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Inhaltsverzeichnis
1 Der Personenverkehrsraum als Bestandteil des öffentlichen Raumes 3
1.1 Kontexte der Sicherheit 5
1.1.1 Bahnhöfe und Haltestellen 5
1.1.2 Unsicherheitssituationen und Tageszeiten 6
1.1.3 Fahrgastinformation 7
1.1.4 Szenen gestörter physischer Ordnung 8
1.1.5 Szenen gestörter sozialer Ordnung 9
2 Akteure 11
2.1 Verkehrsunternehmen 11
2.2 Mitarbeiter/innen 12
2.2.1 Qualifizierung 13
2.3 Fahrgäste und Passanten 14
2.4 Sicherheitsakteure 16
2.5 Medien 17
3 Kommunikation und Interaktion: Maßnahmen sozialer Kontrolle 18
3.1 Raumbezogene Maßnahmen 18
3.1.1 Ausstattung und Zustand 19
3.1.2 Soziale Einrichtungen und Gewerbe 20
3.1.3 Technische Maßnahmen 20
3.1.4 Personaleinsatz 24
3.2 Kooperationsmaßnahmen 25
3.3. Kommunikationsmaßnahmen 26
4 Herausforderungen und Handlungsfelder 27
4.1 Herausforderungen für Betreiber 27
4.2 Herausforderungen für Fahrgastbeiräte / Fahrgastverbände 28
4.3 Herausforderungen für Politik 29
4.4 Herausforderungenfür Besteller 30
4.5 Herausforderungen für Gewerkschaften 30
3
1 Der Personenverkehrsraum als Bestandteil des öffentlichen Raumes
Die Differenzierung des öffentlichen Raumes hat in den letzten Jahren und Jahrzehnten stark
zugenommen. Städtische Kernbereiche und Infrastrukturen sind dabei immer stärker in das Blickfeld
unterschiedlichster, zum Teil divergierender Interessen geraten. Ein Beispiel dafür stellt der
öffentliche Personenverkehr dar. Insbesondere Bahnhöfe sind Teil des öffentlichen Raums, dessen
Veränderungen unterworfen, und werden als kritische Orte wahrgenommen, indem sie die soziale
Ordnung der Städte konzentriert abbilden und vermischen. An diesen Verkehrsknoten treffen
verschiedene soziale Gruppen ggf. mit unterschiedlichen Nutzungsinteressen aufeinander, was zu
sozialen Spannungen und Reibungen führen kann. Zu bedenken ist auch, dass die zeitlich soziale
Sortierung der Stadt, einst gegeben durch den Takt der Industriegesellschaft, heute weitgehend
aufgehoben und nur noch an vereinzelten, an bestimmten Wohnquartieren bzw. Industriestandorten
gelegenen Streckenabläufen anzutreffen ist. Jederzeit können sich soziale Gruppen vermischen und
Spannungen eskalieren.
Neben diesem strukturellen Wandel lässt sich auch eine durch die Politik vielfach unterstützte
Änderung der Nutzung des öffentlichen Raums feststellen, die sich auch auf den Verkehrsraum
auswirkt. Der öffentliche Raum ist weniger ein Arbeitsort oder politischer Raum, sondern zunehmend
ein Raum der Freizeitgestaltung, des Konsums und Entertainments. Dieser folgt anderen Regeln als
der tradierte öffentliche Raum. Es kommt zu Grenzüberschreitungen zwischen Öffentlichem und
Privatem, deutlich etwa in der ausgiebigen Nutzung des Mobiltelefons oder des Essens und Trinkens
in den Verkehrsmitteln. Es vermischen sich private Interessen und Bedürfnisse mit öffentlichen
Nutzungen. Werden die privaten Interessen ausgelebt, in diesem Fall durch Verstoß gegen die in den
Beförderungsbedingungen vereinbarten Regeln, entsteht Konfliktpotential, das sich insbesondere im
Verkehrsraum anstauen kann. Ehemals, allgemeinverbindlich anerkannte Regeln eines respektvollen
Umgangs miteinander, noch dazu im öffentlichen Raum, sind vielfach keine akzeptierte
Verhaltensgrundlage mehr. Verkehrsunternehmen sehen sich damit konfrontiert, dass soziale
Spannungen und Konflikte zwischen und innerhalb von Gruppen in das Verkehrsmittel hineingetragen
werden und Unsicherheiten erzeugen. Die offensive Berichterstattung in den Medien über
sicherheitsrelevante Ereignisse im ÖPNV befördert zusätzlich die Wahrnehmung möglicher
potentieller Konflikte.
Darüber hinaus haben die Anschläge auf den Nahverkehr in Madrid und London, und die Anschläge
2010 in der Moskauer Metro, deutlich gemacht, dass die Infrastruktur des Personennahverkehrs, mit
ihren großen Fahrgastströmen, ein mögliches potentielles Zielgebiet für Terroranschläge ist. Die
daraus resultierenden Sicherheitsmaßnahmen und die damit verbundene öffentliche Diskussion
haben zu einer weiteren, situationsabhängigen sicherheitsrelevanten Sensibilisierung der Fahrgäste
beigetragen.
Wissenschaftlicher Kontext:
Dimensionen subjektiver Sicherheit und Unsicherheit
Schon Anfang der 1970er Jahren konstatiert der Soziologe Franz-Werner Kaufmann eine ansteigende
Verwendung des Sicherheits-Begriffs in den alltäglichen Zusammenhängen. Kaufmann spricht von
einem „sich erst neuerdings verbreitenden Glauben, dass einer der tiefsten Wünsche des Menschen
‚Sicherheit‘ sei“ (1970, 49). Sicherheit wird zu einem Bedürfnis, das sich in unterschiedlichen
4
lebensweltlichen Kontexten empirisch nachweisen lässt. Dieses Bedürfnis wird einerseits als Reaktion
auf den sozio-ökomischen Wandel gelesen, anderseits aber veränderten Kriminalitätsformen und ihrer
medialen Repräsentation1 zugeschrieben, welche die Wahrnehmung von Sicherheit prägt. Eine
zentrale Erkenntnis der Kriminologie lautet, dass Kriminalitätsfurcht sich in der Regel nicht auf
Opfererfahrung zurückführen lässt. Das sogenannte „Kriminalitätsfurcht-Paradox‘“ beschreibt
folgerichtig, dass das subjektive Sicherheitsempfinden mit dem objektiven Kriminalitätsaufkommen
nicht übereinstimmt. Die Kriminalitätsfurcht bzw. das subjektive Sicherheitsempfinden ist Teil der
individuellen (subjektiven) Realitätsverarbeitung, welche selbst durch soziale Prozesse geformt ist.
Im Folgenden seien drei theoretische Konzepte zur Erläuterung der subjektiven Sicherheit kurz
skizziert.
Kognitionspsychologie
Sie unterscheidet zwei wechselseitig aufeinander bezogene Modi, wie Realitätssignale vom
menschlichen Gehirn verarbeitet werden und dabei kognitive Beanspruchung erzeugen. „Geschieht
etwas Neues? Besteht eine Bedrohung? Läuft alles gut? Sollte meine Aufmerksamkeit neu
ausgerichtet werden?“ (Kahnemann, 2012) Die intuitive Wahrnehmung als Modus 1 versorgt die
Reflexion als Modus 2 mit Eindrücken, Absichten, Gefühlen und spontanen Bewertungen. Weichen
diese von vertrauten Signalen ab, werden Unbehagen und ggf. Unsicherheit ausgelöst, die die
kognitive Beanspruchung ansteigen lassen. Es werden Handlungen veranlasst, das Unbehagen zu
beseitigen bzw. die Unsicherheitssituation zu meiden. Stimmt Modus 2 den Vorschlägen zu, erscheinen
die Eindrücke der Umgebung vertraut. Aus Intuitionen werden Handlungen, ohne dass Modus 2
gefordert wird. Die kognitive Leichtigkeit erzeugt ein Gefühl subjektiver Sicherheit. Auch die Analyse
der Kriminalitätsfurcht geht davon aus, dass zunächst ein negatives Ereignis antizipiert wird (kognitiv),
was ein Unsicherheitsgefühl auslöst (affektiv), worauf eine Handlungsabsicht (konativ) folgt (Schwind
et al. 2001).
Prospect-Refuge-Theory
Aus Perspektive der Kriminalgeografie lässt
sich subjektive Sicherheit auch vom Raum
bzw. den sozialen Kontexten her
problematisieren. Grundannahme ist, dass
ein bestimmtes Raumgefüge Kriminalität
anziehen bzw. verhindern könne.
Übertragen auf das Sicherheitsgefühl heißt
dies, dass Menschen sich an Orten sicherer
fühlten, die übersichtlich sind und ihnen die
Möglichkeit bieten, Schutz (Appleton 1975) bzw. Fluchtmöglichkeiten (Fisher und Nasar 1992) zu
finden. Nach dieser Prospect-Refuge-Theory ist das subjektive Sicherheitsgefühl also bestimmt durch
das Bedürfnis nach Übersichtlichkeit und Geborgenheit. Aus diesem Zusammenhang von Kriminalität
und Raum werden Strategien abgeleitet, beispielsweise im Bereich der sekundären
1 1967 startete das ZDF die Sendereihe „XY-Aktenzeichen…ungelöst“, in der ungeklärte Straftaten vorgestellt, in kurzen
Filmeinspielungen szenisch rekonstruiert und die Zuschauer zur Mitwirkung bei der Aufklärung aufgefordert werden.
Abb 1: Ursachen und Folgen kognitiver Leichtigkeit (Kahneman, 2012)
5
Kriminalprävention, die die subjektive Perspektive der Raumwahrnehmung und -nutzung
berücksichtigen, etwa die Gestaltung eines Bahnhofsgebäudes. Kritisch ist hierbei anzumerken, dass
nicht mehr ausschließlich formal-juristisch argumentiert wird. Vielmehr ist es die jeweils subjektive
Wahrnehmung, die als Argument verwendet wird, um ggf. auch über Norm und Abweichung im Raum
zu entscheiden.
Semiotik oder Zeichentheorie
Nach dieser Theorie werden städtische Räume als Zeichen und Interpretationsräume angesehen. Die
Akteure lesen und konstituieren unterschiedliche Zeichen im Raum. Nach Reblin lassen sich zunächst
nicht-intentionale Sicherheitszeichen, also unbeabsichtigte Sicherheitszeichen von nicht-intentionalen
Unsicherheitszeichen unterscheiden, die jeweils durch die subjektive Wahrnehmung bedingt sind
(2013), wobei die Medien eine konstitutive Rolle bei der Erzeugung dieser Zeichen spielen. Zu den
unbeabsichtigten Zeichen zählen die Anwesenheit bzw. Abwesenheit von Gruppen und/oder
bestimmten Artefakten oder Qualitäten wie baulicher Zustand, Beleuchtung etc.. Von diesen lassen
sich die intentionalen Sicherheitszeichen, also die beabsichtigten Zeichen unterscheiden. Diese werden
durch die Sicherheitsakteure implementiert, um die Wirkung der Unsicherheitszeichen aufzuheben
bzw. ein Gefühl der Geborgenheit zu erzeugen. So können auch zunächst nicht-intentionale Zeichen zu
intentionalen werden, wenn Gebäudemerkmale bewusst nach subjektiven Sicherheitsmerkmalen
gestaltet werden. Die intentionalen Zeichen können differenziert werden in Grenzzeichen (Zäune),
Kontrollsignale (Polizei), Verdrängungsartefakte (Mobiliar) etc. Sie stehen mit den
Unsicherheitszeichen stets in Relation, selbst wenn diese nicht präsent sind. Entscheidend ist, dass die
nicht-intentionalen Unsicherheitszeichen sich je nach herrschenden Bedrohungsbildern verändern.
Gleichzeitig muss die intendierte Bedeutung eines Sicherheitszeichens nicht mit seiner
wahrgenommenen Bedeutung durch die sozialen Akteure im Raum übereinstimmen. Beabsichtigte
Sicherheitszeichen und deren Wahrnehmung müssen beständig miteinander abgestimmt werden,
damit die Zeichen dem jeweiligen subjektiven Sicherheitsempfinden entsprechen.
1.1 Kontexte der Sicherheit
1.1.1 Bahnhöfe und Haltestellen
Durch die spezifische Offenheit verkehrlicher Infrastrukturen sind deren Sicherheitsanforderungen
nur in Verknüpfung mit den Sicherheitsanforderungen im städtischen Raum und den jeweiligen
Kontexten zu denken. So sind insbesondere städtische Bahnhöfe nicht einfach nur Haltepunkte des
Verkehrs, sondern unmittelbar mit Verkehrs- und Menschenströmen im urbanen Raum verbunden.
Zumeist durch eine entsprechende Portalarchitektur repräsentiert, stellen Bahnhöfe ins Zentrum
verlagerte Ein- und Ausgangstore der Stadt dar. Sie sind bedeutende Taktgeber und Wegweiser für
das städtische Leben. Gleichzeitig werden soziale Strukturen und Probleme in Bahnhöfe und den
öffentlichen Personenverkehr „hineingetragen“. Viele Bahnhöfe weisen eine „Rückseite“ auf – Orte,
die wenig frequentiert und in der öffentlichen Wahrnehmung meist stark mit Unsicherheit und
Kriminalität assoziiert werden.
Während der Fernverkehr heute eine relative Homogenität seiner Nutzergruppen aufweist, ist der
Regional- sowie der städtische Nahverkehr nach wie vor geprägt von der Heterogenität städtischen
Lebens. Markieren die großen städtischen Bahnhöfe oftmals das wohlhabende Zentrum einer Stadt
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und verbinden dieses mit denen anderer Städte, so verteilen sich die Stationen des ÖPNV über das
gesamte Stadtgebiet. Sie verbinden die unterschiedlichsten Stadtteile und Bevölkerungsgruppen mit
ihren entsprechenden Ordnungsvorstellungen. Sie reproduzieren die gleichen Unsicherheitszeichen
wie einst die großen Fernverkehrsbahnhöfe, verfügen aber nicht annähernd über deren
Sicherheitsausstattung. Im Gegenteil, häufig sind sie frei von Personal und nur mit
Fahrausweisautomaten, Fahrplanaushängungen und Notrufsäulen ausgestattet.
So ist es kaum verwunderlich, dass die großen Bahnhöfe und der Fernverkehr seltener als Orte der
Unsicherheit wahrgenommen werden. Während Unsicherheit hier häufig noch mit dem Umfeld
assoziiert wird, trägt die Kommerzialisierung der Bahnhofsgebäude, deren durchgängige Belebtheit
und Konsumatmosphäre dazu bei, alltägliche Geschäftigkeit bzw. Normalität zu erzeugen und damit
subjektive Sicherheit zu stabilisieren. Wenn vom Personenverkehr als Unsicherheitsort die Rede ist,
dann bezieht sich dies in erster Linie auf den regionalen und städtischen Nahverkehr. Die
Kommerzialisierung von innerstädtischen, großen Bahnhöfen kann oftmals die Unsicherheit im
lokalen Nahverkehrsnetz nicht kompensieren, da sie sich in aller Regel durch Alleinsein an peripheren
Bahnhöfen bzw. Haltestellen, verstärkt in den Tagesrandstunden bzw. Nachts definiert.
Gerade das Sicherheitsgefühl im Haltestellenbereich des Bus- Tramverkehrs ist hiervon betroffen.
Keine anderen Verkehrsmittel befinden sich vergleichbar dezidiert im öffentlichen Raum. Er kann
durch jeden betreten werden, ohne Zugangsbeschränkung. Vielfach steht insbesondere im
Busverkehr kein ausgewiesenes und robustes Gebäude als Schutz, kein abgegrenzter und eindeutig
definierter Raum, abgesehen von einzelnen Markierungen wie Haltestellenmast, zur Verfügung.
Bis auf Halte- und ggf. Informationszeichen, welche ankündigen, dass der Bus zur geplanten Zeit
eintrifft und somit aufkommende Unsicherheit beseitigt, und ggfls. eine Telefonnummer zur
Erreichbarkeit des Unternehmenssind, sind keine spezifischen Sicherheitszeichen vorhanden. Diese
muss der öffentliche Raum liefern, der im Gegensatz zum Bahnhof nicht unter Kontrolle des
Verkehrsunternehmens steht. Je nach Frequentierung und Gestaltung des Straßenraums entsteht
subjektive Unsicherheit.
1.1.2 Unsicherheitssituationen und Tageszeiten
Eine Situation, wie das Warten auf den nächsten Zug an einem leeren Bahnhof, beinhaltet eine
bestimmte Konstellation von Dingen, Tageszeiten, Menschen und realen wie imaginierten
Handlungen, die als Zeichen der Sicherheit bzw. Unsicherheit gelesen werden können. Die
Interpretation dieser Zeichen basiert auf ein erworbenes Wissen bzw. wird erlernt mit Hilfe eigener,
oder Erfahrungen anderer bzw. vermittelt durch Medienberichte. Insofern sind Szenen der
Unsicherheit tief verwurzelt, konstituiert aus tradierten Vorstellungen, medialen Erzählungen,
Erfahrungen und persönlichem Wissen. Situationen beinhalten bestimmte Orientierungsfunktionen
und weisen deshalb Handlungen an. Ihre Anordnung kann darüber entscheiden, welche Szenen für
das subjektive Sicherheitsgefühl entstehen, ob Bedrohungen evoziert und welche möglichen
Handlungen entworfen werden.
Positiv eingeschätzte Räume gelten als sicher, negativ bewertete als unsicher bzw. bedrohlich – je
nachdem wie sie eingerichtet bzw. ausgestattet sind und was über sie berichtet wird. So wird
beispielsweise die Anwesenheit bestimmter Dinge als vertraut, die anderer als bedrohlich
empfunden. Die Anwesenheit bestimmter Gruppen, die aufgrund ihres Habitus einer etablierten und
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in ihren Handlungsweisen definierten Schicht, wie dem gehobenen Mittelstand eindeutig
zugerechnet werden können, werden als sicher wahrgenommen. Hingegen die Anwesenheit anderer
Gruppen als unsicher.
Es erscheint nahezu als willkürlich, welche Dinge bzw. Gruppen als sicher bzw. unsicher gelten. Es gibt
keinen eindeutig lokalisierbaren Ort der Sicherheit, vielmehr hängt dies davon ab, wo sich welche
soziale Gruppe gerade befindet bzw. welcher man sich selbst zugehörig fühlt.
Auch die jeweilige Tageszeit lässt sich nicht eindeutig dem subjektiven Sicherheitsgefühl zuordnen,
sondern beeinflusst eher als Teil einer Szene dieses Gefühl. Sie kann als Katalysator oder Verstärker in
bestimmten Anordnungen wirken. Festzuhalten bleibt, dass es sich bei ‚Sicherheit‘ um einen
perspektivischen Begriff handelt, der bestimmte Gruppen adressiert und von sozialen Konventionen
oder Regeln bestimmt ist, die unschärfer als die Beförderungsbedingungen des Nahverkehrs in einem
Raum gelten können.
Wissenschaftlicher Kontext:
Als Auslöser von Unsicherheitsgefühlen fixiert die Forschung Störungen der jeweils in einem Raum
geltenden physischen und sozialen Ordnung. Die Rede ist von physical and social disorders bzw.
incivilities, die in der Regel unterhalb der Schwelle von Kriminalität liegen (vgl. Floeting und Seidel-
Schulze 2012, Sampson und Raudenbush 2004, S. 323, Innes 2004). Die subjektive Sicherheit ist eine
individuelle Deutung von Situationen. In einem interpretativen Prozess (vgl. Miko und Kugler 2011)
entwickeln Fahrgäste eine subjektive Deutung der Situationen und ihrer eigenen möglichen
Bedrohung bzw. der anderer Fahrgäste. Diese Deutung / Einschätzung steht im Kontext ihrer
Erwartungen und Erfahrungen im ÖPNV. Wird Unsicherheit bestimmten Orten und Atmosphären
zugeschrieben, wie etwa Bahnhöfen und dem Bahnhofsviertel, großen Wohnsiedlungen oder generell
der Dunkelheit, so handelt es sich hierbei gleichsam um bestimmte Szenen, an denen sich bestimmte
Raumfunktionen, -nutzungen, -wahrnehmungen und subjektive Imaginationen entfalten und zugleich
verdichten.
1.1.3 Fahrgastinformation
Die subjektive Wahrnehmung, eine Situation kontrollieren zu können, wird ganz wesentlich durch die
Fahrgastinformation in Form von Fahrplänen, Anzeigen zur Wartezeit und Erreichbarkeit des
Unternehmens definiert. Die Beschilderung und Wegeleitung sind ebenfalls Maßnahmen, die
Kontrolle und die Überschaubarkeit über eine Situation mitbestimmen.
Ein aktueller und verlässlicher Fahrplan oder auch eine dynamische Fahrgastinfo können in vielen
Situationen schon dazu führen, dass ein Gefühl von Unsicherheit gar nicht erst entsteht. Wichtig ist,
dass die Fahrgäste einen Überblick über ihre Situation und ihre weiteren Handlungsmöglichkeiten
erhalten. Wenn sie sich über Wartedauer, nächste Abfahrten und auch alternative Routen
informieren können, trägt dies zu einem guten Sicherheitsgefühl bei. So sollten die Fahrpläne mit
Informationen zu gesicherten Anschlussbeziehung und auch Service- und Notrufnummern sowie mit
Netz, Wege- und Lagepläne, ergänzt werden.
Schon ein Informationsdefizit – beispielsweise wenn ein Zug abends oder nachts an einem
bestimmten Bahnhof verpasst wird – kann die Schwelle für Unsicherheit für zahlreiche Fahrgäste
deutlich herabsetzen.
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Prinzipiell gilt, dass Informationen verständlich, aktuell und zuverlässig sein müssen, wobei dies nicht
nur für den einzelnen Ort gilt, sondern für das gesamte Verkehrsnetz mit seinen Haltestellen,
Bahnhöfen und Verkehrsmitteln. Die Einsehbarkeit, Einheitlichkeit und Verständlichkeit der
Beschilderung, Fahrpläne, Anzeigetafeln ist Bedingung für eine sichere Orientierung und damit ein
stabiles subjektives Sicherheitsempfinden. Ebenso wichtig sind verständliche, informative und
handlungsanleitende Durchsagen in den Verkehrsmitteln und auf Bahnhöfen, von denen sich die
Fahrgäste auch wirklich als Adressaten angesprochen fühlen. Die praktizierte automatische formelle
Entschuldigung bei Zugausfällen bzw. Verspätungen wird dem nicht gerecht. Sicherheitsfördernd ist
eine gleichzeitige Information mit Alternativmöglichkeiten. Die Fahrgäste können Ansagen nicht
räumlich exakt zuordnen und ebenso wenig auf diese im Sinne einer wechselseitigen Kommunikation
antworten. Insofern könnten einheitliche Service- und Notrufnummern diese Einseitigkeit der
Kommunikation kompensieren und Nachfragen bei Unsicherheit ermöglichen.
Eine erweiterte sicherheitsrelevante Bedeutung hat die Fahrgastinformation für
mobilitätseingeschränkte Menschen. Zum einen ermöglicht diese oft erst überhaupt den Zugang zum
Nahverkehrssystem und dessen Nutzung, zum anderen bildet eine über die verschiedenen Sinne
wahrnehmbare Fahrgastinformation überhaupt die Grundlage sich im komplexen System des ÖPNV
selbstbestimmt zu orientieren. Vor diesem Hintergrund muss auch das in den Städten weit
verbreitete Musizieren und Betteln in den Verkehrsmitteln betrachtet werden. Dadurch werden
Ansagen und Hinweise übertönt, die z.B. insbesondere für die Orientierung seheingeschränkter und
blinder Fahrgäste zwingend erforderlich sind.
1.1.4 Szenen gestörter physischer Ordnung
Ausgangspunkt für die Wahrnehmung von Störungen sind akzeptierte bzw. etablierte Ordnungen. Es
handelt sich um wahrgenommene Abweichungen von den gewöhnten bzw. erwarteten räumlichen
Arrangements. Zu diesen Abweichungen können Dunkelheit im Allgemeinen, mangelhaft beleuchtete
Orte, unübersichtliche, stark riechende sowie wenig belebte Räume gehören. Ferner werden,
teilweise in Abhängigkeit von den eben genannten atmosphärischen Bedingungen, bestimmten
Typen städtischer Räume, wie Bahnhöfe, Transiträume, Bahnhofsviertel, Großwohnsiedlungen etc.
oder auch der Großstadt als Ganzes eine relativ höhere Unsicherheit aufgrund mangelnder sozialer
Kontrolle zugeschrieben.
Zur räumlichen Ordnung gehören dagegen geregelte Übergänge, die zwei als sicher eingeschätzte
Orte verbinden, beispielsweise durch eine Verkehrsampel oder durch Information wie Wegweiser
oder Auskünfte wie dem Fahrplan. Diese sorgen für Orientierung, welche die räumliche Ordnung
konstituiert, indem sie sichere Wege weist, Informationen bereitstellt, Grenzen markiert.
Voraussetzung für die Wahrnehmung dieser, vom Verkehrsunternehmen bereitgestellten
Orientierungszeichen ist deren Sichtbarkeit. Damit wird auch die räumliche Übersichtlichkeit und
funktionale Zugänglichkeit gewährleistet.
1. Es bedarf also ausreichender Beleuchtung, damit die Zeichen überhaupt gelesen werden
können. Entsprechend ist dieser Ausstattungsaspekt von grundsätzlicher Relevanz. Bei
Dunkelheit droht, die räumliche Ordnung verloren zu gehen. Die Orientierungszeichen
verschwinden, Wege, sofern noch als solche erkennbar, führen ins Ungewisse oder
erscheinen bedrohlich.
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2. Die Orientierungszeichen müssen unverstellt sein, um ihre Funktion zu erfüllen. Barrieren wie
Baustellen, aber auch Plakatierungen, zusätzlich platziertes Mobiliar machen sie unsichtbar.
Verdeckt führen diese zur Störung der räumlichen Ordnung und damit zu mangelnder
Orientierung und Verwirrung.
3. Die Zeichen dürfen weder verschmutzt, überschrieben noch zerstört sein, um als Zeichen
kenntlich und als Ordnungselement zu funktionieren. Die Überschreibung bzw. Zerstörung
der Zeichen beispielsweise durch Graffiti, Aufkleber oder Beschädigung macht diese nicht nur
unkenntlich, sondern weist auf semantische Ambivalenz, auf soziale Konflikte im Raum,
markiert durch die Konkurrenz der Zeichen hin. Es handelt sich um implizite Angriffe auf
Ordnungs- und Repräsentationszeichen. Erfolgt nicht umgehend eine Säuberung bzw.
Wiederherstellung der Zeichen, erscheint der Raum als nicht mehr kontrolliert und
aufgegeben, was Unsicherheit impliziert.
Dunkelheit, Blockierung wie auch bewusste Überschreibung bzw. Zerstörung können zur
Desorientierung bzw. Verunsicherung führen. Die Eindeutigkeit der Orientierungszeichen ist je nach
Stärke ihrer Beeinträchtigung kompromittiert oder ausgelöscht. Da auch Wetterlagen oder
Tageszeiten wie die Nacht dazu beitragen können, dass Zeichen oder orientierende Raumgefüge nicht
erkannt und Bedrohungen bzw. Unsicherheiten empfunden werden, müssen die räumlichen
Anordnungen und die beabsichtigten Wirkungen diese Umstände und Zeichen berücksichtigen. Somit
ist eine beständige, zeitunabhängige Sichtbarkeit und Zugänglichkeit wesentlich sicherheitsfördernd.
Eine steril ausgestattete, aber leere Umgebung führt nicht unbedingt zum erhöhten subjektiven
Sicherheitsempfinden.
Verantwortung muss eindeutig im Zustand der Verkehrsmittel und den Ausstattungsgegenständen
sichtbar sein. Beispielsweise sollten Mülleimer geleert, die Fenster unbeschädigt und geputzt, die
Bahnsteige, Unterführungen beleuchtet und sauber, die Lampen hell und die Automaten intakt, wie
auch die Züge pünktlich sein, damit nicht nur Funktionalität gewährleistet, sondern auch die
Sicherheit verbürgende Ordnungsinstanz als anwesend markiert ist. Das Bild vertrauter Sicherheit
sollte aber immer wieder an den Erwartungen, den sich wandelnden sozialen Konventionen
überprüft werden.
1.1.5 Szenen gestörter sozialer Ordnung
Jede räumliche Ordnung ist immer auch sozial definiert. Nicht nur das Verkehrs- bzw.
Orientierungszeichen, sondern auch die Qualität der räumlichen Ausstattung, wie Mobiliar, Lampen
sowie deren Instandhaltung aber auch Gewerbe etc., weisen auf die Anwesenheit von Regeln wie
Hausordnungen bzw. Beförderungsbedingungen sowie einer definierenden Ordnungsmacht hin. Das
Sicherheitsgefühl ist maßgeblich und nachhaltig davon beeinflusst, ob die Aufrechterhaltung der
erwarteten Ordnung in einem Komplex von Zeichen sichtbar wird.
Wie sämtliche unserer Studien zeigen, muss bei den Fahrgästen der offensichtliche Eindruck erzeugt
werden, dass für Sicherheit etwas getan wird. Das Verkehrsunternehmen muss als Ordnungsinstanz
symbolisch durch Maßnahmen oder in Gestalt entsprechender Vertreter, wie eindeutig
identifizierbares Personal, anwesend sein. Nicht nur die reale Abwesenheit der Ordnungsinstanz kann
bei der jeweiligen Zielgruppe zu Unsicherheit führen, sondern auch das Bild, welches sie durch ihr
Handeln, ihre Aktivität verantwortet und in den Zeichen und Artefakten sichtbar wird. So erscheint
Müll als Zeichen mangelnder oder abwesender Verantwortung, als Vernachlässigung. Gleichzeitig
10
weist er auf fehlende Akzeptanz der ausgewiesenen Beförderungsbestimmungen bei bestimmten
Nutzergruppen, oder auf die mögliche Anwesenheit von bedrohlich empfundenen Gruppen hin.
Repräsentiert die sichtbare Ordnung die Eindeutigkeit ihrer Regeln, so erzeugt sie ein homogenes Bild
des jeweiligen sozial-räumlichen Arrangements. Die beständige Heterogenität der Nutzergruppen
wird dadurch verdeckt und eine klare Orientierung durch das Verkehrsunternehmen bzw. die
Sicherheitsakteure vorgegeben.
In ihrem Nutzungsverhalten nahezu einheitlich, können sich Nutzergruppen hinsichtlich der
Akzeptanz von Ordnung und Regeln beträchtlich unterscheiden. Zielen Beförderungsbedingungen
darauf ab, Nutzung und Verhaltensregeln zu verbinden, so wird diese Absicht durch Nicht-Akzeptanz
der Regeln bei gleichzeitiger Nutzung gestört. Die Gefahr besteht, dass die Entkopplung von Nutzung
und Regelakzeptanz durch einzelne Gruppen das allgemeine Nutzungsverhalten beeinträchtigt bzw.
bei anderen Gruppen Unsicherheitsgefühle und eine entsprechende Handlung wie Fahrverzicht
auslöst.
Soll eine allgemeine und umfassende Nutzung garantiert werden, so bedarf es des kontinuierlichen,
für die Fahrgäste nachvollziehbaren verantwortlichen Handelns der Verkehrsunternehmen bzw. der
Ordnungsinstanzen.
Regelbrüche markieren die Anwesenheit von Gruppen mit alternativen Ordnungsvorstellungen. Sie
schreiben in die sozial-räumlichen Arrangements wiederum Zeichen ein, deren Sinn in der
Überschreibung bzw. Zerstörung der vorgestellten Ordnung besteht. Dabei ist es bereits hinreichend,
dass bestimmte Gruppen anwesend sind. Diese werden oftmals ohne konkreten Anlass zu
Unsicherheitszeichen, indem ihnen unbestimmte Bedrohungen zugeschrieben werden. Die
Anwesenheit als solche erzeugt bereits die Unsicherheit. Die Gruppe passt nicht ins erwartete Bild
und wird mit Regelbruch identifiziert. Gerade diese Zuschreibung trifft beispielsweise auf Gruppen
Jugendlicher zu, die sich lediglich abweichend kleiden. Nicht allein Gruppen als solche bedrohen das
Sicherheitsgefühl, als vielmehr die durch diese markierten und hervorgerufenen Annahmen der
Unsicherheit, die mit ihnen verbundenen Szenen der Angst. Gleichzeitig aber kann es zu realen
Regelbrüchen kommen, die sich in die Erfahrung von Fahrgästen einschreiben und in den Medien
verallgemeinert werden, wie Zerstörung, Gewalt etc.. Diese realen Erfahrungen liefern die Basis für
die sich beständig neu konstituierenden Unsicherheitsgefühle und -szenen.
Der ästhetische, wie auch der reale Regelbruch fordern permanent das Verkehrsunternehmen als
Ordnungsinstanz, das sich gegenüber diesen Abweichungen und Widersprüchen immer wieder
sichtbar behaupten muss. Dabei dürfen die so genannten Randgruppen nicht ausgegrenzt werden.
Vielmehr bedarf es sowohl der stets erneuerten Hinweise und Praktiken, die Regeln als gültig
anzuzeigen, wie auch der Prüfung und Übernahme aktueller sozialer Konventionen, um die
Ordnungsvorstellungen anzupassen. Die Verkehrsräume erweisen sich ungeachtet der
Eigentumsverhältnisse als per se öffentliche Räume, wo unaufhörlich die Gültigkeit sozialer Regeln,
Konventionen, Bilder etc. erprobt werden.
Als eine Mischung gestörter physischer und sozialer Ordnung erscheint z. B das Alleinsein auf
Bahnsteigen oder in Zügen. Können missverständliche Zeichen nicht nachgefragt oder gemeinsam mit
anderen Fahrgästen gedeutet werden, so entsteht ein subjektives Unsicherheitsgefühl aus
Hilflosigkeit, Orientierungslosigkeit und Deutungsschwierigkeit. Zum anderen ruft es Szenen des
Ausgeliefertseins und der Schutzlosigkeit hervor.
11
Das folgende Diagramm gibt einen Überblick, wie Fahrgäste auf typische Unsicherheitssituationen
reagieren.
541
281
536
1086
395
431
713
874
725
341
932
894
130
178
189
172
35
76
80
0% 20% 40% 60% 80% 100%
Fahrzeug überfüllt
Fahrgäste laut und pöbelnd
Alkoholkonsum
Allein im Fahrzeug/auf dem Bahnhof
Ungepflegter Zustand
mangelnde Beleuchtung
Situation stört mich nicht Ich fühle mich belästigt
Ich suche die Situation zu verbessern Ich würde aussteigen/weggehen
In Zukunft würde ich auf die Fahrt verzichten.
Abbildung 2: Reaktionen auf Unsicherheitssituationen Quelle: SuSiteam 2011
2 Akteure
Sicherheitsarbeit verteilt sich auf eine Vielzahl von öffentlichen wie privaten Institutionen und
Akteuren sowie auf Mischformen, wobei unterschiedliche Kompetenzen und Schwerpunkte, Normen
und Durchsetzungsformen zum Tragen kommen und die relevanten Organisationen in
unterschiedlicher Weise kooperieren und miteinander verflochten sind. Durch die Neuverteilung
sicherheitsrelevanter Aufgaben droht die Einheit des öffentlichen Raums, definiert durch die
allgemeine und unbeschränkte Zugänglichkeit, in eine Vielzahl von Zuständigkeitsbereichen aufgelöst
zu werden. Diese können sich jeweils durch unterschiedliche Normen und Normverständnisse der
Akteure auszeichnen.
2.1 Verkehrsunternehmen
Aus Sicht der Verkehrsunternehmen ist Sicherheit von einem vormals spezialisierten, in der Regel
betriebsintern ausgerichteten Bereich häufig zu einem autonomen Unternehmensbereich geworden.
Was als Sicherheit spezifiziert war – etwa im Sinne der betrieblichen Sicherheit, oder des Schutzes
von Betriebsgeheimnissen, hat sich um die öffentliche bzw. politische Dimension von Sicherheit
erweitert. Entsprechend muss die Sicherstellung dieses Guts durch das Unternehmen auch gegenüber
der Öffentlichkeit kommuniziert werden. Das eigentliche Produkt, die Beförderung mit Bahn oder
Bus, muss vom Kunden mit dem Attribut „sicher“ assoziiert werden können. Der Kunde erwartet
nicht mehr nur das Produkt selbst, das Reisen, sondern ein sicheres Produkt, die sichere Technik, die
12
sichere Beförderung, Sicherheit als Komfort. Kundenzufriedenheit und -bindung sind heute assoziiert
mit dem Begriff Sicherheit, der zunehmend eine eigenständige Funktionalität oder Angebotssparte
besetzt. Sicherheit gehört heute also zum Warenimage, ist zu einem Teil der Funktionalität des
Produkts geworden.
Die Herausforderung besteht darin, dass Unternehmen heute mit einem Sicherheitsangebot aktiv in
Erscheinung treten müssen, um sich am Markt zu behaupten. Hierfür bedarf es einer, den komplexen
Erfordernissen entsprechenden, weiteren fachlichen Profilierung der Verkehrsunternehmen. Dies
erfordert die Entwicklung bzw. Einbeziehung neuer Berufsfelder bzw. Qualifizierungen sowie den
Aufbau und die Ausrichtung neuer Organisationseinheiten und Netzwerke. Dazu müssen die
Verkehrsunternehmen durch entsprechende Vertragsgestaltungen seitens der Aufgabenträger
befähigt und gefordert werden. Es geht also in erster Linie darum, Sicherheitszeichen erfolgreich und
glaubwürdig zu etablieren. Ein negatives Sicherheitsimage könnte zu Fahrverzicht führen, bestehende
Kundenbindungen aufweichen und Neukunden vom Einstieg in die Nutzung des ÖPNV abschrecken.
Vor diesem Hintergrund erscheint das Sicherheitsgefühl der Fahrgäste zunehmend als ein
ökonomischer Faktor. Jeder Kunde darf erwarten, „sicher“ befördert zu werden. Entsprechend wird
subjektive Sicherheit als Indikator für Kundenzufriedenheit verstanden und fließt auch in die
Gestaltung von Verkehrsverträgen mit ein.
2.2 Mitarbeiter/innen
Die Mitarbeiter/innen als auch die Fahrgäste bewegen sich im gleichen Kontext, nehmen diesen aber
auf Grund ihrer Rollen unterschiedlich wahr. Während die Fahrgäste den ÖPNV als Mittel zum Zweck
ihrer Mobilität nutzen, ist der ÖPNV das Arbeitsfeld, der Bereich, in dem die Mitarbeiter/innen
Verantwortung übernehmen. Insofern ist die Umsetzung von sicherheitsrelevanten Maßnahmen auch
mit unterschiedlichen Wirkweisen auf Personal und Fahrgast verbunden. Was zu mehr Sicherheit bei
den Fahrgästen führen soll, führt nicht automatisch auch zu einem mehr an empfundener Sicherheit
für die Beschäftigten der Unternehmen.
Während die Ursachen für ein negatives Sicherheitsempfinden der Fahrgäste in zwei, vom
Bundesministerium für Wirtschaft finanzierten Forschungsprojekten untersucht wurde, ist in der
öffentlichen Meinungsbildung das Sicherheitsempfinden von Mitarbeiter/innen hauptsächlich durch
die Berichterstattung der Medien über Übergriffe auf Mitarbeiter/innen der Verkehrsunternehmen
thematisiert worden. Weit verbreitet ist die Meinung, „fühlen sich die Fahrgäste sicher, trifft dies
auch auf das Sicherheitsempfinden der Mitarbeiter/innen zu“. Ein solcher Diskussionsansatz
unterscheidet nicht zwischen den Rollen und Interessen beider Gruppen, und der daraus
resultierenden Aufgabenstellung für den Personaleinsatz im ÖPNV.
Werden die grundlegenden Regeln für das Miteinander im ÖPNV einerseits durch den gesellschaftlich
geprägten Umgang der Menschen im öffentlichen Raum und andererseits durch die von
Verkehrsunternehmen und -verbünden definierten Beförderungsbestimmungen bestimmt, leiten sich
hieraus Erwartungen wie auch konkrete Anforderungen an das Personal ab.
Es muss zwischen dem Sicherheitsempfinden der Fahrgäste und dem der Mitarbeiter/innen
unterschieden werden.
Der umfangreiche Abbau von Personal und die Annahme, dafür mittels technischer Lösungen
13
ehemalige Personalaufgaben, für die Unternehmen effektiver lösen zu können, hat zu einem
allgemeinen Freiraum für den Regelverstoß beigetragen.
Durch das Forschungsprojekt SuSiTeam wurde festgestellt, dass ein Personaleinsatz nicht automatisch
zu einer Verbesserung des Sicherheitsempfindens der Fahrgäste beiträgt. Zum einen sind die
Fahrgäste durch einen seit Jahren umfangreichen kontinuierlichen Personalabbau von der
ursprünglich vorhandenen Personalpräsenz entwöhnt, zum anderen sind und können die noch im
direkten Kundenkontakt eingesetzten Mitarbeiter/innen den komplexen betrieblichen Anforderungen
und Erwartungshaltungen der Fahrgäste nicht immer, und meist auch nicht im erforderlichen Umfang
entsprechen.
Ein kontinuierlicher, für die Fahrgäste entlang ihrer Mobilitätswege wahrnehmbarer und verbindlicher
Personaleinsatz, findet, wenn überhaupt, nur noch selten statt. Dies führt vielfach zu einer konträren
Wirkung von komplexen, sichtbaren Personaleinsätzen und der damit verbundenen eigentlichen
Zielstellung, der Verbesserung des Sicherheitsempfindens der Fahrgäste.
Während Fahrgäste über mehrere Wochen eine 100 %-Begleitung von TRAM Fahrzeugen mit
Sicherheitspersonal in den Abend- und Nachtstunden mit einer vermuteten unsicheren Lage
verbanden, wurde derselbe Personaleinsatz mit der Aufgabenstellung Service und Information,
einschließlich einer entsprechenden Dienstkleidung, von den Fahrgästen als das Sicherheitsgefühl
stärkend erlebt. Von den Akteuren selbst, dem eingesetzten Sicherheitspersonal, wurde diese
Maßnahme konträr erlebt. Insbesondere der Wechsel von „für die Fahrgäste“ (ich beobachte, ich
bestreife, ich greife in sicherheitsrelevanten Situationen ein) zum „mit den Fahrgästen“ im Einsatz
sein (ich gehe aktiv auf die Fahrgäste zu, ich erkläre, ich biete Unterstützung an, ich informiere)
bereitete einem Großteil des eingesetzten Personals Unbehagen. Obwohl sie auf diese Aufgabe in
einer umfangreichen Arbeitsunterweisung / Qualifizierung vorbereitet wurden, fühlten Sie sich
angesichts der neuen Aufgabenstellung unwohl. Deutlich wurde dabei eine hohe Identifikation mit
dem Rollenverhalten als Sicherheitspersonal, das sich bewusst von Serviceaufgaben in der Annahme
abgrenzt, nur auf diese Weise für Sicherheit sorgen zu können. Ein Aufgabenverständnis, das
insbesondere bei großen Verkehrsunternehmen mit eigener Sicherheitsabteilung weit verbreitet ist.
Dieses Rollenverständnis ist für die Gewährleistung der objektiven Sicherheit in der Tat notwendig,
setzt es aber eine Grundsicherung der Anwesenheit von Unternehmenspersonal, Kundenbetreuern
oder Servicepersonal voraus, welches als Ansprechpartner für die Fahrgäste erkennbar ist. Kommt
dann ein zusätzlicher Einsatz von Sicherheitspersonal dazu, ist das Sicherheitsempfinden aller
Akteure, einschließlich der Fahrgäste in der angestrebten Balance. Hierzu bedarf es zwingend der
Kooperation und ggf. technisch gestützten Koordinierung aller beteiligten Akteure.
2.2.1 Qualifizierung
Die Unternehmen investieren viel in die fachliche Ausbildung des Personals. Zunehmend gehört es
zum Standard, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusätzlich im Bereich der Deeskalation zu schulen.
Eine Konsequenz aus dem Anstieg von Übergriffen. Vielfach resultieren Übergriffe auf
Mitarbeiter/innen aus dem Ahnden eines Regelverstoßes, wie der Forderung des Busfahrers nach
zeigen des Fahrausweises beim Vordereinstieg im Bus, oder der Aufforderung des Personals die
allgemeinen Förderbestimmungen einzuhalten (Rauchen auf dem Bahnsteig, Füße auf der Sitzbank
usw.).
14
Der Abbau von Personal im Kundenkontakt, also Personal das die Kundinnen und Kunden bei der
Nutzung des ÖPNV unterstützt, hat zum Vorhandensein eines Freiraums beigetragen der
Regelverstöße ermöglicht. Dies hat zur Folge, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die im
direkten Kundenkontakt arbeiten, vor der Hausforderung stehen, ihre inhaltlichen Aufgaben in einem
veränderten Umfeld umzusetzen. Die aktive Kundenansprache erfordert ein überzeugendes, sicheres
Auftreten, was eine umsetzbare und verinnerlichte Aufgabenstellung voraussetzt.
Erforderlich ist neben den inhaltlichen Qualifikationen eine starke Befähigung und Profilierung der
Mitarbeiter/innen im Bereich der sozialen Kompetenz. Dafür sind innovative Schulungsstrategien
nötig, die durch eine, diesen Prozess bestärkende Mitarbeiterführung und unterstützende
Einsatzplanung konsequent ergänzt werden muss.
Um eine einheitliche Qualität in der Kundenbetreuung im Nahverkehr sicherzustellen sind daher
umfassende und nachvollziehbare Qualifizierungsstandards nötig, die auch die gestiegenen
Kommunikationserfordernisse berücksichtigen.
2.3 Fahrgäste und Passanten
Die Fahrgäste bilden keine homogene Gruppe. Vielmehr ist die Zusammensetzung bestimmt durch
a) soziale Struktur des Einzugsbereichs des jeweiligen Verkehrsmittels;
b) Nutzungsverhalten bezüglich Häufigkeit und Fahrtziele wie Arbeit, Konsum, Freizeit bzw.
Arbeits-, Pendler-, Schüler, Studenten- und Azubiverkehr, Freizeitverkehr etc.;
c) die Verkehrsart, wie überregionaler, regionaler sowie Nahverkehr;
d) das Verkehrsmittel Bus, Bahn, Tram, U-Bahnen etc. sowie
e) demographische Merkmale, wie Alter, Geschlecht, sozialer Status.
Insbesondere die verschiedenen Fahrziele bedingen eine zeitliche Sortierung der jeweiligen
Nutzergruppen. Diese definierte Verteilung schlägt sich entsprechend auf das Sicherheitsgefühl
nieder. Sind homogene Gruppen zu bestimmten Zeiten gehäuft unterwegs, z.B. morgendlicher
Pendlerverkehr, so wird die gewohnte alltägliche Situation tendenziell als sicher empfunden.
Andererseits ist dieses Gefühl auch von der jeweilige Tageszeit, und den entsprechenden Gruppen
abhängig (siehe Wochenend-Partynachtverkehr).
Abbildung 3: Einfluss der Tageszeit auf das Sicherheitsgefühl Quelle: Susiteam 2011
15
Tageszeiten liefern einen zeitlichen Orientierungsrahmen. Während der Morgen, der Vor- sowie
Nachmittag von gesellschaftlichen Funktionen bestimmt sind, so ist der späte Nachmittag eher von
Feierabend und Freizeit definiert, die von Regellosigkeit gekennzeichnet sein können. Die
morgendliche Nutzung unterstellt Disziplin, die für das subjektive Sicherheitsgefühl abends bzw.
nachts jedoch tendenziell aufgehoben erscheint. Ältere Menschen suchen sich hiernach häufig ihre
Fahrzeiten aus, fahren also meist am späten Vormittag, wo sie auch eher weniger frequentierte, aber
dennoch sichere Verkehrsmittel anzutreffen meinen. Morgens lassen sich beispielsweise neben
berufsbedingter Nutzung auch jugendliche Gruppen relativ eindeutig einem bestimmten
Nutzungszweck, wie Schule oder Studium zuordnen, während abends solch eine Zuordnung schwerer
fällt. Dabei spielen die Orte, in deren Nähe mit Gruppen Jugendlichen gerechnet wird, immer wieder
eine wesentliche Rolle im Hinblick auf deren Wahrnehmung bzw. die Einschätzung für das subjektive
Sicherheitsgefühl. Zusätzlich konnten eigene Untersuchungen zeigen, dass auch und insbesondere
einzelne Jugendliche Angst vor Gruppen Jugendlicher haben.
33,3% 24,6% 30,8% 40,5%52,9%
17,5% 17,4% 26,7% 32,4%44,9%
42,4%48,2% 46,2% 29,7%
29,4%
27,5%40,7%
38,9%40,5%
44,9%
24,2% 27,2% 23,1% 29,7%17,6%
55,0%41,9% 34,4% 27,0%
10,2%
bis 20
Jahre
21-34
Jahre
35-49
Jahre
50-64
Jahre
65 Ja
hre un
d älte
r
bis 20
Jahre
21-34
Jahre
35-49
Jahre
50-64
Jahre
65 Ja
hre un
d älte
rmännlich weiblich
Metropole
sicher eher sicher unsicher
Lassen sich Fahrgäste zuordnen, nach tageszeitlich funktionalen und/oder nach habituellen
Kategorien, die sich beispielsweise in der Kleidung manifestieren, so können diese als unbeabsichtigte
Sicherheitszeichen fungieren und das subjektive Sicherheitsgefühl stärken. Sie sind Teil der sozialen
Kontrolle, die nicht per se institutionalisiert ist, sondern Prozesse und Mechanismen beinhaltet, durch
die soziale Akteure sich in ihrem Verhalten wechselseitig einschätzen bzw. bestimmte
Verhaltensweisen einfordern.
Unter diesem Aspekt ist auch das gegenseitige Unterstützen der Fahrgäste in bedrohlichen, bzw.
unsicheren Situationen, die vielfach diskutierte und z.B. von der Hamburger Hochbahn in einem
Projekt beworbene Zivilcourage zu betrachten. Für alle öffentlich anfallenden Aufgaben gibt es
Zuständigkeiten. Persönliches Engagement ist vielfach erst mit persönlicher Betroffenheit verbunden,
Abbildung 3: Sicherheitsgefühl nach Geschlecht und Alter sowie Verkehrsregion Quelle: SuSiteam 2011
16
wobei die Wahrnehmung/ das Erreichen der persönlichen Betroffenheit individuellen Einstellungen
unterliegt. Hinzu kommt die Verunsicherung, wie verhalte ich mich in einer Auseinandersetzung im
öffentlichen Raum, hier im ÖPNV richtig und welche der anwesenden Personen soll ich ansprechen,
bzw. hilft mir? Berichterstattungen, wo aus Opfern auch Täter werden, Hilfeleistende kritisch
nachgefragt werden, oder selbst zu Opfern werden, tragen bei möglicherweise sich engagierenden
Fahrgästen zur Haltung „Hauptsache, hoffentlich ich nicht“ bei, und bei denjenigen, die der Meinung
sind, den Freiraum ohne Einhaltung der Regeln nutzen zu können, zur Umsetzung der
Handlungsmaxime „Hauptsache ich“.
Daraus resultiert ein weiteres, neues Aufgabenfeld für die Verkehrsunternehmen und
Sicherheitsakteure im ÖPNV. Während bisher hauptsächlich der sichere Schulweg für die unteren
Klassenstufen durch die Verkehrsunternehmen im Rahmen von Busschulen u.ä. gemeinsam mit
anderen Kooperationspartnern beworben wurde, sind die Unternehmen gefordert, Maßnahmen zu
konzipieren, die die Fahrgäste in die Sicherheitsdiskussion einbinden. Mögliche Maßnahmen sind
dabei die aktive Bewerbung der Sicherheitsinfrastruktur sowie deren Nutzung durch die Fahrgäste, als
auch das Angebot von Fahrgastschulungen.
2.4 Sicherheitsakteure
Wechselt ein Fahrgast von der U-Bahn zur S-Bahn, dann wechselt er auf seinem Weg von einem
Verkehrsunternehmen zu einem anderen, auch zwischen unterschiedlichen staatlichen
Sicherheitsbehörden und privatwirtschaftlichen Sicherheitsdienstleistern. Die Grenze zwischen den
einzelnen Akteuren erscheint heute oftmals verwischt, was sich für die Fahrgäste in einem
zunehmend angleichenden Erscheinungsbild privater Sicherheitskräfte und staatlicher Exekutivorgane
zeigt. Verantwortlichkeit und funktionale Differenzierung ist nicht mehr eindeutig zurechenbar. Und
unter dem Aspekt subjektiver Sicherheit wird jedes Personal, außer Kräfte der Bundes bzw.
Landespolizei, vom Fahrgast zum Unternehmenspersonal erklärt.
Tendenziell ist das Auslagern bzw. der Einkauf von externen Sicherheitsleistungen im ÖPNV
festzustellen. Dies erfolgt vielfach vor dem Hintergrund Personalkosten so gering wie möglich zu
halten, da die Vergütung im privaten Sicherheitsbereich meist deutlich unter dem der
Verkehrsunternehmen liegt. Zum anderen sind insbesondere kleine und mittlere Unternehmen
angewiesen, sich die notwendige fachliche Kompetenz zusätzlich einzukaufen. Private
Sicherheitsdienstleister werden mit der Bestreifung des Netzes beauftragt und agieren im Auftrag der
Verkehrsunternehmen auch gegenüber den Fahrgästen. Einheitliche Qualitätsstandards in der
Ausbildung als auch in der Einsatzsteuerung, und die dementsprechende Vergütung der externen
Sicherheitsleistung sind ein wesentliches Steuerungsinstrument, um die mit dieser Maßnahme
beabsichtigte Sicherheitswirkung auf die Fahrgäste zu erzielen. Qualität und Organisation bedingen
auch und insbesondere im Sicherheitsbereich einander. Um das notwendige einheitliche Auftreten
und Agieren von unternehmenseigenen Personal und externen Sicherheitsdienstleistern sicher zu
stellen, bedarf es grundlegender struktureller Voraussetzungen, wie einer abgestimmten
Einsatzplanung, einer zentralen Einsatzleitung sowie der einheitlichen Erfassung und Auswertung von
sicherheitsrelevanten Ereignissen. Die Integration eines Vertreters des externen
Sicherheitsdienstleisters in die zentrale Sicherheitsleitstelle ist bei den großen Verkehrsunternehmen
mittlerweile geübte Praxis.
17
Von dieser Entwicklung sind auch die Polizeien betroffen, stehen Ihnen im operativen Alltag im ÖPNV
mittlerweile eine Vielzahl von unterschiedlichen Ansprechpartnern gegenüber.
Inwieweit der hohe koordinative und qualitätssichernde Aufwand der Verkehrsunternehmen, bedingt
durch die Fremdvergabe von Sicherheitsleistung auch zu einer höheren Sicherheitswahrnehmung bei
den Fahrgästen führt, kann im Rahmen von Kundenbefragungen ermittelt werden.
2.5 Medien
Medien berichten über Themen, die sie für öffentlichkeitsrelevant halten und sind insofern an der
‚gesellschaftlichen Konstruktion von Wirklichkeit’ beteiligt und verleihen dieser Wirklichkeit eine
bestimmte Sichtbarkeit, wobei hierbei eigene wie auch Interessen Dritter eine zu beachtende Rolle
spielen können. Was von Tageszeitungen oder auch im Fernsehen aufgegriffen wird, bekommt bzw.
besitzt Bedeutung. Bestimmte Themen werden als relevant definiert, indem sie miteinander
verknüpft werden- etwa Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit im Zusammenhang mit Jugendgewalt
und Jugendgewalt mit einem allgemeinen gesellschaftlichen Wertezerfall.
In Bezug auf die Vermittlung von Sicherheits- und Unsicherheitszeichen kommt den Medien also eine
besondere Bedeutung zu. Es werden nicht nur bestimmte Zeichen etabliert. Sie liefern vor allem auch
entsprechende Zuschreibungen, die der Bedrohung eine imaginäre Realität verleihen. Die einzelnen
Sicherheits- und Unsicherheitszeichen werden in einen inhaltlichen Zusammenhang gebracht, welche
gleichsam als Szenario künftiger Bedrohungen dienen können, wobei der häufig bemühte Unterschied
zwischen der sogenannten Boulevardpresse und den seriösen Medien nur ein relativer ist. Denn auch
diskursiv aufbereitete Themen im Bereich Sicherheit tragen nicht nur zur Vergegenwärtigung und
Verallgemeinerung von Unsicherheitsorten sowie Deliktformen bei, sondern beinhalten auch
implizite Forderungen und Verhaltenserwartungen an Fahrgäste, wie der Fall Dominik Brunner zeigt.
Der Verweis auf gewalttätige Jugendliche und Gewalt im ÖPNV wurde eng mit der Frage nach
Zivilcourage verknüpft, wobei diese Erwartung auch beträchtlich zur Verunsicherung führen kann.
Der Verkehrsraum wird als unsicher markiert, es handelt sich um einen Ausnahmeort, in dem der
Fahrgast als Bürger seine Souveränität ggfls. selbst durchsetzen muss.
Im Rahmen des SuSiteam-Projekts ließ sich nachweisen, dass ein Zusammenhang zwischen
Unsicherheitsempfinden und Medienwahrnehmung besteht. Fahrgäste, die sich im ÖPNV unsicher
fühlen, nehmen auch die entsprechende Medienberichterstattung als verunsichernd wahr. In der
Regel werden in den Medien dramaturgisch aufbereitete Bilder vorgeführt, die einen Ausschnitt
wiedergeben und diesen unmittelbar der sozialen Imagination und damit dem subjektiven
Sicherheits- bzw. Unsicherheitsgefühl bereitstellen. Dabei bilden die Schwere eines Deliktes, das
Instrument der Entdeckung, der Tatort sowie schließlich die Protagonisten, Täter wie Opfer,
bestimmende Beschreibungselemente. Entscheidend ist aber auch, dass nicht nur Gefahren
reproduziert werden, sondern auch die Gegenmittel propagiert werden. So empfahl beispielsweise
das Britische Home Office lokalen städtischen Akteuren die Zusammenarbeit mit den Massenmedien,
um die Öffentlichkeit von der Videoüberwachung zu überzeugen.
Das Titelblatt des Magazins Spiegel 18/2011 zeigt eine Szene, wie ein Jugendlicher auf den Kopf eines
29-Jährigen springt. Diese Szene wurde mit Hilfe von Überwachungskameras aufgezeichnet. Es führt
die Gefahr also vor, zeigt aber gleichzeitig das vermeintliche Mittel, diese zu beseitigen. Die
18
Veröffentlichung der Videobilder führte zwar dazu, dass der Täter sich stellte, hingegen wurden
weder Ursachen diskutiert, noch Maßnahmen zur Verhinderung solcher Taten präsentiert. Vielmehr
erfolgt eine pauschale Stigmatisierung von Jugendlichen sowie der U-Bahn als Unsicherheitsort.
Die praktizierte Vorgehensweise, Bilder aus Überwachungskameras im ÖPNV für die Täterermittlung
freizugeben, führt zu einem weiteren Anwachsen von entsprechenden Bildern in den Medien. Denn
immer mehr Kameras werden auch mehr Bilder ermöglichen. Somit entsteht der Eindruck, dass
immer mehr passiert, obwohl dies nicht mit der tatsächlichen Kriminalitätsentwicklung
übereinstimmt. Vor diesem Hintergrund bedarf es eines „Darstellungskodex“, der die öffentliche
Nutzung von Videoaufzeichnungen zur Aufklärung von Straftaten ermöglicht, jedoch die Tat an sich
nicht nochmals über die Bilder „produziert“.
Andererseits können die Medien auch Informationen der Verkehrsunternehmen transportieren, eine
verantwortliche Präsenz demonstrieren, die bereits außerhalb der Verkehrsräume einsetzt und auf
diese hinweist. Bestimmte bauliche, technische und personelle Maßnahmen können hier von den
Verkehrsunternehmen propagiert werden und das Sicherheitsgefühl schon im Vorfeld positiv
beeinflusst werden.
3 Kommunikation und Interaktion: Maßnahmen sozialer Kontrolle
Die spezifische Verknüpfung zwischen Verkehr und städtischem Raum spiegelt sich in einer Vielzahl
von Maßnahmen und Kooperationsbeziehungen wieder. Drei unterschiedliche Typen von
Maßnahmen lassen sich unterscheiden:
1. Raumbezogene Maßnahmen: Zu diesen gehören neben dem Einsatz von Sicherheitspersonal
auf Stationen und in Zügen zunächst die Lagebilderfassung, die bauliche Gestaltung von
Bahnhöfen und ihre Ausstattung, die Beseitigung von Graffiti und die Behebung von
Sachbeschädigung, technische Sicherheitseinrichtungen wie Videoüberwachung sowie
Kommunikations- und Informationsmaßnahmen.
2. Kooperationsbezogene Maßnahmen: Verkehrsunternehmen engagieren sich in zahlreichen
Sicherheitspartnerschaften mit staatlichen Sicherheitsbehörden und städtischen Akteuren,
um durch Kooperationsvereinbarungen gerade auch dem Problem der Verteilung von
Sicherheitsaufgaben und des Zuschnitts von Verantwortungsräumen zu begegnen.
3. Präventionsbezogene Maßnahmen: Verkehrsunternehmen werden zunehmend im Bereich
kriminalpräventiver Projekte aktiv, beispielsweise an Schulen, etwa durch
verhaltensorientierte Rollenspielmaßnahmen zu Themen wie Deeskalation und Zivilcourage.
Die Verkehrsunternehmen erhoffen sich von solchen Maßnahmen Rückwirkungen auf das
Sicherheitsempfinden der Fahrgäste und die Sicherheitslage sowie auch eine stärkere
Kundenbindung und Attraktivitätsgewinne gegenüber anderen Verkehrsmitteln.
3.1 Raumbezogene Maßnahmen
Als raumbezogene Maßnahmen können alle Programme bezeichnet werden, die die Verantwortung
der Verkehrsunternehmen an den jeweiligen Orten anzeigen. Hierzu zählen bauliche Maßnahmen,
19
Ausstattung und Zustand, Gewerbe, Informationen, Hinweise und Auskünfte sowie Instrumente, die
unmittelbar der Verbesserung der subjektiven wie objektiven Sicherheit dienen sollen.
Diese Maßnahmen lassen sich nach verschiedenen Wirkungsweisen unterscheiden. Sie können
Orientierung geben, abschreckend wirken, Handlungen kontrollieren, Hilfe leisten im Sinne eines
schnellen Eingreifens, der Vermittlung von Informationen, der Unterstützung bei der Interpretation
von Zeichen oder einfach zur Verbesserung des subjektiven Sicherheitsgefühls beitragen. Sie dienen
insgesamt der Durchsetzung der Beförderungsbedingungen, die die Nutzung der Verkehrsmittel mit
der Akzeptanz der Regeln verbinden.
Durch Fahrgastbefragungen kann die Wirkung entsprechender Maßnahmen ermittelt werden. Hierbei
handelt es sich in der Regel um die Wiedergabe von Meinungsbildern, deren Aussagekraft jedoch in
Bezug auf die tatsächliche Wirkung eines sozialen Programms begrenzt bleibt. Entscheidend ist, ob
die Instrumente oder Zeichen im beabsichtigten Sinne als sicherheitsfördernde Maßnahmen von den
Fahrgästen wahrgenommen werden und Handlungsabläufe prägen. Dies hängt davon ab, wie das
jeweilige Programm bzw. die konkrete Maßnahme als Zeichen lesbar und im Sinne der beabsichtigten
Wirkung den Fahrgästen verständlich ist. Die Frage, ob die Kommunikation einseitig oder mehrseitig,
unmittelbar oder vermittelt über bestimmte Techniken erfolgt, entscheidet darüber, wie sicht- und
erreichbar und nicht zuletzt nachvollziehbar eine sicherheitsrelevanteMaßnahme ist.
Existieren z.B. in Zügen Einrichtungen, damit Fahrgäste mit den Fahrzeugführern Kontakt aufnehmen
können, sind diese häufig den Fahrgästen als reale Handlungsmöglichkeit nicht bekannt. In der
Konsequenz realisieren bei diesem Beispiel die Verkehrsunternehmen ein umfangreiches und
kostenintensives Maßnahmenpaket, dessen Wirkung durch klare Handlungskenntnis auf Seiten der
Fahrgäste erhöht werden kann.
3.1.1 Ausstattung und Zustand
Die subjektive Sicherheit erfordert dass Ausgänge, Fluchtwege und Flächen einsehbar sind, um im
Falle einer nicht vorhersehbaren Gefahrensituation unmittelbar und ohne kognitiven Aufwand
handeln zu können. Beinhaltet Übersichtlichkeit, dass der Blick unverstellt bleibt, dass sich keine
dunklen Ecken oder Nischen zeigen, so lassen sich hieran die relevanten Maßnahmen ausrichten:
Beleuchtung und lichte offene Räume schaffen Transparenz und Weite, müssen aber gleichzeitig
durch Wegmarken und andere Ausstattungsmerkmale wie Möbel und Hinweiszeichen klar und
deutlich strukturiert sein. Im Vergleich zu Bahnhöfen sind Bus- und Tramhaltestellen dem öffentlichen
Verkehrsraum Straße ausgesetzt. Ihre besondere Situation verlangt, Warteräume zu schaffen, die
Schutz bieten, aber zugleich transparent und übersichtlich sind. Die Gestaltung der Wartezonen muss
mit dem städtischen Raum, mit Straßenbeleuchtung, Straßenzustand, Verkehrsraum etc. interagieren
bzw. koordiniert sein. Die künstlerische Gestaltung sowie die zeitnahe Reinigung und regelmäßige
Pflege der Haltestellen bewähren sich in der Prävention von Vandalismus und fördern die Akzeptanz
der Verkehrsmittel sowie das Sicherheitsgefühl.
Wissenschaftlicher Kontext:
Menschen nehmen den Raum über verschiedene Sinnesorgane und Orientierungskategorien wahr, die
meist von qualitativer Natur sind. Die Menschen müssen räumliches Wissen und verschiedene
kognitive Fähigkeiten haben, um in der Wegfindung erfolgreich zu sein. Dieses Wissen muss durch
Zeichen adressiert werden. Die Verwendung von Image-Schemata helfen Menschen dabei, sich in
20
unbekannter Umgebung zurechtzufinden. Diese Schemata können dabei unterstützen, die
Aufmerksamkeit der Nutzer an den entscheidenden Stellen zu erhöhen, eine räumliche Situation zu
verstehen, um daraus Handlungen abzuleiten (Raubal et al., 1999; Ruetschi, 2007; Walton et al, 2009;
Egenhofer und Rodriguez, 1999). Die bauliche Struktur sollte darauf ausgelegt sein, einen
übersehbaren und möglichst einfach passierbaren Pfad anzubieten, damit ein Ziel erreicht werden
kann.
3.1.2 Soziale Einrichtungen und Gewerbe
Zur das Sicherheitsgefühl beeinflussenden baulichen Ausstattung gehören ebenfalls traditionelle
soziale Einrichtungen sowie in unterschiedlichem Maße Gewerbe. Die klassischen Institutionen,
Bahnhofsmission und Bahnhofswache markieren den Bahnhof zunächst als potentiellen
Unsicherheitsort, indem sie auf die Präsenz bestimmter Gruppen sowie gesellschaftlicher Probleme
weisen. Andererseits adressieren sie die Schutz- bzw. Hilfebedürftigkeit bestimmter Gruppen von
Reisenden. Sorgt die Polizei durch ihre sichtbare Präsenz für Ordnung und regelt den Zutritt zum
eigentlichen Bahnhof,2 so verspricht hingegen die Bahnhofmission inmitten von Heimatlosigkeit
Geborgenheit für gesellschaftlich ausgegrenzte Gruppen und Wohnungslose, aber auch Hilfe und
Unterstützung z.B. für mobilitätseingeschränkte Menschen. Wenn überhaupt noch vorhanden,
befinden sich diese Einrichtungen ggf. auf der nichtrepräsentativen Rückseite bzw. an der Peripherie
des Bahnhofs.
Gewerbe kann einen weiteren Aspekt von Geborgenheit bzw. Normalität bieten, jedoch vorwiegend
bezogen auf die adressierten Gruppen von Fahrgästen und Bahnhofsbesuchern. Kioske, Bäckerläden,
Kaffeehäuser erzeugen eine Atmosphäre von vorübergehender Privatheit und Familiarität.
Gleichzeitig bevölkern Ladenbesitzer und Verkaufspersonal im Rahmen der Öffnungszeiten
Bahnsteige bzw. Bahnhöfe und werden zum Teil des Inventars. Bis zu einem gewissen Grad ersetzen
sie durch ihre bloße Anwesenheit das abgezogene Personal, mitunter unterstützt durch
Fahrkartenverkauf und ggfls. Auskunftsleistungen. Allerdings kann bestimmtes Gewerbe bzw. können
bestimmte Angebote auch bestimmte Klientel anziehen und ggf. zur Unsicherheit der Fahrgäste
beitragen. Vor diesem Hintergrund haben z.B. die Gewerbetreibenden am Bahnhof Brandenburg a. d.
Havel auf den Verkauf von Alkohol verzichtet. Ebenso kann Gewerbe zur Unübersichtlichkeit führen,
Fluchtwege verstellen, schlecht einsehbare Räume erzeugen und ebenso die Sauberkeit am Bahnhof
beeinträchtigen. Folglich sollte die Auswahl und Anordnung von Gewerbe an Bahnhöfen bzw.
komplexen Verknüpfungspunkten auch unter Beachtung ihrer sicherheitsrelvanten Wirkung erfolgen.
3.1.3 Technische Maßnahmen
Unter der Perspektive subjektiver Sicherheit verschmilzt der Raum in seinen unterschiedlichen
funktionalen und sozialen Strukturen zu einem Ganzen, in dem jeder Gegenstand und jede Handlung
Bestandteil einer wahrgenommenen Konstellation sind. Hieraus erklärt sich, dass aus Sicht des
Fahrgasts jede technische Vorrichtung zum Sicherheitszeichen werden kann und folglich auch zum
Mittel für das Verkehrsunternehmen, Sicherheitsgefühl positiv zu beeinflussen. Bereits schlecht oder
2 Bielefelds Hauptbahnhof stellt hierfür ein klassisches Beispiel dar: Der Bahnhof ist Eingangstor zur Stadt, verlagert ins
Zentrum, repräsentiert durch eine entsprechende Torarchitektur, angeschlossen sind Bahnhofsmission und Polizeiwache.
21
nicht funktionierende Fahrkartenautomaten, die dezidiert nicht als Sicherheitstechnik betrachtet
werden, können sich negativ auswirken und auf die fehlende Verantwortungsübernahme durch das
Verkehrsunternehmen hinweisen. Werden in der Regel nur solche Maßnahmen als
Sicherheitstechnologie verstanden, die vermeintlich auf die subjektive oder objektive Sicherheit
einwirken, so darf dies aber nicht dazu führen, dass die ausdrücklich nicht als Sicherheitstechnologie
verstandenen Maßnahmen vernachlässigt werden. Die Wirkung der als Sicherheitstechnologien
bezeichneten Maßnahmen auf das subjektive Sicherheitsgefühl ist im Vergleich zu anderen
technischen Maßnahmen ambivalenter. Angezeigt wird nicht ein Sicherheitszustand per se, als
vielmehr die Absicht, im Falle kritischer Situationen Sicherheit wieder herzustellen. Diese
Funktionalität, z.B. das Funktionieren einer Notrufsäule, ist für den Fahrgast im Gegensatz zu einem
Fahrkartenautomaten nicht nachprüfbar. Da z.B. eine mögliche Dysfunktion des Notrufs aus dem
Fahrgastraum nicht erkannt und ggf. gemeldet werden kann, ist eine aktive Interaktion als
Handlungsmöglichkeit der Fahrgäste ausgeschlossen. Somit müssen sich die Fahrgäste auf das
Funktionieren der Sicherheitsvorrichtungen verlassen und sind diesen defacto ausgeliefert.
Falls ein Feuerlöscher, eine Notbremse, aber auch eine Videokamera oder eine Notrufsäule
überhaupt wahrgenommen werden, so erscheinen diese Dinge zunächst einmal als Zeichen von
Versprechen. Hierdurch kann das subjektive Sicherheitsgefühl erreicht werden, sofern die
Vorrichtungen als Zeichen deutlich sichtbar sind. Sie stehen zur Verfügung, doch das
Sicherheitsempfinden erkennt nicht, ob diese auch tatsächlich im Sinne des Versprechens
funktionieren. Stellt sich heraus, beispielsweise durch Medienberichte, dass eine Maßnahme nicht im
propagierten Sinne funktioniert, so werden hieran nicht nur Sicherheitslücken offenbar. In diesem Fall
schlägt das Versprechen ihrer Funktionen in Unsicherheit um. Die Sicherheitstechnologie erweist sich
in einem solchen Fall als Alibi mangelnder Verantwortungsübernahme der Verkehrsunternehmen.
Einsatz der Videotechnik
In den Einrichtungen der Verkehrsunternehmen
werden Videoüberwachungssysteme für die
unterschiedlichsten Zwecke eingesetzt, so z. B. für die
Kontrolle des ungestörten Betriebsablaufs oder für die
Verhinderung bzw. Aufzeichnung von Straftaten. Diese
verschiedenen Funktionen, aber auch technologische
Qualität und Standard, sind von den Fahrgästen
genauso wenig einzusehen, wie ihre jeweilige Nutzung
oder Betriebsdauer. Ob dauerhaft 24 Stunden an sieben
Tage die Woche beobachtet wird (was einen
erheblichen personellen Aufwand bedeutet) oder ob,
ohne dass eine Aufschaltung in Leitstellen oder
Kontrollräume vorgesehen oder möglich ist, lediglich aufgezeichnet wird, wie häufig im Nahverkehr,
ist den sichtbaren Anlagen nicht abzulesen und meist auch über die verwendeten Signets nicht
erkennbar.
Festgestellt wurde, dass trotz einer immer größer werdenden Präsenz von Kameras
Videoüberwachung in den Handlungsstrategien von Fahrgäste bei kritischen Situationen kaum eine
Rolle spielen, etwa in dem Sinne, dass sich unsichere Fahrgäste bewusst in den Fokus der Kamera
stellen, wie dies vergleichbar in Bezug auf präsentes Personal und andere Fahrgäste erfolgt. Im
Versprechen der Videoüberwachung
- Kostenreduktion: Einsparung
insbesondere von Sicherheits-
personal;
- Kriminalitätsprävention: Erhöhung
des Entdeckungsrisikos für
potentielle Täter;
- Stärkung des subjektiven
Sicherheitsgefühls;
- Verbesserte Strafverfolgung durch
bessere Täteridentifikation
22
Gegenteil, es droht vielmehr die Gefahr, dass sich das Verhalten von Fahrgästen in dem Sinne ändert,
dass sie weniger aktiv werden, das heißt Fahrgäste beispielsweise weniger Straftaten anzeigen.
Verlassen sich die Fahrgäste ausschließlich auf die Technik, so droht die Eigeninitiative und damit
auch selbstbewusstes Handeln in kritischen Situationen verloren zu gehen. Unklar ist, ob den
Fahrgästen bewußt ist, ob die eingesetzten Kameras im ÖPNV jeweils zur Überwachung bzw. zur
Aufzeichnung dienen.
Beeinflusst durch aktuelle Medienberichte sehen Fahrgäste die Funktion der Videoüberwachung
mittlerweile weitgehend in der Strafverfolgung, aber nicht mehr in der Verhinderung von Straftaten.
Umfragen zur Akzeptanz von Videoüberwachung stellen zwar immer wieder eine allgemeine
Befürwortung des Einsatzes fest, so ändert die Präsenz von Kameras das Gefühl von Unsicherheit
jedoch nicht prinzipiell. Wie Rölle 2004 in der Befragung von Verkehrsunternehmen ermittelte, wurde
deren Einsatz gleich nach dem Einsatz von Personal als effektivste Maßnahme zur Erhöhung der
subjektiven Sicherheit der Fahrgäste bewertet (vgl. Rölle2009, 10). Die tatsächliche Wirkung auf das
Sicherheitsempfinden und die konkrete Nutzung der Videoüberwachung in Handlungsstrategien der
Fahrgäste weichen jedoch stark von diesen Einschätzungen ab. Mittlerweile ist das Wissen
vorhanden, dass es trotz der Videoüberwachung / Aufzeichnung zu Straftaten kommen kann. Die
Kamera kann selbst nicht in Geschehensabläufe eingreifen, sondern stellt immer nur eine ergänzende
Maßnahme dar. „Überwachungskameras verhindern weder Straftaten, noch können sie welche
stoppen“, kann mittlerweile auf Hinweisschildern gelesen werden.
Für den Einsatz von Sicherheitstechnologien bedarf es prinzipiell eines Gesamtkonzeptes, um die zum
Teil gegenläufigen Wirkungen effektiv auszugleichen. Videoüberwachung verlangt beispielsweise
Personaleinsatz, der es erlaubt im Falle von beobachteten Ereignissen schnell vor Ort eingreifen zu
können. Die eigentliche Abschreckung erfolgt nicht durch Kameras – wie Täterbefragungen erkennen
lassen. Obwohl immer damit gerechnet werden kann, ertappt zu werden, erhöht sich durch die
Präsenz einer Kamera das Entdeckungsrisiko für die Täter nicht unmittelbar und zwangsläufig. Statt
sich abschrecken zu lassen, sehen die Täter die Kameras als Herausforderung, sich weiter zu
professionalisieren. Entgegen dem Kostenreduktionsversprechen verlangt der Einsatz von
Videoüberwachung die spürbare Präsenz von Personal. Die Videoüberwachung ersetzt kein Personal,
sondern erhöht lediglich den Radius der Wahrnehmung und dient dem Personal als stummer
Beobachter. Sie benötigt aufmerksame Bediener am Monitor und intervenierendes Personal.
Gleichzeitig wird Videoüberwachung und die Präsenz von Kameras immer mehr zur Normalität im
öffentlichen Raum. Einerseits trägt diese Normalisierung zum subjektiven Sicherheitsgefühl bei, da es
als ein öffentliche Räume kennzeichnendes, alltägliches und bekanntes Ausstattungsmerkmal, auch in
Bahnhöfen, Zügen und Bussen wahrgenommen werden kann, andererseits führt diese Gewöhnung
zur weiteren Relativierung dieser Sicherheitsmaßnahme.
Einsatz Notruftechnik
Im Gegensatz zur Videoüberwachung erlaubt die Notrufsäule Möglichkeiten der Interaktion zwischen
Fahrgästen und Verkehrsunternehmen. Dabei treten jedoch verschiedene Probleme auf. Kritische
Situationen die subjektive Sicherheit betreffend sind selten eindeutig definiert, so dass ein Gebrauch
dieses Instruments immer wieder von der ebenfalls subjektiven Einschätzung von Fahrgästen wie vom
Bedienpersonal in den Leistellen abhängt. Es besteht also prinzipiell eine mangelnde Verständigung
hinsichtlich der Nutzung von Notrufsäulen. Einerseits bestehen bei Fahrgästen Hemmungen diese
23
überhaupt zu nutzen, hier wirkt immer noch der Slogan „Missbrau ist strafbar“, andererseits sehen
sich Bediener in den Leitstellen, von in ihren Augen unzulässigen Nutzungen belästigt. Auch hier zeigt
sich, dass es dringend der Aufklärung bedarf, in welchen Fällen Notrufsäulen zu benutzen sind, so
dass die Nutzung tatsächlich verbessert werden kann. Maßnahmen, die die Fahrgäste für die
zielgerichtete Nutzung der Notrufsälen sensibilisieren und ermutigen, können dafür nur förderlich
sein.
Als Problematisch stellt sich allerdings die räumliche Anordnung von Notrufsäulen dar. Vielfach gibt
es nur eine pro Bahnsteig und diese ist wiederum nur an einer Seite zugänglich bzw. nicht vom
gesamten Bahnsteig aus einsehbar. Die Notrufsäule erweist sich als ein prinzipiell statisches
Instrument mit nur sehr eingeschränktem Aktionsradius, um Hilfe zu rufen und diese zu erhalten. Sie
ist nicht immer in allenNotsituationen erreichbar, weshalb ihr Gebrauch relativ beschränkt bleibt.
Eine Steigerung erscheint möglich, durch Abbau der Hemmnisse den Notruf zu bedienen und der
technologischen Kopplung des Notrufs mit der Handynutzung.
Nutzung der Handytechnik
Bieten technische Maßnahmen Möglichkeiten zur Interaktion an, so werden sie auch positiv
bewertet. So stellte sich im Rahmen der SuSi-Team-Untersuchung heraus, dass insbesondere das
Smartphone zur Verbesserung der Kommunikation zwischen Fahrgast und Verkehrsunternehmen
beitragen kann. Diese verbesserte Kommunikation kann in Notsituationen die mangelnde Flexibilität
der Notrufsäule bzw. fehlendes Personal anteilig kompensieren, eine mögliche Erweiterung der
Fahrgastkommunikation darstellen und somit zur Steigerung des subjektiven Sicherheitsempfindens
beitragen (siehe auch 1.1.3). Über verschiedene Apps können Funktionalitäten, die das
Sicherheitsgefühl betreffen, abgerufen werden. Diese reichen von der Information mit Echtzeitdaten,
über Orientierungsmöglichkeiten bis hin zum Herbeirufen schneller Hilfe. Im Gegensatz zur
Notrufsäule bedingt diese technische Maßnahme die allgemeine und umfassende Verbreitung von
Smartphones. Bestimmte Fahrgastgruppen verfügen nicht über diese Technik. Zum anderen kann die
Bedienbarkeit von Telefon und insbesondere Software die intendierte Funktion im Notfall behindern.
Auch tragen mangelnde Information über das App-Angebot, deren Installation und Funktionalitäten
dazu bei, dass diese Maßnahmen bisher kaum wahrgenommen bzw. akzeptiert werden. Abgesehen
von Fahrplaninformation, Routenplanung und Positionsanzeige der Verkehrsmittel offerieren sie
bisher kaum Funktionen für den Notfall, wie direkte Kommunikation, Hilfsauskunft etc. Allerdings
beeinflusst die umfassende Verbreitung von mobilen Telefonen entscheidend das subjektive
Sicherheitsgefühl, sie evozieren eine allgegenwärtige Erreichbarkeit, das vermeintliche Ende
bedrohlicher Einsamkeit und Hilflosigkeit. Mit sichtbar präsentierten Auskunfts-, Kontakt- und
Notrufnummern sowie entsprechenden Informationen zur Nutzung, aber auch mit der Verbesserung
technischer Sende- und Empfangsbedingungen können die Verkehrsunternehmen dieses technische
Mittel nutzen, um die statischen Notrufsäulen durch die sehr verbreiteten mobilen Telefone zu
ergänzen, ihre Präsenz in der Wahrnehmung zu erhöhen und mit den Fahrgästen nicht nur in
Notsituationen zu kommunizieren.
Hier sind unterstützende Entwicklungen im Zusammenhang mit dem weiteren Ausbau des Handy-
Ticketing zu erwarten.
24
3.1.4 Personaleinsatz
Die Anwesenheit von Personal kann als ein wesentliches Ausstattungsmerkmal von
Sicherheitsarchitekturen betrachtet werden. Für das subjektive Sicherheitsgefühl ist es zunächst
irrelevant das Personal in seinen Funktionen zu unterscheiden. Wichtig ist, dass eindeutig dem
Verkehrsunternehmen zuzuordnendes Personal im Raum wahrzunehmen ist. Sofern es im Raum
tatsächlich aktiv, präsent und sichtbar wird, hat es den Vorteil, dass es zwischenmenschliche
Interaktion ermöglicht, um Unsicherheitsgefühle zu relativieren oder Verhaltensunsicherheit in realen
Situationen zu beseitigen. Personal kann sich flexibel auf die Situation einstellen und zubewegen,
konkret Verantwortung übernehmen, gleichzeitig kritische Situationen klären helfen, dadurch dass es
verbal interagieren und intervenieren kann. Allerdings kommt es darauf an, wie aktiv das Personal in
Erscheinung tritt, ob es gut wahrnehmbar, kompetent, tatkräftig, ansprechbar oder ob es dagegen
gelangweilt, desinteressiert oder selbst verunsichert wirkt.
Der Einsatz von Personal wird von den Fahrgästen aller Altersstufen und sozialer Schichten als das
geignetteste Mittel zur Erhöhung der Sicherheit betrachtet. Aus Sicht des Fahrgasts verkörpert es das
Verkehrsunternehmen und erscheint zugleich als Ansprechpartner. Es kann Auskunft und
Informationen erteilen, Hilfestellungen leisten und zugleich durch seine Präsenz als Zeichen von
Sicherheit wahrgenommen werden. Es kann abschreckend auf evtl. Täter wirken, im Rahmen des
Hausrechts in kritische Situationen eingreifen und zusätzlich schnelle Hilfe organisieren. Gegenüber
anderen Maßnahmen zeichnet sich Personal dadurch aus, dass es viele unterschiedliche Wirkweisen
in sich vereint, was bei Kosten-Nutzen-Rechnungen in der Regel außer Acht gelassen wird. Da
prinzipiell alle sozialen Situationen offen für Unbestimmtes sind, ist die Vielfalt von
Reaktionsmöglichkeiten von Personal von hoher Relevanz.
Dem Personal kommt somit eine wesentliche kommunikative Aufgabe zu, mehr noch ist es Symbol
der Kommunikation zwischen Unternehmen und Fahrgästen. Es kann unterschiedliche Mittel
einsetzen, die in unterschiedlicher Weise wahrgenommen werden können: Stimme, Sprache und
Körper. Darüber hinaus sind aber auch Kleidung und bestimmte Gegenstände Attribute ihres
Handelns. Entscheidend ist, dass das Personal auf sich aufmerksam macht, indem es sich selbst als
Zeichen sichtbar macht. Hierfür dienen Gesten, dient die Uniform, die durch entsprechende
Merkmale in ihrer Sichtbarkeit erhöht werden können. In jeweiligen Situationen orientieren sich die
Fahrgäste zunächst an der Umwelt und an anderen Fahrgästen. Das Personal hingegen kann die
entscheidende Orientierung geben, weil ihm die größte Kompetenz im Raum und in der Situation
zugebilligt wird. Die Fahrgäste müssen also nicht mehr auf eigene Recherchen zur
Informationsbeschaffung und auf eigene Erfahrungen zurückgreifen, sondern können sich in
Gefahrensituationen bei der Deutung und Bewältigung auch auf das anwesende und sichtbare
Personal verlassen.
Subjektive Sicherheit verlangt die Sichtbarkeit bestimmter räumlich bezogener Kompetenzen. Diese
können schon durch ein Unternehmenslogo ausgewiesen sein, müssen aber nicht unmittelbar mit
Sicherheit in Verbindung stehen. Grundsätzlich stellt Personal die institutionalisierte
Kommunikationsmacht innerhalb des Aktionsraums dar, wobei dieses nach unterschiedlichen
Organisationen, Kompetenzen und Funktionen differenziert werden kann. So verfügt auch sichtbares
Reinigungspersonal über lokales Wissen, kann auf räumliche Besonderheiten, auf Fluchtwege
hinweisen, Hilfskräfte benachrichtigen. Servicekräfte verfügen darüber hinaus über weitere
25
Informationsquellen und ggf. auch Mittel wie Funkgeräte, Fahrpläne usw., mit denen sie die
Reichweite ihres Handelns ausweiten können. Sie sollen Auskunft erteilen und Hilfe leisten.
Während Servicekräfte an Funktionsorte gebunden sind, zeichnen Sicherheitskräfte sich einerseits
durch erweiterte spezifische Kompetenzen und Funktionen sowie ggf. weiterer Mittel der
Kommunikation, andererseits aber durch einen erweiterten Mobilitätsradius aus. Idealerweise ist ihr
Einsatz so organisiert, dass innerhalb eines bestimmten Zeitraums sie an sämtlichen Orten des
Verkehrsraums einmal präsent sind. Wenn immer weniger Personal eingesetzt und der
Mobilitätsradius gleichzeitig ausgeweitet wird, reduziert sich entsprechend die Sichtbarkeit bzw. die
Warnehmung des Personals für den Fahrgast. Werden die Räume größer, droht lokales Wissen
verloren zu gehen.
Schließlich haben staatliche Sicherheitsorgane die höchste Kompetenz, gleichzeitig ist aber ihr
Handeln auf Sicherheit konzentriert. Wie kein anderer Akteur können diese in kritischen Situationen
Einfluss auf fremdes Handeln nehmen. Sie üben die größte Kontrolle und Kommunikationsmacht aus.
Unabhängig davon, ob sie zu jeder Auskunft in der Lage sind, erzeugt ihre Präsenz im ÖPNV Autorität
und Anerkennung.
Dabei kann die Anwesenheit von insbesondere staatlichen Sicherheitskräften durchaus ambivalent
gesehen werden kann, zumal davon ausgegangen werden muss, dass mit ihr heute weit weniger
gerechnet wird, als dies noch vor einigen Jahrzehnten der Fall gewesen sein mag. Wie bei jedem
intentionalen Sicherheitszeichen kann die Präsenz immer auch Unsicherheit erzeugen, indem sie als
Gefahrenanzeichen gelesen wird. Einerseits trägt die Präsenz zum Sicherheitsgefühl bei, andererseits
kann ihre unerwartete Präsenz dieses einschränken. Es kommt also darauf an, das richtige
kommunikative Maß zu finden. Dies kann nur ermöglicht werden, wenn zwischen sämtlichen
institutionalisierten Akteuren Handeln wechselseitig abgestimmt wird, ohne dass es zwischen
unterschiedlichen beteiligten Unternehmen, Unternehmenseinheiten und Organisationen zu
Unterbrechungen kommt. Notwendig ist ein kooperatives Handeln im Sinne der kollektiven Intention,
Sicherheit herzustellen. Kooperationen stellen sich nur dann her, wenn die Akteure sich auf ein
Miteinander einlassen. Dieses verlangt eine entsprechende Einstellung sowie eine grundsätzliche
Bereitschaft, in einer gegebenen Situation miteinander zu handeln.
3.2 Kooperationsmaßnahmen
Vor diesem Hintergrund kommt den Kooperationsmaßnahmen eine besondere Bedeutung zu, weil sie
zwischen den beteiligten Akteuren Austausch hinsichtlich Sicherheitskonzepten und -Maßnahmen
ermöglicht, Vertrauen schafft und gemeinsames Handeln erzeugen kann. Dies dient insofern dem
Sicherheitsempfinden des Fahrgastes, als ein gemeinsames Verständnis von Sicherheit und auch
gemeinsame Aktivitäten über organisatorische und unternehmerische Grenzen hinweg, was sowohl
eine Einheitlichkeit des Verkehrsraums erzeugen, wie auch zu mehr Eindeutigkeit führen kann. In die
Kooperation sollten Vertreter sämtlicher Akteursgruppen, einschließlich Fahrgastverbände sowie
Kommunen und Sozialverbände vor Ort eingebunden sein. Wie sich immer wieder herausgestellt hat,
trägt eine dauerhafte Kooperation auf kleinteiliger Ebene zur Steigerung des Sicherheitsempfindens
bei, da auf diese Weise die Bedürfnisse der Fahrgäste, der Gewerbetreibenden wie auch der
Mitarbeiter selbst berücksichtigt werden können.
26
Grundlegende Voraussetzungen für eine erfolgreiche Kooperation sind:
Gemeinsame Lagebilder,
wenngleich diese nur bedingt hinreichend sind.
Abstimmung von Meldeketten
Dabei kommt es vor allem auf die Gestaltung von Meldeketten an, die je nach Situation vor
Ort die vorhandenen Akteure so koordinieren, dass die Fahrgäste immer den Eindruck
vorhandener Ansprechpartner haben und ihnen innerhalb eines Mindestzeitraums auch
tatsächlich geholfen wird.
Trainings- und Austauschprogramme
Dadurch wird die notwendige Bildung eines gemeinsamen Maßstabs für sicherheitsrelevantes
Handeln der unterschiedlichen Akteure gegenüber dem Fahrgast wesentlich befördert.
Sicherheitspartnerschaften und Gremien
Hier ist der notwendige Austausch der unterschiedlichsten Akteure, einschließlich der in
Politik und Verwaltung agierenden Entscheidungsträger, zur Bewertung von
sicherheitsrelevanten Entwicklungen im ÖPNV möglich.
Fahrgastbeiräte
Sicherstellung eines professionellen, inhaltlichen Austausches mit Fahrgästen und
Fahrgastverbänden zu Fragen der Wirkung von Sicherheitsmaßnahmen und den damit
verbunden Erwartungen der Zielgruppe selbst.
Gemeinsame Präventionsmaßnahmen
Präventionsmaßnahmen zielen auf die Allianz zwischen Fahrgast, Unternehmen und den
beteiligten Sicherheitsakteuren ab. Dabei spielt die Nutzung vorhandener Synergien der
jeweiligen Partner eine entscheidende Rolle. Diese verstärken auch nachhaltig die
Wirksamkeit von präventiven Maßnahmen.
Ziel ist die Einübung in die Regeln des Verkehrsraums sowie die Bewältigung kritischer
Situationen. Es gilt einzelne Fahrgastgruppen wie beispielsweise Senioren wie auch
Jugendliche mit dem Verkehrsunternehmen in Kontakt zu bringen, ihnen die Möglichkeiten,
als auch Rechten und Pflichte zu vermitteln, die ihnen bei der Benutzung des ÖPNV zur
Verfügung stehen, sowie Strategien des Selbstschutzes und der Zivilcourage aufzuzeigen. In
der Regel erfolgt eine Einführung in das Verkehrsmittel sowie Verhaltenstrainings auf Basis
von Präventionsmaterialien oder ggf. Rollenspielen in einer möglichst realen Situation.
3.3 Kommunikationsmaßnahmen
Im Kern sind sämtliche Sicherheitsmaßnahmen als Kommunikationsmaßnahmen zu verstehen.
Kommunikation dient nicht allein der Übermittlung, sondern vor allem der Konstruktion sozialer
Identität, Ordnung und Kultur. (Reichartz 2009) Die Präsenz der Maßnahmen kommuniziert das
Sicherheitsengagement des Unternehmens und zwar in zwei Richtungen: Einmal sollen die
Maßnahmen den Kunden ein besseres Sicherheitsgefühl verleihen, zum anderen potentielle Täter
abschrecken bzw. verunsichern. Dabei kommt es zu einem weiteren Paradox. Die Maßnahmen
markieren für den Kunden immer auch Unsicherheit. Die Sicherheitsinstrumente signalisieren
27
Abweichungen, Störungen, Bedrohungen, ohne dass diese jedoch stattgefunden haben müssten.
Sicherheitsmaßnahmen erzeugen also Ängste insbesondere da, wo Bedrohungen unspezifisch
bleiben.
Diese Ambivalenz macht Kommunikationsmaßnahmen, die über die Schaffung einer positiven
Wirkung hinausgehen, notwendig. Hierzu zählen insbesondere Flyer und Handreichungen, die
Sicherheitsmaßnahmen erläutern und damit aus ihrer mangelnden Einsehbarkeit befreien. Sie dienen
dem Aufbau von Vertrauen, dass die Maßnahmen in bestimmten Situationen auch funktionieren. Die
Gestaltung sollte von daher insbesondere sachlich und die tatsächlichen Leistungspotentiale der
Instrumente beschreiben. Es sollten nicht falsche Erwartungen geweckt werden, sondern diese
vielmehr mit der Normalität des Verkehrsraums vermittelt werden. Es gilt eine Allianz zwischen
Fahrgästen und Verkehrsunternehmen herzustellen. Sicherheit wird dadurch als gemeinsame Aufgabe
angesehen und kommuniziert.
Auffallend ist, dass es hinsichtlich der Kommunikation von dezidierten Sicherheitsmaßnahmen zu
Unterschieden kommt, womit dem Kunden ggf. vermittelt wird, dass es unterschiedliche Konzepte
gibt. So bestehen zwischen Kampagnen, die die Nutzung der Notrufsäulen propagieren, auffällige
Differenzen, wenn die eine den Verkehrsraum durch den Slogan „Deine Waffe gegen Gewalt“ als
Raum der Unsicherheit kennzeichnet, während die andere durch den Slogan „Ich drück für Dich“ auf
kooperatives Handeln zielt und damit den Raum als Raum der Solidarität markiert. Identität, Ordnung
und Kultur werden jeweils anders adressiert bzw. hergestellt.
4 Herausforderungen und Handlungsfelder
Sicherheit stellt eine Erwartung dar, deren Befriedigung über das eigentliche Produkt hinaus verlangt
wird. In diesem Sinn ist Sicherheit zunächst als ein Zusatz zu verstehen, der die eigentliche Leistung,
die Personenbeförderung ergänzt, heute aber mit der ursprünglichen Funktion zu einem Angebot
verschmolzen ist, dessen Nutzung sozial geregelt und nicht zuletzt unter der Perspektive subjektiver
Sicherheit erwartet wird. Diese neue Konstellation verlangt folglich, den Verkehrsraum als
öffentlichen Raum zu begreifen, dessen Funktionen den gestiegenen Erwartungen des Kunden
entsprechen müssen. Diese sind dem sozio-ökonomischen Wandel geschuldet.
4.1 Herausforderungen für Betreiber
Entscheidend ist, was bei den Fahrgästen ankommt. Fahrgäste sehen bezüglich ihrer Sicherheit heute
in erster Linie Verkehrsunternehmen in der Pflicht, mehr noch als sich selbst oder sogar die Polizei.
Sie haben eine entsprechende Erwartungshaltung an die Unternehmen und honorieren nachweislich,
wenn viel für die Sicherheit durch die Verkehrsunternehmen getan wird. Wie unsere Untersuchungen
zur subjektiven Sicherheit immer wieder gezeigt haben, ist es entscheidend, dass dieser Eindruck
erfahrbar beim Kunden ankommt. Subjektive Sicherheit verbindet eine konkrete Situation mit einer
Erwartung. Wird der Raum entsprechend normalisierter Vorstellungen wahrgenommen, ist die
Erwartung an Sicherheit erfüllt, wird diesen widersprochen, so kann sie enttäuscht werden.
Die Herausforderung für Verkehrsunternehmen besteht darin, auf möglichst viele und
unterschiedliche Situationen, die mit der eigentlichen Funktion nicht im Zusammenhang stehen
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müssen, zu reagieren. Dies verlangt ein erweitertes Verständnis vom Verkehrsraum, welches sich im
Einsatz von Maßnahmen widerspiegeln muss. Häufig besteht das Problem aber darin, dass
Unternehmen den Verkehrsraum nicht als eine soziale Einheit begreifen, die durch zahlreiche
unterschiedliche und prinzipiell offene Situationen gekennzeichnet ist. Hierzu gehören eine extreme
Individualisierung der Verkehrsteilnehmer und deren sich häufig überlagernden Nutzungsabsichten,
ebenso wie die Begegnung mit unerwarteten Gruppen und deren Verhalten, oder mit Erscheinungen
(z.B. Graffiti), die auf soziale Konflikte hindeuten. Diese stehen mit gesellschaftlichen
Wandlungsprozessen im Austausch, auf denen folglich die Verkehrsunternehmen reagieren müssen,
um die ursprünglichen Erwartungen an einen sicheren Verkehr immer wieder zu gewährleisten. Dies
erfordert insbesondere ein für diesen Wandel sensibilisiertes Personal, sowohl auf der operativen als
auch auf der Managementebene. Sicherheit ist nicht von der Leitzentrale aus steuerbar, sondern
bedarf des ständigen Kontakts mit dem Raum
und seinen situativen Konstellationen und
damit auch der Anpassung an neue soziale
Phänomene, wie bspw. dem Eventverkehr. So
genügt es auch nicht, einzelne Maßnahmen zu
präferieren und andere zu ignorieren. Vielmehr
muss jede Maßnahme im sozialen
Gesamtzusammenhang des Verkehrsraums
betrachtet, und entsprechend mit allen
anderen im Raum bestehenden Maßnahmen
sowie Dingen und Personen und nicht zuletzt
der Architektur korrespondieren. Der immer
wieder-kehrende Fehler ist, dezidierte
Sicherheits-maßnahmen isoliert und
unabhängig von der sozialen Dynamik des Raums zu be-trachten.
Sicherheitskonzepte können in ihrer prinzipiellen Ausrichtung zwar einerseits raumübergreifend sein,
indem die Betriebssicherheit von der objektiven und der subjektiven Sicherheit unterschieden
werden. Geht es aber insbesondere um die subjektive Sicherheit der Fahrgäste, bedarf es wesentlich
detaillierter Informationsgrundlagen bzw. der sozialräumlichen Beschreibung der Verkehrsorte. Zu
berücksichtigen sind städtische Lage und Umfeld, Nutzungen und Nutzergruppen, Ausstattungen,
Zustand sowie eingesetzte Maßnahmen und deren Kohärenz hinsichtlich ihrer gemeinsamen Wirkung
und leichten Interpretierbarkeit als räumliche und soziale Zeichen. An diesen sozialräumlichen
Beschreibungen muss der Einsatz von Maßnahmen orientiert werden. Entsprechend der genannten
Faktoren wie Lage, Umfeld, Nutzung etc. lassen sich Verkehrsstationen kategorisieren, um den Einsatz
von sicherheitsrelevanten Maßnahmen zielgerichtet und effizient zu gestalten.
4.2 Herausforderungen für Fahrgastbeiräte / Fahrgastverbände
Die Herausforderung für die Fahrgastverbände ergibt aus ihrer Position in der Gesamtkonstellation,
nämlich zwischen Verkehrsunternehmen, Politik und Fahrgästen zu vermitteln. Dabei gilt es
insbesondere, die Interessen der Fahrgäste zu vertreten. Voraussetzung hierfür ist die kontinuierliche
Ermittlung eines differenzierten Bildes von heutigen Fahrgastgruppen und deren Erwartungen. Dabei
sollte eine Parteinahme für eine bestimmte Fahrgastgruppe ausgeschlossen werden. Vielmehr gilt es,
Abbildung 4: Es wird viel für Sicherheit getan. Quelle: SuSiteam 2011
29
die unterschiedlichen Interessen der jeweiligen Nutzergruppen zu erfassen und gegenüber den
Verkehrsunternehmen und der Politik darzustellen und zu vermitteln. Im Idealfall sollten alle
Interessen vertreten sein, um die sehr abstrakte Einheit Fahrgast in seiner sozialen Wirklichkeit
insbesondere gegenüber Management und Politik aufzuschlüsseln.
4.3 Herausforderungen für Politik
Nachweislich ist es nicht der Verkehr am Tage, der für Unsicherheit der Fahrgäste sorgt, sondern der
abendliche und nächtliche Verkehr. Hier sind Nutzungen häufig unbestimmt und lassen sich nicht
eindeutig zuschreiben; es wird mit Regelbrüchen gerechnet. Die Veränderungen, die sich heute im
Nutzungsverhalten abbilden, die zum Teil auch auch konkrete Verunsicherung hervorrufen, lassen
sich auf den sozio-ökonomischen Wandel von der Industrie- hin zur Konsum- und Freizeitgesellschaft
zurückführen.3 Befördert die kommunale Politik Konsum, Tourismus und Freizeit als zentrale
ökonomische Kategorien innerhalb des internationalen Städtewettbewerbs, so ist es kaum
verwunderlich, dass die Befriedigung individueller kurzfristiger Bedürfnisse in den Vordergrund
rücken und auch den öffentlichen Raum prägen. Diese latenten wie realen Konflikte führen zur
Forderung, das Ausleben der Freizeit- und Konsumbedürfnisse zu reglementieren, was wiederum den
Versprechungen bzw. Interessen an einer Vermarktung der Stadt widersprechen kann.
Die Herausforderung für die Politik besteht prinzipiell darin, die Folgen ihrer Entscheidungen zu
bedenken und Konzepte zu entwickeln, jene Folgen aufzufangen. Sie können nicht einfach auf den
Bürger bzw. die kommunalen Infrastrukturen abgewälzt werden. So gilt es, den sozialen Wandel und
die damit verbundenen Folgen für den städtischen Raum den Bewohnern kommunikativ zu
vermitteln, für Toleranz hinsichtlich neuer und ungewohnter Verhaltensweisen im öffentlichen Raum
zu sorgen und nicht zuletzt auch den öffentlichen Diskurs über kommunale Sicherheit anzustoßen
und zu führen. Darüber hinaus müssen die Verkehrsunternehmen in die Lage versetzt werden, die
Folgen des Wandels auch bewältigen zu können. Hierzu bedarf es eines einheitlichen Agierens der
Politik von Bundes- bis auf Länder- und kommunaler Ebene. Dabei kommt es darauf, dass die Politik
ihrem gesamtgesellschaftlichen Auftrag, jede gesellschaftliche Gruppe zu vertreten, gerecht wird.
Angesichts der den politischen Entscheidungen permanent zu Grunde liegenden massiven
finanztechnischen Diskussionen ist es umso notwendiger, seitens der Politik klare Zielvorgaben für
den Nahverkehr zu definieren.
Zwischen der Perspektive der Politik und der, der Menschen vor Ort besteht jedoch häufig eine
Diskrepanz, die sich in einseitigen Forderungskatalogen an die Unternehmen bzw. in der Finanzierung
einseitiger polizeilicher Maßnahmen an symbolischen Orten erschöpft. Eine angemessene
Sicherheitspolitik besteht aber vielmehr darin, unabhängig von den Einzelinteressen integrative
Ansätze zur Gewährleistung von Sicherheit zu fördern. Dies bezieht sich sowohl auf Räume, auf
3 Während das Industriezeitalter soziale Ordnung auf Basis von disziplinierenden Einschlussmilieus wie Fabrik, Schule,
Kaserne auch für den öffentlichen Raum durchzusetzen verstand, so haben sich seit den späten 60er Jahren des 20.
Jahrhunderts die Grenzen der unterschiedlichen Nutzungen von Arbeit, Freiheit und Konsum aufgelöst und vermischt. Unter
der Perspektive des postindustriellen Arbeitsmarkts werden Konsum und Freizeit zu den primären ökonomischen Quellen
der Kommunen mit der Folge, dass sich auch öffentliche Einrichtungen wie der Personenverkehr anpassen müssen. Ist die
Disziplinierungsfunktion der Industriegesellschaft verschwunden, so bleibt der Bedarf erhalten und wird verteilt auf den
Einzelnen sowie auf die Instanzen des öffentlichen Raums.
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soziale Gruppen wie auch Organisationen. Nicht nur zentrale herausgehobene Orte der Stadt,
sondern auch die Peripherien, wie auch sämtliche soziale Gruppen müssen Teil der politischen
Aufmerksamkeit sein. Gleichzeitig hat Politik dafür zu sorgen, dass die Sicherheitsakteure, die
staatlichen wie die privaten, miteinander kooperieren und damit die kollektive Intention der
Sicherheit zu gewährleisten.
4.4 Herausforderungen für Besteller
Für die operative Gewährleistung der Sicherheit sind die Betreiber zuständig. Durch die politischen
Entscheidungsträger sind die dafür notwendigen Rahmenbedingungen, ausgerichtet auf den
gesetzlich festgeschriebenen Auftrag des ÖPNV, der Daseinsvorsorge, vorgegeben. Auf dieser
Grundlage haben die Bestellorganisationen der Länder die verkehrsvertraglichen Grundlagen zu
erarbeiten und ggfls. deren Umsetzung zu prüfen. Die Auswirkungen des Wettbewerbs auf die
Sicherstellung eines abgestimmten Nahverkehrsangebotes stellen dabei aktuell eine besondere
Herausforderung für die Bestellorganisationen dar. Umso notwendiger sind die Erarbeitung und
Abstimmung von, den politischen Zielvorgaben entsprechenden Parametern für
die Sicherheitsorganisation,
qualitative als auch quantitative Personalvorgaben,
Anforderungen an die Infrastruktur
und für ein einheitliches Sicherheitsmonitoring.
Damit kann sichergestellt werden dass im Rahmen von Ausschreibungen und künftigen
Vertragsgestaltungen einheitliche Maßstäbe für alle potentiellen Betreiber gelten. Aufgrund der
komplexen Zusammenhänge im Nahverkehr sollte dazu ein inhaltlicher Austausch mit allen
Sicherheitsakteuren erfolgen. Als Steuerungsinstrument für die Wirksamkeit von
Sicherheitsmaßnahmen ist das Sicherheitsmonitoring weiter zu profilieren und möglichst einheitlich
umzusetzen.
4.5 Herausforderungen für Gewerkschaften
Damit subjektive Sicherheit vor Ort sowie in Zügen gewährleistet werden kann, bedarf es eines
Personaleinsatzes, der, sowohl von den jeweiligen Sicherheitskräften, wie auch von anderen vor Ort
befindlichen Kräften, bestimmte soziale Kompetenzen verlangt. Gewerkschaften haben die Rolle, auf
die Bedeutung von Personal immer wieder aufmerksam zu machen und diese Bedeutung auch aktiv
zu vermitteln. Die Feststellung dass sich die Übergriffe auf Fahrpersonal häufen, muss gekoppelt
werden mit einer Analyse der konkreten Vorfälle, in die auch die Wirkungsweise der Agierenden vor
Ort einbezogen werden muss. Einem sehr hohen Stellenwert kommt dabei der sozialen Kompetenz
und dem Bewusstmachen der Wirkung der eigenen Verhaltensweisen zu.
Notwendig sind neue Ansätze bei der Bewertung von Arbeitsanforderung und den sich daraus
ergebenden Anforderungen an die Inhalte der Qualifizierung und die entsprechende Vergütung.
Ein Beispiel: Die vielfach anzutreffende Praxis, Kontrollpersonal einzusetzen dass hauptsächlich im
Tarif und im Erkennen von gefälschten Fahrausweisen geschult wird und auf das Vorhandensein der
Sachkundeprüfung nach §34 a zu verwiesen, macht das Dilemma deutlich. Abgeleitet, von den für
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diese Tätigkeit erforderlichen Kompetenzen, müsste der Kontrolldienst nicht als beruflicher Einstieg,
mitunter auch als empfundener Abstieg bewertet werden, sondern vielmehr als Tätigkeitsbild
aufgewertet werden, das eine hohe soziale Kompetenz erfordert.
Dabei geht es auch darum, berufliche Qualifikationen mit zu entwickeln, die der umfassenden
Aufgabe angemessen sind. Diese müssen möglicherweise verstärkt auf die Entwicklung von
kommunikativ sozialen Fähigkeiten ausgerichtet sein, die die Mitarbeiter/innen befähigen in
Konflikten zu vermitteln und die Interpretation der Zeichen zu unterstützen. Dazu gehören auch eine
angemessene Bezahlung und einheitliche Standards in der Ausbildung und den Arbeitsverhältnissen.
Da wo die Unternehmen Kundenorientierung als täglichen Arbeitsauftrag leben, dies auch die
Erwartung an die Mitarbeiter/innen ist und diese entsprechend von der Managementebene geführt
und unterstützt werden, können die Gewerkschaften mit konkreten Maßnahmen für eine Allianz von
Fahrgästen und Mitarbeitern unterstützen.
Bei den Überlegungen zu neuen Personaleinsatzkonzepten sollten die Gewerkschaften die inhaltliche
Profilierung der Arbeit weiter befördern, die den Mitarbeiter/innen und den Fahrgästen zugute
kommt. Ein Beispiel dafür sind die Solo-Guards in der Metro von Barcelona. Von 8-22:00 Uhr sind 50%
der Sicherheitsguards alleine unterwegs. Ergebnis: Sie selbst treten umsichtiger auf, wirken weniger
provozierend. Die Wahrnehmung wird verdoppelt, die Mitarbeiter/innen sind nicht mehr
untereinander im Gespräch vertieft und dadurch ansprechbarer. Die dafür notwenigen Voraussetzung
sind personalpolitisch: Nur die Besten, Freiwilligkeit, mehr Lohn und ein angepasstes
Ausbildungssystem.
Der Ansatz, durch mehr kundenorientierte Serviceleistungen die Fahrgastsicherheit zu erhöhen und
die Nutzung der Technik zur Wirksamkeitssteigerung menschlichen Handelns zu nutzen, sollte in
seiner konkreten Umsetzung von den Gewerkschaften im Interesse Ihrer Mitglieder Bestandteil der
alltäglichen Arbeit sein.