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Stell Dir vor: Du verbringst ein Schuljahr in Neuseeland. Im immergrünen Regenwald passieren plötzlich seltsame Dinge mit Dir. Du hast übermenschliche Kräfte. Du verwandelst Dich. Deine neuen Freunde und Dein Schwarm sind nicht die, für die Du sie hieltest. Eine dunkle gefährliche Welt umgibt Dich. Ein Wahnsinniger schmiedet blutrünstige Pläne. Mit Dir im Mittelpunkt. Du sollst ihn bei einer abscheulichen Tat unterstützen. Als Gegenleistung sollst Du erfahren, wer Du bist. Wie würdest Du Dich entscheiden?
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©Anna Bloom, www.sophieserwachen.com
Kapitel 1 – Auszug
Sophies Perspektive
Ich riss das Fenster auf. Eine Welle kalter Luft
schlug mir entgegen. Es war Winter und die Welt
war schneebedeckt. Die Renaissancehäuser, die
vorbeifahrenden und parkenden Autos, die Straßen:
Alles war weiß und reflektierte die orangefarbenen
Lichter der Straßenlampen. Die schneege-
schwängerte orangefarbene Luft wirbelte sich
hinten am Horizont zu einem schwarzen Loch
zusammen. Dort lag unsichtbar, aber noch zu
erahnen die Skyline von Frankfurt. Das war er nun,
der letzte Abend, bevor es ans Ende der Welt ging.
Ich zündete mir heimlich die letzte Zigarette an,
verabschiedete mich von meiner Stadt. Die
gespenstischen Türme spendeten einen bitteren
Trost. Ich versuchte den Zigarettenrauch so
auszublasen, dass er nicht ins Zimmer
hineinströmen würde. Mein Kopf lugte tief aus dem
Fenster hervor, so dass sich langsam eine
Schneekrone auf meinen Haaren absetzte. So sehr
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mich der lang anhaltende Schneefall bereits
ärgerte, so sehr würde ich den Schnee morgen
vermissen. In Neuseeland war es derzeit Sommer.
Innerlich schwankte ich zwischen Wehmut und
Hoffnung. Ich war zu aufgeregt, um schlafen zu
können. Ich dachte daran, ob sich meine Freunde
noch an mich erinnern würden, wenn ich nach
einem Jahr wiederkomme. Ob ich mich an mich
selbst erinnern würde. Oder ob sich gar nichts an
mir ändern würde? Wäre dann der Aufwand für
nichts und wieder nichts gewesen? Ein ganz
anderer Mensch würde ich wohl nicht sein.
Zumindest würde ich gut Englisch sprechen können
und ich lernte ein neues, ganz anderes Land
kennen. Die Menschen sollen sehr offen und höflich
sein. Schlecht würde es mir doch nicht ergehen.
Immerhin würde ich bei Papas Freunden leben. So
grübelte ich noch die halbe Nacht vor mich hin.
Irgendwann gegen drei oder vier Uhr schlief ich
dann doch ein. Ich träumte vom Regenwald. Das
war ein ganz anderer Wald als der bei uns. Keine
Eichen oder Buchen, nur unbekannte Bäume
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standen dort. Alles war grün. Farne und grünes
langes Moos wuchsen an den Sträuchern, an den
Steinen, an den Bäumen. Wie der Bart von uralten
versteinerten Göttern. Ich lief barfuß im Wald
umher. Das Moos war so fest und dicht, dass mir
die Steine an den Füßen nicht wehtaten.
Nebelschwaden rauschten herbei und wieder fort.
Ein leichter Nieselregen tropfte auf meine Haut. Er
war weder kalt, noch warm. Ich fühlte mich nicht
geborgen und doch sicher. Ich suchte nach etwas.
Ich wusste aber nicht wonach. Es war eine ganz
tiefe Sehnsucht, wie nach Wasser oder Essen. Ich
wusste, dass ich mich vor wilden Tieren nicht
fürchten musste. Aber wie war es mit Menschen?
Nein, um Menschen musste ich mir auch keine
Sorgen machen. Ich versuchte, mein Gedächtnis zu
erforschen, wonach ich suchte, ich schien es aber
ganz vergessen zu haben. Übrig blieb nur die
Erinnerung an die Suche. Als ich so auf dem Boden
saß wurde ich müde, legte mich hin und drehte den
Kopf zur Seite. Das Moos war wie ein Kissen an
meiner Wange. Die Farne wuchsen in einer
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unglaublichen Geschwindigkeit, flochten eine Decke
für mich. Die Decke fühlte sich warm und feucht an.
Ich öffnete die Augen und blickte in ein Augenpaar.
Ob sie menschlichen oder ob sie tierischen
Ursprungs waren, konnte ich nicht sagen. Sie waren
grün und ich hatte keine andere Wahl, als ihnen zu
vertrauen. Ein schriller Ton zwang mich dazu, den
Blick von diesem Augenpaar abzuwenden. Das
weiße, gleißende Licht, das mich umgab, kam nicht
aus dem Wald. Es kam aus meinem Frankfurter
Zimmer. Automatisch griff meine linke Hand nach
dem Wecker und schaltete ihn endlich ab. Es war
acht Uhr. Meine Koffer und Taschen stapelten sich
im Raum. Mein Bett lag wie eine Insel mitten im
Zimmer. Ich stand auf und balancierte zwischen den
Koffern zur Tür und steuerte das Bad im Korridor
an.
…
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Kapitel 8 – Auszug
Sophies Perspektive
Unter Miss Hays Anleitung machten wir weiter,
liefen ein paar Runden in der Halle, bis sie der
Überzeugung war, dass wir zu unseren Fahrrädern
gehen konnten. Überraschenderweise war ich nach
dem Laufen gar nicht so außer Atem wie ich es
erwartet hatte. Miss Hays fuhr vor und wir folgten
ihr, wie sie es wünschte in einer langen Reihe, einer
nach dem anderen. Vor mir fuhr ein straßen-
köterblonder, sehr muskulöser Junge namens
Steve. So wie er auf seinem professionellen
Mountainbike aussah, schien er auf dem Fahrrad
zur Welt gekommen zu sein. Er war sicherlich nicht
hier, um etwas zu lernen, sondern Miss Hays ein
Jahr lang zu bewundern. Hinter mir hatte sich Kiri in
die lange Schlange eingereiht. Für Außenstehende
sahen wir aus, wie eine Entenfamilie. Die Mutter
voran und die Jungen hinterher. Nach etwa zehn
Minuten Fahrt wurde die Straße immer enger. Vor
dem letzten Haus verbot ein Schild die Durchfahrt
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für Autos. Auf einer Wendeplattform konnte man
umdrehen. Der schmale und schlecht geteerte Weg
schlängelte sich zwischen Wein- und Obstplantagen
und Schafsweiden zu den smaragdgrünen Bergen
empor. Ein Zaun links und rechts grenzte die Felder
vom Weg ab. Hier und da waren grasende und
blökende Schafherden zu sehen und zu hören. Ihre
Stimmen und das Summen der Insekten waren die
einzigen Geräuschquellen weit und breit. Die
Nachmittagssonne ergoss sich orangerot, warm und
weich auf alles. Die monotonen Bewegungen auf
dem Rad taten ihr Übriges und ich versank in eine
Trance, ohne meine Anstrengung zu merken, oder
etwas zu denken. Ich nahm für eine Weile nichts
mehr bewusst wahr, bis ich genauso plötzlich zu mir
kam wie ich weggedriftet war und stechende
Schmerzen in meinen Beinen spürte. Die Steigung
des Weges war sehr groß, Staub und Geröll haben
den Teer abgelöst. Ich schaltete mehrere Gänge
hoch, bis sich meine Oberschenkel wieder
entspannten. Einige Meter vor uns verschluckte der
Wald den Weg. Als der erste Baum seinen Schatten
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wie einen Vorhang über meinen Kopf warf, wurde
es dunkel um uns herum. Nur spärlich drang die
Sonne durch und tänzelte in kleinen Lichtflecken auf
dem Meer an Farnen und moosüberwucherten
Steinen, Wurzeln und Ästen. Der Wald war alt,
unberührt und für meine mitteleuropäischen Augen
so exotisch wie ein Wald nur sein konnte. Die
Baumarten kannte ich nicht. Lianen schlängelten
sich um die Bäume. Manche Bäume lagen morsch
und von Moosen überwuchert in der tödlichen
Umarmung der Lianen auf dem Waldboden. Die
mehrere Meter hohen Farne und Palmen waren
unglaublich. Es roch intensiv, als hätte jemand
kiloweise Honig ausgekippt. Aber viel seltsamer war
die Geräuschkulisse. Vögel sangen in abstrusen
Tonhöhen fremde Melodien. Manche klangen
metallisch, als ob sie Lebewesen von einem
anderen Planeten seien. Grillenartige Insekten
zirpten schrill, sodass man sein eigenes Wort nicht
verstehen könnte, würde man versuchen eine
Unterhaltung hier zu führen. So still und
ausgestorben wie der Wald bei uns wirkte, so
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lebendig war er hier. Er eroberte den von
Menschenhand angelegten Pfad langsam wieder für
sich. Wurzeln überquerten den Weg hier und da
oder ragten plötzlich heraus, um einige Zentimeter
weiter gleich wieder im Boden zu verschwinden.
Steine jeglicher Größe lagen verstreut herum und
machten das Vorwärtskommen besonders schwer.
Moose hatten in Büscheln den Wegesrand besiedelt
und streckten ihre Fühler immer weiter in die Mitte
des Weges. Meinen Blick heftete ich fest auf den
unebenen Boden. Ich traute mich nicht, über die
Hindernisse zu fahren, weil ich befürchtete,
auszurutschen. So fuhr ich um alles herum wie bei
einem Hindernisrennen. Das verlangsamte meine
Geschwindigkeit. Ein schneller Blick nach oben
verriet mir, dass der geübte Steve verschwunden
war. Um mich nach Kiri umzudrehen, war ich zu
ängstlich. Plötzlich anhalten wollte ich auch nicht,
damit sie nicht mit mir kollidierte, sollte sie nah
hinter mir fahren. Ich rief laut nach ihr, erhielt aber
keine Antwort. Dann erst traute ich mich
anzuhalten. Weit und breit war kein Mensch zu
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sehen. Die mir unbekannten Baumarten türmten
sich fünfzig Meter über mir nach oben. Ihre dichten
Kronen schirmten das Licht völlig ab. Haben es
einige Strahlen doch irgendwie geschafft,
durchzudringen, so wurden sie von den
überdimensionierten Farnenbüschen aufgefangen.
Ich wunderte mich, wie die Moose ohne Sonnenlicht
den gesamten Waldboden so dunkel und dicht wie
ein Teppich überwuchern konnten. Um mich herum
spürte ich keine Bewegung. Plötzlich war es
totenstill. Wo waren die schrillen Grillen und die
seltsamen Vögel? Als hätte alles Lebendige in
diesem Wald seinen Atem in diesem Augenblick
angehalten. Seltsam. Ich schloss die Augen und
atmete ein. Eine Welle an Gerüchen überwältigte
mich. Ich roch den Honigduft, die Pflanzen, die
Tiere, die Schafe, die hinter dem Wald grasten, den
Regen, der als Dampf in der Luft hing. Und ich roch
die Menschen, ihren Schweiß und ihr fettiges,
pulsierendes, eisenhaltiges Blut. Es drehte sich
alles um mich herum. Die Bäume, die Steine, der
Weg. Sie verloren ihre Konturen. Ich sah nur noch
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grün. Eine einzige grüne Fläche. Ich musste
gefallen sein, denn ich spürte den dumpfen aber
schmerzlosen Aufprall. Mir wurde schlecht und ich
erbrach mich. Die Welt um mich herum kam
langsam in Fokus. Ich stand vorsichtig auf, kroch
auf allen Vieren zum Fahrrad, griff nach meiner
Wasserflasche und trank. Zu mehr war ich nicht
fähig. Mein Gehirn war ausgestellt. Nur riechen
konnte ich. Alles um mich herum. Plötzlich roch ich
Kiri. Noch bevor sie um die Biegung kam. Sie würde
mich gleich einholen. Vor Scham setzte ich mich
sofort auf das Rad, obwohl ich noch ganz zittrig in
den Knien war und fuhr los.
…
Kapitel 22
Damians Perspektive
Dein Geruch ist von Tag zu Tag intensiver. Du
entfaltest Dich wie eine Blüte. Eine rabenschwarze
Blüte. Eine gefährliche, tödliche Blüte. Ich habe
Hoffnung geschöpft, als Du Kyle und Luke
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zugerichtet hast. Übel zugerichtet. Das geschieht
den beiden Recht. Man provoziert eine Wildkatze
nicht, ohne die Konsequenzen zu bedenken. Stolz
erfüllte meine Brust als ich das Video sah, das die
beiden von Dir zeigten. Du hast gekämpft.
Ungerecht gekämpft. Hast nachgetreten. Du bist
stärker geworden. Es bedurfte mehrerer Jungs, um
Dich ruhigzustellen. Kyle und Luke haben wie die
Kaninchen gewinselt, ihre Wunden geleckt.
Jämmerliche Kreaturen. Du hast mehr Format als
alle zusammengenommen. Ich bin stolz auf Dich.
Richtig stolz. Langsam erwacht das wilde Tier in
Dir.
Kyle sagte, dass Du Deine Freunde überredet hast,
Dich in den Club mitzunehmen. Ich folge Dir. Ich
muss Dich sehen. Dich berühren. Du sollst mich
kennenlernen.
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Kapitel 32 – Auszug
Sophies Perspektive
…
Mit seiner übermenschlichen Schnelligkeit stand er
plötzlich hinter mir und nahm mich in den
Schwitzkasten. Es war wie ein Déjà-Vu. Er drückte
so fest zu, dass ich nicht mehr atmen konnte. Was
vor dem Hintergrund seines üblen Mundgeruchs
nicht einmal so schlecht war. Er flüsterte auf
Deutsch in mein Ohr. „Und bist Du nicht willig, so
brauche ich Gewalt.“ Dann lachte er seine
widerliche Lache. Eine poetische Ausgeburt der
Hölle. Der Typ war dem Wahnsinn nahe. Nate stand
plötzlich vor uns. Na endlich!
„Lass sie sofort los.“
„Der edle Held, der leider zu spät kommt. Prinzessin
Sophie gehört mir.“ Ich war dem Ersticken nahe.
Mein Kopf musste rot wie eine Tomate sein. Sagen
konnte ich nichts. Aber am liebsten hätte ich Nate
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angeschrien, warum er sich so lange Zeit gelassen
hatte. Und wo war Chris?
„Ich dachte, dass Du vernünftiger bist und Sophie
nicht angreifst. Das wird Dir eine Menge Probleme
bescheren. Das weißt Du.“
„Das glaube ich nicht. Der Ältestenrat wird in der
Mehrheit hinter mir stehen.“
„Das bezweifle ich.“
„Dann lass Dich überraschen. Dein Gesicht will ich
sehen, wenn der Beschluss angenommen wird.“
Damian lachte sein wildes Lachen. Plötzlich starb
das Lachen und seine Umklammerung löste sich
langsam. Damian sackte zu Boden und ich beugte
mich Luft schnappend nach vorne. Chris hatte
Damian außer Gefecht gesetzt. Nate war in einem
großen Sprung bei mir und hielt mich fest. Die
Wärme seines Körpers beruhigte mich ein wenig.
Warum konnte er mich nur nicht lieben? Es wäre
alles einfach und alles gut. Es war nicht fair. Ohne
die Umarmung zu lösen, fragte er besorgt:
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„Alles wieder ok?“
„Nein, nichts ist ok. Der Typ ist ein Wahnsinniger.“
Ich lehnte meinen Kopf auf Nates Schulter, schloss
meine Augen und rieb meine Wange an seiner
Jacke. Mein warmer schneller Atem wurde nicht
langsamer. Ich hätte am liebsten geheult. Aus
Freude, weil ich in Nates Armen lag und aus Angst
vor dem Ungeheuer, das Chris ko geschlagen hatte.
Nate lehnte sein Gesicht an meinen Kopf strich über
mein Haar, so wie damals vor dem Club. Ich weiß
nicht, wie lange wir so da standen. Nate sagte
mehrmals „Es tut mir leid“ und streichelte meine
Haare. Ich antwortete nichts und dachte, dass
vielleicht die Welt um uns herum untergegangen
war. Dann unterbrach ein Räuspern die Stille und
ich kam wieder zu mir. Wir lösten die
Umklammerung und ich drehte mich in die
Richtung, aus der das Räuspern kam. Chris stand
da an die Wand gelehnt, vor seinen Füßen das
riesige in sich zusammengesackte Monster. In der
Hand hielt er eine schwere Bratpfanne. Ein
Lachkrampf überkam mich bei diesem Anblick.
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Damian, die Ausgeburt der Hölle, ging in die Knie,
weil Chris ihm eins mit einer Bratpfanne über den
Kopf zog. Ich konnte gar nicht mehr aufhören zu
lachen. Nate stimmte mit ein. Chris fragte verdutzt:
„Was denn? Warum lacht Ihr?“ und hob fragend die
Arme hoch. Sein Blick fiel auf die Bratpfanne und da
ging ihm wohl ein Licht auf. Er fing ebenfalls an zu
lachen. Als wir uns wieder beruhigten, sagte Chris,
dass er sich unbedingt eine richtige Waffe zulegen
müsste, wenn Damian so weitermachte und ich mir
eine Gewohnheit daraus machte, mitten in der
Nacht den Müll rauszubringen.
Nate legte noch eins drauf: „Bestell schon mal die
Gulaschkanone auf ebay.“
…
„Wir müssen ihn irgendwie auf die Insel schaffen,
damit er nicht entkommt. Mit unseren Fahrrädern
wird es schwierig“, sagte Chris.
Was denn für eine Rettungsaktion?! Mit einer
Bratpfanne bewaffnet und mit Fahrrädern als
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Fluchtfahrzeug, kamen die beiden hierher, um mich
vor Damian, dem Teufel, zu beschützen. Die hatten
nicht besonders viele Action-Filme in ihrem Leben
gesehen.
„Wir nehmen das Auto von Volker“, sagte ich.
„Kannst Du fahren?“, fragte Nate verblüfft.
Die beiden konnten natürlich nicht Autofahren. Da
musst Du selbst ran, Sophie, sagte ich mir. „Nein,
aber ich habe ferngesehen und meinen Vater dabei
beobachtet. Außerdem komme ich aus
Deutschland, wo das Auto erfunden wurde. Wäre
doch gelacht, wenn das nicht klappt“, sagte ich und
holte schnell die Schlüssel, die im Flur an der Wand
hingen.
In dieser Nacht lernte ich das Autofahren. Im Hafen
lag Nates und Chris Boot. Wir zerrten den über
hundert Kilo schweren Damian aus dem Auto und
legten ihn in das Boot. Zuvor war Damian im Auto
leicht zu sich gekommen und Chris hatte wieder
seine Bratpfanne benutzt. Nun lag Damian im Boot,
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schlief tief und fest. Selbst wenn er ruhig dalag,
hatte er etwas Beängstigendes und Ekelhaftes an
sich. Wir schwitzten und keuchten vor Anstrengung.
Nate berührte meinen Arm und sagte: “Mach Dir
keine Sorgen, wir schaffen es jetzt alleine zur Insel.
Er wird eingesperrt und kommt vor den Rat.“
„Wenn Ihr eine Aussage von mir braucht,…“
„Das wird bestimmt nicht nötig sein“, unterbrach
mich Nate. Natürlich nicht, dachte ich, denn dann
müsste ich zur Insel und das will keiner von denen.
Die wollen schön unter sich bleiben. Dass ich mein
Gesicht verzog, entging Nate nicht.
„Wir halten Dich auf dem Laufenden.“
„Alles klar. Kommt gut nach Hause. Und danke“,
sagte ich und formte meine Lippen zu einem etwas
bitteren Lächeln.
„Es tut uns so leid, Sophie.“
„Ich weiß.“
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„Freunde?“, fragte Chris, der immer noch die
Bratpfanne in der Hand hielt.
„Klar“, sagte ich, „Wer so gut mit der Pfanne
umgehen kann, wie Du, ist für immer mein Freund“,
schmunzelte ich.
„Schlaf gut Sophie“, Nate drückte meinen Arm,
drehte sich um und bestieg das Boot. Ich hatte
einen Kloß im Hals. Eine Umarmung gibt es wohl
nur direkt nach einem Übergriff von Damian.
Die beiden paddelten über das ruhige dampfende
Meer. Die Wolken ließen den Mond aus ihrer
Umklammerung los, der sich sofort über das Meer
ergoss. Das Wasser klatschte in sanften Stößen
gegen das Hafenbecken. Als das Boot kaum mehr
zu sehen war, fuhr ich das Auto nach Hause. Zu
Hause hatte niemand etwas bemerkt.
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Kapitel 46 – Auszug
Sophies Perspektive
In einer dunklen, heißen, nur schummrig
beleuchteten Kammer kam ich langsam zu mir. Die
Decke war sehr hoch. Die Wände waren aus
braunem Felsgestein. Diverse Apparate standen auf
Schränken und Tischen. Ich lag mit meinem
menschlichen Körper auf einem Bett. Ich hatte mich
wohl nach der Betäubung zurückverwandelt. Mit
mehreren Ledergurten war ich an das Bett
geschnallt. Die Gurte schnitten so tief in das
Fleisch, dass das Blut in meinen Adern nicht
zirkulierte und mein ganzer Körper sich kribbelig
anfühlte. Ich konnte nur meinen Kopf leicht drehen.
Soviel ich sah, war außer mir niemand im Raum.
Ich rief Stephanies und Chris Namen, auch wenn
ich damit vielleicht meine Entführer auf den Plan
rufen würde. Es kam keine Antwort. Stephanie und
Chris, sollte er noch leben, wurden nicht hier
festgehalten. Der Raum erinnerte mich an die
Höhle, in der der Ältestenrat tagte. Er musste
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irgendwo im Vulkan sein. Vielleicht war ich im
gleichen Raum gefangen, in dem Christina lag, als
sie entführt wurde. Vielleicht konnte Nate Hilfe
organisieren und uns retten. Er war meine einzige
Hoffnung. Eine Welle von Traurigkeit überkam mich.
Warum passierte so etwas mir? Warum gab es
Schufte wie Damian auf der Welt? Wäre ich doch in
Deutschland geblieben. Wenn ich doch all das
gewusst hätte. Aber ich hatte es doch geahnt.
Warum hatte ich bloß nicht auf meinen Instinkt
gehört? Ich ließ meinen Tränen freien Lauf.
Vielleicht mussten sie einfach raus und dann würde
es mir besser gehen. Als ich keine Tränen mehr
übrig hatte, überkam mich ein Gefühl von Scham für
meine Schwäche. Das Leben war nicht immer
gerecht. Man musste auch die harten Seiten
akzeptieren und das Beste daraus machen. Nein,
Sophie, du würdest nicht kampflos aufgeben. Das
Leben ging weiter. Die Zeit für Rache würde
kommen. Ich musste mich vorbereiten. Ich musste
stark sein.
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Wenn ich mich verwandelte, könnte ich vielleicht
zwischen den Gurten, mit denen sie mich
festgeschnallt hatten, entwischen. Ich versuchte es
mehrmals, aber mit den festgezurrten Gurten
klappte es einfach nicht. Erschöpft blieb ich
bewegungslos liegen. Ich war durstig und hungrig.
Ich musste schon länger hier liegen. Vielleicht einen
ganzen Tag lang.
Plötzlich hörte ich Schritte neben mir. Ein mir
unbekannter Mann beugte sich über mich. Sein
Gesicht war braungebrannt. Eine teure Brille saß
auf seiner Nase. Seine Haare waren im Ansatz grau
und er trug einen weißen Kittel. Er wirkte wie ein
Arzt auf mich. Entweder gab es hier eine
Überwachungskamera oder der Mann wusste ganz
genau, wann das Betäubungsmittel aufhören würde
zu wirken und ich zu mir kommen würde. Sein
Timing war perfekt. Er drehte sich weg und rief laut:
„Sie ist wach.“ Als er mich wieder anschaute,
spuckte ich in sein Gesicht. In meiner ausweglosen
Situation war das der einzige Weg, mich an ihm zu
rächen. Egal wer er war, er kooperierte mit Damian
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und hat weiß Gott was mit mir angestellt. Er hatte
es verdient. Angeekelt wischte sich der Kerl mit
dem Ärmel seines Kittels über das Gesicht und gab
mir dann eine Ohrfeige. Damian stand plötzlich
neben ihm. Mit einer Hand hob er den Arzt am Hals
einen halben Meter hoch.
„Sie ist meine Gefangene. Habe ich Dir erlaubt, sie
zu schlagen?“, zischte er.
„Nein“, würgte der Mann im weißen Kittel heraus.
„Dann lass Deine Finger von ihr“, tönte Damian und
ließ ihn fallen. Der Mann stand ängstlich wieder auf
und wusste nicht, ob er bleiben oder gehen soll.
Damian nahm ihm die Entscheidung ab: „Richte das
Bett auf und lass uns alleine.“ Der Mann tat sofort,
was gewünscht war und ging blitzschnell fort.
Damians Höllenfratze widerstand man nicht.
Nun stand Damian direkt vor mir. Auge um Auge.
Seine gelben Augen bohrten sich in meine, als
würde er mich durchleuchten. Ich hatte nur
Verachtung für ihn übrig. Meine Angst war
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verschwunden. Egal was er wollte, hatte er
bestimmt schon bekommen. Was würde er nun mit
mir machen? Mich als sein Haustier halten oder
einfach nur töten? Ich wollte es wissen. „Wie lange
bin ich schon hier?“
„Zwei Tage“.
„Du hast bekommen, was Du wolltest?“
„Das hängt von Dir ab“, antwortete er schmeichelnd
und streichelte mit seinen eiskalten Echsenfingern
über meine Wange. Das sollte wohl zärtlich sein.
Ich selbst empfand es wie den Schlag einer
Peitsche.
„Was willst Du von mir? Hör auf, um den heißen
Brei herumzureden!“, befahl ich ihm trotzig.
„Zügle Dein Temperament, mein Kätzchen.“
„Warum hast Du mich entführt?“
„Ich will Dir ein Angebot machen“, kam er endlich
zur Sache. …