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© 2007 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.phiuz.de 2/2007 (38) | Phys. Unserer Zeit | 101 | TREFFPUNKT FORSCHUNG sollte. Einige Astronomen veröf- fentlichten sogar dessen Ent- deckung. Letztlich ließ sich die Existenz des so genannten Vulkan aber nicht bestätigen. Merkurs Periheldrehung ließ sich erst Anfang des 20. Jahrhunderts vollständig im Rahmen der Allgemeinen Rela- tivitätstheorie erklären. Somit gab es zu Beginn des 20. Jahrhunderts acht Planeten im Sonnensystem, allerdings verhielten sich die beiden äußeren nicht ganz so, wie sie es sollten. Insofern lag es nahe, die Bahnabweichungen von Uranus und Neptun durch einen weiter außen liegenden Planeten zu erklären. Diesen Planeten – Pluto – entdeckte 1930 Clyde Tombaugh am Lowell-Observatorium in Arizona. Es wurde jedoch rasch klar, dass Pluto zu klein ist, um die Bahnstörun- gen hervorzurufen, so dass ein zehnter Planet gesucht wurde, aller- dings vergeblich. In den vergangenen Jahren wurden mehrere Himmels- körper in diesem Bereich gefunden, die etwa so groß wie Pluto sind. Für einen Umsturz sorgte dann die Entdeckung des transneptunischen Körpers Eris, anfangs Xena genannt. Er war eindeutig größer als Pluto und wurde für die Astronomen zum Anlass, über eine neue Definition des Begriffs Planet nachzudenken. Das Ergebnis ist bekannt. In einer umstrittenen Abstimmung der Inter- national Astronomical Union wurde Pluto der Planetenstatus aberkannt. Nach der neuen Definition sind Himmelskörper, die wegen ihrer Masse eine kugelförmige Gestalt besitzen, in deren Bahn sich aber noch weitere Körper befinden, Zwergplaneten. Damit gibt es heute im Sonnensystem wieder nur acht Planeten. Jedenfalls bis jetzt … Im nächsten Beitrag dieser Rubrik geht es um die Entdeckungen extrasolarer Planeten. Peter Heering, Uni Augsburg PHYSIK GESTERN UND HEUTE | Streitbare Entdeckungen im Reich der Planeten Die Entdeckung eines neuen Planeten galt 200 Jahre lang als Sensation, die in Windeseile um die Welt ging. Einige der Neuankömmlinge wur- den indes bald wieder ins Reich der Planetoiden oder Asteroiden verwie- sen. Nun ereilte 76 Jahre nach seiner Entdeckung auch den Planeten Pluto dieses Schicksal. Bereits in der Antike bestand das Sonnensystem aus acht Körpern. Neben Erde, Sonne und Mond kannte man fünf weitere Objekte, die nicht fest am Himmel standen und daher als Planeten oder Wandelsterne bezeichnet wurden. Anfang des 17. Jahrhunderts kam mit der Ent- wicklung des Teleskops zwar eine Reihe von Monden hinzu, deren Zahl blieb aber bis weit in das 18. Jahr- hundert hinein konstant. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts waren astronomische Beobachtungen sehr populär und wurden von vielen Amateuren betrieben, deren Geräte qualitativ durchaus mit denen der professio- nellen Astronomen vergleichbar oder sogar besser waren. Einer dieser Amateure war der aus Deutschland stammende Musiker Friedrich Wil- helm Herschel, der mit seiner Schwester Caroline nach England emigriert war. Mit einem selbst gebauten Fernrohr gelang ihm 1781 die Beobachtung eines Himmels- körpers, den er anfänglich für einen Kometen hielt. Dann aber entpuppte er sich als Planet, der nach einigem Hin und Her den Namen Uranus erhielt. Damit war das klassische Bild des Sonnensystems zum ersten Mal erweitert worden. Übrigens stellte man später fest, dass schon 1690 der englische Astronom John Flamsteed Uranus beobachtet, aber nicht als Planeten erkannt hatte. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde mit Ceres ein kleiner Planet entdeckt, dessen Bahn zwischen Mars und Jupiter lag. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts fand man in dieser Region einige weitere Körper. Sie wurden aber letztlich alle als Planetoiden definiert und somit war auch Ceres kein Planet mehr. Mit der Entdeckung der Planetoiden einher ging die wachsende Erkennt- nis, dass die Bewegung des Uranus nicht exakt mit der aus der Newton- schen Gravitationstheorie berechne- ten übereinstimmte. So berechneten Urbain Joseph Leverrier und John Couch Adams unabhängig voneinan- der aus Bahndaten die vermutliche Position eines weiteren Planeten, den 1847 der Direktor der Berliner Sternwarte, Johann Gottfried Galle, entdeckte. Mit Neptun war die Planetenriege wieder auf acht Mit- glieder angewachsen. Nicht nur Uranus zeigte anfäng- lich unerklärliche Abweichungen von der Newtonschen Mechanik, sondern auch der sonnennächste Planet Merkur. Dessen Perihel verschob sich ganz erheblich. Aus diesem Grund nahm Leverrier an, dass es noch einen weiter innen umlaufenden Planeten geben müsse, der für diese Bahnstörungen verantwortlich sein Literatur und Internet J. Hamel, Geschichte der Astronomie, Birkhäuser, Basel 1998. www.astronews. com/news/artikel/ 2003/05/0305- 017.shtml. www.iau.org/iau 0603.414.0.html < Abb. 2 Her- schel war ein begnadeter Teleskopherstel- ler. Hier sehen wir ihn beim Schleifen eines Spiegels, bei dem ihn seine Schwes- ter Caroline, die selbst eine hervorragende Astronomin war, füttern musste. Abb. 1 Der Entdecker des Planeten Uranus, Friedrich Wilhelm Herschel. In der Hand hält er eine Zeichnung des Planeten mit zwei seiner Monde.

Streitbare Entdeckungen im Reich der Planeten

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Page 1: Streitbare Entdeckungen im Reich der Planeten

© 2007 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.phiuz.de 2/2007 (38) | Phys. Unserer Zeit | 101

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sollte. Einige Astronomen veröf-fentlichten sogar dessen Ent-deckung. Letztlich ließ sich die Existenz des so genanntenVulkan aber nicht bestätigen.Merkurs Periheldrehung ließ sicherst Anfang des 20. Jahrhundertsvollständig im Rahmen derAllgemeinen Rela-tivitätstheorieerklären.

Somit gab eszu Beginn des 20. Jahrhundertsacht Planeten imSonnensystem, allerdings verhieltensich die beiden äußeren nicht ganzso, wie sie es sollten. Insofern lag esnahe, die Bahnabweichungen vonUranus und Neptun durch einenweiter außen liegenden Planeten zuerklären. Diesen Planeten – Pluto –entdeckte 1930 Clyde Tombaugh amLowell-Observatorium in Arizona.

Es wurde jedoch rasch klar, dassPluto zu klein ist, um die Bahnstörun-gen hervorzurufen, so dass einzehnter Planet gesucht wurde, aller-dings vergeblich. In den vergangenenJahren wurden mehrere Himmels-körper in diesem Bereich gefunden,die etwa so groß wie Pluto sind.Für einen Umsturz sorgte dann dieEntdeckung des transneptunischenKörpers Eris, anfangs Xena genannt.Er war eindeutig größer als Pluto und wurde für die Astronomen zumAnlass, über eine neue Definition des Begriffs Planet nachzudenken.Das Ergebnis ist bekannt. In einerumstrittenen Abstimmung der Inter-national Astronomical Union wurdePluto der Planetenstatus aberkannt.Nach der neuen Definition sindHimmelskörper, die wegen ihrerMasse eine kugelförmige Gestaltbesitzen, in deren Bahn sich abernoch weitere Körper befinden,Zwergplaneten. Damit gibt es heuteim Sonnensystem wieder nur achtPlaneten. Jedenfalls bis jetzt …

Im nächsten Beitrag dieserRubrik geht es um die Entdeckungenextrasolarer Planeten.

Peter Heering, Uni Augsburg

PH YS I K G E S T E R N U N D H EU T E |Streitbare Entdeckungen im Reich der Planeten Die Entdeckung eines neuen Planeten galt 200 Jahre lang als Sensation,die in Windeseile um die Welt ging. Einige der Neuankömmlinge wur-den indes bald wieder ins Reich der Planetoiden oder Asteroiden verwie-sen. Nun ereilte 76 Jahre nach seiner Entdeckung auch den PlanetenPluto dieses Schicksal.

Bereits in der Antike bestand dasSonnensystem aus acht Körpern.Neben Erde, Sonne und Mond kannteman fünf weitere Objekte, die nichtfest am Himmel standen und daherals Planeten oder Wandelsternebezeichnet wurden. Anfang des 17. Jahrhunderts kam mit der Ent-wicklung des Teleskops zwar eineReihe von Monden hinzu, deren Zahlblieb aber bis weit in das 18. Jahr-hundert hinein konstant.

In der zweiten Hälfte des 18.Jahrhunderts waren astronomischeBeobachtungen sehr populär undwurden von vielen Amateurenbetrieben, deren Geräte qualitativdurchaus mit denen der professio-nellen Astronomen vergleichbar odersogar besser waren. Einer dieserAmateure war der aus Deutschlandstammende Musiker Friedrich Wil-helm Herschel, der mit seinerSchwester Caroline nach Englandemigriert war. Mit einem selbstgebauten Fernrohr gelang ihm 1781die Beobachtung eines Himmels-körpers, den er anfänglich für einenKometen hielt. Dann aber entpuppteer sich als Planet, der nach einigemHin und Her den Namen Uranuserhielt. Damit war das klassische Bilddes Sonnensystems zum ersten Malerweitert worden. Übrigens stellteman später fest, dass schon 1690 derenglische Astronom John FlamsteedUranus beobachtet, aber nicht alsPlaneten erkannt hatte.

Anfang des 19. Jahrhundertswurde mit Ceres ein kleiner Planetentdeckt, dessen Bahn zwischenMars und Jupiter lag. Bis zur Mittedes 19. Jahrhunderts fand man indieser Region einige weitere Körper.Sie wurden aber letztlich alle als

Planetoiden definiert und somit warauch Ceres kein Planet mehr.Mit der Entdeckung der Planetoideneinher ging die wachsende Erkennt-nis, dass die Bewegung des Uranusnicht exakt mit der aus der Newton-schen Gravitationstheorie berechne-ten übereinstimmte. So berechnetenUrbain Joseph Leverrier und JohnCouch Adams unabhängig voneinan-der aus Bahndaten die vermutlichePosition eines weiteren Planeten, den1847 der Direktor der BerlinerSternwarte, Johann Gottfried Galle,entdeckte. Mit Neptun war diePlanetenriege wieder auf acht Mit-glieder angewachsen.

Nicht nur Uranus zeigte anfäng-lich unerklärliche Abweichungen vonder Newtonschen Mechanik, sondernauch der sonnennächste PlanetMerkur. Dessen Perihel verschob sichganz erheblich. Aus diesem Grundnahm Leverrier an, dass es nocheinen weiter innen umlaufendenPlaneten geben müsse, der für dieseBahnstörungen verantwortlich sein

LLiitteerraattuurr uunnddIInntteerrnneettJ. Hamel, Geschichteder Astronomie,Birkhäuser, Basel1998.www.astronews.com/news/artikel/2003/05/0305-017.shtml.www.iau.org/iau0603.414.0.html

< Abb. 2 Her-schel war einbegnadeterTeleskopherstel-ler. Hier sehenwir ihn beimSchleifen einesSpiegels, bei demihn seine Schwes-ter Caroline, dieselbst einehervorragendeAstronomin war,füttern musste.

Abb. 1 DerEntdecker desPlaneten Uranus,Friedrich WilhelmHerschel. In derHand hält er eineZeichnung desPlaneten mit zweiseiner Monde.