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1 SIMPHONI – SIMulation der PHarmakOkiNetik im Innenohr Innenohrschwerhörigkeit gehört zu den häufigsten chronischen Erkrankungen. Die Ergeb- nisse der derzeitigen medikamentösen Therapiestrategien insbesondere bei akuten Hör- oder Gleichgewichtsschädigungen bestehen aus einer intravenösen oder oralen systemi- schen Therapie mit verschiedenen Substanzklassen und sind unbefriedigend. Deshalb wird seit einigen Jahren in Grundlagenforschung und klinischer Anwendung die Strategie der lokalen Medikamentenapplikation an das Innenohr verfolgt. Medikamente werden an die Rundfenstermembran (RFM) gebracht, damit sie in das Innenohr diffundieren können. Um diese vielversprechende Therapieform in die klinische Prüfung überführen zu können, wer- den derzeit noch sehr viele Tierversuche zur Untersuchung der Pharmakokinetik im Innen- ohr bei verschiedenen Tierspezies, mit verschiedenen Medikamenten und für unterschied- liche Applikationsstrategien bzw. Drug-Delivery-Systeme durchgeführt. Diese Tierversuche stark zu reduzieren bzw. sogar zu ersetzen, ist das Anliegen des vom BMBF geförderten Projekts SIMPHONI. Tierversuche sollen durch Computersimulationen ersetzt werden. Dazu werden realistische Modelle der 3D-Pharmakokinetik im Innenohr erarbeitet, in Soft- ware implementiert und validiert. Aufgrund der geringen Flüssigkeitsvolumina und der damit verbundenen speziellen Prob- leme bei der Probenentnahme aus den Innenohrflüssigkeiten können Computersimulatio- nen entscheidend zur besseren Interpretierbarkeit der Ergebnisse aus notwendigen Tier- experimenten zur Pharmakotherapie des Innenohres beitragen. Bisher wurden Tierexperi- mente für jedes neue Medikament, für jede Applikationsmethode (Drug-Delivery-System) und für unterschiedliche Applikationsszenarien (kontinuierlich, »single-shot«, wiederholte Applikation) durchgeführt. Hier können Computersimulationen die Anzahl der Tierversu- che drastisch reduzieren. 1 Simulierte Konzentrations- verteilung in der Geometrie der Cochlea Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM Fraunhofer-Platz 1 67663 Kaiserslautern Kontakt Dr. Norbert Siedow Telefon +49 631 31600-42 47 norbert.siedow @ itwm.fraunhofer.de www.itwm.fraunhofer.de FRAUNHOFER-INSTITUT FÜR TECHNO- UND WIRTSCHAFTSMATHEMATIK © Fraunhofer ITWM 2010

SIMPHONI – SIMulation der PHarmakO kiNetik im Innenohr · Tierversuche sollen durch Computersimulationen ersetzt werden. Dazu werden realistische Modelle der 3D-Pharmakokinetik

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Page 1: SIMPHONI – SIMulation der PHarmakO kiNetik im Innenohr · Tierversuche sollen durch Computersimulationen ersetzt werden. Dazu werden realistische Modelle der 3D-Pharmakokinetik

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SIMPHONI – SIMulation der PHarmakO kiNetik im Innenohr

Innenohrschwerhörigkeit gehört zu den häufi gsten chronischen Erkrankungen. Die Ergeb-

nisse der derzeitigen medikamentösen Therapiestrategien insbesondere bei akuten Hör-

oder Gleichgewichtsschädigungen bestehen aus einer intravenösen oder oralen systemi-

schen Therapie mit verschiedenen Substanzklassen und sind unbefriedigend. Deshalb wird

seit einigen Jahren in Grundlagenforschung und klinischer Anwendung die Strategie der

lokalen Medikamentenapplikation an das Innenohr verfolgt. Medikamente werden an die

Rundfenstermembran (RFM) gebracht, damit sie in das Innenohr diffundieren können. Um

diese vielversprechen de Therapieform in die klinische Prüfung überführen zu können, wer-

den derzeit noch sehr viele Tierversuche zur Untersuchung der Pharmakokinetik im Innen-

ohr bei verschiedenen Tierspezies, mit verschiedenen Medikamenten und für unterschied-

liche Applikationsstrategien bzw. Drug-Delivery-Systeme durchgeführt. Diese Tierversuche

stark zu reduzieren bzw. sogar zu ersetzen, ist das Anliegen des vom BMBF geförderten

Projekts SIMPHONI. Tierversuche sollen durch Computersimulationen ersetzt werden.

Dazu werden realistische Modelle der 3D-Pharmakokinetik im Innen ohr erarbeitet, in Soft-

ware implementiert und validiert.

Aufgrund der geringen Flüssigkeitsvolumina und der damit verbundenen speziellen Prob-

leme bei der Probenentnahme aus den Innenohrfl üssigkeiten können Computersimulatio-

nen entscheidend zur besseren Interpretierbarkeit der Ergebnisse aus notwendigen Tier-

experimenten zur Pharmakotherapie des Innen ohres beitragen. Bisher wurden Tierexperi-

mente für jedes neue Medikament, für jede Applikationsmethode (Drug- Delivery-System)

und für unterschiedliche Applikationsszenarien (kontinuierlich, »single-shot«, wiederholte

Applikation) durchgeführt. Hier können Computersimulationen die Anzahl der Tierversu-

che drastisch reduzieren.

1 Simulierte Konzen trations­

verteilung in der Geometrie der

Cochlea

Fraunhofer-Institut für Techno- und

Wirtschaftsmathematik ITWM

Fraunhofer-Platz 1

67663 Kaiserslautern

Kontakt

Dr. Norbert Siedow

Telefon +49 631 31600-42 47

[email protected]

www.itwm.fraunhofer.de

F R A U N H O F E R - I N S T I T U T F Ü R T E C H N O - U N D W I R T S C H A F T S M A T H E M A T I K

© Fraunhofer ITWM 2010

Page 2: SIMPHONI – SIMulation der PHarmakO kiNetik im Innenohr · Tierversuche sollen durch Computersimulationen ersetzt werden. Dazu werden realistische Modelle der 3D-Pharmakokinetik

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Konzentrationsverteilung

in der Cochlea für zwei

unterschiedliche Applika­

tionsstrategien:

1 kurz zeitige Applikation

(30 min)

2 kontinuierliche Applika­

tion (10 Tage)

Wird beispielsweise die Pharmakokinetik ähnlicher Substanzklassen untersucht, so ist eine

hundertprozentige Einsparung von Tierversuchen absehbar. Neue Drug- Delivery-Systeme

am Innenohr werden üblicherweise im Tierversuch nach der »Trial-and-Error-Methode«

untersucht, ohne Vorstellungen über initial zu verwendende Konzentrationen zu haben.

Der Einsatz von Computersimulationen ermöglicht eine bessere Versuchsplanung und ver-

meidet unnötige Experimente. Unterschiedliche Applikationsszenarien kommen vollstän-

dig ohne Tierversuche aus. Sind die Stoffparameter bekannt, so kann die Computersimu-

lation durch Änderung der bekannten Cochlea-Geometrie für eine andere Spezies (oder

den Menschen) durchgeführt werden, ohne dass es dafür neuer Tierversuche bedarf.

Neue Probenentnahmetechniken, die nur mithilfe von Computersimulationen inter pretiert

werden können, reduzieren Tier ver suche deutlich.

Das Projekt wird vom ITWM als Koordinator, der Klinik für HNO-Heilkun de am Universi-

tätsklinikum in Tübingen und der Firma Micro Carrier Systems in Neuss bearbeitet. Inhalt

des Teilprojekts des ITWM ist die Modellierung der Diffusions prozesse im Innenohr und

die Erstellung einer dreidimensiona len Cochlea-Geometrie, die nur in enger Zusammen-

arbeit mit der HNO-Klinik Tübingen erfolgen kann. Die Implemen tie rung der Modelle,

Testrechnungen und die Identifikation der für die Simulation notwendigen Stoff parameter

(aus mathematischer Sicht ein inverses Problem) ist Aufgabe des ITWM. Da pharmako-

kinetische Untersuchungen am Menschen, wie in der Phase I der klinischen Prüfung üb-

lich, am Innenohr nicht durch geführt werden können, ist es anzustreben, die Vorhersagen

aus den Computersimulationen für die Planung von Phase I-II-Studien zu nutzen. In die-

sem Rahmen sollen durch die Entwicklung des Computermodells Tierversuche vollständig

ersetzt werden. Simulationen sollten langfristig systematisch in das Zulassungsverfahren

für neue Medikamente des Innenohres und neue Applikationsmethoden am Innenohr ein-

bezogen werden.

Klinik für Hals­, Nasen­ und Ohrenheilkunde /

Hörforschungszentrum am Universitätsklini­

kum Tübingen

MCS Micro Carrier Systems GmbH, Neuss

Das Projekt wird gefördert

durch:

Projektpartner