-räumlichen Kriterien aufge-schlüsselt und näher analysiert. //

Arbeitsjahre Semesterkurse Teilnahmen ordentl. Mitglieder (= KursteilnehmerInnen) 1920/21 322 15.3231921/22 377 14.6441922/23 487 21.5231923/24 516 21.4761924/25 593 25.9431925/26 733 31.790 12.7221926/27 766 30.090 10.0991927/28 764 29.908 10.2171928/29 808 30.037 9.8531929/30 804 30.441 10.4221930/31 792 31.509 11.009

Haupthaus ordentl. Mitgliederund vier Zweigstellen (= KursteilnehmerInnen)

Ottakring 6.462Brigittenau 1.787Landstraße 1.194Leopoldstadt 2.855Simmering 424

4 Alle Zahlen sind den von Emil Reich verantworteten und in unterschiedlicher Weise veröffentlichten jährlichen Tätigkeitsberichten des Volksheims entnommen. Die Zahlen beziehen sich auf die Kurse für alle BesucherI nnen sowie die Kurse der Fachgruppen, bei denen es sich um halbautonome Einrichtungen des Volksheims mit eigener Mitgliedschaft handelte.

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52 — DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2016 · NR. 258

Aus den Volkshochschulen

Im Jahr 1998 rief die Vorarlberger Landesregierung die Initiative „Ausgezeichneter familienfreundlicher Be-trieb“ ins Leben. Heuer feiert der Bewerb ein Jubiläum – im Jänner 2016 werden zum zehnten Mal familien-freundliche Betriebe ausgezeichnet. Die Initiative, die im Zwei ahresrhythmus Unternehmen vor den Vorhang holt, die ihren Beschäftigten familienbewusste Maßnah-men zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf bieten, ist über die Jahre eine bekannte Marke geworden, das belegen auch die steigenden BewerberInnen-Zahlen.

2011 bewarben sich 59 Unternehmen für das Güte-siegel, 2013 nahmen bereits 67 Betriebe teil und heuer langten 96 Bewerbungen ein. Von den 96 teilnehmenden Unternehmen erhalten 84 Betriebe das Gütesiegel „Aus-gezeichneter familienfreundlicher Betrieb“.

Darunter sind acht Kleinbetriebe, 26 Mittelbetriebe, 20 Großbetriebe, 17 Non-Profit-Unternehmen und 13 öffentlich-rechtliche Betriebe.

FAMILIENFREUNDLICHKEIT IN DEN KÖPFEN VERANKERT

Diese Entwicklung zeigt, dass immer mehr Vorarl-berger Betriebe mit ihrer Bewerbung für das objektive und mehrstufige Bewertungsverfahren im Rahmen der Initiative ein starkes Signal setzen. Die Bedeutung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist in den Köpfen der UnternehmerInnen, der PersonalistInnen und der einzelnen MitarbeiterInnen nicht nur angekommen, sondern auch verankert. So verankert wie auch die kon-kreten Leistungen und Maßnahmen, die zu einer kinder- und familienfreundlich gelebten Unternehmenskultur beitragen. Vor allem in Zeiten akuten Fachkräfteman-gels wird es immer wichtiger, gute und motivierte Mit-arbeitende an das Unternehmen zu binden. Am brand-aktuellen Thema Familienfreundlichkeit kommt kein Unternehmen, keine Institution mehr vorbei – flexible Arbeitszeiten, Karenz und Wiedereinstieg, Chancen-gleichheit, Elternförderung, Maßnahmen zur Vereinbar-keit von Pflege mit dem Beruf sowie familienbewusste Serviceleistungen spielen eine immer wichtigere Rol-le bei bestehenden sowie potenziellen Beschäftigten. Gleichzeitig danken sie diese familienfreundlichen Maß-nahmen mit Loyalität, Motivation und Zufriedenheit.

Das Bewertungsverfahren verläuft dabei zweistufig. In der ersten Stufe werten die Projektverantwortlichen die ausgefüllten Fragebögen der Unternehmen aus. Großes Augenmerk liegt dabei auf den betrieblichen familien-freundlichen Maßnahmen und deren Umsetzung. In der zweiten Stufe finden dann persönliche Gespräche mit Beschäftigten, Führungskräften, dem Betriebsrat und den Personalverantwortlichen statt. Gegenstand der Ge-spräche sind die im Fragebogen angeführten Maßnah-men. Für beide Stufen verteilen die Projektverantwort-lichen Punkte.

Ein unabhängiger und sachverständiger Beirat über-prüft in einem nächsten Schritt die Einreichung in einem aufwendigen Kontrollverfahren. Gibt es hier keine Un-stimmigkeiten und erreicht der teilnehmende Betrieb die fixierte Mindestpunktezahl, erhält das Unterneh-men das Siegel „Ausgezeichneter familienfreundlicher Betrieb“ und darf fortan das Siegel für firmeneigene Drucksorten, die Website oder Inserate nutzen.

Das Expertengremium für das Gütesiegel 2015– 2016 bilden: Mathias Burtscher, Industriellenvereinigung; Brigitte Hutterer, Arbeiterkammer; Christoph Jenny, Wirtschaftskammer; Monika Lindermayr, Harald Moos-brugger und Thomas Müller (alle drei von der Landesre-gierung); Sabine Rudigier, ÖGB und Kamila Simma vom Arbeitsmarktservice.

FOLGENDE PUNKTE WURDEN BESONDERS HERVORGEHOBEN:• Kleines Team, man unterstützt sich gegenseitig;• Hoher Elternanteil – man setzt sich zusammen und

regelt die Dinge untereinander;• Faire Diensteinteilung;• Flexibles Eingehen auf die Mitarbeitenden;• Hohe Vertrauenskultur;• Zwei Mitarbeiterinnen mit Pflegeverantwortung –

größte Rücksichtnahme, das Team trägt das mit!• Frauen über 45 werden bewusst gefördert;• Chef hat eine sehr soziale Einstellung;• Familienbewusste Rahmenbedingungen;• Entspanntes Arbeitsklima.

DIE BEURTEILUNGSKRITERIENFamilienfreundliche Maßnahmen sind in sieben be-

trieblichen Handlungsfeldern umsetzbar. Die Beurtei-lungskriterien für die Auszeichnung „Ausgezeichneter familienfreundlicher Betrieb“ leiten sich daraus ab.

Die sieben Handlungsfelder mit ihren in die Bewer-tung einfließenden Maßnahmen sind: Arbeitszeit, Ka-renz und Wiedereinstieg, Elternförderung, Beruf und Pflege, familienbewusste Serviceleistungen, Chancen-gleichheit in der Führung und Weiterbildung, familien-bewusste Unternehmenskultur. //

Volkshochschule Götzis als familienfreundlicher Betrieb 2016–2017 ausgezeichnet.

Quelle Information der VHS Götzis. Online verfügbar unter: https://www.vhs-goetzis.at/aktuelles/familienfreundlicher-betrieb/ [28.2.2016].

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Aus den Volkshochschulen

DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2016 · NR. 258 — 53

Der große Rathaussaal wurde fast zu klein für den Festakt. Gemeinsam mit zahlreichen Ehrengästen, al-len voran der Generalsekretär des Verbands Österrei-chischer Volkshochschulen Dr. Gerhard Bisovsky so-wie der Landtagsabgeordnete Karl Bader, feierten der Vorstand, viele Kursleiterinnen und Kursleiter sowie Freunde und Unterstützende der VHS ein beeindru-ckendes Jubiläum.

Auf den Tag genau – am 8. April 1956 – erfolgte die Gründung der VHS Korneuburg und seither wer-den dort kontinuierlich vielfältige Möglichkeiten der Bildung und Freizeitgestaltung geboten. So war die-ser Abend zugleich auch eine kleine Leistungsschau – das Programm wurde nämlich von einer Trommel-gruppe, einem Tango-Paar und einer Ausstellung des VHS-Künstlerforums „ArtPoint“ umrahmt. Die Fest-rednerinnen und Festredner hoben die beachtlichen Leistungen und die Bedeutung dieser Institution der

Erwachsenenbildung hervor. Korneuburg hat eine der ältesten und größten Volkshochschulen Niederöster-reichs, die bis zu 400 Kurse jährlich anbietet. Hier kann man unter anderem 16 verschiedene Sprachen lernen, in Keramik- oder Malkursen seine Kreativität ausleben und an Yoga- oder Gymnastikkursen teilnehmen. Die VHS Korneuburg trainiert eine erfolgreiche Cheerlea-der-Gruppe, organisiert eine Fotoschule, ist lizensiertes Prüfungszentrum für ÖSD und ÖIF, hält neuerdings auch Lernförderkurse im Sommer ab und bietet kos-tenlose Bildungsberatung an. Und das ist längst nicht alles, wie ein Blick auf die neue Homepage www.vhs-korneuburg.at zeigt. Generalsekretär Bisovsky betonte in seiner Rede, dass die VHS in den vergangenen Jahr-zehnten für Tausende von Menschen aus Korneuburg und Umgebung der „Bildungsnahversorger“ schlecht-hin gewesen sei und damit auch eine wichtige gesell-schaftspolitische Aufgabe erfülle. Hier ist der Ort, an dem auch über die Schulzeit hinaus lebensbegleitendes Lernen in professionellem Rahmen möglich ist. Es geht also nicht nur um Tradition, sondern auch um Innova-tion. Als aktuelles Beispiel wurde hier das Engagement der VHS in der Flüchtlingshilfe genannt, wobei auch mit anderen NGOs, wie dem Roten Kreuz oder SOS Mitmensch, kooperiert wird.

Natürlich kann so ein Festakt nicht stattfinden, ohne verdiente Personen zu würdigen. Eine ganz besondere Auszeichnung erhielt die langjährige VHS-Leiterin Ga-briele Ehmayer, nämlich das Große Verdienstzeichen des Verbandes Österreichischer Volkshochschulen. Sie selbst nutzte wiederum die Gelegenheit, um zahlreiche Kursleiterinnen und Kursleiter zu ehren, die schon seit vielen Jahren im Auftrag der VHS tätig sind. Nach einer abschließenden Darbietung der Trommelgruppe und der Eröffnung der Vernissage von „ArtPoint“ stießen die Festgäste schießlich auf die nächsten 60 Jahre der VHS Korneuburg an. //

Die VHS geht noch lange nicht in Pension!60 Jahre Volkshochschule Korneuburg

Von links nach rechts: Bernadette Haider-Wittmann (Obfrau VHS Korneuburg), Gabriele Ehmayer (Leitung und Fachbereich Arbeitsmarktqualifizierung), Christine Andel (Fachbereich Sprachen). Foto: VHS Korneuburg

Christine Andel

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Aus den Volkshochschulen, Personalia

54 — DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2016 · NR. 258

Dr. Heinz Fischer wird Präsident der Volkshochschulen!Der Wahlvorschlag des Vorsitzenden Dr. Michael Ludwig wurde vom Vorstand einstimmig beschlossen

70 Jahre Volkshochschule Berndorf1

Zweite Reihe: links neben LAbg. Karl Bader, Stadtrat Andreas Rottensteiner. Foto: Erste Triestingtaler Online Zeitung

Am 16. April 2016 fand im Stadtsaal Berndorf ein Fest-akt unter dem Motto „125 Jahre Erwachsenenbildung – 70 Jahre Volkshochschule Berndorf“ statt. Dabei konnte Stadtrat Andreas Rottensteiner als Obmann der Volks-hochschule Berndorf zahlreiche Freunde, Vortragende und Mitglieder begrüßen.

In Vertretung des Landeshauptmanns hielt Landtagsab-geordneter und Bürgermeister Karl Bader als Vorstands-vorsitzender des Verbandes Niederösterreichischer Volkshochschulen eine Laudatio. Dr. Gerhard Bisovsky, Generalsekretär des Verbandes Österreichischer Volks-hochschulen gratulierte und sprach zu den Wirkungen der Volkshochschularbeit auf die Menschen, die Wirt-schaft und die Gesellschaft.

Andreas Rottensteiner ging in seiner Rede auf Ge-genwart und Zukunft der Volkshochschule in einer Zeit gesellschaftlicher Umbrüche, lebenslangen Lernens und zunehmender Digitalisierung ein.

Außerdem wurden mehrere Ehrungen verdienter, langjähriger Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen durchge-führt. So erhielt Stadtrat a. D Bernhard Mayer und Mag. Gottfried Obereder ebenso wie Frau Edeltraud Zaunstock die „Josef-Lehrl-Plakette“ für langjährige Verdienste um das Volkshochschulwesen in Niederösterreich. Frau El-friede Mayer wurde mit dem Ehrenzeichen der Niederös-terreichischen Volkshochschulen ausgezeichnet.

Die Veranstaltung wurde vom preisgekrönten Trom-petenquartett „Trumpetissimo“ der Musikschule Tries-tingtal umrahmt. Im Anschluss an die Veranstaltung wurden viele interes-sante Gespräche zur Vergangenheit der Volkshochschule Berndorf, vor allem aber zu ihrer Zukunft beim Festbuffet, zu dem die VHS Berndorf ihre Gäste einlud, geführt.

Zur Festveranstaltung ist eine Festschrift erschienen, die von Hofrat Mag. Otto König, Obmann der VHS Bern-dorf von März 2004 bis Jänner 2016, verfasst wurde. //

1 Leicht geänderte Fassung aus: Erste Triestingtaler Online Zeitung. http://www.tridok.at/berndorf-im-blitzlicht/berndorf-im-blitzlicht-teil-iii/

Der Vorstand des Verbandes Österreichischer Volks-hochschulen hat am 26. April 2016 einstimmig beschlos-sen, Bundespräsident Dr. Heinz Fischer den Vorschlag zu unterbreiten, er möge nach Ende seiner Amtszeit als Bundespräsident die Funktion des Präsidenten des Ver-bandes Österreichischer Volkshochschulen, die er be-reits vor seiner Wahl zum Bundespräsidenten bekleidet hat, wieder aufnehmen.

Dr. Heinz Fischer war bereits von Februar 1999 bis März 2007 Präsident des Verbandes Österreichischer

Volkshochschulen. Nach seiner Wahl zum Bundespräsi-denten hat er diese Funktion niedergelegt und als Nach-folgerin wurde die Präsidentin des Nationalrats, Mag. Barbara Prammer, gewählt. Seit dem Tode der National-ratspräsidentin Prammer ist diese Funktion unbesetzt. Die Wahl des neuen Präsidenten des Verbandes Öster-reichischer Volkshochschulen wird am 21. Juni erfolgen.

In der Vorstandssitzung wurde berichtet, dass Dr. Heinz Fischer bereit ist, diese ehrenamtliche Funktion wieder anzunehmen. //

Foto: Peter Lechner/HBF

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DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2016 · NR. 258 — 55

Personalia

Neue Geschäftsführung in der VHS Steiermark: Dr. Martin Bauer

Egger studierte Pädagogik, Soziologie und Betriebswirtschaftslehre an der Karl-Fran-zens Universität und habilitierte sich dort für das Fach Pädagogik. Egger leitet den Arbeits-bereich für Angewandte Lernweltforschung des Zentrums für Lehrkompetenz an der Karl-Franzens-Universität Graz.

Mehrere Forschungs- und Lehraufenthalte führten ihn an die Freie Universität Berlin, die Universität Stockholm, die University of Prishtina und an die University of Nicosia.

Seit mehr als zwanzig Jahren ist Rudolf Eg-ger in der Weiterbildung tätig. Vorträge hielt er in vielen europäischen Ländern, in den USA,

in Austrialien und in Indien. Zahlreiche Buch- und Zeitschriftenpublikationen prägen seine wissenschaftliche Laufbahn. Zuletzt ist er-schienen: Egger, Rudolf/Posch, Alfred (Hrsg.) (2016): Lebensentwürfe im ländlichen Raum. Ein prekärer Zusammenhang? Springer VS, Wiesbaden. Reihe: Lernweltforschung. //

Martin Bauer, promovierter Betriebswirt und Wirtschaftssoziologe, wurde mit 1. Jänner 2016 zum neuen Geschäftsführer der VHS Steiermark bestellt. Die VHS Stei-ermark ist mit über 63.000 Teilnahmen, 12 Niederlassungen und fast 200 Kursstätten die größte Weiterbildungseinrichtung in der Steiermark.

Bauer, ist seit vielen Jahren in den Berei-chen Aus-, Fort- und Weiterbildung tätig so-wie im Bereich Evaluierung und Akkreditie-rung von Hochschulen und Universitäten.

Gepackt hat ihn das Interesse an der Erwachsenenbildung als Betriebsrat und hiermit Personalverantwortlicher der Ca-sinos Austria AG Zentrale, wo er interne Schulungsprogramme und Assessmentcen-ter einrichtete. Etliche Jahre später machte er seine Berufung zum Beruf. Es folgte ein Engagement in der Geschäftsführung der FH Wiener Neustadt. Bauer war dort u.a. kostentechnisch für den Aufbau der Studi-en im Bereich Gesundheit und Sicherheit sowie für den Bereich External Relations

(Kooperationen) verantwortlich. 2007 wur-de er vom Rektor der Uni Graz, Univ.-Prof. Gutschelhofer, beauftragt die Fort- und Weiterbildung der Uni Graz aufzubauen, die sich bis zu diesem Zeitpunkt auf wenige Tagesseminare beschränkte. Bis Ende 2015 gelang es ihm, als Direktor für Fortbildung und Mehrfach-Geschäftsführer, die ausge-gliederten Weiterbildungseinrichtungen der UNI Graz (u.a. UNI for LIFE) mit über 70 postgradualen Studien und über 3.000 TeilnehmerInnen als fixe Größe am öster-reichischen universitären Bildungsmarkt zu etablieren.

In diesen Jahren (2007-2015) erweiterte Bauer die Weiterbildung der Uni Graz nicht nur national sondern prägte auch nachhaltig das inhaltliche Bild und die wissenschaftli-che Ausrichtung. Die Uni Graz bietet nun akademische Weiterbildungen in ganz Ös-terreich (Kärnten, Salzburg, Tirol und Vor-arlberg) an. Weiters gelang es Bauer erstmals eine dauerhafte Kooperation zwischen einer Universität und dem AMS zu begründen.

UNI for LIFE ist seit 2010 für die arbeit-suchenen AkademikerInnen in Wien und Graz verantwortlich. Ab 2009 gründete er die Hospizakademie Steiermark, die für die Ausbildung der ehrenamtlichen Hospizmit-arbeiterInnen verantwortlich zeichnet. Zu-dem beschäftigte er sich sehr stark mit den Themen Akkreditierung und Evaluierung von Hochschulen und Universitäten und konnte mehrere Akkreditierungen national wie international durchführen.

Hauptaugenmerk will Bauer nun in der VHS Steiermark auf folgende Punkte richten:• Strategischen Ausrichtung bzgl. Ziel-

gruppen- und Themenorientierung• Office- und Serviceexcellence• Weiterentwicklung der Angebote • Durchlässigkeit und Anschlussfähigkeit

der Angebote im Bildungssystem• Professionalisierung und Qualitätsent-

wicklung im Bereich der Lehrenden • Entwicklung neuer Lehr- und Lernfor-

men

Univ.-Prof. Dr. Rudolf Egger ist Konsulent für pädagogische Angelegenheiten an der VHS Steiermark.

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Personalia

56 — DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2016 · NR. 258

Ein Großer der deutschsprachigen Erwachsenenbildung ist tot. Am 27. Jänner 2016 starb im 69. Lebensjahr Pro-fessor Peter Faulstich. Er hinterlässt nicht nur ein äußerst umfangreiches und vielschichtiges Werk erwachsenen-pädagogischer Wissenschaft, mit ihm ging auch ein enga-gierter bildungspolitischer Denker und herausragender Kollege. Mit Betroffenheit haben wir auch in Österreich die Nachricht von seinem Ableben aufgenommen.

Peter Faulstich wurde am 12. Juni 1946 in Frankfurt am Main geboren. Von 1967 bis 1976 studierte er an der Tech-nischen Universität Berlin Stadt- und Regionalplanung, Bildungsökonomie, Pädagogik und Soziologie. In die-ser Zeit der 1968er Jahre erfolgte seine Sozialisation als kritischer Intellektueller, die er all die Jahre in den un-terschiedlichsten Funktionen und Aufgabenbereichen wahrgenommen hat. Sein erstes akademisches Berufs-feld fand er in der wissenschaftlichen Weiterbildung, der er übrigens bis weit über seine Emeritierung treu blieb. 1978 bis 1992 war Peter Faulstich Leiter der Kontaktstelle für wissenschaftliche Weiterbildung an der Gesamthoch-schule Kassel. Besonders schmerzlich ist es, da im März dieses Jahres der 31. DGFE-Kongress in Kassel ohne Peter Faulstich stattfand. Er widmete sich dem Thema Räume in der Bildung – Bildung der Räume und hatte damit eine für Peter Faulstich über die Jahre wichtige Problematik zum Thema. Von 1992 bis 1995 folgte eine Leitungstätigkeit des Zentrums für Wissenschaftstrans-fer ebenfalls in Kassel, wo er auch eine außerplanmäßige Professur innehatte. Seit 1995 war Peter Faulstich Profes-sor für Erwachsenenbildung und Weiterbildung an der Universität Hamburg. Sein wissenschaftliches Werk ist nicht nur sehr umfangreich, sondern auch thematisch vielschichtig. Es nimmt weite Bereiche der Erwachse-nenbildung/Weiterbildung, der Bildungsgeschichte und -ökonomie sowie des beruflichen und betrieblichen Ler-nens in den Blick. Seine Publikationstätigkeit reicht von Einzelschriften, Lehrbüchern und Herausgeberschaften über Artikel in Fachpublikationen bis hin zu Kommen-taren und Essays in öffentlichen Medien. Peter Faulstich war wohl einer der fleißigsten und profundesten Re-zensenten aktueller Literatur in unserem Fachbereich. Außerdem war er bis zu seinem Tod geschäftsführender Redakteur und Vorsitzender der Redaktionskonferenz der Hessischen Blätter für Volksbildung, die unter sei-ner Leitung in den letzten Jahren – mit neuem Profil - zu einem wichtigen Publikationsorgan der deutschsprachi-gen Erwachsenenbildung wurde. Bei all der Fülle an For-schungs- und Publikationstätigkeit fand Peter Faulstich immer auch Zeit, sich für die Scientific Community der

Erwachsenenbildungswissenschaft einzusetzen. Von 1995 bis 1999 war er Vorsitzender der Kommission Er-wachsenenbildung der Deutschen Gesellschaft für Erzie-hungswissenschaft und von 2002 bis 2008 Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für wissenschaftliche Weiter-bildung. Ich erinnere mich noch an viele Tagungen der Sektion Erwachsenenbildung und DGFE-Kongresse, wo Peter Faulstich stets präsent war, wach und auf-merksam die Diskussion verfolgte und sich einbrachte. Besonders imponiert hat mir immer sein Blick auf das Wesentliche und sein Einstehen für bildungspolitische Zielsetzungen, die mittlerweile im Wissenschaftsbe-trieb häufig unterbelichtet und oft unbedankt bleiben. Auch der wissenschaftliche Nachwuchs konnte von Pe-ter Faulstich profitieren, viele seiner HabilitantInnen und DoktorandInnen besetzen heute Lehrstühle der Erwachsenenbildung und begleiten wichtige Funktio-nen im Bildungs- und Wissenschaftsbetrieb. Unbedingt erwähnen muss man auch Peter Faulstichs jahrelange enge Zusammenarbeit mit Arbeit und Leben und dem DGB. Vor allem in der IG Metall fand er seine geistig-gewerk-schaftliche Heimat. Als kritischer Intellektueller war ihm Solidarität und Partizipation ein wichtiger Wert, den er auch in seine universitäre Umwelt einzubringen versuchte. Aus der Kooperation mit der IG Metall gin-gen zahlreiche Beiträge zur Entwicklung der Berufs- und Weiterbildungspolitik in der Bundesrepublik Deutsch-land hervor.

Auch in Österreich hat Peter Faulstich Spuren hinterlas-sen. So war er maßgeblich an der Tagung „Wissenschaft-liche Weiterbildung im Hochschulraum Europa“ betei-ligt, die 2006 in Wien stattfand. Besonders zu erwähnen sind auch einige seiner erwachsenenpädagogischen Ein-führungsbücher wie z.B. Weiterbildung 2003 und – ver-fasst mit Christine Zeuner - Erwachsenenbildung 1999. Sie gehören mittlerweile zur Pflichtlektüre im Studium der Erwachsenenbildung/Weiterbildung ebenso wie sei-ne in den letzten Jahren verfassten Bände zum Lernen Erwachsener (z.B. Menschliches Lernen 2013 und Lern-debatten 2014). Hier hat er prononciert den Ansatz des expansiven Lernens ausgeführt und damit dem in den letzten Jahren sehr dominanten Ansätzen einer konst-ruktivistischen Lehr- und Lernforschung in der Erwach-senenbildung/Weiterbildung eine kritische Sichtweise gegenüber gestellt.

Wir werden Peter Faulstich vermissen. //

Elke Gruber

Peter Faulstich (1946 - 2016)

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Personalia

DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2016 · NR. 258 — 57

In Memoriam Prof. Leo Prüller

In Memoriam Dr. Martin Wiedemair

Leo Prüller, langjähriger Leiter des Bildungshauses St. Hippolyt und ehemaliger Präsident der Katholischen Aktion Österreich, ist am 21. Februar 2016 im 88. Le-bensjahr im Kreis seiner Familie verstorben.

Als eine der „großen Gestalten des Laienapostola-tes in Österreich“ hat Gerda Schaffelhofer, Präsidentin der Katholischen Aktion Österreich (KAÖ) Leo Prül-ler gewürdigt. Prüller habe in vielem das verkörpert, „was das selbstbewusste Engagement und Mitgestalten der katholischen Laien in Kirche und Gesellschaft aus-macht". Gesellschaftspolitisch habe er sich in der Nach-kriegszeit für eine Zusammenarbeit über alte ideologi-sche Grenzen hinweg eingesetzt.

Sein Einsatz vor allem in der Erwachsenenbildung wurde vielfach gewürdigt. 1980 wurde Prüller mit dem Berufstitel Professor ausgezeichnet, 1973 erhielt er das Silberne Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich. //

Quelle Information der Erzdiözese Wien. https://www.erzdioezese-wien.at/site/home/nachrichten/article/48819.html [7.5.2016].

Am 15. April 2016 verstarb Dr. Martin Wiedemair un-erwartet nach einer kurzen schweren Krankheit. Wie-demair war Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Salzburger Erwachsenenbildung von 2003 bis 2015. Von 1994 bis 2003 war er Leiter der Förderungsstelle des Bundes für Erwachsenenbildung. Zuvor war er Di-rektor des Salzburger Bildungswerkes. Im Vorstand der Volkshochschule Salzburg war Wiedemair seit mehr als 20 Jahren tätig.

Martin Wiedemair war ein Erwachsenenbildner und Pädagoge, der weit über die Landesgrenzen hinaus be-kannt war und ob seiner hohen fachlichen Kompetenz als Experte sehr geschätzt wurde. Zahlreiche erwach-senenbildnerische Initiativen profitierten von seinem

Verständnis von Erwachsenenbildung und seinem Wis-sen darüber. Bereits in seiner Dissertation befasste er sich mit einem wichtigen Kapitel der österreichischen Erwachsenenbildung, dem Medienverbund. An der Pädagogischen Akademie Salzburg lehrte er Pädagogi-sche Soziologie und Unterrichtswissenschaft.

Martin Wiedemair war vielen Kolleginnen und Kol-legen in den österreichischen Volkshochschulen und in der Erwachsenenbildung freundschaftlich verbunden. Erst am 15. September 2015 ist er in den Ruhestand ge-treten. //

Bild: www.erwachsenenbildung-salzburg.at

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Fareed Zakaria: In Defense of a Liberal Education. W. W. Norton & Company, New York, London 2015, 204 Seiten.

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Anlass: Geld! Bei Liberal Education soll an US-amerikanischen Universitäten einge-spart werden. Einige Gouverneure und sogar Präsident Obama treten für eine berufsnahe Ausbildung, für „skills-based learning“ ein. Studieren, was am Arbeitsmarkt verlangt wird, sei das Gebot der Stunde. Dies wendet sich gegen eine lange Bildungstradition, die keineswegs einer engen berufsorientierten Ausbildung entsprochen hat. Der Grund für das traditionelle, eher offene, weitere, wenig berufsorientierte Bildungskonzept war ein dynamisches Selbstverständnis: In den USA konnte man auf der Suche nach neuen Gele-genheiten immer zu neuen Orten aufbrechen, traditionsbewahrende Zünfte, die über festge-schriebene Berufswege wachten, fehlten. Eine wenig regulierte Ökonomie und ihre Tech-nologie veränderten permanent die Arbeit und ihre qualifikatorischen Anforderungen. Im Gegensatz zu Europa entstanden deshalb kein Lehrlingssystem, kein duales Bildungs-wesen sowie keine spezifische berufliche Aus-bildung. Außerdem wurde in Schulen und Colleges Liberal Education schon historisch früh öffentlich finanziert. Bis heute steht sie auf einem breiteren institutionellen Funda-ment als in Europa. Ein Luxus, ein überflüs-siges Bildungsrelikt, vergeudete Ressourcen?

Der Begriffsrahmen Liberal Education umfasst Analogien zu Allgemeinbildung und zu Politischer Bildung. Liberal Education be-zieht sich auf ein Lernen, das die Individuali-tät stärkt, persönliche Fähigkeiten entwickelt und auf Kompetenzen achtet, um Wandel, Diversität und Komplexität zu bewältigen. Li-beral Education soll beitragen „liberale“ (lat. liber = frei), also „freie“ Menschen hervor-zubringen. Inhaltlich bedeutet es nicht, vor-dringlich zweckorientiert zu lernen oder zu studieren, sondern sich übergreifend, „open-minded“ zu bilden.

Fareed Zakaria tritt zur Verteidigung einer so verstandenen Liberal Education an. Aufge-wachsen in Indien kam er als Student in die

USA und fand in einer der Liberal Education zuzurechnenden Vorlesung zu seiner Beru-fung. Er ist ein in den USA bekannter Journa-list bei CNN, schreibt in verschiedenen Print-Medien und gestaltet als Autor von Bestsellern die öffentliche Meinung mit. Er ist ein „betrieb-samer“ Schreiber – auch dieses Buch beruht auf Recherchen mehrerer Mitarbeiter. Das Buch bezieht sich hinsichtlich Liberal Education vor allem auf Schulen, Colleges und Universitä-ten. Es gibt aber genügend Anlässe, an Weiter-bildung oder lebenslanges Lernen zu denken. Die Grundfrage bleibt ja: mehr berufsorien-tiert oder mehr allgemein bildend?

Zugang zur Thematik bietet Zakaria mit einem historischen Blick auf Liberal Educa-tion. Ein übersichtlicher Bogen von der An-tike bis zur Gegenwart wird gespannt. Als aktuelles, für ihn vielversprechendes Projekt schildert der Autor die Kooperation zwi-schen den Universitäten Yale und Singapur. An letzterer wird Liberal Education unter Einbeziehung von Human- und Naturwis-senschaften auf multikultureller Basis ange-boten. Das umfasst z.B. Kenntnisse über die Philosophie Platons und Aristoteles sowie über Konfuzius und Buddha oder Kenntnis-se über Kultur und Kunst aus der östlichen und aus der westlichen Hemisphäre. Zakaria erhofft sich aus solchen Angeboten positive Impulse für unsere zunehmend globalisierte und multikulturell orientierte Welt.

Der Frage nach Ziel, Nutzen und Sinn von Liberal Education geht Zakaria im Kapi-tel „Learning to Think“ genauer nach. Dabei verweist er mit Beispielen auf die Innovatio-nen, die Technologie und kreative Ökonomie in den letzten Jahren durch Persönlichkeiten mit Liberal Education erfahren haben: Prob-leme lösen, Entscheidungen treffen, neue Si-tuationen beurteilen, sportliche und gesunde Lebensführung, Ausdauer und Teamwork gelten als die Benefits einer Liberal Education – wovon sich Zakaria noch mehr wünscht.

Im zunehmenden Interesse der heran-

wachsenden und erwachsenen Bevölkerung an Bildung, ablesbar an der steigenden Nach-frage nach Kursen, Studiengängen, Büchern und Videos, sieht Zakaria eine Chance für Li-beral Education. Eine Chance, zur Weltoffen-heit beizutragen, auf die vor sich gehenden Veränderungen vorzubereiten und das Poten-zial für gelebte Freiheit zu erweitern.

In der Gesamtaussage bleibt das Buch vage. Zakaria schließt mit der Bemerkung, wir alle investieren zu wenig Zeit, Aufmerk-samkeit und Nachdruck in die Frage nach Be-deutung und Sinn des Lebens. Wir achten zu wenig auf unsere Stärken und Schwächen, zu wenig auf die Geschichte und auf die Welt um uns. Deshalb würden wir alle etwas mehr von Liberal Education brauchen.

Es bleibt beim Appell. Das Buch liest sich flüssig – journalistisch konzipiert ver-meidet es komplizierte wissenschaftliche Argumentationsketten und präsentiert Best-Practice-Beispiele, Statements aus Politik und Führungsetagen, kurze statische Anga-ben, passende Forschungsergebnisse, Inno-vationen, Vorläufiges – ein drehbuchartiges Skript, das uns bei Leselaune halten will.

Doch zwischendurch könnte Leserin und Leser einfallen, spätestens am Ende der Lektüre auffallen, dass europäische Vorstel-lungen von Liberal Education stärker mit politischen Aspekten in Verbindung stehen: demokratische Werthaltungen stärken, ak-tive Beteiligung an der Demokratie sichern, sozialen Zusammenhalt fördern, Arbeit und Berufsbedingungen human gestalten …

So verweist dieses Buch auf kulturelle Dif-ferenzen im Bildungsdenken. Es gibt auch Anstoß, die eigene Position einer liberalen Bildung, wir sprechen akzentuierter von ei-ner politischen, zu formulieren und umzuset-zen. Das „Manifest für Erwachsenenbildung im 21. Jahrhundert“ (VHS 3/2015, Nr. 257, S. 11) gibt ein gutes Beispiel für entsprechende aktuelle Zielsetzungen der europäischen Er-wachsenenbildung. //

Werner Lenz

Rezensionen

Schwerpunkt

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Rezensionen

DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2016 · NR. 258 — 59

Werner Lenz

Regina Haberfellner: Zur Digitalisierung der Arbeitswelt. Globale Trends – europäische und österreichische Entwicklungen (AMS Report 112).Wien: AMS 2015.1

Digitalisierung in Beruf und Bildung wird gefordert, um den jeweiligen Wirtschafts-standort zu schützen. Gleichzeitig ertönen Warnungen, dass, abgesehen von der inten-siven Überwachung und Dokumentation menschlicher Kommunikation, der Verlust an Arbeitsplätzen durch die Digitalisierung sozial bedrohlich sein wird.

In der Reihe der AMS-Forschungsstu-dien legt Regina Haberfellner eine diffe-renzierte Untersuchung zur Thematik vor. Sie bringt natürlich keine restlose Klärung, aber doch Aufklärung in ein Feld, dessen Entwicklungen großer Dynamik unterlie-gen. Haberfellner fasst die Auslöser, wie Di-gitalisierung, mobiles Internet und Cloud Computing, unter dem Begriff „Disruptive Innovationen“ zusammen. Diese haben das Potenzial, Märkte grundlegend zu ver-ändern, soziale Unsicherheiten und neue Märkte zu schaffen. Methodisch liegen der Studie Interviews mit ExpertenInnen, eine Analyse sekundärstatistischer Daten sowie die Auswertung nationaler und internatio-naler Literatur zu Grunde.

Einen Markstein der Digitalisierung sieht die Autorin im Jahre 2002, als zum ersten Mal mehr Inhalte in digitaler (z. B. PC-Festplatten, CDs, DVDs, Server, Smartphones, Tablets) als in analoger Form (Bücher, Zeitschriften, Papier-Fotos) ge-speichert wurden. 2007 wurden bereits 94 % aller Inhalte digital gespeichert. Parallel ging ein rasantes Wachstum an digitaler

Speicherkapazität einher. Mit dem 1989 ge-starteten World Wide Web (erste Website 1991) wurde das Internet zum Massenme-dium und seine Kommerzialisierung be-gann. Das Breitband-Internet ermöglichte in Österreich 2014 bereits 79 Prozent aller Haushalte einen Internetzugang, seitens der Unternehmen nutzen dies etwa 75 Prozent. Rund 20 Prozent ihrer Beschäftigten werden mit einem tragbaren Gerät (Laptop, Tab-let, Smartphone) ausgestattet. Neben dem Wandel von analoger zu digitaler Techno-logie, der Transformation durch das mobile (Breitband-) Internet ist als drittes Cloud Computing Grundlage für die Digitalisie-rung der Arbeitswelt. Letzteres ermöglicht das Speichern von Daten und den Gebrauch von Programmen in entfernten Rechenzen-tren sowie den flexiblen Gebrauch von IT-Ressourcen und IT-Infrastruktur.

Die App-Economy, das „Internet der Din-ge“ (Vernetzung von Gegenständen mit dem Internet wie z. B. Skipass oder das „rollende Rechenzentrum Auto“) sowie Industrie 4.0 (individuelle Produkte aus dynamischen Wertschöpfungsnetzwerken) setzen auch neue Maßstäbe für die Aus- und Fortbildung der MitarbeiterInnen. Vorausgesetzt wird eine relativ unspezifische höhere Ausbil-dung mit interdisziplinären Aspekten und – wegen der hohen Dynamik – eine Betonung des Weiterbildungstrainings on the Job.

Im Rahmen der Wirtschaftspolitik der EU gilt IKT (Informations- und Kommuni-

kationstechnologien) neben Green Economy und dem Gesundheits- und Sozialsektor als dritter wichtiger Bereich, um einen jobin-tensiven Aufschwung zu erreichen. Im Bil-dungswesen z. B. werden von der digitalen Modernisierung neue Chancen hinsichtlich Zugang und sozialer Gerechtigkeit, Auswei-tung und neue Konzeption der Bildungsan-gebote, Ausbau individueller Bildungswege sowie Schaffung neuer Geschäftsmodelle am Lehrbuch- und Bildungsmarkt erwartet.

Die Studie bleibt in ihren Prognosen so-lide vorsichtig. Durch diese Offenheit be-züglich künftiger Entwicklungen lässt sie erkennen, wie viel Aufmerksamkeit wir den vor sich gehenden Veränderungen widmen sollten. Die Bedeutung von Bildung und Weiterbildung, als integrativer und vernetz-ter Faktor in der durch die Digitalisierung sich verändernden Arbeits- und Alltagswelt, wird in der Studie sichtbar. Das betrifft so-wohl im Beruf als auch in Ausbildung ste-hende Personen.

Die Studie ist für Verantwortliche im Bildungs- und Beratungssektor sowie für den Bereich berufliche Orientierung und berufliche Weiterbildung von besonderem Interesse. //

1 Siehe dazu: http://www.forschungsnetzwerk.at/downloadpub/AMS_report_112.pdf.

Schwerpunkt

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60 — DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2016 · NR. 258

Jörg Dräger/Ralph Müller-Eiselt: Die digitale Bildungsrevolution. Der radikale Wandel des Lernens und wie wir ihn gestalten können. München: Deutsche Verlags-Anstalt 2015, 240 Seiten.

Werner Lenz

Schon wieder eine Bildungsrevolution!? In knappen Abständen wird sie mittels Fach-literatur ausgerufen. Aktueller Anlass: die Digitalisierung des Bildungswesens. „Durch Digitalisierung ist Bildung für alle und personalisiertes Lernen für den Ein-zelnen erreichbar – und bezahlbar“. (S. 40). Derart begeistert ist das Buch geschrieben. Mit gleicher Verve will es Leserin und Leser von neuen Aufstiegsmöglichkeiten über-zeugen, die der Abschied von der bisheri-gen analogen Bildungswelt bringt (vgl. S. 43): günstiger Bildungszugang und perso-nalisierte Angebote für alle, Lernmotivati-on und Feedback, soziale Vernetzung, Ori-entierung und Transparenz „im Dschungel der Bildungsangebote“ sowie die Vermitt-lung passender Jobs.

Jörg Dräger, von 2001 – 2008 Wissen-schaftssenator in Hamburg und zur Zeit Vorstand der Bertelsmann Stiftung, sowie Ralph Müller-Eiselt, Forscher der Bertels-mann Stiftung, belegen ihre revolutionären Hoffnungen mit vielen international re-cherchierten Beispielen. Aus pädagogischer Sicht sind die Argumentationslinien nicht

unbekannt: Die bestehende „Einheitsbil-dung“ entspricht nicht den unterschiedli-chen Bedürfnissen und der tatsächlichen Vielfalt der Lernenden. Homogenität ist Illusion, Heterogenität und Individuali-sierung angesagt. Die Gefahren, die der „gläserne Mensch“ mit sich bringt, werden gesehen, aber, so die Autoren, wir müssen mit den Gefahren leben.

Die Digitalisierung des Bildungswesens ist aber auch in Österreich schon im Gange: Seit Anfang 2016 stehen in der Sekundar-stufe II digitale Schulbücher zur Auswahl, im tertiären Sektor und in der Weiterbil-dung ist „blended learning“ selbstverständ-lich, „Gratis online lernen“ wird vom Volks-hochschulverband unterstützt, um nur einige Beispiele zu nennen.

Entscheidend ist, dass sich in Konsum- und Berufswelt eine technologische Trans-formation mit dem Ziel, mehr Diversity herzustellen ereignet. Das Bildungswesen befindet sich gesellschaftlich gesehen in einem Nachzieh- und Nachholverfahren. Was nicht ausschließt, Bildung einzusetzen, um die vor sich gehenden Veränderungen

zu analysieren und zu beurteilen. Doch so ein widerständiges, eigensinniges Po-tenzial wird von dieser Publikation nicht angesprochen – die Autoren fordern viel-mehr Anpassungsleistung: aus Sorge, dem Mainstream und damit den Ansprüchen an moderne Wirtschaftsstandorte nicht zu ent-sprechen. Die Revolution bleibt außen vor.

Trotzdem bringt die Lektüre Informati-on. Sie zeigt, was auf dem Sektor Bildung in digitaler Form vor sich geht und wie sehr wir daran bereits beteiligt sind. Eine digitale Umwälzung in Arbeitsprozessen, Kommunikation und Lernen finden statt. Weiterbildung ist betroffen und aktiver Teil davon: betroffen in ihren Angeboten, aktiv, indem sie informiert und aufklärt, Zusammenhänge erläutert und kritisches Urteilen pflegt. //

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DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2016 · NR. 258 — 61

Ernst Gesslbauer/Carin Dániel Ramirez-Schiller (Hrsg.): Die Rolle von Guidance in einer sich wandelnden Arbeitswelt.Innsbruck: StudienVerlag 2014, 143 Seiten.

Werner Lenz

Beratung nimmt in Politik, Unternehmen, öffentlichen Einrichtungen und im All-tagsleben einen wichtigen Stellenwert ein. Sie ist Mittel und Methode, um auf Verän-derungen zu reagieren oder diese in Gang zu setzen und zu begleiten. Die zuneh-mende Professionalisierung von Beratung spiegelt sich inzwischen in Forschung, Publikationen und Studiengängen. In der vorliegenden Publikation wird mit dem Begriff „guidance“ die europäische Dimen-sion mit besonderem Bezug zu Österreich hervorgehoben. Guidance umfasst Infor-mation, Beratung und Orientierung für Bildung und Beruf.

Herausgegeben vom Leiter der „Natio-nalagentur Lebenslanges Lernen“ und der Leiterin der Bereichs Erwachsenenbildung in dieser Organisation, belegt das seit etwa zwei Jahrzehnten aktive österreichische Euroguidance-Zentrum hiermit seine Tä-tigkeit. Als Ziel des Buches nennen Her-ausgeberIn (S. 8): „Guidance noch stärker als Befähigung zum erfolgreichen Meistern des beruflichen (und privaten) Lebenswe-ges wahrzunehmen und zu nutzen und

diese Sichtweise auch weiterzuverbreiten.“ Inhaltlich gliedert sich das Buch in

drei Teile. Im ersten, der sich mit europä-ischen und österreichischen Strategien des Lifelong Guidance beschäftigt, werden zunächst einführend Beziehungen zu den einzelnen Beiträgen hergestellt und auf EU-Resolutionen Bezug genommen. The-matisch wird u.a. auf den Zusammenhang Arbeitsmarkt und Berufsberatung, die Än-derungen am Arbeitsmarkt, Reintegration in den Arbeitsmarkt und Europass einge-gangen. Der zweite Teil ist praxisorientiert und erörtert u.a. Jobunsicherheit und Resi-lienz, Formen der Anerkennung vorherge-gangener Bildung, den Qualifikationspass Wien, die Chancen und Potenziale von MitarbeiternInnen älter als 50 Jahre sowie innovative Ausbildungsmodelle und or-ganisationsübergreifende Kooperationen. Letztere Initiative legt einen besonderen Schwerpunkt darauf, die Gleichstellung von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt zu fördern. Am Schluss des Buches werden ausgewählte, EU-geförderte Guidance-Projekte kurz vorgestellt.

Die Publikation gibt einen interessanten Einblick in österreichische Aktivitäten, die die europäische Dimension von Guidance festigen. Sie ist zugleich ein Beleg für die produktive Entwicklung des lebenslangen Lernens in Österreich. Das Buch zeigt auf, welche weiteren Wege in Forschung und Praxis sich eröffnen und sich als Arbeits-felder in der Erwachsenen- und Weiterbil-dung erschließen. //

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Gerhard Niedermair (Hrsg.): Informelles Lernen. Annäherungen – Problemlagen – Forschungsbefunde.Linz: Trauner Verlag 2015, 436 Seiten.

62 — DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2016 · NR. 258

In bewährter Qualität dieser Schriftenrei-he liegt deren neunter Band „Informelles Lernen“ vor. Dessen „opaker“ (dunkel, wenig durchsichtig) Charakter, so eine Be-zeichnung in einem Beitrag, wird in die-ser Publikation, nach allen Möglichkeiten wissenschaftlichen Handwerks, erhellt. Als Orientierung kann ein gemeinsamer Nenner für informelles Lernen gelten: Es ist nicht als eine isolierte Lernform zu sehen, sondern als ein Lernen, das in for-mellen, aber auch in informellen Kontex-ten angesiedelt sein kann. „Die jeweilige Ausgestaltung dieser Praxis ist in ihren sozialen, institutionellen und kulturellen Rahmungen ebenso wie in ihren vielfäl-tigen Gestaltungsweisen zu beleuchten.“ (S. 134). Dieses Verständnis begründet, wie breit gefächert Gerhard Niedermair, Leiter der Abteilung für Berufspädagogik und Erwachsenenbildung an der Universi-tät Linz, das Buch als Herausgeber konzi-piert hat.

Es ist in fünf Abschnitte untergliedert. Im ersten finden sich Beiträge, die lernthe-oretische und begriffliche Reflexionen be-inhalten. Der zweite Teil umfasst die Ent-wicklung von spezifischen Kompetenzen und Ressourcen durch informelles Lernen. Dies betrifft z. B. Kompetenzen und be-rufliche Bildung für nachhaltige Entwick-lung, Beschäftigung mit digitalen Medien sowie die Rolle informellen Lernens bei der Überwindung von Stress im Beruf.

Der dritte Teil, Gestaltung von Lehr- und Lernarrangements und Prozessen der Kompetenzentwicklung, beschäftigt sich mit beruflicher Bildung, die die Schnitt-stellen formellen und informellen Lernens betrifft. Auch hier kommt webgestütztes Lernen in dem Sinn zum Tragen, dass das Internet traditionelle Abgrenzungen von institutionalisiertem Lernen aufweicht und neue Lerngelegenheiten schafft.

Biographisches Lernen steht im vierten Teil im Vordergrund. Bei zwei ausgewähl-ten Berufsgruppen, Kfz-Mechatroniker und Beratende in Dienstleistungsberufen, werden die Ergebnisse informeller Lern-prozesse beurteilt.

Im letzten Teil finden sich Beiträge zur Identifizierung, Bewertung und Anerken-nung informell erworbener Kompetenzen. Darin geht es z. B. um neue Formen, wie Lernergebnisse in der beruflichen Bildung anerkannt werden können, und um ent-sprechende Validierungsverfahren. Vom Herausgeber selbst stammt ein „Kompe-tenzporträt“, das in Zusammenarbeit mit dem bfi-Oberösterreich entwickelt und erprobt wurde. Beruhend auf einer biogra-phisch orientierten Methode hilft das Mo-dell, informell erlernte individuelle Kom-petenzen zu eruieren.

Die Publikation unterstreicht, die Per-spektive des informellen Lernens nicht isoliert, sondern in einem sozialen und lernübergreifenden Kontext lebensbe-

gleitender Bildung zu sehen. Ein Schwer-punkt auf berufsorientierter Bildung ist gegeben. Auf alle Fälle sollte das Buch in Wissenschafts- und Studienbibliotheken nicht fehlen. Die Lektüre fördert die Pro-fessionalisierung im Bereich (beruflicher) Weiterbildung und fordert ForscherInnen zu weiteren Untersuchungen im Sektor le-benslanges Lernen heraus. //

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Autorinnen

AutorInnen

DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2016 · NR. 258 — 63

Julietta Adorno, M.A., geb. 1987. Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Erziehungswissenschaft an der Stiftung Universität Hildesheim. Kontakt: [email protected]

Christine Andel, Mag.a, geb. 1967, Kursleiterin und Fachgruppenleiterin der VHS Korneuburg, Weiterbildnerin des Verbands Österreichischer Volkshochschulen. Kontakt: [email protected]

Gerhard Bisovsky, Dr., geb. 1956. Studium der Politikwissenschaft, ÖVH-Redakteur und Generalsekretär des Verbandes Österreichischer Volkshochschulen. Kontakt: [email protected]

Peter Brödner, em. Prof. Dr.-Ing., Jahrgang 1942. 1989 bis 2005 Forschungsdirektor für Produktionssysteme am Institut Arbeit und Technik im Wissen-schaftszentrum Nordrhein-Westfalen mit den Arbeitsgebieten Gestaltung computerunterstützter Arbeit und organisationaler Wandel. Forschungsbe-rater und Lehrbeauftragter für „IT in Organsationen“, Honorarprofessor an der Universität Siegen. Kontakt: [email protected]

Jennifer Davies, Mag.a, geb. 1978. Studium der Bildungs- und Erziehungswissenschaften mit Schwerpunkt berufliche Integration. Geschäftsbereich Öffentliche Aufträge, VHS Wien. Kontakt: [email protected]

Thomas Dostal, Mag., geb. 1969. Historiker, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Österreichischen Volkshochschularchivs. Kontakt: [email protected]

Elisabeth Feigl, Mag.a, geb. 1963. Sprachenreferentin des Verbandes Österreichischer Volkshochschulen – Pädagogische Arbeits- und Forschungsstelle, Wien. Kontakt: [email protected]

Wilhelm Filla, Univ.-Doz., Dr., Soziologe, geb. 1947. Kontakt: [email protected]

Katja Fischer, Mag.a MAS. Studium der Betriebswirtschaftslehre und Kunstge-

schichte. Postgraduate Ausbildung in Kultur- und Medienmanagement am International Center of Culture and Management in Salzburg. Projektleitung des postgradualen Lehrganges MBA „Management und Leadership für Frauen“ an der VHS Linz. Kontakt: [email protected] http://www.vhs.linz.at

Elke Gruber, Univ.-Prof. in Dr.in, Leiterin des Arbeitsbereiches Weiterbildung am Institut für Erziehungs- und Bildungs-wissenschaft der Universität Graz. Kontakt: [email protected]

Cäcilia Innreiter-Moser, Ass.Prof.in Dr.in. Assistenzprofessorin am Institut für Organisation und Globale Manage-mentstudien an der Johannes Kepler Universität Linz. Arbeits-/Lehr- und Forschungsschwerpunkte: Verhalten in Organisationen, Geschlecht und Organisation, Diversity Management, Social Entrepreneurship, Struktur und Innovation. Kontakt: [email protected]

Michaela Judy, Dr.in, geb. 1957 in Wien. Erwachsenenbildnerin, Akademische Bildungsmanagerin, Gruppendynamik-Trainerin im ÖAGG. 22 Jahre Direktorin der Volkshochschule Ottakring in Wien, dzt. Personalentwicklerin, Projektma-nagerin, Trainerin und Supervisorin. Kontakt: [email protected]

John Kay ist einer der führenden britischen Ökonomen. Seine Forschungsschwer-punkte liegen in den Beziehungen zwischen Volkswirtschaft und Unter-nehmen. Seine berufliche Laufbahn umfasst wissenschaftliches Arbeiten und Mitarbeit in Think Tanks, Wirt-schaftshochschulen, Direktorenposten in Unternehmen, Beratungs- und Investmentfirmen. Mehr Informati-onen unter: [email protected]

Christoph Kunz, Siemens Ausbildung Head of Portfolio Management Siemens AG, München. Kontakt: [email protected]

Werner Lenz, em. Univ-Prof. Dr., geb. 1944. Karl Franzens Universität Graz, Institut für Erziehungswissenschaft. Kontakt: [email protected]

Andrea Möchel. Freie Journalistin in Wien. Kontakt: [email protected]

Victor Mihalic, MMag., geb. 1961. Leiter, der in Wien beheimateten EBC*L International Zentrale. Kontakt: [email protected]

Teresa Präauer, Mag.a, geb. 1979. Studium der Germanistik und Malerei. Schriftstellerin und bildende Künstlerin.

Karin Reisinger, Mag.a, geb. 1967. Leiterin der Weiterbildungsakademie Österreich (wba), Mitentwicklung und Aufbau der wba in der Entstehungsphase von 2004-2006, studierte Soziologie und Pädagogik in Wien. Kontakt: [email protected]

Robert Schuler, Referatsleiter Magistrat der Stadt Wiener Neustadt Geschäftsbereich IV – Referat Volkshochschule. Kontakt: [email protected]

Walter Schuster, Mag., geb. 1966. Direktor der Wiener Volkshochschule Brigittenau und Leiter des Instituts für Kindergarten- und Hortpädagogik. Supervisor, Organisationsberater. Mitbegründer der Initiative „Kritische Erwachsenenbildung“. Kontakt: [email protected]

Stefan Vater, MMag. Dr., geb. 1971. Soziologe, pädagogisch-wissenschaftlicher Mitarbeiter im Verband Österreichischer Volkshochschulen. Kontakt: [email protected]

Tanja Wesely, geb. 1971. Wba-zertifizierte Erwachsenenbildnerin. Leiterin der Volkshochschule Südliches Waldviertel seit 2002, ländliche VHS mit 12 Mitgliedsgemeinden. Projektmanagement der Lernenden Region Südliches Waldviertel-Nibelungengau. Kontakt: [email protected]

Peter Zwielehner, Mag., geb. 1977. Studium der Politikwissenschaft, pädagogisch-wissenschaftlicher Mitarbeiter im Verband Österreichischer Volkshochschulen. Kontakt: [email protected]

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Impressum

AB MÄRZ/APRIL 2017 – 6 MODULE IN 6 WOCHEN TEILNAHME KOSTENLOS DANK FÖRDERUNG DES BMBF

VORSCHAU DER INHALTEMODULE, ZIELE, INHALTE UND ERZIELBARE ERGEBNISSE

1 Einführung und Aufbau: Lernen in MOOCs und WebinarenDie TNI machen sich mit Aufbau und Ablauf vertraut und stellen sich im Forum vor. Sie lernen Webinare als Begleitformat ken-nen. Sie erproben diese und tauschen sich über Erfahrungen und Vorlieben aus.

2 IKT-Tools für die tägliche Arbeit rund um ein BildungsangebotDie TNI kennen Tools, um Termine zu vereinbaren, Lernbedürf-nisse zu erheben, Themen zu veranschaulichen, Texte gemein-sam zu verfassen, Ergebnisse zu evaluieren und können deren Grundfunktionalität für eigene Bedarfe einsetzen (für Lehre/Training, Beratung und Bildungsmanagement).

3 Social Media in der ErwachesnenbildungDie TNI haben einen Einblick in soziale Medien als Lernumge-bung und diskutieren die damit verbundenen Vorteile (und Ge-fahren); sie kennen Tools und haben praktische Erfahrungen damit (v. a. für Lehre/Training, aber auch für PR/Bildungsma-nagement).

4 Blended Learning und eLearning in der EBDie TNI kennen Formen des technologiegestützten Lernens so-wie erfolgskritische Faktoren und Planungsprinzipien – konkret auch die Arbeit mit Lernplattformen und die Anwendung von Flipped classrooms besonders in der EB (mit einem Exkurs zu Learning Apps).

5 Offene Bildungsressourcen für die EBDie TNI haben Einblick in Theorie und Praxis von OER und ler-nen, wie sie offenen Bildungsressourcen für die Erwachsenen-bildung finden und korrekt verwenden (als Zusatzoption: Die TNI lernen wie die OER selbst produzieren können, inkl Lizenz-formen + Lizenzvergabe). Exkurs zu Youtube-Videos für die Er-wachsenenbildung.

6 Lernberatung mit Online-UnterstützungDie TNI kennen Möglichkeiten der Online-Beratung, kennen und erproben technische Tools dafür und können diese bei Be-darf einsetzen. Sie wissen über die spezifischen Beratungs-grundsätze und Besonderheiten der Online-Beratung Bescheid (z. B. Intensität von Rückfragen, Umgangsformen zur Anonymi-tät, usw.).

Parallel dazu finden im Kursverlauf begleitende Webinare statt, an denen alle, die das möchten, im Rahmen einer Live-Onlinediskussi-on zu den Kursinhalten teilnehmen können.

Kontakt: [email protected] Projektleitung: Dr.in Birgit Aschemann & Mag. Wilfried Hackl CONEDU Partner: Univ.-Doz. DI Dr. Martin Ebner (TU Graz, imoox.at) & Mag. David Röthler (WerdeDigital.at) EBmooc erwachsenenbildung.at 2017 | #ebmooc17

ImpressumDie Österreichische Volkshochschule (ÖVH)Magazin für ErwachsenenbildungApril 2016, Heft 258/67. Jg. ISSN 0472-5662

Redaktion: Dr. Gerhard BisovskyTelefon +43 1 216 4226, Fax +43 1 216 4226-30,E-Mail: [email protected], Internet: www.vhs.or.atRedaktionsausschuss: Mag. Ronald Zecha (Innsbruck),Dr.in Elisabeth Deinhofer (Eisenstadt)Redaktionssekretariat: Brigitte Eggenweber, Christine RafetsederFür den Inhalt verantwortlich: Dr. Gerhard BisovskyVerband Österreichischer Volkshochschulen Pulverturmgasse 14, A-1090 WienZVR: 128988274ATU 66337038

Grafisches Konzept: Qarante Brand DesignLayout: schaefer-design.atBezugsgebühren: Abonnement Printabo jährlich (drei Ausgaben) € 20. Einzelheft: € 7.Bankverbindung: IBAN AT02 1100 0094 7310 0700. BIC BKAUATWWDVR 0475581Für unverlangte Rezensionsstücke und Beiträge übernimmt dieRedaktion keine Haftung. Namentlich gekennzeichnete Artikel gebendie Meinung der AutorInnen wieder und müssen sich nicht mit jenerder Redaktion decken.

Offenlegung nach § 25, Abs. 1-3 Mediengesetz 1981Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung (ÖVH) ist eine überparteiliche Fachzeitschrift für MitarbeiterInnen und InteressentInnen der Volkshochschulen. Die Zeitschrift veröffentlicht Beiträge zu grundsätzlichen und aktuellen Fragen der Volksbildung und der Erwachsenenbildung, bringt Berichte aus der praktischen Arbeit sowie Buchbesprechungen und will zu einem Erfahrungsaustausch anregen.

Gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Frauen

64 — DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2016 · NR. 258

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Übersetzte Arbeitsanweisungen, Wortschatz, Unterrichtstipps, Kopiervorlagen u.v.m. unter:www.klett-sprachen.de/servus-oesterreich

Z345

66

• für Kurse mit bis zu 50 Unterrichtsstunden• zur sprachlichen Erstorientierung• für einen flexiblen Einstieg

Einstiegskurs Deutsch

Servus Österreich ermöglicht einen ersten,sanften Einstieg in das österreichischeStandarddeutsch

5 Kapitel bieten

• Basisredemittel für relevante Alltagsthemen• motivierende Übungen zum Wortschatz• eine stark visualisierte Grammatikeinführung• Übungen zum Sprachhandeln• Aufgaben für Zweitschriftlernende• Hörtexte in österreichischem Standarddeutsch

Kurs- und Übungsbuch mit Audio-CD, 80 Seiten978-3-12-605310-5, 9,99 €

Beratung:Ellen M. ZitzmannTel. 0676 · 4 51 49 [email protected]

Bestellung:MELOTel. 02236 · 6 35 35-250Fax 02236 · 6 35 [email protected]

In Zusammenarbeitmit dem ÖIF

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P.b.b. 02Z032708 M Erscheinungsort Wien – Verlagspostamt: 1090 Wien

Veranstaltungstermine

20. Mai 2016 Institut für Bildungswissenschaft, Wien

Gastvortrag Prof. Dr. Helmut Bremer (Universität Duisburg-Essen)

Information: https://bildungswissenschaft.univie.ac.at/biwi/forschung/tagungen-und-forschungs-workshops/newseinzelveranst/article/gastvortrag-prof-dr-helmut-bremer-univer-sitaet-dusiburg-essen/?no_cache=1&tx_ttnews%5BbackPid%5D=38410&cHash=02f7899166b98a6906ada4f7b5f6ca19

23. Juni 2016 Institut für Bildungswissenschaft, Wien

Jour fixe Bildungstheorie | Bildungspraxis

Annette Sprung: Grenzüber-schreitungen. Reflexionen zur Migrations- und Erwach-senenbildungsforschung am Beispiel des Filmes „Auf der anderen Seite des Tisches“

Information: http://www.iwk.ac.at/events/annette-sprung-grenzueberschreitun-gen-reflexionen-zur-migrations-und-erwachsenenbildungsforschung-am-beispiel-des-filmes-auf-der-anderen-seite-des-tisches

2. Juni 2016 Institut für Bildungswissenschaft, Wien

Jour fixe Bildungstheorie | Bildungspraxis

Andreas Walther: „Doing Transitions“

Wie Übergänge durch Bildung, Erziehung und Hilfe hergestellt und gestaltet werden

Information: http://www.iwk.ac.at/events/andreas-walther-doing-transitions-oder-wie-ue-bergaenge-durch-bildung-erziehung-und-hilfe-hergestellt-und-gestaltet-werden

11.-13. Juli 2016 9. Weiterbildungskongress Adult and Professional Education 2016

Lehren und Lernen für die Zukunft

Pädagogische Hochschule, Luzern

Information: https://www.phlu.ch/weiterbildung/wbk/