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Aus der Neurochirurgischen Abteilung (Direktor: Doz. Dr. B. Zapletal) und der Neurologisehen Xlinik (Direktor: Prof. Dr. J. tfrbek), OloInouc, ~SSI~ Schwierigkeiten in der Riintgendiagnostik und in der Behand- lung yon grollen intrakranialen sakkuliiren Aneurysmen* Von ]i. Dvo['Ak und E. Klaus Mit 10 Textabbildungen Die klinische und r6ntgenologische Diagnose der intrakranialen sack- fSrmigen Aneurysmen bereitet im allgemeinen keine gr6Beren Schwierig- keiten. Die meisten dieser GefgBmiBbildungen manifestieren sich durch eine plStzlich einsetzende Meningeal- oder Cerebromeningealblutung je n~ch Lage und Ausdehnung. Das sind die sogenannten spoplektischen Formen. Demgegentiber machen sich die restlichen sackfSrmigen Aneurys- men durch langsames Wachstum ohne grSBere Blutungstendenz be- merkbar. Das sind die paralytischen Typen. Hier spielen vor allem die groBen Aneurysmen der A. basialis und Carotis interna, insbesondere die sogenannten parasellgren, eine Wichtige klinische Rolle, denn sie kSnnen klinisch wie r6ntgenologisch einem raumfordernden ProzeB, z. B. einem Hypophysentumor verbliiffend ghneln (Je//erson 1937, 1955, Campbell 1954, Weickmann 1959, White u. Mit~rb. 1961, Cogan 1963, Kraus 1964). Trotz weitgehendem Ausbau und routiner Anwendung der Kontrast- mitteluntersuchungen ist die r6ntgenologische Differentialdiagnose expan- siver intrakranialer Prozesse nicht selten recht schwierig, was nicht zuletzt fiir die groBen sackfSrmigen Aneurysmen gilt. Die Angiographie ist heute die sou~er/ine Kontrastmittelmethode zum Nachweis yon intrakranialen Aneurysmen. Dabei gelingt es in den meisten Fallen, die vorhandene Gefi~Bmil~bildungdarzustellen. Nichtsdestoweniger kann aber auch bier die Angiogmphie vSllig versagen (Krayenbi~hl 1941, Campbell 1954, Usbeck 1955). Wie wir wissen, kann ein groBes sack~6rmiges Aneurysma der Carotis interna und der A. basialis im Lu~tbild ahnliche Ver~nderungen hervor- rufen wie ein wirklicher Tumor. So ist z. B. ein groBcs, suprasell~r ent- wickeltes Aneurysma im Pneumogramm nur schwerlich yon einem * Auszugsweise vorgetragen auf dem l~eurochirurgischen KongreB in Bratislava (29. Juni 1965).

Schwierigkeiten in der Röntgendiagnostik und in der Behandlung von großen intrakranialen sakkulären Aneurysmen

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Page 1: Schwierigkeiten in der Röntgendiagnostik und in der Behandlung von großen intrakranialen sakkulären Aneurysmen

Aus der Neurochirurgischen Abteilung (Direktor: Doz. Dr. B. Zapletal) und der Neurologisehen Xlinik (Direktor: Prof. Dr. J. tfrbek), OloInouc, ~SSI~

Schwierigkeiten in der Riintgendiagnostik und in der Behand- lung yon grollen intrakranialen sakkuliiren Aneurysmen*

Von

] i . Dvo['Ak und E. Klaus

Mit 10 Textabbildungen

Die klinische und r6ntgenologische Diagnose der intrakranialen sack- fSrmigen Aneurysmen bereitet im allgemeinen keine gr6Beren Schwierig- keiten. Die meisten dieser GefgBmiBbildungen manifestieren sich durch eine plStzlich einsetzende Meningeal- oder Cerebromeningealblutung je n~ch Lage und Ausdehnung. Das sind die sogenannten spoplektischen Formen. Demgegentiber machen sich die restlichen sackfSrmigen Aneurys- men durch langsames Wachstum ohne grSBere Blutungstendenz be- merkbar. Das sind die paralytischen Typen. Hier spielen vor allem die groBen Aneurysmen der A. basialis und Carotis interna, insbesondere die sogenannten parasellgren, eine Wichtige klinische Rolle, denn sie kSnnen klinisch wie r6ntgenologisch einem raumfordernden ProzeB, z. B. einem Hypophysentumor verbliiffend ghneln (Je//erson 1937, 1955, Campbell 1954, Weickmann 1959, White u. Mit~rb. 1961, Cogan 1963, Kraus 1964).

Trotz weitgehendem Ausbau und routiner Anwendung der Kontrast- mitteluntersuchungen ist die r6ntgenologische Differentialdiagnose expan- siver intrakranialer Prozesse nicht selten recht schwierig, was nicht zuletzt fiir die groBen sackfSrmigen Aneurysmen gilt.

Die Angiographie ist heute die sou~er/ine Kontrastmittelmethode zum Nachweis yon intrakranialen Aneurysmen. Dabei gelingt es in den meisten Fallen, die vorhandene Gefi~Bmil~bildung darzustellen. Nichtsdestoweniger kann aber auch bier die Angiogmphie vSllig versagen (Krayenbi~hl 1941, Campbell 1954, Usbeck 1955).

Wie wir wissen, kann ein groBes sack~6rmiges Aneurysma der Carotis interna und der A. basialis im Lu~tbild ahnliche Ver~nderungen hervor- rufen wie ein wirklicher Tumor. So ist z. B. ein groBcs, suprasell~r ent- wickeltes Aneurysma im Pneumogramm nur schwerlich yon einem

* Auszugsweise vorgetragen auf dem l~eurochirurgischen KongreB in Bratislava (29. Juni 1965).

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t t y p o p h y s e n a d e n o m , yon einem Meningeom des Tubercu lum sellae u. a. zu unterseheiden. Dar t iber f inden wi t un te r anderem bei Davido]] und Epstein (1955), Ruggiero (1957) und Chase u. Mitarb. (1961) ins t ruk t ive Abbi ldungen . W i r d dann eine Gefs unter l~ssen oder k o m m t es bei der Angiographie nich* zur Dars te l lung des Aneurysmas , so kann die :Fehldiagnose unangenehme Folgen im wei teren Verlauf mi t sieh ziehen.

F i i r unsere Frages te l lung wollen wit aus unserem Beobaeh tungsgu t jene suckfSrmigen Aneu rysmen herausgreifen, die sich im Luf tb i ld oder im Ang iogramm als r aumforde rnde r Prozel3 verhie l ten a n d die sieh dem d i rek ten angiographisehen Nachweis entzogen. Es sind dies vier Fal l - ber iehte , a,n denen wi t kurz die r6ntgenologiseh-diagnost ischen Sehwierig- ke i ten und die ehirurgisehe P r o b l e m a t i k er6r te rn wollen.

1. S. J., Krankenbla t t Nr. 5731, 37j/ihriger Landarbeiter . Die Familien- ananmese und sonstige Vorgeschichte ist ohne Belang.

Seit dem Jahre 1942 leidet der Pat ient an niiehtlichen Grandmal-Anf~llen, mit einer Frequenz yon ungef/~hr 2 Paa~oxysmen pro Jahr. Ab 1956 werden Antiepi lept ika regelmfiBig eingenommen. In den letzten gahren h~ufen sieh die Kopfschmerzen. Es setzt auffallender Ged~ehtnissehwund und allgemeine psyehosomatische Verlangsamung ein.

Im neuroklinisehen Befund l:~otationsnystagmus beim Bliek naeh rechts, reehte Pupille etwas welter, auffallender Bradypsyehismus.

Laborbefunde: T K 130/85 mm Hg, Blur- und Urinstatus normal, Augen- hintergrund ohne pathologische Ver/inderungen. Auf den Schgdelleerauf- nM~men schalenf6rmige Katkfigur 5 • 4 cm an der Ba,sis der rechten vor- deren Sch~delgrube, keine Zeiehen yon erh6htem Seh/~delinnendruck (Abb. 1). Im Luftbild fehlende Ventrikelffillung, vermehrte Subaraehnoidealzeichnung fiber dem reehten Frontal lappen, einige grebe Kontrasts tr iche teilweise um die Kglkablagerung (Abb. 2). Carotisangiographie reehts: im Seitenbild kein sieherer Anhalt fiir Gef/~gdislokation, auf der ap-Aufnahme fehlende Fiillung der A. cerebralis ant., nut einige diinne Gef~tge fiberqueren die KMkfigur, nirgends Zeichen einer GefgBanomalie.

Mit der Verdaehtsdiagnose eines Meningioms des Suleus olfaetorius reehts (trotz fehlender L/~sion des N. olfaetorius) wurde der :Patient aus der neurologischen Klinik in die neuroehirurgisehe Abteilung zwecks operativen Eingriffs verlegt.

Am 18. Juli 1961 wurde bei der Operation ein kugelf6rmiges, glattwandiges Gebilde yon 5 • em Gr6Be oben angef/ihrter Lokalis~tion aufgefunden. Eine Probepunkt ion ergibt einen negativen Befund. Dgs tumor~rtige Ge- w/~ehs 1/~ltt sieh leieht yon der 1gaehbarsehaft abl6sen. Bei der Praparat ion seiner Basis, die gestielt erseheint, kommt as zmn Einrig der A. comm. ant. Die sehwere Blutung wird dutch Silberabklipsung beherrseht und das Gebilde total entfernt. Die Biopsie best/~tig~e unsere peroperative Vermutungs- diagnose eines gewaltigen, v611ig thrombosierten sakkulfiren Aneurysmas der A. comm. ant. (Abb. 3). Der Pat ient erlangt naeh dem Eingriff nieht das BewuBtsein. Eine Kontrollangiographie des Carotis erbringt eine Undurch- g~ngigkeit beider vorderen I-Iirnarterien. Der Verfall dos sopor6sen Pat ienten sehreitet unaufhaltsam fort u n d e r kommt 27 Tage naeh dem Eingriff ad exitum.

Zusammenfassend handelte es sieh bei diesem Patienten tim ein grebes, yon Thromben v611ig versehlossenes sackf6rmiges Aneurysma mit Kalk-

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184 1K. D v o r a k u n d E. K laus :

schale, wo die Ang iog raph ie d iagnos t i sch versag te . D a d u r e h wurde die ope ra t i ve T a k t i k yon der V e r d a c h t s d i a g n o s e eines Mening ioms de r Seh~del- bas is b e s t i m m t . Der P a t i e n t v e r s t a r b a m 27. Tag n a e h d em o p e r a t i v e n Ein- gri l l .

2. V . X . , K r a n k e n b l a t t Nr. 2048/62, 66 J a h r e a l t e r R e n t n e r . Fami] ien- vo rgeseh ieh te u n d V o r k r a n k h e i t e n s ind fiir das je tz ige K r a n k h e i t s b i l d ohne Belang .

Abb. Abb. 2.

Abb. 1. EigroBe schalenf6rmige Kalkfigur an der Basis der vorderen Sch~delgrube, keine Zeichen yon erh6htem Sch~delinnei~druck,

Abb. 2. Fehlende Luftftillung des Ventrikelsystem~, vermeh%e und grobstrichige Subarachnoideal- zetchnung tiber dem rechten Frontallappen, zwei grobe Kontraststriche um die Kalkfigur. Die Cis~. chiasmatis ist mit Luft gefiillt und etwas herabgedrfickt, die Cist. intercruralis leicht yon vorne

eingedellt.

I n den l e t z t en drei J a h r e n h~iufige K o p f s e h m e r z e n , h a u p t s a e h l i c h in d e r S t i r n u n d i m I-IinLerhaupt. I m F e b r u a r 1962, das s ind 1,5 M o n a t e v o r de r K l i n i k a u f n a h m e , p l6 tz l i ch e inse tzender 2 Tage a n h a l t e n d e r Drehschwinde l m i t t3be lke i t u n d E r b r e e h e n . Gle iehze i t ig . ,Doppe l t sehen , S e h v e r m i n d e r u n g u n d P e r s6n l i ehke i t sve r ~nde rungen .

I m neu rok l i n i s chen B e f u n d a n g e d e u t e t e Anisokorie , le iehte zen t ra l e H e m i p a r e s e reehts , e r h 6 h t e axia le Reflexe, d r u e k d o l e n t e O k z i p i t a l p u n k t e u n d D u p u y t r e n s c h e K o n t r a k t u r e n beidersei t ig .

L a b o r b e f u n d e : Ur in , H / i m o g r a m m , t3WI~ neg. , F W 5/10, le ichte ar ter ie l le H y p e r t e n s i o n . A m A u g e n h i n t e r g r u n d 1~ y o n 3 D m i t f r i schen B l u t u n g e n , die Pap i l l en s ind ge lb l ich verf/~rbb. Die Sch~Ldel i ibers iehtsaufnahmen e rgeben e inen d e m Al te r e n t s p r e e h e n d e n Befund . I m C a r o t i s a n g i o g r a m m Ze ichen eines m e d i a n ge legenen sub f ron t a l en , m e h r n a c h reeh t s a u s l a d e n d e n r a u m f o r d e r n d e n Prozesses , ke in A n h a l t ftir eine Gef/~l~miBbildung (Abb. 4).

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Sehwier igke i ten in der g 6 n t g e n d i a g n o s t i k 185

Mit der V e r m u t u n g s d i a g n o s e eines T u m o r s wurde der P a t i e n t in die neuro- eh i rurg i sehe A b t e i h m g ver legt .

Der Eing~ciff wurde a m 28. Mgrz 1962 v o r g e n o m m e n . N a e h I~esekt ion des r e eh t en F r o n t a l l a p p e n s k o m m t ein rundl iehes , s ieh h a r t anf / ih lendes Neugeb i lde yon Hi ihnere igrSBe a n der Basis der v o r d e r e n Sehgde lgrube z u m Vorsehein , das be ide Nn. opt ie i u n d t t y p o t h a l a m u s f o r m a t i o n e n kom- p r imie r te . N a e h D u r e h s e h n e i d u n g des , , T u m o r s " s tSg t m a n auf vielzghlige organis ie r te T h r o m b e n , die das I n n e r e ggnzl ieh ausfi i l l ten. D a d u r e h wi rd die

Abb. 3. Abb. 4.

Abb.'3. Exstirpierter Sack des Aneurysmas yon 4,5 cm Durchmesser mit breitem ttals. Abb. 4, hp-Arteriogramm der rechten Carot~is int., keln Anhalt fiir ein Aneurysma. Zeichen eines

subfrontalen raumfordernden Prozesses.

Diagnose eines grol~en sackf t i rmigen A n e u r y s m a s klargeste l l t . Bei der Pre- p a r a t i o n des A n e u r y s m a s a e k e s k o m m t es p l6 tz l ieh zu e iner B l u t u n g , die d u t c h Abkl ipsm~g b e h e r r s e h t wird. D a n n wird die gauze MiBbi ldung en t fe rn t . B iop t i s eh wi rd die Diagnose eines A n e u r y s m a s best•t igt . D a das A n e u r y s m a se inen A u s g a n g yon der r e e h t e n A. comm. an t . n i m m t , wird n o e h e in Silber- kl ips a n die vo rde re I t i r n a r t e r i e angelegt .

D a der P a t i e n t n a e h der Ope ra t i on n i e h t b ew u g t s e i n s k l a r wird, wurde d u t c h e inen we i t e r en E ingr i f f der Kl ips yon der A. eerebrMis an t . en t f e rn t . T r o t z d e m k o m m t es zu ke iner du rehg re i f enden Besse rung des Zus tandes . I m C a r o t i s k o n t r o l l a r t e r i o g r a m m k o m m t es n i e h t zur Da r s t e l l ung be ider v o r d e r e n t t i r n s e h l a g a d e r n . De r Z u s t a n d des K r a n k e n v e r s eh l eeh t e r t s ieh sehr i t twe i se u n d e r v e r s t i r b t 38 Tage n a e h d e m e r s t en Eingrif f .

Z u s a m m e n f a s s e n d h a n d e l t e es s ieh h ier u m ein v611ig t h r o m b o s i e r t e s A n e u r y s m a der r e e h t e n A. comm. an t . yon gewal t igem AusmaB, das w g h r e n d des Eingr i f fs zu e iner e x t r a z e r e b r a l e n B l u t u n g l'~ngs der F a l x gef i ihr t h a t t e .

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186 M. D v o r a k u n d E. K l a u s :

A u c h b ie r v e r s a g t e die Caro t i sang iograph ie , i n d e m sie n u r den T a t b e s t a n d eines r a u m f o r d e r n d e n Prozesses n a c h w e i s e n k o n n t e , n i c h t aber dessen Qual i t~ t .

Abb. 5. Im Kammerluftbild Zelehen eines median gelagerten irontalen Tumors.

Abb. 6, Im frontalen Arteriogramm kein AnhMt i~ir Gef~itmiBbildung, im Einklang mit dem PEG Raumforderung frontal.

3. Z . J . , K r a n k e n b l a t t Nr. 2287/62, 39j~hriger R e n t n e r . I n der E igen- a n a m n e s e sei t 1951 B e h a n d l u n g wegen L u n g e n t u b e r k u ~ o s e , 1958 Tho ra ko - p las t ik .

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Sehwierigkeiten in der t%6ntgendiagnostik 187

Das jetzige Leiden begann im Mgrz 1962 mif drei typisehen OrandmM- Anf~llen. Gleiehzeitig setzten t(opfsehmerzen und psyehisehe Vergndertmgen, wie t{eizbarkeit, Wutausbriiehe, unkoherentes t{andeln und Spreehen ein.

Im neurologisehen Zustandsbild stark erh6hte Labialreflexe, leiehte spastisehe I-Iemiparese links, psyehoorganisehes Syndrom mit feilweiser Orientierung.

Laborbefunde: FW 11/20, im Urin Spuren von Eiweig und Urobilinogen. Im Blutbild Leukozytose yon 18.200, wiederholt 13.100, BWI% neg., Augen-

Abb. 7. Abb, 8.

Abb. 7 und 8. Im Luftbild pr~i- uncl suprasellfire tlam]~forderung.

befund: Papillen6dem von 2 D. Im EEG Herdbefund rechts frontal, i%6ntgen- aufnahme des Brustkorbs: Zustand naeh Thorakoplastik links, ehronisehe disseminierte Lungentuberkulose in den oberen Lungenfeldern. Sehfidel- flbersiehtsaufnahmen: etwas defekte innere Cortiealis am Dorsum sellae, sonst ohne AuffMligkeiten. Im Kammerluftbild raumfordernder Prozel3 mediofrontJ (Abb. g). Im Liquor 110 mg% Gesamteiweig und 66/3 Elemente. Eine t{ontrastffillung der Carotis unterstfltzt den Luftbefund, keine patho- Iogisehen Gef~e , kein Hinweis f~r eine Oef/~gmiBbildur~g (Abb. 6).

Nit der Wahrseheinliehkeitsdiagnose eines mediofrontM gelegenen raum- fordernden Prozesses (Astrozytom, evenfuell Abszeg) wurde der Patient zweeks operativer Therapie in die neuroehirurgisehe Abteilung verlegt.

Am 9. Oktober 1962 wurde beim ehirurgisehen Eingriff ein altes, abge- kapseltes subdurMes t-Ifimatom yon MandarinengrBBe 1/~ngs der l~alx auf- gefunden. UnterhMb der IIirnsiehel reieht das H~matom fiber die Mittel- linie naeh links. Naeh seiner Nntleerung erseheint ein saekfarmiges, sieh hart anffihlendes, in Verklebungen eingebettetes fiberweiehselgroges Aneu- rysma. Naeh der Preparation des Sacks bis zu seinem Abgang yon der A. comm. ant. beenden wir lieber den Eingriff und entscheiden uns f/ir die

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188 M. Dvorak und E. Klaus:

Ligatur zu einem sp/iteren Zeitpunkt. Eine Kontrollangiographie reehts ergab diesmal ein linsengroges sakkul/~res Aneurysma der A. eerebralis ined. (zwisehen M 1 und M 2), das nach noehmaliger Durehsieht der friiher ange- fertigten Arteriographien angedeutet zu sehen is~. Drei Wochen spgter iiihren wir die Ligatur durch Abklipsung des thrombosierten Sacks dutch. 24 Tage nach diesem Eingriff kormte der Patient in relativ gutem Allgemein- zustand in hgusliehe Pflege entlassen werden.

Abb. 9. Abb. 10.

Abb. 9 and 10. Bilaterale Carotisangiographie typiseh fiir suprasell~re Exl)angion, kein AnhMt f~ir eine Gel'~Ba.nomalie.

Zusammenfassend handelte es sich bei diesem Patien~en um zwei sack- fOrmige Aneurysmen (eins an der A. comm. ant., das andere an der A. eere- brMis reed. ), wobei sieh das viel gr6Bere und g~nzlieh thrombosierte Aneurysma am Vordersehenkel des Cireulus Willisii angiographiseh nieht darstellte. Das l~ngs der Hirnsiehel gelegene I-I~imatom bestimmte hier Ms vermeint- lieher Tumor das klinisehe Gesehehen.

4. N. V., IKrankenblatt Nr. 70/65, 52 Jahre alte Krankensehwester.

2 Jahre beobaehtete die Patientin ein Naehlassen der Sehkrait am linken Auge. Eine Woehe vor Klinikaufnahme ist sie auf dem linken Auge praktiseh erblindet. Der faeh~irztliehe Augenbefund lauLete auf Atrophie des linken Optieus mit v611igem Sehausfall bis auf ein kleines nasales Feldehen. Die neurologisehe Untersuehung ergibt auBer einer fast vollst&ndigen Amaurose links und gleiehseitigen t terabsetzung des t~iechvermSgens einen regelreehten Befund.

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Schwierigkeiten in der 1%6ntgendiagnost, ik 189

Die Schi~deliibersichtsaufnahmen zeigen nur eine leieht atrophische Sellalehne. Im Kammerluftbild Zeichen einer pr/isellaren ~Raumforderung von links (Abb. 7, 8). Eine bilaterale Carotisangiographie (Abb. 9, 10) spricht ebenfalls fiir eine mehr links sitzende supras/illare Expansion, kein Anhalt f~r eine GefS~gmiBbildung. Mit der Wahrscheinlichkeitsdiagnose eines Menin- gioms des Tuberculum sellae wurde die Pa~ientin in die neurochirurgisehe Abt~eilung eingewiesen.

Beim Eingriff kam nach einer reehtseitigen frontalen Kraniotomie ein kugelf6rmiges, nichtpulsierendes Gebilde yon PflaumengrSi~e zum Vorschein, das den reehten Opticus nach au6cn verdr~ngte und der Farbe und Be- schaffenheit nach ein Azmurysma zu sein seheint. Unmittelbar neben dem rechten Optieus verlSmfV ein weil31iehgrauer Gewebsstreifen, der im weiteren Verlauf als komprimierter linker Optieus zu erkennen ist. Die Probepunktion des tumorartigen Gebitdes ergibt arteriettes Btut, womit die Diagnose einer Gefi~Bmil3bildung klargestellt wurde. Bei der Preparation des Saekes stogen wit auf seinen Hals, der yon der Carotis interna seinen Ausgang nimmt. Wir bcgniigen uns mit der Umhiillung des Sacks mit Muskelstiiekehen. Drei Woehen spSoger ligieren wit die linke A. earotis comm. und die Carotis int. Naeh weiteren 10 Tagen wird die Kranke in bestem Allgemeinzustand in h/~usliehe Pflege entlassen. Eine Kon~rolluntersuehung des Visus ergibt keine ]~nderung.

Zusammenfassend handelte es sieh bier um ein pflaumengroBes supra- klinoidales Aneurysma der Carotis interna, das dutch eine beiderseitige Angiographie nicht naehgewiesen werden konnte.

Bespreehung

Unsere vier Eigenbeobaehtungen yon grogen intrakranialen sack- fSrmigen Aneurysmen (3 an der A. comm. ant. und eins an der Carotis interna) und ihre Niehtdarstellung im Arteriogramm ftihren uns ein- deutig vet Augen, daft ein negativer Befund bei Gef/~ftfiillung (wenn wit yon den Gef/iftverlagerungen im Sinne tines raumfordernden Prozesses absehen) eine Gef~ftmiftbildung nicht aussehlieBt. Sehon Krayenbiihl vermerkte im Jahre 1941 3 Fb;lle yon infraklinoidalen saekf6rmigen Anenrysmen, die im Arteriogramm nieht naehgewiesen werden konnten. Bei Marguth und Schie/er linden wir weitere I{inweise yon r6ntgen- negativen Aneurysmen (Corbella 1951, Odesky und Faber 1953, Wiirste- [eld 1954). Bei Campbell u. Mitarb. (1954) lesen wir tiber ein grol3es multi- sakkulgres Aneurysma, das sieh dem angiographisehen Beweis entzog. Rhonheimer (t959) beobaehtete drei groge saekfSrmige Aneurysmen mit negativem Befund im Angiogramm.

Aus dieser kurzen Aufz/ihlung geht hervor, da6 vor allem grebe saek- f6rmige Aneurysmen dem direkten angiographischen Beweis, meistens dureh Thrombosever6dung entgehen k6nnen. Dies ist erkl/Mieh dutch die verz6gerte Durehblutungszeit in den weiten Si~eken, die der Bildung yon Thrombosen Vorsehub leistet. Diese Thrombosetendenz kann aueh die ,,Elternarterie" erfassen und diese undurehg/ingig maehen. Nieh~ zu unterseh/ttzen ist das Auftreten yon Gef/il~spasmen in der ngehsten Umgebung, insbesondere bei blutenden Aneurysmen, die bei der Eng-

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190 M. Dvorak trod E. Klaus:

wicklung yon Thromben ebenfalls mit im Spiele sind. Weiter miissen wir t t / /matome als mSglichen komprimierenden und zirkulationshemmenden Faktor im Auge behalten, die ohne Thrombosebildung zu einer Abklem- mung des Zubringergef/il~es oder des Aneurysmahalses fiihrcn kSnnen und als Thrombose fehlgcdeutet werdcn kSnnen. GroBe sackfSrmige Aneurysmen kalzifizieren nicht selten (einer yon unseren vier F//llen). Auch in H~matomen kommt es hie und da zu Kalkeinlagerungen.

Bei unseren vier Patienten (drei m/~nnliehe und eine weibliche) handelt es sich um grol3e sakkul~re Aneurysmen, yon denen das kleinste Kirschen- gr6Be aufwics, w~hrend die andercn hiihnereigroB waren. Drei gingen yon der A. comm. ant. aus, dem h/~ufigsten Sitz der intrakranialen Aneurysmen iibcrhaupt, eines sal3 supraklinoidal an der Carotis interna. In keinem Tall ..gelang ihr direkter Nachweis durch die Angiographie. Alle waren ein Ubcrraschungsbefund w~hrend des operativen Eingrfffs. Sic verhielten sieh r6ntgenologisch (im Luftbfld oder Angiogramm) wie ein pr~- oder suprasellarer, in der Mittellinie gelagerter raumfordernder Proze~. Nur in einem Fall (Nr. 3) kam es zu einer ausgedehnten Blutung 1/ings der Falx, die das klinische wie auch r6ntgenologische Bild ver- ursachte. Bemerkenswert war hier das gleichzeitige Vorkommen eines weiteren Aneurysmas im Gebiet der A. cerebralis reed.

Fiir den Neurochirurgen ist es nicht gleichgiiltig, ob er cinen vermeint- lichen Hirntumor oder eine Gefs angeht. Die Operations- taktik ist bei diesen zwei Erkrankungen v611ig unterschiedlich und h~ufig fiir das weiterc Schicksal der Patienten entscheidend.

Bei allen vier Patienten wurde die pr/ioperative Fehldiagnose eines raumbeengenden Prozesses gestellt. Beim Eingriff wurden dann aber sackfSrmige Aneurysmen aufgefunden. Wie wir wissen, ist die Lokalisation an der A. comm. ant. die h//ufigste, vom operativ-technisehen Standpunkt allerdings die sehwierigste und prognostischerseits die nngiinstigste. Die Aneurysmen dieser Lokalisation weisen ebenfalls die grSBte Mor- talit/it auf, trotz der nicht zu leugnenden Fortschritte in der neuro- chirurgischen Technik, Bet/~ubung, Unterktihlung und Blutdruckherab- setzung, die die l~ate der so geheilten Patienten erheblich erhSht.

Die diagnostische Verwechslung der angiographisch nicht darstell- baren Aneurysmen mit raumfordernden Prozessen bringt ein erhShtes Operationsrisiko mit sich, einerseits wegen der psychischen Mehrbelastung des Operateurs (die Operation eines Aneurysmas ist technisch schwieriger, geschweige bei unvorhergesehenen Uberraschungsbefunden), anderseits wegen des Wegfalls der heute gebr~uchlichen Teehnik und Taktik (Hi- bernation, Turnikettabklemmung der Carotiden fiir die Gew/~hr]eistung eines blutleeren Operationsfeldes).

Es erscheint vorteilhaft, die Ligatur des Sacks bei erst peroperativ festgestellten Aneurysmen zu versehieben, eventuell ebenfalls ihre Ex. tirpation, um dann in zweiter Sitzung gewappneter die Aneurysmen anzugehen. Wir sind der Meinung, dab man dutch diese Taktik das Operationsrisiko herabsetzen und somit den Prozentsatz der radikal geheflten Patienten verbessern kSnnte.

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Schwierigkeiten in der RSntgendiagnostik 191

Zusammenfassung

Es wird fiber vier groge intral~ 'aniale sackfSrmige Aneurysmen (drei an der A. comm. ant . , eines suprakl inoidal an der Carotis int.) berichtet , die sieh dem direkten angiographischen Beweis entzogen. Sic verhiel ten sieh im Luf tb i ld wie im Angiogramm als raumfordernder ProzeB. Der wahre Saehverhal t wurde ers~ wghrend des operat iven Eingriffs auf- gedeekt. Es werden kurz die Schwierigkeiten der R6ntgendiagnos t ik dieser Anenrysmen er6rtert und einige Bemerkungen zur chirurgisehen Therapie beigeffigt.

Summary

A description is given of four large intraeranial saecular aneurysms (3 of them on the anterior communicating artery, one of them a supraelinoid lesion of the internal carotid artery) which were not recognised as aneurysms at angiography. They behaved in the air studies as well as in the angiograms as space occupying lesions. The true nature of the lesions was only revealed at operation. The difficulties of diagnosing these aneurysms radiologieally is briefly discussed and some remarks on the surgical management are ap- pended.

R~sum~

La description est faite de 4 importants andvrysmes saeculaires intra- crgniens (dont trois si~u6s sur l'art6re communieante ant~rieure et un sur la portion supraelinoidienne de la carotide interne) qui n 'ont pas 6t6 d6eouverts

l'angiographie. Ils se eomportent aussi bien dans les explorations gazeuses que dans les

angiogrammes eomme des 16sions expansives. La v6ritable nature de ees 16sions n 'a 6t6 r6v616e qu'h l'op6ration.

Les difficul~6s de dignostic radiologique de ees an6vrysmes son~ bri6vement diseut6es et des remarques sur les directives chirurgicales sont ajoutdes.

Riassunto

Gli AA. riferiscono in merito a quattro grandi aneurismi endocranici sacculari (tre all'A, eomunieante anteriore e uno, sopraelinoidMe, della carotide interna), the erano sfuggi~i alla diretta rilevazione angiografica, durante la quMe si erano presentati come proeessi espansivi. La reale natura del tumore fu rivelata dall ' intervento ehirurgico. L'A. espone brevemente le diffieolth della rivelazione radiografiea di tall aneurismi, faeendo seguire aleune eonsiderazioni sulla terapia chirurgica.

Resumen

Se describen cuatro grandes aneurismas intracraneales saculares (3 de la arteria comunicante anterior y uno supraelinoidM de la arteria eardtida interna). Ninguno de ellos fu6 visto en las angiografias. En los estudios con aire, lo mismo queen las angiografias, se observaba la presencia de una lesidn. La verdadera naturaleza de la lesi6n se puso de manifiesto en la operaeidn.

Se discuten brevemente 1as difieultades para el diagndstico de estas lesiones, asi como algunas observaciones sobre el tratamiento quirdrgieo.

Page 11: Schwierigkeiten in der Röntgendiagnostik und in der Behandlung von großen intrakranialen sakkulären Aneurysmen

192 M. Dvorak und E. Klaus: Schwierigkeiten in der l=t6ntgendiagnostik

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Anschrift der Verfasser- Dr. M. Dvo6dk, ~%urochirurgisehe Abteilung des Fakult~tskrankenhauses, 01omouc (OSSR); Doz. Dr. E. Klaus, ~Teurologische Klinik, 01omouc (0SSR).