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Sonnenklar 2 / 2011

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Das Magazin zur Energiewende in der Schweiz

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Page 1: Sonnenklar 2 / 2011

von Rudolf Rechsteiner, alt Nationalrat

Roger Nordmann, SP-Nationalrat und Energiespezialist, zeigt in seinem neuen Buch «Atom- und erdölfrei in die Zukunft», welche konkreten Massnahmen eine energiepolitische Wende bringen. Rudolf Rechsteiner hat es gelesen. sonnenklar!-LeserInnen können es mit beiliegendem Talon bestellen.

Leichtfüssig, nicht leichtsinnig

Es sei leichtsinnig, den Verzicht aufAtomenergie zu verlangen, sagt un-sere Energieministerin Doris Leut-hard. Nicht leichtsinnig, sondernleichtfüssig gelingt der Umbau,wenn wir den Rezepten von SP-Nationalrat Roger Nordmann fol-gen: mehr Energieeffizienz, mehrerneuerbare Energien, wenigerAuslandabhängigkeit und wenigerUmweltschaden. Und: Der Umstieg«schont das Portemonnaie» dankden «enormen Fortschritten», diein den letzten 20 Jahren technolo-gisch erzielt wurden. «Dieser Fort-schritt eröffnet Perspektiven: 50Prozent erneuerbar bis 2030, «ohnedass unser Wohlstand leidet».

Roger Nordmann war im Natio-nalrat mein Sitznachbar. Stunden-lang haben wir über erneuerbareEnergien diskutiert – lange vor Fu-kushima. Das japanische Atomde-

bakel kommt den bürgerlichen Poli-tikerInnen höchst ungelegen. Nunmüssen sie über Dinge sprechen,die sie stets bekämpft haben: denUmstieg auf erneuerbare Energien.

Nordmann will aber mehr alsden Atomausstieg. Er will dieSchweiz «aus der Abhängigkeit vonden fossilen Energien befreien», soder welsche Titel seines Buches.«Atom- und erdölfrei in die Zu-kunft» heisst es auf Deutsch. Esliest sich sehr flüssig und ist über-sichtlich gestaltet.

Vorwärts ins ökologisch-industrielle ZeitalterWo ist der Pioniergeist unseresLandes geblieben? So fragt Bert-rand Piccard im Vorwort. «EineRückkehr zu einer ländlichen Zivi-lisation stellt keine Option dar: Auf einem Planeten mit acht bis zehnMilliarden Menschen kann mansich den Luxus nicht leisten, Tech-nologien zu verwenden, die vielEnergie verbrauchen. Eine Rück-kehr zur Kerze wäre deshalb völligfehl am Platz: Sie stösst viel CO2 ausund produziert erst noch wenigLicht. Der Wechsel von der Glühbir-

ne zur Leuchtdiode symbolisiertvielmehr den Wandel, den wir er-reichen müssen», so die Antwortenvon Roger Nordmann.

Sonne und Wind sind zwar kos-tenlos, aber ihre Nutzung kostetGeld. Deshalb ist Effizienz trotz rei-cher Ressourcen «unumgänglich».Effizienter werden müssen Strom-erzeugung, Gebäude und Verkehr.«Der Verbrennungsmotor wandeltlediglich einen Viertel der chemi-schen Energie des Benzins in Be-wegungsenergie um.» Nordmannsieht im Elektromotor die Zukunft,betrieben mit Ökostrom aus Windund Sonne. «Solarzellen wandelnmehr als 15 Prozent der Sonnen-strahlen in Strom um, Pflanzenschneiden viel schlechter ab.» Und:Die Windenergie hat es in sich. «Esist unglaublich, wie rasch ihre Kos-ten gesunken sind.» Mit Windkraft

Meine Umwelt ist mir etwas wertWenn Sie die umweltpolitischen Projekte der SP Schweiz unterstützen und «sonnenklar!» vierteljährlich erhalten wollen, senden Sie bitte Ihre Adresse an [email protected]

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Impressum sonnenklar! Herausgeberin: SP Schweiz, Postfach, 3011 Bern, [email protected]. Redaktion: Pierre Bonhôte, alt Ständerat; Thomas Christen, Generalsekretär; Chantal Gahlinger, politische Fachsekretärin; Reto Gamma, Projektleiter Fundraising; Beat Jans, Nationalrat; Barbara Marty Kälin, alt Nationalrätin; Roger Nordmann, Nationalrat; Eric Nussbaumer, Nationalrat; Gisèle Ory, Regierungsrätin; Rudolf Rechsteiner, alt Nationalrat; Doris Stump, Nationalrätin; Ursula Wyss, Nationalrätin. Redaktionelle Bearbeitung und Produktion: Gallati Kommunikation, Zürich. Gestaltung: Purpur AG für Publishing und Communication, Zürich. Druck: Abächerli Druck AG, Sarnen. sonnenklar! erscheint viermal im Jahr in Deutsch und Französisch. Postkonto: 30-665681-6, sonnenklar!, 3001 Bern.

Gedruckt auf FSC-zertifiziertem Papier, SQS-COC-2086 «FSC Trademark 1996,Forest StewardshipCouncil A. C.»

kann weltweit «mindestens fünf-mal mehr Energie (nicht nur Elek-trizität) produziert werden, als der-zeit verbraucht wird.»

«Solar Impulse»Atemberaubend ist die Geschwin-digkeit, wie sich die neuen Techno-logien verbilligen. «Das Solarflug-zeug ‹Solar Impulse›, das 2010 sei-nen Jungfernflug absolvierte, stehtsinnbildlich für die Fortschritte. Vorfünf Jahren noch strebte man einenWirkungsgrad der Solarzellen von18 Prozent an; inzwischen liegt die-ser bei 22 Prozent. Weil gleichzeitigauch bessere Batterien entwickeltwurden, die eine Speicherkapazitätvon 220 Wattstunden (Wh) statt 160 Wh pro Kilogramm aufweisen,konnte die Flügelspannweite der‹Solar Impulse› von 80 auf 65 Me-ter verkürzt werden.» Und Nord-mann räumt mit Märchen auf:«Früher verstrichen drei bis fünfJahre, ehe eine Solarzelle so vielEnergie produziert hatte, wie fürihre Herstellung und Montage not-wendig gewesen war. Heute benöti-gen die besten Dünnschichtzellenin gut besonnten Regionen dafürweniger als ein Jahr.»Die Fortschritte kommen aber nichtvon ungefähr. «Am Anfang standein Beschluss Deutschlands.» Dierot-grüne Regierung «perfektio-nierte das System der Einspeise-vergütungen» und «löste eine Welle der Industrialisierung unddes technischen Fortschritts bei der Windkraft, der Fotovoltaik undder Biomasse aus. Die Kosten dererneuerbaren Energien sanken.Deutschland wurde zum Leaderund schuf rund 300 000 Arbeits-plätze im Sektor der erneuerbarenEnergien.»

Mit der Kraft des Windes könnte mindestens fünfmal mehrEnergie produziert werden, als weltweit verbraucht wird. Roger Nordmann zeichnet in seinem Buch eine rosige Zukunftfür Strom aus Sonne und Wind.

Roger Nordmann: Atom- und erdölfrei in die Zukunft. Kon-krete Projekte für dieenergiepolitischeWende. Mit einemVorwort von BertrandPiccard. Übersetzung:Gerhard Tubandt. OrellFüssli Verlag, Fr. 36.–.

Das Magazin zur Energiewende in der SchweizNr. 2, Mai 2011

Menschen aus Fukushima werden auf radioaktive Verstrahlung untersucht. Der Super-GAU im japanischen AKW Fukushima hat eines deutlich gemacht: Das sogenannte Restrisiko eines Unfalls ist gross, die Auswirkungen sind nicht beherrschbar. Die SP will deshalb den Ausstieg aus der Atomenergie beschleunigen und Laufzeitbegrenzungen für alle bisherigen AKW festlegen.

Die SP fordert Ausstiegsbeschluss und Laufzeitbegrenzungen

Die Bundesverfassung sagt es klar:«Die Gesetzgebung auf dem Gebietder Kernenergie ist Sache des Bun-des.» In der Frage der Atomener-gienutzung hat die Bundesver-sammlung den ganzen Handlungs-spielraum. Es ist nicht so, dass überden geordneten Ausstieg aus derAtomenergie so oder so das Volkentscheiden muss. Es besteht keineverfassungsmässige Pflicht, überdie Nutzung der Atomenergie erstin einer Referendumsabstimmungüber ein Rahmenbewilligungsge-such für ein neues Atomkraftwerkzu entscheiden. Es liegt in der Kom-petenz der eidgenössischen Räte,den Ausstieg jetzt gesetzestech-

nisch zu beschliessen, indem imKernenergiegesetz zwei neue Ele-mente festgeschrieben werden.

Keine neuen Rahmen-bewilligungen Erstens dürfen weder neue Rah-menbewilligungen noch Betriebs-bewilligungen für Atomanlagenzum Zweck der Elektrizitätserzeu-gung erteilt werden. Zweitens re-gelt das Gesetz ab sofort auch diegeordnete Ausserbetriebnahme derbestehenden fünf Atomkraftwerkemit einer Laufzeitbegrenzung.

Diese neue gesetzliche Regelungist für mich der Kern des Plans zurgeordneten Ausserbetriebnahme.

Sie steht im Kontrast zur jetzigenGesetzgebung, die davon ausgeht,dass Schweizer Atomkraftwerkeunabhängig von ihrem Alter längerals 40 Jahre betrieben werden kön-nen – «dank» dem sogenannten Alterungsmanagement und der allezehn Jahre stattfindenden Sicher-heitsüberprüfungen. Diese unbe-grenzte Laufzeit will die SP nichtmehr. Diese «Unbefristet-sicher-Mentalität» steigert sich in der Aussage, dass ein vom Eidgenössi-schen Nuklearsicherheitsinspek-torat ENSI überwachtes AKW «je-derzeit und unabhängig von sei-nem Betriebsalter sicher betriebenwerden kann». Kleinlaut fügt das

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von Eric Nussbaumer,Nationalrat

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ENSI jeweils bei, dass die Nachfüh-rung auf den aktuellen Stand von Wis-senschaft und Technik natürlich «nurso weit wie sinnvoll möglich» erfolgenkann. Japan lehrt uns, dass diese Men-talität das Restrisiko nicht kleinermacht.

Nach 40 Jahren ist SchlussDarum wollen wir, dass alle Atom-kraftwerke in der Schweiz nach rund40 Jahren geordnet ausser Betriebgehen. Sie werden endlich einer Laufzeitbegrenzung unterstellt. DieBundesversammlung muss diese Weichenstellung gesetzgeberisch ver-ankern. Dazu braucht es keine Volks-initiativen und es braucht kein neuesRahmenbewilligungsgesuch, das dannmit dem Referendum bekämpft wer-den muss.

Wir schlagen in unserem Konzeptvor, dass für jedes AKW die ab dem 1. Januar 2011 noch zu produzierendeReststrommenge bis zum Laufzeit-ende festgelegt wird. Für die drei kleinen Atomkraftwerke Mühleberg,Beznau 1 und 2 wären das jährlich 8,8 Terawattstunden (TWh) oder ge-samthaft 26 TWh. Diese AKW habenihr Laufzeitalter bereits erreicht, des-halb rechnen wir damit, dass sie in-nert zwei bis vier Jahren nacheinandervom Netz genommen werden. Für diebeiden grossen Atomkraftwerke Gös-gen und Leibstadt rechnen wir nochmit Betriebszeiten bis 2020 bzw. 2025.Zusammenfassend wollen wir bis2015 einen Drittel der atomaren inlän-dischen Stromproduktion schrittweiseherunterfahren, die anderen zweiDrittel in der Zeit zwischen 2020 und2025.

Die geordnete Ausserbetriebnahmebedingt eine gesetzgeberische Wei-chenstellung im Jahr 2011/2012 und einEnde des Betriebes im Rahmen dergesetzlich festgelegten Laufzeitbe-grenzung bis 2025. Dabei würden wirakzeptieren, dass Reststrommengenvon alten AKW auf neuere Werkeübertragen werden dürfen. Dass derbedingungslose Sicherheitsnachweisdabei oberste Priorität hat, ist selbst-verständlich.

Der Atomausstieg ist ein Plan und keine HysterieDer geordnete Atomausstieg ist besteWirtschaftspolitik ohne jegliche Hys-terie. Er setzt langfristig ein klares Signal und verlässliche Rahmenbe-dingungen. Umso unverständlicher istes, wenn selbsternannte Wirtschafts-parteien nicht einmal diese einfacheLektion zukunftsfähiger Wirtschafts-politik verstanden haben und sich ge-gen den geordneten Atomausstiegwehren – auch Schaden macht diesePolitikerInnen nicht klug.

Die Technologie, um die Atomkraft zu ersetzen, ist vorhanden. Was es heute braucht, ist der Wille zu mehr Energieeffizienz und zur konsequenten Förderung erneuerbarer Energien.

Strom- oder Denklücke?

Die Atomkraft ist am Ende. Nachden Ereignissen in Fukushimamuss jeder und jedem klar sein:Jetzt gilt es, den Atomausstieg ent-schlossen anzupacken. BundesratMaurer hingegen spricht von Hys-terie, Bundesrätin Leuthard vonLeichtsinn. Geschickt wird dieAngst vor den AKW gegen die Angstvor der Stromlücke ausgespielt. Die SP hingegen schlägt konkretepolitische Schritte vor, die den Um-stieg in ein erneuerbares Zeitalterermöglichen. Und davor muss sichniemand fürchten. Denn der Um-stieg ist eine Chance. Mit einer konsequenten Politik in RichtungEnergieeffizienz und erneuerbareEnergien wird die Schweiz gewin-nen, Innovationen fördern und Ar-beitsplätze schaffen. Die Roadmapder SP zeigt auf, wie wir die Chancepacken.

Investitionen gegen dieStromverschwendung Gemäss der Schweizerischen Agen-tur für Energieeffizienz könnte dieSchweiz vier der fünf AKW einspa-ren, wenn sie in veralteten Anlagenweniger Strom verschwenden wür-de. In industriellen, gewerblichenund öffentlichen Anwendungenund bei der Haustechnik ist diese

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Nach Fukushima ist der Umstieg auf Energieeffizienz und erneuerbare Energien dringender denn je. Dieser konsequente Weg ist eine Chance für die Gesellschaft wie auch für die Wirtschaft.Eine Roadmap der SP zeigt, wie die Chance gepackt werden kann.

Mit Zuversicht in den AusstiegVerschwendung etwa fünf Malgrösser als bei den Haushalten. Be-vor man also den KonsumentInnenein schlechtes Gewissen macht, sol-len gezielte Investitionen dort getä-tigt werden, wo am meisten zu ho-len ist. Veraltete Industriemotorenmüssen ersetzt, öffentliche Be-leuchtungen umgestellt, Elektro-heizungen und -boiler ausge-tauscht werden. Die SP ist über-zeugt davon, dass es gelingen wird,zwei Drittel dieses Potenzials aus-zuschöpfen und so rund die Hälftedes Atomstroms zu ersetzen.

Doch wie lösen wir die nötigenInvestitionen aus? Die Stromver-sorger schliessen mit den Abneh-mern Verträge ab und ersetzen gemeinsam mit ihnen die alten An-lagen durch neue. Mit diesen ge-zielten Investitionen müssten inden nächsten zehn Jahren zehnProzent weniger Strom bereitge-stellt werden. Wenn sie diese Vor-gabe übertreffen, erhalten sie einen Bonus, wenn nicht, einenMalus. Weitere Sparinvestitionensollen über einen Effizienzfondsausgelöst werden. Dieser ist mit einer Abgabe auf Atomstrom zuspeisen. Die Strom fressenden Elek-troheizungen und -boiler sind bis2025 mit entsprechenden Obligato-rien durch Wärmepumpen oderSonnenkollektoren zu ersetzen.

Strom und Wärme statt nur WärmeDer Ausstieg aus der Atomkraft istohne neue Gaskraftwerke möglich.Viel schlauer ist es, die bestehen-

den Öl- und Gasheizungen wirksa-mer zu nutzen. Die grossen Heizan-lagen – ausgelegt für mindestens150 Wohnungen – sollen durchWärmekraftkopplungsanlagen er-setzt werden. Damit können siegleichzeitig auch Strom produzie-ren. Ein weiteres Viertel des Atom-stroms wird damit hinfällig. Die SPschlägt vor, dass die Wärmekraft-kopplung für grosse Heizungen ab2025 obligatorisch wird. Auch Keh-richtverbrennungen, Abwasserrei-nigungen und andere Infrastruk-turanlagen sollen konsequent zurStromgewinnung genutzt werden.

Erneuerbare EnergieformenUnd schliesslich ist die Handbrem-se bei den erneuerbaren Energienzu lösen. Das heisst jedoch nicht,dass jede Jurakrete mit Windturbi-nen verstellt werden muss. Undauch die Grimselmauer bleibt, wiesie ist. Eine Erhöhung der Stau-mauer ist energiepolitisch unbe-deutend und verletzt den vom Volkbeschlossenen Schutz der Moor-landschaften. Im Rahmen der heu-tigen Naturschutzgesetzgebung istein vernünftiger Ausbau von Wind-und Wasserkraft möglich undwünschbar. Die Kantone sollenaber genügend Zeit erhalten, um zuplanen und geeignete Standorte zubestimmen.

Auch strengere Gebäudestan-dards und die Nutzung von Bio-masse bringen uns weiter. Das ganzgrosse Potenzial liegt aber bei derFotovoltaik, wie das BundeslandBayern – es ist fast zweimal so

Bisher wurden folgende Vorhabenund Organisationen mit finanziellenBeiträgen unterstützt: R Einsprache gegen das Gesuch umeine unbefristete Betriebsbewilli-gung des AKW Mühleberg 2009R Klima-Initiative, die von der SPmitlanciert wurde (www.klimainitiativeja.ch)

Der Arbeitskreis «sonnenklar!»Der Arbeitskreis «sonnenklar!» will die Energie- und Umweltpolitik der SP Schweiz bekannt machen und umsetzen. Er setzt sich aus Energie- und Umweltfachleuten der SP-Fraktion der Bundesversammlung sowie weiteren interessierten Fachleuten zusammen. Die Spendeneinnahmen von «sonnenklar!» werden zweckgebunden für politischeKampagnen und Projekte in der Energie- und Umweltpolitik eingesetzt.

gross wie die Schweiz – zeigt. Bay-ern deckt bereits heute fünf Prozentseines Strombedarfs mit Solarzel-len – bald sollen es zehn sein. Wasdie Bayern können, können wirauch. Zuerst müssen wir aber dieBegrenzung der kostendeckendenEinspeisevergütung aufheben unddamit unbegrenzt Fotovoltaikanla-gen ermöglichen. Mit Solaranlagenersetzen wir das letzte Viertel desSchweizer Atomstroms und deckendazu noch das prognostizierte Ver-brauchswachstum.

Die Wege für den Umstieg sindalso bekannt. Die politischen Mass-nahmen, um sie zu beschreiten,ebenfalls. Und der Umstieg wird inder Schweiz viele Arbeitsplätzeschaffen. (Deutschland hat mit derFörderung der erneuerbaren Ener-gien 290 000 neue Arbeitsplätzegeschaffen.) Anstatt wenige Ener-giekonzerne werden viele kleinereund mittlere Unternehmen, Land-wirtInnen und HausbesitzerInnenprofitieren. Die Energiezukunft isterneuerbar. Eine andere gibt esnicht.

Die Verfechter der «Stromlücken-Theorie» liefern ihre Denklückegleich selber nach: Nachts scheintkeine Sonne und der Wind blästnicht immer, also bauen wir neueAKW, hiess es zumindest bis vorkurzem.

Ein solch banales Verständnishaben zum Glück nicht alle. DieTechnologie, um die Atomkraft zuersetzen, ist nämlich längst vor-handen. Sie wurde von weitsichti-gen Firmen entwickelt. Was es heu-te braucht, ist der Wille zu mehrEnergieeffizienz und zur konse-quenten Förderung erneuerbarerEnergien.

Wasserkraft: Schon jetzt deckt die Schweiz rund 55 Prozent ihresStrombedarfs mit Wasserkraft ab.Optimierungspotenzial ist vorhan-den.

Solarenergie: Würden in derSchweiz alle geeigneten Dachflä-chen für Strom und Warmwasseraus der Sonne genutzt, könntendamit zusätzlich bis zu 30 Prozentdes inländischen Bedarfs gedecktwerden.

Windenergie: Das Ziel für dieWindenergieproduktion in derSchweiz liegt bis 2030 bei jährlich2,5 Prozent des heutigen Strom-

bedarfs. Statt über auslaufendeStromlieferverträge mit französi-schen Atomkraftwerken zu jam-mern, würden die Stromproduzen-ten besser vorwärts machen undbeispielsweise in Windparks in derNordsee investieren.

Kehrichtverwertungsanlagen(KVA) und Biomasse: Die KVA produzieren bereits rund 2 Prozentdes inländischen Strombedarfs unddie Stromproduktion aus Biomasseliegt bei ca. 1 Prozent. Bei beidenkann der Anteil erhöht werden.

Energieeffizienz: Im Ersatz vonveralteten Elektroinstallationenund im Einsatz von effizientenTechniken liegt viel Potenzial fürStromeinsparung. Über 10 Prozentdes schweizerischen Stromver-brauchs lassen sich so einsparen.

Das alles schafft neue, nachhaltigeArbeitsplätze, schont die Umweltund hinterlässt kommenden Gene-rationen keine Hochrisikoabfälle.

Der Atomausstieg ohne Strom-lücke ist mehr als eine Vision: Baselfunktioniert bereits ohne Atom-strom, die Stadt Zürich ist auf demWeg dazu. Die Städte St. Gallen undBern haben den mittelfristigen Atomausstieg beschlossen. Im Kan-ton Bern zeigte kürzlich der knappeAusgang einer Konsultativabstim-mung die wachsende Skepsis ge-genüber der Atomkraft. Das warnoch vor den tragischen Ereignis-sen im japanischen AKW Fukushi-ma. Sonnenklar: Die Stromversor-gung der Zukunft muss dezentralund erneuerbar sein.

Links) Ein Viertel des SchweizerAtomstroms – und dazu noch dasprognostizierte Verbrauchswachs-tum – kann durch Solarstrom ersetzt werden.

Mitte) Ein Viertel des Atomstromswird hinfällig, wenn an Stelle von grossen Heizanlagen Wärme-kraftkopplungsanlagen eingesetzt werden, die gleichzeitig auch Strom produzieren.

Rechts) Rund die Hälfte des Atom-stroms kann durch den Ersatz von veralteten Industriemotoren(im Bild ein moderner Bohrer für die Werkzeugmaschinen-herstellung), Elektroheizungen und -boilern sowie ineffizienter Beleuchtung eingespart werden.

R Allianz «Nein zu neuen AKW»und Verein Klima-InitiativeR SP-Energiegipfel «erneuerbarstatt atomar» vom 22.9.2007 R Erarbeitung des Perspektiv-papiers der SP Schweiz «Sicher und effizient umsteigen: Unterwegs

zur Vollversorgung mit erneuerbarenEnergien»R «KLAR! Schweiz» für die Unterstützung der Expertise von John Large zum so genannten Entsorgungsnachweis der NagraR Finanzierung des juristischenGutachtens «Mitsprache beim Bauneuer AKW»

von Beat Jans, Nationalrat

von Max Chopard-Acklin, Nationalrat

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von Rudolf Rechsteiner, alt Nationalrat

Roger Nordmann, SP-Nationalrat und Energiespezialist, zeigt in seinem neuen Buch «Atom- und erdölfrei in die Zukunft», welche konkreten Massnahmen eine energiepolitische Wende bringen. Rudolf Rechsteiner hat es gelesen. sonnenklar!-LeserInnen können es mit beiliegendem Talon bestellen.

Leichtfüssig, nicht leichtsinnig

Es sei leichtsinnig, den Verzicht aufAtomenergie zu verlangen, sagt un-sere Energieministerin Doris Leut-hard. Nicht leichtsinnig, sondernleichtfüssig gelingt der Umbau,wenn wir den Rezepten von SP-Nationalrat Roger Nordmann fol-gen: mehr Energieeffizienz, mehrerneuerbare Energien, wenigerAuslandabhängigkeit und wenigerUmweltschaden. Und: Der Umstieg«schont das Portemonnaie» dankden «enormen Fortschritten», diein den letzten 20 Jahren technolo-gisch erzielt wurden. «Dieser Fort-schritt eröffnet Perspektiven: 50Prozent erneuerbar bis 2030, «ohnedass unser Wohlstand leidet».

Roger Nordmann war im Natio-nalrat mein Sitznachbar. Stunden-lang haben wir über erneuerbareEnergien diskutiert – lange vor Fu-kushima. Das japanische Atomde-

bakel kommt den bürgerlichen Poli-tikerInnen höchst ungelegen. Nunmüssen sie über Dinge sprechen,die sie stets bekämpft haben: denUmstieg auf erneuerbare Energien.

Nordmann will aber mehr alsden Atomausstieg. Er will dieSchweiz «aus der Abhängigkeit vonden fossilen Energien befreien», soder welsche Titel seines Buches.«Atom- und erdölfrei in die Zu-kunft» heisst es auf Deutsch. Esliest sich sehr flüssig und ist über-sichtlich gestaltet.

Vorwärts ins ökologisch-industrielle ZeitalterWo ist der Pioniergeist unseresLandes geblieben? So fragt Bert-rand Piccard im Vorwort. «EineRückkehr zu einer ländlichen Zivi-lisation stellt keine Option dar: Auf einem Planeten mit acht bis zehnMilliarden Menschen kann mansich den Luxus nicht leisten, Tech-nologien zu verwenden, die vielEnergie verbrauchen. Eine Rück-kehr zur Kerze wäre deshalb völligfehl am Platz: Sie stösst viel CO2 ausund produziert erst noch wenigLicht. Der Wechsel von der Glühbir-

ne zur Leuchtdiode symbolisiertvielmehr den Wandel, den wir er-reichen müssen», so die Antwortenvon Roger Nordmann.

Sonne und Wind sind zwar kos-tenlos, aber ihre Nutzung kostetGeld. Deshalb ist Effizienz trotz rei-cher Ressourcen «unumgänglich».Effizienter werden müssen Strom-erzeugung, Gebäude und Verkehr.«Der Verbrennungsmotor wandeltlediglich einen Viertel der chemi-schen Energie des Benzins in Be-wegungsenergie um.» Nordmannsieht im Elektromotor die Zukunft,betrieben mit Ökostrom aus Windund Sonne. «Solarzellen wandelnmehr als 15 Prozent der Sonnen-strahlen in Strom um, Pflanzenschneiden viel schlechter ab.» Und:Die Windenergie hat es in sich. «Esist unglaublich, wie rasch ihre Kos-ten gesunken sind.» Mit Windkraft

Meine Umwelt ist mir etwas wertWenn Sie die umweltpolitischen Projekte der SP Schweiz unterstützen und «sonnenklar!» vierteljährlich erhalten wollen, senden Sie bitte Ihre Adresse an [email protected]

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Gedruckt auf FSC-zertifiziertem Papier, SQS-COC-2086 «FSC Trademark 1996,Forest StewardshipCouncil A. C.»

kann weltweit «mindestens fünf-mal mehr Energie (nicht nur Elek-trizität) produziert werden, als der-zeit verbraucht wird.»

«Solar Impulse»Atemberaubend ist die Geschwin-digkeit, wie sich die neuen Techno-logien verbilligen. «Das Solarflug-zeug ‹Solar Impulse›, das 2010 sei-nen Jungfernflug absolvierte, stehtsinnbildlich für die Fortschritte. Vorfünf Jahren noch strebte man einenWirkungsgrad der Solarzellen von18 Prozent an; inzwischen liegt die-ser bei 22 Prozent. Weil gleichzeitigauch bessere Batterien entwickeltwurden, die eine Speicherkapazitätvon 220 Wattstunden (Wh) statt 160 Wh pro Kilogramm aufweisen,konnte die Flügelspannweite der‹Solar Impulse› von 80 auf 65 Me-ter verkürzt werden.» Und Nord-mann räumt mit Märchen auf:«Früher verstrichen drei bis fünfJahre, ehe eine Solarzelle so vielEnergie produziert hatte, wie fürihre Herstellung und Montage not-wendig gewesen war. Heute benöti-gen die besten Dünnschichtzellenin gut besonnten Regionen dafürweniger als ein Jahr.»Die Fortschritte kommen aber nichtvon ungefähr. «Am Anfang standein Beschluss Deutschlands.» Dierot-grüne Regierung «perfektio-nierte das System der Einspeise-vergütungen» und «löste eine Welle der Industrialisierung unddes technischen Fortschritts bei der Windkraft, der Fotovoltaik undder Biomasse aus. Die Kosten dererneuerbaren Energien sanken.Deutschland wurde zum Leaderund schuf rund 300 000 Arbeits-plätze im Sektor der erneuerbarenEnergien.»

Mit der Kraft des Windes könnte mindestens fünfmal mehrEnergie produziert werden, als weltweit verbraucht wird. Roger Nordmann zeichnet in seinem Buch eine rosige Zukunftfür Strom aus Sonne und Wind.

Roger Nordmann: Atom- und erdölfrei in die Zukunft. Kon-krete Projekte für dieenergiepolitischeWende. Mit einemVorwort von BertrandPiccard. Übersetzung:Gerhard Tubandt. OrellFüssli Verlag, Fr. 36.–.

Das Magazin zur Energiewende in der SchweizNr. 2, Mai 2011

Menschen aus Fukushima werden auf radioaktive Verstrahlung untersucht. Der Super-GAU im japanischen AKW Fukushima hat eines deutlich gemacht: Das sogenannte Restrisiko eines Unfalls ist gross, die Auswirkungen sind nicht beherrschbar. Die SP will deshalb den Ausstieg aus der Atomenergie beschleunigen und Laufzeitbegrenzungen für alle bisherigen AKW festlegen.

Die SP fordert Ausstiegsbeschluss und Laufzeitbegrenzungen

Die Bundesverfassung sagt es klar:«Die Gesetzgebung auf dem Gebietder Kernenergie ist Sache des Bun-des.» In der Frage der Atomener-gienutzung hat die Bundesver-sammlung den ganzen Handlungs-spielraum. Es ist nicht so, dass überden geordneten Ausstieg aus derAtomenergie so oder so das Volkentscheiden muss. Es besteht keineverfassungsmässige Pflicht, überdie Nutzung der Atomenergie erstin einer Referendumsabstimmungüber ein Rahmenbewilligungsge-such für ein neues Atomkraftwerkzu entscheiden. Es liegt in der Kom-petenz der eidgenössischen Räte,den Ausstieg jetzt gesetzestech-

nisch zu beschliessen, indem imKernenergiegesetz zwei neue Ele-mente festgeschrieben werden.

Keine neuen Rahmen-bewilligungen Erstens dürfen weder neue Rah-menbewilligungen noch Betriebs-bewilligungen für Atomanlagenzum Zweck der Elektrizitätserzeu-gung erteilt werden. Zweitens re-gelt das Gesetz ab sofort auch diegeordnete Ausserbetriebnahme derbestehenden fünf Atomkraftwerkemit einer Laufzeitbegrenzung.

Diese neue gesetzliche Regelungist für mich der Kern des Plans zurgeordneten Ausserbetriebnahme.

Sie steht im Kontrast zur jetzigenGesetzgebung, die davon ausgeht,dass Schweizer Atomkraftwerkeunabhängig von ihrem Alter längerals 40 Jahre betrieben werden kön-nen – «dank» dem sogenannten Alterungsmanagement und der allezehn Jahre stattfindenden Sicher-heitsüberprüfungen. Diese unbe-grenzte Laufzeit will die SP nichtmehr. Diese «Unbefristet-sicher-Mentalität» steigert sich in der Aussage, dass ein vom Eidgenössi-schen Nuklearsicherheitsinspek-torat ENSI überwachtes AKW «je-derzeit und unabhängig von sei-nem Betriebsalter sicher betriebenwerden kann». Kleinlaut fügt das

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von Eric Nussbaumer,Nationalrat

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