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[15. VI. t947] Informationen - Notes 253 die H6he der Blutsfiule in einem seitlich eingefiihrten Rohr bestimmen. Von einer volummetrischen Betrach- tung ist nicht einmal in theoretischer Hinsicht die Rede. Sie blieb den Forschern des 19. Jahrhunderts vorbehal- ten. H. BuEss. Tagung der Chemiedozenten in Heidelberg vom 15. bis 18. April 1947 Professor FREUDENBERG lud im Namen der Chemi- schen Gesettsehaft yon Heidelberg zu einer Tagung der Chemiedozenten ein. Es folgten der Einladung Vertreter der Hochschulen aus Freiburg, T/ibingen, Karlsruhe, Mfinchen, Heidelberg, Darmstadt, Mainz, Erlangen, Giel3en, Marburg, Bonn, Aachen und zahlreiche Ver- treter aus der Industrie. Der erste Tag wurde der anorganisehen und physika- lisehen Chemie gewidmet, anderthalb Tage der makro- molekularen Chemie und ein Tag der organischen und physiologischen Chemie. Es kann an dieser Stelle nur ein kleiner Ausschnitt aus dem Inhalt der gebotenen Vortr/ige (fiber 40) gegeben werden, wobei bei der Aus- wahl ein subjektiver MaBstab nicht zu vermeiden ist. Bemerkenswert war die Bereitschaft der Vertreter der Industrie, fiber technische Fortschritte zu berichten. WILHELM t(LEMM hielt vier Kurzvortr~ge fiber das Verhalten des Magnesiums zu den Erdalkalimetallen, fiber das System Phosphor/Arsen, fiber magnetisches Verhalten und Konstitution von Titantrichlorid, elek- trische Leitfiihigkeit tier Vanadinoxyde. WEITZ teilte neue Untersuchungen fiber die Adsorption an ober- fl~chenaktiven Stoffen mit. so wird dampff6rmiges AgJ durch Kieselgel ~entf~irbt~,, Leukobasen der Ma- lachitgrfinreihe und andere Substanzen werden durch Adsorption farbig. Diese Erscheinungen sind auf Po- larisationseffekte zurtickzuftihren. KORT/)M korrigierte verschiedene frtihere Angaben tiber Fremdgaseffekte bei der Lichtabsorption yon Halogenen und teilte syste- matische eigene Messungen mit. Der Fremdgaseffekt geht vermutlich auf eine spezifische ~Vechselwirkung zwischen den Gasteilchen zurtick, die sich in einer Ent- mischung der Gasphase (Solvatation im Gaszustand) ~uBert. VoN SUSlCH gab die Zusammensetzung dreier in Europa gebr/iuchlieher Kontakte fiir die Butadien- darstellung bekannt. Neben der Elementaranalyse hatte die r6ntgenographische Methode den Hauptanteil an der Strukturanalyse der Kontakte. MEERW~;IN ent- deckte und untersuchte die Polymerisationsfiihigkeit des Tetral~ydrofurans. Die Polymerisation verl/~uft schema- tisch wie die bekannte des ~thylenoxyds. Als Kataly- satoren wirken Verbindungen der Klasse der terti~ren 0xoniumsalze. Die Wirkungsweise der Katalysatoren und der Polymerisationsablauf wurden aufgeklArt. Es liegt eine Ionenkettenpolymerisation vor. HUSEMANN untersuchte im AnschtuB an die Arbeiten yon BERO- STR6M u n d KARREi~ SchwefelsAureester makromole- kularer Substanzen auf ihre blutgerinnungshemmenden Eigenschaften. Es wurde ein Zusammenhang yon Mole- ktilgr613e, Molekfilform mit ~¥irksamkeit und Toxizit~it gefunden. Bestimmte Pr/tparate zeigen etwa die gleiche klinische Brauchbarkeit wie das schwieriger zugAngliche Heparin. KERN: ~dber die molekulare \¥irkungsweise yon Peroxydkatalysatoren und fiber die V¢irkungsweise yon Inhibitoren auI die Potymerisation yon Vinylderi- vaten ist fast nichts bekannt. Durch die Zusammen- arbeit verschiedener Laboratorien konnte aufgekl~rt werden, dal3 die beste katalytische \¥irkung beim Vor- liegen eines Redoxsystems in molarem Verh~tltnis er- reicht wird. Zun~ichst entsteht aus dem Peroxyd ein Radikal. Dieses Radikal 16st die Polymerisation nach dem Radikalkettenschema aus. MONSTER revidiert ver- schiedene Ansichten tiber die theoretische Auswertung yon osmotischen Daten von L6sungen makromoleku- later Kettenmolekfile. Er ffihrt die Nichtgfiltigkeit der Gasgesetze auf eine Abweiehung yon der statistischen Mechanik zurfick, die auf dem Gr6Benunterschied yon L6sungsmittelmolektil und Makromolekfil beruht. Die Rolle der Solvatation und Beweglichkeit der Ketten wird thermodynamisch formuliert. Aus den vorliegenden Messungen geht hervor, dab die I(ettenmolekfile nur eine geringe innere Beweglichkeit aufweisen. G.V. SCHVLZ fat3te bisherige Arbeiten, die fiber die Gr6Be und Gestalt der Makromolekfile Aussagen machen, zusammen und erweiterte sie durch eigene Messungen und Rechnungen. Die nach verschiedenen Methoden gewonnenen Er- gebnisse geben in einigen Fgtlen, z.B. bei Zellulose- derivaten und Polystyrol gute t]bereinstimmung, in an- deren F/illen bestehen noch Diskrepanzen, z.B. beim Kautschuk und beim Potyisobutylen. Die Gestalt der Kettenmolektile ist vom L6sungsmittel abh/ingig, gute L6sungsmittel stabilisieren die Gestalt. HENGSTENIaERG unternahm an verschiedenen Kunststoffen ultrazentri- fugate Molekulargewichtsbestimmungen. Technische Produkte zeigen oft ein kompliziertes Sedimentations- verhalten, so dab eine Bestimmung des mittleren Mole- kulargewichtes schwierig ist. Es fehlt bis jetzt eine Schnellmethode zur Bestimmung des Verteilungsgrades der Molekulargewichte. Der Referent h~ilt am aussichts- reichsten eine Kombination von Lichtstreuungsmes- sungen und Messungen des osmotischen Druckes. WttRSTLIN: Die Ermittlung der Dielektrizit~ttszahl yon t(unststoffen mit polaren Gruppen (z. B. Polyamide, Polyester) liefert eine ffir diese Stoffe charakteristische Zahl. Mit der DK 1/~Bt sieh der Einfrierpunkt eines Kunststoffes bcstimmen. Der Gang der DK mit der Temperatur ist abh/ingig vom Molekulargewicht, yon der L~nge der Monomeren und dem eventuellen Vor- handensein yon Seitenketten. Die Zusammenh~inge von I(onstitution und DK k6nnen qualitativ gut gedeutet werden. Er kl/irte an ausffihrlichen Arbeiten an Polyestern experimentell die konstitutionellen Voraus- setzungen ftir das Vorhandensein einer Gummielastizi- t~t auf. WOLF teilte die deformierbaren Kunststoffe nach ihrem elastisch-plastischen Verhalten in fiinf Grup- pen ein. HOpF: \V/it~rend die zu festen 1,2unststoffen ftihrende Blockpolymerisation des ~thylens Drucke fiber 1000 arm erfordert, gelingt die Polymerisation des .~thy- lens in L6sung oder Emulsion schon bei Drucken unter 50 arm. Sttmtliche Polymere enthalten in geringer Menge Fremdgruppen, herrfihrend vom Katalysator oder yon Resten des Luftsauerstoffes. Die Fremdatome sitzen an den Endgruppen. WITXm sprach fiber den EinfluB der metallorganischen Bindung auf die Isomerisierbar- keit metallierter 2Kther. Es 1/iBt sich eine Reihe mit ver- schiedenen Metallen metallierter Ather nach ihrer Iso- merisierungsgeschwindigkeit aufstellen. Am sehnellsten isomerisieren Li-Verbindungen. Das geeignetste L6- sungsmittel ist das Tetrahydrofuran. SCHOPF erl~iuterte vier spezielle Synthesen unter physiologischen Ver- h~iltnissen. THEILACI-:~:R lehnt auf Grund sorgf~iltiger Untersuchungen die in der Literatur beschriebene Exi- stenz optisch aktiver SaIze yon asymmetrischen Nitro- verbindungen ab. HELFERICH beschrieb die Isolierung einer besonders aktiven Phosphatase aus Kartoffelpreg- salt. WALDSCH~ImT-LEITZ zerlegte die Protamine Clu- pein und Satmin in die Aminos~iuren, trennte diese quan-

Tagung der Chemiedozenten in Heidelberg vom 15. bis 18. April 1947

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Page 1: Tagung der Chemiedozenten in Heidelberg vom 15. bis 18. April 1947

[15. VI. t947] Informationen - Notes 253

die H6he der Blutsfiule in einem seitlich eingefiihrten Rohr best immen. Von einer volummetr ischen Betrach- tung ist nicht einmal in theoretischer Hinsicht die Rede. Sie blieb den Forschern des 19. Jahrhunder t s vorbehal- ten. H. BuEss.

Tagung der Chemiedozenten in Heidelberg v o m 15. b i s 18. A p r i l 1947

Professor FREUDENBERG lud im Namen der Chemi- schen Gesettsehaft yon Heidelberg zu einer Tagung der Chemiedozenten ein. Es folgten der Einladung Vertreter der Hochschulen aus Freiburg, T/ibingen, Karlsruhe, Mfinchen, Heidelberg, Darmstadt , Mainz, Erlangen, Giel3en, Marburg, Bonn, Aachen und zahlreiche Ver- treter aus der Industrie.

Der erste Tag wurde der anorganisehen und physika- lisehen Chemie gewidmet, ander thalb Tage der makro- molekularen Chemie und ein Tag der organischen und physiologischen Chemie. Es kann an dieser Stelle nur ein kleiner Ausschnit t aus dem Inha l t der gebotenen Vortr/ige (fiber 40) gegeben werden, wobei bei der Aus- wahl ein subjekt iver MaBstab nicht zu vermeiden ist. Bemerkenswert war die Bereitschaft der Vertreter der Industrie, fiber technische For tschr i t te zu berichten.

WILHELM t(LEMM hielt vier Kurzvortr~ge fiber das Verhalten des Magnesiums zu den Erdalkalimetal len, fiber das System Phosphor/Arsen, fiber magnetisches Verhalten und Konst i tu t ion von Titantrichlorid, elek- trische Leitfiihigkeit tier Vanadinoxyde. WEITZ teilte neue Untersuchungen fiber die Adsorption an ober- fl~chenaktiven Stoffen mit. so wird dampff6rmiges AgJ durch Kieselgel ~entf~irbt~,, Leukobasen der Ma- lachitgrfinreihe und andere Substanzen werden durch Adsorption farbig. Diese Erscheinungen sind auf Po- larisationseffekte zurtickzuftihren. KORT/)M korrigierte verschiedene frtihere Angaben tiber Fremdgaseffekte bei der Lichtabsorpt ion yon Halogenen und teilte syste- matische eigene Messungen mit. Der Fremdgaseffekt geht vermutl ich auf eine spezifische ~Vechselwirkung zwischen den Gasteilchen zurtick, die sich in einer Ent - mischung der Gasphase (Solvatat ion im Gaszustand) ~uBert. VoN SUSlCH gab die Zusammensetzung dreier in Europa gebr/iuchlieher Kontak te fiir die Butadien- darstellung bekannt. Neben der Elementaranalyse hat te die r6ntgenographische Methode den Hauptante i l an der Strukturanalyse der Kontakte . MEERW~;IN ent- deckte und untersuchte die Polymerisationsfiihigkeit des Tetral~ydrofurans. Die Polymerisat ion verl/~uft schema- tisch wie die bekannte des ~ thylenoxyds . Als Kata ly- satoren wirken Verbindungen der Klasse der terti~ren 0xoniumsalze. Die Wirkungsweise der Kata lysatoren und der Polymerisat ionsablauf wurden aufgeklArt. Es liegt eine Ionenket tenpolymerisa t ion vor. HUSEMANN untersuchte im AnschtuB an die Arbeiten yon BERO- STR6M und KARREi~ SchwefelsAureester makromole- kularer Substanzen auf ihre blutger innungshemmenden Eigenschaften. Es wurde ein Zusammenhang yon Mole- ktilgr613e, Molekfilform mit ~¥irksamkeit und Toxizit~it gefunden. Bes t immte Pr/ tparate zeigen etwa die gleiche klinische Brauchbarkei t wie das schwieriger zugAngliche Heparin. KERN: ~dber die molekulare \¥irkungsweise yon Peroxydkata lysa toren und fiber die V¢irkungsweise yon Inhibi toren auI die Potymerisat ion yon Vinylderi- vaten i s t fast nichts bekannt. Durch die Zusammen- arbeit verschiedener Laborator ien konnte aufgekl~rt werden, dal3 die beste katalyt ische \¥ i rkung beim Vor-

liegen eines Redoxsystems in molarem Verh~tltnis er- reicht wird. Zun~ichst ents teht aus dem Peroxyd ein Radikal. Dieses Radikal 16st die Polymerisat ion nach dem Radikalket tenschema aus. MONSTER revidiert ver- schiedene Ansichten tiber die theoretische Auswertung yon osmotischen Daten von L6sungen makromoleku- later Kettenmolekfile. Er ffihrt die Nichtgfil t igkeit der Gasgesetze auf eine Abweiehung yon der stat ist ischen Mechanik zurfick, die auf dem Gr6Benunterschied yon L6sungsmittelmolektil und Makromolekfil beruht. Die Rolle der Solvata t ion und Beweglichkeit der Ket ten wird thermodynamisch formuliert . Aus den vorliegenden Messungen geht hervor, dab die I(ettenmolekfile nur eine geringe innere Beweglichkeit aufweisen. G . V . SCHVLZ fat3te bisherige Arbeiten, die fiber die Gr6Be und Gestal t der Makromolekfile Aussagen machen, zusammen und erweiterte sie durch eigene Messungen und Rechnungen. Die nach verschiedenen Methoden gewonnenen Er- gebnisse geben in einigen Fgtlen, z . B . bei Zellulose- derivaten und Polystyrol gute t ]bereinst immung, in an- deren F/illen bestehen noch Diskrepanzen, z . B . beim Kautschuk und beim Potyisobutylen. Die Gestal t der Kettenmolekti le ist vom L6sungsmittel abh/ingig, gute L6sungsmittel stabilisieren die Gestalt. HENGSTENIaERG unternahm an verschiedenen Kunststoffen ultrazentri- fugate Molekulargewichtsbestimmungen. Technische Produkte zeigen oft ein kompliziertes Sedimentat ions- verhalten, so dab eine Best immung des mit t leren Mole- kulargewichtes schwierig ist. Es fehlt bis je tz t eine Schnellmethode zur Bes t immung des Verteilungsgrades der Molekulargewichte. Der Referent h~ilt am aussichts- reichsten eine Kombinat ion von Lichtstreuungsmes- sungen und Messungen des osmotischen Druckes. WttRSTLIN: Die Ermi t t lung der Dielektrizit~ttszahl yon t(unststoffen mit polaren Gruppen (z. B. Polyamide, Polyester) liefert eine ffir diese Stoffe charakterist ische Zahl. Mit der DK 1/~Bt sieh der Einfr ierpunkt eines Kunststoffes bcstimmen. Der Gang der DK mit der Tempera tur ist abh/ingig vom Molekulargewicht, yon der L~nge der Monomeren und dem eventuellen Vor- handensein yon Seitenketten. Die Zusammenh~inge von I (onst i tu t ion und DK k6nnen qual i ta t iv gut gedeutet werden. Er kl/irte an ausffihrlichen Arbeiten an Polyestern experimentel l die konsti tutionellen Voraus- setzungen ftir das Vorhandensein einer Gummielastizi- t~t auf. WOLF teilte die deformierbaren Kunststoffe nach ihrem elastisch-plastischen Verhalten in fiinf Grup- pen ein. HOpF: \V/it~rend die zu festen 1,2unststoffen ftihrende Blockpolymerisat ion des ~ thylens Drucke fiber 1000 arm erfordert, gelingt die Polymerisat ion des .~thy- lens in L6sung oder Emulsion schon bei Drucken unter 50 arm. Sttmtliche Polymere enthal ten in geringer Menge Fremdgruppen, herrfihrend vom Kata lysator oder yon Resten des Luftsauerstoffes. Die Fremda tome sitzen an den Endgruppen. WITXm sprach fiber den EinfluB der metallorganischen Bindung auf die Isomerisierbar- keit metal l ierter 2Kther. Es 1/iBt sich eine Reihe mit ver- schiedenen Metallen metall ierter Ather nach ihrer Iso- merisierungsgeschwindigkeit aufstellen. Am sehnellsten isomerisieren Li-Verbindungen. Das geeignetste L6- sungsmittel ist das Tetrahydrofuran. SCHOPF erl~iuterte vier spezielle Synthesen unter physiologischen Ver- h~iltnissen. THEILACI-:~:R lehnt auf Grund sorgf~iltiger Untersuchungen die in der Li tera tur beschriebene Exi- stenz optisch akt iver SaIze yon asymmetrischen Nitro- verbindungen ab. HELFERICH beschrieb die Isolierung einer besonders akt iven Phosphatase aus Kartoffelpreg- salt. WALDSCH~ImT-LEITZ zerlegte die Protamine Clu- pein und Satmin in die Aminos~iuren, t rennte diese quan-

Page 2: Tagung der Chemiedozenten in Heidelberg vom 15. bis 18. April 1947

254 Informations- Informazioni [ExPERIENTIA VOL 111/6]

t i t a t iv durch Adsorptionsanalyse und fand sehr genau ganzzahlige Verh~tltnisse der AminosAurenbausteine. PUS~MERER entwiekelte auf Grund verschiedener ex- perimenteller Ergebnisse eine Theorie fiber die Existenz eines Radikals der Chinolreihe:

SKRAUPE sprach fiber die Chemic der Oxyde terti~irer Amine. Die Oxyde der Alkaloide haben wahrscheinlich physiologische Bedeutung.

Die Tagung zeigte, dab selbst unter den schwierigsten ~iuBeren Verh~iltnissen grfindliche wissenschaftliche Ar- beit geleistet wurde, und dab eine Bereitsehaft vorhan- den ist, eine gute Tradi t ion weiterzufiihren.

G. BIER Freiburg i. Br., den 20. April 1947.

Die B io log i s che Stat ion in Lunz (Kupelwiesersche Stiftung)

der ¢3sterreichisehen Akademie der Vv'Jssenschaften

Zu Beginn des Jahres 1946 konnte die Biologische Stat ion in Lunz x auf einen 40j~ihrigen Bestand zurfick- blicken. Die Anstal t wurde 1906 yon Dr. CARL KUPEL- WIESER, dem bekannten F6rderer der Wissenschaft in Osterreieh, auf dessen Gutsbesitz Seehof bei Lunz am See (Nieder6sterreich) gegriindet. Am Nordrand des Dfirrensteinmassivs in den nieder6sterreichischen Kalk- alpen gelegen, ist das Lunzer Gebiet (worauf schon 1899 der Wiener Botaniker R. ~VETTS'rEIN hingewiesen hat) Wegen der auf engem Raume zusammengedr~ngten Mannigfalt igkeit der Biotope und Lebensgemeinschaften ftir biologische Forsehungen besonders geeignet. Dem Ins t i tu t waren folgende Aufgaben gestell t : 1. dureh eigene Arbeiten die 6kologische Forsehung in den Ost- alpen zu f6rdern; 2. Arbeitspl~ttze ausw/trtigen Gelehr- ten des In- und Auslandes zur Verfiigung zu stellen und ihnen die Bearbei tung selbstgew/ihlter Themen, fiir deren Verfolgung das Lunzer Gebiet gfinstige Voraus- setzungen bietet, zu erm6glichen; nicht zuletzt, um auf diesem Wege den so wfinschenswerten internat ionalen Kontak t unter den Forschern zu f6rdern; 3. dureh die Abhal tung yon Lehrg~ingen das Interesse ffir die Okologie, insbesondere ffir die Hydrobiologie zu wecken und einen Nachwuchs junger Forscher heranzuziehen. - Lag die wissenschaftliche T~ttigkeit des Ins t i tu ts von Anfang an haupts~tchlich auf dem Gebiete der Limno- logic (woftir drei ganz verschiedenen Typen angeh6rende Seen, flieBende GewXsser versehiedener Art, Moore und zahlreiche Kleingew~sser an Problemen reiche Studien- objekte abgeben), so dehnte sic sich spg.ter auch auf das Gebiet der allgemeinen Bioklimatologie aus. Den vor- wiegend kausalen Forschungsaufgaben entsprechend. wurde bei der Einr ichtung des Ins t i tu ts auf die Ver- bindung der Frei landbeobachtung mit dem Exper iment besonderer Wert gelegt. Eine Glashausanlage und die Aus- rfistung des Laborator iums mit den ffir physikalische, ehemische und biologische Versuche n6tigen Appara- turen bieten die Voraussetzungen hiefiir. Zwanzig Ar- beitspl~itze fiir selbst'gndige Forscher stehen zur Ver-

1 F. RUTTNER, Die Biotogische Station in Lunz 1906-t946, Sitz. Anz. d, ~)sterr. Akad. d. Wiss., 1947. Hier auch ein vollst/in- diges Verzeichnis der aus der Anstalt hervorgegangenen wissen- sehaftlichen Arbeiten.

fiigung, auBerdem ein Kursraum ffir 20-25 Studenten, nnd an dem zwei Wegstunden entfernten, 1113 m hoch gelegenen Obersee eine Sehutzhfit te. Die GAste der Station werden in eigenen XVohnr~tumen untergebracht. - B i s zum Jahre 1923 wurde das Ins t i tu t aus privaten Mitteln der Famil ie KUPELWIESER erhalten. Infolge der Geldentwertung nach dem ersten Weltkrieg muBten je- doch andere Hilfsquellen gesucht werden, und sic wur- den gefunden durch das groBztigige Entgegenkommen der Akademie der Wissenschaften in Wien und der Kaiser- V~rilhelm-Gesellschaft zur F6rderung der \¥issenschaf- ten. U m die Zusammenarbei t in der Betreuung der Sta- tion juristisch zu erm6glichen, entsandten diese beiden K6rperschaften ihre Vertreter in den zu diesem Zweck 1923 gegrtindeten Verein ~Biologische Stat ion in Lunz~,, welchem die Herren Dr. CARL und Dr. HANS KUPF.L- WlESER den gesamten Besitz der Biologischen Station als St i f tung tibergaben. Diese Organisation hat sich gl~nzend bew~ihrt, his der ~Vaffenstillstand yon 1945 das Ausscheiden der Kaiser-V~Zilhelm-Gesetlschaft er- zwang. Dadurch geriet unser Ins t i tu t neuerdings in eine schwierige Lage. Da beschloB die 0sterreichische Aka- demie der XVissenschaften, die Betreuung der Anstalt mit Unterstf i tzung des Bundesminister iums fiir Unter- r icht und im Rahmen des obenerwiihnten Vereins allein zu fibernehmen. Durch diesen Entschlul3 konnte das Weiterbestehen der Lunzer Stat ion aller Voraussicht naeh ffir die Zukunft gesichert werden und m a n daft hoffen, dab sic, wie in frfiheren Jahren, bald wieder zum Treffpunkt zahlreicher Forscher aus atler Welt werden

wird. F. RUTTNE~

Victor Mori tz G o l d s c h m i d t (27. Januar 1888 bis 20. MArz 1947)

Im Frfihjahr 1914 spielte sich im H6rsaal fiir Physik der Hochschule (UniversitAt) Stockholm ein fiir den ge- samten Norden wichtiges Ereignis yon bedeutender aka- demischer Tragweite ab. Vier Bewerber um die yon Pro- Iessor Dr. W. C. BROEG~ER aufgebaute und nach seinem Schiiler und Nachfolger Dr. HELGE BXCKSTR6.~ wieder frei gewordene Professur der Mineralogie und Petro- graphic hielten ihre Probevorlesungen iiber selbst- gew/ihltes und vorgelegtes Thema. Den Vorsitz des be- urteilenden Aussehusses ffihrte der alte BROEGGER selbst. SachverstXndige BeirSte waren der scheidende Professor sowie Professor Dr. WILHELM RAMSAY ans Helsingfors, aueh ein BeOEGCER-Schtiler aus der trii- hen Stockholmer Zeit. Zwei Generationen beur~eilten eine dritte, denn der bei weitem jfingste unter den Be- werbern war VICTOR 3{ORITZ GOLDSCHMIDT, formell ein letzter Schtiler BROEGGERS aus seiner spXten Christiania- zeit.

Auch die nicht speziell sachkundige Zuh6rersehaft war an dieser Konkurrenz in gewissem Grade in- teressiert. Denn auBer GOLDSCHMIDT, der in Zfirich als Sohn des Professors der Chemic, Dr. HEINRICH JAKOB GOLDSCHMIDT geboren, die Jahre 1894/96 in Amsterdam verbracht , in Heidelberg 1896/1901 die Mittelschule be- sucht, nach Ubersiedlung ohne wesentliche VerspXtung das norwegische Abi tur absolvierte und 1911 seine be- deutungsvolle akademische Abhandlung fiber ,Die Kontak tmetamorphose im Christianiagebiet,, mit Aus- zeichnung ver te idigt hatte, stand ein zweiter Bewerber mit russischem Abitur und zum Tell russischem aka- demisehen Lebenslauf sowie literarischer Faehmeri- t ierung aus weitentlegenen exotisehen L~indern den