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Acta chirurgica Austriaca Organ der ~)sterreichischen Gesellschaft for Chirurgie und der assoziierten Fachgesellschaften Redaktion: P. Fuchsig, R. Gottlob - Wien Wissenschaftlicher Beirat: H. Br0cke, H. Denck, E. Diemath, R. Fries, H. Loebenstein, P. Wurnig Jahrgang 4/1972 Heft 5 OBERSICHTEN Aus dem Zentrallaboratorium (Vorstand: Doz. Dr. M. Fischer) und der I. Chirurgischen Abteilung (Vorstand: Doz. Dr. H. Denck) des Krankenhauses der Stadt Wien-Lainz St~rungen der Blutgerinnung und H~;mostase w~;hrend und nach chirurgischen Eingriffen*) **} Diagnose und Therapie Von M. Fischer, P. Gauss, A. Weissmann und E. Chowanetz Zusammenfassung W~ihrend grof~er chirurgischer Eingr.iffe konnte boi 31 Patienten, welche intra- und postoperativ schwere Blutungskomplikationen aufwiesen, e,ine StSrung der Blutger.innung un,d H~.mostase im Sinne einer Ver- brauchskoagulopatbie festgestelh werden. Auf die Schwierigke!ten tier D.iagnostik wurde b esonders einge- gangen. D er g~instige Effekt einer niederdosi.erten Hepavintherapie zur Beseitigung ,der Verbrauchskoagulo- pathie wird hervorgehoben. Summary During major surgery 31 pati,ents had severe .intra- or postoperati,ve bleeding complications. As a result of various coagulation analyses a consumption coag-ulo- pathy was ,detected. The difficul~i.es ~'n the special problems of diragnosis and the favourable effect of a low dosage therapy w,ith heparin to .interrupt the consump- tion coa~,ulopathy were pointed out. Be[ Blutungskomplikationen w~ihrend und nach chi.rur- gischen Eingriffen ist ein,e rascke und sichere KHirung der Blutungsursache fi.ir .die Durchfiihrung einer gez,iel- ten blutstillenden Behandl~ung unumg~ngl~i.ch. Die patho- *) Mitteilung anl~l~lich der 13. Tagung der i3sterreickischen Geseilschaft fiir Chirurgie in Krems, 24. bis 27. Mai 1972. **) Diese Arbeit wurde durch Mittel des wissenschaftlichen Fonds der Stadt Wien gefSrdert. phys.iologischen Ursachen derartiger Blutungen si~nd sehr unterschiedlich. Vereinfacht kann man die Blutungen, welche auf eine Gerinnungsst~Srung zuriickzufl.ihren sind, entweder als Folge einer Bildungs- oder Umsatzst~Srung der Blutgerinnungskomponenten ansehen (2, 3, 4, 5, 6, 8, 11, 13, 16, 17, 20, 21, 24) (Tab. 1). In dieser Arbeit solI auf UmsatzstSrungen im Sinne ~ner Verbrauchs- koagulopathie n~ih.er eingegangen werden. Diagnostische Kriterien Die gerinnungsphysiologische Diagnosfik in der akuten Phase der Verbrauchskoagulopathie ist nicht immer ein- deutig. Oft l~ii~t sich diese erst an Hand yon Verlaufs- kontrollen, sp~iter durch aufwendige Untersuchungen be- weisen. Folgende Kriterien haben wit f[ir die akute Dia- gnostik herangezogen : 1. Di,e absolute Verminderung yon Gerinnungsfakto- ten (Verminderung yon F~i.br Faktor V, Faktoren des ProthrombinkompIexes, Faktor VIII) und der ThrombozytenzahI. 2. Nachweis einer fi.brinolytischen Aktivit~.t (Fibrino- gen-EibrinspaItprodukte). 3. Auftreten einer plStzlichen Blutungsneigung trotz sorgf~ihiger chirurgischer Versorgung bet vorher klinisch unauff~illigen Patienten. 4. Progressiver Verlauf tier Ger~nnungsstSrung auf Grund kurzfristiger Kontrollen. 5. Rasche Normalisierung des H~imostasepotentials wiihrend einer Heparintherapie. Im fol~enden soll an Hand eigen.er Beobachtungen auf jene St6rungen der Blutgefinnung eingegangen werden, welche unter den Zeichen einer Verbrauchskoagulopath~ie auftra.ten ~ur~d dadurch wesenttich zu m~tssiven Biutungs- komplikationen beitrugen. Material und Methoden 31 Patienten (ira Alter yon 17 bis 72 Jahren) mit massiven intra- oder postoperativen Blutungen wurden in der Zeit von Mai 1970 bis Mai 1972 an der I. Chirurgischen Abteilung des Acta chir, Austriaca 1972 Heft 5 97

Störungen der Blutgerinnung und Hämostase während und nach chirurgischen Eingriffen Diagnose und Therapie

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Page 1: Störungen der Blutgerinnung und Hämostase während und nach chirurgischen Eingriffen Diagnose und Therapie

Acta chirurgica Austriaca Organ der ~)sterreichischen Gesellschaft for Chirurgie und der assoziierten Fachgesellschaften

Redak t i on : P. Fuchsig, R. Go t t l ob - Wien

Wissenscha f t l i cher Be i ra t : H. Br0cke, H. Denck, E. D iemath , R. Fries, H. Loebens te in , P. Wurn ig

Jahrgang 4 /1972 Heft 5

O B E R S I C H T E N

Aus dem Zentrallaboratorium (Vorstand: Doz. Dr. M. Fischer) und der I. Chirurgischen Abteilung (Vorstand: Doz. Dr. H. Denck) des Krankenhauses der Stadt Wien-Lainz

S t ~ r u n g e n d e r B l u t g e r i n n u n g u n d H ~ ; m o s t a s e w ~ ; h r e n d u n d n a c h c h i r u r g i s c h e n E i n g r i f f e n * ) * * } Diagnose und Therapie

Von M. Fischer, P. Gauss, A. Weissmann und E. Chowanetz

Zusammenfassung

W~ihrend grof~er chirurgischer Eingr.iffe konnte boi 31 Patienten, welche intra- und postoperativ schwere Blutungskomplikationen aufwiesen, e,ine StSrung der Blutger.innung un,d H~.mostase im Sinne einer Ver- brauchskoagulopatbie festgestelh werden. Auf die Schwierigke!ten tier D.iagnostik wurde b esonders einge- gangen. D er g~instige Effekt einer niederdosi.erten Hepavintherapie zur Beseitigung ,der Verbrauchskoagulo- pathie wird hervorgehoben.

Summary

During major surgery 31 pati,ents had severe .intra- or postoperati,ve bleeding complications. As a result of various coagulation analyses a consumption coag-ulo- pathy was ,detected. The difficul~i.es ~'n the special problems of diragnosis and the favourable effect of a low dosage therapy w,ith heparin to .interrupt the consump- tion coa~,ulopathy were pointed out.

Be[ Blutungskomplikationen w~ihrend und nach chi.rur- gischen Eingriffen ist ein,e rascke und sichere KHirung der Blutungsursache fi.ir .die Durchfiihrung einer gez,iel- ten blutstillenden Behandl~ung unumg~ngl~i.ch. Die patho-

*) Mitteilung anl~l~lich der 13. Tagung der i3sterreickischen Geseilschaft fiir Chirurgie in Krems, 24. bis 27. Mai 1972.

**) Diese Arbeit wurde durch Mittel des wissenschaftlichen Fonds der Stadt Wien gefSrdert.

phys.iologischen Ursachen derartiger Blutungen si~nd sehr unterschiedlich. Vereinfacht kann man die Blutungen, welche auf eine Gerinnungsst~Srung zuriickzufl.ihren sind, entweder als Folge einer Bildungs- oder Umsatzst~Srung der Blutgerinnungskomponenten ansehen (2, 3, 4, 5, 6, 8, 11, 13, 16, 17, 20, 21, 24) (Tab. 1). In dieser Arbeit solI auf UmsatzstSrungen im Sinne ~ner Verbrauchs- koagulopathie n~ih.er eingegangen werden.

Diagnostische Kriterien

Die gerinnungsphysiologische Diagnosfik in der akuten Phase der Verbrauchskoagulopathie i st nicht immer ein- deutig. Oft l~ii~t sich diese erst an Hand yon Verlaufs- kontrollen, sp~iter durch aufwendige Untersuchungen be- weisen. Folgende Kriterien haben wit f[ir die akute Dia- gnostik herangezogen :

1. Di,e absolute Verminderung yon Gerinnungsfakto- ten (Verminderung yon F~i.br Faktor V, Faktoren des ProthrombinkompIexes, Faktor VIII) und der ThrombozytenzahI.

2. Nachweis einer fi.brinolytischen Aktivit~.t (Fibrino- gen-EibrinspaItprodukte).

3. Auftreten einer plStzlichen Blutungsneigung trotz sorgf~ihiger chirurgischer Versorgung bet vorher klinisch unauff~illigen Patienten.

4. Progressiver Verlauf tier Ger~nnungsstSrung auf Grund kurzfristiger Kontrollen.

5. Rasche Normalisierung des H~imostasepotentials wiihrend einer Heparintherapie.

Im fol~enden soll an Hand eigen.er Beobachtungen auf jene St6rungen der Blutgefinnung eingegangen werden, welche unter den Zeichen einer Verbrauchskoagulopath~ie auftra.ten ~ur~d dadurch wesenttich zu m~tssiven Biutungs- komplikationen beitrugen.

Material und Methoden

31 Patienten (ira Alter yon 17 bis 72 Jahren) mit massiven intra- oder postoperativen Blutungen wurden in der Zeit von Mai 1970 bis Mai 1972 an der I. Chirurgischen Abteilung des

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Tab. 1. M6glichkeiten intra- und postoperativer Gerinnungsst6rungen.

Bildungsst6rung Koagulopathie Thrombozytopenie Thrombozytopathie

Umsatzst6rung Verbrauchs- koagulopathie

Hyperfibrinolyse

Gerinnungsst6rung Ursachen

intraoperativ postoperativ Gerinnungsfaktoren < 15% Pr~operativ 1. unzureichend sub- Fhrombozytenzahl < 50.000 nicht erkannt bzw. nicht stituiert

substituiert 2. AC-bedingt

1. Freisetzung von thrombo- 1. Massiver Blutverlust plast. Material 2. Infektion--Sepsis

2. akuter Blutverlust 3. Polytransfusion 3. Narkose 4. H~molyse 4. Polytransfusion 5. H~imolyse

1. Freisetzung von Gewebs- reaktiv bei aktivator verschiedener Verbrauchsreaktlon Organe

2. reaktiv bei Verbrauchs- ." reaktion

Krankenhauses der Stadt Wien-Lainz beobachtet und deshalb gerinnungsphysiologischen Untersuchungen im Zentrallabor unterzogen. Bei der Mehrzahl der Patienten erfolgte die erste Untersuchung zum Zeitpunkt der bedrohlichen Blutung.

Folgende Gerinnungsanalysen (1, 3, 14, 18) wurden vorge- nommen: Normotest bzw. Thrombotest, partielle Thrombo- plastinzeit, Faktor-V-Bestimmung, Fibrinogenbestimmung, Be- stimmung der Thrombinzeit, Z~hlung der Thrombozyten, Be- stimmung der Euglobulinlysiszeit, Aktivatoraktividit an Fibrin- platten, Staphylokokkenklumpungstest, radiale Immundiffusion gegen Antifibrinogen.

Ergebnisse

An H a n d der Tabelle 2 sind die Diagnosen und ,die Ar t tier chirurgischen Eingriffe zu ersehen. B~i allen Pa- t ienten handelte es s!ch um schwierige und langdauernde

Tab. 2. Diagnosen und Operationsarten.

Thorakotomie Bronchus-Ca chron. Empyem Medistinaltumor

Abdom.-thorakale (3sophagus-Ca Eingriffe Cardia-Ca Abdom. Eingriffe Magen-Ca

Pankreas-Ca Leberzirrhose/Shunt

Abdom.-perineale Rektum-Ca Eingriffe Knochenoperati0nen maligne Knochen Tu. Angiologisch-prothetische A r t.-iliaca-Verschliisse Eingriffe Un fallchirurgische Schuf~verletzungen Operationen (Thorax, Abdomen)

Usophagusrtiptur offene Thoraxquetschung Knochenbri.iche

Operat ionen, wobei grof~e Wundfl~ichen entstanden. Die postoperative Uberwachung u n d Therap[e erfolgte in den ersten 5 bis 10 Tagen an der chirurgischen Wach- station.

Der Zei tpunkt und das Ausmaf~ der Blutungen sin:d in der Tabelle 3 zusammengestel l t . Die Blutungsmanifesta- tion reichte von diffusen parenchymat~Ssen b,is zu mas- siven lokal'isierten Blutungen. Die Angaben iiber den Blutverlust beziehen sich auf gemessene und gesch/itzte Mengen.

Tab. 3. Ausma# und Zeitpunkt des Blutverlustes.

Intraoperativer Blutverlust Blutmenge in ml Pat. Zahl

1000--3000 13 3000--5000 14 > 5000 3 > 10.000 1

Postoperativer Blutverlust

Dauer der Blutung bis zum 2 Blutmenge Pat.-Zahi I. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

in ml po,top. Tag 9

< 500 3 3 ** 5 500--1000 1 1 **

1000--2500 2 1 ~** 1 * 3 > 2500 4 1" 1" 1" 1 ':t

< 500 10 10 3 500--1000 4 4

1000--2500 4 3 1 2500--5000 2 1]" 1

> 5000 1 1

* Heparin nach 2 bis 4 Tagen postop. 5 ** kein Heparin

31 t verstorben (Blutung, Schock)

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Abb. 1. Verhahen der Werte yon Thrombotest (T. T), Normotest (N. T), Faktor V (F. V), partieller Thromboplastinzeit (P. T. T), Thrombinzeit (T. Z.), Fibrinogen (Fbgn), Thrombozyten, Euglobulinlysezeit (ELT) und Fibrinspahprodukte (FDP) zum Zeitpunkt der akuten Blutung vor Beginn der Heparintherapie.

O Patient mix einem oder mehreren path. Werten �9 Patient ohne path. Werte /// Normalbereich

In tier Abbildung 1 sind die Ergebnisse der Gerin- nungsuntersuchungen aufgezeigt. Es handeh sich dabei ausschl.iet~lich um jene Werte, welche zum Ze, itpunkt der Blutung bestimmt wurden, wobei allerdings bei ein,igen Patienten schon eine Blut- und Volumenersatztherapie vorausgegangen war. Von 31 Patienten hatten 27 patho- logische Befun.de. Lediglich 4 Patienten zeigten zu d,iesem Zeitpunkt normale Ergebn~i.sse, doch ergaben weitere Kontrollen pathologische Werte.

Die Ver~nd.erungen der Faktoren II, VII ur~d X wur- den global mit dem Normotest bzw. Thrombotest erfat~t. Dabei zeigte sich ,in der Mehrzahl eine sehr deutliche Verminderung der Werte. Bei jenen Pafienten, welche eine Reduktion unter 50% aufwiesen, wurde zus~itziich der Faktor V bestimmt. Dieser war durchwegs verm.in- dert. Bei einem Drittel der untersuchten F~lle wurde eine d.eutlicbe Verktirzung tier part[ellen Thrombo- plas~inzeit festgestelh, vereinzeh waren auch eindeutige Verl~.ngerungen mel~bar. Dies spricht ein.erseits fiir eine erh6hte Gerinnbarkeit des Blutes im Sinne dn.er Hyper- koagulabilifiit, andererseits fiir eine HypokoagulabiIitS.t.

Die Thrombinzeit war bd 6 Patienten deuttich ver- l~ngert. Bd d.iesen konnte eine erh6ht.e filbrinolytische Aktivitit mit Verkiirzung der Euglobulinlysiszeit und einer erh6hten AktivatoraktivitRt nachgewr!~esen w.erden. Bei 20 Pati.enten waren die Werte yon Fibrinogen aleut-

lich vermindert, vereinzeh sogar unter 100 mg%. Im Staphylokokkenklumpungstest sowie in der radi.alen Immundiffusion, welche b ei einem Teil der Patienten durchgef/dhrt wurden, konnten im Serum Fibrinogen- Fibrinspahprodukte nachgewiesen werden. Bei 27 Pa- tienten bestand eine Thrombozytopenie unterschi.edlichen Grades.

Therapie

In Abh~ingigkeit vom Blur- bzw. Volumenverlust w~hrend und nach der Operation erfolgte die Subs6tu- tionsttferapie. Blutersatz in Form yon Vollblutkonserven (bis zu 10 Tagen ah) erfolgte intraoperativ im Durch- schnitt pro Patient mit 8�89 Konserven, bei einem Patien- ten maximal mit 21 Konserven. Postoperativ wurden durchschn~ittlich 5�88 Konserwen, bei ~inem Patienten maximal 23 Konserven gegeben. Plasmaexpander auf Dextran- und Getafir~ebasis wurden intraoperativ 1000 ml, maximal einmal 3000 ml, postoperativ durch- sch~ittlic.h 500 ml verabreicht.

Auf Grund der Ergebnisse der Gerinnungsunter- suchungen erfolg~e auch die Substitution von Bi,br.inogen, wobei im Durchschn;itt intraoperativ pro Patient 2,5 g, maxrimal bd 2 Patienten 8 g und postoperativ in den ersten Tagen je 1 g, in einem Fall maximal 3 g verab-

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Abb. 2. Verlau~ von Fibrinogen, Thrombozyten und Thrornbinzeit unter der niederdosierten Heparintherapie.

Verstorben ............ Kein Heparin _ _ Unter Heparin

reicht wurden. 3 Patienten er~i,elten postoperativ 5 Amp. Bebutin 500.

Antifibrinolytika erllielten alle Patienren gegen Ende der Operation, und zwar durchschrtittl.ich 7,5 g eACA bzw. 0,5 g Cyelocapron | sowie 350.000 E Trasylol | 21 Patienten bekamen unm,ittelbar n.ach Beendigung der Operation 100 bis 150 E Heparin pro Stunde als Dauer- infusion. Bei 5 Par.lenten wurde diese Therapi,e erst am 2. bis 4. postoperativen Tag eingeleitet, 5 Patienten er- b.ielten k.eine Heparinther, apie. Die durchschnittliche Dauer der Heparininfu~ionen betrug 5 Tage, richtete sich aber im wesenttichen nach ,den Wer~en der Blut- geninnungsuntersuchungen. Bd einzelnen Patienten wurde die Heparintherapie zur Prophylaxe thrombo- embol.ischer Komplikationen ab dem 5. Tag auf 25.000 E pro 24 Stun,den erh~Sht.

An Hand .der Abbildung 2 ist der Verlauf d.er Werte yon F.ibrinogen und Thrombozyten w~ihrer~d der Hepar~ntl~erapi, e zu ersehen. Es zdgte sich durchwegs bei allen Patienten, welche sofort Heparin erhi'elten, ein rascher Ansni,eg der Werte. Bei jenen Patienten, welehe zun~ichst kein Hepar~n er~i~elten, ez:folgte nur verdnzelt eine Normalisierung, zumeist kam es trotz Zufuhr yon F[br, inogen zu einer progre&enten Vermmderung; des- gleich.en sank,en die Thrombozyten weiter ab. Erst mit Einsetzen der Heparin,,i,nf.usion konnte dne Norrnalisie-

rung erreicht werden, wobei sich die H~imostase b:innen kurzem besserte. Die F~br,inogenwerte stiegen wesentlich rascher und h/Sher an, als es durch die Substitu~ion allein zu erwarten war.

Diskussion

Bd grof~en Operationen oder Polytraumatisierten kann es auf Grund ,des dl[rurgischen Eingriffes oder der Verletzun~en zu akuten schweren Gerinnungsst~rungen kommen. Als Ursache .cfafi~r kommen verschiedene aus- RSsende Faktoren in Frage, w ie die E,inschwemmung yon thromboplastischem Material .in die Zirkulation, die ver- ~nderte Str/Smungs- lind Kreislauf~ituation bei m.assivem Blutverlust, der rasche und massive Blutersatz mit Kon- servenblut, die Blutverdiinnung mit Plasmaexpandern un.d n'i.cht zuletzt a,uch die Narkose (11).

Bd den yon uns untersuchten Pati.enten konnten bei 26 yon 31 zum Zeitpunkt der bedrohl,ichen Blutung an Hand der durchgefiihrten Gerinnungsanalysen eine Thrombozytopenie, eine Hypof.ibrinogen~imie sow~e eine Verm~rtcterung spez[fischer Gerinrmngsfaktoren i.n charak- teristischer Weise festgestellt w.erden. Vere, inzelt wurde auch eine sekund~re Fibr[nolyse beobachtet. Diese Be- funde einer kombirfierten plasmatisch-thrombozyt~.ren Gerinnungsst6rung, welche bei kurzfristigen Kontrollen

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einen progressiv-pathologischen Verlauf zeigten, best~irk- ten uns ,in der Vermutung, daf~ dne Verbrauchskoagulo- pathie vorlag, um so mehr, als d.'ie Bhatungsneigung durch Blut- bzw. Volumenersatz und optimale chirur- g.ische Versorgung nicht vollkommen zu beheben war.

Die therapeutische Konsequenz war die Einleitung einer gerinnungsspe~ifis&en Therapie, v~elche einerseits auf e, ine schnelle Unterbrech.ung der Verbrauchsreaktion, anderersd'ts ~uf eine wirksame Sttbsti.tution ab~ielte. Das M~ttel ,tier Wahl hieRir war d, ie Gabe yon Hepar.i:n (3, 7, 9, 10, 12, 15, 22, 23). So wurcLe sofort postoperativ eine kontinuierliche Heparin.[nfusion bei 21 P.atienten m,it gleichzeitigem Blutvolumenersatz und Substitution yon Gevinnungsfaktoren durchgef~ihrt.

Die Therapie mit dies,er rfieder dosierten Heparininfu- sion von 100 bis 150 E pro Stunde zeigte einen deut- lichen Erfolg. Innerhalb von 24 Stunden konnte der progressive Verl~uf der Verbrauchsreakfiron gehemmt werden, desgleichen kam es zu einer raschen Stabili~ie- rung tier Kreislaufs,ituation sowie zu einem Sfitlstand der massiven Blutungen. Eine Verst~rkung der Blutun- gen unter diesen Hepar,indosen konnte n.icht beobachtet werden. Auch bei jenen Patienten, welche H epari*n erst nach 2 bis 4 Tagen post opera~ionem erhielten, zeigten sich analoge Beobachtungen. Die von uns gew~ihlte Heparindosis von 100 bis 150 E pro Stunde l.iegt deut- lich unter der in der Literatur (14, 15, 16, 17, 19, 22, 23) angegebenen, wobei aber sehr unterschiedl, iche Mengen- angaben - - zwischen 250 bis 1000 E pro Stunde - - mit- geteilt werden. Dabei ist 2her zu beri.ick~ichtigen, daf~ gerade bei operierten oder polytraumatis ier ten Pat ienten zur Vermeidung yon AC-bedingten Blutungen ,eine eher vorsichtige, vor ailem nicht ~iberschief~en, de Dosierung gew~ihlt wurde.

Nach unserer derzeitigen Erfahrung scheint 8!e Gabe von kleinen Hep,arinmengen, welcb.e zu keiner oder nur geringer Verl~inFerung der Thrombinze i t fiihren, fl.ir die Hemm, ung einer sich anbahner~den Verbrauchs,reaktion ausreichend z~u s,ein. Of fenbar geniigt diese Dosieru~ng zur Neutrat is ierung des in der Z~i:rkulafion frd~esetzten Thrombi,ns.

Die Dauer der Hepar in therap ie h~ingt von tier je- weil.igen Situat ion des einzelnen Eatienten ab, doch sollte diese a uch nach Normal is!erung tier Blutgerinnungswerte noch einige Tage we,itergegeben werden. Regelm~ii~ige Verlaufskontrol len werden einen H i n w d s fl.ir die Be- endigung der Therapie geben. In Einzelf~illen scheint es vor td lhaf t , die Hepavintherapie als Prophylaxe thrombo- embol~ischer Zwischenf~ille fortzusetzen; allerdings m~is- sen dafi.ir wesentlich gr~5~ere Hepar inmengen v erabreicht werden.

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Anschrift des Verfassers: Prim. Doz. Dr. M. Fischer, Vor- stand des Zentrallabors des Krankenhauses der Stadt Wien- Lainz, Wolkersbergenstrafle 1, A-1130 Wien XIII.

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