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Ansprechstellen im Land NRW zur Palliativversorgung, Hospizarbeit und Angehörigenbegleitung Juli 2013 Ausgabe 56 Hospiz-Dialog Nordrhein-Westfalen Schwerpunkt: STANDORTBESTIMMUNG

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Ansprechstellen imLand NRW zurPalliativversorgung,Hospizarbeit undAngehörigenbegleitung

Juli 2013 Ausgabe 56Hospiz-Dialog Nordrhein-Westfalen

Schwerpunkt:STANDORTBESTIMMUNG

Liebe Leserinnen und Leser,

‚früher war alles anders!‘ ... als wir jung waren,wollten wir diesen Satz nicht gern hören, weil wir‚früher‘ nicht lebten und weil es nun eben nicht‚früher‘ sondern ‚heute‘ war. Wie steht es um die-ses ‚Früher‘ und ‚Heute‘ in der Hospizarbeit? Undwas erwarten wir von dem ‚Morgen‘?In den Beiträgen des Schwerpunktes des vorlie-genden Hospizdialogs kommt die überregionaleOrganisation Omega zu Wort, die sich als eine derersten in Deutschland der Begleitung von Men-schen am Lebensende widmete. Überregional tätigist ebenfalls der Deutsche Kinderhospizverein, dereine Bilanz seiner Arbeit zieht. Beide haben ihrenSitz in Nordrhein-Westfalen und sind daher hierauch besonders präsent. Daneben werfen wir einenBlick auf das Land, in dem die Hospizbewegungneben NRW schon früh und umfangreich tätig wur-de, auf Bayern, beschrieben von Dr. Gustava Ever-ding, eine der Pionierinnen der Hospizarbeit inDeutschland. Zu guter Letzt kommt der Hospiz- undPalliativVerband NRW mit seinen aktuellen Entwick -lungen zu Wort, der einen Fokus auf die Bedeutungehrenamtlicher Tätigkeit legt. Früher war vieles anders als heute. Die Hospizbe-wegung war seit ihren Anfängen mannigfaltigenHerausforderungen ausgesetzt. Das wird auch inZukunft so sein: Die Menschen, die diese Arbeitprägen, ändern sich; die Rahmenbedingungen, dieverschiedenen Einflüssen ausgesetzt sind, werdennicht die gleichen bleiben; der Unterstützungsbe-darf bekommt neue Konturen ... wir tun gut daran,

uns diesen Herausforderungenkonstruktiv zu stellen.

Eine gute Lektüre wünscht IhnenIhre

Editorial

Gerlinde Dingerkus

3Hospiz-Dialog NRW - Juli 2013/56

INFORMATION

Die Würde der toten Kinder –Ein Kind ist keine Sache 4Stefanie Vogelsang

Gelungenes Beratungskonzept: 25 Jahre Krisenhilfe Münster 5Petra Karallus

Leben und Tod tanzen zur singenden Säge 7Daniel Cord

SCHWERPUNKTSTANDORTBESTIMMUNG

Leben bis zuletzt begleiten – Ambulante Hospizarbeit gestern und heute 9Gustava Everding

Quo vadis Hospiz-Bewegung – zurück in die Zukunft?! 13Inge Kunz

Kinderhospizarbeit in Deutschland – Historische Entwicklung 16Marcel Globisch

Welches Profil soll ehrenamtliche Hospizarbeit in 10 Jahren haben? 19Christoph Drolshagen

Veröffentlichungen 22Veranstaltungen 23

Inhalt

IMPRESSUM

HerausgeberALPHA – Ansprechstellen im Land Nordrhein-Westfalenzur Palliativversorgung, Hospizarbeit und Angehörigen -begleitung

RedaktionALPHA-WestfalenAnsprechstelle im Land Nordrhein-Westfalenzur Palliativversorgung, Hospizarbeit undAngehörigenbegleitung im Landesteil Westfalen-LippeFriedrich-Ebert-Straße 157-15948153 MünsterGerlinde DingerkusMary WottawaSigrid Olowinsky-KiesslingTel.: 02 51 – 23 08 48Fax: 02 51 – 23 65 [email protected]

PraktikerbeiratUte Aßbrock, MindenJürgen Goldmann, BonnChristiane Rädel, HerneMaria Reinders, Kleve

Layout Art Applied undGraphische DienstleistungenHafenweg 26a, 48155 Münster

Druck Druckhaus Stegemöller, Münster

Auflage 2500

Die im Hospiz-Dialog veröffentlichten Artikel gebennicht unbedingt die Auffassung der Redaktion undder Herausgeber wieder. Für unverlangt eingesandteManuskripte wird keine Gewähr übernommen. Fotosder Autoren mit Zustimmung der abgebildeten Personen.

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4 Hospiz-Dialog NRW - Juli 2013/56

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D ie Petition, die den Deut-schen Bundestag Ende 2009erreichte, hatte einen trauri-gen Anlass: totgeborene Kin-der. Großer Kummer undSchmerz für die betroffenenEltern. Hinzu kam, dass fürden Gesetzgeber die soge-nannten Sternenkinder reinrechtlich nicht existiert ha-ben, wenn sie mit einem Ge-

burtsgewicht von unter 500 g auf die Welt kamen.Zu leicht für einen Eintrag ins Stammbuch der Fa-milie oder eine Personenstandsurkunde. Kein Ein-trag, kein Platz für die letzte Ruhe, kein Platz für dieEltern zum Trauern. Oft haben die Eltern die Klinikverlassen müssen, ohne zu wissen, was mit ihrentotgeborenen Kindern passiert. Ein würdeloser Um-gang mit dem Tod.

Dies wollte ein hessisches Ehepaar nicht längerhinnehmen und initiierte eine Petition. Mehr als40.000 Menschen unterstützen mit ihrer Unter-schrift das Anliegen, viele persönlich Betroffenehaben ihr Schicksal mit Fehl- und Totgeburten demEhepaar mit auf den Weg gegeben.

Als zuständige Berichterstatterin im Petitionsaus-schuss hatte ich von Anfang an viel Verständnis fürdiese Petition. Das Schicksal einer späten Fehlge-burt widerfährt werdenden Eltern in ca. 10-15 Pro-zent aller Schwangerschaften. Es erschien mir pa-radox, dass heute durch den medizinischenFortschritt Kinder, die unter 500 Gramm lebend ge-boren werden, durchaus Chancen haben als Men-schen zu überleben und Kinder, die unter 500Gramm tot geboren werden, nicht als Menschenbeurkundet werden und somit offiziell nicht exis -tent sind. Für mich sind diese Sternenkinder ke ine,Sache‘, sondern Kinder und damit auch Teil der Fa-milien. Dies in den offiziellen Familienbüchern zudokumentieren, empfand ich als eine mehr als be-rechtigte Forderung. Die Petenten reisten mehr-mals nach Berlin und schilderten in Arbeitsgrup-pensitzungen oder in Fachgesprächen ineindringlicher Weise die Situation der Eltern nach

ihrem Kindesverlust: Dass ihre Kindernicht vergessen werden, dass sie ih-ren Kindern einen offiziellen Namengeben dürfen, ist für viele Eltern enormwichtig und erleichtert die Trauer.

Es war ein schwieriges Stück Arbeit, die Bürokratenin den zuständigen Ministerien hatten hartnäckigdiverse ,Statistikbedenken‘. Dann ist es gelungen,dass der Petitionsausschuss einstimmig dieBundesregierung aufgefordert hat, ihre Bedenkenzurückzustellen. Nun nahm die FamilienministerinKristina Schröder engagiert dieses Anliegen aufund erreichte einen Kabinettsbeschluss der Regie-rung für die Beurkundung. Im nun folgenden par-lamentarischen Verfahren wurde aus der ,Beur-kundung einer Fehlgeburt einer Leibesfrucht‘ dannendlich ein Kind – mit Namen, mit Mutter und Vater.

Im Januar hat der Deutsche Bundestag dann ein-stimmig beschlossen, dass Sternenkinder offiziellbeurkundet werden können und damit die Elternauch das uneingeschränkte Recht haben, ihre Kin-der auf einem Friedhof bestatten zu lassen. AuchGeburten, die schon viele Jahre zurückliegen, kön-nen noch nachträglich beurkundet werden. Wichtigerscheint mir auch, die Botschaft in die Kreißsäleder Krankenhäuser zu transportieren. Damit auchdort von Anfang an klar ist, es handelt sich nicht umeine Sache oder gar Klinikmüll, sondern ummenschliches Leben.Eindrücklich war für mich, dass am Abend der Ab-stimmung über 15.000 Menschen die Facebook-Seite der Initiative besuchten oder die Abstimmungper Livestream mit verfolgten.

Viele hätten es gar nicht für möglich gehalten, dassBürger mit einer Petition tatsächlich Gehör findenund es am Ende sogar eine Gesetzesänderung ge-ben kann, aber die Sternenkinderpetition war einfeines und wichtiges Anliegen. Den Erfolg einer nunbeschlossenen Gesetzesänderung haben sich diePetenten jedoch nicht nur aus dem inhaltlichen An-liegen verdient, sondern auch durch ihren persön-lichen Einsatz.

Stefanie Vogelsang MdBPlatz der Republik 1

11011 BerlinTel.: 0 30 - 22 77 24 03

[email protected]

Die Würde der toten Kinder –Ein Kind ist keine Sache

Stefanie Vogelsang

Stefanie Vogelsang

5Hospiz-Dialog NRW - Juli 2013/56

K risen gehören zum Leben. Verän-derungen der Lebensumstände pas-sieren und müssen konstruktiv be-wältigt werden. Während dies beiHeirat, Umzügen oder Eintritt in den Ruhestand re-gelmäßig noch gut gelingt, stellen stark einschnei-dende Erlebnisse wie Trennung oder der Tod einesgeliebten Menschen, seine oder eigene Krankheit,Verlust des Arbeitsplatzes deutlich erhöhte Anfor-derungen. Eine Anpassung an die neue Situation,die Aktivierung und Weiterentwicklung der eige-nen Ressourcen und die Integration des die Kriseauslösenden Anlasses ins eigene Leben werden nö-tig. Das gelingt nicht immer, nicht jeder schafft es,belastende Krisen mit den eigenen ,Bordmitteln‘zu bewältigen. Eine Entscheidung für das Eine oderdas Andere ist häufig nicht mehr möglich, wahrge-nommen wird nur noch dumpfe Ausweglosigkeit.Dann droht psychische oder physische Krankheit,Flucht in die Sucht oder eben auch die suizidaleEinengung.

Die Gründung der Krisenhilfe Münster erfolgte imJahre 1987 als Fortentwicklung und Ergänzung desAngebots der ,Telefonseelsorge‘. Grund war die Erkenntnis und Einsicht, dass Menschen in Krisendurch eine anonyme Beratung am Telefon alleine zuwenig geholfen werden kann. So schlossen sich eh-renamtliche Mitarbeiter zusammen, die in der Lagewaren, Ratsuchenden verstehende, konstruktiveund aufbauende Gespräche anzubieten. Dabeistand und steht bis heute der Vorschlagim Vordergrund, in einem vertraulichenVier-Augen-Gespräch die Ausweglosig-keit zu durchbrechen und gemeinsamnach noch nicht ausgeloteten Lösungs-wegen zu suchen. Damit dies gelingenkann, hält die Krisenhilfe seit nunmehr25 Jahren niederschwellige, anonyme,schnelle und unbürokratische Beratungs- und Kri-seninterventionsangebote für Menschen in Krisenund bei Suizidgefahr bereit.

Die Arbeit erfolgt auf drei unterschiedlichen Ebe-nen:

1. Beratungsangebot

Insgesamt 542 Personen haben sich allein im Jahr2012 mit einem Hilferuf an die Mitarbeiterinnen und

Mitarbeiter der Krisenhilfegewandt und konnten ein-oder mehrfach beraten wer-den. Dabei besteht eine Be-sonderheit des Beratungs-angebots darin, in akutenKrisen während der Wochedas Zustandekommen einesersten persönlichen Bera-tungsgesprächs innerhalbvon 24 Stunden zu garantie-ren. Sollte es sich zusätzlichnoch um eine akute Zuspit-zung handeln, gelingt es re-gelmäßig, das erste Ge-spräch noch für denselben Tag zu vereinbaren unddurchzuführen.

Auch länger angelegte Beratungen sind möglichund werden als sogenannte Kriseninterventiondurchgeführt. Dieses Hilfsangebot besteht ausmehreren, maximal jedoch 10 Gesprächen. Jährlichwerden etwa 250 dieser zeitintensiven Kriseninter-ventionen durchgeführt.

Mit jedem Menschen in einer Krise leiden eine odermehrere Bezugspersonen mit ihm oder an seinem

Zustand. Etwa ein Drittel der Anfragenkam daher auch von der Gruppe der An-gehörigen, Freunde oder Kollegen. In vie-len dieser Fälle mussten die Beratungendann sogar als Krisenintervention durch-geführt werden, im Extremfall als nach-stehend behandelte Trauerbegleitungfür Menschen, die einen nahestehenden

Menschen durch Suizid verloren haben.

2. Trauerbegleitung

Dieses Angebot besteht aus zwei Elementen: derindividuellen Trauerbegleitung durch eigens dafürgeschulte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unddem systematischen Trauerseminar. Die indivi-duelle Begleitung ist an den ganz persönlichen Be-dürfnissen der einzelnen Trauernden orientiert. Daskann bedeuten, dass Gesprächstermine zeitweise

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Gelungenes Beratungskonzept: 25 Jahre Krisenhilfe MünsterPetra Karallus

Petra Karallus

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in sehr kurzen Ab-ständen stattfindenund dann auch malwieder größere Zeit-lücken entstehen,so wie es dem indi-viduellen Trauerpro-zess angemessenist. In den Begeg-nungen ist viel Zeitfür das, was dieMenschen bewegt.Da gibt es Schuldge-fühle, die danachfragen, ob ich denSuizid hätte verhin-dern können, Vorwürfe, warum sie oder er uns dasangetan hat. Natürlich auch Mitleid mit dem Men-schen, der scheinbar nicht anders handeln konnte,oder einfach die Tränen und der Schmerz über denVerlust.

Von November bis Februar eines jeden Jahres findetdas geleitete Trauerseminar statt. Hier treffen sich6 - 8 Trauernde zu gemeinsamen Gruppenabenden,um die oben erwähnten Themen zu bedenken undsich darüber auszutauschen. Dieser Aspekt derGruppenarbeit soll die Erfahrung vermitteln: Ich binnicht allein mit einem solchen Verlust und dieserArt von Trauer. Außerdem wird es durch die Aus-einandersetzung mit Symbolen möglich, verdräng-te und verschüttete Erlebnisse zu reaktivieren undzu bearbeiten und dadurch einen Schritt in Rich-tung Befreiung von einengenden und belastendenErfahrungen und zur Selbstfindung zu tun.

3. Weiterbildungs- und Schulungsveranstaltungen

Trotz prominenter Suizidaler wie Hannelore Kohl,Robert Enke oder zuletzt Gunter Sachs sind die The-men Suizidalität und die Möglichkeit von Suizid-prophylaxe weiterhin tabu und werden nicht aus-reichend öffentlich behandelt. Eine der Aufgabender Krisenhilfe besteht daher darin, Informations-und Fortbildungsveranstaltungen für betroffeneund interessierte Personen sowie für Fachkräfteund Institutionen durchzuführen. Die Termine wer-den in der Regel von der hauptamtlichen Leitungwahrgenommen, zunehmend jedoch auch vonlangjährigen ehrenamtlichen Mitarbeitern.

Gezielt suchen wir Bildungseinrichtungen wie all-gemeine Schulen, Fachschulen und Hochschulen

auf, die zum The-ma Suizid wissen-schaftlich oder imRahmen ihresUnterrichts arbei-ten. Gerade unterdem Aspekt derMultiplikatoren-schulung ist undbleibt die Ausein-andersetzung mitLernenden einwichtiges Anlie-gen. Dabei führenwir die unter-schiedlichsten Ver -

anstaltungen durch oder nehmen an ihnen teil. Da-zu gehören etwa solche bei der Fachhochschule fürPolizeivollzugsbeamte, verschiedenen Arbeitskrei-sen von Versicherungen, der katholischen Studen-tengemeinde aber auch die Trauerbegleitung einerLehrergruppe nach Suizid eines Schülers.

Eine derart anspruchsvolle Beratungsarbeit erfor-dert eine aufwändige Auswahl, Ausbildung undfortlaufende Schulung der ehrenamtlichen Mitar-beiter. Motivierte und engagierte Menschen, diebei uns in die Krisenbegleitung einsteigen, habenbereits eine intensive, eineinhalbjährige Ausbil-dung durchlaufen. Die Schulung umfasst 222Unterrichtsstunden mit den Schwerpunkten Selbst-erfahrung, Beziehungsaufbau zu Menschen in Kri-sensituationen, Methoden der Gesprächsführungund Auseinandersetzung mit dem Thema Suizid.Zur Reflexion der geleisteten Arbeit und ihrer Qua-litätssicherung finden ständig Supervisionssitzun-gen statt, deren Teilnahme für alle ehrenamtlichenMitarbeiterinnen und Mitarbeiter verpflichtend ist.

Die Krisenhilfe ist gut vernetzt, wir arbeiten eng mitverschiedenen anderen psychosozialen Einrich-tungen in Münster zusammen. Hierzu gehören et-wa: Arbeitskreis Psychiatrie, Telefonseelsorge,Münsteraner Bündnis gegen Depression, Arbeits-kreis Beratung für Kinder, Jugendliche und Fami-lien, Trauernetzwerk, Arbeitskreis Diakonische Trä-ger und Krisennotdienst am Wochenende.Überregional beteiligt sich die Krisenhilfe an derArbeit der ,Deutschen Gesellschaft für Suizid -prävention (DGS)‘ und dem darin organisierten ,AK Suizidprävention in NRW und Niedersachsen‘.

Die Höhe der Beratungszahlen und die der Anfra-gen anderer Institutionen an die Krisenhilfe bele-

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gen eine hohe Akzeptanz und zugleich die Not-wendigkeit unserer Arbeit. Dabei zeigt sich, dasswir unsere Aufgabe, die Beratung und Begleitungvon Menschen in persönlichen Krisensituationenund bei einer möglichen Suizidgefahr mit unserenAngeboten erfolgreich und zufriedenstellend leis -ten und erfüllen können.

Petra KarallusKrisenhilfe Münster e.V.

Klosterstraße 3448143 Münster

Tel.: 02 51-51 90 [email protected]

www.krisenhilfe-muenster.de

F ranzösische Chansons, Gedichte,Tanz und Akrobatik: Im Rathaus inRhede brachten das Diakonische Werkdes Evangelischen Kirchenkreises Steinfurt-Coes-feld-Borken e.V. (www.dw-st.de) und seine Partnerden Tod auf die Bühne. Im ,Rheder Ei‘ begeisterteRegisseurin Yvette Rathai gemeinsam mit einemDutzend zum Teil professionellen Künstlern ausTanz und Gesang Ende Februar über 300 Gäste mitder Premiere des Stücks ,Früher oder später‘. Beeindruckt von der künstlerischen Umsetzung derLebensthemen Sterben und Tod zeigte sich im Anschluss Barbara Steffens, Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter desLandes Nordrhein-Westfalen. Aus Düsseldorf wardie Ministerin für die Aufführung ins Rheder Ei gekommen. Die Grünen-Politikerin bedankte sich ineinem anschließenden Podiumsgespräch bei denzahlreichen Ehrenamtlichen in der Hospizarbeit sowie auf der Bühne für ihren Einsatz. Mit dem Theaterspiel informierte das evangelische Werk gemeinsam mit dem Rheder ASP Pflege-Stützpunktüber seine Kinder- und Jugend- sowie die Erwach-senenhospizarbeit im südlichen Kreis Borken.

Mit stehenden Ovationendankte das Publikum Regis-seurin Rathai und ihrenKünstlern im Alter von 13 bis83 Jahren für ihre 45-minüti-ge Inszenierung. In kurzen,aufeinander folgenden Se-quenzen brachten Rathaiund ihr Team Leben, Tod undSterben auf die Bühne. Im-pulsiv, andächtig, rasend,kompromisslos stellten dieSängerinnen und Sänger,Tänzer und Musiker das Ster-ben als Teil des Lebens dar.Stephanie Holtkamp-Ravefaszinierte an der singenden Säge, Zoé Rathai undBenjamin Hasseler gaben dem Thema des Abendseinen kraftvollen, tänzerischen Ausdruck. Einfühl-sam und berührend sangen und spielten SvenjaDunkerbeck, Raffaela Schrupke oder die 83-jährigeHelen Brockmann das unauflösliche Miteinandervon Leben und Tod aufs Parkett des Rheder Ei.

„Ich danke all den ehrenamtlichen Helferinnen undHelfern für ihren wichtigen Einsatz“, lobte Steffensdie Veranstaltung. Gemeinsam mit dem BorkenerLandrat Dr. Kai Zwicker, Hospizkoordinator PfarrerUlrich Radke vom Evangelischen Kirchenkreis Stein-furt-Coesfeld-Borken, den Mitveranstaltern Chris telOverkämping und Thomas Terfort vom APS Pflege-Stützpunkt sowie der ehrenamtlichen Hospizbe-gleiterin Ulla Schwartke aus Bocholt sprach dieLandesgesundheitsministerin anschließend überdie ambulante Hospizarbeit im Land. Im LandkreisBorken, so Zwicker, gebe es mittlerweile eine er-freuliche Trägervielfalt und zahlreiche Angebote,

Leben und Tod tanzen zur singenden SägeDaniel Cord

Daniel Cord

Wenn der Tod anruft und sich meldet: Früher oder später auf der Bühne(Foto: Daniel Cord)

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seien sie ambulant oder stationär. Mit Erzählungenaus der eigenen Familiengeschichte wurde die Mi-nisterin aber auch persönlich. Immer da, wo Rednerund Podiumsgäste konkret, persönlich, nahbarwurden, zeigte sich die Spannung des Abends.

Mit Ulla Schwartke berichtete eine ehrenamtlicheHospizbegleiterin sympathisch, ehrlich und offenüber ihre Erfahrungen. So erntete die engagierteBocholterin oftmals Kopfnicken im eigenen Umfeld,unter Freunden und Verwandten. Schließlich be-gleitet sie oftmals todkranke, sterbende Menschenauf ihren letzten Schritten – freiwillig. In Rhede gabSchwartke dem Hospizdienst ein Gesicht, ließ ihrInneres erkennen und erzählte frei über ihre Moti-vation.

Einen wichtigen Beitrag für die Sterbe- und Trauer-begleitung sieht auch Rhedes Bürgermeister Lo-thar Mittag in der Tätigkeit ehrenamtlicher Hospiz-mitarbeitender. Zum Einstieg in die Podiumsrundegewährte der Grünen-Politiker den über 300 Zu-schauern einen Blick in seine ganz eigene Hospiz-geschichte. So begleitete der Bürgermeister vorJahren bereits seinen eigenen Bruder im Hospizund wirbt seither authentisch und offen für die Hos -pizidee. Ruhig, still, konzentriert war es im Saal,als der Politiker von seinen Erfahrungen und demfamiliären Schicksal berichtete. Gerade diese Mo-mente machten den Abend gemeinsam mit demTheaterstück von Yvette Rathai zu einem besonde-ren Einblick in die Arbeit von Haupt- und Ehren-amtlichen im Hospizbereich.

Seit Jahren bereits begleiten Haupt- und Ehren-amtliche der Diakonie im südlichen Kreis BorkenMenschen, die an einer lebensverkürzenden Krank-

heit leiden. Der Hospizdienst bietet sowohl für Er-wachsene als auch für Kinder und Jugendliche so-wie deren Familien eine Begleitung durch qualifi-zierte Ehrenamtliche an.

Daniel CordÖffentlichkeitsreferent

Evangelischer Kirchenkreis Steinfurt-Coesfeld-Borken

Bohlenstiege 3448565 Steinfurt

Tel.: 0 25 51 - 1 44 22Fax: 0 25 51 - 1 44 21

[email protected] www.der-kirchenkreis.de

AnsprechpartnerElke Jarvers

[email protected]

Pfarrer Ulrich Radke [email protected]

Diakonisches Werk des Ev. Kirchenkreises Steinfurt, Coesfeld, Borken e.V.

Nordring 5246325 Borken

Tel.: 0 28 61 - 90 35 54Fax: 0 28 61 - 6 29 66

www.dw-st.de

Tänzerisch umspielen sich das weiße Leben und der schwarze Tod auf der Bühne (Foto: Daniel Cord)

Hospizkoordinator Pfarrer Ulrich Radke (v.li.), Landesgesundheits -ministerin Barbara Steffens und Rhedes Bürgermeister Lothar Mittag

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Leben bewegt sich zwischen Geburtund Tod; beides sind Prozesse, die je-der Mensch, jeder von uns hier erlebthat und erleben wird. „Nichts im Le-ben ist so sicher wie der Tod“ oder „Der Tod ist dieSollbruchstelle des Lebens.“ Obwohl die Geburtvor allem von Mutter und Kind mit Schmerzen ver-bunden ist, überwiegt beim Lebenseintritt die Freu-de über diesen neuen kleinen Menschen, der in sei-ner totalen Hilflosigkeit andere Menschen braucht,um sich sicher und geborgen, angenommen undgenährt zu fühlen. Ganz anders gestalten sich dieGefühle beim Sterben, beim Tod eines Menschen.Es sind die unangenehmen Gefühle von Hilf- undMachtlosigkeit, Trauer, Wut und Schuld. Vielleichterklärt das zu einem Teil, warum unsere Gesell-schaft, warum wir Sterben, Tod und Trauer lieberaus unserem Alltag ausblenden und die Gedankendaran verbannen. Es ist der Tod der Anderen, derUnbekannten, der Fernen. Es ist der Tod der Alten,der Schwerkranken – für die kann er doch nur Erlö-sung sein. Dem Tod voran geht das Sterben unddas ist ein Prozess, ein jeweils individuelles Ge-schehen eines Menschen.

Wir haben verlernt, mit diesem ,finalen Denken‘oder besser mit diesem ,Vom Ende her denken‘ zuleben. Nur so wiederum ist zu verstehen, warum imletzten Jahrhundert, in den Jahrzehnten der Mach-barkeit, der leistungsfähigen und leistungsberei-ten Medizin Sterben und Tod zu Tabu-Themen wur-den, warum Ärzte ihren Patienten und ihrenAngehörigen bei schweren Krebsleiden zu einembestimmten Zeitpunkt den folgenschweren Satzsagten: „Wir können nichts mehr für Sie tun.“ Ja,warum sogar die Wahrheit über den Krankheitszu-stand verschleiert und verschwiegen wurde. Ster-ben im Krankenhaus, Sterben unter Schmerzen,hilflos angeschlossen an Maschinen, Sterben inEinsamkeit und Isolation wurden zu Schreckge-spenstern. Bis die Menschen aufwachten und zu-nächst in England, dann in den USA und in Kanadaund endlich auch bei uns in Europa nach anderenWegen suchten.

‚In Würde sterben‘ – ist das nicht ein Grundbedürf-nis des Menschen? Und wenn unstillbare Schmer-zen, schwer zu beherrschende, belastende Symp-tome, Bewusstseinstrübung und damit verbundeneEinschränkung der eigenverantwortlichen Selbst-bestimmung diese Würde beeinträchtigen, sind wir

als die Begleiter und seine Angehöri-gen in besonderer Weise aufgerufen,ihm diese Würde zu erhalten, indemwir immer diese besondere Person inihm sehen. So nimmt es nicht Wun-der, dass in der Hospizarbeit vor al-lem Haltungen und Einstellungen ein-zuüben sind und dann erst diejeweiligen beruflichen Fähigkeitenzum Tragen kommen.

Hilde Domin sagt es in einem Gedicht:„Jeder, der geht, belehrt uns ein wenigüber uns selber. Kostbarster Unterricht an den Ster-bebetten. (...) Nur einmal sterben sie für uns, niewieder. Was wüssten wir je ohne sie? (...) Dein Tododer meiner der nächste Unterricht: so hell, sodeutlich, dass es gleich dunkel wird.“

Obwohl phantasievolles Vorausplanen unverzicht-barer Teil eines Begleitkonzeptes ist, ist das flexi-ble Einstellen auf neue Situationen genauso wich-tig; auch hier gilt wieder das Hinhören und Fragen,denn meiner Überzeugung nach hat jeder Menschein geheimes Wissen um sein Sterben und seinenTod in sich. Wenn man auf eine Reise geht, gibt esviel zu bedenken, vorzubereiten, zu ordnen. Nichtanders ist es mit unserer letzten Reise. Der Wunschnach Lebensbilanz, sinnstiftender Erinnerung, dasBedürfnis nach Aussöhnung mit Anderen und mitden eigenen nicht erfüllten Wünschen, sowie dieFragen nach dem Ziel der Reise oder nach demGlauben werden einen Menschen, dessen Schmer-zen gelindert sind, zunehmend beschäftigen. DasGeheimnis des Todes rückt näher und wie haltbarist mein Kinderglaube, wie kann dieser letzte Ab-schied gelingen? König David: „Herr, lass michmein Ende wissen und die Zahl meiner Tage, dassich das Maß meines Lebens kenne.“

All das, was ich im Vorherigen ausgeführt habe,wird oft mit einem Schlagwort ausgedrückt: Le-bensqualität. Und dabei wird deutlich, wie unter-schiedlich das verstanden wird – wie sich die Fül-lung dieses Begriffs von Mensch zu Menschunterscheidet. Wichtig scheint mir in diesem Zu-sammenhang der Hinweis von Dr. Saunders: „Wir

Leben bis zuletzt begleiten – Ambulante Hospizarbeit gestern und heuteGustava Everding

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bringen nicht Tage in ihr Leben, sondern Leben in ih-re Tage.“ So möchte ich auch hinweisen auf denSatz, der in jeder Hospizphilosophie vorkommt,aber selten in seiner Gänze gehört wird. „Sterbenist Teil des Lebens. Dieser Vorgang soll weder ver-kürzt noch verlängert werden.“

Wie hat Hospizbewegung dann in Deutschland Ein-zug gehalten? Am Beginn der deutschen Hospizbe-wegung stand ein Film. Der Jesuitenpater ReinholdIblacker drehte 1970 in London im St. Christopher’sHospice den Fernsehfilm ‚Noch 16 Tage‘, der dieHos piz-Idee in ihrer konkreten Verwirklichung dar-stellte. Die meisten Menschen ‚der ersten Stunde‘haben diesen Film gesehen. Er rüttelte auf und sam-melte nach und nach Betroffene, die sich in der Hos -pizbewegung engagierten. Es dauerte, bis konkre-te Umsetzungen erfolgten. Und es galt, dieangelsächsischen Vorbilder auf deutsche Verhält-nisse mit einem funktionierenden Gesundheitssys -tem zu übertragen.

Zu Beginn stand das Er-forschen des Ist-Zu-stands: Wie und wosterben in Deutschlanddie meisten Menschen,die an einer unheilba-ren Krankheit leiden? Inden Achtzigerjahrenletzten Jahrhundertsstarben noch neunzigProzent im Kranken-haus, obwohl der weit-verbreitete Wunschnach einem Sterben zuHause in krassemGegensatz dazu stand.Erfahrungen mit unan-gemessenen Schmerzzuständen, Unverständnisbeim Fachpersonal für die Wünsche und Bedürf-nisse des Patienten und vor allem seiner Angehö-rigen – jeder von uns hatte etwas aus seinem Lebenbeizutragen. Die wenigsten hatten das Sterben ei-nes Familiennächsten zu Hause erlebt, geschweigedenn je einen Toten gesehen. Medizinstudenten hatten inEngland Praktika in Hospizen absolviert, wie esdort zur Ausbildung eines Arztes gehört. Betroffe-ne Krankenschwestern litten an der ‚Sterbepraxis‘in den Kliniken, aufmerksame Hausärzte fragtennach Verbesserung im Betäubungsmittelgesetz.Deutschland gehörte zu den Entwicklungsländernin der Schmerztherapie. Es wurde deutlich, dass

ein Bewusstseinswandel der Gesellschaft nötigwar, um Sterben, Tod und Trauer aus dem Tabu zuholen.

Finanzielle Hilfen gab es noch keine. Spenden, Stif-tungen und unermüdliches Erbetteln für Notwen-diges bestimmten die Anfangsjahre ebenso wie diemühsame Öffentlichkeitsarbeit, um diese gesell-schaftliche Veränderung herbeizuführen. Auch diebeiden christlichen Kirchen waren zunächst zöger-lich, befürchteten sie doch eine weitere Abschie-bung der Schwerstkranken und Sterbenden an,neue Orte des Sterbens‘ – in Sterbekliniken, wiedie Hospize zu Beginn genannt wurden. Wir ver-suchten immer wieder zu betonen, dass es hier um‚Leben bis zuletzt‘ geht. Allmählich setzte sich danndas Wort ‚Hospiz‘ durch und der Gedanke, dass derschwerstkranke und sterbende Mensch dort be-treut wird, wo er es wünscht und wo es möglichist. Dass Sterben zu Hause möglich ist, musstenwir erst wieder lernen, zumal es ja einem Urbe-dürfnis der Menschen entspricht, in vertrauter, si-

cherer Umgebung zusein in diesen schwe-ren letzten Stunden, Ta-gen oder Wochen.

Gern möchte ich zudem, was sich seit die-sen Anfangsjahren derHospizbewegung getanhat, am Beispiel desChristophorus-Hospizin München verdeut-lichen, wo ich Aufbauund Weiterentwicklungdes Hospizgedankensmiterleben und -gestal-ten durfte.

Das Konzept der palliativen Betreuung ist nicht aneine Einrichtung gebunden. Heute gibt es sowohleine Vielfalt von Palliativstationen an Kliniken undstationären Hospizen als auch eine Vielzahl ambu-lanter Hospize – ,das Hospiz ohne Mauern‘, wie un-sere erste palliative Pflegefachkraft es nannte – ei-nige Tageshospize und Hospiz-Initiativen mitEhrenamtlichen sowie Sitz- und Nachtwachen.Auch die palliative Pflege ebenso wie die palliativ-medizinische Versorgung zu Hause ist seit einigenJahren realisiert worden. Der Wunsch der meistenMenschen, die letzten Monate, Wochen und Tage invertrauter Umgebung, möglichst in den eigenenvier Wänden, zu verbringen und zu sterben wirdwieder möglich. Es scheint, als könnten wir die im

Hospize wollen unheilbar Kranken in den letztenTagen und Wochen ihres Lebens das geben, wozudas Krankenhaus und überforderte Angehörige oft

nicht in der Lage sind: persönliche Nähe undmenschliche Zuwendung. So soll der „Einsamkeitdes Sterbenden“, die in unserer Gesellschaft einelange Tradition hat, entgegengewirkt werden. Das

Sterben soll wieder in das Leben zurückgeholtwerden, ein für die Sterbenden und ihre Angehö-rigen, aber auch für die gesamte Gesellschaft un-gemein wichtiges und verdienstvolles Anliegen.

Rolf Eickelpasch, Professor für Soziologie, 72 Jahre

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Mittelalter gepflegte „Ars Moriendi“ – die Kunstdes Sterbens – wieder beleben.

Ein unverzichtbarer Teil jeder Hospizgruppe sinddie Hospizhelfer. Diese Ehrenamtlichen zeichnetaus, dass sie sich von Mensch zu Mensch in die Be-gleitung von Schwerkranken und ihren Angehöri-gen einbringen. Sie teilen die alltägliche Lebens-welt der Betroffenen und verdeutlichen durch ihrefreiwillige Zuwendung, dass sterbende Menschenund ihre Angehörigen zu uns und unserer Gesell-schaft gehören. Sie besuchen Patienten und ihreAngehörigen, entlasten und unterstützen diese inder Betreuung, sie hören zu und stehen als Ge-sprächspartner zur Verfügung. Sie begleiten beiSpaziergang, Arztbesuch oder Einkauf, leisten prak-tische Hilfe im Alltag, sind einfach da – offen fürWünsche und Bedürfnisse der Betroffenen.

Im St. Christophorus-Hospiz in München erfüllenca.160 aktive Hospizhelfer diesen Dienst am Mit-menschen. Sie kommen aus unterschiedlichen Be-rufen, sind zwischen 27 und 85 Jahre alt. Der Anteilder Frauen ist mit ca. 85% unverhältnismäßig hoch,aber ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben,auch der anderen Hälfte der Menschheit diesenDienst am Nächsten näherzubringen. Um einemweitverbreiteten Vorurteil vorzubeugen, möchte ichnoch erwähnen, dass 21 Prozent der Hospizhelferund -helferinnen vollberufstätig sind. Unter ihnenfinden sich Lehrerinnen, Bankangestellte, eine Tier-ärztin, eine Krankenschwester, eine Buchhändle-rin, eine Lektorin, Psychotherapeuten, ein Elektro-ingenieur, eine Schauspielerin, eine Sekretärin,eine Fremdsprachenkorrespondentin, eine Sozial-pädagogin, eine Hausfrau, eine Theologiestuden-tin, eine Bestatterin, eine Ergotherapeutin, eineKohlen- und Ölhändlerin, eine Arzthelferin, ein Steu-erberater, eine Biologin, eine Ärztin, ein Diakon ...

Diese Aufzählung mag verdeutlichen, dass die eh-renamtlich Tätigen ‚mitten im Leben‘ stehen und indieser Vielfalt und mit ihren individuellen Stärkenein Geschenk für die Hospizarbeit und die beglei-teten Menschen sind.

Eingebettet in die Strukturen vor Ort, im Zu-sammenspiel mit anderen Professionen kann dasgelingen, wofür die Hospizbewegung angetretenist. Da dieses Zusammenspiel besser durch ein Bei-spiel als durch die Beschreibung struktureller undpersoneller Gegebenheiten verdeutlicht werdenkann, möchte ich den Bericht eines unserer Sozial-pädagogen zitieren:

„Eigentlich hätte es der Beginn einer Hospizhelfer-begleitung werden sollen – doch als wir uns imKrankenhaus zum vereinbarten Zeitpunkt bei derPatientin trafen, war Frau S. bereits eine halbeStunde tot. Mit einem derart schnellen Verlauf hat-te niemand gerechnet. In den Abschiedsschmerzder Angehörigen mischte sich vor allem Sorge umden von einer Demenz- und Tumorerkrankung be-troffenen 73jährigen Ehemann der Patientin. Wiewürde er auf den Verlust seiner Frau reagieren?Würde er alleine in seiner Wohnung zurechtkom-men? Auf dem Hintergrund dieser sehr belastendenSituation entsprachen wir der Bitte der Tochter(Frau K.), unsere Unterstützung über den Tod derMutter hinaus zunächst noch fortzusetzen. Bereitszu deren Lebzeiten hatte sich abgezeichnet, dassan der Notwendigkeit einer Heimunterbringung vonHerrn S. kein Weg vorbeiführen würde. Diese Ein-sicht nunmehr in die Tat umsetzen zu müssen, fielFrau K. sichtlich schwer. Sie suchte Beratung undRückversicherung sowie praktische Hilfestellungbei der Heimplatzsuche. Als Sozialarbeiter stellteich Kontakte zu den entsprechenden Fachstellenher, stand für Rückfragen als Ansprechpartner zurVerfügung und ermutigte Frau K., für ihren eigenenTrauerprozess therapeutische Unterstützung in An-spruch zu nehmen. Unterdessen baute die Hospiz-helferin – anknüpfend an die gemeinsam erlebteAbschiedssituation in der Klinik – eine gute Bezie-hung zu Herrn S. auf. Durch die Regelmäßigkeit ih-rer Besuche trug sie nicht unwesentlich dazu bei,den Übergang ins Heim abzufedern. Nach fünf Mo-naten ergab sich für Herrn S. die Gelegenheit, in ei-ne gerontopsychiatrische Wohngruppe mit intensi-ver sozialpädagogischer Betreuung umzuziehen,wo er sich schon bald emotional sehr beheimatetfühlte. Dieser Zeitpunkt bot sich für uns als Hos -pizdienst an, uns zu verabschieden und uns zurück -zuziehen.

Ein halbes Jahr später erreichte uns jedoch die er-neute Anfrage von Frau K.: Die Tumorerkrankung ih-res Vaters hatte sich dramatisch verschlechtert. An-gesichts der laut Hausarzt sehr ungünstigenPrognose zeigte sich Frau K. tief besorgt. Sie wirk-te wie aufgelöst ob des drohenden Verlustes einerzweiten nahen Bezugsperson binnen Jahresfrist.Nach einem ausführlichen Beratungsgespräch mitder Tochter regte ich den gemeinsamen Besuch miteiner palliativen Pflegefachkraft in der geronto-psychiatrischen Wohngruppe an. Die Mitarbeiterder Station begegneten uns freundlich und aufge-schlossen. Sie traten in gemeinsame Überlegun-gen mit uns ein, auf welche Weise Herr S. und sei-

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rer Besuche (später auch in Form von Tagwachen)den Patienten selbst begleitete, stand die palliati-ve Pflegefachkraft vorwiegend dem Personal aufStation mit fachlichem Rat als Ansprechpartnerinzur Verfügung. Als Hospizsozialarbeiter hielt ichderweil Kontakt zu Frau K., um sie in den vielen of-fenen Fragen ihrer eigenen Auseinandersetzung mitdem bevorstehenden Verlust ihres Vaters zu unter-stützen. Herr S. baute in den folgenden Wochenimmer weiter ab, konnte aber dank der fachlich fun-dierten und menschlich engagierten Palliativbe-treuung seinen Weg bis zuletzt in Würde gehen. Erstarb, wie nicht wenige sich zu sterben wünschen:ohne Schmerzen und begleitet von denjenigen, de-nen er und die ihm etwas bedeutete(n).“

Nicht immer ist ein großes Netzwerk notwendig,damit Sterbende gut versorgt zu Hause sterbenkönnen. Aber es ist wichtig, jederzeit ein Netzwerkmobilisieren zu können, wenn es notwendig ist.Standen am Anfang in Deutschland nur wenige Ins -titutionen und Personen für die Begleitung undUnterstützung sterbender Menschen und ihrer An-gehörigen zu Verfügung, so können wir heute aufein sowohl quantitativ als auch qualitativ breitesSpektrum zurückgreifen. Mit einer guten Kommu-nikation und dem Bewusstsein für ein gemeinsa-mes Ziel kann den Netzwerkpartnern gelingen, wasder Hospizbewegung von Beginn an wichtig war:ein würdevolles Sterben dort, wo die Menschensich sicher und beheimatet fühlen.

Dr. Gustava EverdingChristophorus Hospiz e. V.

Effnerstraße 9381925 München

Tel.: 0 89 - 1 30 78 70Fax: 0 89 - 13 07 87 13

[email protected]

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ne Angehörigen in der jetzigen Situation bestmög-lich unterstützt werden könnten. Die Wiederauf-nahme der Hospizhelferbegleitung von damals erschien uns sinnvoll und erwies sich glücklicher-weise auch als machbar. Herr S. freute sich sehrüber diesen zusätzlichen regelmäßigen Besuchs-kontakt.

Daneben standen insbesondere die Erarbeitung ei-ner Patientenverfügung und die Erstellung einesNotfallplans im Vordergrund. Hierzu galt es, zu-nächst den mutmaßlichen Willen von Herrn S. zu er-fassen. Der Patient selber war aufgrund seiner ge-sundheitlichen Verfassung nicht mehr zu einerklaren Willensäußerung in der Lage. Ein Treffen am‚Runden Tisch’ wurde einberufen, an dem Frau K.als nächste Angehörige und Vorsorgebevollmäch-tigte, der Hausarzt, die betreuenden Fachkräfte aufStation (Pflegeleiter und Sozialpädagogin), dieHos pizhelferin und die palliativ-pflegerische Fach-kraft teilnahmen. Bei ihrem Bemühen, die best-mögliche Versorgung von Herrn S. unter Berück -sichtigung seiner Demenz- und Tumorerkrankungsicherzustellen, orientierten sich die Gesprächs-teilnehmer an den erkennbaren Wertvorstellungenund derzeitigen Lebensgewohnheiten des Patien-ten. In einer anschließenden kleinen Runde (Haus-arzt, leitender Pfleger der Station und die palliativ-pflegerische Fachkraft) standen zu erwartendeKomplikationen im Krankheitsverlauf und deren Be-handlungsmöglichkeiten im Vordergrund. Die pal-liativ-pflegerische Fachkraft führte in den folgen-den Wochen zahlreiche Einzelgespräche, bevor siein enger Kooperation mit dem Hausarzt einen me-dizinisch-pflegerischen Notfallplan schriftlichniederlegte, der allen Beteiligten als verbindlicheGrundlage diente und Handlungssicherheit ver-mittelte.

Das interdisziplinäre Team der gerontopsychiatri-schen Wohngruppe sprach sich für einen Verbleibvon Herrn S. auf der Station aus, obwohl diese kon-zeptionell auf einen derart hohen Grad an Pflege-bedürftigkeit an sich nicht eingestellt war. Möglichwurde dieses Engagement durch ein flexibles Ent-gegenkommen des Heimträgers und durch die Zu-sicherung des fachlichen Rückhalts seitens desHausarztes und der palliativ-pflegerischen Fach-kraft. Frau K. fühlte sich durch ihr Eingebundenseinin die Zusammenarbeit der beteiligten Fachdiens -te spürbar entlastet und gewann an Sicherheit undSelbstvertrauen. Seitens unseres Hospizdienstesergab sich eine naheliegende Aufgabenverteilung:Während die Hospizhelferin mit der Kontinuität ih-

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D ie Hospizbewegung ist erfolgreichund wird überall und allerorten öffent-lich gelobt, besonders ihr bürger-schaftliches Engagement. Wo sonsttrifft man heute so viele ehrenamtlich engagierteMenschen wie im Tätigkeitsfeld Hospiz und palli-ative Versorgung?

Seit den 1980er Jahren ist sie wesentlich daran be-teiligt, dass und wie sich die Sterbe- und Trauer-kultur entwickelt(e). Die Anfangsjahre der Hospiz-bewegung waren gekennzeichnet durch:

– Tabuisierung von Sterben, Tod und Trauer,

– Sterbende wurden nicht selten abgeschoben,

– die Hoffnung auf eine Medizin, die immer mehrKrankheiten heilen kann,

– Traditionen und gemeinschaftlich akzeptierteUmgehensweisen mit Tod und Sterben wurdenin dieser Zeit brüchig und es gab dafür keinenverbindlichen Ersatz,

– die sozialen Welten, in denen gepflegt, gelebt undgestorben wurde, waren ebenfalls im Umbruch.Alternative Formen des Zu-sammenlebens und der Versor-gung in existenziellen Krisen wa-ren erst in den Anfängen und nurin kleinen sozialen Räumen vor-handen.

Die Forderungen der Hospizbewe-gung nach Integration des Ster-bens in das Alltagsleben, ambu-lanter Versorgung und stationärenHospizen wurden auf diesemHintergrund formuliert. Die Hos pizbewegung wareine ‚Oppositionsbewegung‘, die außerhalb der In-stitutionen einklagte, dass

– übers Sterben gesprochen werden sollte,

– Sterbende individuelle Wünsche und Gestal-tungsansprüche haben,

– die institutionellen Bedingungen kritik- und ver-besserungswürdig sind,

– Ärzte nicht nur heilen sondern auch be-gleiten und sich palliatives Wissen an-eignen müssen,

– und neue Formen der nachbarschaft-lichen oder bürgerschaftlichen Unter-stützung von Sterbenden und ihren An-gehörigen nötig sind.

Die Bewegung war sozusagen ‚von unten undaußerhalb‘ gestartet. Sie wollte eine Hospizkulturinitiieren, die nicht in erster Linie ‚Sterbeexperten‘hervorbringt, sondern menschengemäße und men-schengerechte, gesellschaftliche Umgangsformenmit Sterbenden und Schwerkranken.

Nach fast 30 Jahren Hospizbewegung hat sich ge-sellschaftlich und im Gesundheitswesen einiges ge-tan, auch in der Hospizbewegung selbst.

Es wird viel über das Sterben geredet – von Ver-drängung keine Spur. Diese Gesellschaft produziertgeradezu einen ,Deutungsmarkt über die letzten

Dinge des Lebens‘ (Werner Schnei-der). Es gibt enorm viele Kontrover-sen: über Patientenverfügungen,über den Hirntod, über Sterbehilfeund auch über Sterbebegleitung.Das bedeutet nicht, dass die ange-strebte Sterbe- und Trauerkultur er-reicht ist, in der alle handlungs -sicherer und fähiger gewordensind; eine Alltagskompetenz ent-standen und die Gesellschaftmenschlicher geworden ist, was

sich am Umgang mit Sterbenden erweist. Es ist eherso, dass es geradezu eine soziale Pflicht ist, überdas Sterben zu reden, alles wissen zu wollen. Es bil-det sich eine Art Norm des ‚verantwortlichen Able-bens‘ heraus. Es wird erwartet, dass wir unter denvielen Wissens-, Entscheidungs- und Gestaltungs-angeboten das ‚Richtige‘ herausfinden und aus-wählen. Es gibt so etwas wie eine soziale Norm des‚gelungenen Sterbens‘, das hoch individuell, selbstgestaltet, schmerzfrei und durch eigene Planungdie soziale Umgebung nicht über Gebühr belastet.

Quo vadis Hospiz-Bewegung – zurück in die Zukunft?!Inge Kunz

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Die Hospizbewegung selbst hat sich verändert. Sieist heute keine ‚Oppositionsbewegung‘ mehr undauch kein rein ehrenamtliches Abenteuer. Sie wirdschrittweise institutionalisiert, über stationäre Hos -pize, aber auch über ambulante Hospizdienste, diehaupt- oder ehrenamtlich koordiniert/organisiertsind. Für die hauptamtlich organisierten Dienstekönnen entstandene Personalkosten und Teil-nehmergebühren rückwirkend erstattet werden(§39a SGB V). Entstandene Sachkosten sind durchSpenden zu finanzieren. Die ehrenamtlich organi-sierten Hospizdienste sind ganz auf Spenden an-gewiesen, wenn sie in ihrer Kommune praktischeHilfen oder öffentliche Veranstaltungen organisie-ren. Grundsatz des ehrenamtlichen Engagementswar und ist, dass kein Ehrenamtler Geld für seinenDienst mitbringen soll. Die Teilnahme an den in-zwischen sehr guten und interessanten, aber teu-ren Seminaren und Veranstaltungen ist so nur nochschwer möglich (mehr dazu in: Anerkennung oderAngleichung, Positionspapier des wissenschaft-lichen Beirats von OMEGA e.V.).

Die wenig messbaren Dienste am Menschen ver-lieren zunehmend an Bedeutung. Sie sind Relikteeiner Bürgerbewegung, die für das angestrebte Ide-al wichtig war, das Sterben in die Mitte der Gesell-schaft und vor allem des Alltags zu holen.

Aber auch die sozialen Welten haben sich verän-dert. Die ‚Familie‘ als Versorgungssystem und si-cherer Sozialraum wird zwar mehr denn je be-schworen – ist aber immer weniger vorhanden. Dieerwartete Mobilität in der Arbeitswelt, die Tatsa-che, dass auch Frauen sozialversichert arbeitenwollen oder müssen, bedeutet konkret: Pflegebe-dürftige und Sterbende können weder von ihrenKindern noch Eltern grundversorgt werden. Dassind sehr wirkungsmächtige Alltagsbedingungen –gerade auch im Sterben.

Wie kann/muss die Hospizbewegung der Zukunftmit den angedeuteten Konfliktzonen umgehen?

Zwischen

– Ehrenamt und Hauptamtlichkeit,

– Professionalisierung/Spezialisierung/Institutio-nalisierung und Laien- bzw. Erfahrungswissen,

– messbarer und kontrollierbarer Dienstleistungund einer Hospizkultur, die als ‚Dienst am Men-schen‘ gerade nicht messbar, bedürfnisorien-tiert und institutionell offen konzipiert seinmüsste.

Werner Schneider hat auf dem Hintergrund verän-derter gesellschaftlicher Bedingungen zwei Grund-satz-Fragen gestellt, die nachdenklich machen:

– Was gilt es in der Hospizbewegung unbedingtzu erhalten, zu bewahren?

– Was ist vor diesem Hintergrund in der Voraus-schau auf zukünftige Entwicklungen in der Ge-sellschaft, im Gesundheitsbereich, in der insti-tutionellen-organisatorischen Versorgung,Betreuung und Begleitung von Schwerkranken,Sterbenden und ihren Angehörigen neu zu ent-wickeln?

Weitere Fragen sind u.a.:

– Was sind die Ideale der Hospizbewegung undderen praktische Grundlagen? Welche Zukunfthat die Hospizbewegung als Bürgerbewegungvor dem Hintergrund der sich ändernden Ster-bekultur in der modernen Gesellschaft?

– Wie ist das Verhältnis von Leitideen und geleb-ter Praxis vor Ort im Umgang mit Schwerkran-ken, Sterbenden und Angehörigen sowie mitKooperationspartnern?

– In welchem Verhältnis stehen Professionalitätund Ehrenamtlichkeit? Welcher Wert kommt Er-fahrungswissen zu? Welches Wissen muss neuhinzukommen, um vorausschauen zu können?

Die notwendigen Antworten/Vorschläge für diehos pizliche Zukunft wären:

– das Ehrenamt als eine Säule der Bürgerbewe-gung unbedingt erhalten,

– Alltags- und Lebenserfahrungen der Begleiterund Begleiterinnen ernst nehmen,

Ein warmer, freundlicher, liebevoller Ort, an wel-chem Sterben menschenwürdig erfolgen kann. EinOrt, an dem - trotz des Todes - auch Lachen und

Fröhlichkeit anzutreffen sind. Ein Ort, an demSterbende und durch den Tod Betroffene aufgefangen werden, Nähe, Schutz und

Geborgenheit erfahren. Heike Bartel, Rechtsanwältin, 49 Jahre alt

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– die Sterbenden und ihre Angehörigen an-spruchsvoll machen, was ihre sozialstaatlichenAnsprüche betrifft,

– die Alltagsprobleme der Angehörigen oderFreunde und deren Unterstützung als Haupt-aufgabe ansehen,

– soziale Phantasie entwickeln, um nachbar-schaftliche oder andere Formen sozialen Le-bens zu fördern oder zu erfinden, um der zu-nehmenden Einsamkeit Paroli zu bieten.

– die ‚chancenreiche Individualität‘ der Hospiz-bewegung, ihre örtlichen, geschichtlichen undbiografischen Besonderheiten erhalten (alsonicht ihre Struktur und ihre Arbeitsweisen undOrganisationsformen flächendeckend verein-heitlichen),

– keine Abstinenz gegenüber dem Kostenträger(wir machen alles umsonst) sondern selbstbe-wusst Ansprüche stellen und die Konditionen,unter denen Kostenträger zahlen, mitbestim-men,

– öffentliche Gespräche über Sterben, Tod undTrauer führen und Positionen entwickeln, z. B.zum Ehrenamt, zur palliativen Versorgung, zurVorsorgeplanung, Organspende, assistiertemSuizid, Euthanasie …

Die Stimme der Hospizbewegung ist hier gefragt,um das bewährte, erhaltungswürdige Ideal eines‚Lebens bis zuletzt‘ zu retten.

Inge KunzOMEGA – mit dem Sterben leben e.V.

Dickampstr. 1245879 Gelsenkirchen

Tel.: 02 09 - 9 13 28 22 Fax: 02 09 - 9 13 28 33

[email protected]

Literatur:Wissenschaftlicher Beirat OMEGA e.V.: Anerkennung oder An-gleichung? Aktuelle Probleme in der Hospizbewegung

Prof. Dr. Werner Schneider: Hospizkultur (neu?) buchstabierenImpulse von GESTERN für MORGEN, Tagungsdokumentation2012

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D ie Kinderhospizarbeit wurde inDeutschland 1990 von sechs betroffe-nen Familien auf den Weg gebracht. In-spiriert von der englischen Kinderhos -pizbewegung gründeten diese Familienden Deutschen Kinderhospizverein e.V.Ziel war es, das erste stationäre Kin-derhospiz in Deutschland zu errichten.1998 wurde das Kinderhospiz Baltha-sar in Olpe eröffnet. Es ist heute eines

von insgesamt zwölf stationären Kinderhospizen;weitere befinden sich im Aufbau. Darüber hinaussind in Olpe (Balthasar) sowie Hamburg (Sternen-brücke) aus den bereits bestehenden Kinderhospi-zen, die ersten beiden Jugendhospize hervorge-gangen. Ein weiteres wird im September 2013 alsAusbau des Kinderhospizes Löwenherz in Syke hin-zukommen.

Die Kinder mit lebensverkürzenden Erkrankungenund ihre Familien können wiederkehrend in denstationären Kinder- und Jugendhospizen Aufent-halte verbringen. Die Begleitung ist nicht auf dieletzte Lebensphase begrenzt, sondern kann ab demZeitpunkt der lebensverkürzenden Diagnose be-ginnen. Die Möglichkeit, andere Kinder und Fami-lien in ähnlichen Lebenssituationen kennen zu ler-nen und sich auszutauschen, sind ein wesentlichesMerkmal der Besuche im stationären Kinderhospiz.Die Aussicht auf Entlastung von alltäglichen Auf-gaben wie der Pflege des erkrankten Kindes ist einweiterer Aspekt.

Schnell wurde deutlich, dass von den Familien aucheine Unterstützung im Alltag gewünscht ist. DieEntwicklung ambulanter Kinderhospizangeboteging zunächst nur schleppend voran. Die erstenKinderhospizdienste wurden 1999 in Berlin undKirchheim/Teck aufgebaut. 2004 gab es lediglichsechs ambulante Kinderhospizdienste, ein Jahrspäter waren es dann bereits 25. Aktuell arbeiten106 ambulante Kinderhospizdienste in Deutsch-land, darunter 21 in Trägerschaft des DeutschenKinderhospizvereins e. V., zwei davon in Koopera-tionen mit anderen Trägern (Erfurt: Malteser, Han-nover: Arbeiter-Samariter-Bund). Zusätzlich zu den

106 ambulanten Kinderhospizdienstengibt es in Niedersachsen und BayernKooperationsmodelle mit Erwachse-nenhospizdiensten, die jeweils an ‚Ko-

ordinationsstellen‘ angebunden sind. Die Modelleentstanden vor allem für ländliche Regionen, in de-nen der Bedarf für einen eigenständigen Kinderho-spizdienst eher nicht vermutet wird.

Zwischenbilanz

Wie hat sich die Kinderhospizarbeit in den letztenfünf Jahren entwickelt? Auf diese Frage gibt es bis-her nur wenig gesicherte wissenschaftlich fundier-te Antworten. Die 2010 von Professor Jennessenveröffentlichte Studie zur Kinderhospizarbeit gibt erste wissenschaftlich hinterlegte Erkenntnisse.Die Zufriedenheit der Familien ,mit den fachlichenund personalen Kompetenzen der Ehrenamtlichen[wird als] sehr zufrieden‘ für die erfahrene Beglei-tung durch ambulante Kinderhospizdienste wieder-gegeben. Jennessen et al. weiter: Die Eltern nut-zen die Begleitung durch Ehrenamtliche imDurchschnitt 12,8 Stunden monatlich. 27,9% derEltern wünschen sich darüber hinaus noch mehrEinsatzstunden durch die Begleiter. Interessant si-cherlich auch, dass der Schwerpunkt der Tätigkei-ten der Ehrenamtlichen in den Familien im Da-Sein/Begleiten (22,6%) liegt, gefolgt vom Angebotals Gesprächspartner für Eltern zu fungieren(19,2%).

Betrachtet man die Ergebnisse in den teilnehmen-den stationären Kinderhospizen, so sind die Er-gebnisse ähnlich positiv. Die Erfahrungen von 172Familien, die ein stationäres Kinderhospiz nutzen,wurden erhoben. Demnach fühlen sich die Elternentlastet, gut begleitet und drücken insgesamt ei-ne hohe Zufriedenheit aus.

Veränderungen

Neben der deutlich gestiegenen Anzahl der statio-nären sowie insbesondere der ambulanten Kinder-hospizangebote, haben sich auch die Inhalte undstrukturellen Anforderungen gewandelt. Aus denErfahrungen heraus möchte ich an dieser Stelle ei-nige Themen aus der ambulanten Kinderhospizar-beit stichpunktartig aufgreifen:

Kinderhospizarbeit in Deutschland –Historische Entwicklung

Marcel Globisch

Marcel Globisch

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Ambulant – strukturell

• Steigende Begleitzahlen: Die meisten Diensteverzeichnen einen stetigen Zuwachs an Fami-lien, die Unterstützungs- und Begleitungsan-gebote nutzen.

• Größe der Dienste: Neben den Begleitungen istauch die Anzahl der ehrenamtlich Mitarbeiten-den ansteigend.

• Beides – mehr Familien, mehr Ehrenamtliche –zieht mehr hauptamtliche Kapazitäten nachsich.

Strukturell bedeutet dieses oft, dass aus einemkleinen Dienst, in dem jeder jeden kannte, ein großer Dienst geworden ist, in dem enorme An-strengungen notwendig sind, um eine Arbeits-struktur zu ermöglichen, in der nach wie vor Bezie-hung gelebt werdenkann. Andererseits aberauch Veränderungenunvermeidbar sind, weil‚alte‘ und ‚neue‘ Mitar-beiterinnen und Mitar-beiter, sich immer wie-der neu aufeinandereinlassen müssen.

Ambulant – inhaltlich

• Die Bedürfnisse derFamilien sind sehrheterogen und re-gional unterschiedlich.

• Es besteht der Wunsch von Familien nach ver-stärkter Begleitung in Ferienzeiten oder Kri-sensituationen.

• Die Auswirkungen der globalen Finanzkrise ha-ben auch die Familien erreicht.

• Wir erreichen mehr Familien mit Migrations-hintergrund.

Es gibt keine standardisierten Antworten auf diebeispielhaft genannten inhaltlichen Herausforde-rungen. Umso wichtiger ist die Auftragsklärung fürdie Kinderhospizarbeit. Was ist unsere Aufgabe,wo geben wir ab, wo sind gesellschaftliche Einflüs-se der Ursprung einer Entwicklung, wo liegen die

Gründe eng mit der Grunderkrankung eines Kindesund deren Auswirkungen zusammen? Wie könnenwir den Bedürfnissen der Familien noch besser ge-recht werden?

Ausblick

Grundsätzlich ist die Kinderhospizarbeit auf einemguten Weg. Dies belegen nicht nur die wissen-schaftlichen Erkenntnisse aus der zitierten Studievon Jennessen et al., sondern auch die Rückmel-dungen der Familien, die uns tagtäglich erreichen.Der Weg ist aber lange noch nicht zu Ende, son-dern die eine oder andere Weggabelung tut sichvor allen Beteiligten auf. Familien sehen sich tag-täglich neuen Herausforderungen gegenüber. Esgibt medizinische Möglichkeiten, die den Kindernhäufig ein schmerzfreieres und längeres Leben er-möglichen als vor 10 Jahren denkbar gewesen wä-

re. Zugleich eröffnensich damit verbundeneFragen, ob und wie dieintensive Begleitungeines Kindes mit le-bensverkürzender Er-krankung über vieleJahre hinweg möglichist. Wie gehen wir da-mit um, dass immermehr Kinder trotz ihrerPrognose älter werden,wir nicht wissen, wieihr weiterer Lebens-und Krankheitsverlaufsein wird? Wie stellen

wir uns der Frage von einer gesunden Nähe undDistanz für die ehrenamtlichen Kinderhospizmit -arbeiter und -mitarbeiterinnen bei Begleitdauernvon mehreren Jahren?

Wie geht die Kinderhospizarbeit mit der Frage derInklusion um, während der schulische Alltag sichnicht selten fernab des Inklusionsgedankens be-wegt, wenn Schulen sich bisweilen noch nicht ein-mal zutrauen, den schwer erkrankten Kindern denSchulalltag zu ermöglichen, wenn die Teilnahme anKlassenfahrten mit dem Hinweis auf die schwereErkrankung abgelehnt wird? Die Etablierung vonTageskinderhospizen ist auch in diesem Zu-sammenhang sehr kritisch zu sehen. Wird eine wei-tere Spezialeinrichtung geschaffen, die den Ge-danken der Inklusion insbesondere hinsichtlich derBeschulung der Kinder eher konterkariert? Was

Ich habe lange gedacht, dass ‚Hospiz‘ ein Haus mitBetten für Schwerstkranke und Sterbende ist. Dasist es auch, aber hinter dem Wort steht auch die

Begleitung der Menschen in ihrem Zuhause.Manchmal glaube ich, dass das vielen nicht sodeutlich ist. Dabei kann es gerade mit dieser

Unterstützung gelingen, dass viele Menschen dortsterben, wo sie sterben wollen, nämlich in den ihnen vertrauten Räumen und mit den ihnen

vertrauten Menschen. Judith Mänsel, Studentin, 25 Jahre alt

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unterscheidet ein Tages-kinderhospiz von einer Tagespflege, was istdarin noch Hospizarbeitim klassischen Sinne?

Und zu guter Letzt: Ge-lingt es der Kinderhos pizarbeit, die aus der Selbst-hilfe erwachsen ist, den Selbsthilfegedanken wei-ter oder wieder vermehrt in den Fokus zu stellen?Wie kann die Kinderhospizarbeit das enorme Po-tential der Selbsthilfe unterstützen, an welchenPunkten werden Strukturen der Selbsthilfe durchein professionelles Unterstützersystem eher zuge-deckt als befördert? In Hinblick auf die vielfältigen Herausforderungenwerden auch die nächsten 10 Jahre für die Kinder-hospizarbeit nicht langweilig werden.

Marcel GlobischDeutscher Kinderhospizverein e.V.

Leitung ambulante KinderhospizarbeitBruchstr. 1057462 Olpe

Tel.: 0 27 61 - 9 41 29-36Fax: 0 27 61 - 9 41 29-60

Mobil: 01 51 - 46 11 71 65 marcel.globisch@deutscher-

kinderhospizverein.dewww.deutscher-kinderhospizverein.de

LiteraturJennessen, S., Bungenstock, A., Schwarzenberg, E., Klein-

hempel, J. (2010): Kinderhospizarbeit. Eine multimethodi-sche Studie zur Qualität der innovativen Unterstützung undBegleitung von Familien mit lebensverkürzend erkranktenKindern und Jugendlichen. Books on demand (S.413, 505)

Eine aktuelle bundesweite Übersicht über Angebote der Kin-derhospizarbeit sowie weitere Netzwerkpartner in der Pallia-tivversorgung für Kinder und Jugendliche sind über eine inte-grierte Suchmaschine auf der Homepage des DeutschenKinderhospizverein e.V. einzusehen: www.deutscher-kinder-hospizverein.de

Vernetzungsmodell Niedersachen Kinderhospiz Löwenherz:www.kinderhospiz-loewenherz .de/loewenherz-ambulant/ver-netzung-niedersachsen.html

Vernetzungsmodell Region Weser-Ems Ambulanter Kinderhos -pizdienst Oldenburg: www.hospizdienst-oldenburg.de

Ambulantes Kinderhospiz München: www.kinderhos piz-muenchen.net/kooperationen/kooperationen.xhtml

Ein Ort der Geborgenheit, des Verstehens aberauch der Freude, wo Sterben als Prozess am Ende

des Lebens begriffen wird und nicht ‚technisch‘,einsam oder lästig, tabuisiert gesehen wird.Sylvia Reich, Gymnasiallehrerin, 57 Jahre alt

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In welche Zukunft gehen unsere eh-renamtlichen Hospizbegleiter und -begleiterinnen und Hospizvereine?Welches wird ihr Platz sein in einerHospizarbeit und Palliativversorgung,die immer mehr von professionellen Angebotenund ,Leistungen‘ geprägt ist?

– Wie werden ehrenamtliche Hospizbegleiter und -begleiterinnen eingebunden in eine spezialisier-te ambulante Palliativversorgung?

– Welches wird in Zukunft ihr Platz sein in statio-nären Einrichtungen der Alten- und Behinderten-hilfe?

– Welche Menschen gewinnen wir künftig für dieehrenamtliche Hospizarbeit?

– Finden wir genügend? Wie werden sie einsetzbarsein?

– Welche Vorbereitung und Begleitung werden siekünftig dafür brauchen?

– Welche Haltung und ,Hospizidee‘ wird hinter alldem stehen?

– Wie weit darf die Hospizbewegung sich in dieStrukturen des deutschen Gesundheitswesensziehen lassen?

– Was wird aus dem, was uns bisher wichtig war?

– Welche verbandliche Unterstützung wird Hospiz-arbeit künftig brauchen?

All diese Fragen bewegen in den letzten Jahren vie-le Hospizdienste, viele ehrenamtliche und haupt-amtliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen undauch uns als Hospiz- und PalliativVerband in NRW.Einige der Frage sind sehr bedrängend.

In vielen Runden mit Mitgliedern hat der Vorstanddes HPV NRW eine erste Analyse der Situation er-arbeitet und Folgendes festgestellt:

Die Rahmenbedingungen für das ehrenamtliche,solidarische Engagement von Bürgerinnen und Bür-gern aus NRW in der Hospizbewegung ändern sich

gegenüber der Ausgangsla-ge in der Pionierzeit der Hos -pizbewegung.

1. Ambulante und stationäreHospize sind in vielen Re-gionen des Bundeslandesnicht mehr die einzigen qua-lifizierten Einrichtungen imDienst an schwerstkrankenund sterbenden Menschen.Sie sind eingebunden inNetzwerke und auf enge Ko-operationen angewiesen. ImKonzert vieler hauptamt-licher Dienste ist eine Schär-fung des Profils ehrenamtlicher Hospizarbeit drin-gend erforderlich.

2. Durch Ausbau der onkologischen und palliati-ven Versorgung fragen Betroffene oft später als bis-her nach hospizlicher Begleitung. Diese wird da-durch in vielen Fällen kürzer, aber intensiver. Dieserfordert konzeptionelle Anpassungen.

3. Besonders durch Kooperationen mit Einrichtun-gen der Altenhilfe werden zunehmend Begleitun-gen an Demenz erkrankter Menschen angefragt.Diese Begleitungen erfordern neue Aspekte in derVorbereitung der Ehrenamtlichen und verlaufen –hier anders als unter 2. – über einen oft deutlichlängeren Zeitraum als bisherige Hospizbegleitun-gen.

4. Weitere neue hospizliche Einsatzfelder für Eh-renamtliche mit neuen Herausforderungen habensich entwickelt in Bereichen wie die Begleitung be-hinderter Menschen, wie die Trauerbegleitung unddie Kinderhospizarbeit.

5. Ehrenamtliche, die sich in der Hospizarbeit en-gagieren, sind zunehmend jünger als bisher, zumTeil noch berufstätig, stellen sich ,nur‘ für be-stimmte Tätigkeiten zur Verfügung und sind nicht indem Maße zeitlich verfügbar gegenüber den Eh-

Welches Profil soll ehrenamtlicheHospizarbeit in 10 Jahren haben?Dreijähriges Projekt des HPV NRW wird vom Land NRW gefördert

Christoph Drolshagen

Christoph Drolshagen

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renamtlichen der Anfangszeit. Darin liegen neueRessourcen für die Hospizarbeit, aber auch Ein-schränkungen, was Konsequenzen hat im Blick aufden Bedarf an ehrenamtlichen Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter und auch auf das Tätigkeitsspek-trum.

6. Ehrenamtliche Hospizmitarbeiter und -mitarbei-terinnen kommen gegenwärtig eher aus der mitt-leren und oberen Bildungs- und Einkommensgrup-pe. Bürger mit Migrationshintergrund fehlen fastvöllig, in Folge dessen sich der Zugang der Hospiz-arbeit zumindest zu der letztgenannten Gruppe oftschwierig gestaltet.

7. Hospizarbeit wird im-mer mehr zu einer „Leis -tung“ innerhalb derStrukturen und Syste-matik des Gesundheits-wesens. Leistungenmüssen dokumentiertwerden. Aus Förderungvon bürgerschaftlichemEngagement wird Ab-rechnung von Einzel leis tungen.

8. Ehrenamt steht in der Gefahr, zur Erfüllung vonQualitätsanforderung von Trägern oder Prüfinstan-zen (etwa bei Zertifizierungen) instrumentalisiertzu werden.

9. Die hospizliche Haltung im Respekt vor dem Le-ben und der Würde bis zuletzt ist in der Gesell-schaft immer weniger selbstverständlich. Dies er-fordert Reflexion und Profilierung der Grundlagender Hospizbewegung.

Die Mitgliederversammlung des HPV NRW im ver-gangenen Jahr hat den Vorstand beauftragt, dieseThemenfelder in den nächsten Jahren mit Priorität zubearbeiten. Die Mitglieder haben ein Projekt be-schlossen mit dem Titel ,Entwicklung eines Profilskünftiger bürgerschaftlicher Hospizarbeit in NRW zurSicherung des ehrenamtlichen Engagements im Kon-text hospizlich-palliativer Versorgungsstrukturen‘.

Ziel dieses Projektes soll sein,

– die oben angedeutete Analyse zu überprüfen undzu vertiefen;

– das Profil und das Leitbild bürgerschaftlicherHos pizarbeit mit den Hospizen vor Ort zu reflek-

tieren und für die nächste Zukunft neu zu erar-beiten;

– praktische Hilfen und Anregungen für die kon-krete zukunftsfähige Umsetzung dieses Profilsbereitzustellen.

Das Projekt soll die Hospizdienste auf örtlicher Ebe-ne und die verbandliche Hospizbewegung auf Lan-desebene unterstützen beispielsweise durch

– Konzeptionshilfen zur Gewinnung und Befähi-gung neuer Ehrenamtlicher,

– Konzeptionen zur ge-sicherten und dem Eh-renamt entsprechen-den Einbindung vonörtlichen Hospizdien-sten in Netzwerke undKooperationen (wie?wer? wozu? auf welcherEbene?),

– die Erarbeitung poli-tischer Ziele zur langfristigen Absicherung der in-haltlichen und finanziellen Rahmenbedingungender ehrenamtlichen Hospizarbeit.

Dadurch soll sichergestellt werden, dass in dennächsten Jahren genügend Ehrenamtliche für dieHospizarbeit zur Verfügung stehen. Die bürger-schaftliche Hospizbewegung ist weiterhin attrak-tiv, engagiert und in ihrer Haltung klar. Auch wirddas verbandliche Profil des HPV NRW als Interes-senvertretung der Hospizeinrichtungen vor Ort vordiesem Hintergrund reflektiert und neu geschärft.

Da hinter diesen Fragen auch ein wichtiger gesell-schaftlicher Auftrag steht, haben wir sehr früh Kontakt mit dem Ministerium für Gesundheit,Emanzipation, Pflege und Alter des Landes NRWaufgenommen. Zumal uns deutlich geworden ist,dass wir nur mit unseren Möglichkeiten als ehren-amtlicher Vorstand neben unseren sonstigen be-ruflichen Verpflichtungen diese Aufgabe nicht zuunserer und der Mitglieder Zufriedenheit stemmenkönnen. Wir freuen uns sehr darüber, dass das Mi-nisterium uns nun eine Projektförderung bewilligt,indem es für drei Jahre vom 01.06.2013 an eine halbe Stelle für die Projektleitung finanziert. Damitbekommen wir eine Unterstützung, die vieles zudiesem Thema möglich macht!

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S C H W E R P U N K T

Ich bin selber durch einen Freund zum ersten Malmit einem Hospiz in Berührung gekommen undes hat mich sehr berührt, dass es das überhaupt

gibt. Einen Platz, wo ein Freund in Ruhe und Frieden sterben kann. Es haben ja nicht alle ein

Zuhause, wo sie sterben können.Hans Hankamp, Grundschullehrer, 58 Jahre

21Hospiz-Dialog NRW - Juli 2013/56

Ein erster Höhepunkt des Projektverlaufs wird eineFachtagung mit Workshops zum Thema vom 31.01.bis 02.02.2014 in Münster (Westf ) sein. Alle Mit-glieder des HPV NRW sind hierzu herzlich eingela-den und sollten sich den Termin schon vormerken.

Christoph DrolshagenMitglied des Vorstandes des HPV NRW

Geschäftsstelle des HPV NRWIm Nonnengarten 10

59227 AhlenTel.: 0 23 82 - 7 60 07 65Fax: 0 23 82 - 7 60 07 66

[email protected]

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GS C H W E R P U N K T

Mit der Diplom-Pädagogin Susanne Graumann haben wir eine Fachkraft für die Projektleitung gefunden, die bereits über sehr gute einschlägigeErfahrungen aus Projekten verfügt, die sie in an-grenzenden sozialen Themenbereichen geleitethat.

Das Projekt soll in enger Zusammenarbeit mit denbeiden ALPHA-Stellen verlaufen und auch in Ver-netzung mit ähnlichen Projekten anderer Hospiz-Landesverbände in Niedersachsen, Schleswig-Hol-stein und Baden-Württemberg. Der DeutscheHospiz- und Palliativverband befasst sich ebenfallsmit der Fragestellung. Bei ihm laufen die Erfahrun-gen und Inhalte der Entwicklungen dann zusam-men, so dass im Ergebnis auch eine starke politi-sche Wirkung unseres Projektes über NRW hinauszu erwarten ist. Eine wissenschaftliche Begleitungdurch die Katholische Hochschule Münster istebenfalls angedacht.

22 Hospiz-Dialog NRW - Juli 2013/56

I N F O R M A T I O N

Veröffentlichungen

Miriam Haagen, Birgit MöllerSterben und Tod im Familienleben: Bera-tung und Therapie von Angehörigen vonSterbenskrankenHofgrefe-Verlag, 2013€ 24,95

Während sich in der Hospiz- und Palliativ-versorgung die Begleitung und Unterstüt-zung der Schwerstkranken und Sterbendenimmer auch auf die Bezugspersonen bezieht,ist dies bei anderen in der Beratung und Be-handlung Tätigen, an die sich dieses Buchrichtet, nicht die Regel. Die Autorinnen gehen

intensiv auf die Bedeutung dieses Zugangs ein und vermit-teln zunächst grundsätzliche Informationen zu Verluster-fahrungen sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindernund Jugendlichen. Dann kommen sie zu ihrem Schwerpunkt,indem sie auf die Anforderungen und Möglichkeiten des familienorientierten Arbeitens im Sterbeprozess und nachdem Tod eingehen. Zuletzt wird auch das eigene Empfindender Berater, wie z.B. Hilflosigkeit, Scham oder Trauer, in denBlick genommen. Alle Kapitel enthalten zahlreiche Bei-spielsituationen, die die mit Sterben, Tod und Trauer ein-hergehenden Phänomene in Familiensystemen anschaulichund konkret werden lassen.

Marie Luise Bödiker, Gerda Graf, HorstSchmidbauerHospiz ist HaltungKurshandbuch EhrenamtDer Hospiz Verlag, 2011€ 28,00

„Bevor ich gehe, brauche ich dich“, mit die-sem Satz beginnt die Einleitung des Buches‚Hospiz ist Haltung‘ und soll deutlich ma-chen, dass Menschen gerade in dieser Le-bensphase einander brauchen und Halt ge-ben. Das erste Kapitel befasst sich mit der

Entstehung und Entwicklung der Bürgerbewegung Hospiz.Im Fokus des zweiten Kapitels stehen die Ehrenamtlichenselbst, z. B. welche Werte haben sie geschaffen, wo stehensie heute in der hospizlichen und palliativen Versorgung,welche Aufgaben sehen sie in der Zukunft. Im dritten Teil,der überschrieben ist mit ‚Was uns hält, das ist Haltung‘ ge-rät unter anderem die Frage der Würde als auch die Haltungdes Ehrenamtlichen in den Blickpunkt. Zuletzt widmen sichdie Autorinnen der Frage nach der Identität und dem Wan-del des Ehrenamtes. Im letzten Teil findet man Hinweise zurVereinsarbeit, Gesetzestexten und Haftung.

Philip JevonPflege von sterbenden und verstorbenenMenschenHuber, 2013€ 29,95Die Pflege eines sterbenden oder verstor-benen Menschen und die Fürsorge für dieAngehörigen erfordern ein hohes Maß anEmpathie, Einfühlungsvermögen, Kompe-tenz, Wissen und Fertigkeiten der Pflege -personen. Das vorliegende Buch widmetsich umfassend vielen Bereichen, die es zubeachten gilt, um die Zeit des Sterbens fürden Betroffenen mit hoher Qualität und un-ter würdigen Bedingungen zu gestalten. Themen wie z. B.‚Symptomkontrolle am Lebensende‘, ‚Komplementärthera-pien in der Palliativversorgung‘, ‚Organspende‘, ‚Leichen -toilette‘, aber auch Fragen wie die nach lebenserhaltendenMaßnahmen werden ausführlich und unter Berücksichti-gung aller rechtlichen Aspekte behandelt. Diese Publi kationkann ein Leitfaden sein für alle in der Palliativpflege Tätigen.

In Würde. Bis zuletzt.Hospizliche und palliative Versorgungvon Menschen mit geistiger BehinderungZu beziehen:Caritasverband für die Diözese Augsburge.V.Kontakt: A. MarquardTelefon 08 21 - 3 15 62 37Fax 08 21 - 3 15 63 91Mail: [email protected] € 19,80 plus Versand

Die Begleitung von Menschen mit geisti-ger Behinderung in der letzten Lebens-phase muss sich nicht immer von der Begleitung von Menschen ohne Behinderung abheben.Dennoch kann es Besonderheiten geben, die zu kennenund berücksichtigen sind. Basierend auf den Ergebnisseneiner Projektstudie ‚Hospizliche und palliative Versorgungvon Menschen mit geistiger Behinderung‘ ist das vorlie-gende Handbuch für die Praxis erarbeitet worden. Menschenmit geistiger Behinderung, deren Angehörige sowie die Mit-arbeitenden aus der Behindertenhilfe wurden hierfür inter-viewt. Für die Veröffentlichung wurden deren Wünsche, Informationen, Anregungen und Erfahrungen einbezogen,ausgewertet und beschrieben. Die Publikation schildert diederzeitige Situation und gibt konkrete Hinweise für die Praxis einer palliativen und hospizlichen Begleitung, die die Bedürfnisse der Menschen mit geistiger Behinderung berücksichtigt.

23Hospiz-Dialog NRW - Juli 2013/56

I N F O R M A T I O N

v. l.: Ariane Rother, Susanne Dietze

05.09.2013 Essen15. Hospiztag der Diakonie Orientierungslos am Ende des Lebens? –Ethische Fragen um Tod und SterbenDiakonie Rheinland-Westfalen-Lippe e.V.Tel.: 02 51 - 2 70 93 55Fax: 02 51 - 2 70 95 53 [email protected]

09.09.-10.09.2013 MünsterWenn der Tod naht – Kommunikation mitschwerkranken und sterbenden Menschenund ihren AngehörigenFachhochschule Münster –Fachbereich Pflege und GesundheitTel.: 02 51 - 8 36 58 [email protected]/fb12/weiterbildung

20.09.-21.09.2013 GüterslohEthikberatung und Palliative CareBildungswerk Hospiz- & Palliativmedizinam Städt. KrankenhausTel.: 0 52 41 - 90 59 84www.hospiz-und-palliativmedizin.de

26.09.-27.09.2013 DattelnSterben und Tod von Kindern und Jugend-lichen im kulturellen, religiösen und spiri-tuellen Kontext und Interkulturelle Sterbe-begleitung von muslimischen FamilienVestische Kinder- und Jugendklinik Datteln Fort- und Weiterbildungsabteilung Universität Witten/[email protected].: 0 23 63 - 97 57 66 www.kinderklinik-datteln.de

Veranstaltungen

09.10.-13.10.2013 BerlinPalliative Care – Multiprofessioneller Basiskurs Qualifizierung für Fachkräfte aus Medizin, Pflege, (Sozial)-Pädagogik;Psychologie und Seelsorge Tabea e.V.Tel.: 0 30 - 4 95 57 [email protected]

11.10.-13.10.2013 Coesfeld Spiritualität in der SterbebegleitungFragen zulassen – Antworten wagenKolping-Bildungsstätte CoesfeldTel.: 0 25 41 - 8 03 03info@bildungsstaette.kolping-ms.dewww.kolping-bildungsstaette-coesfeld.de

15.10.2013 OsnabrückKontakt zwischen den Welten –Kommunikation mit DemenzerkranktenEinführung in ValidationAMEOS Klinik Osnabrück Bildungs -zentrum+ Diakoniewerk Osnabrück Niedersächsische Akademie für Fachberufe im Gesundheitswesenwww.ameos.eu/osnabrück.de

21.10.-25.10.2013 EngelskirchenSterbende begleiten lernen –Kurskonzept für Ehrenamtliche in der Erwachsenenhospizarbeit (Kursleiterschulung)Malteser Hospizarbeit und PalliativmedizinTel.: 0 22 63 - 9 23 [email protected]

21.10.-23.10.2013 BonnCase Management in der palliativen undhospizlichen ArbeitZentrum für Palliativmedizin Tel.: 02 28 - 6 48 15 39www.malteser-krankenhaus-bonn.de

ALPHA-RheinlandVon-Hompesch-Straße 153123 BonnTel.: 02 28 - 74 65 47Fax: 02 28 - 64 18 [email protected]

ALPHA-WestfalenFriedrich-Ebert-Straße 157-159 48153 MünsterTel.: 02 51 - 23 08 48Fax: 02 51 - 23 65 [email protected]