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XX. Aus dem Pharmakologischen Institut der Universitiit J ena. (Direktor: Prof. Dr. Ki o nk a.) Setzt der Geschmack eines Salzes sich zusammen aus dem Geschmack der einzelnen Ionen oder schmeckt man j edes Salz als (~esamtmolekiil ? Von It. Kionka und F. Str~tz. (Mit 1 Kurve.) (Eingegangen am 10. VII. 1922.) Die Frage, ob sich der G-eschmack eines Salzes zusammensetzt aus dem Gesehmack der einzelnen Ionen, oder ob man ein Salz als Gesamtmoleknl sehmeekt, ist schon einmal, wenn auch in etwas ver- ~tnderter Fragestellung, yon HSber und Kiesow (1) aufgeworfen worden. Jedoeh hat dieselbe damals keine klare Beantwortung ge- fanden. Es wurden yon den genannten Verfassern Salze mit Ionen versehiedener Wertigkeit miteinander vergliehen, so dab nicht ohne weiteres bei den mit solehen Salzen erhaltenen Resultaten Yergleichs- werte fur die Wirkungsst~trke der einzelnen Ionen gewonnen werden kSnnten. Aueh waren nut einige wenige Salze yon HiSber und Kiesow untersueht und miteinander vergliehen worden. Es schien daher eine Naehprtifung notwendig. Die Versuche wurden an 4 Mensehen angestellt. Als Versuehs- zeit wurde haupts~tehlieh die Zeit vor dem Mittagessen gew~hlt, und zwar yon 10--12 Uhr vormittags; denn wir hatten bei den ersten Probeversuchen empfunden, dab man im Zustande der Ntiehternheit den Gesehmaek besser empfindet als im Zustande der Si~ttigung. Was die Gesehmaeksstoffe selber anbelangt, so wi~hlten wir zu den Versuehen die einwertigen Halogene 01, Br, J in ihren Verbin- dungen mit Na 7 K, NH4, Li, Rb und Cs. Diese Salze wurden ge- wi~hlt einerseits wegen ihrer einfaehen molekularen Zusammensetzung~ Archly f. experiment. Path. u. Pharmakol. Bd. 95. ]{~

Setzt der Geschmack eines Salzes sich zusammen aus dem Geschmack der einzelnen Ionen oder schmeckt man jedes Salz als Gesamtmolekül?

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Page 1: Setzt der Geschmack eines Salzes sich zusammen aus dem Geschmack der einzelnen Ionen oder schmeckt man jedes Salz als Gesamtmolekül?

XX.

Aus dem Pharmakologischen Institut der Universitiit J ena. (Direktor: Prof. Dr. Ki o nk a.)

Setzt der Geschmack eines Salzes sich zusammen aus dem Geschmack der einzelnen Ionen oder schmeckt man j edes Salz als (~esamtmolekiil ?

V o n

It. Kionka und F. Str~tz.

(Mit 1 Kurve.) (Eingegangen am 10. VII. 1922.)

Die Frage, ob sich der G-eschmack eines Salzes zusammensetzt aus dem Gesehmack der einzelnen Ionen, oder ob man ein Salz als Gesamtmoleknl sehmeekt, ist schon einmal, wenn auch in etwas ver- ~tnderter Fragestellung, yon HSbe r und Kiesow (1) aufgeworfen worden. Jedoeh hat dieselbe damals keine klare Beantwortung ge- fanden. Es wurden yon den genannten Verfassern Salze mit Ionen versehiedener Wertigkeit miteinander vergliehen, so dab nicht ohne weiteres bei den mit solehen Salzen erhaltenen Resultaten Yergleichs- werte fur die Wirkungsst~trke der einzelnen Ionen gewonnen werden kSnnten. Aueh waren nut einige wenige Salze yon HiSber und K i e s o w untersueht und miteinander vergliehen worden. Es schien daher eine Naehprtifung notwendig.

Die Versuche wurden an 4 Mensehen angestellt. Als Versuehs- zeit wurde haupts~tehlieh die Zeit vor dem Mittagessen gew~hlt, und zwar yon 10--12 Uhr vormittags; denn wir hatten bei den ersten Probeversuchen empfunden, dab man im Zustande der Ntiehternheit den Gesehmaek besser empfindet als im Zustande der Si~ttigung.

Was die Gesehmaeksstoffe selber anbelangt, so wi~hlten wir zu den Versuehen die einwertigen Halogene 01, Br, J in ihren Verbin- dungen mit Na 7 K, NH4, Li, Rb und Cs. Diese Salze wurden ge- wi~hlt einerseits wegen ihrer einfaehen molekularen Zusammensetzung~

Archly f. experiment. Path. u. Pharmakol . Bd. 95. ]{~

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andererseits haben sie noeh den Vorzug, dab bei ihrer Applikation der ranmlich so nahe Geruchssinn nicht mit erregt wird.

Es warde die grSBte Sorgfalt angewendet; nm quantitativ mSg- liehst genau zu arbeiten. Selbstverst~ndlich ma[~ten die Wirkungen der Salze in deren molekularen Verh~ltnis miteinander vergliehen werden, deshalb bildete den Ausgangspunkt aller Versnehe die

�9 1/10 NormallSsung der oben angeftihrten Salze. Die Salze hatten wir uns yon der Firma Kahlbaum in Berlin in zugesehmolzenen Glas- r~hren kommen lassen. Wir stellten die 1/10 NormallSsung yon jedem Salze so her, dab wit anf einer chemischen Wage J/loo des Mole- kulargewiehtes in Gramm abwogen und zu 100 ccm mit destilliertem Wasser 15sten. Diese ~/lo Normall~sung wurde dann welter verdUnnt auf 1/2o, 1/loo 7 1/2oo nsw. NormallSsung. Die Angaben im folgenden beziehen sieh also stets auf Bruehteile der NormallSsung.

Die so hergestellten ~/lo NormallSsungen der zu untersuehenden Salze wurden im Er lenmeyer -Kolben anfbewahrt uud in den Brut- schrank gestellt, um die L(isungen auf die bei der Geschmaeksprtffung erforderliehe KSrpertemperatur zu bringen. 1]bet die Wirkung und den EinfluB yon Temperaturen auf Gesehmacksempfindungen hat F r i e d r i e h Kiesow(2) eine kurze Abhandlung verSffentlieht. Er erwahnt darin, dab bereits E rns t I t e i n r i e h Weber (3) im Jahre 1847 gesehrieben hat: ,Ich habe gefunden, dag die Gesehmaeksnerven und die Tastnerven durch K~lte und Wiirme auf einige Zeit die F~higkeit verlieren, um Gesehmaeksempfindungen und Empfindungen yon Wiirme und K~tlte zu versehaf/en...~ Und am Schlusse seiner Abhandlung faint Webe r die Resultate seiner Versuche noehmals in dem Satze znsammen: ~Wenn die Enden der Nerven der Zunge der Einwirkung einer W~rme, welehe sieh 41~ R n~hert, oder einer KNte, die dem Nullpunkt nahe kommt, ausgesetzt werden, so verlieren sie auf kurze Zeit die Eigenschaft, uns Gesehmaeksempfindungen zu ver- sehaffen.

Kiesow hat die Angaben W e b e r s in eigenen Versuehen nach- geprUft und hat im allgemeinen bis in das Einzelne dieselben Resul- tare wie W e b e r erzielt. So hat denn auch Kiesow in seinen eigenen Versuehen tiber den Geschmackssinn den st~renden EinfiuB der Temperatnrempfindungen dadureh ausgesehlossen, dab ervor den Untersuehungen die zu verwendende SchmeckfiUssigkeit auf die Eigen- temperatur des Mundranmes erhShte. Deshalb lieBen wir aueh, wie bereits oben erw~hnt, die mit 1/1 o NormallSsung der betreffenden Salze gefUllten Erl en m eye r-Kolben 24 Stunden in dem Brutsehrank stehen~ bevor wir die einzelnen Untersuehungen vornahmen. Die E r l e n -

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meyer-Kolben wurden sorgf~ltigst verkorkt, um einerseits die Ver- dunstung der LSsungsfltissigkeit auszusehalten, andererseits abet um zu vermeiden, dab die LSsungen den Eigengerueh des Brutschrankes annahmen. Zu allen Versuehen wurde destilliertes Wasser verwendet; auch zum Mundaussptilen naeh jeder Gesehmaeksprobe wurde auf K~rpertemperatur erhShtes destilliertes Wasser benutzt. Diese jedes- raalige Reinigung des Mundes, die sehr grtindlich erfolgen muBte, war unbedingt notwendig, damit nieht durch Spuren der zuvor ge- priiften L~sung, die etwa in Falten tier MundhShle zurUekgeblieben waren, tier Gesehmaek der folgenden Probe beeinflul3t wurde.

Zur Applikation der GesehmaekslSsungen verwendeten wit tin graduiertes RShrehen mit Tropfansatz. Von feinen Haarpinseln und dergleiehen, wie sie z. B. Kiesow (5) und Hanig (4) in ihren Versuchen verwendet haben, konnten wir absehen, da es ja bei unseren Ver- suehen nieht darauf ankara, die Lokalisation des Gesehmaekes auf tier Zunge and in der Mundkavitat, sowie die Perzeptionsf~higkeit der einzelnen Papillen zn prtifen, sondern wit wollten lediglich die Gesehmacksqualitaten und die Sehwellenwerte der betreffenden Salz- l~sungen feststellen, d. h. die Konzentration, welehe die Reizsehwelle des spezifisehen Gesehmackes der betreffenden SalzlSsung darstellte. Wir liel~en die LSsung langsam auf die Zunge rieseln; die Quantitat der zu applizierenden FlUssigkeit war ganz versehieden; bei der 1/10 NormallSsung genUgte sehon 1]2 ecru, um die Gesehmaeksintcnsitat i'estzustellen, und die Zungenspitze reiehte als alleinige Sehmeekfli~che aus, um den Gesehmaek wahrzunehmen; je n~her man sieh aber dem Sehwellenwerte der einzelnen LSsungen n~herte, um so mehr Fliissig- keit wurde dazu verbraucht; die Sehwellenwerte konnten nur fest- g'estellt werden, indem mindestens 6--10 ccm der LSsnng im Mnnde ausgiebig bin- and hergespUlt warden: damit sie mit allen geschmack- perzipierenden Teilen der Mundhiihle in innig'e Ber tihrung kamen.

Die Applikation geschah in absteigender Reihe. Wir prUften zuniichst die 1]1 o ~ormallSsung eines Salzes aufGesebmaeksempfindung, dann in abnehmender Konzentration die weiteren Verdtinnungen, bis endlieh die LSsung, die den Sehwellenwert darstellte, gefunden war. Jede Reihe wurde mehrere Male durehgeschmeek L ehe der Sehwellen- wert als festgestellt galt. Die Konzentration der Sehwellenwert- 15sungen ist so gering, dab man mit Sicherheit annehmen kann, dab die Salze vollkommen dissoziiert sind.

Bei den einzelnen Gesehmaeksproben mnBte selbstversti~ndlieh die :Naehwirkung des einen Eindruekes erst vollst~indig erloschen sein~ ehe ein neuer erfolgen konnte. Die Zwisehenzeit wurde dutch

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vollst~indiges Aussptilen des Mundes mit dem auf KSrpertemperatur erwKrmten destillierten Wasser verkUrzt.

Gesehmacksproben zur Festellun~, bei welch niedrigster Konzen- tration ein Salz noeh in Wasser zu sehmeeken sei, sind schon viel- faeh angestellt worden, doeh dienten diese Untersuehungen stets anderen Zweeken. So wurden yon seiten der Hygieniker zahlreiehe GeschmaeksprUfungen in groBen Versuchsreihen an zahlreiehen Ver- suehspersonen ausgeftihrt, um z. B. die Gesehmacksgrenze yon Kali- endlaugen in Trinkwasser festzustellen.

In allen diesen Fallen kam es aber darauf an~ ob ein Wasser, dem nut geringe Mengen yon Salzen beigemisGht waren, dadureh einen far die meisten Mensehen unangenehmen Geschmaek bek~me, oder ob ein solehes Wasser noch als angenehmes Trinkwasser be- nUtzt werden k~nnte.

Bei derartigen Versuehen spielte natUrlieh das subjektive Wahr= nehmungsvermSgen eine groBe Rolle und es ist ganz richtig, wenn Stooff(13) sagt, dab bei allen derartigen Versuehen zun~chst die Selbsttausehung (Autosuggestion) eine gewisse Rolle spielt. ~>Jeder Teilnehmer, m a g e r sigh noch so groBe MUhe geben~ objektiv zu urteilen, geht eine derartige Probe mit dem unbewuBten Gedanken ein, irgend etwas herauszusehmecken, ein Gedanke, auf den er wahr- seheinlieh niemals kommen wUrde, wenn ihm ein derartiges Getr~nk zu diesem Zweck vorgesetzt und er hinterher nach dem Gesehmack gefragt wurde.<, Dieser Gefahr der Selbsttausehung waren allerdings in den yon den Hygienikern angestellten Versuehsreihen nile Ver- suehspersonen in hohem MaBe ausgesetzt, und es sind daher die in der zahlreichen Literatnr dieser Art 1) niedergelegten Resnltate h~ufig einander sehr widerspreehend.

Bei unseren Untersuehungen kam aber diese Gefahr nieht in Betraeht. Bei uns mul3te jeder Versueher sieh die grSBte Miihe geben~ festzustellen ob er noeh irgend etwas schmeekte oder night. Er muBte seine Aufmerksamkeit aufs ~ui~erste auf die Wahrnehmnng der Gesehmacksempfindnngen in jedem Versueh konzentrieren. Es kam daher fur uns aueh eine ganz a.ndere Teehnik in Betraeht als fur die oben erwi~hnten Untersuehungen der ttygieniker. Wir muf~ten vor allen Dingen die oben sehon erwahnte Tatsache berUeksichtigen, dab die Gesehmaehsempfindung h~ufig erst ganz allm~hlieh eintrat~ namentlich bei der Einwirkung sehr niedrig konzentrierter LSsungen. Es muBte also dem PrUfenden in jedem Falle genUgend z~eit zur

1) Die Liter~tur ist zusammengestcllt bei W. l~ a r z h a n (12) uad H. S t o off (13).

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genauen Feststellung einer etwa vorhandenen Geschmacksempfindung gelassen werden.

Ferner war zu bedenken, dab bei Prtifung qualitativ verschie- dener Geschm~cke eine gegenseitige Beeinflussung der Geschmacks- empfindung eintreten mui~te, namentlieh muBte vermieden werden, dab etwa ein Geschmack die Empfindung" ftir einen daranf geprtiften Geschmack abstumpfte.

Es ergab sieh daher yon selbst die zweite Forderung, dab zur Feststellung der Empfindungsst~trke eines bestimmten Geschmackes nur immer dasselbe Salz in versehieden hehen Konzentrationen nachein- ander in einer Versuchsreihe geprtift werden durfte. Ein Wechseln mit versehiedenen zu prtifenden Salzcn innerhalb ein und derselben Versuehsreihe durfte nicht stattfinden. Abet auch die Konzentration yon zwei nacheinander geprtiften Liisnngen desselben Salzes durfte nieh~ gar zu welt auseinanderliegen, well sonst eben die Gefahr der Geschmaeksabstumpfung eintreten konnte.

Aus diesen l)berlegungen heraus ergab sich die im vorhergehen- den im einzelnen beschriebene Versuchsanordnung.

DaB dieselbe gut war, bewiesen die Resultate. Es wurde nament- lich yon den verschiedenen Versuehspersonen, welche jede einzeln und ohne, dab die eine die Versuchsergebnisse bei den anderen Versuchspersonen kannte, auf die Stiirke ihrer Geschmacksempfin- dungen den verschiedenen Salzen gegentiber geprUft. Dabei ergaben sich: wie weiter unten zu sehen is L ganz aul~erordentlich naheliegende Schwellenwerte far die einzelnen Personen. Wit durften also uns bei so gat Ubereinstimmenden Resultaten mit 4 Versuchspersonen begnUgen und konnten aus den einander so naheliegenden Schwellen- werten, die bei den.einzelnen Versuchspersonen ermittelt waren, recht gute Mittelwerte ziehen.

Erw~hnen mSchten wir nocb, dab die Versuchspersonen indi- viduell versehiedene Empfindungen fUr gewisse Salze zeigten: so hatte der eine ein besonders feines Empfinden ftir Jodsalze, der andere dagegen war sehr empfindlieh fur Bromsalze.

Ferner sei bemerkt, dab K. und ein Zweiter Nichtraueher sind, ein Dritter leidenschaftlicher Rancher ist, und dal3 S~. mN?ig raucht.

Uber die bei den einzelnen Versnchspersonen festgestellten Sehwellenwerte der auf ihre Geschmacksintensitiit untersuchten

Salzliisungen.

Um das Ergebnis der in der Versuchsanordnung ausftihrlich be- schriebenen Geschmacksproben iibersichtlich zu gestalten~ haben wir

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die yon den 4 Versuchspersonen gefundenen Sehwellenwerte einer jeden SalzlCisung in ein Schema eingetragen. Dann haben wit yon den vier so gefundenen Sehwellenwerten einer jeden SalzlCisung' das arithmetisehe Mittel genommen nn(1 haben so einen Mit~elwert far-den Sehwellenwert eines jeden Salzes erhalten, den wit in ein Koordi- natensystem eintrugen. Die Sehwellenwerte tier einzelnen Versuehs- personen lagen alle, wie sehon gesagt, dieht beieinander, so dab gute Mittelwerte festgestellt werden konnten. Indem wit die einzelnen 1V[ittelwerte der Salze mit gleiehem Anion miteinander verbanden, erhielten wir drei versehiedene Kurven; jede dieser 3 Kurven zeigte den g'leiehen typisehen Verlauf. Wit kommen zu folgendem Ergebnis:

Die Kationen sind das die Gesehmaeksintensitiit bestimmende. Die Tafel zeigt, dab fur ein bestimmtes Kation die Sehwellenwerte der Salze mit versehiedenem Anion sehr nahe beieinander liegen,

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Indessen liegen die Sehwellenwerte fiir Salze mit gleiehem Kation stets so, dab das Salz mit Brom-Ion den niedrigsten~ das mit Jod-Ion den hSehsten Sehwellenwert aufweist. In zweiter LiMe ist also aneh das Anion eines Salzes mit bestimmend far die Intensiti~t des Gesehmackes.

Welter folgt aus der Tafel, dab die Salze mit Ammonium-Ion ihre Sehwellenwerte bei den griiBten VerdUnnungen haben, die an- deren bei geringeren Verdtinnang'sgraden, in aufsteigender Konzen- tration: Na~ Li, Rb, Cs~ K.

Salz

NaOl KC1 N[]4CI LiC1 RbC1 CsC1 NaBr KBr NH4Br LiBr RbBr CsBr NaJ KJ NH~J LiJ RbJ CsJ

St. K. Normal- i Normal- 10sung 10sung

1/600 t/200 3]600 1/300 lj25o l/coo 1/500 1/i50 1/600 i/400 1/250 1/250 1/400 I/~00 1/6oo 1/250 1/250 1/250

1/500 3/200 J/800

1/300 ~/350 1/700 3/400 1/800 1/350 ~/400 1/300 1/700 1/200 ~/800

1/400 "%o

Normal- l(isung

W~ Normal- 15sung

Mittelwert Normal- 15sung

3/600 1/300 1/700 i/500 I/4oo 1/300 3/600 1/200 1)700 1/500 1/400 1/300 i/500 t/300 1/700 1/500 t/300

%oo 1/300 1/700 1/400 I1300 I/4oo i/600 1/300 1/800 1/~oo 1/300 t/400 1/600 ~/300 1/700 I/3oo 1/300 ~/3oo

%o 1/700 %0

I/3i2 1/600 1/262 i/725 1/425 1/337 1/3t2 1/550 1/250

i %o

%00

l)ber die Geschmacksqualitiiten tier untersuchten Salzliisungen.

Was die Gesehmaeksqnalit~tten der verschiedenen Salze anbetrifft, so haben wir eine sehr groBe Mannigfaltigkeit gefunden.

Wir haben folgendes gefunden:

I. NaC1.

D e r Oesehmaek einer ! io NormallSsung dieses Salzes ist rein salzig und frei yon jedem Beigesehmaek. Aueh in den grSgten Verdtinnungen konnten wir noch yon einem reinen salzigen Gesehmaek spreehen. Wir mSehten an dieser Stelle gleich bemerken~ dalt NaC1 yon allan 18 Salzen das einzige war~ welches reine, ungemisehte 8chmeckempfindungen auslSste; alle anderen Salze zeigten mehr oder weniger einen Mischgesehmaek. Auch

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maehten wir bei den Untersuehungen der NaC1-NormallOsungen die Wahr- nehmnng~ daf~ das naeh der Applikation zum Aussp{ilen des Mundes be- nutzte destillierte Wasser zuweilen deutlieh eine stil~liehe Gesehmacks- empfindung hervorrief.

2. KC1.

Der Geschmaek einer 1/1 o NormallSsung dieses Salzes ist salzig-bitter. I)as Salzige ist yon einem etwas steehenden Charakter im Gegensatz zu dem reinen~ milden NaCi-Gesehmaek. Man empfindet bei der 1/'1o Normal- 10sung neben dem Salzigen deutlieh einen bitteren Beigesehmaek. In den sti~rksten Verdtinnungen verliert sieh der salzlge Geschmack und der bittere nimmt den Charakter des alkalisehen Gesehmaekes an.

3. NHaC1.

Der Geschmaek einer lj/~o Normalliisung" dieses Salzes ist seharf salzig mit einem bitteren Bdgesehmaek. Wir m~iehten den salzen Gesehmaek auch als steehend und ))adstringierend, bezeiehnen; er iibertrifft den bittteren bei weitem an Intensitiit~ doeh ist der bittere Gesehmaek deutlieh vor- handen und nahe dem Sehwellenwert der LOsung ist er fast rein und hat den salzigen Geschmack fast vollkommen iibert0nt.

4. N~Br,

Der Gesehmaek einer 1/10 Normallesung dieses Salzes ist salzig, doeh ist ein ganz geringer bitterer Beigesehmack dem Salze eigen. Den Ge- sehmaek des Sehwellenwertes bezeiehneten wir als sehwaeh laugig.

5. KBr.

Der Geschmaek einer 1/'1o Normall(isung dieses Salzes ist bitter-salzig; das Salzige kOnnten wir als ,steehen&< bezeiehnen, das Bittere mehr als sehwach bitter-fade. Den Gesehmaek des Sehwellenwertes bezeiehneten wir als fade-salzig.

6. NH~Br.

Der Gesehmack einer 1/'1o NormalRisang dieses Salzes ist salzig mit einem bitteren Beigesehmack; das Salzige iiberwiegt, man kann den Ge- schmaek auch als ),stechend salzigr bezeiehnen; er laBt sieh noeh in den grS~ten Verdtinnungen naehweisen.

7. N~3".

Der Geschmack einer J/lo Normallesnng dieses Salzes ist salzig-saner mit einem bitteren Beigesehmack. In den griil~ten Verdttnnnngen mSchten wir den Gesehmaek als lauglg bezeiehnen.

8. KJ.

Der Geschmaek dner 1/1 o bTormalRisung dieses Salzes ist salzig-bitter. Man empfindet zuerst einen seharf salzigen Gesehmaek, der dann yon einem unangenehmen~ lang anhaltenden~ intensiv bitteren Gesehmack~ den man auch als ;, metalliseh ,, bezeiehnen kOnnte~ iibert0nt wird. Diesen bitteren Geschmaek empfanden wlr noeh bei den grOl~ten Verdfinnungen.

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9. NH4J. Der Geschmaek einer 1/lo NormallSsung dieses Salzes ist unangenehm

bitter mit einem steehend salzigen, adstringierenden Beigesehmaek. In den hiiehsten Verdiinnungen m0chten wit den Geschmaek als bitterlich ab- gestumpft bezeiehnen.

lO. LiC1. Den Gesehmaek einer 1/'1o Normall0sung dieses Salzes bezeiehnen wit

als seharf salzig; wir k(innen ihn abet nieht mit dem Gesehmaek des NaCl auf gleiehe Stufe stellen, denn den salzigen Gesehmaek des LiC1 empfinden wir stechender and unreiner und viel sehi~rfer. In den grS~ten Ver- diinnungen empfanden wir einen mehr saizig-faden Gesehmaek. NaCl sehmeekt viel angenehmer als LiCl.

!1. LiBr. Der Gesehmaek einer ~/lo NormallOsung dieses Salzes ist salzig mit

einem sehwach bitteren Beigeschmack; letzterer ist sehr gering~ er wirkt gewissermal~en abstumpfend auf das Salzige. W. empfand den salzig- abgestumpften Geschmaek in den Verdtinnungen zuweilen sogar als siil~lich.

12. LiJ.

Den Gesehmack einer 1/1 o NormallSsung dieses Salzes bezeiehnen wir als steehend-salzig mit einem bitteren Beigeschmack. In der l/i o Norman 10sung iiberwiegt das Salzige stark~ in grSl]erer u nimmt es mehr ,sauer-salzigen, Charakter an. In den grSl~ten Verdtinnungen nahe dem SehwelIenwert tiberwiegt das Bitter% das sich sehliei~lleh in einen un- bestimmten Gesehmaek verliert.

13. RbC1. Der Geschmack einer 1/1 o Normall0sung dieses Salzes ist salzig mit

einem seharf bitteren Beigeschmack. In den grSl~ten Verdiinnungen be- zeiehnet W. den Gesehmaek als sifl]lieh-fade.

14. RbBr.

Der Gesehmaek einer 1/10 Nol'malliisung dieses Salzes ist bitter and salzig; das Bittere iiberwiegt, es hat etwas Adstringierendes. Der herbe~ bittere Gesehmaek halt sich bls zu den gr0i~en Verdiinnungen.

15. RbJ. Der Gesehmaek einer !/t o NormallSsung dieses Salzes ist scharf bltter

mit salzigem Beigeschmack. Das ))seharf-bitterr kSnnen wit aueh als metallisch bezeiehnen. An der Reizsehwelle nimmt die L0sung einen widerllehen~ unbestimmten Gesehmack an.

16. CsC1. Den Geschmack einer ]/io Normall~isung dieses Salzes bezeiehnen wir

als iiberwiegend bitter mit einem geringen salzigen Belgesehmaek. Nahe dem Sehwellenwert verschwindet der salzige Beigesehmack~ und der Ge- sehmack verliert sieh in mehr Fade-bitter.

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17. CsBr.

Der Geschmack einer 1/"1o 1NormallSsung dieses Salzes ist bitter-salzig; alas Bitter iiberwiegt. Die Reizsehwelle bezeiehnet W. als bitterabgestumpft.

18. Cs3".

Der Gesehmaek einer 1/l o Normall6sung dieses Salzes ist ebenfalls bitter-salzig wie der Geschmack yon CsBr. CsJ wirkt aber adstringierend. Der salzige Beigeschmack ist geringer. Wir bezeiehnen den Sehwellen- wert als bitterlieh-fade; W. empfand noeh einen ganz geringen stigliehen Gesehmaek.

Fassen wir das Resultat yon den versehiedenen Gesehmaeks- qualitiiten der 18 Salze zusammen, so kiSnnen wit sagen:

Reinen Gesehmaek zeigte yon allen 18 Salzen nur ein Salz, das NaCI, d.h. es hatte ,,reinen Salzgesehmaek~. Erkli~rlieh, da unser Organismus gerade auf dieses Salz ,eingestellt, ist. NaC1-Liisung bildet die Grundlage fur die ErnlihrungsflUssigkeiten und den Inhalt unserer siimtliehen Zellen.

Die anderen 17 Salze zeigten Misehgesehmiieke, vorwiegend salzig und bitter kombiniert. Die Gesehmaeksqualitiit eines jeden Salzes ~tnderte sieh mit dem Weehsel der Konzentration, somit wurden bei jedem Salze yon der Konzen~rationsst~rke der 1/1 o Normalltisung an abwi~rts his zur niedrigsten Konzentration, dem Sehwellenwerte, versehiedene Gesehmaeksempfindungen wahrgenommen. Auf diese Weise wurden bei den Geschmaeksproben tier 18 Salze nieht weniger als 25 versehiedene Gesehmacksqualit~tten festgestellt, niimlieh:

1. Reinsalzig ohne jeden Beigesehmack: •aC1. 2. Steehendsalzig: KCI~ ~I-I4C1, IqH4Br, blH4J~ KBr~ LiJ. 3. Salzig-bitter (sa!zig > bitter): KJ, KC1. 4. Salzig-fade: LiCl. 5. Salzig-abgestumpft: LiBr. 6. Salzig mit bitterem Beigesehmack: NH4Cl~ I~H4Br. 7. Salzig mi~ sehwach bitterem Beigeschmaek: 51aBr, LiBr: RbC1. 8. Salzig-sauer mit bitterem Beigeschmack: lqaJ. 9. Scharf-bitter : RbJ.

10. Bitterlieh-abgestumpft: ~H4J~ CsBr. 11. Bitterlich-fade: CsJ. 12. Bitter mit geringem salzigen Beigeschmack: CsC1. 13. Bitter-salzig (bitter> salzig): KBr: RbBr~ CsBr~ CsJ. 141 Unangenehm bitter: 5IH4J. 15. Unangenehm: langanhaltend intensiv bitter: KJ. 16. Fade-salziff: KBr. 17. Fade-bitter: CsJ. 18. Fade-schwaeh bitter: KBr.

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Setzt der Geschmack eines Salzes sich zusammen usw. 251

19. Laugig: KC1, NaJ. 20. Schwach-laugig: IqaBr. 21. Metallisch: KJ, RbJ. 22. Adstringierend: ~H4C1 ~ ~H4J ~ RbBr~ CsJ. 23. Stif~lich: LiBr, CsJ. 24. SiiiMich-fade: RbCl. 25. Unbestimmt: LiJ~ RbJ.

Aus diesen vielen Geschmacksempfindungen sieht man, dab man mit den ~vier Grundempfindungen des Geschmaekssinnes, des Salzigen, Sti[3en, Sauren und Bitteren, (5) allein nieht auskommt, sondern dab es noeh eine Unmenge anderer Geschmi~eke gibt. Nach Z iehen (6) untersehied L inn6 schon 10 Geschmaeksqualit~iten. Dem hi~lt Z i eben entgegen, dab der Geschmackssinn auBerordentlieh qualit~tenarm sei. Er unterscheidet daher in der Gruppe der Geschmaeksqualit~ten nut vier mit Sicherheit: saner, sUB, salzig, bitter, u n d e r nimmt an, dab das, was wit, abgesehen yon jenen vier Qualitiiten, ats Geschmaek bezeiehnen, Gerueh ist, da im hinteren Teile der MundhSh!e etwas yon den FlUssigkeiten verdampft und yon hinten in die Nasenh~ihle gelangt, um hier gerochen zu werden. Diesem k~innen wir nicht zn- stimmen; denn die Salze, die wir verwandten, waren alle gerueblos. Nur zwei Herren glaubten bei elnigen Jodsalzen einen spezifisehen Gerueh wahrzunehmen. Hans Henn ing(7 ) sagt, dab kein einziger Experimentator existiere, der bei der Prtifung zahlreieher Stoffe aueh nur vier isolierte Geschmaeksarten vorgefunden hi~tte und welcher mit den vier Geschmaeksnamen auski~me, sondern alle stieBen auf viel mehr Gesehmaeksqualit~iten.

Was nun die versehiedenen Geschmaeksempfindungen selbst an- betrifft, so kommt H e n n i n g zu der Erklarung'~ ~daB alle yon ehemieh einfachen Stoffen ansgelSsten Geschmacke aneh einfaehe und einheitliehe Empfindungen sind, die sieh jedoch s~mtlieh im Gesehmack mehr oder weniger voneinander unterscheiden. Wie jeder Wellen- l~nge des Liehts eine andere Farbe, jeder Sehwingnng ein anderer Ton, jedem Aromatikum ein anderer Geruch entsprieht, so l~ist auch jeder Sebmeekstoff einen anderen Geschmaek aus. Wie rot, gelb, grtin and blan (nach Hering), oder wie wUrzig, blnmig', fruehtig, harzig, brenzlich nnd faulig nnr ausgezeiehnete l:'unkte im Kontinuum der entspreehenden Empfindungen bilden, so sind salzig, saner, sUB und bitter die ausgezeiehneten Punkte im Gesehmaekskontinuum. Unter ,ausgezeiehneten Punkten' der Psyehophysik versteht man diejenigen Punkte, an welehen sieh beim Durehlaufen des Kontinuums die Ahnliehkeitsriehtung iindert. Danaeh bleibt als Modell der ein-

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fachen Gesehmi~cke nur die Oberfliiehe der Tetraeders, an dessen Spitzen salzi~, sauer~ sUB und bitter stehen~ und dessen Flaehen dutch die einfaehen Ubergangsgeschmiieke (bitter~ silB~ laugig usw.) belegt werden.

Und nun einige Worte tiber die besonderen Geschm~eke: dem alkalisehen, metallisehen, adstringierenden~ unbestimmten Geschmaek und dem Naehgesehmack.

In den Versuehen baben wit KCI~ NaJ und :NaBr als alkaliseh bzw. laug]~ sehmeekend bezeichnet. Henn ing sagt~ dab im alka- lisehen Gesehmaek nicht stil3 und bitter wie in einer Mischun~ aus Chinin und Zucker ~enthalten,~ sind, ~sondern das Laugige ist ein einfaeher Geschmack~ der im Kontinuum Iingefithr in der Mitre zwi- sehen stilt und bitter steht~.

Was den metallisehen Gesehmaek anbetrifft~ den wit bei KJ und RbJ wahrgenommen haben~ so wird dieser yon I ter l i tzka(8) und yon Frey(9) geleugnet bzw. auf Gerueh zurilekgefUhrt. Ziehen gibt an~ daft er - - gleiehsam wie der laugige Geschmack - - dutch Verdampfung flUehtiger Basen entsteht, die in die ~asenhShlung ge- langen und hier als Geruehsempfindungen wahrgenommen werden. Henn ing g'ibt an~ dab naeh Cohn der metallisehe Gesehmaek sieher dam Sauer und Sill] enthalte. Henn ing selbst stellt den metallischen Gescbmaek in die Nithe des sauren Geschmackes.

Die adstringierendr Geschmaeksqualitiit~ wie wir sie in den obigen Versuehen bei NH~Cl~ NHtJ~ RbBr und CsJ wahrnahmen, beruht naeh Ziehen auf ~eigenartigen Kombinationen der elementaren Gesehmaeksempfindungen und beigemisehten Berilhrungsempfindungen,,.

Was die Bezeiehnung >~in h~iehster Verdilnnung sillllieh~ an- betrifft (vgl. W. bei LiBr und CsJ)~ so ist dies als Kontrasterschei- hung aufzufassen. Wenn man die Zunge erst mit einer sehwaehen Siturel~isung bespillt, so erseheint einem destilliertes Wasser, das an sieh gesehmaeklos ist, hinterher leieht sill3 und umgekehrt; auel~ salzig und stiff, sowie salzig und sauer stehen in einem iihnlichen Kontrast. Nur filr bitter seheinen analoge Kontrasterseheinungen nieht festzustellen zu sein.

Naeh Henn ing sell man unter Kontrast nieht, wie das so h~tufig gesehieht, aul~er wirkliehem Kontrast aueh Ubert~inung, Kompen- sation, Ermlidung~ :Naehgesehmack, Gefilhlswechsel und dergleiehen verstehen, sondern lediglieh dam Foigende: ,Naeh einer Gesehmaeks- reizung (z. B. dutch lqaCl) erseheint hinterher gebotenes destilliertes Wasser in einem anderen Sinne (z. B. sill3) sehmeekend.~ Diem wurde am deutliehsten bestiitigt in dem Versuch mit NaCl: we das desti!!ierte

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Setzt der Geschmack eines Salzes sich zasammen usw. 253

Wasser yon 3 .Versuehspersonen ebenfalls als siiBlieh sehmeekend bezeiehnet wurde (siehe Nr. 1 NaCI). Dieselbe Erfahrung maehten wir aueh mit Salzs~ure, wie wit sie in dem am Ende der Abhand- lung besehriebenen Versuehe anwandten, um die Beeinflussung des Geschmaekes dutch Kolloide festzustelten. Aueh hier zeigte alas zum Mandaussptilen verwandte destillierte Wasser einen ausgesprochenen stiBliehen Geschmack. He r l i t zka and Henn ing erkliiren sieh die Entstehung des Kontrastes durch die Einwirkung yon Kolloiden. Sie nehmen an, dab alas betreffende, die Kontrastwirkung ausl(isende Salz einen ~qiedersehlag der im Endapparat befindliehen Kolloide erzeugt und dadureh eine spezifisehe Reizung veranlal]t; die darauf folgende Applikation yon destilliertem Wasser ftihrte wieder eine L(isung der Kolloide herbei, was eine andersartige Reizung bedeutet.

Was endlich den N a e h g e s e h m a c k noeh anbetrifft~ so geht aus den Versuchen hervor, dab vor allem der bittere Nachgesehmaek am l~tngsten andauert (vgl. KJ, NH4C]~ NH~J~ RbBr~ CsC1, CsBr); jeden- falls ttbertrifft er an Sti~rke den salzigen Nachgesehmaek- eine Tatsache, die aueh Kiesow in seinen Versuchen sehon festgestellt hatte. Der bittere Naehgeschmack wurde am deutliehsten im hinteren Teile der MandhShle wahrgenommen, and ist wohl darauf zurtick- zuftihren, wie bereits sehon Kiesow angenommen hat: dab bier die gri~Bte Sebmeckfl~ehe liegt. Naeh H e n n i n g perzipieren in der hinteren Mundkaviti~t: Zungenwurze], weicher Gaumen, Gaumen- bogen~ Ziipfchen~ Mandeln: Kehldeek@ hintere Raehenwand~ Kehl- kopfsinus.

Besteht irgendwelcher Einfluii der Kationen oder Anionen auf die Gesehmaeksqualitiiten ?

Es entsteht nun die Frage nach dem Anteil der Kationen und Anionen an der Geschmacksqua l i t~ t eines Salzes. Es sind oben die versehiedenen Geschmaeksempfindungen ausftihrlich beschrieben~ die dareh die untersuehten Salze in ihren LSsungen erzeugt werden. Dieselben weehseln bei ein und demsetben Salze mit der Konzen- tration der L(isung. Will man also Geschmaeksqualitaten verschie- dener Salze miteinander vergleiehen, so muB das stets bei derselben molekularen Konzentration geschehen. Wir vergliehen deshalb die Geschmaeksempfindungen miteinander~ welehe die untersuchten 18 Salze in J]lo NormallSsung hervorriefen.

Da warenes zwei Geschmaeksqualit~tten~ die vor allem bei allen diesen Salzen hervortrateu: der salzige and der bittere Gesehmack. Stellt man yon diesem Gesiehtspunkt die Gescbmiicke der gepriiften

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1/1 o NormallSsungen zusammen, so ergibt sieh, wenn man die Salze nach ihren Kationen und Anionen ordnet~ folgendes:

NaCI NaBr NaJ

KCI KBr KJ

NH4C1 NH4Br NH4J

LiC1 LiBr LiJ

RbC1 RbBr RbJ

CsCI CsBr CsJ

reinsalzig. salzig, mit geringem bitterem Beigesehmaek. salzig-sauer, mit bitterem Beigesehmaek.

salzig-stechend~ mit bitterem Beigesehmaek. salzig-steehend und zugleieh bitter. salzig und bitter~ langanhaltend intensiv bitter.

steehend-salzig~ mit bitterem Beigesehmaek. steehend-salzig~ mit bitterem Beigesehmaek. steehend-salzig und zugleieh unangenehm bitter.

seharf steehend-salzig. salzig, mit geringembitterem Beigesehmaek. steehend-salzig, mit bitterem Beigesehmaek.

salzig~ sehwaeh bitterer Beigesehmaek: bitter iiberwiegt und salzig. seharf-bitter~ salziger Beigesehmaek.

bitter iiberwiegt~ geringer salziger Beigeschmaek. bitter iiberwiegt~ daneben salzig. bitter~ geringer salziger Beigesehmaek.

Daraus kann man drei Gruppen zusammenstellen: Gruppe 1: Der salzige Gesehmack iiberwiegt oder ist allein da. Gruppe 2: Sowohl der salzige uls aueh der bittere Gesehmack

werden stark empfunden.. Gruppe 3: Der bittere Geschmaek tiberwiegt.

Gruppe 1. NaCi KC1 NH4C1 LiC1 RbC1 NaBr NH4Br LiBr NaJ LiJ

Gruppe 2. KBr NH4J

Oruppe 3. (Cat1) RbBr CsBr KJ RbJ CsJ

lJberblickt man diese drei Gruppen: so erweekt es doch den Ansehein~ als ob die Ionen, und zwar die Anionen, eine wesentliehe Rolle bei der Gesehmaeksqualititt mitspielten. Abgesehen yon CsCI, welches aus der Reihe fi~llt (s. u.!): zeigt sich~ dab Salze mit Cl-Ion

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Setzt der Geschmack eines Salzes sieh zuszm~nen usw. 255

stets einen deutlichen salzigen Geschmack aufweisen. Von den 6 Jodiden schmeeken 3 bitter, 2 salzig~ 1 salzig und bitter.

Es l~il~t sich abcr aueh noch eine andere seheinbare Abh~ngig- keit der Gesehmacksqualitltt eines Salzes yon seinem molekulliren Bau feststellen. Ordnen wir namlieh die untersuehten Salze nach der Gri~l~e ihres Molekulargewichtes in absteigender Reihe, so bekommt man folgende Anordnung:

RbJ 212~37 seharf-bitter mit salzigem Beigesehmaek. CsJ 178:92 bitter mit geringem salzigem Beigesehmack. KJ 166~02 bitter~ langanhaitend intensiv bitter und salzig. RbBr 165~37 bitter tiberwiegt, salzig.

~laJ 149~92 salzig-sauer mit bitterem Beigesehmack. 5IH4J 144,96 unangenehm bitter, zugleieh steehend-salzig. LiJ 133~86 steehend-salzig mit bitterem Beigesehmaek. CsBr 131~92 bitter iiberwiegt~ daneben salzig. RbCI 120~91 salzig mit sehwaeh-bitterem Beigesehmaek. KBr 119~12 steehend-salzig and zugleieh bitter.

NaBr 102~92 salzig mit geringem bitterem Beigesehmack. 5IH4Br 97~96 stechend-salzig mit bitterem Beigesehmaek. (CsC1 87~46 bitter iiberwiegt~ mit geringem salzigem Beigesehmaek). LiBr 86,86 salzig mit geringem bitterem Beigesehmaek. KC1 74~56 stehend-salzig mit bitterem Beigesehmaek. NaCI 58,46 rein salzig. NH4CI 53,50 steehend-salzig mit bitterem Beigesehmaek. LiCI 42~40 seharf steehend-salzig.

In dieser Zusammstellung lassen sich leieht drei Gruppen unter- seheiden: in der ersten Gruppe~ welche die 4 Salze mit don h~iehsten Molekulargewichten enth~ilt: tiberwiegt der bittere Gesehmaek.

In der zweiten Gruppe, die 6 Salze mit ihren Molekulargewichten in mittlerer Gr~il]e enthiilt, vermischen sieh die beiden Gesehmacks- qualit~ten: das eine Mal Ubcrwiegt der salzige, das andere Mal der bittere Geschmack.

In der dritten und letzten Gruppe, den Ubrigen 8 Salzen mit den leiehteren Molekulargewichten~ tiberwiegt der salzige Geschmack. Nur fiillt wiederum (s. o. !) CsC1 aus der Reihe.

Es best~ttigt sieh hiermit die Annahme S te rnbergs (11) , dal~ die bittere Geschmacksqualitiit der Salze der Alkalien mit Halogenen mit ErhShung des Atomgewichtes des Halogens and des Basenteils zunimmt, withrend der salzige Geschmack im Gegensatz zum bitteren in demselben Verhiiltnis abnimmt.

Aus diesen Untersuehungen ergibt sieh also, dail ebenso, wie die Ionen eines Salzes ftir die St~trke seines Geschmaekes yon aus-

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sehlaggebender Bedeutung sind~ so aueh die Gesehmacksqua l i - ti~ten der Salze dutch die Ionen derselben bestimmt werden. Ftir d ie Geschmacksintensiti~t sind in erster Linie die Kationen maB- gebend~ fUr die Art der Gesehmaeksempfindung seheinen dagegen die Anionen der Salze yon gr(if~erer Bedeutung zu sein.

Die Beeinflussung des Salzgeschmackes durch Kolloide.

Wit haben oben davon gesproehen~ dab der Gesehmack dureh den Gerueh beeinfiuBt werden kann. Ferner kann gleiehzeitig erregte Tastempfindung im Munde eine qualitative und quantitative Veri~nde- rang eincs Gesehmaekes hervorrufen~ wie dies aus dem GenuB priekelnder (Co2-haltig'er) Getri~nke und soleher mit Kolloidgehalt (Limonade) bekannt ist. Man nimmt an~ dab Siiuren (z. B. in der Limonade) dureh Kolloide wesentliel~ abgesehwiieht werden and daher nieht so sauer empfunden werden als wie im reinen Zustande. Dies k(innte aueh bei Salzen mSglieh sein. Deshalb wurden aueh noch einige Versuche naeh dieser Riehtung angestellt.

Die Versuchsanordnung entspraeh genau der im ersten Teile geschilderten; nur wurde aul3er den eing'angs erw~thnten mit destil- liertem Wasser als L(isungs- und VerdUnnungsmittel hergestellten Salzl(isungen noch analoge SalzlSsungen hergestellt, bei denen statt destilliertem Wasser eine KolloidlSsung verwendet wurde. Es wurden dieselben Salze wie in den friiheren Versuehen vcrwand L also:

:NaCl~ KCI~ NHaCl~ LiCl: RbCI~ CsCI. NaBl': KBr, NH~Br: LiBr: RbBr~ CsBr. NaJ, KJ~ NH~J~ LiJ~ RbJ~ CsJ

Als selbst geschmaekloses Kolloid wurde in Wasser 15sliehe St~rke in 3o/oiger L~isung benUtzt.

Es wurden nun zunEehst die Sehwellenwerte der mit destilliertem Wasser znbereiteten Liisungen bestimmt~ dann die der kolloidalen SalzlSsungen. Beim Vergleieh beider kamen wir zu folgendem Er- gebnis:

Im allgemeinen waren die Gesehmackssehwellenwerte beider zu vergleiehenden Liisung'en dieselben. Die stechend-salzig'e Gesehmacks- empfindung (z. B. der Ammoniaksalze) wurde dutch das Kolloid viel- leicht etwas versti~rkt~ dagegen der bittere Geschmaek eher etwas gemildert. Sowohl die Versti~rkung als auch die Verminderung der Gesehmaeksempfindungen durch kolloidalen EinfiuB waren abet so unbedeutend~ dab yon einer wesentlichen Veri~nderung der Ge- schmacksempfindung qualitativ oder quantitativ dutch das betreffende

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Setzt der Geschmaek eines Salzes sich zusammen usw. 257

Kolloid nicht gesprochen wcrden kanu. Zu demselben Ergebnis sind wir auch beim Schmeckversuch mit 1/1 o Norma]salzsiiure gekommen. Wit fanden die Gesehmacksgrenze der Salzsaure bei 1/600 o bis 1/10000 Normall~isun~; dieselben niedrigen Werte erhielten wit auch bei der mit kolloidaler Sti~rkelSsung" behandelten HC1.

Der ,,saure~ Gescbmack wird also durch die Gegenwart yon Kolloiden nicht beeinflui]t. Derselbe ist nach 0 s t w a l d und Kuhn (10) qualitativ eine H-Ionenwirkung~ quantitativ wird er jedoch durch die gleichzeitigen Quellung'serscheinungen der Gewebekolloide regu- liert, die ihrerseits nicht yon der H-Ionenkonzentration bestimmt sind.

*hnliche Vorgiinge miissen uir auch annehmen ftir das Zustande- kommen der verschiedenen quantitativen und qualitativen Geschmacks- beeinflussungen, die nach unseren Beobachtungen yon den Anionen und Kationen der Salze ausgetibt werden, und die den Geschmack der verschiedenen Salzc ausmachen.

Literat~lr.

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Archiv f. exper iment . Pa th . u. P h a r m a k o L Bd. 95. 17